wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 

 

Beitrag von FRITZ M. KATH (Universität Hamburg)

Die Lernstrategien - Lernstrategien sind keine Unterrichtsstrategien


1. Vorbemerkungen

Es wird Zeit, dass ich beginne, den Begriff und das Phänomen "Lernstrategien" aufzuarbeiten, bevor dieser Ausdruck gänzlich zerschlissen wird. Im Zuge der Fehlbenennungen in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden aus Lehrplänen "Lernpläne" und aus Lehrzielen "Lernziele". Man gab sich der Illusion hin, durch eine solche Änderung der Termini den Lerner in den gedanklichen Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens zu stellen. Nichts hat sich verändert, bis zum heutigen Tage. Trotz aller Lippenbekenntnisse ist der Lerner (in aller Regel) weiterhin Objekt, dem Wissen "vermittelt" wird. Immer noch wird von der Voraussetzung ausgegangen, "Wissen" könne "vermittelt" werden. Und das ist eben nicht möglich, denn "vermitteln" meint: eine Einigung erzielen, intervenieren, zustande bringen, herbeiführen, besorgen (vgl. DUDEN 2001, Bd. 7, Herkunftswörterbuch, 533). Wissen, Kenntnisse, Erkenntnisse, d.h. jede Art von Inhalten, die sich ein Mensch aneignen möchte, muss sich ein Lernender erarbeiten, "konstruiert" sich im Lernenden selbst. Es geschieht in dem Prozess des "Lernens", den ich erziehungswissenschaftlich durch seine Merkmale gekennzeichnet habe (vgl. KATH 1996, 8ff.). Das erfordert aber eine neue Zugehensweise beim Unterrichten. Der dazu notwendige Paradigmawechsel (vgl. KATH 2000, 2000a, 2001 und 2002), der von der Art und Weise des Prüfens und Kontrollierens ausgeht, wird noch Generationen brauchen, bis er tatsächlich für Gesellschaft, Schule und Lehrer Allgemeingut geworden ist. Dennoch muss heute damit begonnen werden, sich dementsprechend zu verändern. Dazu gehört dann auch, von einem neuen Verständnis des Lernens auszugehen und "Lernstrategien" eben nicht als Formen des Unterrichtens eines Lehrers, also "Unterrichtsstrategien", sondern als Mechanismen des Lernens beim Lernenden als "methodisches Funktionselement" (vgl. KATH 1978, 26ff. + 48ff.) zu verstehen, das der Lehrer als Denkzeug nutzt, um sich auf das Unterrichten, seinem Arbeiten mit den Lernenden vorzubereiten. Nochmals: Lernstrategien und Unterrichtsstrategien sind zwei Welten.
Wenn der Lerner sich einerseits seine Welt selbst konstruiert, andererseits das Lernen nicht empirisch beobachtbar ist, weder vom Lernenden selbst noch von einem Außenstehenden, muss es in möglichst vielen Facetten indirekt beschrieben werden. Gelingt es diese als Mechanismen des Lernens zu charakterisieren, d.h. sinnvoll zu mutmaßen, wie ein Lerner lernend handelt und handelnd lernt, und könnten diese zu einem relativ einfachen Denkzeug einem Lehrer angeboten werden, sind ihm damit Hilfen für seine Arbeit mit den Lernern angeboten. Mit einem differenzierten Vorschlag versuchte sich der Verfasser (vgl. KATH 1973, 63ff. und LÜTZOW/KATH 2002, 299) bereits vor mehr als 30 Jahren in dieser Richtung. An der Schwelle des besagten Paradigmawechsels ist es nun angezeigt, dieses Thema zu vertiefen.

2. Grundlegendes

Im Grunde weiß niemand, wie Lernen geschieht. Wir sind uns aber dessen gewiss, dass es ein Prozess ist, genauer: es ist ein offener Prozess, d.h. Lernen ist nicht durch "Beibringen", "Einbläuen" oder "Vermitteln", im Sinne der POPPERschen Kübeltheorie zu erreichen. Ist aber Lernen ein Prozess, ist die einzige Möglichkeit ihn zu beeinflussen, ihn prozesshaft anzugehen. Das bedeutet, es sind Theorien zu bemühen, die es ermöglichen, Prozesse, die man nicht sehen kann zu vermuten, um dann die daraus vermuteten möglichen Handlungen zu beobachten.
Obwohl es sich eigentlich von selbst versteht, unterstreiche ich es besonders, dass nämlich beim Lernen immer der ganze Mensch gefordert ist: affektiv, kognitiv und motorisch; mag der gelernte Inhalt auch sehr eng begrenzt oder scheinbar einseitig gedacht sein. Das betone ich deshalb, weil beim Unterrichten in der "Schule" bis zum heutigen Tage fast ausschließlich der kognitive Aspekt von Inhalten betrachtet und beurteilt wird. Bei all seiner Bedeutung - und das gilt besonders für das Lernen junger Menschen (sowohl von Kindern als auch von Jugendlichen) - wird die Energie für das Lernen, die psychologisch mit dem Namen "Motivation" belegt ist, vorausgesetzt. Vergleichbares ist auch bezüglich der ausdrücklich geforderten Ziele, wie z.B. Kooperationsfähigkeit oder Selbständigkeit zu erkennen, die die Lehrer im Rahmen ihrer jeweiligen Unterrichtsstunden ebenso nur am Rande beachten. Es sollte aber bei Lehrenden bereits Allgemeingut sein, was PIAGET schon vor Jahrzehnten schriftlich so ausdrückte:
"Es gibt deshalb kein Verhalten, so intellektuell es auch sein mag, das nicht als Triebfeder affektive Faktoren enthalten würde; doch umgekehrt kann es auch keine affektiven Zustände geben, ohne dass Wahrnehmungen und Anschauungen mitwirken, die ihre kognitive Struktur ausmachen. Das Verhalten ist folglich eins, auch wenn seine Strukturen nicht seine Energetik erklären und umgekehrt die Energetik die Strukturen unberücksichtigt lässt: der affektive und kognitive Aspekt sind weder von einander zu trennen noch aufeinander zurückzuführen." (PIAGET/INHELDER 1966, 117; Hervorhebung vom Verfasser)
Wir wissen nun aus Erfahrung, dass (1.) Menschen nicht nur sehr unterschiedlich sind, sondern (2.) auch sehr unterschiedlich lernen. Es ist sinnvoll, sich über ein Modell Gedanken zu machen, welches die Mechanismen erklärt, die ein Lerner aktivieren könnte. Diese sollen als "Strategien" des Lernens bezeichnet werden. Der Ausdruck Strategien wurde deshalb gewählt, weil - wie sich herausgestellt hat - Menschen, die etwas Neues aufnehmen, sich nie gleichzeitig fragen können, wie sie es aufnehmen. Diese zwei Gedankengänge können nicht gleichzeitig gefasst werden. Sie folgen immer nacheinander. Da aber beim Lernen eines bestimmten Inhalts der Lerner sich notwendigerweise bewusst auf den Inhalt konzentriert, laufen Lernprozesse selbst unbewusst (quasi automatisch) ab und zwar von der Art, welche der Lerner beherrscht. Das Aktivieren von Lernprozessen geschieht im Lerner also nicht als (gewollte) Taktik, sondern als gelernte Strategie. Ein Modell von Lernstrategien darf modernen psychologischen, biologischen und soziologischen Erkenntnissen nicht widersprechen und muss gleichzeitig pädagogische Bedingungen erfüllen, nur dann ist es erziehungswissenschaftlich legitimiert. Das heißt, im Modell müssten Aktivitäten des Lernens formuliert werden, deren Ergebnisse differenziert beobachtet und beurteilt werden könnten: einmal von den Lehrenden, die sich Basiswissen dazu über Erkenntnisse der Wissenschaften aneignen könnten, aber auch von Lernern, die befähigt werden müssten, ihr eigenes Handeln zu beobachten und zu beurteilen. Wie zu zeigen sein wird, ordnen sich die Strategien in einem solchen Modell taxonomisch. Wir nennen es dann eine "Taxonomie der Lernstrategien" (TdL). Wie in Abbildung 1 zu erkennen ist, unterteilt sie sich in 6 Phasen, die - verständlicherweise - nahtlos und fließend ineinander übergehen. Detailliert wird das im folgenden Abschnitt besprochen. Zunächst sei nur betont, dass diese Lernstrategien das Lernen des ganzen Menschen meinen, d.h. sein Aktivsein in allen drei Handlungsfeldern: dem affektiven, dem kognitiven und dem motorischen. Die methodisch anspruchsvolleren oberen drei Phasen sind nochmals dreifach unterteilt. Dieses Differenzieren entspricht durchaus den alltäglichen Erfahrungen von routinierten Lehrern oder Ausbildern - die ich nun zusammendenkend als Unterrichtende bezeichne.
Auf der Basis dieses Denkzeuges ist es nun die Aufgabe des Unterrichtenden, für die unterschiedlich Lernenden die "Bedingungen für ihr Lernen" bereitzustellen. Es zeigt sich, dass der hier gewählte Ansatz sich in dem Sinne von dem von GAGNÈ (1965) unterscheidet, dass die Lerntypen nicht vorausgesetzt werden können, sondern erst gelernt werden müssen. Jener entwarf Bedingungen des menschlichen Lernens und die Lehrer meinten, die Lerntypen (nach GAGNÈ) voraussetzen zu dürfen, weil sie vorhanden seien. Weil dem aber nicht so ist, wird von ihm heute verlangt, zu versuchen abzuschätzen, wie der Lerner lernt, d.h. welche Strategien er aktiviert, um dann die für ihn geeigneten Lernstrategien zu fördern. Ein solches Modell nimmt dann taxonomischen Charakter an, was im weiteren zu erläutern ist. Die Taxonomie der Lernstrategien wird so (in der Hand) im Kopf des Lehrers zu einem methodischen Funktionselement (vgl. Abs. 4.2).
Auf folgendes sollte jedoch aufmerksam gemacht werden. Wie wir wissen, hat die Lerntheorie, die auf der Stadientheorie PIAGETs beruht, taxonomischen Charakter. Ihr liegt die konstruktivistische Denkweise zugrunde, denn PIAGET war ja selbst Konstruktivist. Das sage ich heute, obwohl dieser Terminus zu seiner Zeit noch nicht gebräuchlich war. Daraus lernen wir u.a., dass es einem Menschen nicht möglich ist, einem anderen Menschen zum formalen Denken zu verhelfen, wenn er selbst nicht formal zu denken imstande ist. Noch deutlicher wird das bei dem Modell von KOHLBERG (vgl. KOHLBERG 1971; KATH 1990). Bei diesem Denkzeug, das ich modifiziert als "Taxonomie der Moralerziehung" (TdM) bezeichne (KATH 1980, 87), sagt KOHLBERG ausdrücklich, dass der Lehrer, der versucht seine Schüler zu einer bestimmten moralischen Stufe zu begleiten, die Dilemmata - damit arbeitet ja KOHLBERG - eine Stufe höher anzusiedeln hat. Er selbst muss dann nicht nur über diese Stufen Bescheid wissen, sondern auch in ihnen zu handeln in der Lage sein.
Die Analogie zur Taxonomie der Lernstrategien ist deutlich. Der Lehrer (mit seinen Lernenden) oder der Erziehungswissenschaftler (mit seinen Studenten) oder der Ausbilder (mit seinen Auszubildenden) müsste schon (1) die Lernstrategien in allen Formen kennen und beherrschen und zudem (2) sich die psychologischen Hintergründe zu eigen gemacht haben, die Menschen mit mehr oder weniger stabile Hirnstrukturen aktivieren. Wir kennen sie zwar nicht, wir können aber beobachten, dass und wie Menschen in ihnen agieren. Abgesehen davon, dass es auch den "geborenen Erzieher" (vgl. SPRANGER 1958) tatsächlich geben kann - wann, wie und unter welchen Voraussetzungen das möglich wäre, können wir nur vermuten und müsste gesondert ausgeführt werden -, ist es heute erforderlich dem zukünftigen (gelernten) Lehrer in seiner universitären Ausbildung entsprechende Denkzeuge mitzugeben, um ihn zu einem kompetenten Erzieher zu machen. Diese sind dann im Referendariat zu üben.

3. Die Lernstrategien im Detail
3.1 Einführendes

Nochmals sei es unterstrichen, dass der Ansatz der Lernstrategien davon ausgeht, dem Unterrichtenden, der ja ein Beratender sein sollte, ein leicht zu handhabendes Denkzeug anzubieten, das dennoch erziehungswissenschaftlichen Erkenntnissen nicht widerspricht. Das ist notwendig, weil es in dieser Form für den gesamten Bereich der formalen Erziehung angewendet werden können soll. Das heißt, es wird von der Grundbefähigung ausgegangen, dass der Lernende des Sprechens fähig ist. Das bedeutet weiter, die Lernstrategien werden anders strukturiert sein, als die Lerntypen bei GAGNÉ. Angestrebt wird auch, durch das bewusste Einsetzen der Taxonomie der Lernstrategien die Lerner vom fremdbestimmten zum selbstbestimmten Lernen zu führen.

3.2 Das sogenannte fremdgesteuerte Lernen

Warum das "sogenannte"? Erinnern wir, was PIAGET und INHELDER gesagt haben: kognitive und affektive Aspekte sind beim menschlichen Handeln, also auch beim Lernen, nicht zu trennen. Gleiches gilt für das motorische Feld, das in der Berufserziehung von großer Bedeutung sein kann. Die Energie, sowohl für das kognitive als auch für motorische Aktivitäten, sind im Affektiven zu finden. Dieser Tatbestand steht auch hinter dem 9. Merkmal des Lernens: "Kein bewusstes Lernen geschieht gegen den Willen des Lernenden." (LÜTZOW/ KATH 2002, 292) Oder mit anderen Worten: Ohne Motivation kein Lernen. Mithin muss auch bei Fremdbestimmung dem Lerner Möglichkeit und Gelegenheit gewährt werden, Energie zum Lernen breit zu stellen. Oder noch anders gesagt: Auch für fremdgesteuertes Lernen sind Impulse effektiver als Befehle.

3.2.1 Das einfache Konditionieren

Das, was wir mit "einfachem Konditionieren" bezeichnen, geht auf das klassische Konditionieren von PAWLOW zurück. Damit war eigentlich ein Signallernen gemeint. Bekannt aus den Untersuchungen an Tieren ist es auch für menschliches Lernen von Bedeutung. Dabei wird ein "unbedingter Reiz", wodurch es zu einer "unbedingten Reaktion" kommt, durch einen "bedingten Reiz" erweitert, der dann zu einer "bedingten Reaktion" führt. Die bedingte Reaktion und die unbedingte gleichen sich sachlich. Viele Beispiele kennen aus dem Sport: vom Startschuss bis zum Pfeifen des Schiedsrichters beim Fußball. Psychologisch sind alle dieser Aktionen und Reaktionen auf das Signallernen zurückzuführen. Wichtiger ist es aber in der Berufserziehung für alle Aktionen und Reaktionen, die mit Unfallverhütung zu tun haben, bei denen auf ein bestimmtes Signal in ganz bestimmter Weise reagiert werden muss. Diese Lernstrategie, das Signallernen, das einfache Konditionieren, ist auch auf das Lernen im kognitiven Feld anwendbar. Hier tritt z.B. als unbedingte Reaktion anstelle der Speichelsekretion auf das Futter (PAWLOW) die gedankliche Vorstellung auf das gesprochene Wort als Symbol. Die Reaktion der Vorstellung z.B. eines Tisches beim Hören des Wortes "Tisch" ist sein langem gelernt. Das Symbol "Tisch" ist so als unbedingter Reiz zu bezeichnen. Beim Lernen einer Fremdsprache ist das Symbol "table" (der Ton bei PAWLOW) der bedingte Reiz. Wird das Symbol "table" als bedingter Reiz des öfteren mit dem unbedingten Reiz "Tisch" zusammengebracht, wird die Vorstellung eines Tisches bald durch den bedingten Reiz "table" hervorgerufen und damit zur bedingten Reaktion. Das ist das erhoffte Ergebnis, in der neu gelernten Sprache zu denken. Für Beispiele dieser Art gibt es keine Grenzen.
In unserem Zusammenhang kann auch das "operante Konditionieren" (nach SKINNER) mit dem "einfachen Konditionieren" subsumiert werden. Denn auch hier geht es um ein Lernen, bei dem Verstärkung eine Rolle spielt. Das entspricht unserem heutigen pädagogischen Denken, bei dem Lernen durch Belohnung dem durch Strafen vorgezogen wird. Selbst wenn das operante Konditionieren ein fremdbestimmtes Lernen ist, sollte es wegen der fehlenden Strafen heute nicht mehr als "Drill" bezeichnet werden.

3.2.2 Das Diskriminieren

In der Alltagssprache hat dieses Wort einen etwas abwertenden Klang. Hier wird es in seinem objektiven, seinem sachlichen Verständnis benutzt. Es drückt aus, dass es sich um etwas handelt, das anders ist als etwas Bekanntes, obwohl es vielleicht ähnlich aussieht. Das heißt, eines wird von Anderem unterschieden. Beide sind nicht mehr gleich, z.B. ein Fünfeck ist kein Sechseck oder eine Feile ist keine Raspel oder ein Mercedes sieht anders aus als ein Opel. Das kann zu einer eminent wichtigen Aktivität des Lerners führen: Er hat zu entscheiden. Dazu ist die Bereitschaft zu entwickeln. Der Mensch sollte lernen, dass es Alternativen gibt, aus denen man auswählen kann - das war nicht immer so.
Oft sind die Alternativen leicht zu unterscheiden, mitunter sind sie aber auch so komplex, dass es äußerst schwierig wird, sie überhaupt als Alternativen zu erkennen und dann entsprechend der Bedingungen (der Wünsche, der Ansprüche oder Ziele) des Entscheidenden zu wählen. Die Fähigkeit zum Diskriminieren setzt den Menschen in den Stand, verschiedene Gegenstände (Vorgänge, Aktivitäten, Elemente, …) zu unterscheiden. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es sich anhört. Vielen Menschen fällt es schwer, die Unterschiede bei Gegenständlichem zu erkennen. Bei Nicht-Gegenständlichem, d.h. bei Abstraktem ist es noch schwieriger. Von allem Anfang an sollte deshalb gefördert werden, Kindern und jungen Menschen Freiräume zu geben, ihren Fähigkeiten entsprechend zu entscheiden, um es zu lernen.

3.2.3 Mehrfaches Konditionieren

Mehrfaches Konditionieren hat zum Ziel, verschiedene Elemente so miteinander zu verbinden, dass sie ein neues Ganzes ergeben. So einfach die einzelnen Elemente auch sein mögen, sie erfüllen oft die chinesische Weisheit: Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile. Aus behavioristischer Sicht hat OSGOOD (zit. n. HUNT 1961, 71ff ) dies ausführlich beschrieben. Als ein Beispiel, bei dem das mehrfache Konditionieren möglicherweise bereits die Schwelle des selbstbestimmten Lernens erreicht, ist in der Fahrschule das Lernen des Gangschaltens durch angemessenes Betätigen von Gas-, Kupplung und Schalthebel. Es ist einsichtig, dass das Gangschalten (als ganzes gesehen) für den Fahrer eine andere Qualität besitzt als jede einzelne der Teilbewegungen.
Bis heute ist "die Schule" - bei aller Vorsicht wegen der zu groben Vereinfachung - beim Erziehen junger Menschen über diese drei Lernstrategien kaum hinaus gekommen. Das hat auch mit der Zeit zu tun, die Lernenden zur Verfügung gestellt wird, um Inhalte aufzunehmen aus Lehrplänen, die immer umfangreicher werden. Das Lernen findet aber nicht außerhalb des Lernenden satt, sondern in ihm. Es sind also seine Voraussetzungen, die die von ihm benötigte Zeit bestimmen. Die Aufnahmefähigkeit eines Lerners ist notwendig begrenzt. Auch die raffiniertesten Unterrichtsmethoden helfen da nichts. Es geht also darum, Lernenden zu ermöglichen, sich Inhalte auf andere Weise zu eigen zu machen, als es bisher üblich war. Das kann nur so geschehen, dass der Lernende aus seiner nur rezeptiven Rolle entlassen wird und aktiv wird. Das kann aber nur er entscheiden. Er entscheidet, wie er sein Lernen zu einem "Superlernen" gestaltet - so zu sagen -, d.h. in unserem Falle, das Lernen zu lernen. Der Unterrichtende kann und sollte ihm heute dabei helfen. Eine der Möglichkeiten ist, ihn vom fremdbestimmten zum selbstbestimmten Lernen zu führen.

3.3 Der Weg zum selbstbestimmten Lernen

Die neun folgenden Lernstrategien eröffnen dem Unterrichtenden Wege, wie er dem Lerner helfen kann, vom fremdbestimmten zum selbstbestimmten Lernen zu gelangen. Eine solche Formulierung mag seltsam anmuten, insbesondere, da das selbstbestimmte Lernen das meist benutzte Schlagwort für Politiker und Pädagogen gleichermaßen zu sein scheint. Warum eigentlich? Erstens ist festzustellen, in früheren Zeiten haben Menschen ihr Lernen (fast) immer selbst bestimmt und zweitens sind heute die wissenschaftlichen und organisatorischen Gegebenheiten durchaus nicht dazu geeignet, selbstbestimmtes Lernen zu fördern. Das ausführlich zu erörtern, auch in seinem historischen Zusammenhang, ist nicht Aufgabe dieses Beitrages. Darum nur soviel:
Zum ersten: In den vergangenen Jahrhunderten wurden die Kinder des Adels selbstverständlich von Privatlehrern oder in für den Adel eingerichteten "Schulen" unterrichtet. Die meisten Menschen hatte jedoch diese Möglichkeiten nicht. Auch sie wollten lernen - und sie taten es. Als ein besonders eindrucksvolles Beispiel will ich Moses MENDELSOHN nennen. 1729 wurde er in Dessau in ärmlichen Verhältnissen in einer Umgebung geboren, in der nur Judendeutsch (eine Art Jiddisch) gesprochen wurde, das man in hebräischen Buchstaben schrieb. Von seinem Vater lernte er Lesen und Schreiben (hebräisch) und von seinem Rabbiner (Rabbiner Fränkel) Grundlagen der hebräische Literatur. 14-jährig wagte sich Moses im Oktober 1743 allein nach Berlin, wo er Unterkunft und Nahrung bei Glaubensbrüdern erhält. Als Jude durfte er keine deutsche Schule besuchen. Wissbegierig wie er aber war, lernte er autodidaktisch deutsch, lateinisch, griechisch, englisch und konnte sich so auch durch die Texte von Platon, Aristoteles und anderen quälen. Er wurde dann - wie wir wissen - zu einem der großen Philosophen der Aufklärung.
Wissbegierde ist also eine Eigenschaft des Menschen und das Lernen die Aktivität, sie zu stillen. Die Gesellschaft, die ja den Menschen beeinflusst und prägt, kann sie fördern oder hemmen.
Zum Zweiten: Damit sind wir bei der Diskussion von heute. Die PISA-Studie ist in aller Munde (Die PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) ist ein Test zum internationalen Vergleich der 15-jährigen in 32 Ländern. Die deutschen Jugendlichen nehmen im Lesetest den 22. Platz ein.). Politiker überbieten sich mit Vorschlägen, wie dem schlechten Abschneiden der Schüler zu begegnen sei. Über alles wird geredet - meistens aus parteipolitischer Sicht -, hauptsächlich sind das organisatorische und finanzielle Aspekte, nur nicht über die Voraussetzungen und Bedingungen des Lernens, die zu diesen Resultaten führten.
In unserer Wohlstandsgesellschaft, in der die Kinder alles haben - zu viel haben -, wodurch die Wohlstandsgesellschaft zur Wegwerfgesellschaft wird, wächst sogar die Gefahr, sich selbst wegzuwerfen. Phasen des Wohlstandes mit dazugehörender Degenerierung hat es auch in früheren Zeiten gegeben. Die Warner wurden offensichtlich damals auch nicht gehört. BRACKER zitiert MENDELSOHN mit genau einer solchen Warnung, wiewohl sie damals noch nicht so akut war, wie sie heute ist: "Haben die Eltern Ehre und Vermögen erworben und den Kindern hinterlassen, so bleibt diesen nichts übrig als der leidige Genuss. Haben jene die Freiheit erfochten und wider allen Angriff gesichert, so erfolgt bei Kindern Gemächlichkeit, Sklavensinn." (BRACKER 1979, 16, Hervorhebung v. Verfasser ) Ähnliches lässt Goethe auch seinen Faust sagen und zwar mit einem pädagogischen Rat: "Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen." GOETHE hatte die Thematik in ein elegantes Gewand gekleidet. "Lebenslanges Lernen" und "Lernen lernen" wurde von MENDELSOHN und GOETHE noch nicht verlangt. Sie taten es aber, obwohl es zu seiner Zeit noch keine Schlagwörter waren. In unserer Zeit der sich rasant entwickelnden technologischen Neuerungen, die zu Wohlstand, aber auch zu Bequemlichkeit führen, ist die wichtigste Aufgabe von Schule für sehr viele junge Menschen nicht mehr das Anbieten von Inhalten, sondern sie begierig zu machen, zu wissen. Die Erziehungswissenschaftler sind gehalten, den Unterrichtenden Denkzeuge anzubieten, die ihnen dabei helfen könnten. Neben anderen (vgl. hierzu den in Anm, 1 benannten Paradigmawechsel.) kann hier das bewusste Berücksichtigen der drei Gruppen von Lernstrategien eine große Hilfe sein.

3.3.1 Die drei aufsteigenden Lernstrategien

Bereits von GAGNÉ her, aber auch schon aus dem klassischen Erfahrungsschatz von Lehrern, sind die drei Grundformen des Lernens bekannt, die wir

  • Begriffslernen,
  • Regellernen und
  • Problemlösen

nennen (siehe Abbildung 1). Alle drei bieten sich dazu an, dass Lernende das Lernen lernen, sie sind aufeinander taxonomisch aufgebaut.

Abb. 1: Taxonomie der Lernstrategien

Um eine Tätigkeit in bestimmter Weise zu tun zu wollen, ist es notwendig - unter der Voraussetzung von "Lernen lernen" - zu wissen, was man tun will. Da sind zunächst die Gegenstände mit Begriffen zu belegen. Sie gilt es kennen zu lernen und in ihrer Bedeutung zu verstehen. Erst dann wird es möglich sein, sinnvoll tätig zu werden,
· was nach bestimmten Regeln (Zum Unterschied von "Aufgabe" und "Auftrag" vgl. KATH 2000, S. 45.) geschieht. Sie sind dazu da, Aufgaben in einer vorgegebenen Form zu lösen. Diese Form steuert das Verhalten des Lerners, wobei er durch Übung zur Fertigkeit gelangt. Hat sich der Lernende befähigt, Struktur und Form solcher Regeln zu beherrschen, wird er sich in die Lage versetzen, Regeln modifizieren zu können und zu wollen, um damit
· Probleme zu lösen. Denn um Probleme zu lösen, muss er kreativ sein (vgl. AUSUBEL 1963, 98ff. ). Wir wissen z.B. von AUSUBEL: Bedingung kreativ zu sein ist es, eine Anzahl von Alternativen in dem entsprechenden Gebiet kennen gelernt zu haben.
Zum Abschluss dieser Übersicht sei nochmals darauf hingewiesen, dass diese Lernstrategien so angeregt werden sollten, dass sie den Lernenden helfen, ihr Lernen selbst zu bestimmen und zu steuern. Das wird natürlich nur dann erfolgreich sein, wenn die Unterrichtenden die zu lernenden Inhalte nicht bis ins Kleinste vorbereiten, sondern den Lernenden zumindest einen Teil des Planens selbst überlassen .

 

3.3.2 Das Differenzieren der Lernstrategien

Die drei eben beschriebenen Grundformen der Lernstrategien werden, anders als bei GAGNÈ, dreifach unterteilt (s. wieder Abb. 1). Sie eröffnen dem Unterrichtenden Möglichkeiten, Lernern unterschiedliche Impulse zu geben, um ihnen zu helfen, sich ihrer eigenen Art entsprechend zu entwickeln. Es erweist sich als sinnvoll, PIAGET zu folgen und dabei immer sein eigenes Zitat (s. S. 2) im Hinterkopf zu haben, der in seiner Entwicklungspsychologie drei Stadien der kognitiven Entwicklung des Menschen formuliert. Sie bauen in dem Sinne taxonomisch aufeinander auf, dass ein Mensch in seiner Entwicklung ein Stadium zunächst vollständig erarbeitet, bevor er versucht, sich im nächsten zu erproben. Dabei ist es durchaus möglich, dass Menschen das dritte Stadium nur unvollständig erreichen. Die genannten drei Grundformen der Lernstrategien werden in folgende Stadien weiter unterteilt:
· intuitive,
· praktische und
· formale.
Es ist wichtig, PIAGET zu folgen - im heutigen Verständnis pflegte er bereits konstruktivistisches Gedankengut (vgl. PIAGET/INHELDER 1966, 113ff.) - , weil trotz aller Lippenbekenntnisse die pädagogische Praxis immer noch von BRUNERs Zugehensweise beherrscht wird: Jeder Mensch kann in jedem Alter jeden Gegenstand lernen, vorausgesetzt er wird adressatengerecht aufbereitet (vgl. AUSUBEL 1963, 123f .). Das heißt, es wird immer noch "Unterricht" als vorbereiteter "Gegenstand durchgezogen", obwohl es sich doch um eine gemeinsame Tätigkeit von Unterrichtenden und Lernenden handelt. Darum wird bei diesem Denkzeug auch immer wieder die Aktivität hervorgehoben.

3.3.3 Intuitive Lernstrategien

Was wird unter intuitiv als charakteristisch für Lernprozesse verstanden? In der Entwicklung des Kindes ist das intuitive Stadium die Phase, in der es spontan entscheidet. Formen- und Größenkonstanz gibt es für das Kind noch nicht. Es sagt z.B. nach den berühmten und auch vielfach modifizierten Untersuchungen, im Becher B ist mehr Wasser enthalten als in Becher A, obwohl es mit eigenen Augen gesehen hat, dass die gleiche Wassermenge aus A in B umgeschüttet wurde (siehe Abbildung 2) (vgl. HUNT 1961, 203f.).

Abb. 2: Mengenkonstanz

Auch erwachsene Menschen aktivieren mitunter Denkprozesse intuitiv. Das geschieht normalerweise unter zwei Bedingungen:
· einmal, wenn jemand von einem Gegenstandsbereich keine Ahnung hat und dennoch darüber etwas sagen will - aus welchen Gründen auch immer. Er gibt seiner Meinung intuitiv, unüberlegt, oft vorurteilsvoll Ausdruck, ohne sich dessen bewusst zu werden;
· zum anderen kann es aber auch bei Experten vorkommen, dass sie vor einem Problem stehen, dessen Gegenstand sie eigentlich beherrschen. Weil sie sich die Zeit (des Denkens, des Aufwandes) verkürzen wollen, verzichten sie auf ein Überdenken jeglicher Art (auf ein Analysieren). Möglicherweise glauben sie auch, spontan Antwort geben zu müssen - und zu können (vgl. AUSUBEL 1963, 122).

Das intuitive Entwicklungsstadium geht bei Kindern etwa im Alter zwischen fünf und sieben Jahren in das Stadium der "konkreten Denkoperationen" über. Dennoch ist es "normal", dass auch ältere Kinder noch "intuitiv denken", wenn sie es noch nicht gelernt haben in Formen der höheren Stadien zu denken. Es ist also durchaus keine Ausnahme, dass es auch Erwachsene gibt, die intuitiv agieren oder reagieren, weil es bequemer ist.
Wenn nun von intuitivem Begriffslernen die Rede ist, meinen wir das Lernen konjunktiver Begriffe. Das heißt, es geht um das Finden von Gemeinsamkeiten verschiedener Items, die ihr Spezifisches ausmachen, es geht um ein Generalisieren. BRUNER u.a. haben bereits vor Jahrzehnten die besondere Art dieses Begriffslernens erkannt und nannten es "focus-gambling" (vgl. BRUNER/ GOODNOW/ AUSTIN 1962). Dabei geht es um ein intuitiv-assoziatives Verknüpfen eben dieser Items. Die Richtigkeit des gelernten Begriffs ist damit nicht gewährleistet. Mag diese Form des Lernens von Begriffen selbstbestimmt - was durchaus möglich ist - oder auch fremdbestimmt sein, taxonomisch ist es der Stufe K1.0 zuzuordnen (Der Verfasser benutzt hier den aus der Literatur bekannten Ausdruck "Stufen" der TdU von BLOOM u.a.. In seinem Beitrag (KATH 1976) machte er deutlich, dass es sich nicht um Stufen, sondern um "Phasen" handelt. Dieses ist erforderlich, weil die höheren Phasen der Lernstrategien höhere psychische Anforderungen an die Lernenden stellen.).

Auch das Regellernen kann intuitiv erfolgen. Ganz deutlich stellt sich das für einen Beobachter in der Form dar, die heute mit Aktionismus bezeichnet wird. Das heißt, es handelt sich um das häufig beobachtete Verhalten. Jemand wird sofort und ohne Nachdenken tätig, nachdem er eine "Aufgabe" oder einen "Auftrag" (KATH 2000, 45) erhält. Er überlegt nicht, wie er vielleicht vorgehen könnte, er plant nicht, er fängt einfach an, etwas zu tun. Das ist typisch für ein Hantieren im Sinne von "Versuch und Irrtum". "Klappt's, ist gut! Klappt's nicht, fange ich von vorn an."

Obwohl diejenigen, die anders arbeiten, nicht nachvollziehen können, was sich im Kopf eines solchen Menschen abspielt, ist das intuitive Regellernen als eine eigenständige Lernstrategie darstellbar und für einen Unterrichtenden erkennbar. Taxonomisch ist diese Lernstrategie in die Stufe A2.0 (das Reagieren) des affektiven Feldes einzuordnen, kognitiv gehört es jedoch eindeutig zur Stufe A1.0. Mitunter steht dahinter aber das undeutliche Gefühl eines Verstehen-Wollens oder das eines sich Vormachens von Verstehen-Wollen (die Schwelle zu K2.0/A3.0). Vom Standpunkt der Autonomie ist diese Lernstrategie in hohem Maße selbstbestimmt, was mitunter sogar krankhafte Züge annehmen kann. In solchen Fällen kann es für Unterrichtende sogar schwierig werden, den jungen Menschen anzuregen, eine höhere Lernstrategie zu aktivieren.

In Abbildung 1 ist über dem Kästchen "intuitives Regellernen" ein dicker Strich gezogen. Damit sei gesagt: genuin intuitive Lernstrategien enden hier. Dennoch kann auch von einem intuitiven Problemlösen gesprochen werden. Auf Seite 11 (2. Spiegelpunkt) wurde es bereits als ein Verkürzen des systematischen Analysierens angedeutet. Diese Lernstrategie wird also in der Regel erst durch das "praktische Regellernen" initiiert, um dann auf ein intuitives Denkmuster zurückzufallen. Solch ein Denken ist natürlich selbstbestimmt, birgt aber die Gefahr in sich, auf Irrwege zu führen.

 

3.3.4 Praktische Lernstrategien

Die praktischen Lernstrategien gehen von anderen Voraussetzungen aus als die intuitiven. Was ist nun hierbei praktisch? Psychologisch begründen das PIAGET und INHELDER mit dem Argument, Aktionen gehen in konkrete Operationen über (vgl. PIAGET/ INHELDER 1966, 71ff.), d.h. spontane Aktionen, die zunächst charakteristisch für das Intuitive sind, wandeln sich in verinnerlichte und reversible Operationen. Damit wird dem Kind jetzt möglich, die Begriffe des Erhaltens von Raum, Mengen, Gewichte u.a. zu realisieren. Jetzt sagt das Kind in Bezug auf die Übung von Abbildung 2, "das Wasser wurde doch nur umgeschüttet". Das hat es jetzt im wahrsten Sinne "erfahren". Nun kann es auch Klassifizieren, mit Räumen geometrisch umgehen und vieles andere. Das beinhaltet auch, dass das, was zuvor als Aktion erworben wurde, nun auf der Ebene der Vorstellungen, weil eben verinnerlicht, rekonstruiert wird. Erfahren heißt also auch, sich vorstellen. Das benötigt Zeit, Übung und Anstrengung. Es ist also Energie zu investieren. Deshalb ist auch verständlich, dass Menschen mitunter in die Phase des Intuitiven zurückfallen. Es ist bequemer.
Konkrete Operationen werden im Agieren, Reagieren und Handeln konkret. Sie werden gelebt und erlebt und damit praktisch. Der Mensch erfährt sie als real. Es sind keine Gedankenspiele. Darin ist auch einer der Gründe zu suchen, warum Kinder keine Ironie vertragen; sie nehmen gesagte Dinge für wirklich - d.h. für wahr. Sie prägen sich als Erinnerung ein, aus denen möglicherweise Konsequenzen gezogen werden. Wir sprechen dann von "Erfahrung" (Erfahren ist eine der 13 Formen des Erziehens und damit des Lernens (vgl. KATH 1996, 12ff.). ). So gesehen basiert sie immer auf etwas Praktischem und hat Einfluss darauf, in welcher Weise beim Lernen welche Lernstrategien Menschen aktivieren.
Beim praktischen Begriffslernen bringt also der Lerner seine Erfahrungen ein. Es ist ein bewusstes Generalisieren, bei dem z.B. verschiedene Items zu einem oder mehreren Begriffen kategorisiert werden. Wohl vollzieht sich dieser Prozess in der Regel in der Anschauung, doch können Items auch verbal so erläutert werden, dass sie praktisch, d.h. in der Vorstellung, erscheinen. Die gewonnenen Begriffe entsprechen den Tatbeständen, wie sie sich dem Lerner darstellen, wie er sie "sieht". BRUNER/GOODNOW/AUSTIN bezeichnen diese Lernstrategie schlicht als "conservative-focussing". Zwar ist es möglich, Lerner so zu beraten, dass sie lernen, Gemeinsamkeiten zu neuer Begrifflichkeit selbst zusammenzufassen, doch geschieht das praktische Begriffslernen in den verschiedensten Formen in der Regel fremdbestimmt. Die Angemessenheit bzw. Brauchbarkeit des Begriffs ist aber gewährleistet.
Aus beiden Quellen, dem intuitiven Regellernen und dem praktischen Begriffslernen, wird das praktische Regellernen gespeist. Es stellt sich als das Vermögen dar, Begrifflichkeiten aus der Erfahrung zueinander in Beziehung zu setzen und handelnd zu agieren bzw. zu reagieren. Diese Lernstrategie ist affektiv bereits der Stufe A4.0 (Wertordnung) zuzuordnen, obwohl sie noch in erheblichem Maße fremdbestimmt sein kann (Stufe M3.0 des motorischen Feldes (vgl. KATH 1970) [kognitiv angeregtes primäres Lernen]). Kognitiv kann dabei die Stufe K2.0 (Verstehen) angesprochen werden, obwohl nicht verhehlt wird, dass es bei strenger Fremdbestimmung auch weitgehend bei Stufe K1.0 (Wissen) verbleiben kann. Dennoch kann das praktisch Gelernte durch theoretische Angaben gestützt werden, die durch Üben in dieser Lernstrategie zum Verstehen der Regeln führen kann.

Das durch Üben geförderte Verstehen der Regeln bringt es mit sich, diese Regeln hier oder dort auch zu modifizieren, wodurch dem Lerner schließlich die Möglichkeit zum praktischen Problemlösen eröffnet wird. Dazu ist es wichtig zu wissen, was erziehungswissenschaftlich als Problem bezeichnet wird. Das Wort "Problem" wird ja umgangssprachlich sehr vielfältig benutzt. Von daher besteht die Gefahr, es auch in der pädagogischen Literatur mehrdeutig zu benutzen, wodurch der Begriff schwammig wird. In diesem Zusammenhang bedeutet "Problemlösen" die bestimmte Art des Herangehens an die Arbeit (vgl. DREHER/ SPÖTTL 2002), wie sie auch für das "Arbeiten mit Projekten" als Merkmal 1 (vgl. KATH 1985, 100) gekennzeichnet ist. Es sind damit die drei in Abbildung 1 unterschiedlichen Art und Weisen des Problemlösens benannt: das intuitive, das praktische und das formale. Psychologisch finden sich Deutungen dieser Lernstrategien insbesondere bei PIAGET und AEBLI (vgl. z.B. PIAGET/ INHELDER 1966; PIAGET 1969; AEBLI 1983), erziehungswissenschaftlich sind "Aufgabe" und "Auftrag" deutlich voneinander zu unterscheiden. In beiden Anliegen kann es geschehen, dass es zu Schwierigkeiten, zu "Problemen" kommt. Das ist dann der Fall, wenn der Tätige beim Lösen einer Aufgabe oder beim Erfüllen eines Auftrages in eine Situation gerät, in der er mit den ihm bekannten Regeln nicht mehr zurecht kommt. Er sollte sich etwas Neues einfallen lassen - es ist üblich zu sagen, er sollte kreativ werden. Sein Denken muss nun divergent werden, im intuitiven, praktischen oder formalen Sinne.
Hier, für das praktische Problemlösen bedeutet das, der Lernende versucht, die Regeln, die er bereits praktisch erprobt hat und beherrscht, zu modifizieren, damit ihm das Lösen des Problem gelingt. Gelingt es ihm nicht, sollte er sich Hilfe holen.

 

3.3.5 Formale Lernstrategien

PIAGET und INHELDER drücken den Übergang in die Voradoleszenz so aus, dass "der junge Mensch sich vom Konkreten löst und das Wirkliche in ein System von möglichen Transformationen einordnet. Diese letzte grundlegende Dezentrierung vollzieht sich am Ende der Kindheit und bereitet die Adoleszenz vor, […] die sich auf das Unaktuelle und die Zukunft richtet." (PIAGET/ INHELDER 1966, 97) Zu Vielem ist das Kind (der Mensch) beim Aktivieren konkreter Operationen noch nicht fähig. Das ist deshalb so - um es noch einmal zu sagen -, weil konkrete Operationen auf das Wirkliche gerichtet sind, formales Denken hingegen ermöglicht Transformationen, wie z.B. Implikationen, Disjunktionen oder Ausschließungen, die das Wirkliche kraft ihrer Bildhaftigkeit eben nur oder auch assimilieren. Nun befähigen sich die Lernenden auch klar zwischen Form und Inhalt zu unterscheiden, mit Wahrscheinlichkeiten zu arbeiten, deren wichtige Ausprägung es ist, hypothetisch zu argumentieren. Dass ein Lerner nicht nur praktische Lernstrategien aktiviert, sondern beginnt, formal zu denken, geschieht nach PIAGET zwischen dem 11. und dem 15. Lebensjahr. Es darf aber angenommen werden, dass ein Mensch diese Phase des formalen Denkens nur insoweit entwickelt, als es seinen Anlagen und seinem erworbenen Erfahrungsschatz entspricht.
Das formale Begriffslernen ist eigentlich ein selbständiges und selbstbestimmtes Begriffslernen. Das konstruktivistische Denken bedingt es, so zu sagen. Während beim intuitiven und beim praktischen Begriffslernen methodisch induktiv vorgegangen wird, kann das formale Begriffslernen sowohl induktiv als auch deduktiv erfolgen. Diese Lernstrategie wird als ein bewusstes und gewolltes Generalisieren höherer Ordnung aktiviert, dass von einem Erkennen von Gleichheiten und Ähnlichkeiten ausgeht. Dabei kann es notwendig werden, Merkmale einer Erscheinungs- bzw. Darstellungsform in eine andere zu überführen (Bild in Worte, Diagramm in Zahlen u.a.) und/oder diese zu interpretieren. Taxonomisch entspricht das der Stufe K2.0 (Verstehen). Auch BRUNER und seine Kollegen hatten das Unterscheiden der verschiedenen Arten von Begriffslernen bereits erkannt und auch, dass diese Lernstrategie eines höheren Energieaufwandes bedarf. Sie nannten sie "simultanious scanning" oder "successive scanning". Der erste Ausdruck zeigt aber auch, dass sie sich noch nicht darüber klar waren, dass verschiedene Denkvorgänge niemals gleichzeitig stattfinden können, sondern nur nacheinander. Dieses Aufeinanderfolgen findet jedoch so schnell statt, dass es als quasi gleichzeitig erscheint.
Die bereits formal gebildeten Begriffe bieten sich oft an, formal in Regeln umgesetzt zu werden, wenn es notwendig wird. Das heißt z.B., dass praktisch gelernte Regeln nun auch in ihren theoretischen Beziehungen erkannt werden. Sie werden dadurch freier, sicherer und offener genutzt. Das bedeutet auch, dass bereits beim formalen Regellernen Grundlagen zum Planen gelegt werden.
Beim formalen Problemlösen werden die Lernstrategien, die zuvor gelernt ( Begriffslernen und Regellernen) und situationsbedingt aktiviert wurden (intuitiv und praktisch), bewusst eingesetzt. Das bereits seit 15 Jahren in der Neuordnung der Metall- und Elektroberufe von den Auszubildenden geforderte selbständige Planen, Durchführen und Kontrollieren fordert, in solchen komplexen Lernstrategien zu arbeiten. Es wird also deutlich, dass es nicht ausreicht, solches schlicht zu verlangen und in ein Gesetz zu schreiben. Schüler, Auszubildende, Lehrer und Ausbilder schaffen das nicht, wenn nicht gleichzeitig die Voraussetzungen und Bedingungen angepasst werden (s.o. Paradigmawechsel). Das Scheitern der vielerorts durchgeführten Versuche in dem vorhandenen Rahmen belegt diese These. Lernende und Unterrichtende müssen es lernen, das Aktivieren komplexer Lernstrategien bei den Lernenden zu erreichen. Es wird nicht von selbst zum Allgemeingut. Auch die Ausbildung von Unterrichtenden muss geändert werden, denn es geht, wie oben bereits gesagt, um einen Paradigmawechsel beim Unterrichten mit all seinen theoretischen und organisatorischen Konsequenzen.
Das selbständige Planen, Durchführen und Kontrollieren ist eingebunden in ein "lernendes Handeln" und ein "handelndes Lernen", das das Präplanen und das Evaluieren einschließt (LUTZOW/KATH 2002, 311ff.). Dies entspricht einem Arbeiten im kognitiven Feld der Taxonomie der Stufe K4.0 (Analyse) für das Präplanen und der Stufe K5.0 (Synthese) für das Planen. Denn es wird Neues geschaffen sein, wenn das Problem gelöst sein wird. Für das Evaluieren kann durchaus die kognitive taxonomische Stufe K6.0 (Bewertung) angesetzt werden. Das alles wird aber nur möglich werden, wenn im affektiven Feld die taxonomische Stufe A4.0 (Wertordnung) (vgl. KATH 1976, 18f.) aktiviert wird. Sonst wäre es schwer vorstellbar, dass der Lernende mit seiner ganzen Person hinter der Lösung seines Problems steht.

4. Ausblick auf das Benutzen des Denkzeuges "Lernstrategien"
4.1 Der Unterrichtende bereitet sich auf seine Tätigkeit vor

Im letzten Kapitel wurden die Lernstrategien im Detail vorgestellt und erläutert. Sie stellen für den Unterrichtenden als Element ein Denkzeug dar, dessen Ausgangspunkt außerunterrichtlicher Art ist, und das beim Unterrichten eine ganz bestimmte Funktion erfüllt. Das heißt, es ist ein "methodisches Funktionselement", ein Denkzeug, das sich ein Unterrichtender während seiner Ausbildung aneignet und während seiner Tätigkeit durch Üben beherrschen lernt, wenn er sich auf seine Arbeit mit den Lernenden vorbereitet (vgl. KATH 1978, 47ff.). Ich weise immer wieder darauf hin, dass ein Unterrichtender nicht "den Unterricht" vorbereiten sollte, den er als Plan aufstellt und der dann durchgezogen werden könnte. Er sollte sich auf das Unterrichten vorbereiten, d.h. auf sein Arbeiten mit den Lernern, und ihnen die Chance geben, sich gleichfalls darauf vorzubereiten. So kommt aber "Unterricht" (heute) selten zustande. Es geht darum, Lernende in die Lage zu versetzen, in eigener Initiative und selbständig das zu vollbringen, was sie einerseits selbst von sich verlangen und andererseits die Gesellschaft von ihnen fordert. Um sie dazu zu befähigen, reicht ein Modell "Zeigen-Vormachen-Mitmachen-Nachmachen" - eben die 4-Stufen-Methode - nicht mehr aus. Ein Unterrichtender muss (zunächst) bereit und willens sein, dem Lernenden zu helfen, das Lernen zu lernen. Dazu ist es notwendig, Denkzeuge zu benutzen, die unsere Väter noch nicht kannten. Sie können sie aber nur dann angemessen und wirksam benutzen, wenn sie sie beherrschen, ähnlich wie der Handwerker das Benutzen seines Handwerkzeuges erlernt, indem er sich in seinem Umgang übt, um es dann zu beherrschen und damit kompetent umzugehen.
Auch ein Unterrichtender muss mit seinen Denkzeugen kompetent umgehen. Das kann er aber zunächst noch nicht. Die Mehrzahl der Unterrichtenden leben immer noch in der Illusion, Experten in ihrem Fach zu sein reiche aus, dieses Fach auch zu unterrichten. Und viele Lehrer, insbesondere in der Berufspädagogik, bemühen sich weiterhin krampfhaft, im Formalen das Neueste in ihrer Disziplin zu erfahren. Es nützt aber den Lernenden wenig, wenn sie Experten werden. Darum sollten sie das auch nicht anstreben. Sie sollten als Lehrer (als Berater) in ihrem Fach, von dem sie mehr verstehen als der Normalbürger, die Lerner dafür interessieren und begeistern; sei es in Geschichte oder Mathematik oder in der Technologie des Maschinenbaus. Ihre praktischen und theoretischen Einsichten in diese Inhalte sollten das ermöglichen. Dazu ist aber in der Berufspädagogik unbedingt vonnöten, diese in Werkstätten und Betrieben zu aktualisieren. Der Unterrichtende erfährt hier das Unterscheiden von "praktisch" und "formal", wie es in den Lernstrategien dargestellt ist, hautnah in der eigenen Weiterbildung. Möglicherweise erkennt er damit auch, dass die zentralste Kategorie der Erziehungswissenschaft "Das Umsetzen von Aussagen und Inhalten" ist -, das sei nur eine Anmerkung, wegen seiner Relevanz auch zu dieser Thematik (vgl. KATH 1990).
Experten sollten Unterrichtende im Gebrauch ihrer erziehungswissenschaftlichen Denkzeuge sein, um die lernenden Menschen optimal in ihrer Entwicklung zu helfen. Damit öffnet sich ein sehr weites Feld, dass dazu führen muss, z.B. das universitäre Lehramtsstudium völlig anders zu gestaltet als es heute üblich ist. Hier ist aber nicht der Ort, dies weiter auszuführen. Die Arbeit des Unterrichtenden sei jedoch insoweit angesprochen, dass der Ort der Lernstrategien deutlich wird:

· In der didaktischen Sphäre bereitet sich der Unterrichtende auf die Intentionen, Ziele und Inhalte seiner Arbeit als Unterrichtender vor.
· Die Unterrichtsvorbereitung ist der Ort, an dem der Unterrichtende sich auf das gemeinsame Arbeiten mit den Lernenden vorbereitet. Das er das zum Teil auch schriftlich tun kann und wird, steht außer Frage. Inwieweit er es jeweils zu einem formalen Unterrichtsentwurf verdichtet - abgesehen von den Lehrproben in der 2. Staatsprüfung - muß ihm selbst überlassen bleiben.
· Im Unterrichtsgeschehen arbeiten Unterrichtende und Lernende gemeinsam und spontan, um Situationen zu schaffen, die geeignet sind, die angestrebte Ziele zu erreichen. Das geschieht vor dem Hintergrund dessen, auf was und wie sich die am Unterrichten Beteiligten vorbereitet haben.
· Jede gemeinsame Arbeit von Unterrichtenden und Lernenden muss nachbereitet werden. Dies ist die Basis für eine fruchtbare gemeinsame Weiterarbeit. Die Form einer solchen Nachbereitung kann sehr unterschiedlich sein (vgl. KATH 1985, 97f.).


Hier wurde von Unterrichtsvorbereitung gesprochen. Es gilt jedoch in sehr ähnlicher Weise für Ausbildungsvorbereitung (vgl. LÜTZOW/KATH 2002).

4.2 Sinn und Wesen methodischer Funktionselemente

In diesem letzten Abschnitt soll der Ort der Lernstrategien bei der Unterrichtsvorbereitung, die auch Ausbildungsvorbereitung sein kann, lokalisiert und benannt werden. Dies, weil der Paradigmawechsel die Ausbildung in Betrieben mit Lehrwerkstatt, aber auch in der Schule radikal verändern wird.
Es kann nicht angehen,, dass in den heutigen technologisierten - der deutschen und anderen - Gesellschaften das Unterrichten und Ausbilden (in Lehrwerkstätten und außerhalb derselben) ähnlich geschieht wie vor 50 oder 150 Jahren, nämlich mehr oder weniger im Sinne einer Meisterlehre: Der Lehrer sagt es, die Schüler lernen es, um es zu rekapitulieren; der Ausbilder macht es vor, die Auszubildenden machen es nach. Im Kern bedeutet der schon mehrfach genannte Paradigmawechsel, dass die Lernenden sich ihre im Ausbildungs-(Lehr-)Plan verzeichneten Inhalte mit intensiver Unterstützung der Unterrichtenden selbst erarbeiten (vgl. LÜTZOW/KATH 2002). Das erfordert nicht nur eine andere Form des Prüfens:
· weg vom Beurteilen und Bewerten nur konkreter (kognitiv-handwerklich-sachlicher) Gegenstände,
· hin zum Beurteilen und Bewerten der Aktivitäten der Lernenden,
sondern auch eine andere Kompetenz des Unterrichtenden als es bisher üblich war. Das Sich-Vorbereiten auf das Unterrichten bedeutet in erster Linie, den Lernenden selbst, als Person, als sich entwickelnden jungen Menschen, in den Blick zu nehmen und nicht nur den fachlichen Inhalt, mit dem er es zu tun hat. Das heißt, sich mit den dazu dienenden erziehungswissenschaftlichen Denkzeugen auseinanderzusetzen und in ihrem kompetenten Gebrauch zu üben, um sie zu beherrschen. Die jeweilige fachliche Kompetenz wird beim Unterrichtenden schlicht vorausgesetzt. Ist sie doch in der Tat nur ein Element unter den vielen in Abbildung 3 (hier "Sachlogik" genannt als "Phänomen"). In unserer Zeit, in der vielen jungen Menschen die Orientierung fehlt, ist es wichtiger denn je, sich ihrer anzunehmen und ihnen zu helfen, selbständig und verantwortungsbewusst zu werden.
In diesem Beitrag geht es darum, den Lernstrategien als methodisches Funktionselement ihren Ort zu weisen und ihre Bedeutung aufzuzeigen. Dazu soll das "Struktogramm zum Sich-Vorbereiten des Unterrichtenden helfen (s. Abbildung 3 ). Das Bild verdeutlicht in graphischer Weise noch einmal das zuvor Gesagte: für die gemeinsame Arbeit von Lernenden und Unterrichtenden ist der fachliche Inhalt - aus erziehungswissenschaftlicher Sicht - ausschließlich Mittel . Das Feld des Sich-Vorbereitens - eben die Unterrichtsvorbereitung, wie sie landläufig genannt wird - ist in zwei Aspekte differenziert: links die Entscheidungsmomente, rechts die Funktionselemente.

Die Entscheidungsmomente bilden beim handelnden Menschen, sowohl beim Lernenden als auch beim Unterrichtenden immer eine Einheit. Sie sind aber erziehungswissenschaftlich zu differenzieren, um sich ihrer Details in aller Klarheit bewusst zu werden. Sie entsprechen prinzipiell genau dem, was im Detail in dem "dialektischen Verlauf von Handeln und Lernen" (LÜTZOW/KATH 2002, 311) dargestellt ist. Jedes Handeln setzt ein Entscheiden voraus, mag es voll bewusst oder nur vorbewusst sein. Entschieden wird aber immer Etwas und je nach Situation immer etwas Anderes. Dieses je Andere in dem Sich-Vorbereiten des Unterrichtenden bezieht sich dann auf je ein Element, das in dieser Situation eine bestimmte Funktion erfüllt, hier eine methodische. Es ist also ein methodisches Funktionselement.

Abb. 3: Struktogramm der Elemente zum Sich-Vorbereiten der Unterrichtenden

Wie in Abbildung 3 zu sehen ist, sind sie drei Gruppen zugeordnet, die unterschiedlichen Charakter haben:
· die Phänomene, die einen Themenkreis beinhalten, der für das Unterrichten relevant ist und einen bestimmten nämlich seine spezifische Fundierung hat, z.B. die Motivation, die ein Thema der Individualpsychologie ist oder die Sachlogik der Inhalte; diese sind aus der Sicht der Lernenden das primäre Anliegen für die gemeinsame Arbeit,
· Techniken: das sind die Aktivitäten und Handlungsweisen, die der Mensch (hier der Unterrichtende) lernt, um mit den Gegenständen jeglicher Art möglichst spontan umzugehen und
· Instrumente, die für eindeutig formulierte methodische Funktionen entwickelt wurden. Ihre Struktur bzw. ihr Aufbau basieren auf Kriterien nicht-unterrichtsmethodischer Herkunft. Während ihrer funktionsgerechten Anwendung bleiben die Instrumente selbst unverändert.
Eines dieser Instrumente ist nun die "Taxonomie der Lernstrategien". Sie ist in Abbildung 1 dargestellt, in Abbildung 3 geortet und in Kapitel 3 beschrieben. Um dem Lernenden helfen zu können, sich zu entwickeln, ist es für den Unterrichtenden durchaus sinnvoll, sich die Taxonomie der Lernstrategien anzueignen. Das heißt, er übt sich darin, die Lernenden zu beobachten, wie sie bestimmte Inhalte zu begreifen suchen: indem sie versuchen sie auswendig zu lernen, indem sie sie intuitiv, praktisch oder formal angehen. Der Unterrichtende wird bald erkennen, wie sehr es ihm beim Reflektieren seiner Arbeit mit den Lernenden unterstützt, den Inhalt und die Form der Impulse - nicht der Fragen, nicht der Erklärungen und schon gar nicht der Anweisungen - an sie treffender und angemessener zu gestalten. Übung macht auch hier den Meister. Die beschriebenen Lernstrategien sind psychologisch fundiert und in der psychologischen Literatur mag ein jeder seine Kenntnisse vermehren, soweit er es als sinnvoll ansieht. Und, es ist durchaus spannend, den Lernenden und sein Handeln in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen und dieses psychologisch zu vertiefen. Abbildung 3 weist aber noch auf ein weiteres hin, dass nämlich die Taxonomie der Lernstrategien nur eines der methodischen Elemente ist, um sich auf das Unterrichten mit den Lernenden vorzubereiten. Die Fachkompetenz ist dabei vorauszusetzen und sie ist wirklich nur ein kleiner wenn auch wichtiger Teil der Gesamtkompetenz eines Unterrichtenden.

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