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 bwp@ Ausgabe Nr. 12 | Juni 2007
Qualifizierung von Berufs- und Wirtschaftspädagogen zwischen Professionalisierung und Polyvalenz

Auf zu neuen Ufern? – Eine Stellungnahme zu dem Artikel von Birgit Blumenau und Claus H. Brasch


 

 


1. Vorbemerkung

In der Einleitung zu Ihrem Artikel weisen die beiden Autoren ausdrücklich daraufhin, dass sie eine „sachliche Darstellung“ geben wollen, „bei der wir auf persönliche kritische Betrachtungen verzichtet haben“ (BLUMENAU/ BRASCH 2007, 1). Dementsprechend berichten sie über die Reform des Vorbereitungsdienstes in Schleswig-Holstein auf der Basis der von offizieller Seite publizierten Motive, Eckpunkte und Systemelemente. In der Zusammenfassung von Informationen aus diversen Publikationen, vor allem in der Abbildung des aktuellen Standes einer Reform, die seit ihrer Einführung im Jahre 2004 bereits einige teils gravierende Modifizierungen erfahren hat, liegt das Verdienst der beiden Autoren.

Als Studienleiter habe ich über viele Jahre an der Ausbildung von Referendarinnen und Referendaren in der Fachrichtung „Wirtschaft und Verwaltung“ mitgewirkt. Ich habe den Reformprozess miterlebt und war an der Umsetzung am damaligen Seminar für Berufsbildende Schulen von den ersten Diskussionen bis zur Ausgestaltung in konkrete Modulstrukturen beteiligt. Zum 01.02.2006 habe ich mich 2 Jahre vor Erreichen der Altersgrenze pensionieren lassen. Bis zu diesem Zeitpunkt, an dem die Ausbildung nach der alten OVP endete und die neue über 3 Semester lief, reichen meine unmittelbaren und persönlichen Erfahrungen. Darauf fußt meine Stellungnahme. Zwar habe ich sie von noch tätigen Kollegen überprüfen lassen, möchte aber dennoch darauf hinweisen, dass mir die unmittelbare Anschauung seit anderthalb Jahren fehlt.

Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen, die mir mit ihren Anmerkungen geholfen haben. Die Verantwortung für den Inhalt liegt jedoch naturgemäß ausschließlich bei mir.

Ich verstehe meine Stellungnahme nicht als Kritik oder Korrektur an dem Beitrag von BLUMENAU und BRASCH, sondern als eine Ergänzung. Der Konstruktionsplan – die Blaupause – eines Schiffes erschließt noch nicht dessen praktische Bewährung, aus ihr kann sich ein Leser noch kein Bild davon machen, ob wirklich neue Ufer erreicht wurden und ob es sich dabei um das gelobte Land handelt.

Ich werde versuchen, zu einigen Kernpunkten der Reform darzulegen, wie sie aus meiner Sicht mit Leben erfüllt werden. Ein paar Worte sollen dem Prozess der Entstehung und Modifizierung gelten. Hier geht es nicht darum, besserwisserisch auf alte Fehler hinzuweisen. Aber für die aktuelle Akzeptanz der Reform bei allen Beteiligten – für die Motivation zu ihrer Umsetzung in den Alltag – erscheint es mir von großer Bedeutung, wie man zu dem gegenwärtigen Stand gelangt ist.

Ausdrücklich möchte ich darauf hinweisen, dass sich Erfahrungen, Eindrücke nicht immer belegen lassen wie ein Konstruktionsplan. Und natürlich sind sie subjektiv gefärbt. Ich stand und stehe jedoch in einem intensiven Austauschprozess mit vielen aktuellen Beteiligten, wodurch es sich bei meinem Beitrag ganz sicher nicht um die Meinung eines Einzelnen handelt. Im Übrigen bietet diese Zeitschrift ein geeignetes Forum zur Diskussion und ggf. Richtigstellung.

2.  Zur Genese der Reform

BLUMENAU und BRASCH geben die Meilensteine der Reform in einem zeitlichen Rahmenplan klar wieder. Sie weisen auch kurz auf einen wichtigen Strang der Kritik hin: „...die Ausgestaltung und die zeitliche Enge der Konzeption der Ausbildungsmodule seitens des IQSH“ (BLUMENAU/ BRASCH 2007, 3).

Im Herbst 2003 erhielten alle Seminare des IQSH den Auftrag, bis zum Jahreswechsel alle Pflicht- und Wahlmodule nach der neuen Ausbildungsordnung nach Titel, Inhalt, Dauer, Bezug zu den Standards usw. zu benennen. Innerhalb weniger Wochen sollte der gesamte Vorbereitungsdienst von einer in konstanten Gruppen eher ganzheitlich arbeitenden Form in ein vollmodularisiertes System übertragen werden. Außer dem insgesamt verfügbaren Stundenvolumen lag kein Konzept der Modularisierung vor. Insofern haben die Arbeitsgruppen der Fächer und Fachrichtungen sowie der Berufspädagogik nach je individuellem Verständnis schnell Module entwickelt. Fragen oder Beiträge zu einer pädagogisch sinnvollen Strukturierung wurden wegen des Zeitdrucks bisweilen nicht weiterverfolgt; ebenso erfolgte keine Fortbildung zur Konstruktion von Modulen. Das Ergebnis bestand in einer großen Sammlung inhaltlich, pädagogisch und strukturell nicht abgestimmter einzelner Module.

Auf einer der Informationsveranstaltungen („Die Studienleiterinnen und Studienleiter wurden auf ihre neue Aufgabe nicht explizit vorbereitet, sondern es fanden Informationsveranstaltungen zur Reform und zur OVP statt.“ (BLUMENAU/ BRASCH 2007, 12)) für Studienleiterinnen und Studienleiter im Sommer 2003 wurde verkündet, dass Module thematisch voneinander unabhängige Einheiten darstellen sollen, die von den Lehrkräften in Ausbildung zeitlich völlig offen angeordnet werden können. Auch habe Unterricht realiter in den Modulen nichts mehr zu suchen, das sei nun Aufgabe der Schulen. Bereits im November 2004 verkündete der Direktor des IQSH eine ganz neue Richtung: „Module sind Ausbildungsbausteine mit mehreren Einheiten“ (RIECKE-BAULECKE 2004, 6). Und „ab August 2005 (wurden) so genannte komplexe Module/Modulreihen angeboten“ (BLUMENAU/ BRASCH 2007, 14) (Näheres dazu siehe bei BLUMENAU/ BRASCH (2007) ), in denen auch Unterrichtsbesuche stattfinden sollen (Allerdings: das Modulthema ist eine Sache, der unterrichtliche Einsatz der Lehrkräfte in Ausbildung eine andere. Eine Lehrkraft in Ausbildung zu finden, die zum richtigen Zeitpunkt genau zu dem Modulabschnitt einen Ausschnitt aus dem laufenden Unterricht zeigen kann, ist fast unmöglich. Wenn der Unterricht jedoch thematisch nicht zu dem Modul passt, dann geht er zu Lasten der ohnehin schon beschränkten Zeit für die Module.). Man kann hier kaum von einer „ersten Modifikation“ sprechen, sondern von einer Kehrtwendung um 180°, die die meisten Module zu Makulatur machten.

Das Prinzip der „lernenden Organisation“ reicht zur Erklärung hier nicht aus. Aus Fehlern zu lernen ist sicher begrüßenswert, aber Fehler vermeiden ist besser. Im Ausbildungsbereich des IQSH waren derzeit insgesamt etwa 250 Studienleiter tätig, im Bild der Schifffahrt handelt es sich eher um ein großes Containerschiff als um ein Wildwasserkajak. Ein Paradigmenwechsel im Kerngeschäft des Modulangebots wenige Monate nach Verkündung des Gegenteils ist schwer zu vermitteln. Die Folge ist, dass heute in der Modularbeit der Wildwuchs noch größer geworden ist. Einige folgen der neuen Maxime, andere bleiben bei den alten Modulen und eine dritte Gruppe ist zu den alten Seminartagen zurückgekehrt, d. h. Unterrichtsbesuche und -besprechungen. Letzteres entspricht zwar nicht der Intention der Modularisierung, kommt aber den Interessen der Referendarinnen und Referendare sowie der Ausbildungslehrkräfte gleichermaßen entgegen.

 

3. Zu einigen Kernpunkten der Reform

3.1 Individualisierung der Ausbildung

„Einmalig in Deutschland sind die Wahlmöglichkeiten für die jungen Lehrkräfte im Bereich der Module des IQSH. Kein anderes Bundesland bietet derart umfangreiche Angebote, aus denen sich Lehrkräfte ihr Ausbildungsangebot zusammenstellen können“ (RIECKE-BAULECKE 2004, 6). Wahlmöglichkeiten können in inhaltlicher, personeller, zeitlicher und räumlicher Hinsicht bestehen. Die Ausbildungs inhalte sind zu zwei Dritteln in Pflichtmodulen festgelegt. Bei dem verbleibenden Drittel der Wahlmodule hängt die individuelle Gestaltungsfreiheit davon ab, wie viele Wahlmodule angeboten werden. Weil eine große Vielfalt von Wahlmodulen teuer ist, da sie ja mit kleinen Gruppengrößen verbunden ist, wurde hier ein Riegel vorgeschoben. In größeren Fächern und Fachgruppen (z. B. in „Wirtschaft und Verwaltung“) wurde die Mindestgröße auf 7 Teilnehmer festgelegt und die Studienleiter wurden aufgefordert, nicht zu viele Wahlmodule anzubieten. Personelle Wahlfreiheit, d. h. die freie Wahl eines Studienleiters ist nur bei Parallelveranstaltungen möglich. Dasselbe gilt für die Wahl des Veranstaltungs ort es. Allein die zeitliche Verteilung von Pflicht- und Wahlmodulen sollte vollkommen beliebig erfolgen können. Mit dem Wechsel hin zu komplexeren Modulen, die zudem entwicklungslogisch sequenziert sind, entfällt auch diese Möglichkeit zur Individualisierung.

3.2 Standards und Prüfung

Dankenswerterweise haben BLUMENAU und BRASCH in ihrem Artikel die Allgemeinen Ausbildungsstandards vollständig wieder gegeben. Sie haben über alle Schularten Geltung, haben dementsprechend keinen Bezug zu berufspädagogischen Spezifika; denn diese finden ihren Niederschlag in weiteren Standards, die zu jeder Fachrichtung und jedem Fach von den jeweiligen Vertretern dieser Sparte erstellt worden sind. Auch dieses ist unter großem Zeitdruck und ohne konzeptionelle Absprachen geschehen. Aus der großen Anzahl von Fachrichtungen im berufsbildenden Schulwesen folgt, dass ein umfangreiches Sammelwerk von sehr individuellen Standards entstanden ist. Sie wurden bisher auch weder evaluiert noch verbessert.

Wenn man die Funktion von Standards bescheiden in einer Hilfe zur Orientierung der Lehrkräfte in Ausbildung sieht, einer Orientierung für die eigenverantwortliche Gestaltung der Ausbildung, dann soll dies der einzelnen Referendarin bzw. dem einzelnen Referendar durch 34 allgemeine, ca. 10-15 fachrichtungs- und 10-15 fachspezifische Standards gelingen. Dabei wurde nie stringent untersucht, ob dieses Set von Standards in sich konsistent ist, ob es etwa vollständig oder redundant ist, ob es von vergleichbaren pädagogischen Positionen ausgeht.

Als Beispiel seien hier die Standards für die Fachrichtung „Wirtschaft und Verwaltung“ angegeben:

Die Lehrkraft in Ausbildung

  1. verankert betriebswirtschaftliche Zusammenhänge im geschäftsprozessorientierten Unternehmensmodell.
  2. bildet betriebswirtschaftliche Zusammenhänge zahlenmäßig ab.
  3. fällt betriebswirtschaftliche Entscheidungen nach Gesichtspunkten wirtschaftlicher Größen wie Aufwand und Ertrag.
  4. sieht Kundenorientierung als wesentliches Element wirtschaftlicher Entscheidungen an.
  5. berücksichtiget Abhängigkeiten und Wirkungsketten betriebswirtschaftlicher Abläufe bei Handlungen und Entscheidungen im Unternehmen.
  6. veranschaulicht ökonomische Sachverhalte durch simulative Methoden.
  7. erhöht den Praxisbezug durch Kooperationen mit externen Partnern wie Betrieben, Kammern, Gewerkschaften und Verbänden.
  8. verdeutlicht die Wichtigkeit wirtschaftsbezogener Medien.
  9. wirkt darauf hin, dass Schülerinnen und Schüler persönliche Entscheidungen auf der Basis ökonomisch-rationaler Denkweisen fällen.
  10. integriert den Rechtsrahmen wirtschaftlichen Handelns in den Unterricht.
  11. gliedert IT-Werkzeuge anwendungsbezogen in den Unterricht ein.
  12. betrachtet wirtschaftliche Prozesse auf unterschiedlichen Aggregationsstufen: am Arbeitsplatz, im Betrieb, im Unternehmen, in der Volkswirtschaft und Weltwirtschaft.
  13. zeigt Wirkungen internationaler Zusammenarbeit auf.
  14. wirkt in der Schule darauf hin, dass Entscheidungen auch unter ökonomisch-rationalen Gesichtspunkten gefällt werden.

Diese Standards sind von den Studienleitern dieser Fachrichtung unter der Maßgabe aufgestellt worden, ausschließlich fachrichtungsspezifische Aspekte darin abzubilden und nicht etwa übergreifende berufspädagogische Themen wie etwa die Handlungs- oder Lernfeldorientierung. Andere Fachrichtungen haben sich fast ausschließlich allgemein berufspädagogischen Themen zugewandt. Ein für alle gleichermaßen gültiger Katalog dazu fehlt, er wurde vermutlich in der Eile schlicht vergessen. Insofern unterliegen Lehrkräfte in Ausbildung der Fachrichtung „Wirtschaft und Verwaltung“ nun keinen allgemein berufspädagogischen Standards – wohl aber solche der Fachrichtung „Elektrotechnik“.

Mein Eindruck war, dass weder die Lehrkräfte in Ausbildung noch die Studienleiterinnen und Studienleiter diese Standards verinnerlicht haben. Sie waren nicht Ziel führend bei der Konzeption der Module und nicht ausschlaggebend für die Entscheidung, ein bestimmtes Modul zu besuchen.

Von Seiten der Institutsleitung hat man sich von den Standards jedoch sehr viel mehr als nur eine Orientierungshilfe versprochen. BLUMENAU und BRASCH zitieren auf S. 4 den Direktor: „Mit der Formulierung von Ausbildungsstandards wird deshalb eine verbindliche und überprüfbare Handlungsgrundlage für das IQSH, die Schulen und die Schulaufsicht geschaffen“. Und auch BLUMENAU und BRASCH konstatieren, dass mit den Standards eine „neue Denkweise“ hin zu einer „Output-Orientierung“ etabliert wurde. Genau dies ist mit dem Begriff „Standard“ auch gemeint: im Gegensatz zu Zielen soll mit den Standards mess- und berechenbar, objektiv eine Eignung festzustellen sein. Ein Blick auf die 34 Allgemeinen Standards macht sofort deutlich, dass diese weder messbare Größen enthalten noch ein Kriterium, ab wann der Standard als ausreichend erfüllt gilt. Um dies gewährleisten zu können, müssten zu den allgemein formulierten Standards Indikatoren benannt werden. Dies ist bekanntermaßen kein einfaches Geschäft. Standard 21: „Die Lehrkraft i. A. vermittelt demokratische Werte und Normen.“ Mit einem einzigen Indikator wird man hier kaum auskommen und zu jedem müssten Grenzwerte angegeben werden, die ein „Norm erfüllt“ von einem „nicht erfüllt“ trennen. Es ist völlig evident, dass dies für Hunderte von Standards (nicht nur die allgemeinen sondern auch die spezifischen) nicht leistbar ist und dass es kein Prüfungsverfahren gibt, das hier sinnvoll angewandt werden könnte.

Mit der 2. Staatsprüfung nach der OVP des Landes Schleswig-Holstein ist eine explizite Überprüfung an Hand der Standards jedenfalls nicht möglich:

•  Zwar soll in den Hausarbeiten nachgewiesen werden, dass der Prüfling die Inhalte eines Moduls oder einer Modulreihe unterrichtlich umsetzen und reflektieren kann und zwar enthält die Modulbeschreibung auch Hinweise auf Standards, denen das Modul zuarbeitet. Aber bestenfalls kann hier etwas zu einer Teilmenge von Standards gesagt werden und dies nur pauschal „aus dem Bauch“. In den „Informationen zum Vorbereitungsdienst – Heft 5 Die Zweite Staatsprüfung“ werden Beurteilungskriterien angegeben, von denen nur eines auf die Ausbildungsstandards verweist: „Werden Leitfragen und Zielvorstellungen klar formuliert und plausibel vor dem Hintergrund des Modulthemas und der Ausbildungsstandards begründet?“ (MBWFK/ IQSH 2005, 14)

•  Die dienstliche Beurteilung erfolgt durch den Schulleiter. Wegen des Prinzips der Trennung von Ausbildung und Prüfung soll sich der Schulleiter höchst persönlich ein Bild von der Lehrkraft in Ausbildung machen. Eine Delegation dieser Aufgabe an die Ausbildungslehrkraft wäre ein eklatanter Verstoß gegen diesen Grundsatz. § 13 der OVP (Dienstliche Beurteilung) enthält u. a. die folgende Aussage: „Kriterien für die Beurteilung sind die Ausbildungsstandards“. Allein wie viel Zeit hat ein Schulleiter dafür übrig, um die Qualifikation seiner Lehrkraft in Ausbildung an Hand von 50-70 Standards zu überprüfen – ganz zu schweigen von dem auch hier fehlenden Messverfahren?

•  Der Schulrechtstest hat inhaltlich allenfalls eine Affinität zu den Allgemeinen Ausbildungsstandards Nr. 1 und Nr. 28 (Der Schulrechtstest steht inzwischen vollständig mit Lösungen im Netz, ihn zu bestehen ist lediglich eine Frage des Auswendiglernens http://www.schulrecht.lernnetz2.de/content/ueben.php?typ=F&group=2&ugroup=1 (21-8-2007). ).

•  Für die Bewertung der beiden Lehrproben sollen die Anforderungen der Ausbildungsstandards aufgegriffen werden (MBWFK/ IQSH 2005, 21). Sie sind als Gesichtspunkte für ein Beurteilungsgespräch unter den Mitgliedern der Prüfungskommission nicht geeignet, weshalb in der Broschüre auch eigene Gesichtspunkte genannt werden. Ähnliches gilt für die Aufgabe im Bereich Pädagogik, Diagnostik, Schulentwicklung (§ 21 Abs. 3 OVP). „Ein Bezug zu den allgemeinen Ausbildungsstandards ist dabei zu gewährleisten“ (MBWFK/ IQSH 2005, 22) und auch hier werden eigene Gesichtspunkte genannt.

Zusammenfassend wird deutlich, dass das Prüfungsverfahren nicht dazu geeignet ist, die Einhaltung der Standards durch den Prüfling zu erfassen. Der Anspruch des Direktors auf eine „verbindliche und überprüfbare Handlungsgrundlage“ kann damit nicht eingelöst werden.

Damit soll die Prüfung als solche nicht kritisiert werden – nur ihre diagnostische Funktion in Bezug auf die Ausbildungsstandards. Unabhängig davon sind zu zwei Strukturmerkmalen der Prüfung Anmerkungen zu machen: 1. der Trennung von Ausbilden und Prüfen und 2. zu den die Ausbildung begleitenden Elementen der Prüfung.

•  Das Vertrauensverhältnis zwischen Ausbildungslehrkraft und Referendar bzw. Referendarin nicht durch den hoheitlichen Akt der Beurteilung zu belasten stellt sicher ein nachvollziehbares Ziel dar. Die Kehrseite davon besteht aber darin, dass man zur Beurteilung auf diejenigen verzichtet, die den Prüfling am besten kennen. Hier stehen sich Objektivität und Validität der Prüfung konkurrierend gegenüber. Realiter ist dieses Prinzip kaum eingehalten worden; denn um dem Prüfling gerecht zu werden (ihn valide zu beurteilen) hat wohl jeder betroffene Schulleiter zumindest Gespräche mit den Ausbildungslehrkräften geführt, wenn nicht ein Gutachten entwerfen lassen. Da dies auch die gängige und legitime Praxis nach der alten OVP war, dürfte der Usus beibehalten worden sein. Von Seiten der Lehrkräfte in Ausbildung ist die Trennung sehr häufig als nachteilig angesehen worden. Aus zahlreichen Gesprächen habe ich entnommen, dass die Lehrkräfte in Ausbildung eben weil die Standards keine objektive Basis für die Beurteilung hergeben, sie sich an Vorbildern zu orientieren versuchen. Deshalb ist der Erlass, nach dem die Ausbildungslehrkräfte – zwar ohne Stimmrecht und nur im Rahmen ihres eigenen Fachs bzw. der eigenen Fachrichtung – an der Prüfung teilnehmen dürfen, zu begrüßen. Er ist jedoch zugleich ein Eingeständnis, dass Ausbilden und Prüfen eben nicht sauber zu trennen sind.

•  Zu den die Ausbildung begleitenden Prüfungsteilen zählen vor allem die beiden Hausarbeiten, die immerhin 30% der Endnote ausmachen. „Empfohlen wird, eine Hausarbeit im zweiten und eine im dritten Ausbildungshalbjahr zu schreiben; eine andere zeitliche Verteilung ist jedoch prinzipiell nicht ausgeschlossen.“ (MBWFK/ IQSH 2005, S 12). Als Problem hat sich erwiesen, dass die Lehrkräfte in Ausbildung in diesem frühen Stadium den Weg vom Novizen zum Experten allenfalls teilweise zurückgelegt haben. Als Teil der Abschlussnote wird ein Leistungsbild aus einem Zwischenstadium genommen. Tatsächlich lagen sowohl die Unterrichtsleistung als auch die Reflexion häufig auf einem erschreckend niedrigen Niveau. Ausbildungsbegleitende Prüfungsteile machen nur Sinn, wenn Ausbildungsinhalte wirklich abgeschlossen werden.

3.3 Die Rolle des IQSH, der Studienleiter

„Die Ausbildungslehrkräfte sind der Garant für eine qualifizierte Ausbildung der Lehrkräfte in Ausbildung“ (BLUMENAU/ BRASCH 2007 12). Dieser Satz und der folgende machen deutlich, wo die Autoren den eindeutigen Schwerpunkt des Vorbereitungsdienstes sehen: „Die berufsqualifizierende Ausbildung wird an der Schule durchgeführt“ (ebenda, 7f.). Bemerkenswert ist, dass diese Aussage nicht etwa von Vertretern des Ausbildungsortes Schule kommt, sondern von zwei Studienleitern am IQSH. Der Ausbildungsort IQSH existiert zwar noch, er scheint jedoch kein Garant mehr für eine qualifizierte Ausbildung zu sein und kaum etwas zur Berufsqualifizierung beizutragen.

Der Ausbildungsanteil des IQSH ist von der alten zur neuen OVP von bis zu 1000 Stunden auf 360 reduziert worden. Die Reduzierung ist besonders krass in der Profil gebenden Fachrichtung (z. B. „Wirtschaft und Verwaltung“). Hier stand je Woche ein ganzer Seminartag zur Verfügung, was über den gesamten Vorbereitungsdienst und einem achtstündigen Seminartag 640 Stunden ausmacht. Jetzt stehen für die Fachrichtung nur noch 120 Std. zur Verfügung, also weniger als 20%. Selbst bei den neuerdings geforderten – und anfangs explizit verpönten – kontinuierlichen Modulgruppen fällt es schwer, auch nur die Namen aller Teilnehmer zu erinnern.

Nun erhält der Studienleiter dadurch mehr Gewicht, dass er – im Gegensatz zur Ausbildungslehrkraft – Mitglied des Prüfungsausschusses ist, ja in dem Prüfungsausschuss häufig auch die alleinige Kompetenz für das Fach bzw. die Fachrichtung hat. Dies ist den Lehrkräften in Ausbildung durchaus bewusst und sie drängen darauf, in der Ausbildung mit prüfungsrelevanten Situationen konfrontiert zu werden. D. h. sie würden gern von dem Studienleiter, der dann auch ihr Prüfer sein wird, im Unterricht besucht und beraten werden. Dies ist prinzipiell im Rahmen eines Moduls und der Hausarbeit möglich. Die Hausarbeit wird im 2. oder 3. Semester geschrieben, wodurch eine zur Prüfung zeitnahe Rückmeldung nicht möglich ist (vgl. oben). In den Modulen ist es wegen der wenigen verfügbaren Tage und der angestrebten Gruppengröße von 20 Teilnehmern eher Glückssache, wenn man die Chance einer Unterrichtsvorstellung bekommt.

Aus alldem ist es nicht verwunderlich, dass das Ansehen des IQSH an den Schulen deutlich gesunken ist. Das Verhältnis von Seminar zu Schule ist nie einfach und nicht frei von Vorurteilen, die nur durch ständige Kommunikation und Kooperation eingeschränkt werden können. In zahlreichen Gesprächen mit Schulleitern und Lehrkräften habe ich den Eindruck gewonnen, dass unter der neuen OVP die Daseinsberechtigung des Dualpartners IQSH zumindest mit den jetzt von ihm angebotenen Ausbildungsinstrumenten im Vorbereitungsdienst in Zweifel gezogen wird.


Dies wird auch durch Ergebnisse aus dem 2. Evaluationsbericht unterstützt. Die Lehrkräfte in Ausbildung haben aus ihrer Sicht eine Einschätzung der Wichtigkeit verschiedener Ausbildungselemente gegeben. Danach erscheinen die Elemente „Unterrichtsbesuche des Studienleiters im Rahmen der Hausarbeit“ an 9. Stelle, die Module des IQSH an 12. Stelle und die Hausarbeit selbst an vorletzter Stelle (IQSH 2006, 30).

 

Hier schließt sich der Kreis zu den oben zitierten Aussagen von BLUMENAU und BRASCH.

Die Schulen haben nun also ein deutlich höheres Gewicht. Sie erhalten dafür auch die doppelte Zahl von Ausgleichsstunden: statt zwei nun vier je Lehrkraft in Ausbildung (Im Rahmen des Modellversuchsprogramms innovelle-bs wurde eine Umfrage in den Bundesländern durchgeführt über die Höhe der Entlastungen für Mentorentätigkeit. Schleswig-Holstein belegte dabei mit großem Abstand den Spitzenplatz.). Worin liegt das Plus der schulischen Ausbildung gegenüber der Ausbildung nach der alten OVP? In § 9 der neuen OVP heißt es dazu:

Die Ausbildung durch die Schule gliedert sich in

1. Hospitationen im Unterricht der Lehrkräfte an der Ausbildungsschule und an kooperierenden Schulen,

2. Unterricht unter Anleitung, bei dem die anleitende Lehrkraft der Ausbildungsschule oder der kooperierenden Schule die Verantwortung für den Unterricht behält,

3. eigenverantwortlichen Unterricht, der von den Lehrkräften in Ausbildung selbst geplant und für sie im Stundenplan ausgewiesen wird,

4. Mitarbeit in den Teamstrukturen der Schule,

5. Beteiligung an wesentlichen schulartspezifischen Aufgaben der entsprechenden Laufbahn einschließlich Prüfungen,

6. Teilnahme an weiteren schulischen Veranstaltungen.

Genau diese Ausbildungselemente existierten bereits unter der alten OVP. Wird also von demselben jetzt nur mehr gemacht, also eine quantitative, nicht qualitative Anreicherung? Wo sind Veranstaltungen, die dem Theorie-Praxis-Bezug dienen? Wo werden didaktische Modelle, wo Verfahren zur Unterrichtsplanung und -analyse vermittelt? Wo wird die Lehrkraft in Ausbildung unterstützt, einen selbstkritisch-reflexiven Regelkreis zur eigenständigen Qualitätsentwicklung aufzubauen? Die neue OVP gibt dazu nichts her. Glücklicherweise sind die Schulen besser als die OVP. Die Ausbildung von Referendarinnen und Referendaren ist vielerorts zu einem Thema der schulinternen Diskussion geworden, es werden Konzepte erarbeitet und implementiert, Ausbildungsbeauftragte oder -koordinatoren eingesetzt. Am Ende aber hängt es vor allem von den Ausbildungslehrkräften ab, ob eine gute Ausbildung realisiert wird:

 

3.4 Ausbildungslehrkräfte als Garant für eine qualifizierte Ausbildung

Wodurch wird nun sichergestellt, dass die Schule der hohen Verantwortung durch die Stärkung ihres Gewichts an der Ausbildung gerecht werden kann?

Zu Recht betonen die Autoren die Schlüsselposition der Ausbildungslehrkräfte. Von ihnen, von ihrer Rekrutierung, ihrer Qualifikation und ihrem Engagement hängt ab, ob sich im Vorbereitungsdienst eine Lehrerpersönlichkeit entwickeln kann, die in ihrem Beruf auf Dauer durch Fachkompetenz, durch eine selbstkritisch-reflexive Haltung sowie durch eine positive Einstellung zu ihren Schülern nicht nur den Alltag bewältigt, sondern sich aktiv an Unterrichts­, Personal- und Organisationsentwicklung beteiligt.

Das Konzept dazu, die Ausbildungslehrkräfte durch Studienleiter des IQSH fortzubilden, ihnen ein höheres Volumen an Unterrichtsbefreiung zu gewähren und sie alle 6 Jahre quasi durch einen Ausbildungslehrkräfte-TÜV gehen zu lassen, erscheint viel versprechend. Aber auch hier sollte man schauen, wie die Umsetzung im Alltag erfolgt.

Zur Rekrutierung von Ausbildungslehrkräften:

Die gestiegenen Anforderungen an die Ausbildungslehrkräfte erfordern etwas, was prinzipiell auch schon nach der alten Ordnung für Mentoren Gültigkeit hatte: Ausbildungslehrkraft zu sein, bedeutet, sich auf Dauer dieser Funktion zu widmen. Die Ausbildungslehrkraft erwirbt damit ein eigenes Profil als Lehrkraft seiner Schule und einen für Beförderungen relevanten Aspekt in ihrem persönlichen Portfolio. Ausbildungslehrkräfte sind nicht ohne weiteres ersetzbar, ihr explizites und implizites Wissen in diesem Bereich wächst mit der Dauer der Tätigkeit (Schon immer problematisch waren und sind Ausbildungslehrkräfte in den „kleinen“ Fächern und Fachrichtungen, die teilweise nur alle 5 Jahre eine Lehrkraft in Ausbildung zu betreuen haben. Deren mangelnde Routine schlägt allerdings heute durch den erhöhten Ausbildungsanteil der Schule viel stärker ins Gewicht.). Darauf muss bei der Gewinnung von Lehrkräften für diese Funktion geachtet werden. Die Stellen sollten schulintern so ausgeschrieben werden, dass sich nur solche Lehrkräfte darauf bewerben, die sich mit Enthusiasmus langfristig dieser Aufgabe stellen wollen. Viele Schulen verfahren so und haben sich einen festen Stamm von Ausbildungslehrkräften zugelegt. Es gibt aber immer noch Schulen, die nach dem Prinzip „jeder muss mal ran“ verfahren. Qualifikation und Motivation variieren darum erheblich. Dies war zwar schon immer so, muss jetzt aber vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Lehrkräfte in Ausbildung in ihrer Entwicklung in viel größerem Maße von ihrer Ausbildungslehrkraft abhängen als das früher mit relativ ausgewogenen Ausbildungsanteilen von Seminar und Schule der Fall war.

Zur Qualifizierung der Ausbildungslehrkräfte:

BLUMENAU und BRASCH legen auf den Seiten 12/13 dar, welche Inhalte die Qualifizierungsmaßnahmen bestimmen. In der Säule A stehen formale Fragen (etwa die neue OVP) neben methodischen (Orientierungsgespräch) und didaktischen (Unterricht: allgemeine Fragen …) Es besteht kein Zweifel, dass dies wichtige Qualifizierungsaspekte darstellen. Ob man mit diesen Inhalten in 32 Stunden, d. h. 8 Nachmittagen zu je 4 Stunden, eine Lehrkraft dazu befähigen kann, die fachlich, organisatorisch und sozialpsychologisch hoch komplexe Aufgabe eines Entwicklungsbegleiters und Förderers zu erfüllen, darf bezweifelt werden. Vor allem aber ist die Form, in der diese Qualifizierung durchgeführt wird, dabei hinderlich: in Seminaren. Es findet keine Hospitation bei Unterrichtsbesuchen, bei den kollegialen Besprechungen statt (Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte dürfen in Schleswig-Holstein prinzipiell nur in der unterrichtsfreien Zeit stattfinden, um Unterrichtsausfall zu verhindern. Dies gilt auch für die Ausbildungslehrkraft-Qualifizierung. Schon deshalb sind Unterrichtsbesuche dabei nicht möglich.), aus denen man mehr als nur Wissen durch Erfahrung und Reflexion erwerben kann. Weil von Ausbildungslehrkräften bereits unter der alten OVP derartige Hospitationen als außerordentlich ertragreich rückgemeldet wurden, finden sie auch jetzt hier und da statt – allerdings am System vorbei aus eigener Initiative.

Wo gibt es Inputs von außen, d. h. zu Themen wie Coaching oder Konfliktmanagement? Wo findet so etwas wie professionell angeleitete Supervision statt?

Die Säule B soll die fachdidaktische Qualifikation gewährleisten. Allein die Differenzierung in eine allgemein pädagogische und eine fachdidaktische Qualifizierung unterstreicht den seminarhaften Ansatz. Denn bei reflexivem Erfahrungslernen fließen diese künstlich getrennten Bereiche ganzheitlich zusammen. Zum anderen ist der Wildwuchs bei den Veranstaltungen zur Säule B kaum zu übertreffen. Ohne eine gemeinsame Konzeption bieten Studienleiter als Vertreter ihres Fachs oder ihrer Fachrichtung Veranstaltungen zur Qualifizierung in der Säule B von höchst unterschiedlichen Inhalten und Methoden an. Hier gibt es für die Ausbildungslehrkräfte auf Grund der großen Anzahl von – häufig ‚kleinen' – Fächern und Fachrichtungen kaum Wahlmöglichkeiten. Diese sind nachträglich dadurch geschaffen worden, dass man jede Fortbildung, die irgendetwas mit dem Fach, der Fachrichtung oder der Fachdidaktik zu tun hat, anerkennt und als Qualifizierung zertifiziert. Dazu ein Beispiel: Wenn eine Lehrkraft an einer Fortbildung „EXCEL für Fortgeschrittene“ teilnimmt, dann kann er sich das als fachdidaktische Qualifizierung anrechnen lassen!

Auch darf man sich nicht der Frage verschließen, ob die Studienleiterinnen und Studienleiter des IQSH mit ihrer eigenen Kompetenz gewährleisten können, die Ausbildungslehrkräfte zu qualifizieren. Wie schon früher findet auch heute keine vorlaufende Qualifizierung statt, die etwa Voraussetzung dafür ist, dass jemand Studienleiter werden kann. Einmal berufen kann die Qualifizierung durch Erfahrung und Reflexion erfolgen sowie durch spezielle Fortbildungen. Erfahrungen mit Unterrichtsbeobachtungen und -besprechungen kann ein Studienleiter – wie oben dargestellt – heute nur in äußerst begrenztem Umfang machen. Nach der Reform berufene Kolleginnen und Kollegen haben es deshalb schwer, hier eine Sicherheit oder gar Routine zu entwickeln. Dieses Manko ist durch Fortbildungsveranstaltungen kaum auszugleichen. Aber auch diese finden kaum statt. Es wird darüber geklagt, dass es keine Auseinandersetzung, keine Abstimmung zwischen Kolleginnen und Kollegen über pädagogische Konzepte, über Strategien und Verfahren der Unterrichtsbesprechung und
-beurteilung gibt, dass vielmehr jeder nach eigenen Gutdünken verfahre. Sind die Studienleiterinnen und Studienleiter auf Dauer noch die Experten für Unterricht? Werden sie als solche von den Ausbildungslehrkräften, die sie qualifizieren sollen, akzeptiert?

Ausdrücklich soll anerkannt werden, mit wie viel Engagement, das auch die eigene Fortbildung über das geforderte Quantum hinaus einschließt, viele Ausbildungslehrkräfte in den Berufsbildenden Schulen ihre so zukunftsträchtige Arbeit versehen. Dies geschieht durch einen ganz persönlichen Einsatz. Auch arbeiten diese Lehrkräfte oft mit hohem Zeitaufwand an dem Ausbildungskonzept der Schule. Wie viel Anteil daran die Qualifizierungsmaßnahmen des IQSH habe, müsste evaluiert werden.

Dass Schulen sich selbst ein Ausbildungskonzept entwickeln ist ein weiterer wichtiger Bestandteil der Ausbildungsreform:

„Im Rahmen der Schulprogrammarbeit entwickeln Ausbildungsschulen mittelfristig schulinterne Ausbildungskonzepte. Das Schulprogramm als ständiges Arbeitsprogramm einer Schule enthält Ziele, Arbeitsvorhaben und auch Angebote der Schule, die wichtige Informationen für Möglichkeiten der Ausbildung beinhalten. Im Ausbildungskonzept als Teil des Schulprogramms werden Ablauf und Organisation der Ausbildung durch die Schule dargelegt. Das Ausbildungskonzept wird unter Berücksichtigung der OVP und der Ausbildungsstandards formuliert. Das jeweilige Ausbildungskonzept soll im Rahmen der regelmäßigen Evaluation und Fortschreibung des Schulprogramms weiterentwickelt werden“ (IQSH 2004, 12f.).

Wird hier Gestaltungsfreiheit im Sinne einer autonomeren Schule gewährt – siehe bei BLUMENAU und BRASCH die Ausführungen zum RBZ – oder hat das Ministerium Zeit und Ressourcen für die eigene konzeptionelle Arbeit gespart? Ist ein Ausbildungskonzept für Referendarinnen und Referendare ein typisches Beispiel dafür, dass Schulen dazu ihre ganz individuellen Lösungen zur eigenen Profilbildung finden sollen und können? Oder überwiegen hier zum Zwecke der Gleichbehandlung der Lehrkräfte in Ausbildung, der Chancengleichheit für Prüfung und Einstellung, der Gewährleistung eines einheitlichen Ausbildungsstands die landesweit gleichermaßen geltenden Gesichtspunkte? Um das zu beurteilen, sollte man wissen, was mit „Ausbildungskonzept“ gemeint ist. Dazu:

„Das Ausbildungskonzept berücksichtigt insbesondere folgende Punkte:

•  Benennung von Fächern und Fachrichtungen …

•  Darstellung der Kooperationsformen mit anderen Schulen, …

•  Einbindung der Lehrkräfte in Ausbildung als Kollegin oder Kollege in die Teamstrukturen der Schule …

•  Einbeziehung der Lehrkräfte in Ausbildung in die Schul- und Unterrichtsentwicklung, in die Schulprogrammarbeit und damit auch in die Weiterentwicklung des Ausbildungskonzepts.

•  Möglichkeiten für Hospitationen bei Kolleginnen oder Kollegen.“ (ebenda, 13)

Je nach Ausgestaltung der einzelnen Aspekte kann ein Ausbildungskonzept damit mehr formal-organisatorischen Charakter haben oder auch Beiträge zur pädagogischen Gestaltung enthalten. Wenn die Schule auf Grund des erhöhten Volumens an Ausbildertätigkeit auch konzeptionell etwas dazu entwickelt, wie die Defizite, die sich aus der Reduzierung des Seminaranteils ergeben, ausgeglichen werden sollen, dann ist dies eine anspruchsvolle Aufgabe: Wie kann erreicht werden, dass Lehrkräfte in Ausbildung gegenseitig voneinander lernen (etwa: die höheren Semester von den unteren)? Wie können Unterrichtsreflexionen durch Gruppen von Lehrkräften in Ausbildung zustande gebracht werden? Wie können Lehrkräfte in Ausbildung auch andere als die eigene Schule kennen lernen? Was soll unter „Netzwerktagen“ verstanden werden und wie bzw. mit wem sollen sie organisiert werden? Wie soll die Verständigung über und Aktualisierung auf moderne pädagogische Konzepte erfolgen? Wo gibt es Inputs zu fachdidaktischen und fachlichen Innovationen? Mit all diesen nur beispielhaft genannten Fragen werden die Schulen weitgehend allein gelassen. Nach drei Jahren seit Gültigkeit der Reform (und d. h. nach drei Jahren Ausbildungstätigkeit!) ist die Arbeit an den Ausbildungskonzepten sehr unterschiedlich weit fortgeschritten. Schulleiterinnen und Schulleiter bedauern in ihren Gremien auch hier den Wildwuchs und das Fehlen von Vergleichbarkeit. Die großzügige Gewährung von Gestaltungsfreiheit (Dieses Verfahren scheint sich nach Ansicht des Ministeriums bewährt zu haben. Denn es wird z. Zt. in Schleswig-Holstein auch mit der neuen Schulform der „Gemeinschaftsschule“ praktiziert: „Gemeinschaftsschulen entstehen … auf der Grundlage eines von den Schulen zu erarbeitenden pädagogischen Konzepts, das beschreibt, in welchen Schritten Formen des längeren gemeinsamen Lernens über die Jahrgangsstufen fünf bis sechs hinaus bis Jahrgangsstufe zehn realisiert werden sollen“ (§ 43 SchulG).) unterstützt eher das Einzelkämpfertum von Schulen statt einer gemeinsamen konzeptionellen Entwicklung.

 

3.5 Evaluation

Die Qualität der Ausbildung soll einerseits durch laufende Rückmeldungen zu den Modulen abgeschätzt werden – vom IQSH als „formative Evaluation“ bezeichnet und zum anderen durch jährlich durchgeführte sog. „summative Evaluationen“, i. e. durch Befragungen bei Betroffenen des Systems. Abgesehen davon, dass die Kennzeichnung als „summativ“ nicht der üblichen Definition standhält und sie somit nicht zu einer Unterscheidung der beiden Evaluationsaktivitäten herhalten kann, ist es sinnvoll, zwischen der laufenden und der in periodischen Abständen stattfindenden Evaluation zu differenzieren.

Die laufende Evaluation findet durch Online-Befragungen jeweils nach der Durchführung eines Moduls durch die Teilnehmer statt.

 

Dieser Bogen kann in gleicher Form für jede Art von Schulungsmaßnahmen zu jedem Thema mit jedem Teilnehmerkreis in jeder Institution verwandt werden. Anders herum: er geht auf die spezifischen Ziele und Belange des Vorbereitungsdienstes nicht ein: keine Frage zur Theorie-Praxis-Relation, keine Frage dazu, ob ein Beitrag zur Erfüllung der Standards geleistet wurde, ob eine Hinführung zur Prüfung erfolgte, ob Eigenaktivitäten eine Rolle spielten usw. Die Ziele einer Maßnahme – und diese wurden für den reformierten Vorbereitungsdienst vollmundig verkündet – müssen sich doch in der Evaluation wieder finden. Denn der Sinn der Evaluation liegt in der Überprüfung, ob diese Ziele erreicht werden. Ein Institut, dass das „Q“ im Namen trägt und das sich anschickt, die Schulen zu evaluieren (EVIT), sollte mit der eigenen Evaluation Professionalität gewährleisten.

Das Online-Verfahren mit der automatischen Auswertung hat den Vorzug eines geringen Verwaltungsaufwandes und zeitnaher Ergebnisse. Jedoch: die Rücklaufquote ist deutlich geringer; sie liegt im Durchschnitt über alle Module bei 45%, im Einzelfall dürfte die Quote erheblich variieren.

Etwa jährlich findet eine Evaluation statt, mit der die „Ausbildungswirksamkeit auf den verschiedenen Ebenen des Systems“ (IQSH 2006, 5) ermittelt werden soll. Mit diesen periodisch durchgeführten Evaluationen wurde 2005 begonnen, in diesem Jahr findet also bereits die dritte Operation dazu statt. Der dritte Evaluationsbericht steht kurz vor der Veröffentlichung. Die Instrumente der drei Evaluationen sind nicht gleich: 2005 wurde eine Online-Befragung bei den Lehrkräften in Ausbildung zur Ausbildung am IQSH durchgeführt; 2006 eine zu beiden Ausbildungsorten und 2007 wurden zum ersten Mal neben den Lehrkräften in Ausbildung auch Ausbildungslehrkräfte, Schulleiter und Schulleiterinnen sowie Studienleiter und Studienleiterinnen befragt werden. Zurzeit liegen nur die Berichte 2005 und 2006 vor.

Die Tabelle mit der nach Wichtigkeit gebildeten Rangfolge (siehe S. 8) der einzelnen Ausbildungselemente stammt aus diesem Bericht (IQSH 2006). Da der Bericht öffentlich zugänglich ist, verzichte ich auf eine ausführliche Darstellung. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Lehrkräfte in Ausbildung die Verknüpfung von beruflicher Praxis mit erziehungswissenschaftlichen Theorien und Modellen in ihrer Ausbildung kaum wahrgenommen haben. Dies gilt sowohl für den schulischen Teil (22% volle Zustimmung) als auch in erschreckendem Maße für die Module des IQSH (nur 7% volle Zustimmung). Kein anderes Item hat eine derartig geringe Einschätzung bekommen. Damit ist eine – wenn nicht die – zentrale Aufgabe des Referendariats als Nahtstelle zwischen Wissenschaft und Berufsalltag nicht erfüllt.

In dem Bericht wird die Aussagekraft der Daten selbst relativiert: es handele sich um subjektive Einschätzungen, die „immer relativer Natur“ seien (IQSH 2006, 5). Auch liegt die Beteiligungsquote bei etwa 40% mit all den Unwägbarkeiten über die spezifischen Eigenschaften derjenigen, die teilgenommen haben, und der größeren Gruppe der Nichtteilnehmer. Der Bericht geht nicht darauf ein, dass neben diesen Primärdaten natürlich auch Sekundärdaten vorhanden sind, die ausgewertet werden könnten wie etwa die Prüfungsergebnisse (Mir ist bewusst, dass die Prüfungsergebnisse in Form der Abschlussnote auch nur eine begrenzte Aussagekraft für die Qualität der Ausbildung besitzen. Mir wurde ein symptomatischer Fall einer Abschlussprüfung geschildert, in dem es zwischen den Ausschussmitgliedern zu einer Kontroverse darüber kam, ob man die mäßige Qualität vor allem der beiden Lehrproben samt Reflexion dem Prüfling mit einer leistungsgerechten Noten bescheinigen solle, wenn dieser doch nichts dafür könne, dass die Ausbildung so viel schlechter geworden sei. Die Referendare und Referendarinnen dürfen schließlich nicht darunter leiden, dass ihnen erheblich weniger Gelegenheiten geboten würden, Unterricht gemeinsam zu planen, zu beobachten und zu reflektieren. ). Wenn die Reform gegenüber der alten Ausbildung die Umfirmierung von IPTS = Institut für Praxis und Theorie der Schule in IQSH = Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig Holstein rechtfertigen sollte, dann müsste im „Outcome“ ja ein Qualitätssprung nach oben erkennbar sein. Dieser Sprung wird weder von offizieller Seite behauptet noch von Betroffenen berichtet – von den Letzteren eher das Gegenteil.

 

4. Verstrichene Chance

Die kritischen Anmerkungen können auf das Folgende zusammengefasst werden:

•  Die Reform des Vorbereitungsdienstes wurde unter unzumutbarem Zeitdruck durchgeführt.

•  Dies führte zu konzeptionslosem Aktivismus mit der Folge

•  kurzfristigen und radikalen Umsteuerns und

•  einer sich daraus ergebenden Desorientierung und Demotivation.

An keiner Stelle wird deutlich, warum diese Eile erforderlich war. Die alte Ausbildung war jedenfalls nicht so schlecht, dass man sie – koste es was wolle – keinen Tag so fortsetzen konnte. Die Umstellung der 1. Phase der Lehrerbildung auf das Bachelor/Master-System war bereits beschlossen. 2003 wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, ohne großen Zeitdruck in Kooperation mit Universitäten an eine Reform der Lehrerausbildung zu gehen, die alle Phasen im Blick hat. Diese Chance wurde vertan.

 

Literatur

BLUMENAU, B./ BRASCH, C. H. (2007): Auf zu neuen Ufern: Die Regionalen Berufsbildungszentren als Hauptträger des Referendariats in der neu konzipierten Lehrerausbildung in Schleswig-Holstein. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 12. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe12/blumenau_brasch_bwpat12.shtml (21-08-2007).

IQSH (Hrsg.) (2004): Informationen zum Vorbereitungsdienst für Lehrkräfte in Ausbildung. Kronshagen. Online: http://www.schooloffice-sh.de/download/infos_zum_
vorbereitungsdienst.pdf
(11-06-2007).

IQSH (2006): Informationen zum Vorbereitungsdienst 7 – Zweiter Evaluationsbericht.

MBWFK/ IQSH (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur/ Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (2005): Informationen zum Vorbereitungsdienst 5 – Die zweite Staatsprüfung. Kiel.

RIECKE-BAULECKE, T. (2004): Wir stärken die Rolle der Schule. In: Schule Aktuell 11/12, 6-7.

SCHULG (2007): Schleswig-Holsteinisches Schulgesetz (SchulG) vom 24. Januar 2007.

online seit 10.9.2007