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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS29 - Hochschule
Herausgeber: Karl-Heinz Gerholz & Peter F. E. Sloane


Titel:
Übergänge in und aus Universität gestalten


Vom Studium in den Beruf – Erfahrungsberichte aus der unternehmerischen und universitären Praxis

Beitrag von Markus SCHÖNCKE & Udo STEINMETZ (Universität Paderborn & avitea GmbH Lippstadt)

1 Einbettung in den Workshop „Hochschule – Übergänge in und aus Universität gestalten“

Mit der Einführung konsekutiver Studiengänge an Universitäten ist auch eine Verschiebung des Bildungsauftrages von Universitäten zu konstatieren (vgl. GERHOLZ/ SLOANE 2008, Abstract). Universitäre Bildung soll sich u. a. verstärkt an zukünftigen beruflichen Handlungsfeldern orientieren und nimmt somit Formen einer berufsfeldorientierten Bildung an.

Diese Veränderungen führen auch dazu, den Übergang Hochschule – Arbeitswelt neu zu betrachten und nach Möglichkeiten der Gestaltung aus Sicht der Unternehmen und Universitäten zu fragen. Im Rahmen der Hochschultage 2011 „Übergänge in der Berufsbildung nachhaltig gestalten“ wurden im Workshop „Hochschule“ insgesamt drei Übergänge in die und aus der Universität fokussiert: Neben dem Übergang Schule – Universität und dem Übergang Bachelor – Master wurde in dem Workshop der Übergang Universität – Beruf fokussiert (vgl. GERHOLZ/ SLOANE 2011).

Die Vorbereitung der Studierenden auf zukünftige berufliche Handlungsfelder umschließt auch die Facette des Überganges von der Universität in die Arbeitswelt. Dabei ist zum einen zu fragen, welche Fähigkeiten aus Sicht der unternehmerischen Praxis für den Berufseinstieg benötigt werden und zum anderen, wie Universitäten den Übergang gestalten können. Beides wird in diesem Beitrag aufgenommen. Zu diesem Zweck werden im Folgenden zwei Erfahrungsberichte angeführt, die sich mit dem Übergang vom Studium in den Beruf befassen. Es handelt sich dabei um fallstudienhafte Darstellungen aus der unternehmerischen sowie universitären Perspektive, die weitestgehend auf wissenschaftliche Systematisierungen verzichten. Intention ist es vielmehr, exemplarische Bezüge aus der unternehmerischen (Abschnitt 2) und universitären Praxis (Abschnitt 3) aufzuzeigen. In Abschnitt 4 werden diese Bezüge zusammengeführt.

2 Erfahrungsbericht aus der unternehmerischen Praxis – oder ‚Die richtige Person zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle’

In dieser Zielformulierung finden sich die wesentlichen Parameter, die ein Unternehmen bei der Besetzung von Stellen zu erfüllen hat. Dies gilt besonders für den Bereich von Fach- und Führungskräften. Grundsätzlich zeigt die Erfahrung der vergangenen Jahre in den Personalplanungsprozessen – besonders vor dem Hintergrund der sehr einschneidenden Finanzkrise 2008/2009 – eine Verkürzung der wirksamen Planungsverbindlichkeit von Personalstellen. Der Planungshorizont ist dabei oftmals nicht länger als ein bis zwei Jahre verbindlich. Trotz der bekannten Auswirkungen, die sich aus dem demographischen Wandel und dem u. a. daraus erwachsenden Fachkräftebedarf ergeben, gibt es noch keine nachhaltige Fokussierung und Generierung längerfristiger Konzepte, die es ausreichend erscheinen lassen, diese Bedarfe decken zu können. Die zu beobachtende Verkürzung von Marktentwicklungen steht im Widerspruch zu den notwendigen Festlegungen im Rahmen der Ausbildung von Personal. Unterstützen Unternehmen beispielsweise Studierende während des Studiums, müssen sie sich auf bis zu fünf oder sechs Jahre festlegen. Die zeitliche Diskrepanz zwischen (kurzfristigeren) Marktentwicklungen und (langfristigerer) Personalbeschaffung (bzw. -entwicklung) ist fatal. Dieses wachsende „Investitionsrisiko“ und die sich im Fall der Personalbeschaffung negativ auswirkende Dienstleistungsmentalität führen zu höheren Anforderungen an das Recruiting, Stellen schneller und gleichzeitig passgenauer zu besetzen. Dabei ist das Recruiting letztlich „nur“ die operative Umsetzung des Personalbeschaffungsprozesses.

Im Rahmen dieses Beitrags werden nun exemplarisch folgende Aspekte vertieft: Zunächst werden Auswahlkriterien und deren Wertigkeit skizziert (Kapitel 2.1). Anschließend stehen Qualifikationsanforderungen und Kompetenzen im Fokus (Kapitel 2.2); dabei wird auch die Idee der Ableitung von zukünftig gesuchten Qualifikationen und Kompetenzen aus aktuellen Daten eines Produktbenchmarkings vor dem Hintergrund einer Vereinheitlichungstendenz diskutiert. Abschließend werden die entsprechenden Auswirkungen auf die Hochschulausbildung thematisiert und dabei auf Bachelor- bzw. Masterabschluss bezogen (Kapitel 2.3).

2.1 Auswahlkriterien und deren Wertigkeit

Die in der Einleitung beschriebenen Zusammenhänge bilden die Rahmenbedingungen, in denen der Beschaffungsprozess stattfindet. Um mögliche Antworten auf die Gestaltung von Übergängen aus der Universität in den Beruf zu finden, ist es daher notwendig, die Auswahlkriterien und deren Wertigkeit kurz darzustellen.

Die für eine Stelle wesentlichen Anforderungen werden ab einem gewissen Organisationsgrad in einer Stellenbeschreibung beschrieben. In einer Stellenbeschreibung werden die Aufgaben dieser Stelle schriftlich fixiert und dabei in Haupt- und Detailaufgaben unterteilt. In diesen Haupt- und Detailaufgaben sind fachliche und überfachliche Anforderungen festgehalten, woraus die Verantwortung abgeleitet und damit die Wertigkeit der Stelle fixiert wird. Dieser statische Prozess bildet heute die notwendige Basis für die Bewertung von Stellen, ist aber gleichzeitig kein geeignetes Instrument für die Beschreibung der sich stetig wandelnden Aufgaben. Besonders die Veränderung hin zu projektbezogenen interdisziplinären Teams hat zu einer Zunahme der überfachlichen Qualifikationsanforderungen geführt und damit eine fast gleichbedeutende Gewichtung erhalten. In der Herausforderung, die richtige Mitarbeiterin oder den richtigen Mitarbeiter zu finden, stellt ein relevantes unternehmensspezifisches Erfahrungswissen eine erfolgskritische Größe dar und kann als intuitive Entscheidungskomponente bezeichnet werden. Jedoch die größte Erfolgswahrscheinlichkeit entsteht in Kombination mit Testverfahren, z.B. Assessment-Centern und strukturierten Interviews.

Neben den personalpolitischen Herausforderungen, die richtige Wahl zu treffen, ist es bei gesuchten Qualifikationen grundsätzlich notwendig, diese Wahl überhaupt zu haben. So haben wir heute in den Ingenieurberufen einen ausgewiesenen Arbeitnehmermarkt – mehr Nachfrage seitens der Unternehmen als Angebot –, der sich künftig nicht wesentlich verändern wird.

2.2 Qualifikationsanforderungen und Kompetenzen – Tendenz zur Vereinheitlichung

Das Feld der Qualifikationsanforderungen ist heute im Wesentlichen über die Berufsbezeichnungen definiert, da das Unternehmen nach außen eine allgemeinverständliche Sprachregelung anwenden muss. Diese ist zwar zum einen eindeutig, hat dafür aber im Berufsalltag eine schwindende Relevanz. Es gibt eine Vielzahl von Berufsbildern, die sich jedoch in ihren inhaltlichen Aufgaben nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Wie schon zu den Stellenbeschreibungen bereits angemerkt, wird sowohl bei der Aufgabenbeschreibung als auch bei den Qualifikationsanforderungen nach einer Allgemeinbedeutung gesucht. Die tatsächlichen Profilanforderungen werden jedoch zunehmend komplexer. Diese Entwicklung mag zum Teil daher rühren, dass Wissen – auch Spezialistenwissen – mehr und mehr zugänglich wird. Heute geht es um die Kompetenzen, sich das benötigte Wissen aneignen zu können; auch interdisziplinäre Brücken gilt es zu meistern. Damit gewinnen überfachliche Kompetenzen mehr und mehr an Bedeutung. Eine konkrete Problemlösungsorientierung kann hier ebenso exemplarisch genannt werden wie die Notwendigkeit, „über den Tellerrand“ zu blicken und somit fachübergreifend zu denken und zu handeln. Beides wird aus Sicht der unternehmerischen Praxis zunehmend reklamiert. In diesem Zusammenhang gilt es zudem zu prüfen, inwieweit bereits gesammelte Erfahrungen nach wie vor eine größere Bedeutung haben als das zukünftige Potenzial dazu.

Der Tendenz zur Vereinheitlichung gilt es entgegenzuwirken, um die tatsächlich notwendigen Qualifikationsanforderungen und Kompetenzen beschreiben und notwendige Anforderungen an die Lehre stellen zu können. Ein möglicher Ansatz dazu mag das Produktbenchmarking sein. Im Rahmen eines Benchmarkings wird – grob gesagt – eine vergleichende Analyse hinsichtlich und anhand konkreter Kriterien durchgeführt. Bei einem Produktbenchmarking liegt der Fokus auf dem entsprechenden Produkt mit seinen Charakteristika wie Kosten, Nutzen oder Funktionalität. Auf Basis dieser produktbezogenen Informationen könnten personalspezifische Ableitungen gefunden werden, die eine bessere Zukunftsrelevanz abbilden als die bisherigen Instrumente. Im Idealfall ist eine Vorhersage zukünftig gesuchter Qualifikationen und Kompetenzen so weit im Voraus möglich, dass entsprechende personalpolitische Planungen und Umsetzungen realistisch sind. Ähnlich wird aus der Sicht der Wissenschaft argumentiert: „Die Aussagen über aktuell und zukünftig erforderliche Qualifikationen erweisen sich bisher als wenig konkret und eignen sich damit nur begrenzt als Orientierungspunkt für die Ausrichtung von hochschulischen Studiengang- und Modulentwicklungen. In der Folge müssten hieraus veränderte Formen der Erfassung des Qualifikationsbedarfs in Unternehmen durchgeführt werden“ (BUSCHFELD/ DILGER/ LILIENTHAL 2010, 71). Der mögliche Transfer bzw. die tatsächliche Ableitung der personalbezogenen Informationen aus produktspezifischen Daten ist alles andere als trivial. Ein entsprechendes Projekt wird jedoch von den Autoren zukünftig intensiviert und zudem wissenschaftlich begleitet. Konkreter Bezugspunkt ist dabei ein existierendes Softwaretool zum Produktbenchmarking im Bereich Automotive.

2.3 Auswirkung auf Bachelor- und Masterabschluss

Die Steigerung der Bedeutung von überfachlichen Kompetenzen im Beruf und damit auf die „Ausbildung“ der eigenen Persönlichkeit ist damit in Bezug auf die Frage von Bachelor- oder Masterabschlüssen nicht relevant. Es ist aus unternehmerischer Sicht fraglich, ob Studierende nach einem Bachelorabschluss – kombiniert mit anderen Entwicklungen wie der Verkürzung des Abiturs und der Abschaffung des Wehr- bzw. Zivildienstes – als deutlich jüngere Berufseinsteiger die notwendige Persönlichkeit bereits haben können.

Die Bachelor-Master-Diskussion wird somit auf eine andere Ebene gehoben. Beim Recruiting und damit beim Finden „der richtigen Person zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle“ ist es keine Frage von Bachelor oder Master; heute ist es noch mehr die Frage der Persönlichkeit! Unabhängig von Bachelor- oder Masterebene kann die universitäre Lehre einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung leisten. Zum Beispiel durch eine stärkere Fokussierung auf Interdisziplinarität und Teamarbeit kann die Ausbildung bzw. Entwicklung der Persönlichkeit begünstigt werden. Eine verstärkte Praxisorientierung des Studiums ist dabei ein vielversprechender Ansatz!

3 Erfahrungsbericht aus der universitären Praxis – oder ‚Praxisorientiertes Studium ist kein Mythos’

Häufig sehen sich Hochschulen und vor allem Universitäten dem Vorwurf ausgesetzt, das Studium sei nicht praxisorientiert (genug) (vgl. für die Perspektive der Unternehmen u. a. MERSCH/ SONNET 2009 und für die studentische Perspektive z. B. BRIEDIS 2007). Oft bleibt die Forderung so allgemein und unspezifisch, dass nicht deutlich wird, was genau unter einer Praxisorientierung gefasst wird. Soll sich das Studium stärker an praktischen Handlungen orientieren und/oder soll das Studium auf das Erfahren betrieblicher Lebensbereiche ausgerichtet sein? Der Erfahrungsbericht aus der unternehmerischen Perspektive beschreibt zunächst generelle Anforderungen, konkretisiert diese aber hinsichtlich des Zieles ‚Ausbildung von Persönlichkeit’ und nennt mit Interdisziplinarität und Teamarbeit konkrete Ansätze zur Gestaltung universitärer Lehre.

Der nun folgende Bericht aus der universitären Praxis stellt dazu einen exemplarischen – fallstudienhaften – Bericht aus der universitären Lehre dar. Dabei geht es insbesondere darum, wie universitäre Lehre Studierenden die Möglichkeit bietet, die (aus Sicht der Unternehmen geforderte) Persönlichkeit zu entwickeln. Dazu wird das Modul „Betriebliche Bildung“ mit seinen Ansätzen vorgeschlagen, Praxisorientierung durch theoriereflektierte Praxis intentional zu verfolgen. Denn Praxisorientierung im Studium gehört keinesfalls in das Reich der Phantasie bzw. Mythen.

3.1 Das Modul „Betriebliche Bildung“

Im Rahmen des Wahlpflicht‐Moduls der Profilierungsphase im Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften der Universität Paderborn haben die Studierenden die Möglichkeit, sich für verantwortlich planende, durchführende und evaluierende Tätigkeiten in betrieblichen Aus- und Weiterbildungsabteilungen zu qualifizieren (vgl. FAKULTÄT FÜR WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN 2011). Eingelöst wird die Forderung nach einer Verknüpfung theoretischer und praktischer Konzeptbestandteile durch die systematische Einbeziehung der Vorgaben der Ausbildereignungsverordnung (AEVO) und die Einbindung von Praxiselementen.

Theoriereflektierte Praxis ist ein deutliches Kennzeichen moderner innovativer Lehr‐ und Lernformen in hochschuldidaktischen Kontexten (vgl. BEUTNER/ SCHÖNCKE 2010). Das Modul „Betriebliche Bildung“ ist durchgängig nach diesem leitenden Prinzip konzipiert worden. Das Team um den Modulverantwortlichen hat ein didaktisches Design von besonderer Prägung entwickelt, indem verschiedene Praxiselemente bewusst über unterschiedliche Grade des Praxiskontaktes miteinander kombiniert werden. Praxisvorträge, Betriebsbesichtigungen, das Kooperationsprojekt „Ko:ProbAT“ und ein Betriebspraktikum werden strukturiert aufeinander aufbauend eingesetzt, um einen effektiven Theorie‐Praxis‐Transfer zu ermöglichen.

Exemplarisch werden in diesem Beitrag drei Alleinstellungsmerkmale des Moduls fokussiert: der sogenannte „AdA-Schein“ (Kapitel 3.1.1), das Praxisprojekt „Ko:ProbAT“ (Kapitel 3.1.2) und das Praktikum (Kapitel 3.1.3) (vgl. Abbildung).

 

Abb. 1: Alleinstellungsmerkmale des Moduls „Betriebliche Bildung“

3.1.1 Die Bescheinigung gemäß Ausbildereignungsverordnung

Mit Einrichtung des Moduls „Betriebliche Bildung“ im Wintersemester 2007/2008 wurde gemeinsam mit dem Zentrum für Berufsbildungsforschung der Universität Paderborn – dem „cevet“ – der Kontakt zur IHK Ostwestfalen zu Bielefeld und dem Bundesinstitut für Berufsbildung aufgebaut, um universitäre Lehre mit arbeitsmarktrelevanten Kompetenzen zu kombinieren und diese auch mit einem entsprechenden Zertifikat bestätigen zu lassen. Indem das Modulkonzept den Anforderungen der AEVO (§§ 27-33 BBiG) entspricht, können die Studierenden der darin grundgelegten „Ausbildung der Ausbilder“>nachkommen und neben dem regulären Modulabschluss mit den entsprechenden zehn ECTS zusätzlich noch das arbeitsmarktrelevante Zertifikat über die IHK Ostwestfalen zu Bielefeld erhalten. Neben dem Modul „Betriebliche Bildung“ sind das Modul „Kompetenzentwicklung“ sowie ein erfolgreicher Bachelorabschluss an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Paderborn nachzuweisen.

Das Modul leistet somit eine Doppelqualifizierung, indem universitäre Leistungen im Sinne eines berufsvorbereitenden Bachelorstudiums im Zuge des Bologna-Prozesses mit einem bedeutsamen betrieblichen Fortbildungsabschluss kombiniert werden. Das Modul orientiert sich bei der strukturellen Gestaltung an den Vorgaben der AEVO und gliedert sich entsprechend in vier Teilmodule: Teilmodul I „Grundlagen“, Teilmodul II „Vorberufliche Bildung“, Teilmodul III „Berufliche Erstausbildung“ und Teilmodul IV „Berufliche Weiterbildung“ (vgl. Abbildung).


Abb. 2:  Struktur des Moduls „Betriebliche Bildung“

3.1.2 Das Praxisprojekt „Ko:ProbAT“

„Ko:ProbAT“ steht für „Kooperationsprojekt: Problemlösungen für reale, offene, betriebliche Aufgabenstellungen und komplexe Tätigkeitsanforderungen in Personal- und Ausbildungskontexten“ (vgl. BEUTNER/ SCHÖNCKE 2010). Bei „Ko:ProbAT“ handelt es sich um eine innovative Kooperationsform zwischen dem Department Wirtschaftspädagogik und lokal bzw. regional ansässigen größeren mittelständischen und Großunternehmen, die überregional bzw. international in den Bereichen Industrie und Handel tätig sind. In den vergangenen Semestern wurden beispielsweise Kooperationsprojekte mit den Unternehmen Benteler AG, dSPACE GmbH, UNITY AG, Sparkasse Paderborn und Wincor Nixdorf International GmbH erfolgreich umgesetzt. Ziel von „Ko:ProbAT“ ist die Einbindung praktischer Lern- und Arbeitserfahrungen in den Studienkontext, um ein lebensnahes Szenario zu gestalten, in dem von Studierenden unter Rückgriff auf wirtschaftspädagogische sowie betriebswirtschaftliche Theorien und lerntheoretische Konzepte reale Problemstellungen der Praxis bearbeitet und gelöst werden.

In der Vorbereitungsphase auf das Modul entwickeln die Modulverantwortlichen gemeinsam mit Betriebsvertretern Beschreibungen und Aufgabenstellungen zu komplexen Problemsituationen, die aktuell im Personal- und Ausbildungsbereich des kooperierenden Unternehmens vorliegen. Vor dem Hintergrund der Eindrücke aus Praxisvorträgen und Betriebsbesichtigungen setzen die Studierenden anschließend eine theoretisch-gestalterische Aufgabe realitätsnah um. Dazu wird die Problemsituation zunächst von Betriebsvertretern in der Universität vorgestellt und anschließend mit den Studierenden diskutiert.

Im ersten Schritt analysieren die Studierenden in Kleingruppen von vier bis sechs Personen diese komplexen Problemstellungen und nehmen dabei Bezug auf die im Modul erlernten theoretischen Grundlagen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung. Die gestalterische Aufgabe der Studierenden besteht dann darin, ein Konzept zur Lösung dieses realen Problems im betrieblichen Bildungs- und Personalbereich des Unternehmens zu erarbeiten und theoretisch mit einer Dokumentation der dazu notwendigen Verfahrensweisen und Handlungen zu fundieren. In dieser umfangreichen, schriftlichen Handlungsdokumentation zeichnen die Studierenden die gruppeninternen Entscheidungs- und Arbeitsprozesse nach und reflektieren diese. Auf diese Weise wird dem Unternehmen eine mögliche Implementation bzw. Adaption der vorgestellten Konzepte erleichtert, die von den Unternehmen in den bisherigen „Ko:ProbAT“-Durchläufen auch regelmäßig vorgenommen werden.

Zu Semesterende erfolgt eine Abschlusspräsentation der Arbeitsergebnisse am Geschäftssitz des betrieblichen Kooperationspartners. Bei der Präsentation sind wesentliche Entscheidungsträger und Personen aus der operativen Ebene des jeweiligen Unternehmens sowie in der Regel auch ein Mitglied des Unternehmensvorstands anwesend. Die Diskussion der von den Studierendengruppen vorgestellten Vorschläge und Konzepte mit den Entscheidungsträgern des Unternehmens erhält im Rahmen dieser Veranstaltung einen ganz besonderen Stellenwert. Die Studierenden erleben damit eine Argumentations- und Beraterrolle, die ihnen ansonsten in der üblichen universitären Lehre verwehrt bleiben würde.

3.1.3 Das Praktikum

Ein weiteres Praxiselement bildet ein betriebliches Praktikum, das von den Studierenden im Rahmen des Moduls absolviert wird. Für BÖHM (1994) ist ein Praktikum eine „vorübergehende Versetzung in die Berufswirklichkeit“ (BÖHM 1994, 550). Die Organisation und Durchführung des Praktikums erfolgt selbstständig und eigenverantwortlich durch die Studierenden. Es gibt lediglich zwei Vorgaben, die bei der Wahl des Praktikumsplatzes von den Studierenden beachtet werden müssen: Zum einen muss das Praktikum einen Umfang von mindestens 80 Stunden haben. Eine Integration der nachzuweisenden 80 Stunden in ein längeres Praktikum ist möglich und wird den Studierenden auch als Option aufgezeigt. Zum anderen muss das Praktikum im Bereich Aus- und Weiterbildung stattfinden. Die Studierenden sollen so ein Tätigkeitsfeld der betrieblichen Bildung erkunden und sich so exemplarisch mit möglichen Berufsfeldern auseinandersetzen können. Als Praktikumsplätze kommen Aus- und Weiterbildungsbereiche in kleinen und mittelständischen Unternehmen ebenso in Betracht wie in Großunternehmen. Die Studierenden können das Praktikum auch in Unternehmen absolvieren, die sich auf Personalarbeit spezialisiert haben (wie z. B. Personaldienstleistungsunternehmen) oder in Bildungsträgern der beruflichen Aus- und Fortbildung, Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Verbänden und Kammern.

Für das Praktikum selbst erhalten die Studierenden eine Reflexionsvorgabe anhand verschiedener Perspektiven und Fragestellungen, die im anzufertigenden Praktikumsbericht zu berücksichtigen ist. Daneben wählen die Studierenden vor Beginn des Praktikums einen Fokus (sozusagen ein Ziel) für das Praktikum und haben dabei die Wahl zwischen drei Möglichkeiten: „Hospitation“, „Routine-Aufgaben“ und „Projekt“. „Hospitation“ bedeutet dabei das Kennenlernen des gesamten Tätigkeitsfeldes des Unternehmens. „Projekt“ bildet die Opposition zu „Hospitation“ und meint die Bearbeitung einer komplexen Problemstellung bezogen auf einen konkreten Ausschnitt eines Tätigkeitsfeldes des Unternehmens. „Routine-Aufgaben“ ist folglich der Kompromiss zwischen den beiden Extremen. Beide Extreme nähern sich gewissermaßen an und geben dafür einen Teil ihrer Charakteristik auf. Die Erledigung von kleineren Arbeitspaketen in einem Teilbereich des Unternehmens ist das Ergebnis. Diese Maßnahmen verfolgen das Ziel, ein strukturiertes Praktikum und nicht – wie sonst oft üblich – ein eher unstrukturiertes „Schnupper‐“ oder Orientierungspraktikum entstehen zu lassen.

3.2 Mögliche Nutzenbereiche und Grenzen der Fallstudie

Studierende, die das Modul „Betriebliche Bildung“ erfolgreich absolvieren, erzielen somit unterschiedliche Nutzenbereiche. Einerseits schreiten die Studierenden in ihrem Studium fort, sammeln zehn Leistungspunkte und können dies anhand des Bachelorzeugnisses dokumentieren. Andererseits bekommen Sie zusätzlich noch drei Zertifikate bzw. Nachweise: die Ausbildereignungsbescheinigung von der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, eine Bescheinigung über das Praxisprojekt „Ko:ProbAT“ von der Universität Paderborn und einen Praktikumsnachweis von der jeweiligen Praktikumsstätte. Relativierend muss festgehalten werden, dass keinesfalls eine „Zertifikatskultur“ gefördert werden soll; dennoch ist deren Signalwirkung nicht zu unterschätzen.

Auch wenn all dies an der Schwelle vom Studium in den Beruf Alleinstellungsmerkmale gegenüber anderen Absolventen sein können, ist ein (automatischer) Rücklauf auf die Entwicklung der (in Kapitel 2) geforderten Persönlichkeit der Studierenden nur bedingt möglich. Abschließend kann aber dennoch festgehalten werden, dass das Modul „Betriebliche Bildung“ den Studierenden viele Möglichkeiten bietet, sich berufsqualifizierend zu entwickeln. Allerdings stellt dieses Modul einen Sonderfall dar und kann nicht als repräsentativ bezeichnet werden.

Im nun folgenden Kapitel 4 werden die bisher isoliert betrachteten Gedanken zusammengeführt.

4  Zusammenführen der Gedanken

Im vorliegenden Beitrag wurde die Schnittstelle bzw. der Übergang vom Studium in den Beruf anhand von Erfahrungsberichten aus unternehmerischer und universitärer Praxis illustriert. Die zentralen Gedanken werden nun noch einmal stichpunktartig zusammengefasst:

  • Ein Hochschulabschluss spielt eine wichtige Rolle beim Einstieg in die Arbeitswelt. Aber noch entscheidender als ein Master- oder Bachelortitel ist die Persönlichkeit der Studierenden. Die unternehmerische Perspektive schlägt eine stärkere Praxisorientierung des Studiums kombiniert mit interdisziplinären und teamorientierten Elementen vor.

  • Die universitäre Lehre kann die Persönlichkeitsentwicklung bei den Studierenden nicht garantieren, aber hierfür die adäquaten Voraussetzungen schaffen. Theoriereflektierte Praxis als hochschuldidaktische Leitidee ist hierbei ein vielversprechender Ansatz. Grundsätzlich ist eine differenzierte Betrachtung der allgegenwärtigen Forderung nach einem Mehr an Praxis in der Universität notwendig.

In diesem Zusammenhang müsste zunächst geklärt werden, welche Aspekte für Praxis im Kontext Hochschule konstituierend sind. Einmal kann Praxis als Betrieb bzw. Unternehmen und damit als Lebensbereich außerhalb der Hochschule verstanden werden. Daneben kann aber auch ein praktisches Handeln im Sinne einer Anwendung von Wissen als Praxis gefasst werden. Pointiert formuliert geht es im ersten Fall um den Ort des Geschehens und im zweiten Fall um das Geschehen an diesem Ort. Eine Kommunikation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft kann hierfür den Grundstein legen und sollte daher u.E. gelebt und forciert werden.

Literatur

BEUTNER, M./ SCHÖNCKE, M. (2010): Projektskizze zu innovativen Lehr‐, Lern‐ und Kooperationsformen im Modul „Betriebliche Bildung“. Arbeitspapier.

BÖHM, W. (1994): Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart.

BRIEDIS, K. (2007): Übergänge und Erfahrungen nach dem Hochschulabschluss. Online: http://www.his.de/pdf/pub_fh/fh-200713.pdf  (15-04-2011).

BUSCHFELD, D./ DILGER, B./ LILIENTHAL, J. (2010): Forschungsorientiertes Lehren und Lernen in wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor-Studiengängen. In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 2, 63-86.

FAKULTÄT FÜR WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN DER UNIVERSITÄT PADERBORN (2011): Modulhandbuch der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Modul W2511 Betriebliche Bildung. Online: http://pbfb5www.uni-paderborn.de/www/fb5/public/ReadFromWebOnly/FakWW-Modulhandbuch.NSF/64ee0bbf4fb877a9c125708d007cc435/3a8d439afe45cb34c1256f4d002de5d9?OpenDocument  (15-04-2011).

GERHOLZ, K.-H./ SLOANE, P. F. E. (2011): Editorial zum Workshop 29 Hochschule – Übergänge in und aus Universität gestalten. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws29/gerholz_sloane_ws29-ht2011.pdf (in Vorbereitung).

GERHOLZ, K.-H./ SLOANE, P. F. E. (2008): Der Bolognaprozess aus curricularer und hochschuldidaktischer Perspektive – Eine Kontrastierung von beruflicher Bildung und Hochschulbildung auf der Bachelor-Stufe. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 14. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe14/gerholz_sloane_bwpat14.pdf (15-04-2011).

MERSCH, B./ SONNET, C. (2009): Vorteil für Reformer. Welche Hochschule bietet die beste Ausbildung? Welche versagt? Das neue Ranking von Junge Karriere zeigt, dass die praxisnahen Universitäten und Fachhochschulen, die sich den neuen Herausforderungen stellen, vorne liegen. In: Junge Karriere, Mai 2009, 76-85.


Zitieren dieses Beitrages

SCHÖNCKE, M./ STEINMETZ, U. (2011): Vom Studium in den Beruf – Erfahrungsberichte aus der unternehmerischen und universitären Praxis. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 29, hrsg. v. GERHOLZ, K.-H./ SLOANE, P.F.E, 1-10. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws29/schoencke_steinmetz_ws29-ht2011.pdf (26-09-2011).



Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

http://www.hochschultage-2011.de/