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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT09 - Ernährungswissenschaft
Herausgeberinnen: Barbara Fegebank & Doreen Forßbohm

Titel:
Stufen und Brüche auf Lernwegen im Gastgewerbe


Der Fachraum „Lehrküche“ und seine Bedeutung für die Berufsorientierung

Beitrag von Birgit PEUKER (TU Dresden)

Abstract

Der Fachraum „Lehrküche“ mit seiner Einrichtung und Ausstattung wird zur Unterstützung des praktischen Unterrichts an sächsischen Mittelschulen im Fach WTH/Soziales genutzt. Unterschiede zum allgemeinen Unterrichtsraum sind auf den ersten Blick sichtbar, jedoch fehlt bislang die vollständige Auseinandersetzung mit einer umfassenden Betrachtung des Fachraumes an sich und seinen Möglichkeiten des Diskurses mit schulischen und außerschulischen Lernumgebungen. Schulische Berufsorientierung als ein an WTH/Soziales fest angekoppelter Bildungsauftrag zeichnet eine Schnittstelle zwischen Allgemeinbildung und Berufsbildung. Berufliche Handlungsorientierung als normierendes Prinzip in der Lehrküche kann der subjektiven beruflichen Persönlichkeitsentwicklung dienen, indem Praxis eingebunden wird in die arbeitsweltbezogene Allgemeinbildung. Die Lehrküche als inszenierter Fachraum erfährt so neben seiner privathaushälterischen Ausrichtung eine Öffnung zur Berufswelt.

1 Einführung

Die Bedeutung der Schule für den Prozess der Berufsfindung wurde in vergangenen Umfragen bei Schülern/-innen als relativ gering eingeschätzt. Der Stellenwert der Schule rangiert deutlich hinter dem Elternhaus, Bekannten, dem Betriebspraktikum, der Berufsberatung und der Peergroup. (SCHUDY 2002, 10f.; LAPPE/ KLEFFNER/ RAAB u. a. 1996) Die Gründe sind vielschichtig. Hieraus sollte aber kein genereller Akzeptanzverlust der Schule in Fragen der Berufsorientierung abgeleitet werden. Stattdessen müssen nach den Ursachen gefragt und die Möglichkeit ungenutzter Ressourcen in Erwägung gezogen werden.

Bei der Suche nach Ressourcen wurde in der Vergangenheit bereits häufig der Fokus auf den Lernort gelegt, in den 1990er Jahren wurde die Forderung laut nach der Öffnung der Schule und der Beteiligung außerschulischer Lernorte an der Unterrichtsgestaltung. Die Öffnung der Schulen nach außen und ihre enge Zusammenarbeit mit den regional anliegenden Unternehmen dient dem konkreten Realbezug der Lehre, führt jedoch die schulischen Beteiligten organisatorisch an ihre Grenzen. Zeitliche Rahmenbedingungen durch Stundentafel und Lehrpläne, strukturelle Herausforderungen wie die Jahrgangsgröße, aber auch Schwierigkeiten der Leistungsbeurteilung setzen den Möglichkeiten enge Grenzen und führen häufig dazu, dass außerschulische Aktionen einmalig, sporadisch oder nicht ausreichend vor- und nachbereitet werden. Zur Berufsorientierung als lebenslangem Prozess können diese Aktionen nur bedingt beitragen.

Der didaktischen Auseinandersetzung mit Fachräumen am Bildungsprozess wird in der Fachliteratur nur vereinzelt Aufmerksamkeit gewidmet, wohingegen der Klassenraum als Lernumgebung ausgiebig erforscht ist. Die Tendenz zur teilweisen unterstützenden Auslagerung der Berufsorientierung ließ den innerschulischen Lernort ins Abseits wissenschaftlicher Betrachtung rücken. Bei allen Bemühungen, Qualitätsstandards festzulegen und Schulen mit entsprechendem Profil auszuzeichnen, findet in diesem Kontext kaum die Auseinandersetzung mit den vorhandenen innerschulischen Möglichkeiten statt, die ein Praxisraum an organisatorischen und fachlichen Chancen für einen umfassenden Berufsorientierungsprozess bieten kann. So scheint es notwendig, den Fokus auf die räumliche Struktur der Schule zu lenken und eventuelle Ressourcen an dieser Stelle herauszuarbeiten. Dem Fachraum, exemplarisch der Lehrküche, soll an dieser Stelle auch deshalb die Aufmerksamkeit geschenkt werden, weil er ein Lernort der Praxis- und Handlungsorientierung ist und somit für den Übergang zur beruflichen Bildung geeignet scheint.

Exkurs Sachsen: Seit 1992/1993 gibt es in Sachsen die Mittelschule als weiterführende Schulart mit der Differenzierung in einen Haupt- und einen Realschulbildungsgang. Die Mittelschulen haben die Berufsorientierung als Bildungsauftrag in weiten Teilen einem Fach zugeordnet, das der Arbeitslehre ähnlich ist. Im Zeitraum 2003/2004 wurden die ehemaligen Profilfächer – diese waren Technik, Wirtschaft, Hauswirtschaft, Sprache, Musik und Sport – teilweise unter dem Profilfach WTH = Wirtschaft, Technik, Haushalt/ Soziales für die Klassen 7 bis 9 vereint. Die Klasse 10 des Realschulbildungsgangs löst das Fach WTH ab durch eine aus den Fachbereichen Wirtschaft, Technik, Gesundheit und Soziales zu wählende Vertiefungsrichtung. Die Lerninhalte des Unterrichtsfaches WTH ergeben sich aus der Vernetzung von Inhalten der Bereiche Wirtschaft, Technik, Haushalt/ Soziales unter übergreifender ökonomischer Betrachtungsweise. WTH steht für eine praxis- und handlungsorientierte Auseinandersetzung mit den Lerninhalten des Faches. Dabei ist zu ergänzen, dass die Berufsorientierung einen Schwerpunkt dieses Faches darstellt und sowohl im Lehrplan mit eigenen Lernbereichen vertreten ist, als auch in anderen Lerninhalten als Hinweis vermerkt ist. Die Lernbereiche Berufsorientierung I bis III in Klasse 8 bis 10 sind theoretisch verankerte, mit kognitiven Lernzielen formulierte Inhalte und geben Einblick in Bedingungen der Arbeitswelt, das Berufsbildungssystem, rechtliche Grundlagen, sie geben Zeitpläne vor zur Berufswahlentscheidung, dienen der Vor- und Nachbereitung der Praktika und informieren über Bildungswege und Zugangsvoraussetzungen.

2 Lehrküche als inszenierter Raum

Lehrküchen gehören an Mittelschulen zu den Fachkabinetten des Profilbereiches WTH. Als Fachräume sind sie im bestehenden Schulgebäudekomplex integrierte, spezifisch mehr oder weniger ideal nach den inhaltlichen und didaktischen Anforderungen ihres zugehörigen Unterrichtsfaches eingerichtete und ausgestattete Bildungsräume und dienen so im Gegensatz zu einfachen Unterrichtsräumen nicht nur als strukturelle Voraussetzung, sondern unterstützen den Unterricht sowohl als Medium als auch als Lerngegenstand. Angelehnt an DÜRCKHEIM, BOLLNOW und MÜLLER, aber weiterentwickelt und an die Erfordernisse dieses Forschungsinteresses angepasst, wird die Lehrküche im Folgenden als Bildungsraum aus verschiedener Perspektive wahrgenommen. Die äußere Betrachtungsperspektive richtet ihren Blick auf die Lehrküche als Realraum.

2.1  Außenperspektive – Der Realraum

Die äußere Betrachtungsperspektive ist ausgerichtet auf „die … leicht identifizierbaren Merkmale des Raumes, seine physikalische Repräsentanz.“ und kann als „objektive Wirklichkeit“ (MÜLLER 1991, 3f.) reflektiert werden. Die objektiven Merkmale eines Raumes sind seine unabhängigen Variablen und können nach BOLLNOW (1998,200ff.) in Merkmalsgruppen eingeteilt werden: Der Raumgestalt ordnen sich Größe, Zuschnitt, das Gebäude und seine Raumanordnung sowie die verwendeten Materialen unter, die Raumausstattung betrifft die Einrichtung und Ausstattung des Raumes, Farbe, Temperatur, Beleuchtung. Zum dritten gibt es neben Raumgestalt und Ausstattung das Merkmal von Stimmung/ Atmosphäre/ Klima in Räumen. Die Farbe, Temperatur und Licht nehmen direkten Einfluss auf die Aktivitäten des Wahrnehmenden. Nach DÜRCKHEIM (1932, 462) ist dieser Realraum ein „Zweckraum“ als „der einem möglichen Zweck zugeordnete funktionale Raum.“ Der Realraum bezeichnet den Raum Lehrküche also in seiner tatsächlichen Ausdehnung und Begrenzung. Den physikalischen Maßen Breite, Höhe und Tiefe sind unter anderem seine Anbindung an die anliegende Raumstruktur sowie seine Einrichtung und Ausstattung zuzuordnen. Die an die Lehrküche gestellten Anforderungen resultieren neben ihrer Funktion zunächst einmal organisatorischen, strukturellen und gesetzlichen Vorgaben, die dem Idealfall einer Neuplanung entsprechen. Im Regelfall müssen Abstriche und Kompromisse gemacht werden. Offizielle Standards für Lehrküchen an Mittelschulen gibt es nicht. Bei der Planung wird sich nach den Vorschriften, Richtlinien und Normen aus dem Bereich Schulbau in Sachsen gerichtet. Die Schule ist eine Arbeitsstätte im Sinne der Arbeitsstättenverordnung, davon sind auch Fachräume bzw. Lehrküchen nicht ausgenommen. Ihre Größe richtet sich nach den erforderlichen Maßen für die Einrichtung oder nach den baulichen Gegebenheiten. Mindestraumhöhe und Bewegungsraum am Arbeitsplatz werden neben den ergonomischen Anforderungen durch die geltenden gesetzlichen Regeln für Sicherheit und Gesundheitsschutz geregelt. Sie orientieren sich aktuell an der GUV-R 111 „Arbeiten in Küchenbetrieben“. „Diese GUV-Regel ist unter Berücksichtigung des Schulbetriebes sinngemäß auch auf Schulküchen und hauswirtschaftliche Lehrküchen anzuwenden.“ (GUV-R 111 2002, 10) Sicherheit und hygienerelevante Erfordernisse stehen den pädagogisch–didaktischen und fachlichen Anforderungen zur Seite. Dabei ist zu bemerken, dass die Hygiene wie auch die Sicherheit sowohl strukturelle Voraussetzung als auch Lerngegenstand sein sollten und somit ihre manchmal hemmende Wirkung verlieren. Die Form der Einrichtung und die Art der Ausstattung ergeben sich aus den räumlichen Parametern und der erwünschten Funktion. Ausstattungsempfehlungen für Schullehrküchen entsprechen historisch bedingt der idealtypischen Küchenausstattung des privaten Haushaltes. Die Ausstattungsanforderungen der Lehrküche dienen der fachpraktischen Unterrichtsgestaltung und sollten sich nach den Erfordernissen der Lehrplaninhalte und -ziele richten. Lehrpläne enthalten jedoch keine konkreten methodischen Vorgaben. Notwendige Arbeitsmittel sind somit nicht unmittelbar ersichtlich. Die für die fachpraktischen Ziele verwendeten Formulierungen drücken sich durch Fertigkeiten aus (z. B. laut Lehrplan in Klassenstufe 8, Lernbereich 2:Gestalten von vielseitigen und ausgewogenen Mahlzeiten), von denen Bedarfe an Unterrichtsmitteln für die praktische Umsetzung abgeleitet werden können. Im Gegensatz dazu werden die fachtheoretischen Ziele oftmals als Kenntnisse ausgedrückt. (vgl. SBL 1981, 15f.)

Die als Handbuch für Lehrkräfte herausgegebene GUV-SI 8042 „Lebensmittel und Textilverarbeitung“ gibt Hinweise auf „gegenwärtig drei gut erprobte Konzepte, die sich im Hinblick auf pädagogische, ergonomische und sicherheitsrelevante Aspekte voneinander grundlegend unterscheiden“ (GUV-SI 8042 1997, 5). Die Kojenküche, die Laborküche und die Lehrküche mit Gruppeninseln sind gängige Formen der Kücheneinrichtung. Die Konzepte unterscheiden sich in ihrer Arbeitsteiligkeit, Arbeitsgleichheit, der Zentralität von Arbeitsmitteln, Flexibilität in der Sozialform und erreichen bei Arbeitsplatzstudien unterschiedlich befriedigende Ergebnisse. WTH wird zumeist in zwei Gruppen unterrichtet. Nach den Vorgaben für die Klassenbildung durch die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK) für das Schuljahr 2010/2011 bedeutet dies derzeit in Sachsen eine Gruppenstärke von max. 14 Personen. In der Literatur werden häufig 16 Arbeitsplätze bzw. bzw. eine maximale Gruppengröße von vier Schülern/-innen pro Kochstelle empfohlen (vgl.: GUV-SI 8042 1997/ SBL 1981). Die bisherige Ausrichtung auf überwiegend privathauswirtschaftliche Tätigkeiten steht auf dem Prüfstand, wenn es um die Nutzung der Lehrküche für die Berufsorientierung geht. Empfehlungen gehen dahin, die Orientierung an Ausbildungswerkstätten der Berufsbildung auszurichten (DUISMANN/ FAST/ MEIER u. a. 2006, 7).

2.2    Innenperspektive – Der gestimmte Raum

Eine weitere Sicht auf den Fachraum ist die der Innenperspektive. Diese betrachtet die subjektive Wirkungsweise eines Raumes durch die Wahrnehmung des Nutzers und seinen Handlungszweck. Lernende und Lehrende als die vorherrschenden Akteure der Lehrküche unterscheiden sich in ihren Voraussetzungen, Erfahrungen und ihren Beweggründen für ihr Handeln. Wie jeder Unterrichtsraum sich von privaten Räumen unterscheidet, kommen hier die organisationsstrukturellen und hierarchischen Vorgaben und der Bildungsauftrag zum Tragen, die die Stimmung von Raum und Subjekt beeinflussen. Der Raum stimmt den Nutzer und umgekehrt. Die Wechselwirkung tritt sowohl zwischen Lehrküche und Lernenden als auch zwischen Lehrküche und Lehrenden auf, ist immer individuell und wird unter anderem durch die eingenommenen Rollen mitbestimmt. Das aus der Wahrnehmung resultierende Verhalten führt zum eigentlichen Handeln innerhalb eines persönlichen Raumes. Der persönliche Raum umschreibt die gedachte und vollzogene Nutzung des Raumes.

2.3   Vom Handlungsraum zum „Inszenierten Fachraum“

Der Bildungsraum wird über die Wahrnehmung zum Handlungsraum. Der Zweckraum unterscheidet sich vollkommen von dem Raum, der im Vollzug der Handlung durch das agierende Subjekt ein aktivierter Raum (vgl. BOLLNOW 1997, 202ff.; GIRMES 1999, 95) wird. „Von jedem konkreten Raum geht ein spürbarer Anspruch aus, sich seinem Sinn gemäß zu verhalten.“ (DÜRCKHEIM 1932, 307) Diese Auswirkung auf ein Subjekt zeigt die notwendige Verknüpfung des Realraums mit seiner Nutzerin bzw. seinem Nutzer und seinem entsprechenden Handlungszweck. Wenn dieser übereinstimmt mit der Funktion des Raumes, versetzt der Nutzer bzw. die Nutzerin den Raum in einen aktivierten Handlungsraum. Die Lehrküche hat also mit ihrer Einrichtung und Ausstattung einen Aufforderungscharakter an die Beteiligten, sich entsprechend zu verhalten. Fachräume haben entgegen dem meist offeneren Raumkonzept der Klassenräume einen stärkeren Anteil an der Unterrichtsstruktur und somit auch einen stringenteren Aufforderungscharakter. Dieser Aufforderungscharakter führt zu verschiedenen Wahrnehmungen und kann Motivation, aber genauso auch Hemmungen, durch Regeln und Unerfahrenheit auslösen. Die unterschiedlichen Akteure können beim gemeinsamen Handeln im Lehr-Lern-Verhältnis über den sozialen Kontext und seine Interaktion die Wahrnehmungen verändern. „ … ein nüchterner kühler Physikraum wird zu einem Ort spannender forschungsstrategischer Debatten.“ (GIRMES 1999, 98) Diese „Umkonzeption“ zeigt das Zusammenspiel von Realraum und persönlichem Raum mit den darin handelnden Individuen. Daraus resultiert nach GÖHLICH und ZIRFASS der „inszenierte Raum“ (GÖHLICH/ ZIRFAS 2007, 99).

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Abb. 1:   Die Lehrküche als inszenierter Fachraum für schulische Berufsorientierung (eigene Abbildung)

Legende: AB: Allgemeinbildung, BB: Berufsbildung, BO: Berufsorientierung

3   Schulische Berufsorientierung im inszenierten Raum

Kann die Lehrküche für die Berufsorientierung inszeniert werden? Zur Beantwortung der Frage, welche Anforderungen diesbezüglich an die Lehrküche gestellt werden, muss das schulische Aufgabenfeld genau abgesteckt werden, um die Lehrküche mehrperspektivisch auf diese Funktion hin zu überprüfen. Eine Forderung sollte lauten: Die Lehrküche muss auf die Berufsorientierung eingestimmt werden zum „gestimmten Raum“. Durch ihre Einbindung in den Lernort Schule und darüber hinaus durch die Einbindung in außerschulische Netzwerke ist ein übergeordnetes gesellschaftliches und schulisches Leitbild notwendig, um das Prinzip der beruflichen Ausrichtung in schulische und lebensweltliche Bereiche zu integrieren.

Ein berufsorientierendes Leitbild stellt die Weichen für eine Entgrenzung des zeitlichen, räumlichen und organisationalen Rahmens von Mittelschulen. Die zeitliche Ausdehnung muss über die gesamte Bildungslaufbahn erfolgen, das lebenslange Lernen ist Voraussetzung, um in der gewandelten Berufswelt weg von dem Normalbild des unbefristeten „Normalarbeitsverhältnisses“ hin zur „Multioptionsgesellschaft“ (vgl. GROSS 1994) zurechtzukommen. Mittelschulbildung muss weg von der Abschlussorientierung hin zur Anschlussorientierung und somit den Schwerpunkt des Bildungsweges verlagern. Damit wird der Abschluss ein Zwischenschritt. und es ergibt sich eine andere Handlungsleitung. Das allgemeinbildende Lernen wird zum Weiterlernen als Grundlage der eigenen Berufsbiographie. „Anschlussorientierung umfasst Anschlussplanung und -steuerung.“ (LUMPE 2002, 111) Dies erfordert „Planungskompetenz“(ebd.). Berufsorientierung erweitert den traditionell abgesteckten Bildungsrahmen und die Lernumgebung – der Fachraum Lehrküche öffnet sich. Berufsorientierung ist kein Anhängsel, sie integriert sich in das gesamte Unterrichtsgeschehen (BUTZ 2008, 61) und muss somit als übergeordnetes Leitbild mit dem Unterricht verzahnt sein. Ein ganzheitlicher Ansatz bedeutet die Überwindung von Fächergrenzen und Jahrgangsstufen und wird innerhalb des Lernstoffes aller Fächer berücksichtigt. Es muss stets die Frage nach den beruflichen Bezügen der fachlichen Inhalte gestellt werden. (DAMMER 1997, 52) Daneben ist die „Organisation als eigenständiger Unterrichtsbereich“ (DEDERING 2003) unabdingbar. Berufsorientierung muss als frühzeitig beginnender Prozess der ganzen Schule verstanden werden, individuell die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit der Jugendlichen zur Gestaltung ihrer eigenen Berufsbiographie fördern. (BUTZ 2008, 46) Das Leitbild muss vermitteln: Berufsorientierung muss integraler Bestandteil schulischer Bildung sein, die „Arbeitswelt als Bildungsgegenstand“ (RADEMACKER 2002, 67) in den Fokus rücken und vorhandene Ressourcen wie Fachräume müssen für eine gelungene Integration genutzt werden. In der Vergangenheit war der Widerstand der allgemeinbildenden Schulen für diesen Bildungsauftrag deutlich – es herrschte Spannung zwischen allgemein- und berufsbildenden Zuständigkeiten und Auffassungen. So ist der Auftrag der Berufsorientierung zwar akzeptiert, wird jedoch als zusätzlich und außerhalb der Allgemeinbildung empfunden. Ursache und Auswirkung davon ist die vorherrschende Unkenntnis über die didaktische und curriculare Umsetzung. Auch die Hilfestellung der Fortbildung wird als zu gering angesehen. (BIGGA 2001, 71) Durch neuere Initiativen wie das Qualitätssiegel Berufsorientierung sind Schulen vermehrt bemüht, dieses Prinzip als Leitbild in ihr Schulleben zu integrieren. Es bleibt jedoch ein Problem bei der Umsetzung in das praktische Handeln. Programmatik und Realität sind in Diskrepanz. (WENSIERSKI/ SCHÜTZLER/ SCHÜTT 2005, 51) Das zeigt eine Analyse der vom Freistaat Sachsen herausgegebenen Handreichung „Gestaltung von Berufsorientierung – Empfehlungen für Mittelschulen im Freistaat Sachsen“ (2002). Diese soll Schulen bei der Erarbeitung eines eigenen Konzeptes unterstützen und gibt unter anderem an, in welchen Fächern Berufsorientierung fächerübergreifend als Thema angesiedelt sein kann. Neben WTH als Fach mit dem eigenständigen Lernbereich Berufsorientierung werden Deutsch, Englisch, GK, Informatik und Ethik genannt. Die Naturwissenschaften fehlen. Berufsorientierung als schulisches Prinzip sieht anders aus… Hier wird ein weiterer wichtiger Punkt deutlich: Es besteht eine Diskrepanz im Verständnis von Berufsorientierung und deren schulischer Umsetzung. Um das Beziehungsgefüge zwischen Fachraum Lehrküche und Berufsorientierung darzustellen, scheint es notwendig, die schulischen Bedeutungsvarianten in ihren verschiedenen Einflussgrößen in das Modell aufzunehmen. Die auf das sich berufswahlorientierende Subjekt ausgerichteten Begriffsannäherungen verschiedener Autoren/-innen reichen für das Rollenverständnis der Schule nur unzureichend aus. So definieren FAMULLA/ BUTZ (2005): „Berufsorientierung ist ein lebenslanger Prozess der Annäherung und Abstimmung zwischen Interessen, Wünschen, Wissen und Können des Individuums auf der einen und Möglichkeiten, Bedarfen und Anforderungen der Arbeits- und Berufswelt auf der anderen Seite. Beide Seiten, und damit auch der Prozess der Berufsorientierung, sind sowohl von gesellschaftlichen Werten, Normen und Ansprüchen, die wiederum einem ständigen Wandel unterliegen, als auch den technologischen und sozialen Entwicklungen im Wirtschafts- und Beschäftigungssystem geprägt.“.

Differenzierter geht dagegen SCHUDY (2002, 10f.) vor. Er konkretisiert die Schulperspektive durch vier Bedeutungsvarianten von Schulischer Berufsorientierung.

  • Die Arbeitsweltbezogene Allgemeinbildung
  • Inhalte, Methoden und Sozialformen
  • Subjektive Berufsorientierung
  • Berufswahlvorbereitung

3.1   Arbeitsweltbezogene Allgemeinbildung

Arbeitswelt als weit gefasster Begriff verstanden, umfasst die Eigenarbeit (z. B. Hausarbeit), Gesellschaftsarbeit (z. B. freiwillige soziale Tätigkeiten) sowie die Erwerbsarbeit (durch den Tausch Geld gegen Ware). (vgl. DEDERING 2006, 217) Nach SCHUDY (vgl. 2002, 10f.) beinhaltet die arbeitsweltbezogene Allgemeinbildung die Auseinandersetzung mit den sozialen, ökonomischen und technischen Grundlagen der Arbeitswelt zum Ziel einer fundierten Handlungsfähigkeit. Fachpraktische Arbeit in der Lehrküche sollte eingebunden werden in ein „umfassendes arbeitsweltbezogenes Bildungssegment“ (ebd.) und nicht reduziert auf eine losgelöste Erfahrungsaufgabe, die – von theoretischen Berufsorientierungseinheiten abgekoppelt – nicht die berufliche Persönlichkeitsbildung entwickelt, sondern verengt auf das Herstellen eines Produktes ausgerichtet ist. (vgl. DEDERING 2000, 211f.) Die Lehrküche kann neben ihrer traditionellen privathauswirtschaftlichen Ausrichtung als inszenierter Raum für berufliche und gesellschaftliche Arbeit dienen, wenn sie in einem durch ein geeignetes Leitbild geförderten Lebensraum Schule eingebunden wird. Der geforderte lebensweltliche Bezug kann nur durch das ganzheitliche Verständnis von Arbeitswelt erfüllt werden und muss dagegen bei abstrakten Einzelaktionen als fragwürdig hingestellt werden. Die Lehrküche scheint als Fachraum geeignet, seine raumstrukturellen Begrenzungen zu überwinden und seine Ausdehnung durch Bezüge zur Lebenswelt, als sein berufsorientierendes Merkmal zu profilieren.

3.2   Inhalte, Methoden und Sozialform

Berufsorientierung der schulischen Inhalte, Methoden und Sozialformen bedeutet deren Anpassung an die sich wandelnden Anforderungen der Berufswelt. RADEMACKER (2002, 52) sieht die schulische Berufsorientierung nach wie vor stark an den akademischen Inhalten der Bezugswissenschaften für die Teilbereiche Technik, Wirtschaft und Haushalt gekoppelt und DEDERING (2004, 174) konstatiert: „ Berufliche Orientierung wird als sozio-ökonomisch-technische Grundbildung verstanden. In der Sekundarstufe I ist sie mit dem Lernfeld Arbeitslehre identisch.“ So stellt DEDERING (2002, 25f.) an anderer Stelle fest: „Die neuen Erkenntnisse zur Berufsorientierung haben jedoch kaum Eingang in die Lehrpläne gefunden. (…) Der vorgesehene Berufswahlunterricht ist nach wie vor stark auf die Vermittlung berufskundlicher Informationen ausgerichtet.“ Die Analyse des sächsischen Lehrplans für WTH bestätigt diese Aussage. Wird den Veränderungsprozessen in den beruflichen Tätigkeitsfeldern und dem damit verbundenen Wandel in den Qualifikationsanforderungen zwar Rechnung getragen, sind sie jedoch im rein fachtheoretischen Teil des Lernbereichs Berufsorientierung I untergebracht. Eine Integration und Verzahnung der Berufsorientierung mit dem anderen Unterricht findet nicht statt. Das zeigt die Loslösung der BO I – III als einzeln ausgewiesene Lernbereiche. BUTZ (2008, 55) stellt fest: „Die Verzahnung der Berufsorientierung bereitet nicht nur wegen der fehlenden Anerkennung der Berufsorientierung als Leitziel schulischen Unterrichts Schwierigkeiten, sondern auch auf Grund von Problemen auf organisatorischer Ebene.“ Die Möglichkeiten fächerübergreifender Ansätze sind sowohl durch die engen Stundentafeln als auch durch Probleme bei der Bewertung von Leistungen begrenzt. Minimalziel muss jedoch die Berücksichtigung der Berufsorientierung innerhalb der festgelegten Lehrplaninhalte sein. Aufgabenstellungen in Lehrküchen sind geeignet, situiertes Lernen mit fachwissenschaftlichen Inhalten zu kombinieren. Das Durchführen von vollständigen Handlungen unterstützt das Denken in Zusammenhängen, das Problemlösen und die Organisation, Planung, Durchführung und das Bewerten von Arbeitsaufträgen. Die traditionelle Ausrichtung auf den privathaushälterischen Gebrauch sollte keinesfalls abgeschafft, Überschneidungen mit der Berufswelt jedoch deutlich herausgestellt und genutzt werden. Der Transfer der berufsorientierenden Inhalte in die Lehrküche und das Verschmelzen von Theorie und Praxis im dortigen Handlungslernen sind obligat. Die Berufsorientierung unterstützende Unterrichtsmethoden sind den Schülern in doppelter Hinsicht nützlich. Zum einen dienen sie der Erkenntnisgewinnung des zu transportierenden Lehrinhalts und auf der anderen Seite werden sie selbst zum nicht zu vernachlässigenden Lerngegenstand für die Bewältigung beruflicher Arbeitsanforderungen. Unterrichtsmethoden müssen sich aktuell daran messen, wie stark sie in der Lage sind, Lernende zu aktivieren, selbständig und reflektiert den eigenen Bildungsprozess zu gestalten. Lernhandlungen sollen schüler- und handlungsorientiert sein, die Selbständigkeit fördern, Erfolge des eigenen Handelns und soziale Einbindung ermöglichen. Die ausgewählten Methoden sollen dabei variabel sein und eine Nutzung außerschulischer Lernorte einbeziehen und die Zusammenarbeit mit Unternehmen und weiteren Partnern für eine realitätsnahe Berufsorientierung und zur Steigerung von Unterrichtsqualität nutzen. Das situierte Lernen soll in einem ausgewogenen Verhältnis zum fachsystematischen Lernen stehen. Dabei soll das Denken in Modellen sowie in Zusammenhängen dem Entwickeln von Problemlösungen dienen. Provozierend kann in den Raum gestellt werden: Berufsorientierung kann es nicht geben ohne Handlungsorientierung als normierendes Prinzip. Das bedeutet die Ausrichtung auf die „Tätigkeiten, die vom einzelnen später gemeistert werden müssen“(SCHMIEL 1978, 57). Der Fachraum Lehrküche kann als berufsorientierender Handlungsraum inszeniert werden. Das praktische schülerzentrierte und handlungsorientierte Lernen an lebensweltlichen Themen ist die ureigenste Aufgabe der Lehrküche mit ihrer Funktion der praktischen Unterstützung des Unterrichts und der Ausrichtung auf zukünftige Lebensbewältigung.

Die Sozialformen sind den Erfordernissen an berufliche Teamarbeit und persönliche Individualität anzupassen. Sie finden Eingang sowohl im fachtheoretischen wie im fachpraktischen Unterricht. Der meist in klassischen Unterrichtsräumen möglichen Flexibilität in der Arbeitsplatzgestaltung stehen die bereits bei der Planung festgelegten Arbeitsplätze in der Lehrküche gegenüber. Die Entscheidung für eine bestimmte Küchenform ist neben didaktischen sehr stark von finanziellen, baulichen und schulorganisatorischen Voraussetzungen abhängig und wird längerfristig festgelegt in ihrer Art bestehen bleiben. Auf diese Weise sind diesbezügliche Erkenntnisse und Weiterentwicklungen in der Unterrichtsforschung nicht zeitnah umzusetzen und ein Probieren oder Wechseln der Sozialformen ist bei den meisten Küchenformen nur erschwert oder gar nicht möglich. Ein genereller Wechsel der typischen Küchenform wurde in den 1970er Jahren von GROCHOLL didaktisch begründet und in der Folgezeit vielfach umgesetzt. Sie propagierte vor dem Hintergrund veränderter Lebensweisen im Haushalt (Singlehaushalte, Abkehr vom Mehrgenerationenhaushalt und dem Selbstversorgerhaushalt) den Übergang von der Gruppenarbeit in Kojenküchen zu Einzelarbeitsplätzen. (vgl. GROCHOLL 1981, 13f.) Aus heutiger berufsorientierender Perspektive sollte dagegen die Flexibilisierung gefördert werden und einer Küchenform der Vorzug gegeben werden, die mehrere Sozialformen kombiniert. Kochinseln stehen hier zur Diskussion. Je nach Einsatzmethode dienen sie den verschiedenen Sozialformen. Individuelle Einzelarbeit ist ebenso durchführbar wie Partner- oder Gruppenarbeit. Sie entsprechen der beruflichen Forderung nach Teamfähigkeit. So ermöglichen sie auch bei Einzelarbeiten die Kooperation zwischen den Lernenden bei notwendige Vor- und Nacharbeiten sowie für die Koordination und Planung des Einsatzes von Arbeitsmitteln, die nicht an jedem Arbeitsplatz vorhanden sind. Der erhöhte Platzbedarf je Kochinsel kann jedoch die Umsetzbarkeit begrenzen.

Unterrichtsinhalte, -methoden und -sozialformen dienen in der Lehrküche neben der Vermittlung von Basiswissen auch der inneren Differenzierung, um zum einen den individuellen Lernvoraussetzungen und der Leistungsentwicklung gerecht zu werden und um zum anderen Interessen und Neigungen zu sondieren. In sächsischen Mittelschulen wird dieses mit Einsatz der Lehrküche durch spezifische Angebote von Neigungskursen oder in der Vertiefungsrichtung Gesundheit und Soziales gefördert. Die Individualität der sich orientierenden bzw. der durch die Schule zu orientierende Person deutet bereits die dritte Bedeutung der schulischen Berufsorientierung an.

3.3   Subjektive Berufsorientierung

 Subjektive Berufsorientierung zielt also auf die „Eigenschaft und Haltung, … Arbeit und Beruf als maßgebliches Element im individuellen Lebensentwurf zu berücksichtigen.“ (SCHUDY 2002, 9) Dabei kann „angesichts der Pluralisierung von Lebensstilen sowie von Bedürfnis- und Werteorientierung“(ebd.) von keiner Selbstverständlichkeit ausgegangen werden.
Die Schule als Lebensraum inklusive der Lehrküche kann hierzu über ihr Leitbild und dem dauerhaften Prozess als „gestimmter Raum“ (BOLLNOW 1997, 230f.) auf die darin handelnden Subjekte einwirken, wenn die Differenzierung und Angebotsvielfalt dieses hergibt. Der familiäre und private Einfluss auf Einstellungen und Erwartungen ist hierbei allerdings eine nicht zu vernachlässigende Größe und die in der Einführung angemerkten Ergebnisse der Umfragen bei Lernenden deuten in ihrem Ergebnis auf die Einflussschwäche der Schule in diesem Sektor hin. Begrenzter zeitlicher Umfang, zu große Gruppenstärken, Personalengpass und diesbezüglich an die fachlichen Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßende Fachlehrer/-innen sind mögliche Ursachen.

3.4   Berufswahlorientierung

Die Berufswahlvorbereitung ist die in der Diskussion gängigste Bedeutungsvariante und drückt eine klare Forderung aus, was Schule leisten muss. „Schulische Berufsorientierung zielt ihr zufolge auf die Aneignung von Kenntnissen, Erkenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen sollen, eine rationale, d. h. zwischen subjektiven Interessen und Voraussetzungen sowie objektiven aktuellen und – so weit vorhersehbar – zukünftigen Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarktbedingungen vermittelnde Entscheidung für einen Start- bzw. Erstberuf zu treffen. (SCHUDY 2002, 9). Aus berufsbildender Perspektive hat die Mittelschule die Aufgabe, jeder Absolventin und jedem Absolventen Mindeststandards für die Aufnahme einer Berufsausbildung zu ermöglichen. Dabei kann nach dem Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland (2009, 7)in Ausbildungsreife, berufliche Eignung und Vermittelbarkeit unterschieden werden. Merkmale der Ausbildungsreife sind allgemeine Anforderungen der Wirtschaft an die Bildungs- und Arbeitsfähigkeit der Schulabgänger bei Übertritt in das Berufsleben. Das Erlangen der Ausbildungsreife ist dabei ein individueller Prozess, deren Erreichen nicht immer unmittelbar zu dem Zeitpunkt des Schulabschlusses, sondern auch darüber hinaus möglich ist.

Der inszenierte Fachraum Lehrküche kann die Ausprägung der verschiedensten Merkmalsbereiche der Ausbildungsreife unterstützen. Dies zeigt ein Abgleich von förderlichen Kompetenzen möglicher Handlungssituationen in der Lehrküche mit geforderten Reifezeichen (vgl. Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland 2009, 17ff.) . Die hohe Übereinstimmung, beispielsweise in der Förderung der schulischen Basiskompetenzen, der persönlichen Entwicklung von Arbeitsverhalten und physischer und psycho-sozialer Stabilität verdeutlicht die Relevanz der Fachraumarbeit für die Ausbildungsreife.

Handlungslernen in der Lehrküche kann also unabhängig von der späteren Berufswahl zur beruflichen Persönlichkeitsentwicklung beitragen. Der Fachraum mit seinem Aufforderungscharakter kann in seiner Gesamtheit die Voraussetzung schaffen für die allgemeine, kognitive, motorische und emotionale Reifung. Die stattfindenden berufsorientierenden Maßnahmen betreffen alle Lernenden, sind im allgemeinen Ablauf des WTH-Unterrichtes integriert und somit günstig in die schulorganisatorischen Voraussetzungen eingebunden. Die spätere Differenzierung in Interessensgruppen findet in der Vertiefungsrichtung statt und deren Wahl sollte durch Motivation die persönliche Bereitschaft fördern, an der eigenen Berufsbiographie weiter zu arbeiten. Die Ausbildungsreife kann in jedem Fachraum und jeder Vertiefungsrichtung gefördert werden.

Berufliche Eignung bezeichnet die konkrete Übereinstimmung der persönlichen Merkmale mit denen des zukünftigen Ausbildungsberufes. Berufe des Berufsfeldes Ernährung und Hauswirtschaft und darüber hinaus alle Berufe, die den beruflichen Lernort Küche beinhalten, können nicht in ihrer Realität in der Lehrküche simuliert werden. Schulpraktika, Betriebserkundungen und andere außerschulische Maßnahmen sind für das Kennenlernen von Arbeitswelt und Berufsbild trotz Defiziten besser geeignet. Lehrküchen können jedoch eingesetzt werden, um Defizite außerschulischer Lernorte auszugleichen. Berufsbilder können über typische Arbeitssituationen und darin enthaltener Aufgaben kennengelernt werden. Betriebserkundungen, die meist keine einzelnen Berufe, sondern Betriebsabläufe vorstellen und Praktika, die selten vollständige Handlung ermöglichen, können durch den Lernort Lehrküche ergänzt werden. Außerschulische Experten/-innen aus berufsbildenden Schulen oder aus der „Wirtschaft“ können die Lehrküche ansatzweise zu einem professionellen Arbeitsraum stimmen und bei den Lernenden Interesse oder Abneigung hervorrufen. Das Kennenlernen der eigenen Interessen (durch Feststellung von Fähigkeiten und Schwächen) kann durch das eigene Tun gefördert werden. Die Lehrküche kann somit eingesetzt werden, kooperativ Berufsbilder vorzustellen und gezielt für diese persönliche Einstellungen zu erzeugen. Außerdem kann in ihr den Schülern/-innen durch eigene Handlungen und deren Eigen- und Fremdauswertung das Reflektieren persönlicher Stärken und Schwächen ermöglicht werden. Dieses muss nicht unbedingt auf der Grundlage des speziellen Berufswunsches erfolgen, ähnliche Kompetenzanforderungen können zusammengefasst werden, müssen jedoch dem Lernenden deutlich gemacht werden.

Vermittelbarkeit beschreibt das Merkmal des Berufsstarts ohne erschwerende oder behindernde Einschränkungen markt-, betriebs-, branchenabhängiger oder persönlicher Art. Die Einbindung der Schule in regionale Netzwerke (z. B. innerhalb der Landesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT Sachsen) kann über das Leitbild auch auf die Nutzung der Lehrküche ausstrahlen und diese in das entsprechende Konzept integrieren. Einzelbeispiele gibt es, eine nachhaltige Etablierung wird von allen Beteiligten als sinnvoll erachtet und angestrebt. Initiativen zwischen Betrieben, Berufsschulzentren und Mittelschulen dienen außerdem dazu, den Nachwuchs in der Region zu sichern, Facharbeitermangel entgegenzuwirken und Abwanderungen entgegenzutreten.

4  Fazit

Die Bedeutungsvarianten der Berufsorientierung können mit dem inszenierten Fachraum Lehrküche in Verbindung gebracht werden, wenn das übergeordnete Leitbild der Schule die Integration der Berufsorientierung in den Lebensraum Schule mit seiner Anbindung an das gesellschaftliche Leben konsequent vollzieht. Die arbeitsweltliche Orientierung muss natürlicher Bestandteil der lebensweltlichen Orientierung der Lernenden werden und der berufsbildende Praxisunterricht in der Lehrküche dem normierenden Prinzip der Handlungsorientierung folgen. Berufswahlorientierung kann über vollständige Handlungen im gesamtschulischen Kontext erreicht werden. Dieser Tatbestand ist nicht neu, ihre Umsetzung muss forciert werden. Der Öffnung der Schule nach außen muss endlich die konsequente fächerverbindende und fächerübergreifende Orientierung folgen, um zeitliche und organisatorische Engpässe zu überwinden und die dafür vermuteten Ressourcen zu nutzen. Da der Realraum Lehrküche durch seine Profilierung in Einrichtung und Ausstattung einen stärkeren Einfluss auf den inszenierten Raum auszustrahlen scheint als ein allgemeines Klassenzimmer, sollte dieses bei berufsorientierendem Unterricht genutzt werden, und bei einer Neuplanungen und Überarbeitung sollte eine Orientierung auch an beruflichen bzw. berufsbildenden Fachräumen angestrebt werden. Arbeitsweltliche Orientierung kann wohl nur bewältigt werden, wenn darauf ausgerichtete Handlungsräume existieren. Ein Bewusstsein für die Möglichkeiten der Inszenierung von Fachräumen sollte ausgeprägt werden und sich auf die Raumplanung, die Lehrerbildung und den Unterricht auswirken.

Offene Fragen bleiben natürlich, vor allem bezüglich der Qualifikation der zuständigen Lehrkräfte und dem Spagat der Schulen zwischen Gleichbehandlung und Individualisierung.

Literatur

BIGGA, R. (2001): Jugend ohne ARBEIT(s)LEHRE. Bilanz und Perspektiven schulischer Berufsorientierung. In: SCHUDY, J. (Hrsg.): Arbeitslehre 2001. Bilanzen – Initiativen – Perspektiven. Hohengehren, 65-73.

BOLLNOW, O. F. (1998): Mensch und Raum. Stuttgart.

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Zitieren dieses Beitrages

PEUKER, B. (2011): Der Fachraum „Lehrküche“ und seine Bedeutung für die Berufsorientierung. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 09, hrsg. v. FEGEBANK, B./ FORßBOHM, D., 1-15. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft09/peuker_ft09-ht2011.pdf (26-09-2011).



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