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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS22 - Geringqualifizierte
Herausgeber: Eckart Severing & Jürgen Spatz


Titel:
Wie werden aus An- und Ungelernten Fachkräfte?


Ausbildungsbausteine zur Verknüpfung der Lernorte Betrieb und Bildungsträger nutzen – Übergänge in Ausbildung und Beschäftigung erleichtern

Beitrag von Christoph ECKHARDT & Frank REHBEIN (qualiNETZ Beratung und Forschung GmbH Duisburg & Institut für Maßnahmen zur Förderung der beruflichen und sozialen Eingliederung e. V. Moers)

Abstract

Ausbildungsbausteine oder Module in der Aus- und Weiterbildung sollen die Transparenz zwischen verschiedenen Lernorten erhöhen und insbesondere auch den Betrieben zeigen, welche Kompetenzen die Lernenden laut Ausbildungsrahmenplan bereits erworben haben, für welche Tätigkeiten sie bereits qualifiziert eingesetzt werden können und wieweit ihre Kompetenzentwicklung z. B. in Bezug auf Selbstständigkeit und Eigenverantwortung bereits fortgeschritten ist. Ab Beispiel der Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen – BaE NRW 3. Weg sowie der abschlussorientierten modularen Nachqualifizierung wird gezeigt, wie Module bzw. Ausbildungsbausteine untergliedert und wie durch Lern- und Arbeitsaufgaben beim Bildungsträger betriebliche Lernphasen vorbereitet und unterstützt werden können. Es wird deutlich, welcher Nutzen darin für den Betrieb besteht und welche Konsequenzen sich daraus für die außerbetriebliche Aus- und Weiterbildung ergeben.

1 Einleitung

Ausbildungsbausteine sollen die Transparenz des Gelernten zwischen den verschiedenen Lernorten erhöhen, indem Lernende mit Hilfe der Bausteinzertifikate nachweisen können, welche Kompetenzen sie laut Ausbildungsrahmenplan bereits erworben haben, für welche Tätigkeiten sie bereits qualifiziert eingesetzt werden können und wieweit ihre Kompetenzentwicklung z. B. in Bezug auf Selbstständigkeit und Eigenverantwortung bereits fortgeschritten ist.

In den Betrieben sind Ausbildungsbausteine aber oft nicht bekannt. Die  Betriebe orientieren sich kaum an Struktur und Zielen der Bausteine. Sie setzen die Lernenden so ein wie sie sie brauchen können und orientieren sich am Ausbildungsrahmenplan.

Bildungsträger nutzen zwar die Ausbildungsbausteine zur Strukturierung der Ausbildung beim Bildungsträger. Sie scheuen sich aber häufig, den Betrieben in die Ausbildung hineinzureden und mit ihnen zusammen auf der Grundlage der Ausbildungsbausteine Ziele für die betrieblichen Ausbildungsphasen zu vereinbaren.

Wir wollen in unserem Beitrag zeigen, wie betriebliche Ausbildungsphasen auf der Grundlage von Ausbildungsbausteinen mit der Ausbildung beim Bildungsträger verzahnt werden können, gerade wenn es um Tätigkeiten und Lerninhalte geht, die eigentlich nur im Betrieb erlernt werden könnten, weil Bildungsträger dazu nicht die erforderliche Ausstattung haben bzw. haben können.

Wir repräsentieren mit unseren Erfahrungen sowohl die Anwendung von Ausbildungsbausteinen im Rahmen der Ausbildung Fachlagerist/-in mit den Ausbildungsbausteinen des 3. Weges in der Berufsausbildung in Nordrhein-Westfalen als auch im Rahmen der abschlussorientierten modularen Weiterbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik im „Nachqualifizierungsnetzwerk Niederrhein“ im BMBF-Programm Perspektive Berufsabschluss, hier unter Verwendung der BiBB-Ausbildungsbausteine aus dem Programm JOBSTARTER CONNECT.

1.1 Ausbildungsbausteine im 3. Weg in der Berufsausbildung in NRW

Der 3. Weg in der Berufsausbildung in Nordrhein-Westfalen ist eine besondere Form der integrativen Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE NRW – 3. Weg). Er wendet sich an Jugendliche, die zwar ausbildungswillig sind, aber aufgrund ihrer persönlichen und schulischen Voraussetzungen trotz der vorhandenen Fördermaßnahmen im Rahmen bestehender Regelausbildungssysteme (Schule, Betrieb) keine anerkannte berufliche Qualifizierung / Ausbildung mit den dazu gehörigen Abschlüssen erwerben werden. Durch flexibel zu gestaltende individuelle Ausbildungsverläufe sollen sie dennoch einen Berufsabschluss zunächst in einem in der Regel zweijährigen Ausbildungsberuf erreichen. Die Vermittlung der Ausbildungsinhalte erfolgt im Rahmen landesweit einheitlicher Ausbildungsbausteine, die im Falle des Ausbildungsabbruches dem Jugendlichen die Fortsetzung der Ausbildung zu einem späteren Zeitpunkt bzw. die Aufnahme einer Arbeit erleichtern. Zur Zielgruppe gehören sozial benachteiligte und lernbeeinträchtigte Jugendliche sowie Rehabilitanden, die keine berufliche Erstausbildung haben, die allgemeine Schulpflicht erfüllt haben, eine sechsmonatige Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme nachweisen können oder die eine Ausbildung abgebrochen haben. Dieses Konzept wird seit 2006 von ca. 80 Trägern in Nordrhein-Westfalen im Rahmen eines Pilotprojektes unter Federführung des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales in Nordrhein-Westfalen erprobt und ist seit 2010 als BaE NRW – 3. Weg unter der Verantwortung der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit auf dem Weg in die Regelförderung.

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Abb. 1:   3. Weg in der Berufsausbildung für Jugendliche, die im bestehenden Ausbildungs- und Fördersystem den Berufsabschluss voraussichtlich nicht erreichen würden.

1.2 Abschlussorientierte modulare Nachqualifizierung im Nachqualifizierungsnetzwerk Niederrhein

Die modulare Weiterbildung zum Berufsabschluss (Folie 3) will an- und ungelernten jungen und jung gebliebenen Menschen einen Weg zum Berufsabschluss eröffnen, für die die üblichen Angebote der Umschulung nicht geeignet sind, z. B. weil ihnen bezüglich ihrer Bildungsvoraussetzungen oder ihrer sozialen Lage ein erfolgreicher Abschluss einer Umschulung nicht zugetraut wird. Es handelt sich um eine heterogene Zielgruppenzusammensetzung:

Menschen, die bisher bereits in der Lagerlogistik (als Beispiel) gearbeitet haben und die die Arbeitslosigkeit nutzen wollen, um einen Berufsabschluss zu erreichen und entsprechend erfahren und motiviert sind.

Menschen, die bereits seit längerer Zeit arbeitslos sind und deren Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit erst wieder neu hergestellt werden muss.

Menschen, die noch keine Berufserfahrung in dem entsprechenden Beruf haben und auch nicht mehr über die Erstausbildung gefördert werden können.

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Abb. 2:   Abschlussorientierte modulare Weiterbildung im Nachqualifizierungsnetzwerk Niederrhein

Die Aufteilung der Weiterbildung in einzelne Module ermöglicht es, in relativ kurzer Zeit bereits Erfolge zu erreichen. Die Lernenden können in den betrieblichen Weiterbildungsphasen bereits qualifiziert für Tätigkeiten aus den absolvierten Modulen eingesetzt werden. Die Bearbeitungsdauer der Module kann je nach Vorkenntnissen, Lernvoraussetzungen und vorhandenen Erfahrungen variieren. Es können auch nur einzelne Module belegt werden, z. B. wenn bei der Überprüfung der Voraussetzungen für die Externenprüfung festgestellt worden ist, dass es für bestimmte Teile des Berufsbildes keinerlei Vorerfahrungen gibt oder die Lernenden kurzfristig für ein neues Arbeitsgebiet qualifiziert werden sollen, so dass sie zunächst nur die dafür erforderlichen Module absolvieren. Das Ziel Berufsabschluss hat immer Vorrang. Daher sind Bildungsgutscheine mit dem Ziel Ausbildungsabschluss die Regel, Bildungsgutscheine für einzelne Module die Ausnahme. Die Weiterbildung ist als in Module gegliederte Umschulungsmaßnahme bei der IHK registriert. Das System eignet sich also sowohl für die Weiterbildung zum Berufsabschluss als auch für die Anpassungsqualifizierung und ermöglicht innerhalb einer Gesamtmaßnahme die Erfüllung unterschiedlicher Bildungsbedürfnisse. Es können flexible Einstiege ermöglicht werden, jeweils zu Beginn eines neuen Moduls. Eine entsprechende TN-Zahl vorausgesetzt, können mehrere Module parallel angeboten werden, so dass die Weiterbildungsanforderungen der Betriebe möglichst zeitnah erfüllt werden können.

2 Flexible Ausbildungsverläufe und differenzierte Weiterbildungsziele

Im 3. Weg haben anfangs viele Träger die Ausbildungsbausteine als „totes Material“ betrachtet, die auch da sind, aber aus verschiedenen Gründen nicht richtig zum Leben erweckt worden sind (Folie 5):

Die Ausbildungsbausteine bilden im Wesentlichen die bekannten Inhalte des Ausbildungsrahmenplanes ab, ohne eine weitere Systematisierung oder Untergliederung vorzunehmen. Die vorgesehene Aufteilung in einfache und komplexe Tätigkeiten wird meist nur ansatzweise durchgehalten. Eine klare Strukturierung in einzelne Teilaufgaben wird häufig vermisst.

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Abb. 3:   Überarbeitete Gliederung der Ausbildungsbausteine im 3. Weg in der Berufsausbildung in NRW

  • In einigen Berufen gibt es keine klare Abgrenzung der Ausbildungsbausteine untereinander. Verschiedene berufliche Tätigkeiten wiederholen sich in mehreren Bausteinen. Es bleibt offen, zu welchem Ausbildungsbaustein die Inhalte gehören. Die Bausteinzertifikate sind deshalb untereinander schwer vergleichbar, weil nicht klar ist, was wirklich vermittelt und abgeprüft worden ist.
  • Für die einzelnen Ausbildungsbausteine sind zwar die dazu gehörenden Lernfelder beschrieben worden. Umgekehrt sind aber die Lernfelder wiederum verschiedenen Bausteinen zugeordnet. Dies verkompliziert die Abstimmungsprozesse zwischen Berufskolleg und Bildungsträger und führte dazu, dass sich auch die Ausbildungsträger eher an den schulischen Lernfeldern orientierten.

Im Rahmen von Entwicklungswerkstätten mit verschiedenen, besonders engagierten Trägern wurden im Jahr 2010 Umsetzungskonzepte für die Ausbildungsbausteine entwickelt, die für den Beruf Fachlagerist/-in eine bessere Zuordnung zu betrieblichen Tätigkeitsbereichen sowie eine bessere Verknüpfung mit den Lernfeldern der Berufskollegs ermöglichen. Im Unterschied zu den Ausbildungsbausteinen von JOBSTARTER CONNECT sind im 3. Weg die Arbeitsbereiche Verpackung und Versand in verschiedene Bausteine getrennt.

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Abb. 4:   Weiterbildungsmodule Fachkraft für Lagerlogistik im NachQqualifizierungsNetzwerk Niederrhein
(Basis: Ausbildungsbausteine JOBSTARTER CONNECT)

Im 3. Weg wie auch in der Nachqualifizierung werden die einzelnen Ausbildungsbausteine bzw. Weiterbildungsmodule durch eine Modul- bzw. Bausteinprüfung abgeschlossen. Diese entspricht in Form und Inhalt den jeweiligen Abschlussprüfungen. Die praktischen und die theoretischen Prüfungen – im 3. Weg wird empfohlen, die theoretischen Prüfungsaufgaben von der Berufsschule entwickeln zu lassen - enthalten Aufgabenstellungen aus dem jeweiligen Baustein bzw. Modul, die auch in der Zwischen- oder Abschlussprüfung üblich sind. Der Nutzen dieser Bausteinprüfungen gilt in erster Linie den Lernenden selbst. Sie erhalten nach relativ kurzer Zeit eine  Rückmeldung über ihre bisherigen Leistungen und darüber, wie sie diese bis zur Abschlussprüfung noch verbessern können. Für die betrieblichen Ausbildungsphasen kann nach vergleichbaren Standards transparent gemacht werden, welche Kompetenzen bisher erworben worden sind. Ein Übergang in Arbeit nach nur wenigen Bausteinen geschieht nur in wenigen Ausnahmen. Auch die Betriebe wünschen sich eine Übernahme erst nach bestandener Abschlussprüfung.

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Abb. 5:   Untergliederung des Ausbildungsbausteins 1 Wareneingang in Lern- und Arbeitsaufgaben (3. Weg in der Berufsausbildung in NRW)

Das Bausteinkonzept ermöglicht es im Rahmen der Weiterbildung, differenzierte Weiterbildungsziele zu verfolgen. Bildungsgutscheine werden für den drei- oder zweijährigen Beruf ausgestellt und können im Verlaufe der Weiterbildung auch angepasst werden (Folie 6). Als Teilnehmende einer bei der zuständigen Stelle eingetragenen Umschulung nehmen sie an der normalen Umschulungsprüfung teil. Es können aber auch einzelne Module ausgewählt werden, wenn z. B. bei der Überprüfung der Voraussetzungen für die Externenprüfung bestimmte Teile des Berufsbildes noch nicht in Form von Berufserfahrung nachgewiesen werden können. Es ist auch möglich, zum Zwecke des Berufseinstieges zunächst nur die ersten drei Module zu fördern, die restlichen Module dann im Rahmen von WeGebAU nach erfolgter Arbeitsaufnahme weiterzufördern. In solchen Fällen greifen dann die Regelungen der sogenannten Externenprüfung. Da die Einzelmodule Teil einer bei der Kammer eingetragenen Umschulung sind und bei den Modulprüfungen auch Mitglieder des Prüfungsausschusses vertreten sind, genießt diese Regelung bei der Kammer besonderes Vertrauen.

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Abb. 6:   Lernmaterialien: Orientierung über die Aufgabenstellung, Leitfragen zur selbstständigen Erarbeitung der zur Ausführung erforderlichen Fachinhalte (3. Weg in der Berufsausbildung in NRW)

Die Untergliederung der Ausbildungsbausteine / Weiterbildungsmodule in Lern- und Arbeitsaufgaben erfüllt verschiedene Funktionen:

 Die Inhalte der Bausteine / Module sind in typische Handlungssituationen untergliedert, die in Form von Lern- und Arbeitsaufgaben erlernt werden. Dies geschieht handlungsorientiert und problemlösungsorientiert. Die Aufgabenstellungen werden in der Praxis ausgeführt. Dadurch bekommen auch diejenigen einen besseren Zugang zu beruflichem Lernen, die eher praktisch begabt, lernungewohnt oder lernbeeinträchtigt sind. Vorhandene Berufserfahrung kann eingebracht werden. Durch das praktische Tun entstehen neue Fragestellungen und damit auch die Bereitschaft, sich mit der weiterführenden Theorie zu befassen, die für den Berufsabschluss nötig ist.

Die Lern-und Arbeitsaufgaben sind nach den sechs Stufen einer vollständigen Handlung strukturiert. Es gibt also zunächst eine Orientierung über die Aufgabenstellung. Mit Hilfe der Leitfragen und der nötigen Fachliteratur erarbeiten sich die Lernenden die zur Ausführung nötigen Fachinhalte und strukturieren die Arbeit vor. Die Leitfragen bezeihen sich auf die Herausforderungen oder besonderen Schwierigkeiten der auszuführenden Arbeit. Sie erarbeiten Arbeitspläne und teilen die Teilaufgaben in der Gruppe auf. Während und nach der Ausführung werden die wesentlichen Qualitätsschritte überprüft und ggf. korrigiert.

 

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Abb. 7:   Lernmaterialien: Arbeitsplanung, Qualitätskontrolle (3. Weg in der Berufsausbildung in NRW)

3 Vor- und Nachbereitung betrieblicher Ausbildungsphasen

Die Umsetzung der Ausbildungsbausteine bei einem Bildungsträger stößt auf die Schwierigkeit, dass die logistischen Prozesse im Lager in der Regel nur exemplarisch realisiert werden können, je nach dem wie groß das eigene Lager ist und welche Güter dort eingelagert werden. Die Auszubildenden erlernen dort zwar im Idealfall alle berufsrelevanten Tätigkeiten, dies aber nur in Bezug auf ein eingeschränktes Spektrum an Waren, Transportmitteln und Lagersystemen.

In den betrieblichen Ausbildungsphasen sollen nun die beim Bildungsträger erworbenen Kompetenzen angewendet, erweitert und vertieft werden.

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Abb. 8:   Vergleich der betrieblichen Anforderungen mit den bisher erworbenen Kompetenzen

Dazu ist ein Vergleich der Anforderungen, die der Betrieb stellt, mit den bisher erworbenen Kompetenzen erforderlich. Bezogen auf den Einsatzbereich Wareneingang sind hier die besonderen Anforderungen zu berücksichtigen, die bei den vom Kooperationsbetrieb einzulagernden Gütern zu beachten sind. Was muss zum Beispiel bei der Einlagerung und Kontrolle spezieller Güter besonders beachtet werden, z. B. bei Lebensmitteln, Kühl- und Gefriergut oder Gefahrstoffen? Welche Transportmittel werden in dem jeweiligen Betrieb verwendet? Die Auszubildenden sind zwar mit dem Gabelstapler vertraut, müssen aber im Betrieb auch mit anderen Flurförderfahrzeugen arbeiten und ggf. entsprechend eingewiesen werden.

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Abb. 9:   Individuelle Qualifizierungsanforderungen im Kontext betrieblicher Ausbildungsphasen im 3. Weg

Diese Anforderungen müssen mit dem Betrieb vorher abgestimmt werden. Der Betrieb sollte wissen, was die jeweiligen Auszubildenden zu den bisherigen Ausbildungsbausteinen bereits können, damit sie ihre bisher erworbenen Kompetenzen im betrieblichen Einsatz auch anwenden können. Für den Betrieb ist es wenig sinnvoll, einen Auszubildenden in der Kommissionierung einzusetzen, wenn er sich bisher nur mit den ersten zwei oder drei Ausbildungsbausteinen befasst hat.

Weiterhin ist es wichtig, zu vereinbaren, welche speziellen Kompetenzen noch bis zur betrieblichen Ausbildungsphase vom Träger vermittelt werden sollten. In diesem Beispiel ist der Staplerschein unabdingbare Voraussetzung für den Einsatz im Betrieb. Gleichzeitig sollten sich die Auszubildenden aber schon vorher mit dem jeweiligen Dokumentationssystem des Betriebes vertraut machen sowie ggf. spezielle Sprachkenntnisse erwerben und sich mit der besonderen Kultur des Betriebes auseinandersetzen, damit bzw. aktualisieren.

Ein Teil dieser Kenntnisse sind zwar im Rahmen der theoretischen Unterweisung in der Berufsschule oder beim Träger bearbeitet worden, sollten aber im Zuge der Vorbereitung auf die betriebliche Ausbildungsphase noch einmal wiederholt werden.

Im Praktikumsvertrag wird festgelegt, in welchen Arbeitsbereichen die Auszubildenden eingesetzt werden, den bisher abgeschlossenen Ausbildungsbausteinen entsprechend. Ergänzend ist zu empfehlen, Zielvereinbarungen unter Einschluss des Betriebes zu treffen:

Leistungen des Ausbildungsträgers: 

  • Vorbereitende Qualifizierungen: z. B. Flurförderschein, ergänzte Informationen zu den im Betrieb eingesetzten Flurfördermitteln oder Bereitstellung von Lernmaterialien zur betriebsbezogenen Sprachförderung
  • Vergleich der Warendokumentationssysteme des Ausbildungsträgers und des Betriebes; Einarbeitung in die im Betrieb übliche Software
  • Erarbeitung der im Betrieb eingesetzten Prüfmittel
  • Soziale Kompetenzen, z. B. offene Kommunikation, Umgang mit Vorgesetzten, Umgang mit Kritik oder Unklarheiten
  • Begleitung der betrieblichen Phase

Leistungen des Berufskollegs:

  • Wiederholungen oder Ergänzungen zu betrieblichen Warendokumentationssystemen

Leistungen des Betriebes:

  • Einweisung in den Seitenhubstapler
  • Einarbeitung in die betriebsübliche EDV
  • Bereitstellung von Informationen zu Warenfachkenntnissen

Leistungen der Lernenden:

  • Bearbeitung von (differenziert zu benennenden) Lern- und Arbeitsaufgaben zu den im Betrieb geforderten Themen vor, während und nach der betrieblichen Ausbildungsphase.


Am Beispiel der RFID-Technik, die heute bereits in ausgewählten Firmen erprobt wird, sei dies erläutert. Radio Frequency Identification RFID bezeichnet eine Technik, bei der über elektromagnetische Wellen Daten gesendet werden. Das Prinzip ähnelt dem des Barcodes. Es ist aber kein optischer Kontakt zwischen Chip und Scanner nötig. So kann RFID den Betriebsablauf im Lager und im Supermarkt erheblich beschleunigen..

An der Ware sind Chips angebracht, auf denen alle für den Warenfluss wichtigen Informationen gespeichert werden: Artikelkennung, Hersteller, bei Lebensmitteln auch die Temperaturdaten, Umschlagszeiten, Verweildauer der gesamten Transportkette, sowie die Menge und die Gebindegröße. Diese Daten werden über einen Empfänger eingelesen und direkt ins Warenwirtschaftssystem eingespeichert. Sobald die Ware im Wareneingang registriert worden ist, ist sie im Warenwirtschaftssystem bekannt und kann direkt im Verkauf bereitgestellt werden. Darüber hinaus lassen sich für den Kunden verschiedene Daten in dem System hinterlegen: Produkteigenschaften, Bedienungsanleitungen, Preisen, Lieferbedingungen, Lieferzeiten. Die Chips senden auch die Informationen über Menge und Preis sowie die Artikeldaten aus, die an der Kasse automatisch erfasst werden. Darüber wird der Bestand aktualisiert.

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Abb. 10:  Anwendungsbeispiele für RFID im Lager und im Verkauf (Quelle: www.futurestore.org)

Die Lernenden müssen dieses System gedanklich durchdrungen haben. Die Einzelschritte haben sie vorher „per Hand“ bereits gelernt und ausgeführt: Wareneingangsprüfung, Dokumentation, Fehlerbehebung usw. Sie wissen, welche Arbeitsschritte werden von dem System auf welche Weise ausgeführt. Auf welche Weise müssen die Daten dennoch überprüft werden: Menge, verderbliche Ware, Beschädigungen müssen erfasst werden. Korrekturen, die sich aufgrund der Inaugenscheinnahme ergeben, müssen manuell in das System übertragen werden.

Mit Hilfe von Leitfragen uns Informationsmaterial werden a) die Beobachtungen aus der Besichtigung des Future Stores aufgearbeitet und b) die für die Ausführung nötigen Informationen über das System angeeignet. Hierzu stehen umfangreiche Informationsmaterialien aus dem Internet zur Verfügung. Weiterhin können die Dokumentationen genutzt werden, die andere Auszubildende in früheren betrieblichen Ausbildungsphasen in diesem Betrieb angefertigt haben.

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Abb. 11:   Vor- und Nachbereitung der betrieblichen Ausbildungsphase durch den Bildungsträger (am Beispiel der RFID-Technik)

Die Lernenden kommen mit dem Wissen in den Betrieb, das sie benötigen, um ihren Arbeitsplatz (z. B. im Wareneingang) ausführen zu können. Die betrieblichen Ausbildungsbeauftragten werden sie zu Beginn des Praktikums fragen, was hier zu tun ist, so dass sie ihr Wissen ins Bewusstsein holen, ggf. weitere Fragen stellen zu können, damit sie ohne weitere Einführung diesen Arbeitsplatz ausfüllen können.

Die Fehlerwahrscheinlichkeit im Praktikum wird geringer, genauso auch der Arbeitsaufwand des Praktikumsbetriebes zur Anleitung. Man stelle sich vor, alle vier Wochen kommen neue Praktikanten und müssen jedes Mal nicht nur in die Handhabung und den betrieblichen Arbeitsablauf eingewiesen werden, sondern auch noch grundsätzlich in die Funktionsweise des RFID-Systems. Das ist nicht nur vom Aufwand her schwer zu vertreten. Vielmehr muss die Übersetzungsleistung zwischen den herkömmlichen, bereits erlernten System und der Funktionsweise der RFID-Technik eigentlich vorher schon geleistet worden sein. Das setzt voraus, dass die Ausbilderinnen und Ausbilder sich das System und seine Anwendung im Kooperationsbetrieb vorher angeeignet haben und die „richtigen Fragen“ stellen können, mit denen sich die Lernenden vorher schlau machen können.

4 Begleitung betrieblicher Ausbildungsphasen durch den Bildungsträger

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Abb. 12:  Vor- und Nachbereitung betrieblicher Ausbildungsphasen

Allein die Tatsache, dass es Ausbildungsbausteine gibt, trägt noch nicht zur gegenseitigen Transparenz bei. Vielmehr müssen Bildungsträger mit Hilfe der Ausbildungsbausteine die bereits vorhandenen und die noch zu erwerbenden Kompetenzen deutlich machen und dabei auch die Möglichkeiten der jeweiligen Betriebe berücksichtigen. Damit betriebliche Ausbildungsphasen im Sinne der Betriebe erfolgreich verlaufen, müssen diese darüber informiert sein, was die Auszubildenden bereits können und wie ihre bisher erworbenen Kompetenzen in der betrieblichen Phase angewendet und weiterentwickelt werden können. Dazu ist ein Abgleich mit den Anforderungen des vorgesehenen Arbeitsplatzes notwendig sowie eine Vereinbarung, wie im Vorfeld beim Bildungsträger auf die Anforderungen des betrieblichen Arbeitsplatzes vorbereitet werden kann und was der Betrieb tun kann bzw. tun sollte.

Auf der einen Seite wollen und sollen sich die Betriebe einen eigenen Eindruck von den Auszubildenden verschaffen. Die Auszubildenden sollen sich dort bewerben und den Betrieb überzeugen, dass sie genau die Richtigen sind für den betrieblichen Nachwuchs, ohne dabei „die schützende Hand der sozialpädagogischen Begleitung“ zu halten. Andererseits verlangt die Abstimmung der Lernorte eine detailliertere Planung und Information. Im Rahmen von Zielvereinbarungen sollte festgelegt werden, was die Lernenden selbst, aber auch was der Träger, der Betrieb und ggf. auch das Berufskolleg vor, während und nach der betrieblichen Ausbildungsphase zu ihrem Erfolg beitragen können.

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Abb. 13:   Ausbildungsbausteine – Nutzen für die Betriebe

Der Nutzen der Ausbildungsbausteine für die betrieblichen Ausbildungsphasen ist in folgenden Punkten zu sehen:

  • Für einen bestimmten Arbeitsbereich können die Lernenden als „Fachleute“ eingesetzt werden.
  • Spezielle Fachkenntnisse, die über das „normale“ Wissen hinausgehen, werden transparent: durch den Abgleich von Anforderungen des Betriebes und bisheriger Kompetenzentwicklung
  • Vereinbarungen über den Qualifizierungs- und Förderprozess: Sie wissen, wie die Lernenden am Arbeitsplatz unterstützen, damit die Lernenden „reibungslos“ arbeiten.
  • Betriebe können Mitarbeiter rekrutieren, die dem Anforderungsprofil in hohem Maße entsprechen. Die Lernenden werde auf die jeweilige Stelle vorbereitet, mit relativ geringem betrieblichen Einsatz, aber hohem Einsatz des Bildungsdienstleisters.
  • Differenzierte Ausbildung in Bereichen, in denen die Auszubildenden besondere Stärken entwickeln. Sie werden auf spezielle Aufgabenstellungen vorbereitet, mit denen sie ein besonders Profil entwickeln können.

Der allgemeine Ablauf muss beim Träger erlernt worden sein. Die Praktika haben die Funktion, sich in spezifischen betrieblichen Anwendungssituationen bewähren zu können. Diese sind der Schlüssel für die weitere berufliche Karriere.

Die Konsequenzen für die Bildungsträger sind – zusammenfassend – in folgenden Punkten zu sehen:

Die Lernenden müssen den kompletten Ablauf bereits beherrschen, also z. B. im Wareneingang und innerbetrieblichen Transport die anfallenden Arbeiten gewohnt sein.

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Abb. 14:  Konsequenzen für die Bildungsträger

Die Bildungsträger müssen ihre Lernenden auch in der „speziellen Technik“ ausbilden, die im Betrieb Einsatz findet.

Die Ausbilderinnen und Ausbilder müssen die betrieblichen Prozesse durchdringen und in Form von Aufgabenstellungen, Fragen bereit gestellten Informationen so aufbereiten, dass die Lernenden sich diese Informationen und Abläufe selbst erschließen können.

Die Auszubildenden dokumentieren ihre im Betrieb gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse, zum einen, um sie der nächsten Gruppe als Informationen zur Vorbereitung bereit zu stellen, zum anderen, damit sie das gewonnene Wissen sowohl für die Prüfungen als auch für die weiteren betrieblichen Arbeitsphasen speichern.

Bildungsträger und Betrieb planen die betrieblichen Ausbildungsphasen gemeinsam. Auf der Grundlage der bisher erworbenen Kompetenzen und besonderen Stärken wird ein Abgleich mit den Anforderungen und den Lernmöglichkeiten der jeweiligen betrieblichen Arbeitsplätze vorgenommen. Daraus ergeben sich a) der betriebliche Einsatzplan, b) die vorher vom Bildungsträger und von den Auszubildenden selbst zu leistenden Lernaufgaben und c) die Schwerpunkte für die Anleitung und Reflexion im Betrieb. Während der Begleitung der betrieblichen Ausbildungsphase sorgen die Bildungsträger dafür, dass die neuen Lernerfahrungen mit bereits vorhandenen Kompetenzen in Beziehung gesetzt werden, neue Lernerfahrungen in Bezug auf kommunikative Kompetenzen aufgearbeitet werden sowie Herausforderungen für zukünftiges Lernen bzw. für die zukünftige Karriere thematisiert werden. Dies kann am betrieblichen Arbeitsplatz selbst erfolgen, aber auch im Rahmen des Berufsschulunterrichtes oder des ergänzenden Unterrichtes beim Träger.

Dadurch profitieren auch junge Menschen von dem Ausbildungssystem, die Anleitung und Unterstützung benötigen und nicht das alles von alleine verstehen. Anleitung und Unterstützung kostet Zeit und Aufwand. Diese Zeit ist im Betrieb mitunter nicht in der Weise gegeben, wie es für den Einzelnen erforderlich ist. Dies muss durch den ausbildenden Träger geleistet werden.

5 Übergang in Arbeit

Anhand eines Bausteins haben wir die Verzahnung von Theorie und Praxis aufgezeigt. Genau genommen müsste man dieses Zusammenspiel aller Beteiligten in der zeitlichen Abfolge bezogen auf jeden Baustein betrachten. Im Rahmen einer jeden Praktikumsphase würde der gleiche Anpassungsprozess zwischen vermittelter Theorie und unternehmensspezifischer Anforderung stattfinden. Im Idealfall lassen sich die bei unterschiedlichen Betrieben zusätzlich angeeigneten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im hohen Umfang im Rahmen der Folgepraktika nutzen oder sogar ausbauen. denkbar ist allerdings auch, dass der Lernende mit jedem Praktikum über Ausgrenzungen seiner beruflichen „Bestimmung“ näher kommt.

Die folgende Folie soll dies darstellen, wobei wir stellvertretend für viele begleitete Entwicklungsprozesse den Werdegang eines Lernenden vor Augen haben, der im Rahmen der ersten 5/6 Bausteine verschiedene Betriebe kennen gelernt hat.

Der erste Betrieb und das erste Praktikum (WE) verlangte ihm einiges an zusätzlichem Können ab. Ein Gabelstaplerschein und die nötige Fahrpraxis wurden von ihm ebenso erwartet, wie eine gewisse Affinität zum Warensortiment. (Computerzubehör etc.) Im Rahmen des Abschlussgespräches signalisierte der Betrieb, dass er durchaus mit der Leistung des Lernenden zufrieden war und ihn gerne zum nächsten Praktikum wieder haben wollte.

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Abb. 15:   Zugewinn an Kompetenzen durch mehrere betriebliche Ausbildungsphasen

Dem Lernenden war jedoch wichtig, weitere Erfahrungen in anderen Betrieben zu sammeln. Die betrieblichen Ausbildungsphasen zum  zweiten und dritten Baustein machte er daher in anderen Betrieben, um weitere Erfahrungen zu sammeln.  Im zweiten Betrieb lernte er eine vollkommen flache Hierarchieebene kennen, wobei er sich erst einmal an den „Laissez-faire Führungsstil“ gewöhnen musste, um gleichzeitig für sich zu erkennen, dass klare Anweisungen besser zu ihm passen. Auf der einen Seite genoss er den hohen Grad an Selbstständigkeit, stellte jedoch fest, dass er seinem aktuellen Entwicklungsstand (zumindest noch nicht) entgegen kam.  Es folgte ein Praktikum in einem Betrieb, dass ähnlich strukturiert war, wie der erste Betrieb. Hier wurden allerdings spezielle EDV-Kenntnisse vorausgesetzt, die der Träger vorab (und zusätzlich) in enger Abstimmung vermittelte. Außerdem wurden in diesem Betrieb Scanner-Techniken eingesetzt. Der Lernende kannte diese zwar aus der Theorie, bisher hatte er sie aber selbst in der Praxis nicht einsetzten können. Mit diesen Erfahrungen und entsprechenden „Vergleichswerten“ machte er dann wieder im ersten Betrieb ein Praktikum. Viele Erfahrungen erwiesen sich hierbei als gewinnbringend einsetzbar, andere erlaubten den direkten Vergleich und ließen ihn nun eher die Vor- und Nachteile der jeweiligen Vorgehensweise erkennen.  Der beidseitige Wunsch  nach einer langfristigen beruflichen Allianz reifte weiter und nahm Gestalt an.

Das dritte Ausbildungsjahr macht der Lernende daher in diesem Betrieb im Rahmen eines betrieblichen Ausbildungsverhältnisses. Beide nutzen dieses dritte Jahr, um dem Lernenden gewissermaßen den letzten unternehmensspezifischen „Schliff“ zu geben. Nach heutiger Sicht sind sich beide Parteien darin einig, dass der Auszubildende dort übernommen werden kann und künftig im Wareneingang eingesetzt werden soll.


Zitieren dieses Beitrages

ECKHARDT, C./ REHBEIN, F. (2011): Ausbildungsbausteine zur Verknüpfung der Lernorte Betrieb und Bildungsträger nutzen – Übergänge in Ausbildung und Beschäftigung erleichtern. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 22, hrsg. v. SEVERING, E./ SPATZ, J., 1-20. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws22/eckhardt_rehbein_ws22-ht2011.pdf (26-09-2011).



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