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bwp@ Spezial 3 - Österreich Spezial
Berufs- und Wirtschaftspädagogik in Österreich. Oder:
Wer „macht“ die berufliche Bildung in AT?


PersonalentwicklerInnen in Österreich: Berufskultur oder Profession?

 

 

 


 

1. Die Ausgangslage

Personalentwicklungsaktivitäten als eine Reaktionsform auf den beschleunigten sozio-technischen Wandel, die (über)komplexen und hoch virulenten betrieblichen Anforderungen, die radikale Umstrukturierung hierarchischer Organisationsformen, die rasant voranschreitende Veralterung von Wissen und die umgreifende Europäisierung sowie Globalisierung der Märkte sind heute fixer Bestandteil jeder fortschrittlichen Organisation, zumal derartige Maßnahmen die Leistungs-, Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit und somit die Existenz und das Wachstum einer (modernen) Organisation sicherstellen (sollen). Personalentwicklung wird hier als (betriebspädagogische) Dienstleistung in einem organisationalen System verstanden, das großflächig wirtschaftlichen Rationalitätsüberlegungen unterworfen ist. Sie initiiert, modelliert, fördert, begleitet und evaluiert die Lern-, Reife- und Entwicklungsprozesse auf personaler, interpersonaler und strukturaler Ebene. (Dieses Verständnis rekurriert auf die Ausführungen NEUBERGERs (1994) und SATTELBERGERs (1991). ) Damit ist vorweg der Nukleus der Personalentwicklung umrissen.

Unter PersonalentwicklerInnen werden im Folgenden jene Personen verstanden, die in einer räumlich und sozial klar abgegrenzten gesellschaftlichen Funktionsarena (haupt- wie nebenberuflich) personale, interpersonale und strukturale Arrangements generieren, die Lernen, Reifung und Entwicklung auf allen Ebenen ermöglichen. Im Rahmen dieser spezifischen Aufgabenstellung haben diese Berufsexperten unterschiedlichen Belangen bestmöglich nachzukommen, um die mannigfaltigen organisationalen Zielsetzungen und Anforderungen mit bestimmten (betriebspädagogischen) Handlungen zu erreichen und zu erfüllen. Der Bogen spannt sich dabei von analysierenden, planerischen, strukturierenden, arrangierenden und organisierenden über initiierende, pädagogische, beratende und helfende bis hin zu evaluativen und reflexiven Aufgaben, eingebettet in einem institutionalisierten Spannungsfeld aus ökonomisch-rationalen und pädagogisch-individuellen Sinnquellen und Kontexten.

Beispielhaft für das große Areal an Personalentwicklungsangeboten und -anforderungen seien genannt: Eruierung gegenwärtiger/zukünftiger und qualitativer/quantitativer Personalentwicklungs-/Qualifizierungsbedarfe, mikro- und makrodidaktische Konzeption von betrieblichen Bildungsprogrammen (Führungskräfte-, Train-the-Trainer-, Trainee-, Age-Management-Programme und so weiter), Organisation und Durchführung unterschiedlicher (präventiver) Bildungsmaßnahmen (etwa erhaltungs-, erweiterungs-, anpassungs-, umschulungs- und aufstiegsorientiert), Implementierung von Mitarbeitergesprächssystemen in Kooperation mit externen BeraterInnen, Realisierung von Bildungsmarketing- und -controllingaktivitäten, Entwicklung und Umsetzung von Induktionskonzeptionen, Gestaltung nachhaltiger Feedback- und Work-life-Balance-Systeme et cetera. Dieses Aufgabenspektrum lässt ein erhebliches Machtpotenzial durchscheinen, das sich in entsprechenden Handlungsspielräumen und Gestaltungsoptionen manifestiert. Zudem wird an Hand dieses Leistungsportfolios sofort deutlich, dass die betriebliche Personalentwicklung weder auf eine rein personalwirtschaftliche Funktion reduziert noch mit der betrieblichen Aus-, Fort- und Weiterbildung gleichgesetzt werden kann. Personalentwicklung mit dem Ziel der proaktiven Gestaltung des (individuellen und kollektiven) Arbeits-/Berufslebens ist eine betriebspädagogische Dienstleistung in einem großflächig an Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und Gewinnerwirtschaftung ausgerichteten Kontext, wobei die betriebliche Aus-, Fort- und Weiterbildung der MitarbeiterInnen in der Tat ein essenzielles Teilsegment darstellt.

2.  Personalentwicklung: Eine Welt der Paradoxien

Die hochgradig komplexe und heterogene Struktur in den beruflichen Handlungsvollzügen und die voraussetzungsreiche Polarität von (betriebswirtschaftlichen) Arbeits- und (pädagogischen) Lernprozessen in der Personalentwicklung bedingen einesteils eine kontrastreiche Vielfalt unterschiedlicher Rollenauffassungen und Selbstbilder der PersonalentwicklerInnen, die sich beispielsweise als BeraterInnen, Change-ManagerInnen, DienstleisterInnen, Nicht-BetriebsrätInnen, HelferInnen, MotivatorInnen et cetera sehen (vgl. etwa BECKER 2001, 199ff, KURTZ u. a. 1997, 42ff und NIEDERMAIR 2005, 209ff), andernteils paradox strukturierte, das heißt situativ emergierende, irritierende, unvereinbare und Fehlentscheidungen evozierende Handlungsanforderungen, in die sich die personalentwicklerisch Handelnden mehr oder weniger verstricken, denen sie aber gleichzeitig irgendwie gerecht werden sollen (vgl. SCHÜTZE 2000, 50ff sowie SCHÜTZE u. a. 1996, 333). Diese paradoxalen Problembündelungen sind pikanterweise trotz (oder vielleicht sogar: gerade wegen) der professionellen Realisierung fundierter Analyseverfahren und Arbeitstechniken vorprogrammiert und nicht zu vermeiden.

Gemäß SCHÜTZE (1996, 252) resultieren die sich wechselseitig widersprechenden Erwartungen, die für die Berufshandelnden antinomischen Charakter haben, „aus dem Faktum der ‚Zwischenlagerung' der professionellen Sinnwelten zwischen grundlegend unterschiedlichen Wirklichkeitsbereichen der sozialen Realität (wie der Sphäre kollektiven Handelns und der Sphäre individuellen Handelns)“. Als Beispiele für derartige widerstreitende Tendenzen (Dieter NITTEL von der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt verdanke ich eine Reihe außerordentlich ergiebiger An­merkungen zu diesem Problembereich (siehe dazu auch NITTEL 1994, 416ff, 2000, 37ff und 2004, 10f). Siehe ebenfalls SCHÜTZE (2000, 77ff). Bruno SCHURER sei besonders für seine instruktiven Verbesserungsvorschläge zum vorliegenden Beitrag gedankt. ) seien mit Blick auf die Personalentwicklung angeführt: Organisationale PersonalentwicklerInnen sehen sich einerseits dem Gebot unterworfen, solidarische Beziehungen mit allen Mitgliedern der Organisation aufzubauen, andererseits obliegt ihnen, besonders im Rahmen einer strategischen Personalentwicklung, die Realisierung eines taktisch-politischen Vorgehens in der Organisation. Auf der einen Seite sind PersonalentwicklerInnen den ökonomisch-zweckrationalen Utilitätsinteressen der Organisation verpflichtet, auf der anderen Seite haben sie in ihrer Funktion als betriebspädagogische Dienstleister die human-sozialen Bildungsinteressen der Organisationsmitglieder zu berücksichtigen. Sie müssen immer wieder das Lernpotenzial, die Lerngeschwindigkeit und die motivationale Befindlichkeit einzelner MitarbeiterInnen prognostizieren und auch Voraussagen über den Verlauf von Entwicklungsprozessen (etwa bei der Implementierung eines MitarbeiterInnengesprächssystems) erstellen, ohne allerdings tatsächlich über gesichertes empirisches Datenmaterial und exakte Anhaltspunkte zu verfügen.

Eine weitere unaufhebbare Antinomie: Bildungs- und Beratungsprozesse leben von den wechselseitigen Vertrauensvorschüssen der ‚unberechenbaren' Beteiligten; diese Vertrauensvorschüsse bilden das Fundament einer tragfähigen Interaktionsbeziehung. Gleichzeitig schließt eine ‚bodenständige' Misstrauenshaltung, die eine mitunter realistischere Einschätzung einer Situation und Problembearbeitung sicherstellt, Vertrauensvorschüsse aus. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit mit dem Management. Wollen die PersonalentwicklerInnen in der Organisation nicht zu völlig abhängigen ErfüllungsgehilfInnen des Managements verkommen, müssen sie gegenüber dem Management ein sensibles, ja wohldosiertes Misstrauen walten lassen, ihm gleichzeitig aber antizipativ Vertrauen entgegenbringen, zumal dieses Vertrauen die Grundlage für ein reüssierendes kooperatives Handeln darstellt. Eine andere ‚reizvolle' Handlungsparadoxie liegt in dem Umstand, dass PersonalentwicklerInnen zwar zur Einführung von innovativen Personalentwicklungstools in einem komplexen System aufgerufen sind, dabei aber beständig zwischen Erneuerung und Bewahrung changieren müssen. Das Erfordernis des geduldigen und gelassenen Zuwartens hinsichtlich einer anstehenden Intervention (etwa in einem laufenden betrieblichen Teamentwicklungsprozess), gepaart mit der Erwartung einer sofortigen Intervention, um das Risikopotenzial (zum Beispiel die Gefahr der Konflikteskalation im Team) zu schmälern, stellt ebenfalls eine paradoxe Handlungsanforderung dar.

Professionell Handelnde sind gezwungen, sich mit diesen unvereinbaren Erwartungen und dilemmatischen Schwierigkeiten permanent auseinander zu setzen und sie anforderungsgerecht, verantwortungsvoll, achtsam sowie reflexiv zu bearbeiten. Mit anderen Worten: Qualitativ hochwertige Personalentwicklungsaktivitäten in einer risikoreichen und schwierigen, durch vernetzte Interaktionsvollzüge, permanente Zielkonflikte, weitreichende Arbeitsaktivitäten und anspruchsvolle Handlungsmuster geprägten und somit alles andere als einfachen, technokratisch beherrschbaren und expertokratisch instrumentalisierbaren Arbeits-Lern-Welt bedürfen zweifellos professioneller Knowledgeworkers. (Die Bezeichnung nimmt Bezug auf den Soziologen STEHR (1994), der unter diese­­m Terminus Akteure der Wissensgesellschaft - wie Berater, Experten und Ratgeber - subsumiert. Zum Begriff „Wissensgesellschaft“ siehe die kritischen Bemerkungen von LISOP (2004, 258ff).)

3.  Professionalisierung und Professionalität

Professionalisierung, der soziale Prozess der durch Wissenschaft begleiteten Verberuflichung (vgl. NITTEL 2000, 53), zielt im Kern auf die Generierung, Realisierung und nachhaltige Sicherung von Professionalität im Berufshandeln. NITTEL (2000, 71) betrachtet Professionalität „als einen spezifischen Modus im Vollzug des Berufshandelns […], der Rückschlüsse sowohl auf die Qualität der personenbezogenen Dienstleistung als auch auf die Kompetenz des beruflichen Rollenträgers erlaubt“ und unterscheidet angesichts der beiden Professionalitätsquellen Wissen und Können zwischen einem kompetenz- und differenztheoretischen Verständnis von Professionalität (73ff). Beim kompetenztheoretischen Verständnis ist die Frage entscheidend, über welche vitalen Wissensbestände und Fähigkeiten eine Person verfügen muss, um bestimmte berufliche Aufgaben erfolgreich bewältigen zu können. In der Folge werden adäquate Kompetenzkataloge ausformuliert, wobei die aufgelisteten Kompetenzen quasi die Objektivationen von Professionalität darstellen. Dem kompetenzbezogenen Ansatz liegt ein harmonistisches und rationalistisches Realitätsverständnis zu Grunde, mit der Konsequenz, dass Fehlerhaftes, Konfliktträchtiges und Paradoxes am und im beruflichen Handeln als Problem - ja zumeist Defizit - gesehen wird. Damit wird jedenfalls eine Perfektion par excellence angestrebt, der jedoch kaum ein Mensch gerecht werden kann. NITTEL betont: „Nicht jeder kann alles können, und nicht alles, was jemand kann, passt harmonisch zusammen.“ (79)

Dem gegenüber ist gemäß differenztheoretischem Verständnis Professionalität kein verbindlich festgelegter Zustand, vielmehr als berufliche Leistung ständig interaktiv zu generieren und zu stabilisieren. „Sie kann weder verordnet werden, noch erschöpft sie sich in der Ausformulierung normativer Prämissen. Professionalität stellt in dieser Perspektive somit ein extrem störanfälliges, durch das Merkmal der Fallibilität gekennzeichnetes Handlungsphänomen dar.“ (85) Menschen handeln dann situativ-professionell, wenn ihnen die praktische Bearbeitung der auf der Handlungs-, Beziehungs- und Wissensebene bestehenden Spannungen und Störpotenziale erfolgreich gelingt, was bereits so viel bedeuten kann wie die mit Besonnenheit, Souveränität, ja pädagogischem Takt (vgl. KORING 1987 und 1989) realisierte Vermeidung von Vereinseitigungen, etwa die Auflösung von Widersprüchen ausschließlich nach einer Seite hin. Ähnlich wie KOHLI (1988, 39), der menschlicher Individualität eine naturgemäße biografische Dimension zuweist, erachten wir Professionalität im differenztheoretischen Sinn vornehmlich als biografisch orchestrierten und variablen Verlaufsmodus. Professionalität in Form einer biografisch aufgeschichteten und auf Entwicklung gerichteten Struktur ist somit „nicht inhaltlich bestimmbar, sondern prinzipiell auf eine offene Zukunft hin angelegt“ (39f).

Professionalität beziehungsweise ein besonders ausgewiesener Beruf, eben eine Profession, wird gespeist durch (wissenschaftliches) Wissen, (berufspraktisches) Können (im Sinne von situativ-erfolgreichem Handeln) und Reflexion über spezifische Prozesse (vgl. NITTEL 2000, 71). Während bei individuellen, großflächig selbstgesteuerten und -bestimmten Professionalisierungsvorgängen die persönliche berufliche Reifung und der berufsbiografische Substanzaufbau vorrangig sind, konzentrieren sich kollektive, häufig außengesteuerte Prozesse der Professionalisierung (durch die PersonalentwicklerInnen als Sozialität) auf die Bündelung von Berufsaufgaben und -rollen sowie die Entwicklung von berufsspezifischen Denk- und Glaubensweisen (nicht nur für jeden einzelnen Berufstätigen, sondern für die gesamte Berufskollektivität) zur gesellschaftlichen Konstituierung einer Profession.

Obwohl ohne Zweifel im Bereich der Personalentwicklung individuelle wie kollektive Professionalisierungsbestrebungen und -vorgänge sowie unverwechselbare Professionsmerkmale zu beobachten sind und obwohl somit, wie BECKER (2001, 188) formuliert, „von einem fortgeschrittenen Prozess der Professionalisierung der Personalentwicklung“ ausgegangen werden kann, ist der PersonalentwicklerInnenberuf in seiner jetzigen Ausformung - so die hier vertretene These - noch nicht professionalisiert und die Personalentwicklung hat sich gegenwärtig noch nicht als Profession etabliert. Vielmehr schreiben wir ihr mit Bezugnahme auf ein dem Symbolischen Interaktionismus (Siehe hierzu beispielsweise folgende prominente Literatur: ARBEITSGRUPPE BIELEFELDER SOZIOLOGEN (1973), BLUMER (1969), BUCHER/ STRAUSS (1972) und HUGHES (1971). ) angelehntes Professionsverständnis und trotz zutreffender professionstheoretischer Attribute (etwa dem Vorhandensein von Antinomien sowie der Sensibilität gegenüber dem sozialen Wandel) den Status der ‚Berufskultur' zu. (Meine weiteren Ausführungen zur Berufskultur der Personalentwicklung sind stark durch NITTELs Gedanken hinsichtlich der Erwachsenenbildung/Weiterbildung (vgl. im Besonderen 2000 und 2002) und SCHÜTZEs Feststellungen bezüglich des Sozialwesens beziehungsweise der Sozialarbeit (vgl. speziell 1992 und 1996) geprägt. Siehe dazu auch NIEDERMAIR (2005). ) Mit dieser gesellschaftstheoretischen Kategorie kommt, rekurrierend auf STRAUSS (1978), zum Ausdruck, dass zur Berufskultur der Personalentwicklung alle im Berufssegment der Personalentwicklung praktizierenden Akteure gehören, die für sich eine soziale, aus mannigfaltigen sozialen Netzwerken bestehende Welt bilden.

4.  Die Berufskultur der Personalentwicklung

Die Bezeichnung der Personalentwicklung als ‚Berufskultur' lässt sich mit Blick auf die Strukturkomponenten einer Profession folgendermaßen fragmentarisch begründen: Genuine Professionen (versus Semi-, Halb- und Pseudo-Professionen) - zu denken ist vorrangig an ÄrztInnen, RichterInnen, RechtsanwältInnen, NotarInnen, SteuerberaterInnen, TherapeutInnen und PriesterInnen - sind spezielle, zumeist akademische Berufe, die innerhalb eines abgegrenzten Arbeitsbereiches oder eines Segmentes einer höhersymbolischen, also nicht alltagsweltlichen Sinnwelt, besondere Dienstleistungen für/an Menschen erbringen, wobei dabei systematisch (akademisch) generiertes Wissen - im Sinne von besonderem explizitem und implizitem Professionswissen - zur Anwendung gelangt. Diese besonderen Dienste, die von STICHWEH (1996, 50) als Erscheinung des Übergangs von der ständisch geprägten Gesellschaft des alten Europa zur modernen, funktional differenzierten Gesellschaft betrachtet werden, orientieren sich grundsätzlich am (individuellen) Wohl der überantworteten Bezugspersonen und dienen, so HESSE (1972, 47), „weniger der Befriedigung privater Interessen der Berufsangehörigen“.

Mit Blick auf NEUBERGERs Definition von Personalentwicklung („ PE ist die Umformung des unter Verwertungsabsicht zusammengefaßten Arbeitsvermögens “ – 1994, 3) wird erkennbar, dass sich zum einen die legitime Frage stellt, wer AnsprechpartnerIn/KlientIn der PersonalentwicklerInnen in den Organisationen ist, mit der/dem ein vertrauensvolles Arbeitsbündnis ausgehandelt wird, damit diese(r) folglich prosperieren kann. Zum anderen wird augenfällig, dass es zum Widerstreit zwischen den Orientierungen am Wohl unterschiedlicher Kundengruppen (MitarbeiterInnen, Arbeitsteams, Führungskräfte et cetera) kommen kann, ja geradezu muss. Dabei stellt NEUBERGER unmissverständlich klar, dass es gemäß seiner Auslegung vorrangig um das Wohl, sprich den Gesamterfolg der Organisation beziehungsweise des Aggregats Personal geht, also die großzügige Ausrichtung am Wohl des einzelnen Mitarbeiters keineswegs das hauptsächliche Ziel personalentwicklerischer Arbeit ist.

Da Professionen als nicht-gewöhnliche Berufe „prekäre Zentralprobleme ausdifferenzierter Gesellschaften, die mit alltäglichen Handlungsmitteln nicht beherrschbar sind“ (SCHÜTZE 2000, 89), bearbeiten, bilden der gesellschaftliche Auftrag und die gesellschaftliche Erlaubnis die beiden tragenden Säulen der Existenz von Professionen. HUGHES (1971, 287) stellt hinsichtlich dieser Existenzbedingungen klar: „An occupation consists in part in the implied or explicit license that some people claim and are given to carry out certain activities rather different from those of other people and to do so in exchange for money, goods, or services. Generally, if the people in the occupation have any sense of identity and solidarity, they will also claim a mandate to define - not merely for themselves, but for others as well - proper conduct with respect to the matters concerned in their work. They also will seek to define and possibly succeed in defining, not merely proper conduct but even modes of thinking and belief for everyone individually and for the body social and politic with respect to some broad area of life which they believe to be in their occupational domain.”

In einem solchen Sinn ist es den österreichischen PersonalentwicklerInnen unseres Erachtens bis dato nicht gelungen, ihr berufliches Mandat und ihre berufliche Lizenz in der Gesellschaft im Allgemeinen, in den dominanten Sozialwelten Betrieb, Medien und staatliche Entscheidungsinstanzen im Besonderen, zu behaupten und zu institutionalisieren. Daher ist auch die Berufsetikettierung ‚PersonalentwicklerIn' von staatlicher Seite nicht geschützt, mit anderen Worten: Jede(r), die/der sich heute zur Arbeit in der Personalentwicklung berufen fühlt, kann als PersonalentwicklerIn (mit einer entsprechend exquisit gestalteten Visitenkarte und einem ansprechenden Leitbild) am Beschäftigungsmarkt auftreten; gleichwohl ist damit noch keine automatische Arbeitsmarktgängigkeit gegeben. Warum hat dieser kulturell-gesellschaftliche Legitimationsprozess (jedenfalls in Österreich) noch nicht stattgefunden?

Dies lässt sich zum einen mit der Unklarheit bei der zentralen gesellschaftlichen Wertkategorie begründen. Die Profession der MedizinerInnen besitzt ihre eigene abgegrenzte symbolische Sinnwelt und verwaltet darin das einzigartige Gut ‚Gesundheit', RichterInnen kümmern sich um den Zentralwert ‚Gerechtigkeit'. Über welche eigenständige symbolische Sinnwelt verfügen nun PersonalentwicklerInnen, und was verwalten sie in (mehr oder weniger) monopolistischer Weise für die Gesellschaft? Unseres Erachtens ist die Aus- und Weiterbildung sowie die (formell oder informell organisierte) Entwicklung von Menschen in Organisationen durchaus ein zentraler gesellschaftlicher Wert, der allemal mandats- und lizenzwürdig ist, zumal den PersonalentwicklerInnen Menschen in Organisationen anvertraut sind. Allerdings hat der entsprechende gesellschaftliche Aushandlungsprozess noch nicht stattgefunden. Dies beweist auch die Abstinenz der Personalentwicklung im kollektiven Bewusstsein der Bevölkerung, sodass auch gegenwärtig nur ein minimal ausgeprägtes Berufsimage in der Öffentlichkeit und in der Medienwelt zu finden ist.

Die Klarstellung des fachlichen Zuständigkeitsbereiches im Rahmen des dringend nötigen gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses hat vor allem deshalb noch nicht stattgefunden, weil die praktizierenden PersonalentwicklerInnen diesen Auftrag und die gesellschaftlich ratifizierte Erlaubnis bis jetzt auch noch nicht ausreichend eingefordert haben. Mitunter lässt sich diese Zögerlichkeit darauf zurückführen, dass die Berufsgruppe keine, wie HUGHES oben betonte, Spur von Identitäts- und Solidaritätssinn aufweist. Auch kann es sein, dass sie sich nicht nur ihrer Leistungsfähigkeit, personalentwicklerischen Professionalität sowie ihres Wertschöpfungspotenzials im Allgemeinen und der Mächtigkeit ihrer zur Verfügung stehenden Personalentwicklungsverfahren im Besonderen nicht hinreichend bewusst ist, sondern darüber hinaus angesichts ihrer (individuellen) Einbettung in innerbetriebliche Organisationsstrukturen die Notwendigkeit zur (kollektiven) Etablierung der Zielmarge ‚Profession' und zur Durchsetzung eigener Interessen in der Öffentlichkeit (hier im Besonderen auch in Kooperation mit MedienpartnerInnen) gar nicht sieht!? Hieraus lassen sich unterschiedliche offene, auf die autobiografische Selbstthematisierung und das Bewusstsein der PersonalentwicklerInnen abzielende Forschungsfragen ableiten, beispielsweise: Sehen die im Aktivitätsfeld der Personalentwicklung tätigen Personen für sich selbst das Mandat und die Lizenz der Gesellschaft, die in einer Dialektik aufeinander bezogen sind? Wie erleben PersonalentwicklerInnen ihre gesellschaftliche Reputation? Offenbaren die Eigeninterpretationen der betrieblichen PersonalentwicklerInnen eine professionsbezogene Ausrichtung? Lassen die biografischen Alltagstheorien Standesgeist, Wir-Gefühl und homogene Denkungsarten erkennen? Sehen die PersonalentwicklerInnen die Notwendigkeit zur Mobilisierung eines Machtpotenzials auf den unterschiedlichen gesellschaftlichen Plattformen (Politik, Arbeitsplatz, Medien et cetera)?

Fest steht jedenfalls: Wenn es den PersonalentwicklerInnen nicht gelingt, die Öffentlichkeit ernsthaft und hinreichend davon zu überzeugen, „dass sie zu einer anspruchsvollen personenbezogenen Dienstleistung […] fähig sind und eine Problemstruktur bearbeiten können, deren Auflösung im elementaren Interesse sowohl der Individuen als auch der Gesellschaft liegt“ (NITTEL 2000, 67f), wird dieser Berufsgruppe seitens der Gesellschaft das Mandat und die Lizenz und damit folglich auch die adäquate (soziale) Reputation und der angemessene (materielle) Gegenleistungsanspruch vorenthalten bleiben. Schließlich liegt für den Beruf der PersonalentwicklerInnen bislang nicht nur ein bloß verschwommenes, überspitzter formuliert: ja äußerst diffuses Berufsbild vor, sondern es sind auch keine einheitlichen und versierten personalentwicklerischen Qualitätsstandards erarbeitet, wobei wir von GIESEKE (1996, 679) wissen, dass präzise definierte Standards „zu den Voraussetzungen für professionelle Entwicklungen gehören“, um die Qualität der Arbeit zu sichern.

Aufgrund dieser Unschärfen und Defizite kann im Augenblick keine Monopolisierung der personalentwicklerischen Dienstleistung sicherstellt werden, zumal auch das eigene Berufssegment berufspolitisch nicht (ausreichend) abgeschirmt wird und wenig Public Relations erfährt. Es ist aber davon auszugehen, dass der Berufskultur der PersonalentwicklerInnen nur dann das gesellschaftliche Mandat und die Lizenz zugewiesen werden wird, wenn es ihr gelingt, der breiten Öffentlichkeit den Wert und den Nutzen der in Organisationen realisierten personalentwicklerischen Arbeit aufzuzeigen und sie davon authentisch zu überzeugen. In diesem Sinne sind Berufsverbände als gesellschaftspolitisch anerkannte Expertengremien sichtbarer Ausdruck jeder Profession. Auch wenn es durchaus Beispiele für Zusammenschlüsse von PersonalentwicklerInnen gibt (siehe etwa die diversen PersonalentwicklerInnenclubs und Personalentwicklungs-Erfahrungsaustausch-Gruppen), so sind diese Podien und Netzwerke keine schlagkräftigen Standesvertretungen und keinesfalls den Berufsverbänden anderer Professionen ebenbürtig, vielmehr relativ lose, ja mit ‚privatem' Charakter behaftete Zusammenschlüsse, die weder angemessenes Berufsverhalten definieren und einen Korpsgeist sicherstellen, noch über ernstzunehmende Interventionsmöglichkeiten zur kollektiven Durchsetzung von Interessen in der Gesellschaft verfügen.

Charakteristisch für einen gehobenen Beruf ist nicht nur das ambitionierte Bemühen der RepräsentantInnen der Berufskultur um eine professionelle und innovative Ausbildung des Nachwuchses, innerhalb derer sie „das Wissen und das Ethos eines Berufs bewusst kultivieren, kodifizieren, vertexten und damit in die Form einer akademischen Lehrbarkeit überführen“ (STICHWEH 1996, 51), sondern auch die Etablierung bestimmter Binnenarenen (wie etwa Bildungseinrichtungen, Tagungen, Zeitschriften und Award-Vergaben), um Commitment bei den Berufsakteuren zu entfalten. Professionen versuchen mit Blick auf ihre höhersymbolische Sinnwelt, wie wir von HUGHES bereits wissen, Denk- und Glaubensweisen hinsichtlich des gesamten Lebensbereichs zu prägen - Ansprüche, von denen der Berufsstand der PersonalentwicklerInnen noch weit entfernt zu sein scheint!

Professionen verfügen über einheitliche Bewegungsprofile beziehungsweise Karrierepfade, die immer dann entstehen, wenn sich - so BERTHEL (1989, 236) - „charakteristische Positionsfolgen herausbilden, die über längere Zeit konstant bleiben.“ Hier machen wissenschaftliche Befunde (vgl. NIEDERMAIR 2005) deutlich, dass sich PersonalentwicklerInnen ohne spezielle Statuspassagen, einheitliche Zugangsdeterminanten und überschaubare Karrieregänge in relativ offenen Beschäftigungsarealen bewegen. Die Zuwanderung in den Personalentwicklungsbereich erfolgt nach entsprechenden Suchbewegungen aus erstaunlich unterschiedlichen Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Berufskarrieren; QuereinsteigerInnen sind geradezu der Normalfall. Auch wenn die zuständigen EntscheidungsträgerInnen in den Organisationen von den BerufsaspirantInnen zunehmend den Abschluss eines, allerdings nicht klar definierten, Hochschulstudiums erwarten, das den Besitz eines berufsnotwendigen Kompetenzprofils gewährleisten soll, stellt dies heute noch keine conditio sine qua non dar. Daher sei in diesem Zusammenhang auch die (an dieser Stelle unbeantwortet bleibende, aber sehr wohl Skepsis offenbarende) Frage aufgeworfen, ob unter derartigen Rahmenbedingungen die tätigen PersonalentwicklerInnen überhaupt die Möglichkeit zur substanziellen Entfaltung (selbst)wirksamer berufsbiografischer Identitäten als Professionelle haben.

Auf dem häufig verschlungenen Pfad in den Personalentwicklungsbereich stellen Studienschwerpunkte, Weiterbildungen, Beziehungskonstellationen und Projektbeteiligungen wichtige Wegmarken dar. Auf Grund der differierenden Zugangsvoraussetzungen, der erratischen Karrierepfade und da der Beruf der PersonalentwicklerInnen außerdem nicht basaler Natur ist, könnte zur Zeit - mitunter etwas übertrieben - noch von einem ‚Patchwork'-Beruf gesprochen werden (vgl. NIEDERMAIR 2005). Oder noch pointierter: In der Personalentwicklung kann jede Person tätig werden, Hauptsache, sie fühlt sich dazu berufen, ist an der Tätigkeit interessiert und hat irgendein Studium erfolgreich abgeschlossen (zur Vielfalt der Studienabschlüsse siehe ebenfalls MÜNCH/ WEIS 1991).

Ein Kennzeichen von Professionen ist schließlich auch das kollektiv geteilte Bewusstsein, potenziell riskante Dinge zu realisieren beziehungsweise in einer anderen Weise gravierend in die Biografie und Lebenspraxis von Menschen einzugreifen und den Menschen damit unter Umständen durch fehlerhaftes Vorgehen Schaden zuzufügen. Bei PersonalentwicklerInnen ist diese Sensibilität derzeit wenig ausgeprägt. Mit anderen Worten: Die mit personalentwicklerischem Handeln unweigerlich verbundenen, teilweise nicht kalkulierbaren Gefahren und unzulässigen Kunstfehler (im Gegensatz zu zulässigen Fehlern nach dem akzeptierbaren State of the Art der Profession) werden zu wenig gesehen und reflektiert. Denken wir beispielsweise an die zerstörte Vertrauensgrundlage der Interaktionsbeziehung zu den betrieblichen Führungskräften in Folge der Ausnützung beziehungsweise Verwertung erhaltener Informationen, die Aushöhlung der egalitären Kooperationsreziprozität auf Grund eines dilettantischen Methodeneinsatzes in einem Teamtraining oder das Risiko, MitarbeiterInnen auf Grund des bestehenden Wissensgefälles zu demotivieren und unselbstständig zu machen. Personalentwicklung impliziert vielfach Selektion, die wiederum den produktiven (wie auch humanen) Entfaltungsprozessen der MitarbeiterInnen massiv abträglich sein kann. Auch besteht die Gefahr, die Entscheidungsfreiheit der einzelnen MitarbeiterInnen deutlich einzuschränken, indem beispielsweise bei der Informationsweitergabe selektiv und rigide vorgegangen wird und Informationen, die für MitarbeiterInnen Entscheidungsrelevanz besitzen, (bewusst oder unbewusst) verschwiegen werden.

5.  PersonalentwicklerInnen als Wissenschaftliche Professionelle

Diese für die Professionalisierung der Personalentwicklung werbenden Ausführungen lassen allerdings keineswegs den Schluss zu, dass die in den österreichischen Organisationen agierenden PersonalentwicklerInnen grundsätzlich unprofessionell handeln würden, nur weil ihnen an dieser Stelle nicht der Status der gesellschaftlichen Institution ‚Profession' zugestanden wird. Professionelles Handeln als spezifische Form der Realisierung beruflichen Handelns ist nicht unbedingt an die Existenz einer in der Gesellschaft fest verankerten Profession, im Sinne eines besonderen Berufs, noch an den kollektiven Prozess der Professionalisierung gebunden, in dessen Verlauf adäquate Denkhaltungen und Handlungsweisen für die gesamte Kollektivität einer Gesellschaft geprägt werden (vgl. NITTEL 2000, 70 und SIEBERT 1990, 284).

Betriebliche PersonalentwicklerInnen werden hier - unter Berücksichtigung der augenfälligen Affinitäten mit anderen Professionen und rekurrierend auf STICHWEH (1987, 258f) - als ‚Wissenschaftliche Professionelle' bezeichnet, die in einer professionellen Arbeits-Lern-Welt agieren. Dieser Typus bewegt sich im Vergleich zum ‚Klassischen Professionellen' auf offenen Beschäftigungsmärkten, in welchen Menschen mit sehr unterschiedlichen Qualifikationsprämissen Arbeitsmöglichkeiten finden, wobei der notwendige berufsbiografische Substanzaufbau primär in der praktischen Personalentwicklungsarbeit erfolgt. Eng verbunden mit der Offenheit des Beschäftigungszugangs ist die Abwesenheit professioneller Autonomie, denn Wissenschaftliche Professionelle arbeiten in der Regel mit Personen (Vorstandsmitglieder, Führungskräfte und so weiter), die nicht nur über Ziel und Ausführung der Tätigkeit des Professionellen bestimmen, sondern auch - im Besonderen vor dem Hintergrund beschränkter Ressourcen - einen mehr oder weniger klaren Zeit- und Kostenrahmen vorgeben, innerhalb dessen sich die geplanten Personalentwicklungsaktivitäten zeitlich und finanziell zu bewegen haben. Gleichwohl darf angesichts dieser mehr oder weniger mächtigen Organisationszwänge nicht ausgeblendet bleiben, dass sich Professionelle, wohl aus ihrer biografisch verinnerlichten und fragil entfalteten Berufsidentität heraus, oftmals hartnäckig für das Bildungs- und Entwicklungsrecht der Organisationsangehörigen einsetzen (auch wenn es noch kein dezidiertes Bildungs- und Entwicklungsrecht des Erwachsenen gibt – vgl. GIESEKE 1996, 692) und sich dabei sowohl offen als auch subtil gegen Einschränkungen, Verhinderungen und Übergriffe der Organisation auflehnen und wehren (vgl. SCHÜTZE 1996, 193).

Die Ausbildung von Wissenschaftlichen Professionellen erfolgt über sekundäre Professionalisierungsprozesse, womit die Generierung von Bedarfen durch Verwissenschaftlichung (im Besonderen auch durch die Neukonstitution von akademischen Disziplinen und Studienfächern) ausgedrückt wird (vgl. NITTEL 2000, 58). Dieser Akademisierungsschub, verbunden mit dem Desiderat der systematischen Optimierung der (wissenschaftlich akzentuierten) Wissensgrundlagen und der Entfaltung einer berufsspezifischen Gesinnung, ist angesichts der vielfältigen, ja paradoxen Erwartungen, Interessensebenen und Handlungskonstellationen, mit denen die Berufsgruppe der organisationalen PersonalentwicklerInnen konfrontiert ist, auch dringend vonnöten - so die These.

6.  Ausblick: Schritte in die weitere Akademisierung

Der seit einigen Jahren beobachtbare Trend, personalentwicklungsrelevante Wissensbestände und Inhalte in unterschiedliche (pädagogische) Studienrichtungen, wie etwa Erziehungswissenschaft und Wirtschaftspädagogik, über einen bloßen Appendix hinaus (beispielsweise als Zusatz-, Spezialisierungs- oder Vertiefungsstudium) zu integrieren, kann als auffälliges Zeichen einer sich schleichend fortbewegenden Verberuflichungswelle gewertet werden, deren angestrebten Ziele die wissenschaftliche Fundierung der Wissensbestände, die Revitalisierung des Betriebspädagogischen und die zukünftige Monopolisierung der personalentwicklerischen Dienstleistung sind. (NITTEL (2000, 59) spricht mit Blick auf die Erwachsenenbildung von Phänomenen der defensiven Verberuflichung respektive von Professionalisierungsstrategien, die dem Anti-Domänenkonzept folgen. Demnach verfolgen die ProtagonistInnen der Professionalisierung primär die Optimierung der Wissensgrundlagen mittels Akade misierung; erst sekundär geht es um den Aufbau von Macht, Status, Prestige und Marktchancen. ) An dieser Stelle sei die Hoffnung, ja berechtigte Vermutung erlaubt, dass sich dieser formale Qualifizierungszuwachs - über den Königsweg der Akademisierung, auf dem professionelles Wissen im Sinne von ausdifferenziertem personalentwicklerischem Wissen aufgebaut und in Übungsfeldern umgesetzt wird - verstärken, wenigstens stetig fortsetzen wird, um zukünftig einen ungehinderten und unkontrollierten Zugang zu vermeiden, vielmehr eine maßgebende Profession mit Alleinstellung zu schaffen.

Die zunächst ungeschützt gestellte Frage nach einem eigenen Studienzweig respektive Studiengang ‚Personalentwicklung', gemäß der an früherer Stelle skizzierten Auslegung, hat Charme. Damit könnte eine gehaltvolle Diskussion angestoßen werden, die dem Gedankenexperiment nachgeht, wie ein derartiges Curriculum zur exzellenten Ausbildung von PersonalentwicklerInnen ausgestaltet sein müsste, um auch eine das Berufsbild entsprechend stabilisierende Funktion und Profilschärfung auszuüben. Dabei ist die Einbindung der Berufsgruppe der PersonalentwicklerInnen in die Phase der Konzeption und Gestaltung der curricularen Struktur sicherlich unabdingbar, denn erst damit kann ein Amalgam aus Wissenschaft und alltäglicher Berufspraxis hergestellt werden, welches "die Fähigkeit nutzen zu können, breit gelagerte, wissenschaftlich vertiefte und damit vielfältige abstrahierte Kenntnisse in konkreten Situationen angemessen anwenden zu können “ (TIETGENS 1988, 37) sicherstellt.

Ohne fertige Ergebnisse präsentieren zu können, sei an dieser Stelle nur kursorisch für ein auf interdisziplinärer Wissenschaftsgrundlage modelliertes Curriculum mit Praktikaanteilen plädiert, das den angehenden PersonalentwicklerInnen systematisch die Möglichkeit bietet, neben berufsspezifisch differenzierten und kodifizierten Wissensbeständen auch höhersymbolisches Wissen zu erwerben. Mittels wissenschaftlich fundierter Analyse-, Diagnose-, Sondierungs-, Interventions-, Beratungs-, Evaluations- und Reflexionsverfahren kann das individuell-berufliche Handlungsvermögen zur Selbstvergewisserung und Reflexion aufgebaut werden (vgl. hierzu auch ALTRICHTER/ GORBACH 1993, 88ff und GILLEN 2007, 525ff), und durch die ambitionierte Realisierung von (professionell begleiteten) Praxisanteilen kann die systematische Eingliederung in die Berufskultur und der gründliche Aufbau einer berufsbiografischen Identität unterstützt werden, um so auch eine individuelle und kollektive Auseinandersetzung mit den virulenten Paradoxien professionellen Handelns auf eine offene, intuitive und konturierte Weise (also ohne sich der fatalen Illusion der allseitigen Harmonie von Interessen und Zielsetzungen hinzugeben) auszulösen und folglich eklatante Fehlerpotenziale sensibel, bewusst und wirksam wahrzunehmen und sorgfältig zu kontrollieren. (Durch eine professionelle universitäre Ausbildung von PersonalentwicklerInnen, deren Wissensfundament sich aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen (im Besonderen der erziehungswissenschaftlichen Teildisziplin Betriebspädagogik und der wirtschaftswissenschaftlichen Teildisziplin Betriebswirtschaft) nährt, ließe sich - so die berechtigte Annahme - weitreichend sicherstellen, dass keine der von SCHÜTZE (1996, 255ff) skizzierten simplen, ja dilettantischen Strategien (mit gefährlichen negativen Konsequenzen) bei der Bearbeitung der Paradoxien realisiert würde. UNGER (2007) weist mit Blick auf Lehrende an deutschen Berufsschulen auf die Bedeutung der reflexiven Auseinandersetzung mit diesen Paradoxien hin, um so im Laufe der Berufsbiografie eine pädagogische Identität zu entwickeln. )

Erst eine so aufgewertete Professionalität und prospektive Kunstfertigkeit (mit spezifischen, aber breit angelegten Verwertungsinteressen und der Abkehr von - betriebspädagogischen und betriebswirtschaftlichen - Laienlösungen) erscheint geschmeidig genug, nicht nur der subjektiven Befähigung der personalentwicklerischen Berufsnovizen gerecht zu werden, "die Ungewißheit des Handelns zu ertragen, immer wieder neu die Implikationen für das Handeln in Ungewißheit zu reflektieren und auf der Basis von Zuständigkeit auch die Verantwortung für das Handeln zu übernehmen" (RABE-KLEBERG 1996, 295), sondern auch die Basis für die Entwicklung einer umfassenden berufsbiografischen Substanz zur souveränen Ausbalancierung divergierender Interessenslagen und Modellierung einer fundierten berufsbiografischen, gemeinsam geteilten Identität als professionell Handelnde (Stichwort: tragfähiger Habitus) im Korsett von Betriebspädagogik und -wirtschaft sicherzustellen.

Trotz dieser positiv zu beurteilenden Entwicklungen und Impulse sind wir von der umfassenden (berufspolitisch-kollektiven) Professionalisierung der Personalentwicklung sichtlich noch weit entfernt. Angesichts der dargelegten Distinktionskriterien kann es nicht verwundern, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anlass sehen, die betrieblichen PersonalentwicklerInnen, die in der Gesellschaft als wissensstarke Berufsgruppe seit Jahren real existieren und keineswegs eine kurzfristig aktuelle Mode darstellen, als etablierte Profession zu bezeichnen, bestenfalls als ‚unreife' oder 'unausgereifte' Profession, die eines sukzessiven Progressionsschubes zu ihrer weiteren Reifung und Entwicklung bedarf. Eine würdige professionelle Berufskultur, von der Menschen, Organisationen und die Gesellschaft insgesamt profitieren können, zumal sie auch unverwechselbare Leistungen erbringt, ist sie in ihrer augenblicklichen Konstitution jedoch allemal!

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