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http://www.bwpat.de/ATspezial | Hrsg. bwp@-Spezial 3 - Österreich Spezial: Franz Gramlinger & Peter Schlögl & Michaela Stock

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Berufs- und Wirtschaftspädagogik in Österreich. Oder: Wer „macht“ die berufliche Bildung in AT?

Übergang Schule – Beruf: Grundlagen und Voraussetzungen für gelingende Berufsüberleitung

Vorbemerkung

Wer „macht“ berufliche Bildung in Österreich? Wer „macht“ Bildung insgesamt? Wo ist die Trennlinie zwischen „beruflicher“ Bildung und so genannter „allgemeiner“ Bildung?

Das Programm der Österreichischen Industriellenvereinigung „Zukunft der Bildung – Schule 2020“ mit dem Untertitel „Lernen – Wachstum – Wohlstand“ geht jedenfalls von Bildung als der entscheidenden Grundlage für Wohlstand, Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit aus, ein Zugang, der natürlich Anwendung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten im wirtschaftlich industriellen Umfeld direkt anspricht (vgl. IV 2006, 6).

Allerdings wird auch seitens der Industrie Bildung im umfassenden Sinne gesehen: „Wissen, Können, Fähigkeiten, Fertigkeiten, musische, soziale und personale Dimensionen“ sind Voraussetzung für erfolgreiches Wirtschaften, in der Bildung steht daher „die Anwendung einer Pädagogik (im Mittelpunkt), die auf das Heranbilden einer wertorientierten Persönlichkeit mit selbstständigem unternehmerischem Denken“ (IV 2006, 15) ausgerichtet ist. Ausdrücklich wird auf den musisch-kreativen Aspekt und auf die umfassende Persönlichkeitsbildung hingewiesen.

Ist also alle Bildung – zumindest auch – berufliche Bildung?

Ja und Nein.

Ja , weil der Mensch grundsätzlich nicht teilbar ist. Alles was er lernt – von frühkindlichen Entwicklungsphasen an bis hin zur Weiterbildung im Rahmen des lebensbegleitenden Lernens – ob formal, non-formal oder informell, kann auch berufliche Relevanz haben. Sprache, Geschichte, Kunst, Philosophie – zweifellos Elemente allgemeiner Bildung – stellen als Grundlage betrieblicher oder interkultureller Kommunikation, zukunftsorientierter Innovation oder der Fähigkeit zum vernetzten Denken Potentiale zur beruflichen und wirtschaftlichen Wertschöpfung ersten Ranges dar.

Nein , weil natürlich nicht alle Bildung auf berufliche Anwendung und Umsetzung hin ausgerichtet ist und sein soll. Bildung als persönlicher Wert, als Teil der Lebenserfüllung, als persönliches Reifen und als Grundlage gelingender individueller Lebensführung – all das gibt es auch ohne Bezug zu Wirtschaft und Beruf.

Die scharfe Trennlinie zwischen „allgemeiner“ und „beruflicher“ Bildung ist jedoch nicht zu ziehen.

Dem trägt auch die Europäische Union Rechnung, die im Rahmen der Lissabon Strategie im Arbeitsprogramm „Allgemeine und Berufliche Bildung 2010“ diese Kategorien gemeinsam behandelt und neben fachbezogenen Benchmarks – etwa für Mathematik, Naturwissenschaft und Technik – auch allgemeine Indikatoren – z. B. zur Lesekompetenz – heranzieht (vgl. EU RAT 2006).

Die Fokussierung der erziehungswissenschaftlichen Teildisziplin „Berufs- und Wirtschaftspädagogik“ auf die „berufliche“ Bildung im engeren Sinne bleibt davon natürlich unberührt.

In Hinblick auf das Thema „Übergang Schule – Beruf“ wird jedoch in diesem Beitrag davon ausgegangen, dass über diesen Bereich hinaus alle inhaltlichen, operativen, pädagogischen, didaktischen, strukturellen, letztlich alle jene bildenden und qualifizierenden Maßnahmen, Prozesse und Rahmenbedingungen zur „Pädagogik für Beruf und Wirtschaft“ zählen, die Relevanz für gelingende Überleitungen junger Menschen aus dem Erstbildungssystem in weitere berufliche Bildungs- und Lebenswege aufweisen.

Das heißt nicht, dass alle Bildung, Pädagogik und Didaktik auch Berufs- und Wirtschaftspädagogik ist.

Das postuliert jedoch den Anspruch, dass es erforderlich ist, alle jene relevanten Aspekte von Bildung, Qualifikation, auch der Persönlichkeitsentwicklung insgesamt zu betrachten, die Grundlage und Voraussetzungen dazu sind, gelingende Übergänge aus der Erstbildung in Beruf und Weiterbildung zu gestalten, sowie nachhaltig erfolgreiche Berufs-, Lern- und Lebenswege zu ermöglichen.

Der Schwerpunkt dieses – grundsätzlich am Konzept des Lebenslangen Lernens orientierten Ansatzes – soll hier fokussiert werden auf den Übergang Erstbildung – Beruf.

Die OECD hat sich in ihrem umfassenden Projekt „Transition from Initial Education to Working Life“ ausführlich mit dieser Thematik auseinander gesetzt und hat schon vor Jahren festgestellt, dass diese „Transition“ keine „Schnittstelle“ mehr darstellt, sondern einen Prozess, der als Bildungskonzept immer früher beginnt (oder beginnen sollte) und immer später endet, da es den „endgültigen“ Berufseintritt nicht mehr gibt (vgl. OECD 1999).

Letztlich ist „Transition a principle of life“ (HÄRTEL 2005), dennoch soll hier der Fokus auf die im österreichischen Bildungssystem für den Berufs- und Wirtschaftsbezug besonders relevanten Ansatzpunkte – mit dem Schwerpunkt Schule – Beruf – gelegt werden.

1.  Spezifika des österreichischen Bildungssystems

Auf der Sekundarstufe II weist das österreichische Bildungswesen einen hohen Anteil berufsbildender Bildungsangebote auf, ca. 80 Prozent der 15 bis 19 Jährigen sind in vollzeit- oder teilzeitschulische (Lehre) Bildungswege involviert, weit mehr als etwa in Deutschland oder Frankreich (vgl. ARCHAN/ MAYR 2006).

Darüber hinaus gibt es im österreichischen Bildungswesen jedoch eine Reihe von Ansatzpunkten, die im engeren und weiteren Sinne im Hinblick auf Berufs- und Wirtschaftsorientierung sowie Berufsorientierung zu betrachten sind.

Da sind zuerst die eher allgemeinen Unterrichtsprinzipien „Wirtschaftserziehung“ und „Vorbereitung auf die Arbeits- und Berufswelt“ zu nennen, die grundsätzlich den Anspruch postulieren, dass die Schule auf jeder Jahrgangsebene, in jeder Schulart, in jedem Fach auch auf die Aspekte der Wirtschaft, der Berufswelt und der Hinführung junger Menschen auf diese künftige Lebenswelt ausgerichtet sein sollte. Die faktische Wirkung dieser – und vieler anderer – Unterrichtsprinzipien ist umstritten, deutlicher gesagt, eher nicht wahrnehmbar. Einen grundsätzlichen gesetzlichen Auftrag, der auch einforderbar wäre, stellen sie allemal dar.

Das Unterrichtsfach „Geographie und Wirtschaftskunde“ auf Sekundarstufe I und II (im berufsbildenden Schulwesen auch „Volkswirtschaftslehre“) umfasst eine Reihe von Lehrplaninhalten, die junge Menschen mit wirtschaftlichen Themen und Gegebenheiten vertraut machen sollen, auch als Basis für ihre künftige Lebensplanung, Bildungs- und Berufswege. Als Unterrichtsfach ist Wirtschaftskunde eher auf die Vermittlung kognitiven Wissens ausgerichtet.

Auf der 7. und 8. Schulstufe besteht für alle Schularten ein gesetzlicher Auftrag, die verbindliche Übung „Berufsorientierung“ anzubieten, entweder als eigenes Fach oder in der so genannten „integrierten“ Form, das heißt, aufgeteilt auf verschiedene Unterrichtsfächer, koordiniert durch eine verantwortliche Person.

Die Polytechnische Schule als Schulangebot für die 9. Schulstufe / das 9. Schuljahr hat den spezifischen Auftrag, Jugendliche, die sich vor allem für den Eintritt in die duale Berufsbildungslaufbahn – betriebliche Lehre – vorbereiten wollen, eine gezielte Orientierung, Vorbereitung, Grundbildung bis zur Hinführung zur Berufsüberleitung zu bieten, verbunden mit der Option, auch in weiterführende Schulen, insbesondere berufsbildende mittlere Schulen, eintreten zu können.

Auf der Sekundarstufe II bieten die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen berufs- und wirtschaftsbezogene Ausbildungen an, auf deren jeweilige Spezifika – technisch, wirtschaftlich, kaufmännisch, humanberuflich – hin orientiert, in Verbindung mit wirtschaftlichen Kontakten und Bezügen, etwa durch Praktika, Projekte oder Prüfungsarbeiten.

Daneben besteht in allen Schularten nach der Primärstufe die Institution der „Schüler- bzw. Bildungsberatung“, die für allgemein- und berufsbildende Bildungswege individuelle Information und Beratung bietet.

In mehrfacher Verantwortlichkeit für Information, Beratung und Orientierung ist der Leistungsbereich "Schulpsychologie-Bildungsberatung" eingebunden, der im Unterrichtsministerium und in den Landesschulräten angesiedelt ist. Die Schulpsychologie-Bildungsberatung bietet allen am Schulgeschehen beteiligten Personen und Institutionen psychologische Unterstützung an, insbesondere auch im Zusammenhang mit Orientierungs- und Entscheidungsprozessen. Weiters ist die Schulpsychologie-Bildungsberatung fachlich für die Schüler- und Bildungsberater/innen an den Schulen zuständig und erstellt bzw. verbreitet Informationen und Reflexionshilfen für Laufbahnentscheidungen.

2.  Berufsvorbereitung: Aufgabe der Schule

Aufgabe und Verantwortlichkeit der Schule, auf künftige berufliche Anforderungen und Berufswege vorzubereiten, werden je nach Schulart, Unterrichtsfach oder Jahrgang unterschiedlich interpretiert.

Während sich die allgemeinbildende höhere Schule weithin auf ihre Aufgabe beruft „... den Schülern eine umfassende und vertiefte Allgemeinbildung zu vermitteln und sie zugleich zur Universitätsreife zu führen“ (SCHOG 1962, § 34.(1)), eine Formulierung, in der die Orientierung an künftigen beruflichen Anforderungen nicht enthalten ist und daher Bildung als „Wert an sich“, jedoch nicht auch anwendungs- oder „verwertungsbezogen“ zu interpretieren wäre, so weist demgegenüber der grundlegende Zielparagraph der Österreichischen Schule auf die übergeordnete Aufgabe hin „... die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten ... und sie zu arbeitstüchtigen ... Gliedern der Gesellschaft ...“ heranzubilden (SCHOG 1962, § 2.(1)). Dieser Zielparagraph gilt für alle Schularten, von der Primarstufe bis hin zur Sekundarstufe II und ist in Hinblick auf die spezifischen Aufgaben der einzelnen Schularten sinngemäß zu interpretieren und umzusetzen.

Dass Bildung Dimensionen und Aufgaben umfasst, die weit über die berufliche Verwertung erworbenen Wissens und Könnens hinausreicht, sollte ebenso selbstverständlich sein wie die Erkenntnis, dass sich die Entwicklung beruflicher Kompetenzen keineswegs auf das Vermitteln und Erwerben fachlichen Wissens und Könnens beschränkt, sondern den „ganzen Menschen“ umfasst, von der Beherrschung grundlegender Kulturtechniken bis zur sozialen Kompetenz, von der Fähigkeit, sich in der heutigen Welt zu orientieren bis hin zur Fähigkeit, eigenständig zu handeln, Entscheidungen vorzubereiten und zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, durchwegs Qualifikationsanforderungen, die Wirtschaft und Industrie schon seit vielen Jahren postulieren (vgl. IV, VG 1997).

Vorbereitung auf berufliche Anforderungen ist daher einer jener Aspekte, der sich durch das gesamte Bildungswesen und die gesamte Schullaufbahn durchziehen sollte.

Es ist kein Zufall, dass die wichtigsten und wirksamsten internationalen Bildungsvergleiche – TIMSS, PISA, PIRLS – von der OECD, einer internationalen Wirtschaftsorganisation initiiert und durchgeführt werden. Dies entspringt der klaren Erkenntnis, dass es gerade die grundlegenden Bildungsfragen sind, die sowohl individuellen Berufszugang und berufliche Entwicklung ermöglichen als auch gesamtwirtschaftlich Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit bedingen.

Diesem Umstand wird in einer Reihe von Maßnahmen und Instrumenten zur Berufsvorbereitung in Österreich Rechnung getragen.

Die erste Bildungs- und Lehraufgabe der „Verbindlichen Übung – Berufsorientierung“ auf der 7. und 8. Schulstufe ist daher nicht Information über einzelne Berufe oder berufliche Ausbildungen, sondern die Stärkung der Entscheidungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler mit den zwei Hauptkomponenten: „Ich-Stärke (Selbstkompetenz) und Wissen um die bzw. Auseinandersetzung mit der Berufswelt (Sach- und Methodenkompetenz)“. Als dritte Komponente wird die Sozialkompetenz erwähnt, sowie darauf hingewiesen, dass mit der Berufsorientierung „ein wesentlicher Beitrag zur Persönlichkeitsbildung der Schülerinnen und Schüler geleistet werden (soll). Die Entwicklung und Stärkung von Hoffnung, Wille, Entscheidungsfähigkeit, Zielstrebigkeit, Tüchtigkeit, Leistungsbereitschaft, Durchhaltevermögen und Beziehungsfähigkeit soll dabei im Mittelpunkt stehen“ (BMBWK 1998, online).

Der Lehrplan fordert darüber hinaus, Beiträge zu verschiedenen anderen Bildungsbereichen zu leisten, etwa Sprache und Kommunikation, die Arbeits- und Berufswelt unter verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten kennen zu lernen, Natur und Technik sowie Kreativität und Gestaltung.

Die didaktischen Grundsätze weisen darauf hin, dass Berufsorientierung prozesshaften Charakter hat und der Unterricht die Berufs- und Bildungswahl einleiten, begleiten und zur selbständigen Berufs- und Bildungswahlentscheidung hinführen soll. Berufsorientierung soll dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler eigene Wünsche, Interessen und Neigungen entdecken, erforschen und hinterfragen, Begabungen und Fähigkeiten wahrnehmen können, um dadurch persönliche Erwartungen reflektieren und einschätzen zu lernen. In weiterer Folge sollen die Schülerinnen und Schüler nach eigenem Interesse vertiefte Einblicke in ausgewählte Berufs gewinnen (vgl. BMBWK 1998).

Aus diesen kurzen Ausschnitten wird schon deutlich, dass die Hinführung zu beruflichen Ausbildungen und Entwicklungswegen eine hoch komplexe, vielschichtige und mit der gesamten Persönlichkeit von Jugendlichen verbundene Aufgabe darstellt. Eine Eingrenzung auf punktuelle Anlässe, Beratungs- und Entscheidungssituationen oder Berufs- und Bildungsmessen stellt jedenfalls eine Verkürzung dar, die die Qualität des gesamten Berufswahlentscheidungsprozesses beeinträchtigt, letztlich auch Berufsbildung in ihrer Qualität beeinträchtigen kann (vgl. OECD 2003).

3. Effekte und Ergebnisse schulischer Maßnahmen zur Berufsvorbereitung

Qualität und Wirksamkeit schulischer Maßnahmen zur Vorbereitung Jugendlicher auf künftige Bildungs- und Berufswege können auf unterschiedliche Weise bewertet und gemessen werden.

Ein erstes Kriterium ist naturgemäß der gelingende Übergang von einem Bildungsweg in den nächsten bzw. der Eintritt in eine berufliche Ausbildung (z. B. Lehre), oder in eine berufliche Tätigkeit.

Gemessen an der Jugendarbeitslosigkeit im internationalen Vergleich ist der Hinführung und Überleitung Jugendlicher in weitere berufliche Ausbildungen und Entwicklungspfade in Österreich ein eher günstiges Zeugnis auszustellen. Im Jahresdurchschnitt 2005 liegt Österreich mit 10,3 % Jugendarbeitslosigkeit hinter den Niederlanden, Dänemark, Irland an vierter Stelle in der Europäischen Union, wesentlich günstiger als der Durchschnitt der EU 15 bzw. 25 (16,8 %, 18,6 %) deutlich vor Großbritannien (13,0 %), Deutschland (14,8 %) und Frankreich (23,5 %) (BIBB 2007).

Effekte können dabei sowohl im Hinblick auf die Ergebnisse individueller Orientierungs- und Entwicklungsprozesse dargestellt werden, oder aber als agglomerierte Gesamtdarstellungen, die regionale oder nationale Entwicklungen etwa der Jugendbeschäftigung, der so genannten „Early School Leavers“ oder ähnliche Phänomene darstellen und beschreiben (vgl. z. B. STEINER/ STEINER 2006).

Zu den Wirkungen von Maßnahmen zur Berufsorientierung und Berufsvorbereitung generell in Österreich kann darüber hinaus in Hinblick auf die Effekte zur individuellen, persönlichen Entwicklung keine wirklich gültige Aussage getroffen werden, da weder konsistente Bildungslaufbahnerfassungen vorliegen, noch die ursächliche Verknüpfung mit Maßnahmen zur Beratung und Orientierung dokumentiert ist.

Ambitionierte Qualitätssicherungs- und Qualitätsentwicklungsmaßnahmen etwa im Bereich der verbindlichen Übung „Berufsorientierung“ – z. B. durch den so genannten „Nachhaltigkeitserlass“ (BMBWK 2003) – sind eher inputorientiert ausgelegt.

Feedbacks aus internationalen Vergleichsstudien, wie sie etwa im Rahmen des OECD-Projektes „Career Guidance Policy“ durchgeführt wurden, ergaben auf Basis der Darstellung im Länderbericht Österreich (vgl. HÄRTEL 2001) den Befund, dass die Systeme grundsätzlich gut ausgebaut und stimmig entwickelt sind, aber hinsichtlich des Professionalisierungsgrades – insbesondere in Hinblick auf Intensität und Dauer der Ausbildung der berufsorientierenden Lehrer/innen – sowie des Mengengerüstes – Anzahl von Personen, verfügbare Zeit, zu betreuende Schüler/innen – großer Handlungsbedarf bestünde (OECD 2003).

Weitere Daten und Fakten zu Effekten und Ergebnissen berufsorientierender Maßnahmen in Schulen – und im Bereich von Maßnahmen zur Information, Beratung und Orientierung für Bildung und Beruf insgesamt – sind in der Cedefop Studie „Indicators and Benchmarks in Career Guidance“ (HÄRTEL 2005) dargestellt, die aufgrund der Datenlage eher das Bild eines unvollkommenen Puzzles ergeben.

Exkurs: Berufsüberleitung an Polytechnischen Schulen

Eine Ausnahme bildet hier die Dokumentation der Effekte der Reform des Polytechnischen Lehrganges. Die – in der Öffentlichkeit weithin unterschätzte – Leistung der (seit 1997) Polytechnischen Schulen zur Hinführung Jugendlicher zu weiterführenden beruflichen Ausbildungswegen ist seit der Reform dieser Schulart durch regelmäßige Vollerhebungen der Entwicklungswege der Absolventinnen und Absolventen durchgehend dokumentiert (vgl. HÄRTEL/ KÄMMERER 2007).

Der Polytechnischen Schule kommt an der in Österreich relativ komplex strukturierten Schnittstelle zwischen Pflichtschulzeit und weiterführenden Bildungswegen für 14 bis 16 Jährige eine besondere Position zu.

Neben der Langform der AHS – 5. bis 12. Schulstufe, die grundsätzlich die Möglichkeit eines durchgehenden Bildungsganges von 10 bis 18 Jahren bietet – ist die Hauptschule als allgemeinbildende Schulart angesiedelt, die mit der 8. Schulstufe endet. Weiterführende allgemeinbildende (etwa Oberstufengymnasium) oder berufsbildende mittlere und höhere Schulen schließen mit der 9. Schulstufe an, während die duale betriebliche Berufsausbildung – Lehre – erst mit der 10. Schulstufe beginnt.

Die Polytechnische Schule – bis 1997 Polytechnischer Lehrgang – ist jene Schulart, die die Aufgabe hat, Jugendliche im letzten Jahr ihrer Schulpflicht speziell auf die duale Berufsausbildung vorzubereiten, darüber hinaus auch die Option für weiterführende schulische Bildungswege, insbesondere berufsbildende mittlere Schulen, offen zu halten.

Diese Schulart, gesetzlich geregelt im Schulorganisationsgesetz 1962, hat einen wesentlichen Anteil an der hohen Rate der Überleitung junger Menschen von der Pflichtschulzeit in weiterführende Ausbildungen und den Beruf. Auch wenn die Schülerpopulation dieser Schulart je nach Standort, Stadt, Land etc. weit streut, so bündelt sich doch ein hoher Anteil von Risikogruppen in dieser Schulart. Über 50 Prozent der Schüler/innen erreichen in den PISA Domänen Lesen und Rechnen nicht mehr als Stufe 1, ca. 20 Prozent der Schüler/innen haben entweder Laufbahnverlust erlitten und die Hauptschule vorzeitig verlassen, befinden sich im freiwilligen 10./11. Schuljahr oder weisen sonderpädagogischen Förderbedarf auf.

Wenn es dieser Schulart dennoch gelingt, nahezu 90 Prozent der Absolventinnen und Absolventen zu Ende des Schuljahres den Anschluss in eine weiterführende Ausbildung zu sichern – und diese zu einem hohen Prozentsatz (ca. 85 Prozent) in ein Berufsfeld, das dem gewählten Fachbereich in der Polytechnischen Schule entspricht, also auf das sowohl Orientierung, Berufsvorbereitung und Berufsgrundbildung hingeführt haben, dann ist das eine eindrucksvolle Bestätigung für effektive Maßnahmen zum gelingenden Übergang Schule – Beruf, die auch durch weitere Erhebungen bestätigt werden (vgl. SCHNEEBERGER 2003).

4.  Offene Punkte und Gestaltungserfordernisse

Also alles in Ordnung? Sicher nicht.

Erstens sind mehr als 10 Prozent arbeitslose Jugendliche kein Wert, auf dem man sich ausruhen darf. Jeder Jugendliche, der bildungs- und beschäftigungsdisponiert ist und dies anstrebt, sollte auch einen Zugang finden können. Dazu sind weitere Anstrengungen erforderlich, insbesondere da, wenn man etwas genauer hinsieht, eine Reihe von Inkonsistenzen im österreichischen Bildungswesen in Hinblick auf die Hinführung zu weiterführender Bildung und zum Beruf auszumachen sind.

Die erste Frage betrifft die frühe Trennung nach der 4. Schulstufe in die Hauptschule und die allgemeinbildende höhere Schule - Langform. Bei wortgleichen Lehrplänen, grundsätzlich gegebener Durchlässigkeit, aber unterschiedlichen Bildungszielen, auch unterschiedlicher Lehrer/innenbildung (dies ist hier ausdrücklich nicht als Wertung zu verstehen!) lassen sich doch Entwicklungen feststellen, die in Hinblick auf die spätere Berufsausbildung und Berufslaufbahn von entscheidender Bedeutung sind.

Wenn auch häufig – und wahrscheinlich zutreffend - kolportiert wird, dass über 50 Prozent der Maturantinnen und Maturanten über die Hauptschule kommen, so ist gut belegt, dass die Chancen je nach familiärem Hintergrund äußerst unterschiedlich verteilt sind.

AHS-Unterstufen-Schüler/innen aus einem Elternhaus mit Pflichtschulniveau erreichen etwa zu ca. 60 % die Matura, während Hauptschüler/innen mit gleichem familiären Bildungshintergrund gerade zu 8 % zur Matura kommen. Dieser Unterschied zieht sich durch alle Bildungsebenen und verstärkt sich im postsekundären und tertiären Bereich (SPIELAUER 2003; PECHAR 2007).

Umgekehrt ist nahezu kein Zugang aus der Unterstufe bzw. nach Abbruch einer allgemeinbildenden höheren Schule in eine duale Berufsausbildung gegeben. Während insgesamt ca. 40 % eines Altersjahrganges eine duale Berufsausbildung ergreifen, sind es gerade 2 % eines Jahrgangs, die mit Vorbildung einer (in der Regel nicht abgeschlossenen) AHS eine Lehrausbildung wählen (vgl. NOWAK/ SCHNEEBERGER 2006).

Allerdings wählen auch viele AHS Schüler/innen nach der Unterstufe eine berufsbildende weiterführende Ausbildung, vorzugsweise in Form der berufsbildenden höheren Schule, je nach Standort bis zu 50 %. Vieles weist darauf hin, dass diese Wahl häufig ohne strukturierte und prozesshafte Vorbereitung im Sinne vorher beschriebener berufsorientierender Maßnahmen geschieht. Darauf deuten nicht zuletzt die hohen Abbruchraten hin, die, etwas gerundet, ca. 20 Prozent in der AHS Oberstufe, ca. 30 Prozent in der BHS und zum Teil mehr als 40 Prozent in der berufsbildenden mittleren Schule betragen, was auf gravierende Fehlleitungen von Interessen, Begabungen und Bildungsvorstellungen hinweist. Evaluierungen des Bildungsministeriums weisen auf den Umstand unzureichender Voraussetzungen an den AHS deutlich hin (vgl. z.B. KERN et al. 2001).

Ein eigenes Kapitel wert wäre die Orientierung von Maturantinnen und Maturanten zu Ende der Sekundarstufe II – also zum Zeitpunkt der Reifeprüfung – über ihre künftigen Studien- und Berufswege; Erfahrungen aus der Maturantenberatung zeigen eine hohe Unentschlossenheit, die sich auch in nach wie vor hohen Abbruchraten des gewählten Erststudiums niederschlagen

Weitere offene Punkte, etwa zu den Schwierigkeiten der Übergänge von der Schule in die Arbeitswelt für benachteiligte Jugendliche, auch im internationalen Vergleich, sind beispielsweise in GÖTZ/ SCHLÖGL 2006 eingehend beschrieben.

Die Gesamtsicht der hier auszugsweise dargestellten offenen Punkte lässt den Schluss zu, dass einerseits in den pädagogischen, didaktischen und beratenden Angeboten und Prozessen im schulischen Bereich noch Entwicklungspotential besteht, dass andererseits aber auch strukturell-organisatorische Grundlagen des österreichischen Bildungswesens zu überprüfen sind.

Die aktuelle Debatte über die Weiterentwicklung des Schulsystems, insbesondere der Schule der 10 bis 14/15 Jährigen kann an dieser Frage der Vorbereitung und Hinführung Jugendlicher auf weiterführende berufsbildende und berufliche Wege nicht vorbei gehen.

5.  Weitere Akteure beim Übergang Schule – Beruf

Wer „macht“ den Übergang Schule – Beruf? Das ist natürlich nicht die Schule allein, auch wenn ihr dazu eine wesentliche Rolle – und eine große Verantwortung – zukommt.

Jeder Übergang hat zumindest zwei Pole bzw. Akteure, der Übergang Schule – Beruf hat noch mehr.

Die wichtigsten Partner sind natürlich die Berufswelt, die Wirtschaft und die Unternehmen. Nur die reale Berufswelt kann authentisch Rahmenbedingungen, Anforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen, die für Absolventinnen und Absolventen der Schule persönliche Lebens- und Berufswege eröffnen.

Die Wirtschaft nimmt das auch in vielfältiger Weise wahr. Einerseits ist sie selbst eine der größten Bildungsinstitutionen des Landes, die nahezu 130.000 Lehrlinge ausbildet, jährlich zehntausende junge Menschen nach der Absolvierung von sekundären oder tertiären Berufsausbildungen aufnimmt, einschult und weiterbildet und – auch in vielfältigen Kooperationen mit Schulen, Weiterbildungsinstitutionen und Partnerorganisationen – Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Bildungsangebote zur Personalentwicklung anbietet (vgl. STATISTIK AUSTRIA 2004, WKO 2007).

Darüber hinaus ist von größter Bedeutung, welche Möglichkeiten die Berufswelt, die Wirtschaft und Unternehmen für Schulen und Jugendliche bieten, frühzeitig Einblick und Erfahrungen in Unternehmungen und in reale Berufssituationen zu gewinnen. „Early Work Experience“ ist auch im internationalen Kontext eine der wertvollsten und wichtigsten Maßnahmen zur zeitgerechten Vorbereitung und Einstimmung junger Menschen auf künftige Berufsentscheidungen und Berufswege (OECD 1999).

Dies geschieht in Österreich in vielfältiger Weise, wenn auch in einzelnen Bildungsphasen und Schularten sehr unterschiedlich ausgeprägt.

In der Sekundarstufe I besteht für die 8. Schulstufe die Möglichkeit, lehrplanmäßig so genannte „Schnuppertage“ in Unternehmungen durchzuführen, um erste Eindrücke in das reale Arbeitsleben zu gewinnen. Diese Möglichkeit wird von Hauptschulen im Rahmen der verbindlichen Übung Berufsorientierung weithin wahrgenommen, in allgemeinbildenden höheren Schulen demgegenüber kaum (vgl. KERN et al. 2001).

Am intensivsten ist die Begegnung von Schülerinnen und Schülern der Polytechnischen Schulen mit der Arbeits- und Berufswelt. In den so genannten „Schulpraktischen Wochen“, die je nach Standort ein bis drei Mal im Jahr angeboten werden können, werden ca. 40.000 Mann/Frau-Wochen pro Jahr in mehreren Tausend Ausbildungsbetrieben absolviert. Diese Begegnungen Jugendlicher mit ihrem möglichen künftigen Beruf haben sich zur wichtigsten Überleitungsmaßnahme in dieser Schulart entwickelt (vgl. HÄRTEL/ KÄMMERER 2007).

Allerdings kommt dieses Angebot nur ca. 23 Prozent eines Jahrganges bzw. ca. 40 Prozent der Lehranfänger/innen zugute, da in anderen Schularten dieses Angebot nicht in dieser Form existiert.

In einigen berufsbildenden höheren Schularten – etwa in höheren technischen Lehranstalten und in höheren Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe – besteht die Verpflichtung zur Absolvierung von Praktika während der unterrichtsfreien Zeit, in der Regel in den Sommerferien.

Darüber hinaus besteht nach dem Ende der Pflichtschulzeit ab 15 Jahren die Möglichkeit, als Ferialpraktikant/in, Volontär/in etc. tätig zu werden, wobei Qualität und Effekt dieser Arbeitszugänge naturgemäß vom Angebot an Praxisplätzen determiniert ist.

6. Weitere Partner, Institutionen und Aktivitäten an Übergängen Schule – Beruf

Wichtige ergänzende Unterstützung und Begleitung bei der Vorbereitung und Orientierung auf den Beruf werden durch eine Reihe weiterer Institutionen geboten.

Das Arbeitsmarktservice bietet mit seinem Netz von Berufsinformationszentren (BIZ) umfassende Materialsammlungen und Information.

Die Wirtschaftskammern betreiben vielfältige Maßnahmen zur Berufsinformation, Beratung und Unterstützung der schulischen Berufsorientierungsprozesse, z. B. im BIWI Wien, AHA Salzburg etc.

Die Arbeiterkammern unterstützen mit Angeboten im Bereich „Schule und Arbeitswelt“ schulische Orientierungsmaßnahmen.

Weiters gibt es eine Reihe von Projekten und Maßnahmen, die über öffentliche nationale oder europäische Mittel unterstützt werden und die in Erhebungen des Bildungsministeriums (heute bm:ukk) ausführlich dokumentiert und analysiert sind (vgl. KRÖTZL 2006). Diese richten sich häufig an besondere Zielgruppen wie junge Menschen mit Benachteiligungen, Behinderungen oder mit Migrationshintergrund.

Beispiele dazu sind auch in der Recherche von GÖTZ/ SCHLÖGL (2006) beschrieben, verbunden mit dem Hinweis, dass diese Angebote selten überregionale Bedeutung erlangen und der Transfer ins Regelsystem kaum nachhaltig gelingt.

Beispiele für national flächendeckende Angebote sind etwa das „Clearing“ des Sozialministeriums, das Jugendlichen die Möglichkeit bietet, Kompetenzportfolios zu erarbeiten und daraus individuelle Entwicklungs- und Berufsausbildungsperspektiven abzuleiten, oder das Projekt „BerufsFindungsBegleiter/in“ der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft in der Steiermark, das nahezu flächendeckend präventive Maßnahmen für Jugendliche in Kooperation mit Schule, Unternehmen und Institutionen setzt, um Brüche und Probleme beim Übergang Schule – Beruf zeitgerecht zu erkennen und zu vermeiden.

7.  Berufsvorbereitung und Berufsorientierung als Teil der Gesamtbildung

Berufsbildung, auch Information, Beratung und Orientierung für Bildung und Beruf, kann nur nachhaltig wirksam werden, wenn sie eingebettet ist in eine Bildungsumgebung, die Veränderungen insgesamt wahrnimmt und auf Anforderungen an Lebens- und Berufsbedingungen junger Menschen nach der Schule reagiert.

Formale Kriterien, Bildungsbenchmarks und Indikatoren sind dafür wichtige Hinweise, reichen aber nicht aus.

Der Umstand, dass etwa Polen und die Slowakei Bestwerte in den europäischen Bildungswerten verzeichnen (EU RAT 2006), gleichzeitig die höchsten Werte der Jugendarbeitslosigkeit aufweisen, ist dazu ein deutlicher Hinweis. Die gilt es, näher zu untersuchen, was unter anderem im Rahmen des neu gegründeten „European Lifelong Guidance Policy Forum“ mit 30 Nationen als Mitglieder und im gerade von der Kommission genehmigten Europäischen Transnationalen Comenius Netzwerk „ School and World of Work“, mit Partnern aus 12 Nationen, koordiniert von der Steirischen Volkswirtschaftlichen Gesellschaft, geschehen wird (vgl. HÄRTEL et. al. 2007, BMUKK/ BMWF 2007).

Jedenfalls weist die oben dargestellte Diskrepanz darauf hin, dass es weitere Aspekte geben muss, die für erfolgreiche Überleitungsprozesse von der Schule in den Beruf relevant sind.

Die OECD nennt dafür schon vor Jahren eine Reihe von Kernkriterien, die zum Teil selbstverständlich erscheinen, jedoch ganz konkrete Herausforderungen beinhalten: (OECD 1999):

•  eine gesunde Wirtschaft

•  gut organisierte Bildungspfade, die Erstbildung mit Arbeitswelt und Weiterbildung verbinden

•  engmaschige Sicherheitsnetze für gefährdete Jugendliche

•  gute Information und Beratung

•  wirksame Institutionen und Prozesse

Eine Reihe dieser Kriterien sind in Österreich gut erfüllt. Die Wirtschaft floriert derzeit, die Ausbildungsbereitschaft von Unternehmen ist wieder leicht gestiegen, das neben der dualen Berufsausbildung bestehende gut ausgebaute berufsbildende Schulwesen stellt zweifellos eine Stärke des österreichischen Bildungswesens dar, das vielen jungen Menschen sowohl berufliche Optionen bietet, als auch den Weg zu weiteren tertiären Ausbildungen – Universität oder Fachhochschule – öffnet.

Zweifellos gibt es jedoch auch eine Reihe von offenen Fragen und Herausforderungen, denen man sich in der österreichischen Bildungslandschaft stellen muss, will man Begabungspotentiale und Talente junger Menschen, gerade auch in Hinblick auf demografische Entwicklungen und wirtschaftliche Anforderungen, bestmöglich ausschöpfen und sowohl für gelingende individuelle Lebens- und Berufswege, als auch für wirtschaftliche Wertschöpfung nutzbar machen.

8.  Herausforderungen für das österreichische Bildungswesen

Auszugsweise sollen im Anschluss sieben – auch in Hinblick auf die vorangehend dargestellten Bildungssituationen – Gestaltungserfordernisse in der österreichischen Bildungslandschaft angeführt werden.

Erstens: Ein (zu) hoher Prozentsatz junger Menschen weist einen (zu) geringen Bildungsstand in punkto Grundkompetenzen – Lesen, Rechnen – auf. 20 Prozent junger Menschen mit nicht ausreichenden Lese- und Rechenkompetenzen sind zu viel. Diese jungen Menschen können von beruflichen und allgemeinen Bildungsangeboten nur unzureichend profitieren und stellen potentiell eine Klientel für weitere aufwändige arbeitsmarkt- und sozialpolitische Maßnahmen dar.

Diese Herausforderung muss schon vor dem derzeitigen Schuleintritt durch kompensatorische Maßnahmen aufgegriffen werden, da immer häufiger berichtet wird, dass ein immer größerer Prozentsatz von Schulanfängerinnen und Schulanfängern mit unzureichenden sprachlichen und sozialen Kompetenzen in die Schule eintreten. Auch dieser Diskurs ist derzeit intensiv im Laufen. Wenn diese Bildungsphase auch lange vor der eigentlichen beruflichen Bildung liegt, so ist sie doch von entscheidender Relevanz für spätere allgemeine und berufliche Bildungsprozesse.

Zweitens: Vieles deutet darauf hin, dass mit der frühen Entscheidung – im Alter von neuneinhalb Jahren – für eine der beiden Schulformen auf der Sekundarstufe I, trotz formaler Durchlässigkeit, bereits wesentliche Vororientierungen für spätere Bildungs- und Berufslaufbahnen getroffen werden, die in dieser Form in der Regel nicht bewusst intendiert sind.

Dieses „Early Tracking“ in Österreich ist im internationalen Vergleich eine Besonderheit, die ernsthaft hinterfragt werden muss, was auch ein Kernthema des aktuellen Bildungsdiskurses bildet.

Drittens: Trotz vieler positiver Entwicklungen und Bestrebungen sind weite Bereiche der Bildungslandschaft – sowohl an der Schnittstelle der 14 bis 16 Jährigen, als auch am Übergang zwischen Sekundarstufe II und weiterführenden postsekundären und tertiären Bildungswegen – nicht ausreichend mit gut strukturierten, prozesshaften Verfahren zur Berufsorientierung und Berufsvorbereitung versorgt. Hier muss sowohl in die Breite – Angebote für jene Bereiche, in denen noch keine ausreichenden Maßnahmen existieren – als auch in die Tiefe – verstärkte Ausbildung und Professionalisierung der Akteurinnen und Akteure – investiert werden.

Viertens: Frühe Zugänge zur und Erfahrungen in der Arbeitswelt sollten allen Jugendlichen zeitgerecht ermöglicht werden, um persönliche Bildungs- und Berufsentscheidungen durch reale Anschauung unterstützen zu können.

Fünftens: Die wichtigsten ergänzenden, außerschulischen Angebote, Projekte und Maßnahmen sollten auf Basis bisheriger Erfolge und weitere Evaluationen als nationale Programme angeboten und umgesetzt werden, wobei präventiven Ansätzen der Vorzug zu geben ist.

Sechstens: Neben Informations-, Orientierungs-, Beratungsangeboten und vielfältigen beruflichen Ausbildungsmöglichkeiten auf Sekundarstufe I und darüber hinaus sollte durchgehend der Fokus im Schul- und Bildungswesen stärker auf das Ansprechen aller Potentiale, Begabungen und Talente von Jugendlichen gelegt werde, um Interesse, Engagement, Eigenständigkeit frühzeitig zu entwickeln und anhand spannender Aufgabenstellungen – auch aus der realen Berufswelt – zur Persönlichkeitsentwicklung beizutragen.

Siebtens: Wenn es gelingt, dass sich Jugendliche zu persönlicher „unternehmerischer“ Haltung im besten Sinne des Wortes entwickeln, dann wird auch allgemeine und Wirtschafts- und Berufspädagogik umfassend wirksam werden können.

Literatur

ARCHAN, S./ MAYR, T. (2006): Berufsbildung in Österreich. Luxemburg.

BIBB (2005): Jugendarbeitslosigkeit im Europäischen Vergleich. Online:

http://www.bibb.de/dokumente/pdf/Jugendarbeitslosigkeit-2005.pdf (12-09-2007).

BMBWK (2000): Lehrplanverordnung B.Verbindliche Übungen Berufsorientierung. Online:

http://www.bmukk.gv.at/medienpool/899/hs35.pdf ( 12-09-2007).

BMBWK (2003): Nachhaltigkeitserlass. Wien. Online:

http://www.gemeinsamlernen.at/siteBenutzer/Folder/continut.asp?/mPages/SiteF.asp?
ID=338&MenuName=Berufsorientierung%20an%20der%20
Hauptschule&MenuNr=0&MenuID=113
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