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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT09 - Ernährungswissenschaft
Herausgeberinnen: Barbara Fegebank & Doreen Forßbohm

Titel:
Stufen und Brüche auf Lernwegen im Gastgewerbe


Editorial zur Fachtagung 9: Stufen und Brüche auf Lernwegen im Gastgewerbe

Stufen, Übergänge und Brüche sind Charakteristika von Karrieren. So bewegen sich Aus- und Weiterbildungen, egal ob im dualen oder vollzeitschulischen System, stets in Spannungsfeldern zwischen Chancen und Begrenzungen, Entlastung und Belastung oder Selbst- und Fremdbestimmung.

Im Zentrum stehen hier Berufe und Laufbahnen im Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft, insbesondere jene im Gastgewerbe als einem Bereich der Ernährungswirtschaft.

„Beruf“ wird heute als erlernte Tätigkeit, als Ausbildungsabschluss (es wird hier direkt von Ausbildungsberufen gesprochen) oder als Arbeitskräftemuster aufgefasst und damit sowohl ökonomisch als auch pädagogisch und soziologisch untersucht. Bei KUTSCHA heißt es gar, dass Berufe rationale Zweckschöpfungen zur Erreichung politischer und wirtschaftlicher Ziele sind, womit der Prozess der Berufsentwicklung auch als ein politischer und strategischer gesehen wird (vgl. KUTSCHA 1994, 775). Das wird ebenfalls deutlich, wenn man nach der Begründung für die Einteilung in Berufsfelder und die Zuordnung der Berufe zu ihnen fragt; eine gewisse Willkürlichkeit – gerade auch aus der historischen Perspektive – kann hier nicht geleugnet werden.

Immerhin kann man sagen, dass sich im Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft zahlreiche Berufe finden, deren Gemeinsamkeit weniger die Ernährung selbst ist, sondern die Berufe sind ausgerichtet auf Lebensmittelproduktion, Lebensmittelbe- und -verarbeitung, Distribution, Lagerung und Verkauf der Lebensmittel, aber auch auf Dienstleistungen im Versorgungs- und Verpflegungsbereich, um nur das Wesentlichste zu nennen.

Diese eher wirtschaftlichen und politischen Orientierungen mit Blick auf Beruf und die Berufsbildung werden ergänzt durch pädagogische und soziale Perspektiven, indem zunächst die Frage nach vorhandenen Spielräumen und Entfaltungsmöglichkeiten von Absolventen/-innen innerhalb standardisierter Ausbildungen auf der Basis relativ stabiler Ausbildungsberufe gestellt wird.

Es folgen Darstellungen von Bildungswegen im Gastgewerbe, in denen exemplarisch Stufen und Übergänge von allgemeinbildenden Schulen in die berufliche Ausbildung, innerhalb des beruflichen Bildungssystems und der Berufstätigkeit thematisiert werden. Zur Diskussion gestellt werden weiterhin „Karrierebrüche“, die sowohl Verlust als auch Gewinn von Lebenschancen bedeuten können.

In ihrem Einführungsvortrag „Ausbildung im Gastgewerbe: Berufe neu denken!?“stellte Prof. Dr. Dr. BARBARA FEGEBANK von der Technischen Universität Dresden zunächst den Bezug zum Rahmenthema der 16. Hochschultage Berufliche Bildung her, indem sie die Debatte um die Bildungsgesellschaft, insbesondere mit neuen Konzeptionen um den Bildungsbegriff, die Subjektivierung und die erweiterte Bedeutungsdimension des Berufsbegriffes aufgreift.

Die Frage, ob sich solche Überlegungen auch in der Ernährungswirtschaft und der Neugestaltung ihrer Berufsgruppen und Berufe wiederfindet wird sodann in der Auseinandersetzung mit dem Berufsfeld und der Klassifikation der Berufe zu beantworten gesucht, wobei sich herausstellt, dass eine solche Frage schwer zu beantworten ist und andere Kriterien hinzuzuziehen sind, wenn bei Berufen und in der Berufsbildung von Individualisierung und Flexibilisierung gesprochen werden soll.

In einem Perspektivwechsel wird so zunächst das „Leben in Vielfalt“ und damit verbunden die subjektorientierte Berufstheorie in den Blick genommen, um dazu die Gedanken auf den „flexibilisierten Menschen“ zu richten. Hier stellt sich die Frage, ob der flexibilisierte Mensch durch flexible Bildungsgänge befördert wird und ob in besonderer Weise hier die neueren Vorschläge zur Übergangsgestaltung einen Beitrag leisten können. Auch die Beantwortung dieser Frage muss kritisch angegangen werden und lässt – wie sich herausstellt – noch einiges offen.

Schließlich wird der These von VOß gefolgt, der im Zuge des Wandels der Arbeit die Veränderung der grundlegenden Verfassung der Arbeitskraft in unserer Gesellschaft sieht und konstatiert, dass aus dem bisherigen „Arbeitnehmer“ eine Art Unternehmer – ein „Unternehmer der eigenen Arbeitskraft“ (2007, 60) wird. Konsequenzen für die Bildung sieht er in einem offenen Bildungssystem, dessen Kriterien – so zeigen viele reale aktuelle Bemühungen – schon im Einzelnen verwirklicht sind; aber die gewünschten Veränderungen können damit noch nicht herbeigeführt werden.

Das ist sicher nicht zuletzt darin zu begründen, dass mit all diesen Neurungen, Ideen und Paradigmenwechseln eine notwendige neue Didaktik nicht etabliert, noch nicht einmal gefordert wurde. Der Beitrag schließt mit dem Hinweis auf neuere Modellierungsversuche zur „Didaktik“ im Zusammenhang des bildungsbiografischen Denkens.

Der Beitrag „Übergänge in beruflichen Laufbahnen in der Hotellerie“ von M. A. THOMAS HESSE stellt die Übergänge in beruflichen Laufbahnen in der Hotellerie auf der Mesoebene dar. Dabei werden signifikante Übergänge thematisiert. Diese werden von der allgemeinbildenden Schule in die berufliche Ausbildung, von der Berufsausbildung in die Berufstätigkeit, von akademischen Ausbildungen in ein Unternehmen mit dem Ziel einer höheren Karrierestation sowie mit Übergängen auf beruflicher internationaler Ebene vorgestellt. Die Hotellerie und Gastronomie weist zudem einen leichten Trend eines akademischen Anspruches auf. Dennoch ist die Zahl der Fachkräfte mit einer Berufsausbildung um ein Vielfaches höher.

Was sind die Gründe, dass Quereinsteiger/innen mit einem akademischen Hintergrund den Weg in die Hotellerie und Gastronomie weniger suchen? Was sind Vorteile einer fachlich fundierten Berufsausbildung? Der Autor thematisiert schwerpunktmäßig die Übergänge auf der Basis seiner praktischen Erfahrungen in der Hotellerie, als ehemaliger Lehrer an einem Berufsschulzentrum für Gastgewerbe und seines Weges in die eigene akademische Laufbahn.

Schüler/innen, die z. T. ohne Schulabschluss und ohne eine Chance auf einen dualen Ausbildungsplatz eine Orientierungsphase durchlaufen, sind die Zielgruppe eines besonderen Projektes aus dem Schulalltag des Übergangssystems, welches in dem Beitrag „Eine Stufe beim Einstieg in das Berufsfeld Ernährung – Catering an der Emil-Fischer-Schule Berlin“ vorgestellt wird. StR Dipl.-Ing. FRANZ HORLACHER von der Technischen Universität Berlin gibt Einblicke in die Zielstellung sowie schulorganisatorische Einbindung, Planung und Durchführung der konkreten Maßnahme und bietet erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation. Aussagen über den sozialen Kontext der Teilnehmer/Innen sowie Verhaltensbeobachtungen und -veränderungen bezüglich der Kriterien der Ausbildungsfähigkeit und des persönlichen Ernährungsverhaltens stehen im Mittelpunkt der empirischen Forschung. Projektmerkmale nach BONZ (1999, 119ff.) werden als Maß für die fachdidaktische Einordnung angelegt. Im Resümee zieht der Autor eine insgesamt positive Bilanz unter Beachtung aufgetretener Probleme und bietet Lösungsansätze für sichtbar gewordene Defizite.

Dipl.-Berufspäd. BIRGIT PEUKER von der Technischen Universität Dresden legt in ihrem Beitrag „Der Fachraum ‚Lehrküche’ und seine Bedeutung für die Berufsorientierung“ den Fokus der Betrachtung auf die vorhandenen Ressourcen, insbesondere der Lehrküche, für die schulische Berufsorientierung an sächsischen Mittelschulen. Der Forschungsbedarf zu Fachräumen generell wird im Zusammenhang mit Berufsorientierung noch verstärkt seit außerschulische Kooperationsnetzwerke und Partnerschaften zwischen Betrieben, Mittelschulen und Beruflichen Schulzentren zwar aktuell als Lösung für die bekannten Probleme schulischer Berufsorientierung gelten, schulorganisatorisch jedoch Grenzen erreichen.
Als wichtige Vorarbeit leistet der Beitrag eine, in der einschlägigen Literatur weitestgehend ausgesparte Auseinandersetzung mit dem Begriff Fachraum. Mit einem Kombinationsansatz aus Theorien von DÜRCKHEIM, BOLNOW und MÜLLER zeigt die Autorin den Fachraum aus verschiedener Perspektive und führt diese mit vier Bedeutungsvarianten schulischer Berufsorientierung nach SCHUDY (2002, 10f.) zusammen. Das dabei entstehende neuartige Konstrukt dient der Demonstration des berufsorientierenden Potentials des Fachraumes Lehrküche für den Einzelnen bei geeigneter Inszenierung (vgl. GÖHLICH/ ZIRFAS 2007, 99) und setzt sich mit bestehenden rahmenorganisatorischen Defiziten auseinander.

Frau Dipl.-Berufspäd. KATJA KOBER (Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung, Technische Universität Dresden) setzt sich in ihrem Aufsatz mit dem „Transformationsprozess vom Dipl.-Ingenieurpädagogen für Lebensmitteltechnologie zum Höheren Lehramt an Berufsbildenden Schulen für Lebensmittel-, Ernährungs- und Hauswirtschaftswissenschaft“ auseinander. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die These, dass sich in dem hier rekonstruierten Übergang zwischen 1989 und 1992 „traditionelle“ Problematiken und Entwicklungstendenzen der Lehrerbildung für berufsbildende Schulen – auch für das heutige Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft – widerspiegeln. Exemplarisch verdeutlicht wird diese Ansicht an den Debatten um (1) die Ausbildung in nur einer Beruflichen Fachrichtung oder mit einem zusätzlichen Zweitfach, (2) die Schwerpunktsetzung und institutionelle Verortung der Beruflichen Fachrichtung sowie (3) die akademische Graduierung von Berufspädagogen.

Der thematisierte Übergang zwischen den zwei nationalen Bildungssystemen und der damit immanenten Lehrerbildung erfährt seine Verortung an der TU Dresden als einziger Ausbildungsstätte in der DDR für das hiesige Berufsfeld. Besonderes Interesse der Analyse erhält dabei das „Vakuum“ zwischen den nicht mehr und noch nicht geltenden Gesetzmäßigkeiten. Da dabei auf keine theoriebasierten Auseinandersetzungen oder zeitdiagnostischen Anstrengungen zurückgegriffen werden konnte, wurden Veröffentlichungen zur gesamten Berufsschullehrerbildung an der TU Dresden (z. B. GROTTKER/ PAHL/ SCHRAMM 1999), Studiendokumente, Korrespondenzen, Protokolle u. ä. Dokumente sowie narrative Interviews als Quellen genutzt. Diese mussten natürlich gemäß den methodischen Besonderheiten behandelt werden.

Im Studium der Quellen kristallisierte sich heraus, dass die Diskussionen um die o. g. Aspekte bis heute nicht abgeschlossen sind. Dieser Umstand demonstriert, dass der Transformationsprozess, in dem zwei völlig verschiedene Ausbildungskonzepte aufeinandertrafen, nicht nur historisch erörtert werden kann.

Der Beitrag „Vom Koch zum Lehrer – Eine Laufbahn in der Ernährungswirtschaft mit Stufen“ von Dr. DOREEN FORßBOHM (Technische Universität Dresden) setzt sich zunächst theoretisch mit dem Lebenslauf als soziale Institution in Anlehnung an KOHLI (1985, 2f.) und im Kontext eines Lebenslaufregimes auseinander. Dies auch vor dem Hintergrund sich abzeichnender Prozesse der Destandardisierung und Deregulierung hinsichtlich der Erwerbsbiographie im Sinne einer Erosion der Normalarbeitsverhältnisse bzw. der Normalerwerbsbiographie hin zum Patchworking des Erwerbslebens.

Ausgangspunkt der weiteren Ausführungen sind zwei Interviews mit Köchen, wobei der eine nunmehr als Lehrer an einem Dresdner Berufsschulzentrum tätig ist und der andere Interviewpartner das Lehramtsstudium in 12/2010 abgebrochen hat. An diesen soll gezeigt werden, dass das Individuum auf dem Weg vom Koch zum Lehrer zum Unternehmer seiner eigenen Karriere wird. Dabei stehen die Übergänge, und insbesondere die Gefühlsdynamik in diesen, im Zentrum des Interesses, denn das Problem der „Aggregation von einzelnen Übergängen und Sequenzen zu Gesamtverläufen“ (KOHLI 2003, 531) ist existent. Am Beispiel des Interviewpartners 1 wird basierend auf dem Phasen-Modell zur Gefühlsdynamik während eines Überganges von HOPSON und ADAMS (BUßHOFF 1999, 7f.) aufgezeigt, dass die Auseinandersetzung mit einer Verlusterfahrung die Möglichkeit einer (positiv wahrgenommenen) Veränderung bietet.

Ebenso bedeutsam ist auch – nach einer theoretischen Auseinandersetzung mit (beruflicher) Identität als aktive Konstruktion (ZOELCH/ THOMAS 2010, 94) die Frage nach dem Identifikationspotenzial des Berufes Koch (und des Berufes Lehrer). Letzteres vor dem Hintergrund der Identitätsarbeit als Möglichkeit der Identitätskonstruktion auf Basis der Grundbedingungen für eine solche nach KEUPP (1997, 19ff.) bei zunehmenden Flexibilisierungsanforderungen als Folge einer Krise des institutionalisierten Lebenslaufs.

Literatur

BOLLNOW, O. F. (1998): Mensch und Raum. Stuttgart.

BUßHOFF, L. (1999): Berufswahl mit Gefühl. Zur Funktion von Emotionen in beruflichen Übergängen. In: dvb-script. Schwerte.

DÜRCKHEIM, K. v. (1932): Untersuchungen zum gelebten Raum. Neue psychologische Studien. Bd. 6, H. 4. München.

GÖHLICH, M./ ZIRFAS, J. (2007): Lernen. Ein pädagogischer Grundbegriff. Stuttgart.

GROTTKER, D./ PAHL, J.-P./ SCHRAMM, B. (1999): Berufsschullehrerausbildung in Dresden – 75 Jahre im Rückblick. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden, H. 3, 13-17.

KEUPP, H. (1997): Diskursarena Identität: Lernprozesse in der Identitätsforschung. In: KEUPP, H./ HÖFER, R. (Hrsg.): Identitätsarbeit heute. Klassische und aktuelle Perspektiven der Identitätsforschung. Frankfurt/Main, 11-39.

KOHLI, M. (1985): Die Institutionalisierung des Lebenslaufs. Historische Befunde und theoretische Argumente. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 37, H. 1, 1-29.

KOHLI, M. (2003): Der institutionalisierte Lebenslauf: ein Blick zurück und nach vorn. In: ALLMENDINGER, J. (Hrsg.): Entstaatlichung und soziale Sicherheit. Verhandlungen des 31. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Leipzig 2002. Opladen, 525-545. Online: http://www.eui.eu/Documents/DepartmentsCentres/SPS/Profiles/Kohli/InstitutionalisierterLebenslauf.pdf  (25-01-2011).

KUTSCHA, G. (1994): Zur Professionalisierung des Berufspädagogen und Konsequenzen für das Studium der Lehrer und Lehrerinnen an beruflichen Schulen. In: Bildung und Beruf (Schriftenreihe des BLBS, Nachdruck aus: Die berufsbildende Schule 41,1989)12, 762-775).

MÜLLER, K. R. (1991): Bildungsraum. In: Grundlagen der Weiterbildung. Praxishilfen. Neuwied, 1-16.

SCHMIEL, M. (1978): Einführung in fachdidaktisches Denken. München.

SCHUDY, J. (2002): Berufsorientierung in der Schule. Grundlagen und Praxisbeispiele. Bad Heilbrunn.

VOß, G. (2007): Subjektivierung von Arbeit. Neue Anforderungen an Berufsorientierung und Berufsberatung oder: Welchen Beruf hat der Arbeitskraftunternehmer? In: BADER, R. u. a. (Hrsg.): Entwicklung unternehmerischer Kompetenz in der Berufsbildung. Bielefeld, 60-76.

ZOELCH, C./ THOMAS, J. (2010): Identitätsentwicklung im Spannungsfeld von Berufswahl, Ausbildung und Berufseintritt. In: KÖCK, M./ STEIN, M. (Hrsg.): Übergänge von der Schule in Ausbildung, Studium und Beruf. Voraussetzungen und Hilfestellungen. Bad Heilbrunn, 93-128.


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