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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT13 - Medientechnik
Herausgeber: Sönke Knutzen, Ulrich Heinen & Alexandra Eder

Titel:
Berufliche Bildung in den Medienberufen – Medien in der beruflichen Bildung


Designrhetorik – Vermittlung von Konzeptions- und Entwurfsstrategien am Beispiel der Bildrhetorik

Beitrag von Henning KRAUSPE (Wilhelm Wagenfeld Schule, Bremen)

Abstract

Die Bildrhetorik wird in Lehrplänen Gestaltungstechnischer Assistentinnen und Assistenten als eigenständig zu vermittelnder Themenbereich ausgewiesen. Das Potenzial der Bildrhetorik wird jedoch – wenn überhaupt – verkürzt wahrgenommen. Teilbereiche werden aus dem Zusammenhang gerissen und hierdurch die Möglichkeit eines Gesamtverständnisses der Bildrhetorik verwehrt. Dabei kann die Rhetorik als Gestaltungstechnik eine Lücke in der Vermittlung systematischer Konzeptions- und Entwurfsstrategien in der Schule schließen, da sie eine in Arbeitsphasen differenzierte Systematik zur Planung, Produktion und Rezeption gestalterischer Werke bietet. Die zielgenaue, gestalterische Planung und Umsetzung aussagekräftiger Artefakte, wie Plakate oder Anzeigen, wird durch die Systematik der Rhetorik erleichtert. Auf der Grundlage der Allgemeinen Rhetorik skizziert dieser Aufsatz Möglichkeiten ihres Einsatzes als bildnerische Konzeptions- und Entwurfshilfe für Schülerinnen und Schüler gestalterischer Berufe.

1 Einleitung und Ausgangsbedingungen

Der aktuelle Lehrplan des Bildungsgangs der staatlich geprüften Gestaltungstechnischen Assistentin/des staatlich geprüften Gestaltungstechnischen Assistenten mit dem Schwerpunkt Medien/Kommunikation stellt die Fachkolleginnen und Fachkollegen im Fach Gestaltungslehre vor eine schwer zu bewältigende Aufgabe (MSW NRW 2007). So wird ein Themenbereich des Faches mit dem Komplex der „Bildrhetorik“ ausgewiesen, ohne diesen jedoch ausreichend zu definieren.[1]

Die Aufnahme des Bildrhetorikbegriffs in den Lehrkanon für Gestalter bietet allerdings großes Entwicklungspotential für die Vermittlung von Konzeptions- und Entwurfsstrategien, da aktuelle Forschungen der Designtheorie nahelegen, dass das System der Allgemeinen Rhetorik als theoretischer Überbau einer modernen Gestaltungspraxis fungieren kann und sollte.[2]

Das grundsätzliche Problem besteht darin, dass die Designtheorie zwar die Bedeutung der Rhetorik als Gestaltungssystem erkannt und ausgewiesen hat sowie in vereinzelten Fallstudien eindrücklich beweisen konnte, dass das Wissen um die Funktionsprinzipien der Rhetorik als Planungs-, Produktions- und Rezeptionssystematik ein entscheidender Faktor erfolgreichen Gestaltens und Analysierens unterschiedlichster Medien darstellt, ein auf die Schule anwendbares Lehr- und Lernsystem mit konkreten Arbeitsschritten zur Vermittlung dieses wichtigen Instruments zur Planung und Umsetzung des Gestaltungsprozesses jedoch noch aussteht.

Dadurch erscheint das (bild-)rhetorische System nebulös und allzu komplex, um es im Schulalltag aufzuarbeiten. Die Folge ist ein stark verkürzter Zugang zu diesem Thema, der sich (auch im Lehrplan) häufig mit dem Hinweis auf die metaphorische Bedeutung bestimmter Bildinhalte beschränkt. Auch die im Lehrplan nebenstehenden Anmerkungen zum Themenbereich verschaffen mit dem Wortlaut „Formbedeutung und -adaption in zeitbezogenen Kontexten“ keine Klarheit über die Intentionen der Lehrplangestalter. Dieser Aufsatz skizziert ein Konzept zur Vermittlung bzw. zur Integration der bildrhetorischen Gestaltungssystematik in den Gestaltungslehreunterricht.

Wichtig hierbei ist, dass die Vermittlung der rhetorischen Systematik nicht als Selbstzweck verstanden wird, sondern auf die berufliche Relevanz für Gestaltungstechnische Assistentinnen und Assistenten abzielt. Eine reine Übertragung der rhetorischen Systematik aus Antike oder Früher Neuzeit auf heutige Visuelle Kommunikation und ihre Produkte reicht dabei nicht aus. Die Herausforderung der didaktischen Arbeit besteht vielmehr darin, verstreut und teilweise unabhängig voneinander existierende Wissenschaftsgebiete wie Werbestrategie, Werbewirkungsforschung, Kreativitätstechnik, Visuelle Argumentation etc. als Bestandteile einer modernen Bildrhetorik zusammenzuführen, um hieraus eine für heutige Gestalter interessante Gestaltungssystematik zu erstellen, die lern- und lehrbar und vor allem praktisch-gestalterisch anwendbar ist.

Die Konzentration in der Vermittlung liegt dabei in erster Linie auf dem planerischen Grundgerüst der Rhetorik, welcher die Gestaltungsarbeit als sukzessiven Prozess versteht und in fünf Arbeitsphasen unterteilt. Die Schüler sollen durch den Nachvollzug dieses Gestaltungsprozesses nachhaltig befähigt werden, konzeptionell-planerisch zu arbeiten, um auch in Zukunft Gestaltungsaufgaben systematisch und effizient bearbeiten zu können. Damit wird dem alltäglichen, schulischen Problem begegnet, dass Schülerinnen und Schüler in Gestaltungsprojekten sehr häufig die nötigen planerischen Vorüberlegungen überspringen und ihre Gestaltungsarbeiten nach dem Versuchs- und Irrtumsprinzip in langwierigen Computersitzungen erstellen. Diese ermüdende Arbeit endet häufig mit mehr oder weniger akzeptablen Zufallsprodukten. Ein Konzeptpapier beispielsweise wird als lästige Arbeit angesehen und häufig erst im Nachhinein geschrieben, wodurch es seine Funktion als effektives Planungsinstrument zur gezielten Erstellung wirkungsvoller und intentionsgeleiteter Kommunikation verliert.

Da die Rhetorik ein Rezeptwissen praktischer Kommunikationsmittel bereit hält und somit eine Theorie der Praxis ist, die ihr Wissen aus praktischem Tun gewinnt, drängt es sich geradezu auf, dieses Wissen im Rahmen eines praktischen Gestaltungsprojektes zu vermitteln. Mit dieser Ausrichtung wird dieses Konzept auch der im Lehrplan zu findenden Forderung nach Umsetzung grundlegender visuell-kommunikativer Gestaltungszusammenhänge im Rahmen des Gestaltungslehreunterrichts gerecht. Die Systematik der Rhetorik scheint darüber hinaus auch besonders geeignet zu sein der Forderung zur Entwicklung von Problemlösungs- und Zielfindungsstrategien sowie der Förderung kreativer Fähigkeiten der Schüler entgegen zu kommen, um sie damit zu beruflicher Handlungsfähigkeit zu führen, da das Wissen um die Systematik sowie die innerhalb dieser vermittelbaren Wissensbestandteile und Methoden (wie z.B. Kreativitätstechniken) genau dieses Problemlösungswissen vermittelt (MSW NRW 2007, 7).

Der Fokus dieses Aufsatzes liegt aufgrund der Tatsache, dass sich das Hauptarbeitsfeld Gestaltungstechnischer Assistentinnen und Assistenten in medienschaffenden Betrieben wie Werbeagenturen befindet, auf werblicher, bildhafter Kommunikation. Die Thematisierung werblicher Kommunikation bietet sich darüber hinaus dadurch an, dass sie – ganz ähnlich wie die Rhetorik – in ihrer Anlage darauf abzielt, die Rezipienten zu bestimmten (Kauf-)Handlungen zu animieren bzw. (man denke beispielsweise an Non-Profit-Organisationen) zu bestimmten Haltungen gegenüber einer Sache zu bewegen.

2 Aber langsam: Warum Rhetorik? Eine historische Einordnung

Die Rhetorik ist ein komplexes System zur Konzeptualisierung und Umsetzung gestalterischer Aufgaben. Als Konzeptualisierungshilfe war die (Bild-)Rhetorik schon den griechischen und römischen Rednern der Antike als Sammlung von Regeln und Anleitungstexten zur Produktion und Rezeption verbaler und körperlicher Artikulation bekannt, die in einer Allgemeinen Rhetorik dekontextualisiert – also medien-unabhängig – strukturell rekonstruiert werden kann.[3]

Seit der Antike stellte die Rhetorik einen Bestandteil des abendländischen Bildungskanons der sieben Freien Künste (artes liberales), die bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in Westeuropa gelehrt wurden und allumfassend präsent waren. Damit avancierte die Rhetorik zu einer der Leitwissenschaften der westlichen Kultur. Erst nach dem Erstarken idealistischer Ästhetiken um 1800 verschwindet die Rhetorik schließlich aus den Lehrplänen und damit aus der öffentlichen Präsenz.[4]

Dabei war sie von Beginn an ein normatives, multimediales und pragmatisches Planungsinstrument, das praktische Anleitungen für die Auffindung, Anordnung, Ausarbeitung, Erinnerung und Ausführung von Rede und Text, Stadt- und Gebäudearchitekturen, Skulpturen und Gemälden, Musik- und Theaterstücken bereit hielt und als Rezeptbuch, Formelapparat oder Benutzerhandbuch Anwendung fand.

Heute gewinnt die Rhetorik in den auf Wirkung und Überzeugung ausgelegten Gestaltungstechniken, wie insbesondere Werbung[5] und Design (Vgl. Anm. 2), zunehmend wieder an Bedeutung. Auch quasi-rhetorische Theorien aus dem Bereich des Ausstellungs- und Erlebnisdesigns sowie auch aus dem Produktdesign, die sich den Grundstock rhetorischer Funktionsmechanismen mit eigenem Fachvokabular durch Beobachtung und Erfahrung neu erschließen, gehören in diesen Bereich.[6]

3  Die Produktionsphasen der Rhetorik

Die Rhetorik bietet ein sehr großes Wissensreservoir mit vielen Tipps und Tricks wirkungsvoller Gestaltung. Wie oben schon angedeutet, muss schon aufgrund knapper Zeitreserven das rhetorische System auf ausgewählte Inhalte didaktisch reduziert werden.

Aus Gründen der drängenden Notwendigkeit der Vermittlung planerischen Denkens und Handelns, zeige ich an dieser Stelle sowie auch in meinem eigenen Unterricht, den Ablauf des rhetorischen Gestaltungsprozesses auf. Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten diesen Prozess dabei anhand eines Gestaltungsprojektes anstatt ihn sich ausschließlich theoretisch anzueignen. Gegenstände bisheriger Projekte waren beispielsweise die Gestaltung von Werbekampagnen für Uhren und Kondome sowie die Anfertigung von Kinoplakaten. Der im Folgenden dargestellte Prozess ist somit das Ergebnis mehrerer unterrichtspraktischer Iterationen und nimmt bereits Erfahrungen aus der Anwendung auf.[7]

Im Gegensatz zur streng kunsthistorischen Durchführung nach antiken Vorbildern, hat es sich als sinnvoller und praktikabler erwiesen, einige Abschnitte umzustellen und so die klassische Reihenfolge an einigen Stellen zu modifizieren. Die Schülerinnen und Schüler gehen sehr kritisch mit der Thematik um und ich danke ihnen an dieser Stelle für ihre konstruktiven  Hinweise und auch für ihre Begeisterung, die sie der Sache entgegen bringen.

3.1 Phase 1: intellectio – Die Festlegung des Kommunikationsziels

Der erste Arbeitsschritt der Bildrhetorik wird intellectio genannt. Diese erste Arbeitsphase, dient der Gestalterin und dem Gestalter zunächst zur Recherche aller Informationen, die sie oder er benötigt, um eine erfolgreiche, wirkungsvolle Gestaltung zu erzielen. Wesentlich ist hierbei aus dem konkreten Anlass heraus den Redegegenstand, Adressaten und Redegattung zu bestimmen.

Das bedeutet, dass der Rhetor so viel wie möglich an Informationen über das Produkt, die Besonderheiten des Produkts, die Vorteile (und Nachteile) und vor allem auch über die Zielgruppe haben muss, die angesprochen werden soll! Welche Werte und Normen gelten bei ihr, sind sie dem Produkt gegenüber eher aufgeschlossen eingestellt, lehnen sie es ab oder ist es ihnen egal? Haben sie vielleicht noch gar keine Meinung zum Gegenstand? Diese Fragen behandeln den Umstand der Angemessenheit. Wenn klargestellt ist, wie die Rezipienten über  die zu kommunizierende Sache denken, kann der Rhetor diese Einstellungen angemessen und empathisch „bedienen“. Cicero sagt dazu: „Dem Schüler der Rhetorik wollen wir diesen Rat als ersten geben, jede Sache, die er behandeln soll, sorgfältig und gründlich zu studieren.“ (zit. nach UEDING/ STEINBRINK 2005, 211)

Zentraler Teil dieses Werkprozessbestandteils ist die Formulierung und Beurteilung einer Zielformulierung, auf die es zu antworten gilt sowie die Zuordnung zu einer Redegattung. Diese Redegattung – man könnte auch Kommunikationsanlass sagen – bestimmt den gesamten späteren Werkprozess, da hieran die Wahl der Mittel ausgerichtet und ihre Angemessenheit bewertet wird. Der Kommunikationsanlass kann entweder das Lob (Gegenwart), die Beratung (Zukunft) oder das gerichtliche Urteil über etwas Zweifelhaftes sein (Vergangenheit). Je nach Gegenstand der Rede müssen alle drei Perspektiven bei der Kommunikation mitbedacht werden.

Für den Unterricht hat es sich als praktikabel erwiesen, dass die Schülerinnen und Schüler selbstständig im Internet oder anderen Materialien nach jeglichen Informationen über das Produkt suchen. Darüber hinaus stellen sie einen Fragebogen mit relevanten Fragen an eine vorgegebene oder von ihnen definierte Zielgruppe zusammen.

Hieran anschließend erstellen die Lernenden eine möglichst kurze und prägnante Zielformulierung. Diese Zielformulierung wird hierbei als Frage gestellt und fokussiert den aufgefundenen Produktvorteil. Wenn der Vorteil eines Produkts beispielsweise „Robustheit“ lautet, hieße die Fragestellung: „Wie können wir Robustheit kommunizieren?“ Die Lernenden schreiben diese Formulierung auf eine Karte und platzieren sie auf ihrem Gruppentisch. Darüber hinaus formulieren sie auf der Grundlage der in der Befragung generierten Informationen die Redesituation in welcher sie sich befinden. Denn: Ein wichtiges Stichwort rhetorischen Gestaltens ist die Frage der Angemessenheit (aptum).

Hiermit zusammenhängend unterscheidet die Rhetorik in ihrer Affektenlehre drei verschiedene Erregungsgrade, die als gestalterische Grundausrichtung und Antwort auf die zuvor definierte Redesituation verstanden wird. Gestalterinnen und Gestalter können mit Hilfe dieses Werkzeugs die emotionale Ausrichtung ihres Gestaltungsproduktes planen.

In diesem Zusammenhang spricht die Rhetorik vom Prinzip des decorums, also des zielgerichteten Kommunizierens durch Auswahl angemessenen „Schmucks“. So zielt der Affekterregungsgrad des so genannten logos-Appells auf eine weitestgehend emotionslose, auf die Vermittlung von Fakten und Information ausgerichtete Art der Kommunikation. Er ist informativ, die Belehrung durch Information steht im Vordergrund. Auf die Verwendung von Dekoration oder Ornament wird verzichtet. Die Gestaltung ist sachlich und nüchtern.

Der ethos-Appell setzt auf das Vertrauen, die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit des Kommunizierenden – zum Beispiel durch Formen, die es den Nutzerinnen und Nutzern erlauben, sich mit dem Gestaltungsgegenstand zu identifizieren oder es intuitiv bedienen zu können und die sie davon überzeugen, dass sowohl das Produkt, die Marke und das Unternehmen als auch der Gestalter glaubwürdig sind.

Der pathos-Appell will die Nutzerinnen und Nutzer durch Auslösung heftiger Emotionen aufrütteln und erschüttern. Der Gestalter bedient sich expressiver Formen der Kommunikation wie grelle Farben, starke Affekte auslösende Abbildungen und aufwendiges/pompös wirkendes Ornament. Der pathos-Appell arbeitet unter anderem auch mit der Darstellung so genannter AAAMs (artspezifischer, angeborener, auslösender Mechanismen, EIBL-EIBESFELDT 2004, 62-104). Diese lösen beim Menschen unwillkürlich eine körperliche Reaktion aus, welche mit dem Designgegenstand verbunden wird. Hierunter zählen beispielsweise das Kindchenschema, Abbildungen von Wunden und verwundeten Personen (hiermit verbunden die Farbe rot) sowie Abbildungen von sexuellen Attributen, Schlangen oder Spinnen.[8]

Für die weiteren Überlegungen der Ausgestaltung gibt QUINTILIAN in seiner intellectio weitere interessante Hinweise zur Präzisierung der Zielgruppe, welche für Zielgruppenüberlegungen zur Plakatgestaltung fruchtbar gemacht werden können. Hierbei geht es um die Frage, wie das Verhältnis zwischen Redegegenstand und Rezipienten beschaffen ist. Folgende Redesituationen werden in der Rhetorik unterschieden:

genus honestum: Hier hat der Redegegenstand schon von sich aus genügend Gewinnendes, er entspricht den Erwartungen, Ansprüchen und Werten der Zuhörer völlig.

genus humile: Die Zuhörer sind uninteressiert am Redegegenstand, betrachten ihn als belanglos, und es gilt, die Aufmerksamkeit für den Redegegenstand zu gewinnen.

genus dubium: Der Redegegenstand ist für das Publikum zweifelhaft und ungewiss. Eine solche Beziehung liegt z.B. bei Fragen vor, auf die sich verschiedene, gleichwertige Antworten geben lassen. Dieses genus macht das Wohlwollen der Zuhörer erforderlich.

genus turpe: In dieses genus fallen Redegegenstände, welche die Zuhörer überraschen oder schockieren, da sie gegen die allgemein üblichen Vorstellungen verstoßen. So stellt es hohe Anforderungen an den Redner, der im allgemeinen als Einleitung die Einschmeichelung wird verwenden müssen. Wichtige Mittel dieses genus sind die Steigerung und die „Färbung“.

Auch der Designer MARIO PRICKEN beschreibt den Vorgang der intellectio aus der Sicht eines Art Directors. Dieser holt im Kundengespräch sämtliche Informationen über das zu bewerbende Produkt ein, filtert jedoch vor dem Briefing mit seinem Kreativteam in der Werbeagentur sämtliche Informationen aus, welche den später folgenden Kreativitätsfluss einschränken könnten.[9] Um die Bilderfindung anzuregen, sollen den Teammitgliedern vielmehr detaillierte und die Fantasie anregende Informationen über das Produkt zur Verfügung gestellt werden, wie die Gründe dafür, warum das Produkt entwickelt wurde, welche Probleme es löst, welche Vorteile gegenüber anderen Produkten bestehen, die Geschichte des Produkts oder seiner Vorgänger sowie Informationen zur Zielgruppe. Um möglichst kreative Bildideen zu generieren, brauchen Kreativteams Zeit. Sie müssen sich mit dem Produkt auseinandersetzen, es am Besten anfassen, damit spielen oder auch die Produktionsanlagen besuchen.

Wichtig ist, dass diese Recherche, Information und intensive Auseinandersetzung mit der Sache vor einer medialen Umsetzung stattfindet.[10]

So schreibt etwa PRICKEN: „Zuallererst bringen Sie ins Meeting eine klare Zielformulierung mit, die Sie allen Teilnehmern kurz erläutern.“ (PRICKEN 2007, 6) „Entscheidend ist, dass Sie so lange dranbleiben, bis es gelingt, eine zentrale Eigenschaft, einen Nutzen oder einen USP [unique selling proposition = Alleinstellungsmerkmal, H.K.] herauszumodellieren. Der Grund dafür ist denkbar einfach: Ohne präzise Zielformulierung können Sie nicht wissen, was ihr Kunde eigentlich sucht.“ (PRICKEN 2007, 10f)

Die Lernenden arbeiten für die Definition der Redesituation mit den oben beschriebenen genera, um die Redesituation einzugrenzen und daran ihre affektkommunikative Grundausrichtung festzulegen.

genus honestum: Hat der Redegegenstand schon von sich aus genügend Gewinnendes und entspricht er den Erwartungen, Ansprüchen und Werten der Rezipienten, so werden sich die Affekterregungsgrade des ethos oder auch logos-hafte Gestaltungsmittel anbieten. Die Kommunikation von Glaubwürdigkeit und Empathie steht hierbei im Vordergrund. Milde und erfreuende Affekte werden ausgelöst. Der ethos-Apell ließe sich vor diesem Hintergrund auch mit „Entertainment“ umschreiben. Ein Schmunzeln wird angestrebt. Zuneigung, Wohlwollen und Zustimmung werden erzeugt.

genus humile: Sind die Zuhörer uninteressiert am Redegegenstand und betrachten ihn als belanglos, gilt es die Aufmerksamkeit für den Redegegenstand zu gewinnen. Als Antwort sind hierbei mehrere Möglichkeiten der Wahl des Affekterregungsgrades denkbar. Auf der einen Seite ließe sich die volle Aufmerksamkeit durch pathos-hafte Darstellungen und Schockeffekte erreichen. Auf der anderen Seite ließe sich auch durch ethos-hafte Kommunikation Wohlwollen und Freude erzeugen, um die Aufmerksamkeit der Uninteressierten auf sich zu ziehen.

genus dubium: Ist der Redegegenstand für das Publikum zweifelhaft und ungewiss, wäre eine ethos-hafte, auf Glaubwürdigkeit abzielende Kommunikation wahrscheinlich. Durch die Hinzunahme erklärender logos-Elemente könnte dem Publikum die Entscheidung erleichtert werden.

genus turpe: Da in dieses genus Redegegenstände fallen, welche die Zuhörer überraschen oder schockieren, da sie gegen die allgemein üblichen Vorstellungen verstoßen, sind hier pathos-hafte Gestaltungsmittel angebracht.

Die SchülerInnen formulieren nach der Auswertung ihrer Befragungsbögen, welchem genus sie ihr Kommunikationsvorhaben zuweisen und begründen schriftlich ihre Entscheidung. Im Anschluss daran formulieren sie ihre Planungen bezüglich ihrer affektiven Grundausrichtung des von ihnen zu gestaltenden Mediums (logos, ethos, pathos). Mit der Zielformulierung, den Zielgruppenüberlegungen und den Vorentscheidungen bezüglich des affektiven Grundcharakters des Mediums, sind die Designteams gut vorbereitet auf den nächsten rhetorischen Kommunikationsschritt. Sie bilden die Basis für den kreativen Ideenfindungsprozess.

3.2 Phase 2: inventio – Die Erfindung und Auffindung von Bildideen

Die Rhetorik greift auf die antike Topiklehre als Struktur von Suchkategorien zurück, die sich als Recherchekriterien auch auf das Design übertragen lassen. Der Kerngedanke der inventio liegt in der Auffindung typischer Gedanken, Formulierungen und Schlussmuster (topoi) zu einem bestimmten Thema. Themenspezifisch sammeln Gestaltende verschiedene topoi, die später zur Ausformulierung des jeweiligen Grundgedankens (der in der intellectio gefundenen Zielformulierung) beitragen können.

Die inventio ist eine komplexe Findekunst: „Es handelt sich um das Finden von geeigneten Gründen, die zur Deutung eines Sachverhalts beitragen können.“ (MÜHLMANN 2005) Das Interessante daran ist, dass es sich hierbei um „geeignete Gründe“ aus dem öffentlich-gesellschaftlichen Meinungsvorrat handelt. Das heißt, der Rhetor sucht, um schlüssige Argumente in Form von Ausdrücken oder Bildern zu finden, ganz gezielt nach einem öffentlichen, von der Allgemeinheit getragenen Erfahrungswissen, um schlüssig zu argumentieren.

In diesem Sinne sammeln die Schülerinnen und Schüler ausgehend von der Zielformulierung Ideen und Bildwelten. Als Ideengeber benutzen sie zum Beispiel die topoi der Identität, Gegensätzlichkeit oder Ähnlichkeit. (BORNSCHEUER 1976) Wenn wir bei der oben angesprochenen Zielformulierung der Robustheit bleiben, suchen die Lernenden beim Topos der Identität nach Bildwelten und sprachlichen Ideen, welche ihnen zu diesem Thema sofort in den Sinn kommen. Mit welchen Bildern lässt sich Robustheit kommunizieren? Was ist ihre Definition von Robustheit? Gleiches betreiben sie mit den anderen beiden topoi.

Diese topische Herangehensweise trägt in einem ersten Schritt dazu bei, Bildwelten und schlüssige Ideen zu generieren. Dieser Arbeitsprozess hat zum Ziel, so viel Ideen wie nur irgendwie möglich zu sammeln, um einen großen Ideenfundus zu erarbeiten. Als besonders lohnend hat sich der Vorgriff auf die rhetorische Figurenlehre erwiesen, die ihren klassischen Ort in der sprachlichen Ausformulierung der Rede hat. Gerade in der heutigen Werbekommunikation wird als Spezifik des Bildes deutlich, dass die Vermittlung einer „deutlichen“ Werbebotschaft i.d.R. bereits durch eine einzelne Bildidee getragen wird, die man als „Figur“ begreifen kann.[11]

Die Rhetorik besitzt mit der Figurenlehre einen umfassenden Katalog typischer Kommunikationsmuster, um den Rezipienten von der zu kommunizierenden Sache zu überzeugen, welcher heute dekontextualisiert im Deutschunterricht auftaucht. Die Übertreibung, die Metapher, die Auslassung, die Andeutung etc. sind beispielsweise rhetorische Figuren, die sich auf die Bildgestaltung übertragen lassen.

In seiner Analyse von mehreren hundert der weltweit erfolgreichsten Werbeplakate, hat MARIO PRICKEN (analog zur Figurenlehre der Rhetorik) in seinem Buch „Kribbeln im Kopf“ (2007) sowie in seinem Kreativspiel „creative sessions“ an die einhundert „Figuren“ gefunden, die auf diesen Plakaten immer wieder ihre Anwendung finden. Ganz pragmatisch hat er aus diesen Mustern einen Fragenkatalog entwickelt, um auf Bildideen zu kommen. Dabei leitet die in der ersten Phase des Kreativprozesses – der intellectio – erarbeitete Zielformulierung wie ein Fixstern, um bei der Bilderauffindung nicht das Kommunikationsziel aus den Augen zu verlieren.

Ein Beispiel: Wenn in einer Werbekampagne die besondere Robustheit einer Uhr dramatisiert werden soll, so stellt PRICKEN die folgende, Bildidee generierende Frage: „Was könnte man übertreiben, um den Produktvorteil besser darzustellen: Was kann man hinzufügen? Größer? Länger? Schwerer? Dicker? Kann man ihm einen zusätzlichen Wert geben? Lässt sich die Anzahl der Bestandteile vergrößern? Es verdoppeln? Es vereinfachen? Es ins Unermessliche steigern?“ (PRICKEN 2007, 34) Diese Fragen sind originär rhetorisch. PRICKEN verwendet in diesem Beispiel die Redefigur hyperbel (Übertreibung) zur Bildideefindung.

Im Unterricht ziehen die Lerngruppen aus einem Kartenstapel per Zufall 3 Figuren, mit denen sie versuchen, ihre ursprünglichen Ideen aus der Topik zu optimieren, zu steigern und zu präzisieren. Diese zunächst verbal gesammelten Ideen werden wiederum gescribbelt. Die beste Idee wird ausgewählt und im nächsten Arbeitsschritt weiter konkretisiert.

 

Abb. 1:   Schülerentwurf eines Werbeplakates für eine Uhr. Besonderer Produktnutzen: Haltbarkeit, Topos: Ähnlichkeit (Verwendung des „Vater Unser“ als kulturell geprägtes Erfahrungswissen), Verwendete Figur: hyperbel (Übertreibung).

 

Abb. 2:   Schülerentwurf eines Werbeplakates für Kondome. Besonderer Produkt­nutzen: Gefühlsintensität, Topos: Ähnlichkeit, Verwendete Figur: „Ohne Worte“.

3.3 Phase 2: dispositio – Anordnung des Stoffes

In der Phase der dispositio werden die entwickelten Bildideen in Form eines Entwurfs in eine zeitliche, räumliche oder systematische Ordnung gebracht. Durch die Anordnung der Teile soll nun gezielt eine (emotionale) Dramaturgie entwickelt und auch die Erwartungshaltung bedient oder gebrochen werden. Die dispositio unterscheidet dabei die natürliche Ordnung (ordo naturalis), welche der gewohnheitsmäßigen oder aus natürlichen Rahmenbedingungen abgeleiteten Wahrnehmung entspricht (Leserichtung, Goldener Schnitt, Physiologische Grundlagen des Sehens), und der künstlichen Ordnung (ordo artificialis), die Gestalterinnen und Gestalter bewusst wählen, um intendierte Effekte zu erzielen.

In seiner Dissertation „Technologische Bilder – Aspekte visueller Argumentation“ bietet MARTIN SCHOLZ einen Verfahrenspool für Bildproduzenten mit 28 visuellen Techniken, welche als Anordnungs- und Kompositionsschemata die Aufmerksamkeit und Blickführung der Rezipienten im Sinne der dispositio lenken. Hier finden sich bildmedienspezifische gestalterische Mittel wie die Perspektive, Flächenformen, Figur-Grund Beziehungen, Ausleuchtung oder ein variierender Schärfeeinsatz innerhalb des Bildes, welche die Blickführung bestimmen und sich als Gestaltungsgrundlage visueller Argumentation vermitteln lassen (SCHOLZ 2000, 56-61). Interessant an diesem Ansatz ist, dass diese Mittel immer aus der Sicht des Argumentierenden verstanden werden. Im Vordergrund steht immer die Frage, wie sich bestimmte Formen und visuelle Mittel einsetzen lassen, um auf das hinzuweisen, worüber gerade „gesprochen“ wird. Mit welchen Mitteln lassen sich die wichtigen Dinge von den unwichtigen trennen? Wie können wichtige Dinge hervorgehoben werden und eher unwichtige verblassen?

Die Lernenden lösen sich in diesem Zusammenhang zunächst von ihrem Gestaltungsvorhaben und erarbeiten in ihren Gruppen jeweils ein bis zwei visuelle Argumentationsmuster nach SCHOLZ, um sie in einem Kurzvortrag den anderen Gruppen vorzustellen. Jede Gruppe erstellt ein Handout und sammelt Bildbeispiele zur Visualisierung der theoretischen Inhalte. Die Gruppenergebnisse werden gesammelt und als Infoheft von der Lehrkraft vervielfältigt.

Im Anschluss an diese theoretische Erarbeitungsphase wenden sich die Lernenden wieder ihrer Gestaltungsaufgabe zu. Sie wägen ab, welche der kennengelernten Argumentationsmuster eingesetzt werden könnten, um ihre geplante Aussage zu steigern oder zu verdeutlichen. Auch diese Vorüberlegungen werden mit Hilfe von Scribbels oder (Material-)Collagen festgehalten.

Nach dieser intensiven Planungsphase präsentieren die einzelnen Gruppen ihr Konzept im Plenum. Sie beschreiben hierbei ihre Vorgehensweise und erläutern mit Hilfe der rhetorischen Schrittfolge wie sie auf ihre Ideen gekommen sind, welche bildnerischen Mittel sie einsetzen werden und welche rhetorische Figur ihnen bei der Umsetzung ihrer Idee helfen wird. An dieser Stelle wird intensiv diskutiert und kritisiert, um die Gestaltungsideen zu optimieren.

3.4 Phase 4: elocutio – Die Ausarbeitung des Stoffes

In der vierten Phase werden mit den verfügbaren medienspezifischen Mitteln (beim Plakat Fotografie, Typographie, Illustration, Collagetechnik etc.) die aufgefundenen Ideen und Schlussmuster in der überlegten Reihenfolge ausformuliert. In diesem Moment werden die konkret praktischen Entscheidungen darüber getroffen, mit welchen Mitteln des jeweiligen Mediums gearbeitet werden soll, um die geplante Wirkung bestmöglich zu erreichen. Folgende Fragen könnten dabei angestellt werden: Benutzen wir gekörnten analog schwarz-weiß Film oder eine Digitalkamera, verwenden wir HDR-Technik oder benutzen wir niedrig auflösende Handyfotos, zeichnen wir mit Pastellkreide und scannen die Illustration ein oder arbeiten wir mit einem Vektorprogramm, und ähnliches? Diese Ausformung bzw. Umsetzung verfolgt das Ziel, die Argumente gemäß den Intentionen des Gestalters optimal wirksam zu machen. In diesem Kontext wird das Projekt aus der Konzeptions- und Entwurfsphase in die tatsächliche Realisation überführt. Hier wird deutlich, dass die Umsetzung weiterhin wesentlicher Bestandteil des Unterrichts bleibt, jedoch nicht auf diese reduziert wird. Im Rahmen der elocutio gilt es immer wieder den Abgleich mit der zuvor geleisteten Konzeptions- und Entwurfsarbeit zu leisten. Abweichungen sind in diesem Stadium durchaus zulässig, müssen aber später im Plenum begründet werden.

 

Abb. 3:  Schülerentwurf eines Werbeplakates für eine Uhr. Zielformulierung: Robustheit, Topos: Identität, Figur: „Ohne Worte“.

3.5 Phase 5: actio – Der „Vortrag“ der Rede

Die antike Rhetorik versteht unter der actio das aktive Halten der Rede des Redners vor seinem Publikum. So gibt bspw. QUINTILIAN umfassende Tipps bezüglich der Stimmführung und Intonation, sowie Gestik und Mimik der Redner. Diese rhetorischen Inhalte können durch ihre Anwendungsbezogenheit direkt auf die Vermittlung von Präsentationstechniken und das Verhalten von Präsentierenden übertragen werden.

Darüber hinaus lässt sich aber auch das gestaltete Medium an sich als „Redner“ verstehen, welches beim „Halten der Rede“ auf das Publikum trifft. In dem Moment des Zusammentreffens von Medium und Betrachter lässt sich die Wirkung des Mediums durch die Wahl des Ortes der Hängung oder der Montage optimieren. So findet der eigentliche Kommunikationsprozess – vermittelt durch das Medium – erst im direkten Kontakt mit dem Publikum statt. Dieses Zusammentreffen wird selbst zum Gegenstand der Gestaltung.

Die Lernenden machen sich in diesem Zusammenhang Gedanken darüber, wie sie die Wirkung ihrer Medien (z.B. Plakate) im intendierten Sinne durch Hängung, Beleuchtung, Länge der Präsentation, Bewegung, Ton, Größe und die Wahl des Ortes verstärken können. Sie verlassen in diesem Zusammenhang den Lernort Schule und recherchieren nach optimalen Orten zur Präsentation ihrer Werke. Die Orte werden fotografiert und die Werke mit Hilfe von Bildbearbeitungsprogrammen an diese Orte montiert.

Gleichzeitig lassen sich hierbei auch Präsentationsmedien recherchieren, welche eine optimale Präsentation gewährleisten (z.B. Citylights, Litfasssäulen, Heißluftballons, LED-Netze, Fußwegaufkleber, etc.)

4  Fazit

Die Komplexität des rhetorischen Systems sowie dessen unterrichtliche Integration kann in einem solchen Aufsatz nur angeschnitten werden. Daher versteht sich dieser Beitrag als Skizze einer denkbaren Implementierung der Allgemeinen Rhetorik in den Gestaltungsunterricht. Ausgehend von den an dieser Stelle angestellten Vorschlägen und Umsetzungsansätzen ist die vertiefende und fächerübergreifende Auseinandersetzung anzustreben, in der Wechselbeziehungen und Ausbaumöglichkeiten erarbeitet und praktisch erprobt werden. So ließe sich eine Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen des Faches Deutsch/Kommunikation anstreben, welche bspw. die Anwendung der Figurenlehre in der Literatur mit den Lernenden erarbeiten können, um auf diese Weise das im Gestaltungsunterricht erlangte Wissen zu vertiefen und das literarische Gespür zu erweitern. Im Fach Kunstgeschichte ließen sich antike Bauwerke oder Skulpturen mit Hilfe (bild-)rhetorischen Wissens analysieren, um damit den Lernenden einen produktionsästhetischen Zugang zum Verständnis dieser Epoche zu bieten.

Die Regelwerke der antiken Rhetorik enthalten nicht nur ein spannendes Reservoir zielgerichteten Gestaltungswissens über Kommunikationsprozesse in verdichteter Form, sondern sie dienen in der Auseinandersetzung zudem der Versprachlichung implizit entwickelten Designkönnens, um dieses der Diskussion und Vermittlung zugänglich zu machen, sowie der Verortung von entwickeltem Designwissen in einem umfassenden und strukturierten System. Hierdurch erhalten Gestalterinnen und Gestalter auch ein Werkzeug, um eigene oder fremde Werke mit Hilfe nachvollziehbarer Kriterien zu analysieren und zu beurteilen. So kann zum Beispiel auch die (vor allem von Lernenden) häufig vorgebrachte Kritik, dass die Bewertung gestalteter Werke einzig vom Geschmack des Betrachters abhinge, entschärft sowie die Notengebung durch die Lehrkraft transparenter gestaltet werden.

Das System der Allgemeinen Rhetorik für die Lehre nutzbar zu machen hat sich bereits als lohnend erwiesen und bietet somit weiterhin eine curriculare Entwicklungsperspektive für den Gestaltungsunterricht aller designerischen und designnahen Bildungsgänge – auch über das Medium Bild hinaus.

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SCHEUERMANN, A. (2009): Zur Theorie des Filmemachens: Flugzeugabstürze, Affekttechniken. Film als rhetorisches Design. München.

SCHOLZ, M. (2000): Aspekte visueller Argumentation. Weimar.

UEDING, G./ STEINBRINK, B. (2005): Grundriß der Rhetorik. Stuttgart

 

Bildnachweis[12]

Abb. 1: BÖNSEN, H. (2010), Wuppertal.

Abb. 2: BARUTCU, M., HABEDANK, S., ISAKOVICH, L. (2011), Bremen.

Abb. 3: BAHCIVAN, I., (2010), Wuppertal.



[1]     Die Aufnahme des Begriffes ist wohl auf theoretische Restbestände der an Medienkritik und Semiotik orientierten Tradition der Visuellen Kommunikation der 70er Jahre zurückzuführen, beispielhaft bei BARTHES 2005.

[2]     Zur Renaissance der Rhetorik in der Designwissenschaft sowie zu aktuellen Forschungen im deutschsprachigen Raum JOOST/SCHEUERMANN 2008 (Hrsg.), dort insb. die Beiträge von BUCHANAN und HEINEN; Einzelstudien zur Nutzung der Rhetorik als Planungs-, Analyse- und Produktionsinstrument im Film SCHEUERMANN 2009 sowie JOOST 2008.

[3]     Die antiken Quellentexte sind nur spärlich überliefert. Zu den wichtigsten Autoren zählen: ARISTOTELES, CICERO, QUINTILIAN sowie die anonyme Schrift des AUCTOR AD HERENNIUM; einführend zu Grundbegriffen und Geschichte der Rhetorik OTTMERS 1996, GÖTTERT 1994, UEDING/STEINBRINK 2005; erschöpfend zur rhetorischen Systematik LAUSBERG 1990; zur Rekonstruktion der antiken Rhetorik in der Renaissance MÜHLMANN 2005; zur Nutzung der rhetorischen Produktions- und Rezeptionsästhetik in der Frühen Neuzeit grundlegend HEINEN 1996.

[4]     Nach MÜHLMANN (2005, 8) verankert die Kunstwissenschaft hier den Beginn der philosophischen Ästhetik, die mit Kants „Kritik der ästhetischen Urteilskraft“ beginnt und der alle Ansätze von Hegel bis Adorno zuzuordnen sind.

[5]     So etwa bei KROEBER-RIEL (1993, 166) mit Bezug zu Quintilians Darstellungen emotionaler Wirkung innerer Bilder.

[6]     Vgl. dazu die Arbeiten von MIKUNDA (2005), der bspw. die Theorie einer „strategischen Dramaturgie“ entwirft, die starke Parallelen zu den Grundstrukturen einer Allgemeinen Rhetorik aufweist (z.B. Topik, aptum/decorum, aristotelische Dramaturgie, Figurenlehre u.a.), ohne aber explizit als „rhetorisch“ gekennzeichnet zu sein.

[7]     So wird auf eine gesonderte Darstellung des Arbeitsschrittes der memoria - klassischerweise die Phase des Einprägens der Rede für den Vortrag – in diesem medienspezifischen Kontext verzichtet, was die Anzahl der Arbeitsphasen auf insgesamt fünf reduziert.

[8]     Diese Art von Bildern meint auch KROEBER-RIEL (1993), wenn er von biologisch vorprogrammierten Schemabildern spricht.

[9]     Vgl. PRICKEN 2009 sowie PRICKEN 2007, 14. Er nennt hier Budgetrahmen, Ideen und Wünsche des Kunden, Stil-Vorgaben, Marktdaten, bereits verworfene Produkte.

[10]   Auch bestimmte grundlegende Aspekte der Umsetzung – die also klassischer Weise der Realisation bzw. Ausformulierung zugerechnet werden – können hier ihren Platz finden: Neben der Beachtung der Verwendung angemessener Mittel (decorum), muss die Sprachrichtigkeit (latinitas) oder ihre gezielte Brechung beachtet werden (in der Werbung etwa durch Aussagen wie: „Da werden Sie geholfen.“ oder auf einem Kommunalwahlplakat mit: „Es gibt Wichtigäres als Bildung.“).

[11]   Die antike und frühneuzeitliche Bildrhetorik, der Malerei nahe stehend, kannte den Begriff der „figura“ analog zum griechischen „schema“ noch ganz wörtlich als Figur, also als Darstellung eines Lebewesens oder auch Gegenstandes, das bzw. der wiederum aus veränderbaren Teilelementen besteht und im Bildraum angeordnet wird (Konfiguration). (HEINEN 1996, 118-121; KOCH 2000)

[12]   Alle Marken, eingetragenen Warenzeichen, Logos, Produkt- oder Modellbezeichnungen sind Eigentum Ihrer rechtmässigen Eigentümer und allein im Sinne der markenmässigen Verwendung gebraucht worden.


Zitieren dieses Beitrages

KRAUSPE, H. (2011): Designrhetorik – Vermittlung von Konzeptions- und Entwurfsstrategien am Beispiel der Bildrhetorik. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 13, hrsg. v. KNUTZEN, S./ HEINEN, U./ EDER, A., 1-15. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft13/krauspe_ft13-ht2011.pdf (26-09-2011).



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