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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT01 - Agrarwirtschaft
Herausgeber: Michael Martin & Manfred Bräuer

Titel:
Übergänge in der agrarwirtschaftlichen Berufsbildung – eine Herausforderung für Bildungsakteure auf unterschiedlichen Ebenen


Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz in der gärtnerischen Berufsausbildung durch die Anwendung des Lernfeldkonzepts

Beitrag von Detlef HASS (Humboldt-Universität zu Berlin)

Abstract

Die Wirksamkeit des Dualen Systems der Berufsausbildung wird mit wissenschaftlich begründeten Methoden evaluiert. Hierbei soll das Lernfeldkonzept zur besseren Unterstützung des Transfers von in der Berufsschule erworbenen Kompetenzen in die berufliche Praxis dienen. Damit könnte der Lernort Schule seinen Beitrag leisten, um entsprechend den neuen Herausforderungen Berufsausbildung zu verbessern und Kompetenzen bei Lernenden gezielt zu entwickeln und zu stärken. Bei vielen Agrarberufen enthält der Rahmenlehrplan für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule Lernfelder – nicht so bei den Gärtnern. Basierend auf dem Kompetenzmodell von Bader wurden deshalb für die Untersuchung Kriterien beruflicher Handlungskompetenz im Ausbildungsberuf Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, in Absprache mit dem Berufsstand für den Lernort Schule festgelegt, definiert und konkretisiert. Desweiteren wurden exemplarische Lernfelder sowie Beispiele für Lernsituationen und Lernaufgaben entwickelt und an sechs Berufsschulen in ganz Deutschland erprobt und evaluiert. Die Testaufgaben orientieren sich an beruflichen Situationen und berufstypischen Arbeitsaufträgen und werden nach der pädagogischen Idee der vollständigen Lernhandlung durchgeführt. Fragebögen zur Selbst- und Fremdeinschätzung dienen einer Gesprächsgrundlage, schaffen Transparenz in der Beurteilung und steigern eine nachhaltige Kompetenzentwicklung. Erste empirische Ergebnisse dieser Untersuchung liegen vor und werden neben Begründungsrahmen, Kompetenzmodell, Test- und Auswertungsverfahren dargestellt.

1 Einleitung

Zur Qualität der gärtnerischen Arbeit in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft kommt neben umfassenden fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten auch personalen und sozialen Fähigkeiten eine zunehmend steigende Bedeutung zu. Diesen neuen Anforderungen an die berufliche Handlungsfähigkeit junger Auszubildender zum Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, widmet sich eine Forschungsarbeit der Arbeitsgruppe Fachdidaktik Land- und Gartenbauwissenschaft der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät an der Humboldt-Universität zu Berlin. Untersucht wird die praxisgerechte Vorbereitung am Lernort Schule für eine nachhaltige berufliche Handlungskompetenz im Berufsleben durch das Lernfeldkonzept.

2 Kompetenzentwicklung

2.1 Lernfeldkonzept

Seit der Reform des Berufsschulunterrichts vor 15 Jahre durch die Verordnung des Kultusministeriums, neue Berufe und neugeordnete Berufe nach einem neuen curricularen Leitbild zu strukturieren, wird an den gartenbaulichen Berufsschulen zwar diskutiert, im Zentralverband Gartenbau aber über die Entwicklung eines lernfeldorientierten Rahmenlehrplans nur zögerlich nachgedacht. Hintergrund der zögernden Haltung ist der Tatsache geschult, dass die gültige Verordnung über die Berufsausbildung zum Gärtner/zur Gärtnerin am 6. März 1996 und der aktuelle Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Gärtner am 8. Dezember 1995 unmittelbar vor der Reform zum Lernfeldkonzept beschlossen worden war.

Dabei bietet das Lernfeldkonzept die Möglichkeit, den neuen Anforderungen am Lernort Schule Rechnung zu tragen. Den Auszubildenden wird aufgrund von handlungs- und kompetenzorientierten sowie berufstypischen Arbeitssituationen der Transfer von in der Berufsschule erworbenen Wissen und Kompetenzen in die betriebliche Praxis erleichtert. Gleichzeitig können die Auszubildenden am Lernort Schule ihre im Ausbildungsbetrieb gemachten Erfahrungen zur Lösung von komplexen, praxisnahen Aufgaben heranziehen. Auf diese Weise wird eine erhöhte Motivation der Auszubildenden zum Erwerb beruflicher Handlungskompetenz in der Berufsschule erreicht. Der Dualpartner Schule leistet damit seinen Beitrag für eine hochwertige Berufsbildung bei Gärtnern.

Weil Beispiele zur Umsetzung des Lernfeldkonzepts im grünen Berufsstand fehlen, zeigt dieser Beitrag eine Form der Umsetzung für die Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau.

2.2 Kompetenzmodell

Für die Gestaltung des Lernfeldkonzeptes für den Ausbildungsberuf Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, greift der Autor auf das Kompetenzmodell von BADER (2002) zurück. BADER unterscheidet zwischen Dimensionen und Akzentuierungen von beruflicher Handlungskompetenz. Berufliche Handlungskompetenz umfasst die Dimensionen Fach-, Human-, und Sozialkompetenz. Er sieht diese nicht als isolierte, sondern als wechselseitig miteinander vernetzte Dimensionen an.

 

Abb. 1: Kompetenzmodell nach KMK/BADER

Jede der drei o. a. Dimensionen beruflicher Handlungskompetenz schließen nach BADER die spezifischen Dimensionen Methoden-, Lern- und kommunikative Kompetenz mit ein, weshalb diese keine unabhängigen Dimensionen sondern nur prägnante Akzentuierungen beruflicher Handlungskompetenz sind. Er spricht in diesem Zusammenhang von instrumentellen Kompetenzen.

Dieses für das Lernfeldkonzept zugrunde gelegte Kompetenzmodell veranschaulicht den Kompetenzbegriff nach dem Kompetenzverständnis der KULTUSMINISTERKONFERENZ (2007; vgl. auch KMK 2000).

2.3 Didaktische Kette

Übergreifendes Ziel der KULTUSMINISTERKONFERENZ ist der Erwerb beruflicher Handlungskompetenz durch die Auszubildenden, wobei die berufliche Handlungskompetenz zu verstehen sei „als die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten“ (KULTUSMINISTERKONFERENZ 2007, 10).

Bevor die Konzeption der abgebildeten exemplarischen Lernfelder mit dem Berufsstand abgestimmt werden konnte, erfasste der Autor gemäß der didaktischen Kette von BRÄUER (2010; vgl. auch BRÄUER/ HASS 2010, 14) die beruflichen Anforderungen und herauszubildenden Kompetenzen und entwickelte beispielhafte Lernsituationen und Lernaufgaben, die an sechs gartenbaulichen Berufsschulen in sechs Bundesländern erprobt wurden (vgl. BRÄUER/ HASS 2010, 9 ff.).

3 Beispiel

3.1 Exemplarische Lernfelder

„Obwohl seit Jahren im Zusammenhang mit der Forderung nach kompetenzorientierter Ausbildung der Gärtner/Gärtnerinnen über die Einführung des Lernfeldkonzeptes gesprochen wird, gibt es bisher offiziell keine definierten Lernfelder.“ (BRÄUER/ HASS 2010, 10). Deshalb geht der Formulierung der exemplarischen Lernfelder für die Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau eine ausführliche Analyse berufstypischer Tätigkeiten voraus.

Es wurden 18 Lernfelder konstruiert, von denen jeweils sechs für jedes Ausbildungsjahr vorgesehen sind (Tab. 1). Die Konzeption der Lernfelder ist so angelegt, dass die ersten sechs Lernfelder fachrichtungsübergreifend vermittelt werden können. Die Lernfelder für das zweite und dritte Ausbildungsjahr orientieren sich grundsätzlich am Ablauf einer landschaftsgärtnerischen Baustelle. Deshalb wird die Einhaltung der dargestellten Reihenfolge vom Autor empfohlen und in einer Befragung von Berufsschullehrern und Vertretern des Berufsstandes unterstützt.

Tabelle 1: Übersicht über exemplarische Lernfelder

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Die Inhalte aller Lernfelder berücksichtigen neben den arbeitstypischen Tätigkeiten durchgängig die besonderen Charakteristika des Berufes wie z. B. betriebswirtschaftliches Denken, Umweltschutz und Nachhaltigkeit sowie Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz.

Am Beispiel des Lernfeldes „Bauwerke begrünen“ wird eines der exemplarischen Lernfelder für die Ausbildung zum Gärtner/zur Gärtnerin, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, nachfolgend konkretisiert (Tab. 2).

3.2 Vom Lernfeld zur Lernaufgabe

Die Zielformulierung eines Lernfeldes legt erforderliche Lernhandlungen fest, die aus kompetenzorientierten Anforderungen abgeleitet wurden. Deshalb erfasst die Zielformulierung Kompetenzen, die am Ende eines Lernfeldes von den Auszubildenden erreicht werden können.

Die ausgewählten Inhalte beschreiben Mindestanforderungen, d. h. eine Vertiefung und Erweiterung der Inhalte mit regionalen Schwerpunkten ist anzustreben. Auf spezielle berufsbezogene mathematische und zeichnerische Fähigkeiten nehmen die exemplarischen Lernfelder keinen Bezug, diese sollten vielmehr Inhalt schulinterner Curricula sein.

Lernsituationen sind laut KULTUSMINISTERKONFERENZ „exemplarische curriculare Bausteine, in denen Inhalte in einen Anwendungszusammenhang gebracht werden“ (KULTUSMINISTERKONFERENZ 2007, 18). Die unterrichtliche Umsetzung in Lernsituationen ist Aufgabe der Lehrerteams der einzelnen Berufsschulen. Ausgangspunkt sind aus didaktischer Hinsicht berufliche Handlungssituationen und damit letztendlich zu lösende Arbeitsaufgaben in der Praxis.

Tabelle 2:  Exemplarisches Lernfeld „Bauwerke begrünen“


Lernfeld XIV

3. Ausbildungsjahr



Bauwerke begrünen


Gärtner: Garten- und Landschaftsbau

Zeitrichtwert 40 h

Ziel:

Die Schülerinnen und Schüler beziehen aus unterschiedlichen Perspektiven Standpunkt zu Vor- und Nachteilen der Bauwerksbegrünung. Sie wägen Nutzen und Kosten gegeneinander ab.

Sie verwenden geeignete Pflanzen bzw. Pflanzengesellschaften für die besonderen Standorte und fertigen Pflanzpläne an. Sie beschreiben und zeichnen Schichtenaufbauten der verschiedenen Begrünungssituationen und wählen geeignete Materialien bzw. Substrate aus. Sie bewerten die für die Bauwerksbegrünung benötigten Materialien hinsichtlich ihrer Umweltverträglichkeit und beurteilen die Nachhaltigkeit verschiedener Bauweisen.

Die Schülerinnen und Schüler berücksichtigen dabei technische Einrichtungen für Be- und Entwässerungsmaßnahmen. Sie strukturieren den Arbeitsablauf unter besonderer Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Aspekte. Sie erkunden und vergleichen Preise für Pflanzen und Materialien für die Bauwerksbegrünung.

Die Schülerinnen und Schüler setzen bei Pflegemaßnahmen im Innenraum/in Innenräumen auf biologische Pflanzenschutzmaßnahmen. Sie entwickeln in Abhängigkeit von der Begrünungssituation Pflegepläne.

Inhalte:

Bedeutung der Bauwerksbegrünung
Stütz- und Kletterhilfen
Einteilung der Kletterpflanzen
Pflanzung, Pflege, Unterhalt
Kletterpflanzen (Pflanzenkenntnisse)
Intensiv- und Extensivbegrünung
Schichtenaufbau, Substrateigenschaften
Pflanzenauswahl, Standortverhältnisse
Pflanzen(gesellschaften) für die Dachbegrünung (Pflanzenkenntnisse)
Begrünungssysteme
Pflanzen für Innenräume (Pflanzenkenntnisse)
Pflege, Pflanzenschutz und Düngung
Vertragsrechtliche Aspekte, Haftung, Gewährleistung
Be- und Entwässerungsmaßnahmen
Mengenbedarf und Kostenermittlung


Nachstehend wird die Lernsituation „Dächer begrünen“ des Lernfeldes „Bauwerke begrünen“ dargestellt. Das Lernfeld „Bauwerke begrünen“ ist im 3. Ausbildungsjahr zum Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, vorgesehen. Es ist in die drei fachtheoretischen Inhalte Fassadenbegrünung, Dachbegrünung und Innenraumbegrünung gegliedert. In Tab. 3 sind diese als drei Lernsituationen beschrieben.

Tabelle 3:  Lernsituationen des exemplarisches Lernfeldes „Bauwerke begrünen“

Lernfeld XIV

Bauwerke begrünen

Gärtner: Garten- und Landschaftsbau

3. Ausbildungsjahr

Zeitrichtwert 40 h

Lernsituation

XIV-1

Beim Rundgang durch den Garten der Familie äußert der Stammkunde: „Wir hätten gerne Kletterpflanzen am Haus und im Garten.“ Der Meister runzelt die Stirn und schaut Sie an.

Zeitrichtwert 12 h

Lernsituation

XIV-2

Auf dem Haus der Landschaft des Bundesverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau ist eine Dachbegrünung herzustellen. Da das Dach von der Straße gut einzusehen ist, wünscht sich der BGL (Auftraggeber) eine abwechslungsreiche und interessante Bepflanzung.

Zeitrichtwert 16 h

Lernsituation

XIV-3

Ihr Schulleiter weiß um die positive Wirkung von Pflanzen in Innenräumen. Daher fordert er die Gärtner der dritten Lehrjahre auf, sich an Überlegungen zur Innenraumbegrünung Ihrer Schule zu beteiligen.

Zeitrichtwert 12 h


Die exemplarisch ausgewählte Lernsituation 2 „Dächer begrünen“ umfasst als Zeitrichtwert 16 Unterrichtsstunden und wird durch folgende fünf Lernaufgaben realisiert (Tab. 4).

Tabelle 4:  Lernaufgaben der Lernsituation 2 „Dächer begrünen“

Lernaufgabe

XIV-2.1

Aufgrund einer Bauverzögerung beginnen die Arbeiten zur Begrünung der Dächer des Hauses der Landschaft erst später. Nutzen Sie die gewonnene Zeit, um sich über Dachbegrünungen grundsätzlich zu informieren.

Zeitrichtwert 4 h

Lernaufgabe

XIV-2.2

Nachdem der Lieferant die Materialien für die Schrägdachbegrünung abgeladen hat, drückt Ihnen Ihr Meister den Lieferschein in die Hand. „Kontrolliere den Lieferschein und überlege Dir, die notwendigen Arbeitsschritte zur Begrünung der Schrägdächer.“

Zeitrichtwert 4 h

Lernaufgabe

XIV-2.3

Den Höhepunkt der Dachbegrünung des Hauses der Landschaft bilden Bäume. Durch sie werden markante Akzente gesetzt, die das Gesamtbild beeinflussen.

Zeitrichtwert 2 h

Lernaufgabe

XIV-2.4

Nach Abschluss der Dachbegrünungsarbeiten am Haus der Landschaft fragen Sie sich, welche Bedeutung eine Dachbegrünung für unser Leben hat.

Zeitrichtwert 4 h

Lernaufgabe

XIV-2.5

Fallbeispiele werden vielerorts gesammelt, um eine Vorbildfunktion zu übernehmen. Landschaftsgärtner stellen ihrerseits Schadensfälle als Nachschlagewerk zusammen. Dort werden Schäden und die ihnen zugrunde liegenden Fehler dokumentiert, um aus ihnen zu lernen.

Zeitrichtwert 2 h

 

3.3 Vollständige Lernhandlung

Die Realisierung der einzelnen Lernaufgaben orientiert sich an berufstypischen Handlungsabläufen in Form der vollständigen Handlung (Informieren, Planen, Entscheiden, Ausführen, Kontrollieren und Bewerten) durch die Auszubildenden. Für den dauerhaften Erfolg bedarf es nach Auffassung des Autors (vgl. HASS 2010) zweier zusätzlicher Handlungen, die von der Lehrperson initiiert werden müssen: Orientieren und Systematisieren (Abb. 2).

 

Abb. 2: Vollständige Handlung aus der Sicht der Lehrperson

Die Lehrperson stellt beim „Orientieren“ die Auszubildenden zu Beginn auf die Situation ein, hilft ihnen, die Lernaufgabe zu verstehen, damit sie motiviert und zielorientiert die Lernschritte gehen können. Diese vorbereitende Phase unterstützt die Auszubildenden, die komplexen Lernaufgaben mit einer hohen Schüleraktivität vollständig durchzuführen und konkrete Lernprodukte als Ergebnis des Prozesses von geplanten Lernhandlungen herzustellen.

Nach dem Lernschritt des Bewertens ergibt sich die Notwendigkeit, die erworbenen Fach-, Personal- und Sozialkompetenzen der Auszubildenden in den Lernzusammenhang einzuordnen. Die Auszubildenden verknüpfen in dieser ergänzenden Phase des „Systematisierens“ das Neue mit bereits vorhandenen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten.

3.4 Lernaufgabe 2.2 „Schrägdächer begrünen“

In didaktisch begründeten Lernaufgaben werden erforderliche Lernhandlungen zusammengefasst. Ein Beispiel stellt die Lernaufgabe 2.2 „Schrägdächer begrünen“ dar (vgl. BRÄUER/ HASS 2010, 15). Die Auszubildenden bearbeiten ausgehend von der berufstypischen Arbeitssituation, einer Auflistung von vorgehaltenen Lernmaterialien und einer schriftlich fixierten Zielvereinbarung die Lernaufgabe als vollständige Handlung. Ihnen werden in diesem Lehr-Lern-Arrangement über die Kompetenz zum selbstständigen Arbeiten fachliche Anforderungen in einem noch überschaubaren und zum Teil offenen beruflichen Tätigkeitsbereich abverlangt.

Abschließend stellen die Auszubildenden ihrem Vorarbeiter ihre Überlegungen zur Ausführung der Arbeiten vor. Sie zeigen ihm in einem Gespräch ihre bislang erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse. Die Auszubildenden durchdenken somit diese auszuführenden landschaftsgärtnerischen Arbeiten im Vorfeld so genau, dass ein möglichst reibungsloser Ablauf auf der Baustelle zu erwarten wäre.

3.5 Möglicher Kompetenzerwerb

Die Auszubildenden werten Informationsmaterial aus, arbeiten im Team, treffen selbstständig oder im Team Entscheidungen und erarbeiten auf diese Weise funktionsgerechte Lösungen. Sie nehmen als schriftliche Produkte für ihre Unterlagen eine Beschreibung des Arbeitsprozesses, eine Querschnittzeichnung des Schichtenaufbaus, einen Pflanzplan der Schrägdächer sowie eine Mengenberechnung der benötigten Materialien mit und üben als mündliches Produkt ein Gespräch mit dem Vorarbeiter (vgl. HASS 2011, 17).

Das dem handlungsorientierten Lehr-Lern-Arrangement zugrundeliegende Kompetenzmodell verdeutlicht durch die hier waagerecht angeordneten instrumentellen Kompetenzen eine Matrix möglichen Kompetenzerwerbs der Auszubildenden (Abb. 3).

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Abb. 3:  Matrix möglichen Kompetenzerwerbs der Lernaufgabe 2.2. „Schrägdächer begrünen“

4 Beobachtung

4.1 Kriterien beruflicher Handlungskompetenz

Berufliche Handlungskompetenz entfaltet sich für die Ausbildung zum Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, in den Dimensionen Fachkompetenz …

  • Fachliche Richtigkeit bezeichnet die Fähigkeit, Aufgaben unter Einhaltung von Normen, Richtlinien, Vorschriften, Regeln sowie Verfahren fachlich richtig zu bearbeiten, Berufserfahrung einzubringen und Fachsprache anzuwenden.
  • Zielorientierung bezeichnet die Fähigkeit, Aufgaben zielgerichtet, planmäßig und methodengeleitet zu bearbeiten und dabei auftretende Probleme zu erkennen und zu lösen.
  • Selbstständigkeit bezeichnet die Fähigkeit, Aufgaben mit den zur Verfügung stehenden Mitteln ohne äußere Hilfe zu bearbeiten und die eigenen Arbeitsergebnisse kritisch zu beurteilen.>
  • Kommunikative Präsenz bezeichnet die Fähigkeit, sich schriftlich und mündlich angemessen auszudrücken, Arbeitsergebnisse mithilfe zur Verfügung stehender Medien zu präsentieren und Gespräche zu führen.

… Personalkompetenz …

  • Interesse, Initiative, Identifikation bezeichnet die Bereitschaft, für neue Aufgaben Interesse zu entwickeln, konzentriert zu arbeiten und zu lernen sowie sich mit seinem Beruf zu identifizieren.
  • Verantwortungsbewusstsein bezeichnet die Bereitschaft, im Umgang mit einer gegebenen Situation verantwortungs- und pflichtbewusst zu handeln und dabei selbstbewusst aufzutreten.

… und Sozialkompetenz.

  • Kooperationsbereitschaft bezeichnet die Bereitschaft, soziale Beziehungen einzugehen und zu gestalten, sowie die Fähigkeit, kritisch das eigene Verhalten und das anderer zu beurteilen.
  • Umgangs- und Verhaltensweisen bezeichnen die Bereitschaft, Wertvorstellungen anzunehmen, und die Fähigkeit, sein Handeln daran zu orientieren.

Die Kriterien wurden zunächst vom Autor festgelegt, erläutert und mit Vertretern des Berufsstandes abgestimmt. Ferner wurden Items zur Beobachtung der Kriterien definiert und erprobt, um daraus die nachfolgenden Selbst- und Fremdeinschätzungsbogen zur Feststellung beruflicher Handlungskompetenz der Auszubildenden während der Bearbeitung der Lernaufgabe zu entwickeln (vgl. VAN BUER/ZLATKIN-TROITSCHANSKAIA 2005).

4.2 Einschätzungsbögen

Selbst- und Fremdeinschätzungsbögen enthalten dieselben Items. Der Unterschied besteht lediglich in einer „Ich“- und „Der Schüler“-Formulierung. Die Anzahl gerader Skalenwerte bei der Einschätzung soll eine Tendenz zur Mitte, die Vierer-Skalierung eine Zuordnung zum Notensystem vermeiden. Die Skalen enthalten mit „immer“, „fast immer“, „meistens“ und „in der Regel“ bewusst positive Ausprägungen, da beim Pretest die negative Ausprägung „nicht“ selten ankreuzt wurde.

4.2.1 Prozess

Während die Auszubildenden die Lernaufgabe bearbeiten, beobachten zwei bis drei Rater die Auszubildenden bei ihrem Handeln. Sie notieren sich gemäß dem Fremdeinschätzungsbogen ihre Beobachtungen und fällen nach Abschluss des Prozesses eine endgültige Wertung (Tab. 5). Dieses Verfahren entspricht der Bewertung einer jeden Lehrperson, die am Ende einer Unterrichtsstunde bzw. Lernsequenz z. B. die mündliche Mitarbeit einschätzt.

Tabelle 5:  Fremdeinschätzungsbogen für den Prozess

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4.2.2 Produkte

Gleiches Beobachtungsverfahren gilt für die Präsentation, dem Gespräch zwischen Auszubildenden und Vorgesetzten, zu dessen Zweck der nachfolgende Einschätzungsbogen im Hinblick auf die Anwendbarkeit auf die Bezeichnung der Kriterien in Form von Zwischenüberschriften verzichtet. Die Items sind in einer chronologischen Reihenfolge angeordnet und nicht nach Kriterien zusammengefasst (Tab. 6).

Tabelle 6:  Fremdeinschätzungsbogen für ein Gespräch (mündliches Produkt)

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Tabelle 7:  Fremdeinschätzungsbogen für die schriftlichen Produkte

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Die Auszubildenden füllen ihren Selbsteinschätzungsbogen ihrerseits nach Abschluss der Lernaufgabe aus. Selbst- und Fremdeinschätzung bilden die Grundlage eines Beurteilungsgesprächs und ermöglichen eine nachhaltige Kompetenzentwicklung.

5 Auswertung

5.1 Lehrerbefragung

Die Beurteilung der konstruierten Lernsituationen und Lernaufgaben durch die beteiligten Lehrpersonen der sechs gartenbaulichen Berufsschulen fiel grundsätzlich positiv aus (vgl. BRÄUER/HASS 2010).

Im Hinblick auf die beispielhaft ausgewählte Lernaufgabe 2.2 „Schrägdächer begrünen“ ergab die Befragung der beteiligten Lehrpersonen zur Kompetenzorientierung das nachfolgende Bild (Abb. 4).

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Abb. 4:  Kompetenzorientierung der Lernaufgabe 2.2 „Schrägdächer begrünen“

5.2 Testanalyse

Erste Auswertungen der Daten aus den Einschätzungsbögen wurden nach der klassischen Testtheorie durchgeführt. Reliabilitäts-, Item- und Faktorenanalyse ergaben folgende Zwischenergebnisse:

  • Die Items der Einschätzungsbögen erweisen sich als reliabel. Sie testen grundsätzlich das, was sie testen sollen. Der Einschätzungsbogen kann als Messinstrument genutzt werden.
  • Einige Items der Einschätzungsbögen wurden von den Probanden bzw. Ratern unterschiedlich interpretiert. Solche Items werden bei der Revision weggelassen bzw. neu formuliert.
  • Die Vierer-Skalierung schränkt die Variabilität ein. Für die Revision wird deshalb eine mehrstufige Likertskala mit negativen Ausprägungen in Betracht gezogen.

5.3 Kompetenzzuwachs

Um eine Kompetenzentwicklung nachzuweisen, erfolgte im zeitlichen Abstand von sechs Monaten eine weitere Messung. Die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz wird in der Abbildung 5 dargestellt. Die Abbildung stellt die Mittelwerte der Fremdeinschätzung durch die beteiligten Rater beider Messungen gegenüber. Die erhobenen Daten bedürfen einer weiteren testtheoretischen Auswertung.

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Abb. 5:  Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz durch Vergleich der Mittelwerte der Testaufgaben

6 Fazit

Die für den Ausbildungsberuf zum Gärtner/ zur Gärtnerin, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, entwickelten exemplarischen Lernfelder, Lernsituationen und Lernaufgaben haben sich bewährt und können als Beispiel genutzt werden.

Die handlungsorientierte Bearbeitung der praxisgerechten Lernaufgaben im Rahmen berufsspezifischer Lernsituationen führt über die geplanten Lernhandlungen sowohl auf Prozess- als auch auf Produktebene zu den angestrebten Kompetenzen.

Das kontinuierliche Bearbeiten von Lernaufgaben ermöglicht die Entwicklung und Festigung beruflicher Handlungskompetenz.

Den Auszubildenden wird aufgrund von handlungs- und kompetenzorientierten sowie berufstypischen Arbeitssituationen der Transfer von in der Berufsschule erworbenen Wissen und Kompetenzen in die betriebliche Praxis erleichtert.

Der entwickelte Einschätzungsbogen eignet sich zur Feststellung beruflicher Handlungskompetenz in der Berufsschule.

Literatur

BADER, R./ MÜLLER, M. (2002): Leitziel der Berufsbildung: Handlungskompetenz. In: Die berufsbildende Schule. 54, H. 6, 176-182.

BADER, R. (2003): Lernfelder konstruieren – Lernsituationen entwickeln. In: Die berufsbildende Schule. 55, H. 7-8, 210-217.

BRÄUER, M./ STEINHAUF, E./ WIEST, M. (2007): Umsetzung des Lernfeldkonzeptes im agraren Fachunterricht. In: B&B Agrar – Die Zeitschrift für Bildung und Beratung. 60, H. 5, 160-162.

BRÄUER, M. (2010): Lernfeldkonzept im Agrarbereich – veränderte Kompetenzanforderungen und fachdidaktische Konsequenzen. In: Die berufsbildende Schule. 62, H. 1-2, 60-65.

BRÄUER, M./ HASS, D. (2010): Kompetenzorientierte Ausbildung von Gärtnern. In: B&B Agrar – Die Zeitschrift für Bildung und Beratung. 63, H. 4, 9-15.

VAN BUER,J./ ZLATKIN-TROITSCHANSKAIA,O. (2005): Kompetenzentwicklung in der beruflichen Vorbereitung und Ausbildung. Optimierung alltäglicher Diagnostik zur Steuerung von beruflichen Lehr-Lern-Prozessen durch teilstandardisierte Instrumente. Berlin.

HASS, D. (2008): Umsetzung des Themenfeldkonzepts in der Berufsausbildung zum Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau. Online: http://www.peter-lenne-schule.de/schulleben/tagebuch-archiv.html (Schuljahr 2007/08, Juni 2008) und http://www.stufe_b.peter-lenne-schule.net/vortrag_.html (13-05-2011).

HASS, D. (2010): In acht Schritten zur vollständigen Lernhandlung? In: B&B Agrar – Die Zeitschrift für Bildung und Beratung. 63, H. 5, 8.

HASS, D. (2011): Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz in der gärtnerischen Berufsausbildung durch die Anwendung des Lernfeldkonzepts. Online: http://www.kibb.de/cps/rde/xbcr/SID-8573367B-4464B3A9/kibb/HT2011_FT01_Hass.pdf (13-05-2011).

KULTUSMINISTERKONFERENZ (2000): Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe. Bonn.

KULTUSMINISTERKONFERENZ (2007): Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe. Bonn.


Zitieren dieses Beitrages

HASS, D. (2011): Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz in der gärtnerischen Berufsausbildung durch die Anwendung des Lernfeldkonzepts. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 01, hrsg. v. MARTIN, M./ BRÄUER, M., 1-17. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft01/hass_ft01-ht2011.pdf (26-09-2011).



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