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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS08 - Schulentwicklung
Herausgeber: Andreas Fischer, Klaus-Dieter Mertineit & Wilfried Steenblock


Titel:
Nachhaltiges Schulnetzwerk: BBS futur


Ansätze und Perspektiven für eine nachhaltige Schulentwicklung

Beitrag von Klaus-Dieter MERTINEIT (Institut für nachhaltige Berufsbildung & Management-Services GmbH)

Abstract

Nachhaltige Entwicklung ist die zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Eine nachhaltige Entwicklung ist nur möglich, wenn diese Idee von vielen Menschen getragen und umgesetzt wird. Daher spielt die Bildung eine herausragende Rolle, und auch die Berufsbildung ist aufgefordert, ihren spezifischen Beitrag für eine nachhaltige, zukunftsfähige Entwicklung zu leisten. Der Beitrag reflektiert die zentralen Anforderungen, die sich aus dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung für die Berufsbildung ergeben. Darauf aufbauend und anknüpfend an vorliegende Instrumente und Praxisbeispiele skizziert er die Umrisse eines Konzepts für eine nachhaltige (Berufs-)Schulentwicklung.

1 Nachhaltige Entwicklung ist die zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts

Schlagworte wie „globaler Klimawandel“, „weltweites Bevölkerungswachstum“, „Knappheit natürlicher Ressourcen“, „drohender Verlust der Artenvielfalt“, „Armut großer Bevölkerungsteile vor allem in Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas“ machen deutlich: Der westliche Lebensstil ist nicht zukunftsfähig! Er geht zu Lasten der Ökosysteme und der weniger privilegierten Menschen der Erde und generiert Konsequenzen, die über kurz oder lang, direkt oder indirekt, mehr oder weniger folgenreich alle Staaten betreffen werden. Gefordert ist daher ein grundlegender Wandel in Einstellungen und Verhalten, der eine umweltgerecht dauerhafte, faire Entwicklung auf unserem Planeten erst möglich macht.

Damit sind wir bei dem, was wir als den Kern nachhaltiger Entwicklung bezeichnen können. Die Vision einer nachhaltigen Entwicklung bezeichnet eine Lebensweise, die es ermöglicht, dass alle Menschen heute und in Zukunft ein lebenswertes Leben führen können. Es geht also darum, „heute nicht auf Kosten von morgen und hier nicht zu Lasten von anderswo (zu) leben“.[1] Auf dieses Leitbild hat sich die Staatengemeinschaft 1992 im Rahmen einer Weltkonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro (Brasilien) verständigt. Es hat in der Folgezeit Eingang in viele internationale und nationale Politikbereiche gefunden und wurde und wird im Rahmen von Nachhaltigkeitsstrategien auf zwischenstaatlicher, staatlicher, lokaler und organisationaler Ebene präzisiert. Betrachten wir das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung genauer, dann sehen wir, dass sich darin u.a. folgende Begriffe bzw. Konzepte widerspiegeln, die helfen können, das Leitbild besser zu verstehen:

  • Es geht um die Übernahme von Verantwortung. Jeder Einzelne, jedes Unternehmen, jede Kommune und jeder Staat ist gehalten, innerhalb des eigenen Handlungs- und Entscheidungsbereichs Verantwortung für die sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgen seines Tuns zu übernehmen, und zwar im Hinblick auf heute lebende Generationen (bei uns in Deutschland und auf der ganzen Welt) und unsere natürliche Mitwelt (ebenfalls bei uns und auf dem gesamten Planeten) sowie zukünftige Generationen und das Ökosystem Erde.
  • Eine weitere Forderung ist soziale Gerechtigkeit innerhalb einer Generation als auch im Hinblick auf zukünftige Generationen, und zwar jeweils sowohl innerhalb eines Staates als auch weltweit. Es geht um Wohlstand für alle, Frieden, individuelle Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten, soziale Sicherheit und Chancengleichheit. Es geht um faire Lebenschancen für alle Menschen, egal wo sie leben, aus welcher Schicht sie kommen und welchem Geschlecht oder welcher Religion sie angehören. Es geht aber z. B. auch um die Frage, welche Mengen an CO2 jeder Mensch höchstens emittieren darf.
  • Auch wenn die Ökologie im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung von zentraler Bedeutung ist, so ist nachhaltige Entwicklung doch erheblich mehr als Umweltschutz. Es geht um ökologische Verträglichkeit. Nur innerhalb des Spielraums, den uns die Natur als Lebensgrundlage bereitstellt, ist wirtschaftliche Entwicklung und damit auch Wohlfahrt für alle dauerhaft möglich.
  • Eine nachhaltige Entwicklung kann nicht „von oben“, zum Beispiel von den Vereinten Nationen, der Weltbank, der Europäischen Union oder der Bundesregierung, angeordnet werden. Was wir konkret unter Nachhaltigkeit verstehen und was dafür getan werden muss - diese Diskussion geht alle an! Alle, Regierungen, internationale Einrichtungen, Kommunen, Unternehmen und Bürger/innen, sind dazu aufgefordert, sich konstruktiv mit dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung auseinanderzusetzen und einen spezifischen Beitrag zu leisten, damit diese regulative Idee operationalisiert und mit Leben gefüllt wird. Ein weiterer Begriff, der zum Leitbild der nachhaltigen Entwicklung gehört, ist also Partizipation.

2 (Berufs-)Bildung ist ein Kernelement nachhaltiger Entwicklung

Eine nachhaltige Entwicklung ist nur möglich, wenn diese Idee von vielen Menschen getragen und umgesetzt wird. Daher spielt die Bildung eine herausragende Rolle. Bereits in der Agenda 21 ist die Rolle der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in einem eigenen Kapitel (Kap. 36) hervorgehoben worden.[2] Anknüpfend daran wurde von den Vereinten Nationen im Rahmen der Rio-Folgekonferenz in Johannesburg 2002 entschieden, den am 1. Januar 2005 beginnenden Zehnjahreszeitraum (2005 – 2014) zur Dekade der Vereinten Nationen „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ zu erklären. Die nationalen Regierungen sind aufgefordert, die Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in ihre jeweiligen Strategien aufzunehmen und zu fördern.

Damit ist auch die Berufsbildung aufgefordert, ihren spezifischen Beitrag für eine nachhaltige, zukunftsfähige Entwicklung zu leisten. Worum geht es dabei? Im Kapitel 36 der Agenda 21 mit dem Titel „Förderung der Schulbildung, des öffentlichen Bewusstseins und der beruflichen Aus- und Fortbildung“ finden sich dazu im Abschnitt „Förderung der beruflichen Ausbildung“ entsprechende Hinweise. Danach hat Berufsbildung im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung eine doppelte Aufgabe. Die eine besteht darin, die Ausbildungs- bzw. die Berufsfähigkeit ihrer Adressaten - unabhängig von Sozialstatus, Alter, Geschlecht, Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit - zu fördern, „um dem Einzelnen die Arbeitsplatzsuche zu erleichtern“, was man gemeinhin mit Bildungs- oder Chancengerechtigkeit bezeichnen könnte. Die andere Aufgabe besteht darin, die für eine nachhaltige Entwicklung erforderlichen Kompetenzen zu fördern. In der Agenda 21 wird in diesem Zusammenhang von dem „nötigen Rüstzeug“ gesprochen, „um den wachsenden Umwelt- und Entwicklungsproblemen sowie den aus dem Übergang in eine nachhaltige Gesellschaft resultierenden Veränderungen begegnen zu können“ (BMBF o.J., 266).

Um die Anforderungen an die Berufsbildung differenzierter betrachten zu können, bietet es sich an, verschiedene Bezugs- bzw. Umsetzungsebenen zu unterscheiden. Auf der Makroebene, auf der es u. a. um Aus-, Fort- und Weiterbildungsberufe bzw. -bildungsgänge und den Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt geht, stellt sich dann die Frage, wie nachhaltige Entwicklung im Berufsbildungssystem verankert werden kann. Brauchen wir neue „Nachhaltigkeitsberufe“? Reichen die bestehenden Bildungsgänge aus oder müssen spezifische Aspekte ergänzt werden? Wird die Berufsbildung den demographischen Herausforderungen gerecht und verbessern z. B. die diversen berufsvorbereiteten Maßnahmen für Jugendliche ohne allgemeinbildenden Schulabschluss tatsächlich den Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt (Stichwort „Übergangssystem“)?

·      Auf der Mikroebene wird der Fokus auf die Kompetenzentwicklung gerichtet, wie konkrete Kompetenzen in welcher Form gefördert werden können. Um welche Kompetenzen geht es dabei konkret? Es geht um die Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft, die direkten und indirekten Wirkungen beruflichen Handelns auf die Umwelt sowie auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen anderer Menschen (heutige und zukünftige Generationen) zu erkennen, zu bewerten und negative Wirkungen soweit wie möglich zu vermeiden (NUN 2007, 6). Während im allgemeinbildenden Bereich der Einzelne in seiner Verantwortung als Konsument angesprochen wird, bedeutet die integrative Berücksichtigung nachhaltiger Entwicklung in der Berufsbildung, dass die Lernenden darüber hinaus befähigt werden, innerhalb betrieblicher bzw. beruflicher Handlungs- und Entscheidungsspielräume Produzentenverantwortung zu übernehmen. Produzentenverantwortung zielt auf eine Steigerung der Ressourcen- und Energieeffizienz bei der Produkt- bzw. Dienstleistungserstellung sowie sozial verantwortbare Lebens- und Arbeitsbedingungen und zwar bezogen auf die gesamte Wertschöpfungskette (einschließlich vor- und nachgelagerte Prozesse). Da nachhaltiges berufliches Handeln immer im Rahmen einer konkreten, in der Regel betrieblichen Situation erfolgt, an der auch andere Personen und / oder Personengruppen, Institutionen oder Organisationseinheiten beteiligt sind, sind neben den erforderlichen fachlichen auch überfachliche Kompetenzen wie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit sowie die Fähigkeit zur Beteiligung am betrieblichen und gesellschaftlichen Dialog über nachhaltige Entwicklung erforderlich.

Im Folgenden wollen wir uns auf die Mesoebene konzentrieren und uns fragen, wie Nachhaltigkeit in Berufsbildungseinrichtungen – und hier konkret in Berufsbildende Schulen - integriert werden kann.

3 Nachhaltigkeit in der Schulentwicklung

Es sollte bereits deutlich geworden sein, dass den Berufsbildenden Schulen eine besondere Bedeutung für eine nachhaltige Entwicklung zukommt. Nachhaltige Entwicklung ist eine gesellschaftliche Jahrhundertaufgabe. Dadurch wird nachhaltige Entwicklung zu einer Kernaufgabe Berufsbildender Schulen und ist erheblich mehr als ein zusätzliches, vorübergehendes Thema, das man einzelnen engagierten Lehrkräften überlassen könnte oder am Rande in einzelnen Projekten behandelt. Nachhaltigkeit gehört zum „Kerngeschäft“ Berufsbildender Schulen und ist in der Rahmenvereinbarung über die Berufsschule (Sekretariat 1991) bereits angelegt. Dort heißt es zu den Zielen der Berufsschule:

Die Berufsschule hat zum Ziel,

  • „eine Berufsfähigkeit zu vermitteln, die Fachkompetenz mit allgemeinen Fähigkeiten humaner und sozialer Art verbindet;
  • berufliche Flexibilität zur Bewältigung der sich wandelnden Anforderungen in Arbeitswelt und Gesellschaft auch im Hinblick auf das Zusammenwachsen Europas zu entwickeln;
  • die Bereitschaft zur beruflichen Fort- und Weiterbildung zu wecken;
  • die Fähigkeit und Bereitschaft zu fördern, bei der individuellen Lebensgestaltung und im öffentlichen Leben verantwortungsbewusst zu handeln.“

Eine Berufsbildende Schule, die sich als nachhaltig bezeichnen will, muss dies leisten. Doch es ist meines Erachtens noch mehr gefordert. Im Folgenden möchte ich Ihnen anhand von neun Merkmalen mein Bild von nachhaltigen Berufsbildenden Schulen darlegen.

3.1 Merkmale nachhaltiger Berufsbildender Schulen

Nachhaltige Berufsbildende Schulen….

… übernehmen Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft. Nachhaltige Berufsbildende Schulen sind sich ihrer Funktion als Vorbild für nachhaltige Entwicklung bewusst und übernehmen Verantwortung für ihr Tun. Sie prüfen, welche Relevanz das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung für die Schule hat und in welcher Form die Schule zur Verbreitung und Umsetzung des Leitbilds beitragen kann. Berufsbildende Schulen sollen sich in Niedersachsen zu Regionalen Kompetenzzentren entwickeln. Es stellt sich die Frage: Kompetenzzentren für was? Eine Schule wird ja nicht dadurch zu einem Kompetenzzentrum, dass sie sich so nennt. Sie braucht ein spezifisches Profil, in dem ihre Kernkompetenzen zum Ausdruck kommen. Dieses Profil ergibt sich zum einen aus den vorhandenen Schwerpunktsetzungen bzw. Fachrichtungen (Bau- und Gebäudetechnik, Versorgungstechnik, Handel etc.) und zum anderen aus den regionalen Arbeitsmarktanforderungen, die in den Schulen in spezifischer Weise berücksichtigt werden. Bei der Profilbildung werden daneben auch die unten genannten Leitthemen der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung berücksichtigt. Dabei wird nicht erwartet, dass jede Berufsbildende Schule in jedem Themenfeld stark ist. Stattdessen sollte ein Themenfeld ausgesucht und ausgebaut werden, das zum Profil der jeweiligen Schule passt. Mit ihrem individuellen Profil geben die Schulen der Nachhaltigkeit ein Gesicht!

Leitthemen der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung:

  • Energie- und Ressourceneffizienz
  • Erneuerbare Energien und nachwachsende Rohstoffe
  • Nachhaltiges Bauen & Wohnen
  • Gesunde Lebensmittel & nachhaltiger Konsum
  • Nachhaltiger Handel & nachhaltiges Wirtschaften
  • Globales Lernen & internationale Kooperation
  • Soziales Engagement & individuelle Förderung
  • Gestaltung des demografischen Wandels

… greifen gesellschaftliche, technische, ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungen und Trends offensiv auf und bieten ihren Anspruchsgruppen einen hohen Nutzen. Um ihren internen (Schüler/innen, Lehrkräfte und weiteres Personal) und externen Anspruchsgruppen (Eltern, Ausbildungsbetriebe / Wirtschaft, nachfolgende Bildungseinrichtungen) einen möglichst großen Nutzen zu bieten, erfassen, bewerten und berücksichtigen sie diese in angemessener Weise. Gleiches gilt für Veränderungen im Umfeld der Schulen, die für die Schulentwicklung und den Unterricht von Bedeutung sind oder sein können. Hierzu ein paar Beispiele: In vielen Wirtschaftsbereichen wird versucht, energie- und ressourceneffizienter zu arbeiten und zu wirtschaften, entsprechend ändern sich Prozesse, Arbeitsverfahren, Technologien und Produkte, woraus sich wiederum veränderte Qualifizierungsbedarfe ergeben, die in nachhaltigen Berufsbildenden Schulen identifiziert und berücksichtigt werden sollten. Der demografische Wandel führt dazu, dass vielerorts die Schülerzahlen zurückgehen. Auf der anderen Seite finden viele Jugendliche aufgrund fehlender Ausbildungsreife keinen Einstieg ins Arbeitsleben. Nachhaltige Berufsbildende Schulen unterbreiten hierfür Lösungsangebote. Im Zuge der europäischen Integration bildet sich ein europäischer Arbeitsmarkt heraus. Um darin bestehen zu können, fördern nachhaltige Berufsbildende Schulen Fremdsprachenkenntnisse sowie interkulturelle Kompetenz und Mobilität.

… verstehen sich als Impulsgeber, Qualifizierungsdienstleister und anerkannter strategischer Partner für die nachhaltige Entwicklung ihrer Region. Sie fühlen sich der nachhaltigen Entwicklung ihrer Region verpflichtet und unterstützen diese, indem sie sich in entsprechende Prozesse aktiv einmischen. Über lokale, regionale und überregionale Partnerschaften bauen sie ihre Kompetenzen aus, vertiefen diese und stellen sie den regionalen Anspruchsgruppen zur Verfügung. Nachhaltige Berufsbildende Schulen stellen sich den Herausforderungen der Berufs- und Arbeitswelt; sie gehen über die Schulgrenzen hinaus und spielen als Fachpartner / Vorbild eine anerkannte, aktive Rolle in der nachhaltigen Entwicklung ihres lokalen bzw. regionalen Umfeldes.

… werden mit Vision, Inspiration und Integrität geführt und mittels Prozessen gelenkt. Nachhaltige Schulentwicklung ist auch eine Führungsaufgabe. Ausgehend von ihrem spezifischen nachhaltigen Profil, das sich im Leitbild wiederfindet, entwickeln nachhaltige Berufsbildende Schulen strategische Entwicklungsziele. In definierten Prozessen sowie durch strategische Projekte wird realisiert, wie organisationsspezifische Nachhaltigkeitsaspekte identifiziert, berücksichtigt und kontinuierlich umgesetzt bzw. verbessert werden können. Dafür erforderliche Ressourcen werden erschlossen und bereitgestellt. Der Grad der Zielerreichung wird regelmäßig evaluiert. Schule wird dadurch zu einem lernenden Lehr- und Lernort.

… fördern das Engagement und die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter/innen. Die Kompetenzen der Mitarbeiter/innen werden ermittelt, ausgebaut und aufrechterhalten. Dies gilt insbesondere bzgl. der Anwendung und Umsetzung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung im Rahmen beruflicher Tätigkeiten. Die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter/innen wird gefördert und anerkannt. Schule ist ein Ort des Lehrens und des Lernens. Dazu braucht es kompetente Lehrkräfte, die um die Nachhaltigkeitsrelevanz ihrer Arbeitsgebiete wissen und die willens und in der Lage sind, diese in Lehr-Lernprozessen zu thematisieren. Die Personalplanung nachhaltiger Berufsbildender Schulen erfolgt im Hinblick auf die strategische Ausrichtung der Bildungsstätte. Es sind Verfahren eingeführt, die systematisch sicherstellen, dass Lehrkräfte über den gegenwärtigen und zukünftigen Qualifizierungsbedarf in ihrem Fachgebiet informiert werden. Ferner werden die Lehrkräfte dabei unterstützt, die dafür erforderlichen Kompetenzen zu erwerben. Kommunikation und die Zusammenarbeit der Lehrkräfte untereinander werden gefördert.

… Kommunizieren ihr Engagement offensiv und beteiligen ihre internen Anspruchsgruppen an der Schulentwicklung. Nachhaltige Berufsbildende Schulen wissen, dass Nachhaltigkeit nicht angeordnet werden kann und nehmen den Gedanken der Partizipation ernst. Top-down- und Bottom-up-Ansätze werden miteinander verknüpft. Sie verfügen über ein Konzept zur Kommunikation mit bzw. zur Beteiligung ihrer internen Anspruchsgruppen. Darüber werden insbesondere auch Engagement und Aktivitäten im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung gefördert.

… sind ein vorbildlicher Lebens- und Lernraum. Sie orientieren sich an einem definierten Wertekanon, in dem sich gegenseitiger Respekt, Wertschätzung sowie die Übernahme von Verantwortung ausdrückt. Sie sind ein qualitativ hochwertiger und in sich stimmiger Lebens- und Lernraum. Man hält sich dort gerne auf. Die Schule bietet „gesunde“ Arbeitsplätze und fördert die Gesunderhaltung ihrer internen Anspruchsgruppen. Die Bewirtschaftung von Gebäuden, Maschinen, Geräten, Werkzeugen und Material sowie die Gestaltung des Außengeländes erfolgen umwelt- und ressourcenschonend. In Büros und Werkstätten werden umwelt- und sozialverträgliche Technologien eingesetzt. Entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen werden in den Unterricht eingebunden (Stichwort „Nachhaltiger Lehrkörper = nachhaltiger Lernkörper“) und der Schulöffentlichkeit bekannt gemacht.

… orientieren sich an den Merkmalen guten Unterrichts und fördern „Nachhaltigkeitskompetenzen“. Der Unterricht in nachhaltigen Berufsbildenden Schulen entspricht den Merkmalen guten Unterrichts. System- und Gestaltungskompetenzen (einschl. Übernahme von Produzentenverantwortung) werden messbar gefördert. Es werden individualisierte Lernangebote unterbreitet. Bei der Entwicklung bzw. Erstellung von Produkten und (Bildungs-) Dienstleistungen - insbesondere Ausbildung bzw. Unterricht - sowie deren Fortentwicklung werden Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung bzw. der Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung systematisch berücksichtigt.

… sind ein lernender Lehr- und Lernort. Als lernender Lehr- und Lernort erfassen nachhaltige Berufsbildende Schulen regelmäßig und systematisch die Ergebnisse ihrer Prozesse bzw. ihres Tuns. Sie bewerten die Ergebnisse und leiten daraus - im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung - Konsequenzen für zukünftiges Handeln ab.

3.2 Anknüpfungspunkte

Wie so oft können wir auch bei der Frage, was eine nachhaltige Schulentwicklung ausmacht, an Vorarbeiten anknüpfen.

In den Anfängen der (Berufs-)Bildung für nachhaltige Entwicklung wurde „nachhaltiges“ Management von Bildungsstätten in erster Linie als Erweiterung bereits eingeführter Umweltmanagementsysteme verstanden (vgl. HILGERS/ MERTINEIT 2002, 136ff.). Einen demgegenüber ausdrücklich nachhaltigkeitsorientierten Zugang beinhaltet das vom Verein zur Förderung der Ökologie im Bildungsbereich entwickelte SINa-NachhaltigkeitsAudit (vgl. VEREIN ZUR FÖRDERUNG DER ÖKOLOGIE IM BILDUNGSBEREICH 2004). Den Einstieg dazu bildet eine Selbstbewertung. Anhand eines Fragebogens und eines Kriterienkatalogs werden in acht Bereichen der Stand der nachhaltigen Entwicklung in der Schule überprüft und Verbesserungspotenziale bestimmt. Aus den Ergebnissen der Selbstbewertung wird ein Maßnahmenplan erstellt, der Schwerpunkte für die weitere nachhaltigkeitsorientierte Schulentwicklung beschreibt und konkrete Verbesserungsmaßnahmen enthält.

Im Zuge einer im Auftrag des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) durchgeführten Machbarkeitsstudie hat das Institut für Umweltschutz in der Berufsbildung e.V. ein Konzept zur Selbstbewertung der nachhaltigen Entwicklung in Beruflichen Bildungsstätten erarbeitet (vgl. HILGERS/ MERTINEIT 2005). Es dient zum einen der Orientierung, was eine Einrichtung tun sollte, wenn sie Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung in systematischer Weise aufgreifen will. Zum anderen ermöglicht es eine Selbstbewertung darüber, wie weit eine Bildungsstätte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung bereits gekommen ist. Wie in fortschrittlichen Konzepten und Instrumenten zum Nachhaltigkeitsmanagement inzwischen üblich, orientiert es sich in Aufbau und Struktur am Referenzmodell der European Foundation for Quality Management (EFQM).

Noch deutlicher als im Modell von 2003 sind Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung im EFQM-Modell von 2010 integriert. Das gilt sowohl für die Grundkonzepte, in denen u. a. auch „Verantwortung für die Zukunft übernehmen“ gefordert ist, als auch für die Kriterien, Teilkriterien und Ansatzpunkte, die wiederum - in erheblich höherem Maße als im Modell von 2003 - direkt mit den Grundkonzepten verknüpft sind, sodass sich Nachhaltigkeitsaspekte durch das gesamte Modell ziehen. Da die niedersächsischen Berufsbildenden Schulen angehalten sind, ein Qualitätsmanagementsystem auf Grundlage des EFQM-Modell einzuführen und zu unterhalten, bietet es sich an, dieses Modell auch für die nachhaltige Schulentwicklung zugrunde zu legen und mit Blick auf die Anforderungen einer nachhaltigen Schulentwicklung zu interpretieren.

Neben diesen Referenzmodellen für eine nachhaltige Schulentwicklung gibt es inzwischen auch eine ganze Reihe erprobter Praxisbeispiele, die zeigen, wie Nachhaltigkeitsaspekte in Berufsbildungsgängen, Berufsbildungsstätten und Lehr-Lernarrangements umgesetzt werden können. Im Nachhaltigkeitsportal des BIBB[3] und im Portal zur UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in Deutschland[4] sind zusammen weit über hundert gute Beispiele dokumentiert. Allerdings stehen sie dort mehr oder weniger unverbunden nebeneinander. Sie sind weder den Handlungsfeldern einer nachhaltigen Schulentwickeln zugeordnet noch sind sie in irgendeiner Weise bewertet.

3.3 Resümee und Ausblick

Kommen wir zurück auf unsere Ausgangsfrage ‚Wie kann Nachhaltigkeit systematisch und dauerhaft in die Arbeit der Berufsbildenden Schulen integriert werden?‘, dann zeichnet sich derzeit in etwa folgendes Bild ab:

  • Wir verfügen über Vorstellungen nachhaltiger Schulentwicklung, es besteht jedoch kein Konsens.
  • Es liegen mehrere Referenzmodelle vor, an denen man sich orientieren kann, aber sie werden nicht oder nur vereinzelt genutzt.
  • Es gibt mittlerweile eine große Anzahl an Praxisbeispielen, sie bleiben aber anekdotisch und sind wenig bekannt.
  • In den Berufsbildenden Schulen wird Nachhaltigkeit - wenn überhaupt - vom Engagement Einzelner getragen, es fehlt jedoch eine systematische Integration in die Organisation.

Um diese unbefriedigende Situation zu verbessern, bedarf es eines breiten Konsenses über die Aufgaben und Merkmale einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Berufsbildenden Schule und darüber, wie sie sich in Theorie und Praxis entwickeln und steuern lässt. Die Erarbeitung der dafür notwendigen Grundlagen ist Anliegen des von der Deutschen Bundesstiftung seit dem 1. März 2011 geförderten Projekts „Systematische Integration des Themas Nachhaltigkeit in Unterricht und Schulorganisation an Berufsbildenden Schulen“. Wie das konkret aussehen soll, wird im Beitrag von Andreas Fischer in diesem Band ausführlich dargestellt.

Literatur

BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT (o.J.): Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro. Dokumente. Bonn.

EFQM (2009): EFQM Excellence Modell 2010. Brüssel.

HILGERS, M./ MERTINEIT, K.-D. (2002): Der Beitrag der beruflichen Umweltbildung zur Ökologisierung der Organisation. In: BONZ, B./ NICKOLAUS, R./ SCHANZ, H. (Hrsg.): Umweltproblematik und Berufsbildung, (Berufsbildung konkret; Bd. 3). Baltmannsweiler, 129-141.

MERTINEIT, K.-D./ HILGERS, M. (unter Mitarbeit von FISCHER, A./ ROTTLUFF, J./ KUTT, K.) (2005): Nachhaltigkeits-Indikatoren in Beruflichen Bildungsstätten. Machbarkeitsstudie im Auftrag des Bundesinstituts für Berufsbildung. Umweltschutz in der beruflichen Bildung, Informationen und Materialien aus Modellversuchen für eine nachhaltige Entwicklung, H. 76, Bonn.

MERTINEIT, K.-D. (2006): Nachhaltigkeit und Berufsbildungsstätten. In: TIEMEYER, E./ WILBERS, K. (Hrsg.): Berufliche Bildung für nachhaltiges Wirtschaften. Konzepte - Curricula - Methoden - Beispiele. Bielefeld, 464-475.

MERTINEIT, K.-D. (2011): Nachhaltige Entwicklung als Aufgabe der Schulentwicklung. In: MERTINEIT, K.-D./ STEENBLOCK, W. (Hrsg.): Die BBS Friedenstraße auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung. Band 4, Baltmannsweiler.

NORDDEUTSCHEN PARTNERSCHAFT ZUR UNTERSTÜTZUNG DER UN-DEKADE BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG 2005 – 2014 (NUN) (2007): Norddeutsche Erklärung zur Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Hamburg.

VEREIN ZUR FÖRDERUNG DER ÖKOLOGIE IM BILDUNGSBEREICH E.V. (2004): SINa-NachhaltigkeitsAudit, Berlin.


[1] Slogan des Auszubildenden-Wettbewerbs „Pack the Future“, den das Institut für Umweltschutz in der Berufsbildung e.V. 2003 im Auftrag der Duales System Deutschland AG durchgeführt hat.

[2] Die Agenda 21 ist das offizielle Abschlussdokument der UN-Konferenz in Rio de Janeiro. Sie beschreibt ein „Aktionsprogramm der Staaten dieser Welt für das 21. Jahrhundert“. In ihren 40 Kapiteln werden wesentliche Politikbereiche einer nachhaltigen Entwicklung angesprochen.

[3] Vgl. http://bbne.bibb.de/de/bbne_index.htm  (20.05.2011)

[4] Vgl. http://www.bne-portal.de/  (20.05.2011)


Zitieren dieses Beitrages

MERTINEIT, K.-D. (2011): Ansätze und Perspektiven für eine nachhaltige Schulentwicklung. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 08, hrsg. v. FISCHER, A./ MERTINEIT, K.-D./ STEENBLOCK, W., 1-10, Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws08/mertineit_ws08-ht2011.pdf (26-09-2011).



Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

http://www.hochschultage-2011.de/