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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS04 - Produktionsschulen
Herausgeberin: Cortina Gentner


Titel:
Übergänge in der Berufsbildung nachhaltig gestalten durch Produktionsschulen


Editorial zu Workshop 04: Übergänge in der Berufsbildung nachhaltig gestalten durch Produktionsschulen

Produktionsschulen stellen – als Einrichtungen der arbeitsorientierten und beruflichen Bildung, in denen Arbeiten und Lernen kombiniert werden – ideengeschichtlich wie auch realgeschichtlich eine berufspädagogische Domäne dar und sind folgerichtig seit vielen Jahren auch auf den Hochschultagen Berufliche Bildung präsent. Nachdem auf den vorangegangenen Hochschultagen in Hamburg (vgl. KIPP u.a.2000), Darmstadt (vgl. KIPP/ RAPP 2004), Bremen (vgl. KIPP/ LÖWENBEIN 2007) und Nürnberg (vgl. KIPP/ GENTNER 2008) bereits erfolgreiche und gut besuchte Workshops zu Themen der Produktionsschule stattfanden, hatten Prof. Dr. Karin Büchter (Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr Hamburg) und Dr. Cortina Gentner (Behörde für Schule und Berufsbildung der Freien und Hansestadt Hamburg) frühzeitig mit der Planung des diesjährigen Workshop begonnen und das übliche „call for papers“ in die Produktionsschul-Szene verschickt. Die zahlreichen Angebote ergaben einen umfangreichen Programmvorschlag für einen Workshop unter dem Titel „Übergänge in der Berufsbildung nachhaltig gestalten durch Produktionsschulen“. Das zweitägige Workshopprogramm wurde leider seitens der Organisation der Hochschultage Berufliche Bildung auf einen Tag reduziert. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren – angesichts der Entwicklungen der deutschen Produktionsschullandschaft in den letzten Jahren (in der Praxis, Wissenschaft und Bildungspolitik) spiegelt diese Entscheidung sicher nicht die tatsächliche Bedeutung dieses Themas wider. Das Rahmenthema "Übergänge in der Berufsbildung nachhaltig gestalten: Potentiale erkennen – Chancen nutzen“, das ein im Kontext drohenden Fachkräftemangels, rückläufiger Schulabgängerzahlen und unversorgter Jugendlicher besonders brisantes, zugleich aber ungemein facettenreiches Themenfeld aufgegriffen hat, hätte eine umfangreiche Beschäftigung mit Produktionsschulen hervorragend ergänzt und bereichert.

In dem dann eintägig veranstalteten Workshop, der wie auch in den Vorjahren gut besucht war, wurden exemplarisch die neuesten politischen, institutionellen, kapazitären und curricularen Entwicklungen von Produktionsschulen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Berufsbildungspolitik und -praxis unter dem Aspekt der nachhaltigen Gestaltung von Übergängen in die Berufsausbildung bzw. Beschäftigung diskutiert sowie Handlungsoptionen bzw. Szenarien für die Zukunft herausgearbeitet.

Nach der Begrüßung und Einführung in den Workshop durch Prof. Karin BÜCHTER, stellte Dr. Cortina GENTNER „Das Hamburger Produktionsschulprogramm: Produktionsschulen in freier Trägerschaft im System der schulischen Berufsvorbereitung“ vor. Die Hamburger Produktionsschullandschaft hat bundesweit eine Sonderstellung, da hier Produktionsschulen auf der Basis eines Parlamentsbeschlusses eingerichtet wurden und werden. Die sich daraus ergebenden organisatorischen, rechtlichen und finanziellen Verortungen der Produktionsschulen im System des reformierten Hamburger Übergangssystems wurden vorgestellt und die damit verbundenen Gestaltungsoptionen und Handlungserfordernisse diskutiert. Da mit dem (bisher einmalig in Deutschland) systematischen Aufbau einer Produktionsschullandschaft und der geplanten dauerhaften rechtlichen und finanziellen Konsolidierung in Hamburg auch die Möglichkeit erwächst, den bislang noch ausdeutbaren, ungenauen Begriff „Produktionsschule“ zu präzisieren und exekutiv „handhabbar“ zu machen, wurden abschließend Forschungsfelder zum (berufs-)pädagogischen Konstrukt Produktionsschule skizziert, die große Schnittmengen zu klassischen Forschungsfeldern der Berufsbildungsforschung aufweisen. Es gilt, die Produktionsschulen als Feld der Berufs(bildungs)forschung zu „entdecken“, zu beforschen und aktiv mitzugestalten.

Die Produktionsschulen in Deutschland haben sich in den letzten Jahren nicht nur quantitativ – genannt seien hier vor allem die Landesprogramme in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt oder eben auch die Umsetzung in Hamburg – sondern auch qualitativ (weiter-)entwickelt. Neben den konstituierenden Merkmalen von Produktionsschulen – genannt seien hier die marktorientierte Produktion bzw. Dienstleistungserstellung in betriebsnahen Strukturen, die Verknüpfung von Lernprozessen mit Produktionsprozessen sowie die Vermittlung grundlegender beruflicher Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder einer Erwerbstätigkeit notwendig sind – nehmen Verständigungs- und Professionalisierungsprozesse zu den Kompetenzentwicklungsprozessen in den Werkstätten und Dienstleistungsbereichen einer Produktionsschule zu. Der Input von Andrea GREINER-JEAN (Produktionsschule Wolgast) und Sabine OERTEL (Produktionsschule Hamburg Bergedorf) nimmt unter dem Titel: „Kompetenzentwicklung und Kompetenzdokumentation an Produktionsschulen“ diesen Trend auf. Den Erwerb und die Entwicklung von Kompetenzen in den Vordergrund der Ziele von Produktionsschulen stellend, verdeutlichen die beiden Referentinnen vor dem Hintergrund realer Aufträge in den Werkstatt- und Dienstleistungsbereichen der Produktionsschulen in Wolgast und Hamburg-Bergedorf den Zusammenhang zwischen professionellen Kompetenzfeststellungsverfahren, systematischer Entwicklungsplanung und der systematischen Erfassung und Dokumentation im sozialen, personalen sowie fachlichen Kompetenzbereich. Vorgestellt werden ebenfalls die Erfahrungen der Produktionsschulen in Wolgast und Bergedorf mit dem pädagogischen Instrument der „Kompetenztafel“, die als eine produktionsschulspezifische Dokumentation der in den Werkstatt- und Dienstleistungsbereichen erworbenen Kompetenzen, inkl. der Teilerfolge bzw. Entwicklungsschritte entwickelt wurde und genutzt werden kann.

Mit Blick auf die aktuell starke Bewegung in der deutschen Produktionsschullandschaft besteht aber auch die Gefahr von unreflektierter Übernahme des Produktionsschul-Ansatzes, z.B. aus strategischen, förder- oder finanztechnischen Gründen. Es sind Mindeststandards notwendig, die als verbindliche Qualitätsstandards von den Produktionsschulen selbst, aber auch von den zuständigen, finanzierenden Institutionen anerkannt sind. Unter dem Motto „Wo Produktionsschule draufsteht, soll auch Produktionsschule drin sein“ entwickelte ein Arbeitskreis des Verbandes sechs Qualitätsdimensionen, die für den Betrieb einer Produktionsschule konstituierend und schließlich für die vorgesehene Verleihung des geplanten „Qualitätssiegels“ relevant sind. Im dritten Impulsreferat stellen Martin MERTENS (BuntStift Kassel e.V.) und Bernd RESCHKE (Werk-statt-Schule Hannover e.V.) den aktuellen Entwicklungsstand der innerverbandlichen Qualitätsdiskussionen – ebenso wie den Stand des zu entwickelnden Zertifizierungsverfahrens dar: „Übergänge in die Berufsausbildung nachhaltig gestalten durch Qualitätsstandards: das Qualitätssiegel des Bundesverbandes Produktionsschulen“.

In ihrem abschließenden Fazit dieses kurz(weilig)en und anregenden Workshops unterstrich Prof. Dr. Karin BÜCHTER (Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg) nochmals, dass nicht nur eine Standortbestimmung und Verortung im bildungspolitischen und wissenschaftlichen Raum notwendig sind, sondern auch innerhalb der Produktionsschulszene weitere kritische Debatten und Auseinandersetzungen zur qualitativen Verstetigung und Konsolidierung anstehen.

Literatur

GENTNER, C./ KIPP, M (2008): Produktionsschulen als Qualitätselement in der beruflichen Bildung. Zusammenfassung des Workshop 12. In: ARBEITSGEMEINSCHAFT BERUFLICHE BILDUNG E.V. – HOCHSCHULE, BETRIEB, SCHULE (Hrsg.): Qualität in Schule und Betrieb: Forschungsergebnisse und gute Praxis. 15. Hochschultage Berufliche Bildung vom 12. bis 14. März 2008 in Nürnberg. Aachen.

KIPP, M./ LÖWENBEIN, A. (2007): Neue Ansätze in der produktionsorientierten Pädagogik. Zusammenfassung des Workshop 16: Produktionsschulpädagogik – HT 2006 in Bremen. In: SPÖTTL, G./ KAUNE, P./ RÜTZEL; J. (Hrsg.): Berufliche Bildung - Innovation - Soziale Integration; Internationale Wettbewerbsfähigkeit - Entwicklung und Karriere - Mitgestaltung von Arbeit und Technik. 14. Hochschultage Berufliche Bildung 2006 [CD-ROM]. Bielefeld, 5-10.

KIPP, M./ LÜTJENS, J./ SPRETH, G./ WEISE, G. (Hrsg.) (2000): Produktionsorientierung und Produktionsschulen (=Berufliche Bildung zwischen innovativer Programmatik und offener Umsetzung; Dokumentation der Hochschultage Berufliche Bildung 2000, Bd. 19). Bielefeld.

KIPP, M./ RAPP, T. (Hrsg.) (2004): Produktionsschulen – Bestandsaufnahmen und Entwicklungsperspektiven (=„BerufsBildung in der globalen NetzWerkGesellschaft: Quantität – Qualität – Verantwortung“; Dokumentation der 13. Hochschultage Berufliche Bildung  2004, Bd. 23). Bielefeld.


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