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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS04 - Produktionsschulen
Herausgeberin: Cortina Gentner


Titel:
Übergänge in der Berufsbildung nachhaltig gestalten durch Produktionsschulen


Kompetenzentwicklung und Kompetenzdokumentation an Produktionsschulen

Beitrag von Andrea GREINER-JEAN & Sabine OERTEL (Produktionsschule Wolgast im CJD Insel Usedom-Zinnowitz & Produktionsschule Bergedorf, Sprungbrett Dienstleistungen gGmbH)

Abstract

Die Entwicklung und der Erwerb von Kompetenzen (soziale, personale und weitere ausbildungsrelevante/ berufsbezogene Kompetenzen) in den Werkstatt- und Dienstleistungsbereichen einer Produktionsschule stehen im Vordergrund. Die erworbenen und entwickelten Kompetenzen müssen regelmäßig systematisch erfasst und dokumentiert werden. Hierfür nutzen die Produktionsschulen in Wolgast und Bergedorf das pädagogische Instrument der „Kompetenztafel“.

1 Produktionsschulen und Kompetenzentwicklung

Produktionsschulen sind als Einrichtungen der arbeitsorientierten und beruflichen Bildung definiert, in denen Arbeiten und Lernen kombiniert werden (vgl. u.a. BIERMANN 1992; BOJANOWSKI 1996; RAPP 2003 sowie 2005; GENTNER/ RESCHKE 2008; DÖRMANN/ KEMPER/ KLEIN/ KÜHNLEIN 2008; GENTNER/ KIPP 2008). Die Jugendlichen einer Produktionsschule erwerben – auf unterschiedlichem Niveau – berufliche Qualifikationen sowie personelle und soziale Kompetenzen (Stabilisierung und Entwicklung der Persönlichkeit, Teamfähigkeit, Schlüsselqualifikationen) mit dem Ziel der beruflichen und sozialen Integration (vgl. u.a. KIPP/ LÜTJENS/ SPRETH/ WEISE 2000; KOCH 2002; GENTNER 2005 sowie 2008; GENTNER/ BOJANOWSKI/ WERGIN 2008).

Die Produktionsschule ist ein Lernort, an dem sich Arbeiten und Lernen gegenseitig bedingen. Die Lernprozesse finden hier über die Produktionsprozesse statt oder anders formuliert: Die Produktion ist gleichermaßen Zweck wie auch Mittel des pädagogischen Prozesses: „Das pädagogische Konstrukt der Produktionsschule mit seinen konstituierenden Merkmalen der marktorientierten Produktion bzw. Dienstleistungserstellung in annähernd betrieblichen Strukturen und Verknüpfung der Lernprozesse über die Produktionsprozesse ermöglichen die Vermittlung grundlegender beruflicher Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder einer Erwerbstätigkeit (fachliche, methodische, personelle und soziale Kompetenzen) notwendig sind. Die berufsbezogenen Lern- und Entwicklungsprozesse in den Werkstätten und Dienstleistungsbereichen einer Produktionsschule unterstützen die Jugendlichen ebenso bei ihrer beruflichen Orientierung und dabei, ihre eigenen Lebens- und Zukunftsperspektiven zu entwickeln.“ (GENTNER/ MEIER 2010).

Zusammenfassend lassen sich die wichtigsten Ziele von Produktionsschulen wie folgt skizzieren:

  • Produktionsschulen unterstützen bei der beruflichen Orientierung und der Entwicklung eigener Lebens- und Zukunftsperspektiven.
  • Produktionsschulen verfügen über Werkstätten mit unterschiedlichen Produktions- und Dienstleistungsangeboten.
  • Das Zentrum der Produktionsschule bilden die Werkstatt- und Dienstleistungsbereiche, die ein Angebot verschiedener Berufs-, Arbeits- oder Tätigkeitsfelder realisieren. Die Lernprozesse finden dabei praxis- und marktnah, praxisorientiert und direkt in der Produktion/ im Dienstleistungsbereich statt.
  • Produktionsschulen strukturieren ihre Lernprozesse vor dem Hintergrund realer Aufträge und „echter“ Kunden. Dies fördert und unterstützt die Entwicklung der Persönlichkeit, den Erwerb sozialer, personaler und berufsbezogener (fachlicher) Kompetenzen.
  • Produktionsschulen stärken Kompetenzen, die für die Aufnahme einer Berufsausbildung und einer Erwerbstätigkeit notwendig sind.

2 Produktionsschulen und Kompetenzfeststellung

Eine Produktionsschule stellt veräußerbare Produkte her bzw. bietet Dienstleistungen an. An diesen sinnbesetzten, ernsthaften Aufgaben, am eigenen Werkstück und durch die Urteile von Kunden zeigen und entwickeln sich die fachlichen, methodischen, sozialen Kompetenzen der Jugendlichen in den Produktionsschulen. Die Entwicklung und der Erwerb von Kompetenzen (soziale, personale und weitere ausbildungsrelevante/ berufsbezogene Kompetenzen) in den Arbeits- und Lernbereichen stehen somit im Vordergrund.

Die Zielgruppe einer Produktionsschule ist heterogen. Die Jugendlichen können sich bei ihrem Eintritt in die Produktionsschule – je nach individueller Lern- und Lebensgeschichte, der sozialen und kulturellen Ressourcenausstattung ihrer Herkunftsfamilie – auf sehr unterschiedlichem Bildungs- und Entwicklungsniveaustufen befinden (vgl. auch ALEX/ GREINER-JEAN 2008; GENTNER 2008). Die Zielgruppe besteht aus Jugendlichen, die aus den verschiedensten Ursachen nicht die Tatkraft, das Vermögen oder die Möglichkeit haben, die „üblichen“ Angebote der Gesellschaft zu nutzen, und die möglicherweise weniger typische Zugänge zum Fortbildungs-, Erwachsen- und Arbeitsleben brauchen – und diese oft auch wählen. Diese „Zielgruppe“ ist sehr heterogen. Die Jugendlichen sind meistens an der allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schule gescheitert. Es finden sich Brüche in ihren Biografien, und sie sind von Erfahrungen des Misserfolgs und Scheiterns geprägt – mit dem Stempel: „Du kannst nichts“.

Produktionsschulen arbeiten auf der Basis des Kompetenzansatzes, d.h. die Jugendlichen werden in ihren Fähigkeiten und Stärken wahrgenommen, um die Kette bisheriger Defizit- bzw. Misserfolgserfahrungen zu durchbrechen. Die pädagogische Grundhaltung an der Produktionsschule besteht darin, dass die Fachkräfte an Produktionsschulen sich den Jugendlichen gegenüber strikt individuell und kompetenzorientiert verhalten. Im Vordergrund stehen die Stärken, Fähigkeiten und Talente der Jugendlichen. Ein „Defizitansatz“, so wie ihn bereits eine Reihe Jugendlicher erfahren hat, ist nicht zielführend und muss deshalb kategorisch vermieden werden, um den Jugendlichen nicht automatisch stereotype Rollen zuzuteilen.

Nicht die Defizite der jungen Menschen, sondern ihre Kompetenzen, ihre Stärken stehen im Vordergrund. Kompetenzen, die nicht nur im Rahmen der formellen Bildung, sondern auch im Alltag erworben wurden, sollen identifiziert, den Jugendlichen bewusst gemacht und für die Entwicklung genutzt werden. In Produktionsschulen erfolgt die Förderung der jungen Menschen, ansetzend an ihren Kompetenzen, an ihrer Lern- und Lebensgeschichte, ihren Lebenswelten und so weit wie möglich individualisiert. Aber wie lassen – bei unterschiedlichen Entwicklungs- und Kompetenzniveaus dieser heterogenen Gruppe – die Stärken, die Potenziale der Produktionsschüler erkennen? Wie können möglichst exakt die Einflussfaktoren ihrer bisherigen (Lern-)biografie erkannt und erfasst werden, um sie dann optimal zu fördern - und zu fordern, um ihre Entwicklungs- und Lernprozesse zu optimieren?

Die Jugendliche müssen dort abgeholt werden, wo sie stehen, der Bildungsprozess muss individualisiert werden. Jugendliche in der Benachteiligtenförderung haben eine Lebens- und Lerngeschichte hinter sich. Diese Lebens- und Lerngeschichte muss im Hinblick auf die Bildungsprozesse ernst genommen werden. Schon bei Humboldt und Kant, bei Goethe und Pestalozzi findet sich die Erkenntnis, dass Bildung den ganzen Menschen in den Mittelpunkt stellen soll. Unverändert muss dies auch heute unser Ausgangspunkt sein. Denn jeder kann etwas, und jeder braucht die Chance, sich durch Bildung weiter zu entwickeln und sein Leben verantwortlich gestalten zu können. Bildung bedeutet nicht nur Wissen und Qualifikation, sondern auch Orientierung und Urteilskraft - und nicht zuletzt, die Möglichkeit eigene Potenziale (weiter) zu entwickeln.

Wir gehen davon aus, dass alle Jugendlichen über unterschiedliche Bildungs- und Entwicklungsniveaus verfügen. Ausgehend vom Kompetenzansatz muss es gelingen, möglichst schnell , ihre Potenziale zu erkennen und zu erfassen, um individuelle , prozessbegleitende Diagnose- und Beratungsangebote Ziel führend zu installieren. Die Jugendlichen sollen unterstützt werden, ihre eigenen Kompetenzen zu „entdecken“, sich dieser bewusst zu werden und sie systematisch zu entwickeln.

Nur so kann eine optimale und individuelle Unterstützung der Jugendlichen in ihren Lern- und Entwicklungsprozessen gelingen.

Eine systematische Kompetenzfeststellung[1] (berufsrelevante Kompetenzen, Sozial- und Personalkompetenz, kognitive Kompetenzen) – wie beispielsweise HAMET (an der Produktionsschule Bergedorf) oder Profil-AC (an der Produktionsschule Wolgast) – bildet den Ausgangspunkt der individuellen Entwicklungs- und Berufswegeplanung. Die regelmäßige Arbeit mit einem individuellen Förderplan bzw. Lern-, Entwicklungs- bzw. Berufswegeplan[2], der in regelmäßigen Abständen ausgewertet und fortgeschrieben wird, ist für die Produktionsschulen in Wolgast sowie Bergedorf verbindlicher Bestandteil der pädagogischen Arbeit.

Systematische Entwicklungsplanung setzt neben der professionellen Anwendung eines zertifizierten Verfahrens weiterhin voraus:

  1. regelmäßige Ergebnisdokumentation

  2. strikte Individualisierung

  3. Ganzheitlichkeit

  4. Erfassung einzelner Entwicklungsschritte

  5. aktive Einbeziehung der Jugendlichen

  6. Reflexion der Zielerreichung- regelmäßige Entwicklungsgespräche

  7. Einbeziehen von arbeitswelt-, fachbezogenen und sozialpädagogischen Lernschritten.


Da an Produktionsschulen der Erwerb und die Entwicklung von Kompetenzen im Vordergrund stehen, setzt eine systematische Entwicklungsplanung an Produktionsschulen ebenso eine systematische Erfassung und Dokumentation im sozialen, personalen sowie fachlichen Kompetenzbereich voraus. Eine einheitliche Erfassung und Dokumentation der von den Jugendlichen in der Produktionsschule erworbenen Kompetenzen (Fach- und Methodenkompetenzen, kulturtechnische sowie personale und soziale Kompetenzen) gibt es jedoch in der deutschen Produktionsschullandschaft ebenso wenig wie grundlegende Standards bei der Entwicklungsplanung. Es gibt – wie bei den Kompetenzfeststellungsverfahren – weder innerhalb noch zwischen den einzelnen Produktionsschulen einen pädagogischen Austausch über notwendige Mindestmerkmale oder verbindliche Standards von Entwicklungsplanung bzw. bzgl. der Dokumentation erworbener und entwickelter Kompetenzen (vgl. GENTNER 2008 sowie GENTNER/ MEIER 2011).

3 Kompetenzentwicklung in den Werkstatt- und Dienstleistungsbereichen

Die Curriculumgestaltung einer Produktionsschule erfolgt synchronisiert mit der Auftragsstruktur. Dieser berufspädagogische Basis-Satz besagt: Produktionsschulen strukturieren ihre Lernprozesse vor dem Hintergrund realer Aufträge“ (KIPP 2006, 143).

Die Kompetenzentwicklung (fachliche, personale wie soziale Kompetenzen) und das Lernen der Produktionsschülerinnen und -schüler findet in und mit der Produktion, in der Werkstatt statt. Ausgehend von den individuellen Kompetenzen der jungen Menschen werden Lernprozesse individuell gestaltet. Das Produkt ist somit Mittel und Ergebnis des pädagogischen Entwicklungsprozesses gleichermaßen. Das Curriculum entwickelt sich synchronisiert an den Aufträgen. Mit der in Produktionsschulen zugestandenen „Produktverantwortlichkeit“ und der Notwendigkeit, marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu erbringen, entsteht für die Produktionsschülerinnen und -schüler eine Ernstsituation, die Selbstbewusstsein und Stolz erzeugt und die den bisherigen Misserfolgserlebnissen entgegenwirkt.

Die Werkstatt- und Dienstleistungsbereich der Produktionsschule sind der zentrale Anlaufpunkt. Sie geben den Impuls für die Lernprozesse und somit für die Kompetenzentwicklung. Jede/s in der Produktionsschule hergestellte Produkt/ erbrachte Dienstleistung wird auf den künftigen Absatz/ Verkauf konzipiert. Das setzt entsprechende Qualitätsstandards voraus, damit die Erzeugnisse die Marktanforderungen erfüllen. Die Tatsache, das Waren und Dienstleistungen angeboten, verkauft und gebraucht werden, erleben die Jugendlichen als Anerkennung dafür, dass sie wirklich ein Stück wertschöpfende Arbeit geleistet haben. Sie werden gebraucht und sind an der Produktion entscheidend beteiligt. Damit steigt der Grad der Authentizität der Arbeit.

Die Möglichkeiten der Entwicklung von berufsbezogenen Kompetenzen bestehen darin, dass die Werkstätten über verschiedenartige Aufgaben verfügen, deren Grad an Anforderung/ Maß an Schwierigkeit den individuellen Voraussetzungen und Möglichkeiten der Jugendlichen entsprechen. Für jeden Jugendlichen muss der Prozess des Förderns durch Fordern nachvollziehbar gestaltet werden.

Das Angebot verschiedener Werkstatt- und Dienstleistungsbereiche gibt den Jugendlichen Raum, sich zu erproben. Durch die praktische selbständige Arbeit erlernen sie das Lernen. Erfahrungen, Können, neues Wissen, soziale und personale Kompetenzen, reale nachgefragte berufsfachliche Kenntnisse – im Prozess ganzheitlicher Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Produktionsschule erworben – führen zu mehr Selbstvertrauen und Selbstverantwortung im Leben der Jugendlichen.

In der Produktionsschule werden die Jugendlichen Teil einer verpflichtenden Arbeits- und Lerngemeinschaft. Sie erleben, dass sie selbstständig praktische Aufgaben meistern können und auf einander angewiesen sind (Teamfähigkeit). Das gibt ihnen Zuversicht für bevorstehende Herausforderungen und formt unausbleiblich die persönliche Entwicklung der jungen Menschen. Das Arbeiten, Produzieren und Verkaufen, stehen im Zentrum des täglichen Tuns der Jugendlichen.

Indem die einzelnen Werkstätten gegenseitige Kooperationen eingehen, erfährt die Produktionsschule im Ganzen einen Prozess der Selbstverwaltung. In den Werkstätten werden interne (zur Absicherung von internen Abläufen wie Versorgung, Hausmeistertätigkeiten…) und externe (Aufträge für Gemeinden, Vereine, soziale und kommunale Träger…) Produktionslinien angeboten. Produkte bzw. Dienstleistungen werden am Markt verkauft und somit Erlöse erzielt. Damit wird die Minderung der Zuschüsse für die sächlichen Kosten angestrebt. Es entsteht somit eine Betriebsstruktur, die die Jugendlichen praxisnah auf das zukünftige Erwerbsleben vorbereitet.

Aktuell gibt es in Deutschland ca. 60 Produktionsschulen – wobei diese z.T. sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Allein im Land Mecklenburg-Vorpommern gibt es sieben Produktionsschulen, in der Freien und Hansestadt Hamburg acht Produktionsschulen. Die Produktionsschule Wolgast im CJD Insel Usedom-Zinnowitz (Mecklenburg-Vorpommern) und die Produktionsschule Bergedorf des Trägers „Sprungbrett Dienstleistungen gGmbH“ (Hamburg) bieten verschiedene Werkstätten und Dienstleistungsbereiche an, die im Folgenden vorgestellt werden.

3.1 Das Werkstatt- und Dienstleistungsangebot der Produktionsschule Wolgast

Im Dezember 2005 (Aufnahme des Betriebs und Eröffnung des Standorts am 9.1.2006) wurde der heutige Standort der Produktionsschule Wolgast bezogen und der Betrieb mit vier Werkstätten (Holzwerkstatt, Metall- und Textilwerkstatt sowie die Küche/ Hauswirtschaft) aufgenommen. Zur. Im weiteren Verlauf des Jahres 2007 wurden die Werkstätten der Produktionsschule Wolgast um den landwirtschaftlichen Bereich (zwei Werkstattbereiche: Pilzzucht und Kompostierung) erweitert.

Die Produktionsschule Wolgast entstand außerhalb des Landesprogramms „Produktionsschulen in Mecklenburg-Vorpommern“ und entwickelte sich unabhängig davon. Die fachliche Anerkennung als Produktionsschule durch das „Landesprogramm Produktionsschulen in Mecklenburg-Vorpommern“ erfolgte im März 2006 – verbunden mit einmaliger Unterstützungsleistung und der (ideellen) Einbeziehung in das Programm durch die Teilnahme beim Monitoring und die Ausdehnung der Wissenschaftlichen Begleitung auch auf die Produktionsschule Wolgast. Die Investitionsförderungsmittel wurden zur Einrichtung bzw. Erweiterung der Werk- und Produktionsstätten eingesetzt. Die Besonderheit des Produktionsschulstandorts Wolgast (eigenständige Form des Aufbaus und regionale Einbettung, Finanzierungsformen, rechtliche Rahmenbedingungen, Profil und Gesamtkonzept, Produkte und Werkstätten der Produktionsschule) werden in der Sonderstudie: „Der besondere Weg der Produktionsschule Wolgast im CJD Insel Usedom-Zinnowitz“ (vgl. MEIER 2008) dargestellt.

Inzwischen bietet die Produktionsschule Wolgast die vier Werkstattbereiche mit folgender Produktpalette an:

  1. Hauswirtschaft/ Küche (Catering/ Kantinenversorgung; Reinigung/ Wäscheservice; Gästebetreuung/ Veranstaltungsservice und Kinderbetreuung; Projektarbeit an Kindertagesstätten und Kliniken/ Animation).

  2. Handwerkliche Produktionswerkstatt (Rustikale Möbel; Spielgeräte/ Sandkästen; Reitparcours; Animation in eigener Schauwerkstatt; Kaminholz – Vermarktung für private Haushalte, Wegebau ( Radwege, Pflastern…); Fahrrad-Werkstatt/ Reparatur; Recycling; Werkstattbus – Mobile Angebote in der Region).

  3. Textilwerkstatt – Kreativwerkstatt (Selbsthilfeschneiderei; Animation in Kindertagesstätten/ Schulen; Spielmobil; Schauwerkstatt; Herstellung von Kreativen Kleinprodukten; Theaterprojekte; Instrumentenbau von mittelalterlichen Instrumenten; Layout, Druck/ Flyer, Angeboterstellung).

  4. Landwirtschaftliche Werkstatt (Komposter/ Kaminholz; Annahme und Recycling von Grünabfall; Herstellen von Kompost/ Abfüllen von Kompost – Vermarktung vor Ort/ Anlieferung; Holzspäne/ Mulchmaterial; Kräutergarten, Gemüse, Pflanzenanzucht).

3.2 Das Werkstatt- und Dienstleistungsangebot der Produktionsschule Bergedorf

Die Produktionsschule Bergedorf (PSB), die im September 2009 als eine der vier neuen Produktionsschulen im Hamburger Produktionsschulprogramm ihren Betrieb aufgenommen hat, verfügt über vier Werkstätten im Dienstleistungs- und Produktionsbereich für jeweils 12 Jugendliche.

  1. Die Werkstatt Verkauf & Veranstaltung treibt Handel mit unterschiedlichen Produkten der „Marke Bergedorf“, Schulbedarf und der Vermarktung eigener Produkte, wie Unterrichtsmedien (Selbstlernhefte). Der Verkauf der Produkte in der Öffentlichkeit geschieht mittels eines mobilen Verkaufsstandes in Form eines Promotion-Fahrrads. Es dient zudem auch als Präsentationsstand bei Schulfesten, Stadtteilfesten und Veranstaltungen. Die Jugendlichen stellen hierbei ihre Arbeit an der PSB vor und informieren alle Interessierten über die vielfältigen Angebote.

  2. Die Werkstatt Online-Shop & Logistik betreibt elektronischen Handel mit Produkten anderer Produktionsschulen, Produkte der „Marke Bergedorf“ in einem eigenen Onlineshop. Die Verkäufe werden im Bereich Logistik von den Jugendlichen verpackt, adressiert und versendet.

  3. Die Werkstatt Druck & Kreativ stellt im Digitaldruck-Verfahren nach Kundenwunsch Postkarten, Flyer, Broschüren, Plakate, etc. her. Zudem werden eigene Produktideen entwickelt und produziert, wie z.B. Foto-Kalender, Kunstdrucke, Ansteck-Buttons und fotografische Werke. Die Vermarktung wird über die Werkstätten Verkauf und Online-Shop umgesetzt.

  4. Die Werkstatt Holzverarbeitung & Holztechnik fertigt Kundenaufträge mit dem Werkstoff Holz. Die Aufträge dürfen nicht zu komplex sein und mit den Grundfertigkeiten Anreißen, Hobeln, Sägen und Holzverbindungen in Verbindung stehen. Für unsere Werkstatt Verkauf und Online-Shop bauen die Jugendlichen Holzmodelle von Gesellschaftsspielen, einfache Regale, etc.

Alle in der praktischen Arbeit in den Werkstätten & Dienstleistungsbereichen der Produktionsschulen in Wolgast und Bergedorf erworbenen Kompetenzen werden dokumentiert und bescheinigt.

4 Dokumentation der erworbenen Kompetenzen in den Werkstatt- und Dienstleistungsbereichen

4.1 Die „Kompetenztafel“ als Instrument der regelmäßigen und transparenten Dokumentation

In diesem Kapitel (4.1) haben wir bei den folgenden Ausführungen auf das als Manuskript vorliegende Buch „Produktionsschulen: Die Kompetenzentwicklung findet in den Werkstätten statt“ (GENTNER/ MEIER 2011 i.E.) zurückgegriffen, dass uns freundlicherweise von den Autoren zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt wurde. Die Veröffentlichung ist für Herbst 2011 vorgesehen. Das Buch wird – wieder – in der Buchreihe des Waxmann-Verlages Münster zu Produktionsschulen erscheinen.

Die in der Produktionsschule Wolgast seit November 2008 zum Einsatz kommenden Kompetenztafeln haben ihre Ursprünge in der dänischen Produktionsschullandschaft. Auf der Suche nach einem geeigneten und produktionsschulspezifischen Instrument zur Dokumentation von Entwicklungen, das Teilerfolge und Entwicklungsschritte sichtbar macht und vor allem alle Beteiligten – also auch die Jugendlichen selbst – einbezieht, wurde das Produktionsschulteam der Produktionsschule Wolgast bei einem Besuch an der Produktionsschule im dänischen Korsør im Herbst 2007 „fündig“. Die Produktionsschule Korsør kann auf sehr gute und langjährige Erfahrungen in der Entwicklung und Umsetzung von „Kompetenztafeln“ zurückblicken.

Angeregt durch den Besuch bei den dänischen Produktionsschulkollegen und deren Erfahrungen mit Kompetenztafeln wurde diese– mit Unterstützung der wissenschaftlichen Begleitung durch die Leibniz Universität Hannover – den Anforderungen einer deutschen Produktionsschule entsprechend weiterentwickeltet und modifiziertet, um sie vor allem mit den bereits an der Produktionsschule Wolgast genutzten pädagogischen Instrumenten des „Profil AC“ (als systematisches Kompetenzfeststellungsverfahren) und den Entwicklungsplänen zu verbinden. Die Kompetenztafel – als Instrument der regelmäßigen Dokumentation erworbener und entwickelter Kompetenzen – gehört seit November 2008 zum festen Bestandteil der Arbeit an der Produktionsschule Wolgast.

Kompetenztafeln finden sich – analog zum dänischen Vorbild – für alle sichtbar in den einzelnen Werkstattbereichen. Sie dokumentieren und visualisieren transparent und übersichtlich die von den Produktionsschülerinnen und Produktionsschülern erarbeiteten Kompetenzen – untergliedert nach den in den Gewerken erforderlichen fachlichen sowie den personalen und sozialen Kompetenzen. Anders als auf dänischen Kompetenztafeln werden auf den Wolgaster Kompetenztafel auch sozialen und personale Kompetenzen und deren Entwicklungsverläufe dokumentiert. Durch den Einsatz von Kompetenztafeln wird eine prozessbegleitende Kompetenzfeststellung realisiert und sichergestellt – die Kompetenzschritte zeigen sich allen Beteiligten jederzeit und auf einen Blick.

Die erste Einordnung bzw. Bepunktung an der Kompetenztafel ergibt sich aus dem Profil-AC, dem anschließenden Kompetenzbericht, dem Auswertungsgespräch des Werkstattpädagogen mit dem Jugendlichen sowie dem „Beobachtungsbogen Berufspraxis“. Zeitnah zu den Auswertungs- und ersten Entwicklungsgesprächen werden die Entwicklungsstände der Produktionsschülerinnen und Produktionsschüler in den sozialen, personellen, fachlichen und methodischen Kompetenzbereichen „bepunktet“: rot für „Beginner“, gelb für „Auf Kurs“ und grün für „kompetent“.

Anstatt also anonym und zwischen Aktendeckeln verborgen – oft in langatmigen (und für alle als lästig empfundenen) schriftlichen Ausführungen festgehaltenen Bewertungen –, zeigen sich die Kompetenzschritte an den Kompetenztafeln allen Beteiligten jederzeit und auf einen Blick. Dabei können nicht nur gegenseitiger Respekt und Anerkennung wachsen, sondern auch die Verantwortung für das eigene Handeln in der Gruppe gesteigert werden.

Die Erfahrungen der Fachkräfte an der Produktionsschule Wolgast mit den Kompetenztafeln sind durchgängig positiv. Das Instrument wirkt ausschließlich motivierend, transparent und prozessbegleitend. Die Mitwirkung der Jugendlichen ist stets präsent, ohne dass diese durch die Werkstattleiterinnen und -leiter vordergründig „eingefordert“ werden muss. Die Anwendung erfüllt den Anspruch auf Flexibilität, und passt somit ideal in das Produktionsschulkonzept.

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Abb. 1:   Kompetenztafel der Textilwerkstatt der Produktionsschule Wolgast

4.2 Kompetenzentwicklung und Abbildung auf der „Kompetenztafel“

Angeregt durch die durchweg positiven Erfahrungen an der Produktionsschule Wolgast und eine „Kick-off-Veranstaltung“ hat die Produktionsschule Bergedorf sich entschlossen, die Kompetenztafel im Dezember 2010 in ihre pädagogische Arbeit einzuführen.

Am Beispiel der Kompetenztafel der Werkstatt Verkauf & Veranstaltung an der Produktionsschule Bergedorf wird der Zusammenhang von Aufträgen und der Möglichkeit des Kompetenzerwerbs anhand der Aufträge in einem Werkstatt- bzw. Dienstleistungsbereich verdeutlicht:

Die Aufträge und Dienstleistungen umfassen Tätigkeiten im kaufmännischen Bereich und im Bereich Einzelhandel und werden als fachliche Kompetenzen auf der Kompetenztafel abgebildet. Die Kompetenzbereiche soziale und personale Kompetenzen umfassen die wichtigsten ausbildungsrelevanten Softskills. Weitere Kompetenzen werden in den Bereichen Betriebspraktikum, Umgang mit dem PC und allgemeinbildender Unterricht erfasst:

Tabelle 1:  Kompetenzbereich I der Kompetenztafel (= Oberkategorie 1): Fachliche Kompetenzen

Unterkategorie: Telefonieren

kennt Regeln und Verhaltensweisen

kann Gesprächsleitfaden erstellen

kann telefonieren mit Gesprächsleitfaden

kann selbständig geschäftlich telefonieren

kann kompetent Auskünfte geben

kann Gesprächsergebnis dokumentieren

Unterkategorie: Kasse

kennt Fachbegriffe

kennt Bedeutung der Kasse für den Einzelhandel

Umgang mit Geld

kann Kasse erklären und bedienen

Kassiervorgänge mit Reg.1

weiterführende Kassiervorgänge (Reg.2)

unbare Kassiervorgänge

Warenbestand

Kassenabschluss

Kassenbericht

Geldfluss

Bewusstsein der Rolle des Personals im Einzelhandel

Kundenzufriedenheit

Serviceleistungen

Bedienung der Kunden an der Kasse

 

Tabelle 2:  Kompetenzbereich II der Kompetenztafel (= Oberkategorie 2): Soziale und Personale Kompetenzen

Unterkategorien

Lernbereitschaft

Durchhaltevermögen

Sprachvermögen

Zuverlässigkeit

Arbeitstempo

Arbeitsgüte

Ordnung am Arbeitsplatz

Selbständigkeit

Zusammenarbeit

Persönliches Verhalten

 

 

 

Tabelle 3:           Kompetenzbereich III der Kompetenztafel ( = Oberkategorie 3): Betriebspraktikum

Unterkategorien

Praktikumssuche

sinnvolle Auswahl des Praktikumsplatzes

Praktikumsbeurteilung und -bewertung

Dauer des Praktikums

Durchhaltevermögen

 


Monatlich findet ein fester Termin zu einem Auswertungsgespräch der Kompetenztafel zwischen dem Werkstattpädagogen und den Produktionsschülerinnen und Produktionsschülern der jeweiligen Werkstatt statt. Im gemeinsamen Gespräch wird jede/r Produktionsschüler/in betrachtet. Der Jugendliche selbst beschreibt seine Eigenwahrnehmung und die Gruppe der Jugendlichen beschreibt ihre Fremdwahrnehmung. Der Werkstattpädagoge reflektiert die Arbeit und das Arbeitsverhalten jedes einzelnen Jugendlichen. Im Konsens aller Beteiligten werden die Kompetenzstufen bestätigt oder ggf. korrigiert (die Punkte/ Niveaustufen bestätigt bzw. „umgepunktet“).

Für den Dokumentations- und Bewertungsprozesse bedarf es eindeutiger und für alle transparenter Beschreibungen und Zuordnungen der einzelnen Bewertungskriterien – auf den unterschiedlichen „Kompetenzstufen“ (rot, gelb, grün).

Die Kategorien, inkl. der jeweiligen Niveaustufen (rot, gelb, grün) der Kompetenztafel lassen sich ebenfalls mit der Bemessung und Auszahlung des Produktionsschulgeldes verbinden. An der Produktionsschule Bergedorf beispielsweise fließen die erreichten Kompetenzstufen der sozialen und personalen Kompetenzen in die Berechnung des auszuzahlenden Produktionsschulgeldes ein. Zusätzlich wird die Anwesenheit monatlich ausgewertet. Abzüge im Produktionsschulgeld gibt es für unentschuldigte Fehltage und Verspätungen.

4.3 „Kompetenztafel“ und Qualifizierungsbausteine

Da alle in der praktischen Arbeit in den Werkstätten & Dienstleistungsbereichen der Produktionsschule erworbenen Kompetenzen auf den Kompetenztafeln regelmäßig und transparent dokumentiert werden können, können diese den einzelnen Jugendlichen auch bescheinig werden – also mit erlangten bzw. erlangbaren) Zertifikaten verbunden werden.

Die Produktionsschule Bergedorf verbindet das pädagogische Instrument Kompetenztafel mit dem berufsbezogenen Zertifikat „Qualifizierungsbaustein“ sinnvoll und ergebnisorientiert miteinander.


Informationskasten: Qualifzierungsbausteine

Was?

Qualifizierungsbausteine (QB) beschreiben eine in sich abgeschlossene Teilkompetenz, die zur Ausführung bzw. Erledigung einer Aufgabe in einem Beruf benötigt wird. QB haben einen direkten Bezug zu Ausbildungsrahmenplan und Ausbildungsordnung, sind aber ausdrücklich nicht Bestandteil der Berufsausbildung: Sie sind „Teil eines Berufes, nicht Teil des Ausbildungsrahmenplans“. 

Wozu?

Bei Einführung war daran gedacht, dass die QB bei einem darauf folgenden Einstieg in eine Berufsausbildung „angerechnet“ werden können (Theorie). In der Praxis wird dies grds. so nicht umgesetzt. Gleichwohl können QB als “Türöffner“ in die betriebliche Arbeitswelt (vor allem „Ausbildung“) fungieren

Wie?

Einheitliches, gesetzlich geregeltes Verfahren (im BBiG sowie BAVBVO) zur Konzeption, Genehmigung und Einsatz von QB. „Zuständige Stelle“ (HWK, IHK, ...) bestätigt/ erkennt an. Nach „Anerkennung“ liegt die Durchführung bei der Produktionsschule (bzw. - je nach Vereinbarung - bei Partnern der Kooperation). Das „Qualifizierungsbild“ muss obligatorisch enthalten:

-          die Bezeichnung des Bausteins,

-          den zugrunde liegenden Ausbildungsberuf,

-          das Qualifizierungsziel (Qualifikation & Tätigkeit)

-          die Dauer der Vermittlung (diese soll mindestens 140 bis höchstens 420 (Zeit-)Stunden umfassen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BAVBVO))

-          die zu vermittelnden Tätigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse (Bezug zur Ausbildung)

-          die Art der Leistungsfeststellung

Hamburger Standards

In Hamburg haben sich Kammern, die Freie und Hansestadt Hamburg (Behörde für Wirtschaft und Arbeit und die Behörde für Schule und Berufsbildung), team.arbeit.hamburg und die Agentur für Arbeit darauf verständigt, dass neue oder modifizierte Qualifizierungsbausteine für die Berufsvorbereitung nach hamburgweit einheitlichen Standards zu erstellen sind. Hierdurch sollen Doppelarbeiten vermieden und eine Transparenz über die verwendeten Bausteine hergestellt werden. Der Leistungsnachweis nach diesem Hamburger Standard erfolgt als Durchführung einer praktischen, schriftlichen und mündlichen Prüfungsaufgabe. (siehe www.qualibe.de)

Abb. 2:   GENTNER/ MEIER (2009, 14), mit eigenen Modifizierungen und Ergänzungen.

Die Verbindung von Kompetenztafel und Qualifizierungsbaustein geschieht, indem die zu vermittelnden Tätigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse (wie sie im Qualifizierungsbaustein vorgegeben sind) genau die Tätigkeiten im fachlichen Kompetenzbereich (Kompetenzbereich I der Kompetenztafel: Fachliche Kompetenzen) der kunden- und produktorientierten Arbeit in der Werkstatt abbilden. Es handelt sich also um kompetenzorientierte Tätigkeiten in der Berufsvorbereitung. Die Durchführung des Qualifizierungsbausteines beschreibt eine variierende Vermittlungszeit im Lernort. Mit Hilfe der Kompetenztafel wird das outcome orientierte Ergebnis der aktuell vermittelten beruflichen Tätigkeiten jedes/ jeder Einzelnen individuell und transparent angezeigt. Diese Art von Dokumentation zeigt mit Kompetenzstufe „grün“ an, dass alle erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erfolgreich vermittelt wurden und die abschließende Leistungsfeststellung durchgeführt werden kann.

Die beiden nachfolgenden Grafiken verdeutlichen, wie Inhalte des Qualifizierungsbausteins „Servicebereich Kasse (Berufe A = Kaufmann/-frau im Einzelhandel; B = Verkäufer/in)“ auf der Kompetenztafel abgebildet werden.

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Abb. 3:   Ausschnitt aus der Kompetenztafel der Werkstatt Verkauf & Veranstaltung der Produktionsschule Bergedorf

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Abb. 4:   Ausschnitt aus dem Qualifizierungsbaustein „Servicebereich Kasse (Berufe A = Kaufmann/-frau im Einzelhandel; B = Verkäufer/in)“

5 Ausblick und weiterer Entwicklungsbedarf

Die Erfahrungen der Produktionsschulen in Wolgast und Bergedorf bestätigen, dass mit dem pädagogischen Instrument der „Kompetenztafel“ eine produktionsschulspezifische Dokumentation der in den Werkstatt- und Dienstleistungsbereichen erworbenen Kompetenzen, inkl. der Teilerfolge bzw. Entwicklungsschritte, entwickelt und genutzt werden kann. Ein eben so wenig zu unterschätzender Effekt, der mit dem Einsatz von Kompetenztafeln einherging und geht, besteht darin, dass quasi zwangsläufig eine werkstatt- bzw. organisationsbezogene Vergewisserung darüber stattfinden muss, welche Kompetenzen jeweils – im Sinne eines Qualitätsstandards – zu formulieren sind. Hierbei wird – fast beiläufig – auch eine „interne Kompetenzentwicklung“ der Produktionsschulen selbst initiiert. Dies bedeutet aber auch, dass eine Kompetenztafel nicht unreflektiert und einfach für die Arbeit in der eigenen Werkstatt übernommen werden kann. Für die Fachkräfte an den Produktionsschulen sind entsprechende Fortbildungen zu gestalten, um dieses Instrument zweckmäßig sowie ziel- und ergebnisorientiert einsetzen zu können. Denn: Eine Methode bewirkt nicht allein durch ihren Einsatz bzw. ihre Anwendung schon ein Ergebnis; ein Instrument ist nicht allein deswegen erfolgreich, nur weil es eingesetzt wird.

Um die Mindeststandards bei der Entwicklung und Nutzung von Kompetenztafeln (Struktur, Niveaustufen und Farbskalen, Bewertungs- und Auswertungsprozesse etc.) qualitätssichernd zu garantieren, ist die Kompetenztafel inzwischen als Marke geschützt.

Weiter zu entwickeln ist künftig ein Arbeits- und Umsetzungskonzept, um die Kompetenzfeststellung, Kompetenzdokumentation (Kompetenztafel) mit der Zertifizierung zu verbinden – idealer Weise auch mit einem daraus zu entwickelnden Produktionsschulzeugnis. Ein solches, u.a. aus Qualifizierungsbausteinen, berufsbezogenen Teilzertifikaten und der Dokumentation der erworbenen personalen, sozialen und fachlichen Kompetenzen bestehendes, entwickelbares Produktionsschulzeugnis kann den Übergangsprozess aktivieren und optimieren (Anschluss und Abschluss). Die in den Werkstatt- und Dienstleistungsbereichen der Produktionsschule erlangten ersten berufspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die in den Praktikumsphasen und an anderen Lernorten ergänzt werden, können die Brücke zur Ausbildung bilden.

Literatur

ALEX, M./ GREINER-JEAN, A. (2008): Kompetenzfeststellung und Entwicklungsplanung an Produktionsschulen. In: GENTNER, C./ BOJANOWSKI, A./ WERGIN, C. (Hrsg.): Kurs finden. Junge Menschen auf dem Weg ins Leben: Produktionsschulen in Mecklenburg-Vorpommern. Münster, 77-90.

BIERMANN, H. (1992): Produktionsschule aus historischer Sicht. In: BIERMANN, H./ ARBEITSGEMEINSCHAFT PRODUKTIONSSCHULE (Hrsg.): Produktionsschulprinzip im internationalen Vergleich. In: Hochschule & berufliche Bildung; Bd. 27. Alsbach, 33-57.

BOJANOWSKI, A. (1996): Die Produktionsschule. In: DEDERING, H. (Hrsg.): Handbuch zur arbeitsorientierten Bildung. München/Wien, 479-500.

DÖRMANN, H./ KEMPER, M./ KLEIN, B./ KÜHNLEIN, G. (2008): Produktionsschule Unna. Idee, Konzeption und Umsetzung. Unna.

DRUCKREY, P. (2007): Qualitätsstandards für Verfahren zur Kompetenzfeststellung im Übergang Schule - Beruf. Hrsg. im Auftrag des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des Instituts für Maßnahmen zur Förderung der beruflichen und sozialen Eingliederung e.V. (IMBSE). Bonn/ Moers. Online: http://www.kompetenzen-foerdern.de  (26-11-2007).

GENTNER, C. (Hrsg.) (2008): Produktionsschulen im Praxistest. Untersuchungen zum Landesprogramm Produktionsschulen in Mecklenburg-Vorpommern. Münster.

GENTNER, C./ BOJANOWSKI, A./ WERGIN, C. (Hrsg.) (2008): Kurs finden. Junge Menschen auf dem Weg ins Leben: Produktionsschulen in Mecklenburg-Vorpommern. Münster.

GENTNER, C./ KIPP, M.(2008): Produktionsschulen als Qualitätselement in der Beruflichen Bildung. In: BALS, T./ HEGMANN, K./ WILBERS, K. (Hrsg.): Qualität in Schule und Betrieb. Forschungsergebnisse und gute Praxis. Tagungsband zu den 15. Hochschultagen Berufliche Bildung 2008 in Nürnberg (Texte zur Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung, Band 1, hrsg. v. Karl Wilbers). Aachen.

GENTNER, C./ MEIER, J. (2011 i.E.): Produktionsschulen: Die Kompetenzentwicklung findet in den Werkstätten statt. Münster.

GENTNER, C./ MEIER, J. (2010): Die Produktionsschule. In: Kompendium Berufliche Förderpädagogik. Studienmaterialien des Instituts für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung, Abteilung Sozialpädagogik. Hannover.

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[1]     Die vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) sowie vom Institut für Maßnahmen zur Förderung der beruflichen und sozialen Eingliederung e.V. (IMBSE) aufgestellten Qualitätsstandards „pädagogischer Prinzipien“, „professioneller Umsetzung“ sowie „systematischer Beobachtung“ (vgl. DRUCKREY 2007) bilden den Rahmen.

[2]     Besonders in der sozialpädagogisch orientierten beruflichen Integrationsförderung werden traditionell und dem Fachverständnis folgend die Begriffe „Förderplanung“ und „Förderplan“ genutzt. An einigen deutschen Produktionsschulen ist hier ein Paradigmenwechsel erfolgt: „Entwicklungsplanung“ bzw. „Entwicklungsplan“ gehen weit über das „Fördern und Fordern“ hinaus.


Zitieren dieses Beitrages

GREINER-JEAN, A./ OERTEL, S. (2011): Kompetenzentwicklung und Kompetenzdokumentation an Produktionsschulen. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 04, hrsg. v. GENTNER, C., 1-17. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws04/greiner-jean_oertel_ws04-ht2011.pdf (26-09-2011).



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