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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT10 - Gesundheit
Herausgeber: Mathias Bonse-Rohmann & Ulrike Weyland

Titel:
Übergänge in den Gesundheitsfachberufen und deren Lehrerbildung ermöglichen – Potentiale erkennen und fördern


Editorial zur Fachtagung 10: Gesundheit im Rahmen der 16. Hochschultage Berufliche Bildung 2011

Die Fachtagung Gesundheit (FT 10) hat sich mit dem Thema „Übergänge in den Gesundheitsfachberufen und deren Lehrerbildung ermöglichen – Potenziale erkennen und fördern“ eng am Rahmenthema der Hochschultage Berufliche Bildung 2011 orientiert. Dies begründet sich angesichts der bildungsrechtlich und -organisatorisch sehr heterogenen Bereiche der beruflichen Bildung der Gesundheitsfachberufe und auch angesichts deren parallel zunehmender grundständiger Akademisierung, die durch eine enorme Vielzahl von Übergängen und Neustrukturierungen gekennzeichnet sind.

Betroffen sind davon auch grundlegende Fragen der Lehrerbildung, da auch hier parallele Systeme der Lehrerbildung einerseits an Universitäten für den Bereich der öffentlichen berufsbildenden Schulen und andererseits an (Fach-)Hochschulen für den Bereich der Schulen des Gesundheitswesens existieren, für die mögliche Übergänge allerdings bislang kaum erkennbar sind.

Im Sinne einer hier besonders angezeigten Perspektivenvielfalt wurden in der Fachtagung Gesundheit deshalb drei thematische Schwerpunkte gebildet, die den aktuellen Entwicklungen und möglichen Übergängen in den Gesundheitsfachberufen nach BBiG, den nach Berufszulassungsgesetzen außerhalb des BBiG geregelten Gesundheitsfachberufen und den Bereichen der entsprechenden Lehrerbildung gewidmet wurden. Dabei ging es jedoch längst nicht nur um Besonderheiten innerhalb der heterogenen Bereiche der beruflichen Bildung in den Gesundheitsberufen, sondern insbesondere auch um Perspektiven und reale Angebote einer vertikalen Durchlässigkeit, d. h. um die Identifizierung von Übergängen von der beruflichen in die hochschulische Bildung.

Die Fachtagung Gesundheit wurde entsprechend dieser gewählten thematischen Breite von insgesamt ca. 50 Teilnehmern/-innen und mehreren Referenten/-innen aus den Bereichen der einschlägigen Berufsverbände der Gesundheitsfachberufe und Ärzte- bzw. Zahnärztekammern, von Experten/-innen verschiedener Hochschulen, von Lehrkräften beruflicher Schulen, einer größeren Anzahl von Referendaren/-innen der beruflichen Fachrichtung Gesundheit und von Studierenden unterschiedlicher lehrerbildender Studiengänge mehrerer Universitäten und (Fach-) Hochschulen besucht. Die Diskussion sowohl mit den für die Fachtagung gewonnenen Experten/-innen als auch unter den Teilnehmern/-innen wurde durch  interaktive Formate innerhalb der Fachtagung gefördert.

Aus den insgesamt neun Beiträgen zur Fachtagung Gesundheit, die im Einzelnen im Programm der 16. Hochschultage Berufliche Bildung dokumentiert sind, sollen im Folgenden vier eingereichte Beiträge kurz vorgestellt werden, wobei diese sich mehrheitlich auf die besonders dynamischen Entwicklungen im Bereich der therapeutischen Gesundheitsfachberufe beziehen und durch einen Beitrag zur Berufsentwicklung im Bereich der nach BBiG geregelten Gesundheitsfachberufe ergänzt werden.

Der Beitrag von URSULA WALKENHORST (Hochschule für Gesundheit, Bochum) beschäftigt sich mit der Akademisierung der therapeutischen Gesundheitsfachberufe vor dem Hintergrund aktueller und künftiger Herausforderungen des Gesundheitssystems. Dabei werden quantitative wie insbesondere auch qualitative Anforderungen einer gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung diskutiert, um einen entsprechenden Qualifikationsbedarf der therapeutischen Gesundheitsfachberufe zu begründen. Dieser Qualifikationsbedarf wird allerdings nicht ausschließlich  in einer zunehmend bedeutsameren Akademisierung therapeutischer Gesundheitsfachberufe erkannt, sondern auch in Richtung einer interdisziplinären bzw. interprofessionellen Kooperation der Gesundheitsberufe ausgeweitet. Die rasanten Entwicklungen und der Stand der Akademisierung in den therapeutischen Gesundheitsberufen werden auf internationaler und nationaler Ebene analysiert, um zusammenfassend festzustellen, dass die äußerst heterogene Studienlandschaft angesichts nicht eindeutig zu definierender Qualitäts- und Qualifikationsprofile inzwischen selbst für Experten insbesondere hinsichtlich der unterschiedlichen Kompetenzprofile der Absolventen/-innen nur noch schwer zu überblicken ist. Vor diesem Hintergrund werden die therapeutischen Gesundheitsfachberufe unter unterschiedlichen Perspektiven hinsichtlich der erforderlichen Übergänge reflektiert und entsprechende Herausforderungen und Chancen der Transitionsprozesse beleuchtet. Da die Fragen zu den spezifischen Kompetenzen und Aufgaben von Berufsfachschulabsolventen/-innen gegenüber denen von Bachelorabsolventen/-innen noch nicht abschließend zu beantworten sind bzw. entsprechende empirische Befunde aktuell noch weitgehend fehlen, wird abschließend eine Vision zu den therapeutischen Gesundheitsfachberufen und deren Beitrag zu einer hohen gesundheitlichen Versorgungsqualität im Jahr 2020 skizziert.

MONIKA RAUSCH (Europäische Fachhochschule, Rostock) fokussiert ihren Beitrag auf die Potentiale und Chancen der Logopädie und stellt zu diesem therapeutischen Gesundheitsfachberuf die Frage, wie Übergänge von der bislang dominierenden beruflichen in die aktuell und zukünftig expandierende hochschulische Bildung gestaltet werden können. Dazu wird eine  begriffliche Einordnung der gesetzlich geschützten Berufsbezeichnung ‘Logopädin/Logopäde‘ vorgenommen und mit dem abrechnungsfähigen Heilmittel ‘Sprachtherapie‘ in Verbindung gesetzt, um die weitere Diskussion unter der Schrägstrichbezeichnung ‘Logopädie/Sprachtherapie‘ zu führen. Die parallel bestehenden und mehr oder minder konkurrierenden beruflichen und ersten akademischen Abschlüsse führen über unterschiedliche Wege zu einer Zulassung auf dem Arbeitsmarkt, wobei für die Wahl des Bildungsweges bislang vor allem die unterschiedlichen allgemein bildenden Abschlüsse bedeutsam für den Zugang zur Hochschule waren. Hinsichtlich der Zahlen bzw. der Bildungsstatistik liegen für die Logopäden/-innen und Sprachtherapeuten/-innen nur unsichere Daten und Schätzungen vor – dies gilt in ähnlicher Weise für die in den letzten Jahren deutlich zunehmenden Studienangebote insbesondere der (Fach-)Hochschulen und deren unterschiedliche Spezifität im Hinblick auf die Logopädie/Sprachtherapie. Jenseits der methodisch bislang unzureichend abgesicherten Daten werden eher hypothetisch die besonderen Chancen und Potenziale der Logopädie/Sprachtherapie, die de facto sowohl in der beruflichen als auch in der hochschulischen Bildung verortet sind, insofern hoch eingeschätzt, als hier ein besonderes Interesse bei Bewerbern mit höheren Bildungsabschlüssen und zugleich höhere und auch quantitativ zunehmende Anforderungen in der Gesundheitsversorgung zu erwarten sind. Wegen der besonderen Entwicklungen der beruflichen Bildung und der dynamischen Akademisierung im Bereich in der Logopädie/Sprachtherapie werden diese als sehr wegweisendes Thema der Berufsbildungsforschung markiert.

Der Beitrag von BEATE KLEMME (Fachhochschule Bielefeld) wird als Plädoyer für eine Akademisierung der Lehrerbildung für therapeutische Berufe ausgewiesen und setzt damit stärker auf eine Fundierung der Qualität der beruflichen Ausbildung durch Akademisierung spezifischer Lehrkräfte als auf eine grundständige Akademisierung durch Bachelor-Studiengänge für therapeutische Gesundheitsberufe, wobei letztere die aktuelle Diskussion allerdings deutlicher zu bestimmen scheinen. Dabei werden sehr zutreffend die hohe Heterogenität und Besonderheiten der Regelungen für die Lehrerbildung bzw. die in den alten und neuen Bundesländern sehr unterschiedlichen Anforderungen an Lehrkräfte für therapeutische Berufe an Schulen des Gesundheitswesens kritisiert. Darüber hinaus wird bereits einleitend festgestellt, dass in Deutlichland bislang keine fundierte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Lehrerbildung in den therapeutischen Berufen erfolgt ist und es somit an einem wissenschaftliche Diskurs und entsprechenden wissenschaftlichen Publikationen zu diesem Thema mangelt. Ausgehend von den unterschiedlichen Lernorten, d. h. den Schulen und den Einrichtungen des Gesundheitswesens, wird eine Zuständigkeit und Verantwortung der Lehrenden für die Ausbildung an beiden Lernorten gefordert, wobei die Lehrenden sich bislang häufig stärker als Fachexperten im Sinne von Fachtherapeuten verstehen, die nicht selten gegenüber der pädagogischen Expertise als vorrangig verstanden wird. Vor diesem Hintergrund werden zunächst Anforderungen an Therapeuten und anschließend an Lehrende in der Therapieausbildung exemplarisch für die Physiotherapie formuliert. Hierbei wird abweichend von  unterschiedlichen Typen von Lehrkräften für den fachtheoretischen und fachpraktischen Unterricht im Bereich öffentlicher beruflicher Schulen gefordert, dass Lehrende in der Therapieausbildung nicht nur diese beiden Formen des theoretischen und (fach-)praktischen Unterrichts zu übernehmen haben. Hinzu kommt die Anleitung des Lernens bzw. das Ausbilden in der praktischen Ausbildung. Anschließend wird die offene Frage gestellt, ob die Akademisierung der Lehrerbildung für die therapeutischen Berufe in Zukunft sich den sonst üblichen Differenzierungen und Zuständigkeiten nach BBIG geregelter dualer Ausbildungsberufe annähern wird oder die Aufgaben der theoretischen und praktischen Ausbildung weiterhin in Personalunion von Lehrenden der Berufsfachschulen zu leisten sind.

Im letzten hier aufgezeigten Beitrag wird die Berufsausbildung der Gesundheitsberufe nach BBiG in den Fokus gerückt. ROSEMARIE BRISTRUP (Bundesärztekammer, Berlin) wählt die Berufsentwicklung der Medizinischen Fachangestellten als Ausgangspunkt ihres Beitrages, um exemplarisch für den Bereich der nach BBiG geregelten Gesundheitsfachberufe das Bildungskonzept der Bundesärztekammer vorzustellen. Auch hier wird zunächst die Bedeutung der Medizinischen Fachangestellten als drittgrößter Gesundheitsberuf in Deutschland betont, um anschließend systematisch die Fragen der beruflichen Ausbildung, von Fortbildungen zum Erwerb von Spezialisierungsqualifikationen (mit Zertifikat) und Fortbildungen im Sinne von Aufstiegsqualifikationen aufzuzeigen. Letztere werden nochmals differenziert in eine etwas weniger umfangreiche Aufstiegsfortbildung zum/zur „Fachwirt/-in für ambulante medizinische Versorgung“ und die komplexere Aufstiegsfortbildung zum/zur „Betriebswirtin für Management im Gesundheitswesen“. Unter der Perspektive von Übergängen in den Gesundheitsfachberufen sind jedoch nicht nur die gestuften Spezialisierungs- und Aufstiegsmöglichkeiten durch zunehmend bereits modularisierte berufliche Fortbildungsangebote bedeutsam. Mit der Anrechnung beruflicher Kompetenzen aus der Aufstiegsfortbildung „Betriebswirtin für Management im Gesundheitswesen“ der Ärztekammer Schleswig-Holstein und der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe auf den Bachelor-Studiengang „Betriebswirtschaftslehre“ an der Fachhochschule Bielefeld im Rahmen der ANKOM-Initiative wird der Übergang von der beruflichen in die hochschulische Bildung durch ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren und eine systematische Implementierung erstmalig für diesen Bereich der Gesundheitsfachberufe umgesetzt.

In der Zusammenschau dieser vier Beiträge aus der Fachtagung Gesundheit wird deutlich, dass sich die Entwicklungen und die bereits erkennbaren Übergänge der unterschiedlichen Bereiche der beruflichen und hochschulischen Bildung der Gesundheitsfachberufe besonders dynamisch gestalten. Damit verbunden sind ebenfalls höchst heterogene Studiengangskonzepte zur Lehrerbildung an Universitäten und (Fach-) Hochschulen für die bislang - weitgehend getrennten - öffentlichen berufsbildenden Schulen einerseits und die hinsichtlich ihrer Perspektiven schwerer einzuschätzenden  Schulen des Gesundheitswesens andererseits. Diese Situation ist als Chance zu verstehen, die auf der nachfolgenden Fachtagung Gesundheit im Jahr 2013 ebenso diskutiert werden sollte wie die im Rahmen der diesjährigen Fachtagung noch nicht berücksichtigen Perspektiven einer spezifischeren Hochschuldidaktik für den Bereich der Gesundheitsberufe.

Mathias Bonse-Rohmann & Ulrike Weyland im Juli 2011


Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

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