Partner von bwp@: 
  SAP University Alliances Community (UAC)   giz - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit    Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.    Österr. Konferenz für Berufsbildungsforschung       

bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS23 - ECVET/DECVET
Herausgeber: Dietmar Frommberger, Andreas Diettrich & Holger Reinisch


Titel:
ECVET und DECVET: Zu den Potenzialen von Leistungspunktsystemen zur Förderung von Übergängen in der beruflichen Bildung.


Anforderungen und Konzepte der Gestaltung von Übergängen in der beruflichen Bildung

Beitrag von Andreas DIETTRICH & Christiane KÖHLMANN-ECKEL (Universität Rostock & Bundesinstitut für Berufsbildung Bonn)

Abstract

Ein Berufsbildungssystem welches Zu- und Übergänge zwischen seinen Teilsystemen ermöglicht, erfordert den Willen seitens der Bildungspolitik aber auch von den einzelnen Akteuren in der beruflichen Bildung, sich entsprechend zu öffnen. Ausgehend von einer Debatte, welchen Anforderungen ein derart gestaltetes Berufsbildungssystem genügen soll und inwiefern in Deutschland an den Übergängen Gestaltungsbedarf besteht, werden mit dem vorliegenden Beitrag die Bedarfe, die sich an ein durchlässiges Berufsbildungssystem stellen, diskutiert. Um die Zu- und Übergänge zwischen den Teilsystemen für die Lernenden zu öffnen und somit eine verbesserte Durchlässigkeit und Transparenz zu erzielen, lassen sich sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene Entwicklungen identifizieren, wodurch unter anderem in Programmen und Initiativen Lösungsvorschläge erarbeitet und erprobt werden. Diese werden nachfolgend im Einzelnen dargestellt und diskutiert. Damit schließt sich der Beitrag an den Vortrag „Instrumente zur Förderung von Transparenz, Durchlässigkeit und Anrechnung in der beruflichen Bildung - Europäische und nationale Initiativen im Überblick“ an, welcher gemeinsam von Dr. Christiane Eberhardt vom Bundesinstitut für Berufsbildung und den Autoren im Rahmen des Workshops DECVET/ECVET auf den 16. Hochschultagen für Berufliche Bildung im Jahr 2011 in Osnabrück referiert wurde.

1 Hintergrund und Zielsetzung

Berufsbildungssysteme haben drei Aufgaben bzw. Funktionen: An der Schnittstelle zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem sollen sie Bilden, Differenzieren und Integrieren (SLOANE et al.. 2004). Menschen sollen entsprechend ihrer Interessen und Potentiale gebildet und qualifiziert werden, dabei sollen entsprechend der individuellen Voraussetzungen Lernmöglichkeiten und Entwicklungsangebote vorhanden sein. Zudem soll Berufsbildung Menschen jeden Alters in die Arbeitswelt und damit in die Gesellschaft integrieren helfen. Ein Bildungssystem, das individuelle Bildungsverläufe aufgrund starrer Strukturen, Abschottungstendenzen oder Sackgassen eher verhindert denn fördert, kann die genannten Aufgaben und Funktionen nur bedingt erfüllen und auch das Beschäftigungssystem nicht optimal mit Fachkräften versorgen.

Vor diesem Hintergrund zeigt auch ein Blick auf das Berufsbildungssystem in Deutschland, dass auch im nationalen Bildungssystem mehr Übergänge ermöglicht und stärker durchlässige Strukturen geschaffen werden könnten und sollten. Insbesondere die bildungspolitischen Impulse der EU, die Etablierung des Übergangssystems im Rahmen der Berufsvorbereitung, aber auch der immerwährende Diskurs um die Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner respektive hochschulischer Bildung haben dazu geführt, dass in Deutschland derzeit intensiv an der Gestaltung bzw. Verbesserung von Übergängen in der Beruflichen Bildung, aber auch zu den anderen Teilsystemen des Bildungssystems gearbeitet wird. Der zunehmende Fachkräftemangel, Diskussionen um Bildungsmobilität und Ab- bzw. Zuwanderung von Arbeitskräften sowie ökonomische Argumente zur aktuellen Verwendung von materiellen und immateriellen Bildungsressourcen verstärken diesen Trend in Deutschland, aber auch in vielen Ländern Europas. Zudem implizieren Instrumente wie der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) und der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) per se mehr Durchlässigkeit, da Bildungsnachfrager nun berechtigt einfordern, aufbauend auf ihren Basisqualifikationen, „höhere Stufen“ im Qualifikationsrahmen zu erklimmen – Bildungsanbieter sind aufgefordert, entsprechend (durchlässige) Wege zu benennen. Hierfür sind durchlässige Strukturen im (Berufs)Bildungssystem Bedingung.

Vor diesem Hintergrund werden im Beitrag wichtige Schnittstellen bezüglich Zu- und Übergängen skizziert und dargelegt, mit welchen bildungspolitischen Initiativen und Programmen eine Verbesserung Durchlässigkeit und die Ermöglichung von Übergängen erreicht werden kann bzw. könnte - aufgrund noch ausstehender Evaluationsergebnisse kann über den Erfolg dieser Initiativen allerdings noch nicht abschließend geurteilt werden.

2 Zugänge und Übergänge in der beruflichen Bildung

Ein durchlässiges Bildungssystem, welches nationale und transnationale Mobilität von Lernenden zulässt, erfordert eine hohe Gestaltungsoffenheit seitens der Bildungspolitik aber auch von den beteiligten Akteuren. Innerhalb des deutschen Berufsbildungssystems lassen sich unterschiedliche Zu- und Übergänge zwischen den Bildungsteilbereichen identifizieren, dabei muss zwischen horizontalen und vertikalen Zu- und Übergängen unterschieden werden (vgl. Abb. 1).

Derzeit kann jedoch in vielerlei Hinsicht nicht von einem durchlässig gestalteten Berufsbildungssystem gesprochen werden, das den Erwartungen und Anforderungen der Lernenden in der beruflichen Bildung und zunehmend auch den Erwartungen des Beschäftigungssystems bzw. des Arbeitsmarktes entspricht. Aus Sicht der Bildungspolitik und der Beruflichen Bildung stehen die nachfolgend skizzierten Schnittstellen im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion um Verbesserung der Durchlässigkeit, d. h. Hemmnisse, die Durchlässigkeit erschweren, sind zu identifizieren und abzubauen.

 Initiates file download

Abb. 1:   Zu- und Übergänge im deutschen Berufsbildungssystem

2.1 Übergang von der Berufsvorbereitung in die Berufsausbildung erleichtern

Das primäre Ziel der Berufsvorbereitung liegt in der Herstellung von Ausbildungsreife, dem Erwerb erster beruflicher Grundkenntnisse und dem Nachholen eines allgemeinbildenden Schulabschlusses, sofern dieses für den weiteren Bildungsweg sinnvoll oder erforderlich ist. Das Übergangssystem zielt in unterschiedlichen Maßnahmen auf den Erwerb berufsbezogener Kompetenzen, um so einen verbesserten Weg in die Ausbildung zu finden. Im Jahr 2008 betrug der Anteil an Neuzugängen im Übergangssystem 34,1 % während 47,9 % nach Abschluss der allgemeinbildenden Schule eine duale Ausbildung aufnahmen und ca. 18,1 % in das Schulberufssystem mündeten (AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2010, 96).

Auf Basis der Daten, welche durch die BIBB-Übergangsstudie 2006 erhoben wurden, untersuchte BEICHT (2009) die Bedeutung und Wirksamkeit der Bildungsgänge am Übergang von der Schule in die Berufsausbildung. Die Wirksamkeit wurde anhand der Zeitspanne bis zum Übergang in eine vollqualifizierende Ausbildung gemessen. Dabei zeigte sich, dass die wenigsten Jugendlichen direkt nach Abschluss einer berufsvorbereitenden Maßnahme in die betriebliche Ausbildung übergingen, sondern dies mehrheitlich erst nach einem Jahr gelang. Während 54 % der Berufsfachschüler nach einem Jahr in eine betriebliche Ausbildung mündeten, war der Anteil unter den Absolventen des Berufsgrundbildungsjahrs (BGJ) mit 68% deutlich höher. Auch nach einer Zeitspanne von drei Jahren gelang es etwa einem Fünftel der Lernenden nicht, in eine vollqualifizierende Ausbildung überzugehen (vgl. ebd.). Auch mit Blick auf den zu erwartenden bzw. regional bereits bestehenden Fachkräftemangel ist diese Situation nicht zufriedenstellend – Jugendliche, die bisher oft mehrere Jahre im Übergangssystem verweilen (Warteschlangenproblematik), werden auf dem Arbeitsmarkt gebraucht. Da der Anteil von Jugendlichen im Übergangssystem proportional zum Anteil der Auszubildenden in einer Berufsausbildung in den letzten Jahren anstieg, muss zunehmend dringender der Frage nachgegangen werden, wie der Übergang besser zu gestalten ist und auch gelingen kann.

2.2 Nationale und transnationale Mobilität von Auszubildenden ermöglichen

Lernschleifen, wie im Falle eines verzögerten Überganges von der Berufsvorbereitung in die Berufsausbildung, können auch durch einen Wechsel des Ausbildungsberufes im dualen oder vollzeitschulischen System oder nach Lösung des Ausbildungsvertrages entstehen. Die Quote der Vertragslösungen im dualen System lag im Jahr 2009 im gesamten Bundesgebiet bei etwa 22 %. Diese Angaben differieren jedoch je nach Bundesland zwischen 18,3 % in Baden-Württemberg und 30,2 % in Mecklenburg-Vorpommern (BIBB 2011, 183). Die häufigsten Lösungen von Ausbildungsverträgen werden mit einem Anteil von 61,8 % im ersten Ausbildungsjahr und im zweiten mit 27,0 % vorgenommen (vgl. ebd., 180). Über den Verbleib der Auszubildenden liegen bisher nur unzureichend Daten vor (vgl. JASPERS u.a. 2009, 14). Mit einer Befragung von Auszubildenden aus dem Jahr 2002 erhob das BIBB Daten zum Verbleib nach Vertragslösung. Dabei konnte folgendes ermittelt werden: 50 % der Auszubildenden konnten ihre Ausbildung fortsetzen, 6 % nahmen eine Ausbildung an einer (Berufs-)Fachschule auf, 17 % waren anschließend nicht mehr erwerbstätig und 9 % nahmen eine Arbeit auf bzw. wurden in einem Arbeitsverhältnis angestellt (SCHÖNGEN 2003, 37).

Zur Vermeidung von Lernschleifen und im Sinne einer Erhöhung der horizontalen Durchlässigkeit innerhalb der Berufsausbildung ist es erforderlich, unter Anrechnung von Lernergebnissen die Ausbildungszeit nicht unnötig zu verlängern, sofern der Nachweis der erworbenen Kompetenzen erbracht werden kann. Somit ist hier die Durchlässigkeit innerhalb des Dualen Systems zu verbessern und somit die Mobilität der Jugendlichen zu erhöhen. Betrachtet man zudem den Aspekt der transnationalen Mobilität bzw. auch der Durchführung von Teilen einer Berufsausbildung im Ausland, stellt sich auch die Frage, ob die zu schaffenden Strukturen für die Verbesserung der horizontalen Durchlässigkeit nicht auch transnational angewandt werden können. An der Entwicklung von Anrechnungsverfahren für Auszubildende, die bspw. aufgrund einer Vertragslösung den Ausbildungsberuf wechseln, wird in der Pilotinitiative DECVET gearbeitet, um einen Übergang unter Anrechnung bereits erworbener Lernergebnisse zu ermöglichen (vgl. Absatz 3.3).

Im Falle des Wechsels vom Schulberufssystem in das duale System sind die Landesregierungen nach §7 des BBiG ermächtigt, Verordnungen zu erlassen, wonach der Besuch eines Bildungsganges berufsbildender Schulen oder die Berufsausbildung in einer sonstigen Einrichtung ganz oder teilweise auf die Ausbildungszeit angerechnet werden kann. Die vollständige oder teilweise Anrechnung der Bildungsgänge berufsbildender Schulen auf eine duale Ausbildung könnte somit die Ausbildungszeit verkürzen. In den Ländern findet diese Bestimmung jedoch nur wenig Anwendung und häufig bleiben die Entscheidungen Einzelfälle. Innerhalb des Schulberufssystems weisen Berufsfachschulen die höchsten Schülerzahlen auf. So lernten im Schuljahr 2008/2009 ca. 227.700 Schüler an einer Berufsfachschule (BIBB 2010a, 242). Über das Mobilitätsverhalten der Auszubildenden zwischen dem Schulberufssystem und dem dualen System existieren jedoch keine verlässlichen Daten.

Einerseits kann sich Mobilität wie zuvor beschrieben, auf die Zu- und Übergänge innerhalb eines Bildungssystems beziehen, andererseits wird unter der geografischen Mobilität jene verstanden, die über Landes- oder Staatsgrenzen hinweg vollzogen wird. Die Bedeutung von transnationaler Mobilität – beispielsweise durch die nach BBiG möglichen Auslandsaufenthalte von Jugendlichen während der Ausbildung – nimmt zu. „Erfahrungen aus einem Lernaufenthalt sind nicht nur motivierend für die Berufsausbildung, sondern vor allem wertvoll für das künftige Berufsleben. Doch nur gut 3 % der Auszubildenden kommen bisher in den Genuss dieser Erfahrung“ (EBERHARDT/ SCHWARZ 2011, 7).

Die Gründe für dieses eher geringe Mobilitätsverhalten von Auszubildenden sind unterschiedlich gelagert. Ein Hindernis ist auch in der fehlenden Transparenz im Ausland erworbener Lernergebnisse zu sehen. Mittels Kreditpunktesystemen sowohl für die berufliche als auch für die hochschulische Bildung soll diesem Defizit entgegen gewirkt werden (vgl. FROMMBERGER 2011). Erkenntnisse hierzu werden die Befunde der Erprobung des Europäischen Kreditpunktesystems für die berufliche Bildung (ECVET) liefern.

Auslandserfahrungen können auch für Personen bei der Beantragung auf Teilnahme an der sogenannten „Externenprüfung“ entscheidend sein, die so einen Zugang zum formalen Bildungssystem und den damit verbundenen anerkannten Abschluss erhalten. Über den Ausbildungsabschluss einer dualen oder schulischen Berufsausbildung hinaus besteht zudem die Möglichkeit nach § 45 (2) BBiG und § 37 (2) HwO, die Zulassung zur Abschlussprüfung vor den Kammern zu erhalten. Hierfür ist es erforderlich, dass die bisherige Berufstätigkeit mindestens das Eineinhalbfache der Ausbildungszeit des entsprechenden Berufes umfasst. Zudem kann durch Zeugnisse oder auf andere Art und Weise nachgewiesen werden, dass die Antragstellenden über berufliche Handlungsfähigkeit verfügen. Hierbei sind auch Abschlüsse oder Zeiten, die im Ausland absolviert wurden zu berücksichtigen. Von diesem Gesetz machten im Jahr 2008 28.923 Personen in Deutschland Gebrauch und ca. 79 % absolvierten die Abschlussprüfung erfolgreich und konnten so einen anerkannten Berufsabschluss erlangen (vgl. BIBB 2010a, 171).

2.3 Fortbildung früher beginnen

Nach dem Erwerb des ersten berufsqualifizierenden Abschlusses, sei es nach dem Absolvieren einer Berufsausbildung oder über die Zulassungsverfahren zur Kammerprüfung, bietet die berufliche Fortbildung den Beschäftigen die Chance auf eine höhere Qualifizierung und den Aufstieg im Unternehmen. Eine Umfrage des DIHK (2011) unter ca. 11.000 Absolvierenden der IHK-Weiterbildungsprüfungen zeigt, dass 84 % der Absolventen einer beruflichen Fortbildung in den Jahren 2005-2010 eine betriebliche Ausbildung als letzten berufsqualifizierenden Abschluss nachgewiesen haben. Jedoch nahmen auch 3,9 % aus der vollzeitschulischen Ausbildung an einer Fortbildung teil und ein geringer Anteil von 5,3 % absolvierte zuvor ein duales Studium bzw. 4,6 % ein Hochschulstudium (ebd., 10). Als Motivation zur Teilnahme an beruflicher Fortbildung ist insbesondere der Wunsch des betrieblichen Aufstieges und einer finanziellen Verbesserung zu sehen. Dies trifft vor allem auf 75,3 % bzw. 51,5 % der Absolvierenden der betrieblichen Ausbildung zu. Demgegenüber gaben 49,0 % der Absolvierenden eines Hochschulstudiums an, dass sie sich finanziell verbessern wollten und 42,2 % unter ihnen gaben an, dass die Teilnahme an einer Fortbildung durch die Erweiterung und Vertiefung der eignen beruflichen Kenntnisse erforderlich wurde (vgl. DIHK 2011, 16). Hierbei sei jedoch der geringe Anteil derjenigen zu beachten, die als letzten Abschluss ein Hochschulstudium absolvierten.

Die Übernahme anspruchsvoller Tätigkeiten und ein möglicherweise entsprechend höheres Entgelt, sind häufig positive Folge nach Absolvieren einer Fortbildung (vgl. Götzhaber/ JablonKA/ Metje (2011). Insofern kann der Nutzen der Fortbildung als positiv bewertet werden. Die eigene berufliche Handlungsfähigkeit kann erhöht werden und damit verbunden ist auch eine entsprechende Reaktionsfähigkeit auf sich ändernde Tätigkeitsanforderungen. Um jedoch an einer Aufstiegsfortbildung teilnehmen zu können, ist häufig neben einer abgeschlossenen Berufsausbildung auch eine mehrjährige Berufserfahrung erforderlich. Hierdurch ist ein zeitnaher Anschluss an die Berufsausbildung verzögert. Zur Verbesserung der Durchlässigkeit und einem schnelleren Zugang zur Fortbildung sind die Übergänge so zu gestalten, dass individuelle Aufstiegschancen individuell an den Kompetenzen des Einzelnen für gehobene Fach- und Führungsaufgaben orientiert sind und weniger an zeitlichen Restriktionen und entsprechenden pauschalen Regelungen. Somit könnte die Durchlässigkeit zwischen Ausbildung, Berufstätigkeit und Fortbildung entweder durch individuelle Zulassungsregelungen (Anerkennung von Berufserfahrung und erworbenen Kompetenzen) oder durch die Möglichkeit der Anrechnung von Kompetenzen und Qualifikationen aus der Ausbildung, der ungeregelten Weiterbildung oder aus dem informellen bzw. Erfahrungslernen weiter verbessert werden.

2.4 Berufliche und hochschulische Bildung strukturell koppeln

Mit der aktuell geführten Debatte um die Durchlässigkeit an der Schnittstelle zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung wird an Diskussionen aus den 1960er Jahren angeknüpft. Zu diesem Zeitpunkt „waren es spezifische Bedarfe des Arbeitsmarktes (zum Beispiel bei Lehrkräften oder Ingenieuren), die zu Maßnahmen der Öffnung des Hochschulzugangs führten, allerdings ohne grundlegende Veränderungen der Schnittstellen und Selektionsstrukturen wie auch ohne Anpassung von Studienangeboten“ (HARTMANN u.a. 2008, 13). Der Gestaltung des Überganges von der beruflichen Bildung in die hochschulische Bildung kommt jedoch für die Entwicklung eines Bildungssystems, welches Durchlässigkeit ermöglicht und auf eine starre Abschottung seiner Teilsysteme verzichtet, eine hohe Bedeutung zu. Für ein Fünftel der Absolvierenden der beruflichen Weiterbildung stellt der Übergang in die hochschulische Bildung eine anzustrebende Weiterqualifizierung dar. 22 % der Befragten der IHK-Weiterbildungsumfrage gaben an, sich durch ein Hochschulstudium qualifizieren zu wollen (vgl. DIHK 2011, 26).

In der bildungspolitischen Diskussion wurde dieser Schnittstelle in den vergangenen Jahren zunehmend mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Als Wegbereiter sei hier die 2005 gestartete BMBF-Initiative ANKOM genannt, die nachfolgend noch näher beschrieben wird. Auch in den Empfehlungen des „Innovationskreises berufliche Bildung“ zur Modernisierung der beruflichen Bildung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF 2007) wird verstärkt auf die Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen diesen Bildungsbereichen verwiesen. Mit dem Bildungsgipfel in Dresden wurde in der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern die Förderung des Überganges von der beruflichen Bildung in die Hochschule durch einen „Aufstiegspakt“ beschlossen. (vgl. MUCKE/ KUPFER 2011). Im Jahr 2009 erfolgte mit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) zum „Hochschulzugang für beruflich qualifizierte Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung“ eine gemeinsame Vereinbarung der Länder. „Die Empfehlung eröffnet den Absolventinnen und Absolventen beruflicher Aufstiegsfortbildungen (…) den allgemeinen Hochschulzugang. Beruflich qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber ohne erfolgreich absolvierte berufliche Aufstiegsfortbildung erhalten eine fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung, die an die Erfüllung weiterer Voraussetzungen wie mehrjähriger Berufserfahrung oder das Bestehen eines Eignungsfeststellungsverfahrens beziehungsweise möglicher weiterer länderspezifischer Bedingungen geknüpft ist“ (ebd., 230). Auch mit der im Jahr 2010 verabschiedeten Empfehlungen zur Förderung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung durch den Hauptausschuss des BIBB (BIBB 2010b) werden eine Reihe konkreter Maßnahmen benannt. „Berufstätige Studierende verlangen effiziente und effektive Lerndesigns, sie wägen Lernaufwand und Lernertrag ab, indem sie Studiendauer, Gebühren und Zeitaufwand mit dem zu erwartenden Nutzen abgleichen“ (HANFT/ MÜSKENS 2010, 8). MUCKE und KUPFER (2011) benennen weitere Themenfelder, die entwickelt und vorangetrieben werden müssen. Hierzu gehören eine stärkere Orientierung auf Lernergebnisse und deren Verankerung in den Ordnungsmitteln und der Prüfungspraxis, eine konkrete Umsetzung der gesetzlichen Regelungen für die Zugangsbestimmungen beruflich Qualifizierter an den Hochschulen und eine Entwicklung von Studienangeboten, die an den Bedarfen der Zielgruppe orientiert sind. Desweiteren kann durch entsprechende finanzielle Unterstützungsangebote die Entscheidung für die Aufnahme eines Hochschulstudiums positiv beeinflusst werden. Abschließend wird noch auf einen systematischen Ausbau des Informations- und Beratungsangebot verwiesen (vgl. ebd., 223 ff.). So impliziert eine Verbesserung des Übergangs von der beruflichen Bildung in die hochschulische (und vice versa) neben einem „Umdenken“ bzw. einer „Öffnung“ vieler Akteure auch die Entwicklung und Implementierung konkreter Instrumente uns Angebote seitens der Hochschulen und seitens der Beruflichen Bildung.

2.5 Gestaltung von Übergängen: Ein Zwischenfazit

Die zuvor dargestellten Situationen an den Schnittstellen des Berufsbildungssystems verdeutlichen die unterschiedlichen Ausgangslagen für die Betroffenen. Erkennbare Abschottungstendenzen zwischen dem Übergangssystem und der Berufsausbildung aber auch zwischen der beruflichen und hochschulischen Bildung verringern die Durchlässigkeit zwischen den Bildungsteilsystemen. Gleichwohl lassen sich Ansätze und Konzepte identifizieren, die auf besser gestaltete Zu- und Übergänge zielen. Abschließende Erkenntnisse liegen jedoch noch nicht vor, denn häufig befinden sich diese Ansätze noch in einer Phase der Entwicklung und Erprobung.

„Mit Blick auf die Gestaltung der Übergänge zwischen verschiedenen Teilbereichen ist es erforderlich, zum einen stärker pädagogische Ansätze in den Vordergrund der Betrachtung und Umsetzung zu stellen sowie personenbezogene Instrumente und Methoden wie beispielsweise Brückenkurse, Mentoring, regionale Lernortkooperation, Beratung in der Fokus zu rücken“ (FROMMBERGER/ FRIESE 2010, 7). Die nachfolgendend diskutierten, im wesentlichen durch die Bildungspolitik induzierten Initiativen und Programme zielen auf die Gestaltung von Rahmenbedingungen und Angeboten, die zu einer Erhöhung der Durchlässigkeit beitragen sollen. Dabei wird auf den Abbau von Zugangsbarrieren, eine Aufweichung der bisher „starr versäulten“ Bildungsteilsysteme und die Akzeptanz einer Gleichwertigkeit von in unterschiedlichen Lern- und Arbeitskontexten erworbenen Kompetenzen gezielt. Gleichfalls soll durch eine stärkere Orientierung an Lernergebnissen in den Ordnungsmitteln und ihrer Dokumentation ein Beitrag für eine bessere Herstellung von Transparenz geleistet werden, um so auch das Verständnis und Vertrauen der Lernorte und Akteure zu stützen. Mit der Entwicklung von Verfahren zur Anrechnung von Lernergebnissen wird eine individuellere Gestaltung der Bildungswege verfolgt, wodurch auch Lücken in der Bildungs- und Erwerbsbiografie des Einzelnen verringert werden sollen. Allerdings bleiben die wichtigen Bereiche der (ungeregelten) Weiterbildung und des informellen Lernens weitgehend unberücksichtigt, so z. B. auch im DQR.

Die bildungspolitischen Entwicklungen in Deutschland haben zu einer Vielzahl und Vielfalt an Programmen und Initiativen auf, die Zu- und Übergänge zwischen den Bildungsteilsystemen verbessern sollen. Vor allem für junge Menschen im Übergang zwischen Schule und Beruf werden sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene Angebote geschaffen. Diese sind auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden ausgerichtet. Jedoch begegnet die Bildungspolitik damit auch dem demografischen Wandel und dem prognostizierten Fachkräftemangel. Derzeit wird davon ausgegangen, dass bis zum Jahr 2020 eine Qualifikationslücke entsteht. Die Erhöhung von Durchlässigkeit an den Schnittstellen des Berufsbildungssystems kann ein entscheidender Faktor zur Bewältigung dieses Engpasses sein. Durch die Vermeidung von Bildungssackgassen, Warteschleifen und Redundanzen kann es zukünftigen Fachkräften besser gelingen, Bildungswege entsprechend ihrer individuellen Voraussetzungen zu gestalten und Bildungsziele über unterschiedliche, individuelle Pfade im Bildungssystem zu erreichen.

3 Nationale Konzepte zur Gestaltung von Übergängen

3.1 Zugänge zum formalen Bildungssystem – Die Erprobung von Bausteinkonzepten

Auf eine frühzeitige Integration von Jugendlichen in eine Berufsausbildung zielen die Entwicklungen und Erprobungen im Rahmen des Programmes Jobstarter Connect. Eine transparente Beschreibung von Kompetenzen, die in den Teilsystemen der beruflichen Bildung im Übergang zwischen Schule und Beruf erworben sind, soll mittels bundeseinheitlicher Ausbildungsbausteine erreicht werden. Dieses Programm findet in unterschiedlichen Bildungskontexten Anwendung:

a) zur Qualifizierung von Altbewerber-/innen

b) zur Benachteiligten-Förderung im Übergang in die betriebliche Ausbildung

c) in schulischen Angeboten der Länder (Berufsvorbereitungsjahr, Berufsgrundschuljahr, Berufsfachschule) und

d) in der Nachqualifizierung (vgl. WEITERER/ ACKER 2011, 55).

Die Erprobung der Ausbildungsbausteine begründet sich in der dritten Leitlinie des Innovationskreises berufliche Bildung (IKBB)  „Übergänge optimieren – Wege in betriebliche Ausbildung sichern“. Demnach wurde mit der Erprobung von Ausbildungsbausteinen eine Möglichkeit gesehen, Altbewerber-/innen einen besseren Weg in die Ausbildung zu ermöglichen (BMBF 2007). Die konkrete Erprobung der Ausbildungsbausteine in 14 Berufen erfolgt anschließend seit dem Jahr 2008 im Rahmen des BMBF-Programmes Jobstarter Connect. Bei der Konzeption und Entwicklung von Ausbildungsbausteinen wurden folgende Kriterien zugrunde gelegt:

  • Orientierung an den geltenden Ordnungsmitteln,
  • Orientierung am Berufskonzept,
  • Orientierung am Konzept der beruflichen Handlungsfähigkeit,
  • Orientierung an Lernergebnissen und der
  • Orientierung am Prinzip der vollständigen Handlung (FRANK/ GRUNWALD 2008; BIBB 2009; FRANK 2010).

Die Ausbildungsbausteine in ihrer Gesamtheit bilden ein Berufsbild vollständig ab. Die Unterteilung in einzelne auf sich bezogene curricular und didaktisch gestaltete Einheiten ermöglichen einen flexibleren Einsatz dieser Bausteine in der Ausbildung. Strukturiert sind die Ausbildungsbausteine auf der Grundlage betrieblicher und schulischer Ordnungsmittel. Diese Konzeption entspricht dem Prinzip der Vermittlung beruflicher Handlungsfähigkeit und ist ausgerichtet auf die vollständige Handlung. „Sie bilden berufstypische und einsatzgebietsübliche Arbeits- und Geschäftsprozesse ab, die das berufliche Handeln der ausgebildeten Fachkräfte in ihrer Gesamtheit maßgeblich bestimmen und die als Lernprozesse sinnvoll abgebildet werden können“ (FRANK/ GRUNWALD 2008, 15).

Mit der Ausdehnung des Erprobungsfeldes auf die oben bereits genannten vier Anwendungskontexte wird in Jobstarter Connect das Ziel verfolgt, das sogenannte Übergangssystem stärker auf einen verbesserten Zugang zur Berufsausbildung auszurichten. Die Erprobung der Ausbildungsbausteine in 14 Ausbildungsberufen (vgl. WEITERER/ ACKER 2011) zeigte sich bisher vor allem hinsichtlich einer transparenteren Dokumentation erworbener Kompetenzen und einer stärkeren Verzahnung der Lernorte in der Berufsausbildungsvorbereitung.

Mit Verwendung von Baustein-Konzepten zielen auch weitere Initiativen auf eine Verbesserung des Zuganges für Jugendliche in die Ausbildung oder auf den Arbeitsmarkt. Hier sei vor allem der Einsatz von Qualifizierungsbausteinen in der Berufsausbildungsvorbereitung oder die Initiierung des Programms des Landes Nordrhein-Westfalen „3. Weg in der Berufsausbildung in NRW“ genannt. Dieses Programm zielt auf einen individueller gestalteten Ausbildungsverlauf durch modulare Qualifizierung und der Zulassung von Unterbrechungen im Ausbildungsverlauf (vgl. BECKER u.a. 2010). Somit soll der Übergang aus berufsvorbereitenden Maßnahmen in eine Duale Ausbildung dadurch ermöglicht werden, dass die Jugendlichen durch das Erwerben von Bausteinen bereits Kompetenzen erwerben, die sonst erst in der Ausbildung erworben werden können – somit können Jugendliche ihre Ausbildungsfähigkeit nachweisen, erworbene Bausteine könn(t)en auf die Ausbildung angerechnet werden und somit den Übergang erleichtern.

3.2 Zugang zum Erwerbsleben – Qualifizierungsangebote für gering qualifizierte Arbeitslose

Mit der Zielstellung, gering qualifizierten Erwachsene durch zertifizierte Teilqualifikationen einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen, erprobt die Bundesagentur für Arbeit derzeit in sechs Berufen bzw. Tätigkeitsfeldern ein zielgruppenorientiertes Qualifizierungsangebot. Im Vordergrund steht dabei die Verwertbarkeit der an die Berufsbilder anschlussfähigen Teilqualifikationen. Damit zielt das Angebot vor allem auf jene, für die aufgrund von Arbeitslosigkeit und geringer Qualifikation die Aufnahme einer Beschäftigung und einem anschließenden dauerhaften Verbleib an der Arbeitsstelle erschwert ist (vgl. KOHL 2009; NEUMANN/ KOHL 2010).

Unter Teilqualifikationen sind bundesweite standardisierte Einheiten zu fassen, die einer curricularen Gesamtstruktur entsprechend, unter der „Prämisse entwickelt [wurden], dass jedes Modul für sich berufliche Handlungsfähigkeit in einem spezifischen Tätigkeitsfeld gewährleistet und für den praktischen Einsatz im Betrieb qualifiziert“ (KOHL/ KÜFNER 2010, 14). Die Absolvierung eines jeden solchen Moduls umfasst i.d.R. einen Zeitraum von vier bis sechs Monaten und wird nach einer positiven Kompetenzfeststellung zertifiziert. Somit ist es für die Qualifizierten möglich, eine individuelle Beurteilung sowie eine Ausweisung des Kompetenzprofils durch entsprechende Zertifikate, nachzuweisen. Die Prüfung und Zertifizierung der Teilqualifikation soll nach einem bundeseinheitlichen Verfahren erfolgen (vgl. NEUMANN/ KOHL 2010). Die durch ein Feststellungsverfahren nachgewiesenen Kompetenzen werden über ein Zertifikat dokumentiert und hinsichtlich ihrer Relevanz im Verhältnis zum Beruf beurteilt. Das nach einheitlichen Standards durchgeführte Kompetenzfeststellungsverfahren und dessen Zertifizierung soll es den Teilnehmern ermöglichen, einen besseren Zugang zum Erwerbsleben zu finden (vgl. KOHL/ KÜFNER 2010; NEUMANN/ KOHL 2010). Letztendlich kann durch Addition von Teilqualifikationen eine umfassende berufliche Handlungskompetenz erworben werden, die – und das wäre empirisch zu prüfen – analog zu einer Berufsausbildung im Dualen System in einem anerkannten Ausbildungsberuf wäre.

3.3 Zu- und Übergänge innerhalb des Berufsbildungssystems – Entwicklung von Anrechnungsmodellen in der Pilotinitiative DECVET

Auf die Gestaltung unterschiedlicher Übergänge im nationalen Berufsbildungssystem zielt die BMBF-Pilotinitiative „DECVET – Entwicklung eines Leistungspunktesystems in der beruflichen Bildung“. Bislang fehlt für die berufliche Bildung eine einheitliche Systematik, um Lernergebnisse zu beschreiben, bewerten und anzurechnen. Durch die Entwicklung transparenter und durchlässiger Verfahren zur Anrechnung von Lernergebnissen soll die vertikale und horizontale Durchlässigkeit zwischen den Teilbereichen der beruflichen Bildung erhöht werden.

Die Erprobung solcher Verfahren findet an vier markanten Schnittstellen statt. Betrachtet wird die Schnittstelle zwischen der Berufsausbildungsvorbereitung und dualen Berufsausbildung, innerhalb der dualen Berufsausausbildung an der Schnittstelle gemeinsamer berufsübergreifender Qualifikationen in einem Berufsfeld, zwischen der vollzeitschulischen und der dualen Berufsausbildung und auch zwischen der dualen Berufsausbildung und beruflicher Fortbildung – geregelt nach §§ 53 und 54 BBiG.

Die Entwicklung der Anrechnungsmodelle wurde auf der Grundlage unterschiedlicher Teilschritte vollzogen. Zunächst galt es, Lernergebniseinheiten zu schneiden sowie Instrumente zu deren anschließender Bewertung, Validierung und Dokumentation zu entwickeln. Des Weiteren werden Vorschläge zur Festlegung von Leistungspunkten vorgenommen und mittels Äquivalenzprüfung sollen mögliche Anrechnungspotenziale an den Schnittstellen rund um das Duale System identifiziert werden. In einem letzten Teilschritt sind transferierbare Modelle zu entwickeln, die es ermöglichen, Lernergebnisse von einem Teilbereich des beruflichen Bildungssystems in einen anderen zu übertragen und anzurechnen. D. h. Durchlässigkeit soll hier durch die „Mitnahme“ von mit Leistungspunkten bewerteten Lerneinheiten von einem Bildungsbereich in einen anderen und entsprechende Anrechnungsmöglichkeiten erreicht werden, wobei die Grundvoraussetzung hierfür ist, ähnliche Strukturierungsprinzipien der Lerneinheiten, unabhängig vom Bildungsgang bzw. Teilsystem der Beruflichen Bildung, zu verwenden (z. B. ähnliche Verfahren der Kompetenzbeschreibung und –feststellung).

3.4 Übergänge in die hochschulische Bildung gestalten – Die BMBF-Initiative ANKOM

Die im Jahr 2005 gestartete BMBF-Initiative ANKOM zielt ebenfalls auf die Entwicklung von Modellen zur Anrechnung beruflich erworbener Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge. Mit der Förderung von elf Entwicklungsprojekten wurden im Zeitraum von 2005 – 2008 Verfahren entwickelt und erprobt, die sowohl eine pauschale als auch eine individuelle Anrechnung von Lernergebnissen der beruflichen Fortbildung auf Hochschulstudiengänge ermöglichen. „Den Kern dieser Initiative bildet ein auf die praktische Umsetzung orientiertes Maßnahmebündel, das dem Ziel dient, Übergänge zwischen den Bildungsinstitutionen zu ebnen und bei hochqualifizierten, berufserfahrenen Studierwilligen bereits vorhandene Qualifikationen und Kompetenzen auf das Studium anzurechnen“ (STAMM-RIEMER/ LOROFF/ HARTMANN 2011, 3f.).

Die Entwicklung der Anrechnungsmodelle erfolgte auf Basis von drei Teilschritten. In einem ersten Schritt galt es, Lernergebnisse zu beschreiben. Diese gelten als die Voraussetzung für die nachfolgende Äquivalenzprüfung. Die Beschreibung der Lernergebnisse basierte auf Analysen der Ordnungsmittel der beruflichen Bildung, auf eigenständig durchgeführten Befragungen von Absolventen und Absolventinnen einer Berufsausbildung und unterschiedlichen Akteuren der Berufsausbildung, sowie auf der Analyse von Modulhandbüchern, Studienordnungen und Durchführungsbestimmungen (vgl. MUCKE/ BUHR 2008, 40). Auf dieser Basis, konnte nach Beschreibung der Lernergebnisse entsprechend der verwendeten Referenzsysteme (vgl. STAMM-RIEMER/ LOROFF/ HARTMANN 2011, 21 ff.), eine Äquivalenzprüfung durchgeführt werden. Es galt, bisher vorliegende Lernergebnisse, z. B. aus der beruflichen Bildung, in Tiefe und Breite mit denen des Zielbildungsganges zu vergleichen und so die Äquivalenz zu ermitteln. Im letzten Schritt wurde das Anrechnungsverfahren initialisiert. Im Rahmen der ANKOM-Initiative wurden drei Verfahren entwickelt - das pauschale, das individuelle und das kombinierte Anrechnungsverfahren. Während pauschale Anrechnungsverfahren unabhängig von einzelnen Personen zum Einsatz kommen, werden im Rahmen des individuellen Verfahrens die spezifischen Kompetenzen und Lernergebnisse hinsichtlich ihrer Anrechenbarkeit beurteilt. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt insbesondere darin, dass auch informell erworbene Kompetenzen berücksichtigt werden können. Denn durch die häufig zum Einsatz kommenden Portfolio-Verfahren kann es gelingen, ein umfassendes Kompetenzprofil der Anrechnungskandidaten und -kandidatinnen zu erstellen, welches nicht nur formale oder zertifizierte Qualifikationen erfasst. Werden die pauschalen und die individuellen Verfahren gemeinsam angewendet, wird von einem kombinierten Anrechnungsverfahren gesprochen. Diese vereint die Vorteile der pauschalen und individuellen Anrechnung hinsichtlich der verbesserten Effizienz und einer stärkeren Berücksichtigung des Einzelnen (vgl. ebd.).

Durch Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge soll die Durchlässigkeit zwischen diesen beiden Bildungsteilsystemen erhöht werden. So kann auch die Gleichwertigkeit von Lernergebnissen der beruflichen und hochschulischen Bildung sichtbar gemacht werden.

Der Zielstellung, die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu erhöhen, entspricht ebenfalls der vom BMBF ausgeschriebene Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“. Zur Schaffung und zum Aufbau neuer, bedarfsgerechter und an der Nachfrage orientierter Studienangebote bzw. durch den Ausbau bestehender, soll durch zielgruppenspezifische Angebote eine systematische Verbesserung der Durchlässigkeit an dieser Schnittstelle im Bildungssystem erreicht werden (vgl. BMBF 2011) und somit ein Angebot im Sinne der Gestaltung lebensbegleitenden Lernens geschaffen werden.

4 Ausblick

Die Gestaltung von Übergängen in der beruflichen Bildung wird derzeit in unterschiedlichen Programmen und Initiativen erprobt, die z. T. recht ähnliche, z. T. aber auch unterschiedliche Herangehensweisen aufweisen. Allerdings fokussieren sich derzeit alle Bemühungen auf die strukturelle Seite der Schaffung von Übergängen und Durchlässigkeit, d. h. Strukturen im Bildungssystem werden überprüft, weiterentwickelt und z. T. reformiert. Zum Teil werden auch aufgrund der Erfahrungen der Pilotinitiativen lediglich Empfehlungen an die Bildungspolitik formuliert. Aufgrund der Auseinandersetzung mit den Aktivitäten und Ergebnissen der hier angedeuteten Initiativen ist allerdings auch ein Bewusstseinswandel bei den verantwortlichen Akteuren im Bildungssystem zu erwarten.

Jedoch ist die Schaffung durchlässiger Strukturen nur die notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für mehr Übergänge im Bildungssystem: Es ist noch zu prüfen, ob die Menschen im Bildungssystem mit diesen Strukturen und Angeboten tatsächlich erreicht werden, ob Übergänge überhaupt einen quantitativ und qualitativ relevanter Bestandteil individueller Bildungsbiographien darstellen und ob bzw. warum, wann und wie häufig Übergänge angestrebt werden. Hinreichende Bedingung für mehr Übergänge wäre aus unserer Sicht zumindest die Schaffung eines entsprechenden Informations-, Beratungs- und Betreuungsangebot für die „Nutzer“ eines durchlässigen Bildungssystems. In der Berufsbildungsforschung ist nur wenig bekannt über Motivation, Chancen und Hemmnisse in Bezug auf Übergänge. Hier besteht aus unserer Sicht noch erheblicher Forschungs- und Erklärungsbedarf -  auch eine Erklärung, warum strukturell seit langem vorhandene Möglichkeiten für „Übergänge“ (z. B. Externenprüfung, Hochschulzugang ohne Abitur, Berufsausbildung im Ausland) nur von wenigen genutzt werden, ist noch offen. Somit muss neben die Entwicklung strukturbezogener Konzepte auch (wieder) stärker am und mit den Subjekten geforscht und entwickelt werden, um tatsächlich im Berufsbildungssystem (besser) Bilden, Differenzieren und Integrieren zu können.

Literatur

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2010): Bildung in Deutschland 2010. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des Bildungswesens im demografischen Wandel. Bielefeld. Online: http://www.bildungsbericht.de/daten/gesamtbericht.pdf  (31-05-2011).

BECKER, C./ GEHRKE, J./ MEYER, A./ SCHANK, C. (2010): Evaluation des Pilotprojektes „3. Weg in der Berufsausbildung in NRW“. Abschlussbericht. Berlin, Düsseldorf. Online: http://www.gib.nrw.de/service/downloads/abschlussbericht-evaluation-3-weg  (31-05-2011).

BEICHT, U. (2009): Verbesserung der Ausbildungschancen oder sinnlose Warteschleifen? Zur Bedeutung und Wirksamkeit von Bildungsgängen am Übergang Schule – Berufsausbildung. In: BIBB-Report, 11. Online: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a12_bibbreport_2009_11.pdf  (31-05-2011).

BIBB - BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG (2009): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2009. Information und Analyse zur Entwicklung in der beruflichen Bildung. Bonn.

BIBB - Bundesinstitut für Berufsbildung (2010a): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2010. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Bonn.

BIBB – BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG (2010b): Empfehlung des Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung zur Förderung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung. Bonn. Online: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/HA139.pdf  (12-06-2011).

BIBB - Bundesinstitut für Berufsbildung (2011): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2011. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Bonn.

BMBF - BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (2007): 10 Leitlinien zur Modernisierung der beruflichen Bildung – Ergebnisse des Innovationskreises berufliche Bildung. Online: http://www.bmbf.de/pub/IKBB-Broschuere-10_Leitlinien.pdf  (31-05-2011).

BMBF – BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (2011): Bekanntmachung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von Richtlinien zum Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“. Berlin. Online: http://www.bmbf.de/foerderungen/15990.php  (31-05-2011).

DIHK - Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V. (2011): Mit Weiterbildung voran. 7. Umfrage unter Absolventen der IHK-Weiterbildungsprüfung. Berlin. Online: http://www.dihk.de/ressourcen/downloads/weiterbildungserfolgsumfrage_2011  (31-05-2011).

EBERHARDT, C./ SCHWARZ, A. (2011): ECVET im Praxistest: Fördert ein Leistungspunktesystem die grenzüberschreitende Mobilität von Auszubildenden? In: berufsbildung. Zeitschrift für Praxis und Theorie in Betrieb und Schule, 65, H. 128, 7-9.

FRANK, I. (2010): Ausbildungsbausteine : ein Beitrag zur Weiterentwicklung der dualen Berufsausbildung. In: BMBF- BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (Hrsg.): Jobstarter Connect. Ausbildungsbausteine in der Praxis, 20-28.

FRANK, I./ GRUNDWALD, J.-G. (2008): Ausbildungsbausteine – ein Beitrag zur Weiterentwicklung der dualen Berufsausbildung. In: BWP - Berufsbildung in Wirtschaft und Praxis, 38, H. 4, 13-17.

FROMMBERGER, D. (2011): Grenzüberschreitende Mobilität und Internationalisierung in der beruflichen Bildung. In: berufsbildung. Zeitschrift für Praxis und Theorie in Betrieb und Schule, 65, H. 128, 4-6.

FROMMBERGER, D./ FRIESE, M. (2010): Durchlässigkeit in Bildung und Berufsbildung. Hintergründe, Ansätze, Herausforderungen. In: berufsbildung. Zeitschrift für Praxis und Theorie in Betrieb und Schule, 64, H. 125, 4-7.

Götzhaber, J./ Jablonka, P./ Metje, U. M. (2011): Aufstiegsfortbildung und Studium – Bildungs- und Berufsbiografien im Vergleich. In: BMBF – BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (Hrsg.): Band 10 der Reihe Berufsbildungsforschung. Bonn, Berlin.

HANFT, A./ MÜSKENS, W. (2010): Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschule. In: berufsbildung. Zeitschrift für Praxis und Theorie in Betrieb und Schule, 64, H. 125, 8-9.

HARTMANN, E.A./ BUHR, R./ FREITAG, W. u.a. (2008): Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung – wozu, wie, warum und für wen? In: BUHR, R./ FREITAG, W./ HARTMANN, E.A. u.a. (Hrsg.): Durchlässigkeit gestalten! Wege zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung. Münster, 13-20.

JASPER. G./ RICHTER, U./ HABER, I./ VOGEL, H. (2009): Ausbildungsabbrüche vermeiden – neue Ansätze und Lösungsstrategien. In: BMBF – BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (Hrsg.): Band 6 der Reihe Berufsbildungsforschung. Bonn, Berlin.

KOHL, M. (2009): Teilqualifikationen für gering qualifizierte Arbeitslose. Bundeseinheitliche Zertifikate sollen den Einstieg erleichtern. In: BRANDaktuell -Arbeitsmarktpolitischer Service der LASA Brandenburg GmbH, H. 06, 11.

KOHL, M./ KÜFNER, C. (2010): Bundeseinheitliche Teilqualifikationen für gering qualifizierte Arbeitslose. In: DSD - Der Sicherheitsdienst, H. 02, 14-15.

MUCKE, K./ BUHR, R. (2008): Flexibilisierung durch Anrechnung – auch in der beruflichen Bildung. Erste Lösungsansätze aus ANKOM. In: BWP - Berufsbildung in Wirtschaft und Praxis, 37, H. 04, 39-42.

MUCKE, K./ KUPFER, F. (2011): Durchlässigkeit umsetzen für lebensbegleitendes Lernen – Schlussfolgerungen aus der Sicht der beruflichen Bildung. In: FREITAG, W./ HARTMANN, E.A./ LOROFF, C. u.a. (Hrsg.): Gestaltungsfeld Anrechnung. Hochschulische und berufliche Bildung im Wandel. Münster, 221-238.

NEUMANN, F./ KOHL, M (2010): Zertifizierte Teilqualifikationen in der beruflichen Weiterbildung. In: Wirtschaft und Berufserziehung: W & B, H. 12, 24-27.

SCHÖNGEN, K. (2003): Ausbildungsvertrag gelöst = Ausbildung abgebrochen? Ergebnisse einer Befragung. In: BWP - Berufsbildung in Wirtschaft und Praxis, 32, H. 05, 35-39.

SLOANE, P. F. E./ TWARDY, M./ BUSCHFELD, D. (2004): Einführung in die Wirtschaftspädagogik. 2., vollst. überarb. Aufl. Paderborn.

STAMM-RIEMER, I./ LOROFF, C./ HARTMANN, E. (2011): Anrechnungsmodelle. Generalisierte Ergebnisse der ANKOM-Initiative. Hannover. Online: http://www.his.de/pdf/pub_fh/fh-201101.pdf  (31-05-2011).

WEITERER, B./ ACKER, C. (2011): Jobstarter Connect. Neue Qualität im Übergangssystem durch Ausbildungsbausteine. In: BWP - Berufsbildung in Wirtschaft und Praxis, 40, H. 01, 55-56.


Zitieren dieses Beitrages

DIETTRICH, A./ KÖHLMANN-ECKEL, C. (2011): Anforderungen und Konzepte der Gestaltung von Übergängen in der beruflichen Bildung. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 23, hrsg. v. FROMMBERGER, D./ DIETTRICH, A./ REINISCH, H., 1-16. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws23/diettrich_koehlmann-eckel_ws23-ht2011.pdf (26-09-2011).



Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

http://www.hochschultage-2011.de/