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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT02 - Arbeitslehre
Herausgeberinnen: Marianne Friese & Ilka Benner

Titel:
Arbeitslehre. Neue Anforderungen an berufsorientierte Kompetenzentwicklung und Professionalisierung des pädagogischen Personals


Zufriedenheit mit der Berufswahl. Die Sicht der Auszubildenden

Beitrag von Ilka BENNER & Alexandra JOHN (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Abstract

Auf einer fundierten schulischen Berufsorientierung baut eine gelingende Berufswahl auf, die Jugendlichen eine selbstständige Einmündung in berufliche Ausbildung erleichtert (vgl. FRIESE 2008, 113). Dahingegen stellen Orientierungslosigkeit und -unsicherheit an der ersten Schwelle ein Hindernis bei der Einmündung in berufliche Ausbildung dar (vgl. RADEMACKER 2007, 101). Orientierungsunsicherheit wird dann am stärksten empfunden, wenn problematische Lebenssituationen wie Arbeitslosigkeit antizipiert werden (vgl. OBERLIESEN/ SCHULZ 2007, 31). Insbesondere Jugendliche aus benachteiligtem sozialem Umfeld antizipieren ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko aufgrund eines als niedrig eingestuften Schulabschlusses (vgl. LEVEN/ QUENZEL/ HURRELMANN 2010, 76). Eine gelungene schulische Berufsorientierung in der Hauptschule kann demnach schulbezogenen und sozial determinierten Benachteiligungen am Ausbil¬dungsmarkt entgegenwirken. Die hier vorgestellte Erhebung „Zufrieden mit der Ausbildung“ hat zum Ziel, die Zufriedenheit jugendlicher Auszubildender mit ihrer Berufswahl und Ausbildung darzustellen und daraus Hinweise zur Optimierung schulischer Berufsorientierung abzuleiten. Im Rahmen dieses Artikels werden ausgewählte Ergebnisse bezüglich der Prozesse, beteiligter Institutionen, der subjektiven Bewertung und zur Motivation der Jugendlichen in der Berufswahl dargestellt.

1 Theoretischer Hintergrund

Jugendliche in Deutschland erfahren – abhängig von ihrem Schulabschluss – höhere Unsicherheiten am Übergang von der Schule in den Beruf als in Ländern mit vergleichbarer Struktur der beruflichen Ausbildung: Das mittlere Ausbildungsalter der jungen Menschen liegt im Jahre 2008 bei 20, 6 Jahren, einem Alter, in welchem österreichische Jugendliche bereits ihre Ausbildung abgeschlossen haben (vgl. RAUNER 2010, 67). Darüber hinaus wird ein Viertel aller Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst, ein Tatbestand, der zwar in den meisten Fällen keinen Abbruch der Ausbildungsbemühungen bedeutet, wohl aber mit zeitlichen und ökonomischen Verlusten einhergeht (ebd.). Ein großer Teil sowohl der Ausbildungsabbrüche als auch der Einmündungen in das Übergangssystem lässt sich auf eine nicht vorhandene berufliche Orientierung an der ersten Schwelle zurückführen (vgl. SCHÖNGEN 2003, 10; BMBF 2011, 63).

Hier setzt das Instrument der schulischen Berufsorientierung an. Eine fundierte berufliche Orientierung ist Voraussetzung für eine gelingende Berufswahl, die wiederum einen wesentlichen Einflussfaktor für eine erfolgreiche Einmündung in die berufliche Ausbildung darstellt (vgl. FRIESE 2008, 113; HAUPTAUSSCHUSS BIBB 2011). Jedoch weist der OECD Vergleich dem deutschen Bildungssystem in diesem Bereich gravierende Mängel nach: Deutsche Schulabgänger/innen sind schlecht informiert über die Möglichkeiten, welche sich im Anschluss an den ersten allgemein bildenden Schulabschluss bieten. Ebenso mangelt es ihnen an realistischer Einschätzung der eigenen Kompetenzen und Neigungen. Bei der Wahl des Ausbildungsbetriebes lassen sich Jugendliche stark vom Image und Prestige des jeweiligen Betriebes leiten, weniger häufig treffen Jugendliche fundierte Entscheidungen anhand der Möglichkeiten des regionalen Beschäftigungs- und Ausbildungsmarkts (vgl. RAUNER 2010, 71).

Gleichzeitig ist die Fähigkeit zu einer fundierten, informationsgestützten Berufswahlentscheidung Teil des Konstrukts der Ausbildungsreife: Berufswahlreife stellt im Kriterienkatalog einen eigenen Merkmalsbereich dar (vgl. BA 2009, 58). Die unzureichende berufliche Orientierung deutscher Jugendlicher wird im Rahmen des PISA-Projektes nachgewiesen: Im internationalen Vergleich haben deutsche Schüler/innen einen eingeschränkten Karrierehorizont (vgl. RAUNER 2010, 68). Vor allem viele Jugendliche aus benachteiligtem sozialem Umfeld antizipieren nur unzureichend Karriereschritte, die einer dualen Ausbildung folgen sollten. Das Leitbild des „Lebenslangen Lernens“ scheint nicht für alle sozialen Herkunftsmilieus von Belang zu sein (vgl. ebd.).

Die Aufgabe der schulischen Berufsorientierung ist einerseits die Bereitstellung von Informationen über das technische, soziale und ökonomische Bedingungsgefüge beruflicher Tätigkeiten sowie die Entwicklung persönlicher Fähigkeiten auf diesem Gebiet (vgl. DEDERING 2000, 270). Andererseits zielt schulische Berufsorientierung auf die Fähigkeit, „unter der Perspektive einer längerfristigen, individuellen Berufswegeplanung und unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktentwicklung eine erste Berufs- und Ausbildungsentscheidung zu treffen.“ (DEDERING 2000, 271).

Schulische Berufsorientierung zielt vor dem Hintergrund pädagogischer Unterstützung zur Entwicklung einer tragfähigen Berufsbiographie auf drei Ebenen (vgl. WENSIERSKI/ SCHÜTZLER/ SCHÜTT 2005, 16):

1.      Wissensebene

2.      Handlungsebene

3.      Ebene der biographischen Selbstreflexion

Insbesondere in der Phase der Konkretisierung beruflicher Orientierung sind Werte und Einstellungen des Herkunftsmilieus sowie die Meinung von Eltern und Verwandten bedeutsam (vgl. HERZOG/ NEUENSCHWANDER/ WANNACK 2006: 43). Subjektive Interessen, die fortan die Berufswahl leiten, sind durch die soziale Herkunft des Jugendlichen determiniert. Im Zuge der Entwicklung einer individuellen Berufsbiographie integriert der Jugendliche strukturelle Vorgaben des regionalen Angebots an Ausbildungsstellen sowie die antizipierte Beurteilung der getroffenen Wahl durch wichtige Sozialisationsagenten und nimmt auf dieser Basis eine „biographische Glättung“ (HERZOG/ NEUENSCHWANDER/ WANNACK 2006, 44) vor. Forderungen, die sich an die pädagogische Unterstützung dieses Entwicklungsprozesses richten, schließen an empirisch erhobene Defizite der schulischen Berufsorientierung an: So sollte ein fundiertes Konzept die Bereitstellung des Wissens über eigene Fähigkeiten, Interessen und Kompetenzen ebenso beinhalten wie Wissen über den regionalen Ausbildungsmarkt sowie die Mechanismen und Anforderungen zum Eintritt in eine berufliche Ausbildung. Darüber hinaus bedarf es sowohl der Wissensvermittlung bezüglich möglicher Weiterbildung als auch der Einpassung des individuellen Karriereplans in die eigene Biographie. Zur Gewinnung mittelbarer und unmittelbarer Eindrücke praktischer Anforderungen im angestrebten Beruf bieten sich Instrumente der Handlungsebene schulischer Berufsorientierung an. Rollenspiele, Betriebserkundungen und -praktikum stellen Erfahrungs- und Handlungsräume dar, die sowohl zur Aneignung als auch zur Überprüfung von Wissen genutzt werden können sowie zur Abgleichung von Vorstellungen und Erwartungen mit betrieblicher Realität (vgl. WENSIERSKI/ SCHÜTZLER/ SCHÜTT 2005, 16-23).

Eine so konzipierte, früh einsetzende schulische Berufsorientierung kann als Instrument der Benachteiligtenförderung verstanden werden. Sie bricht einerseits die überlieferten Orientierungsschemata des Herkunftsmilieus auf und erweitert eingeengte Horizonte durch die Bereitstellung weiteren kulturellen Kapitals, andererseits unterstützt sie die Jugendlichen in einer fundierten beruflichen Orientierung, welche die Einmündung in eine berufliche Ausbildung erleichtert (vgl. FRIESE 2008, 113).

Eine gute berufliche Ausbildung ist nicht nur das erste Ziel schulischer Berufsorientierung, sondern sie legt auch das Fundament für eine langfristige berufliche Kompetenzentwicklung vor dem Hintergrund des Leitbildes des „Lebenslangen Lernens“: „Wer eine gute Ausbildung abgeschlossen hat, wird seltener arbeitslos und kann sich im weiteren Lebensverlauf besser auf neue Anforderungen einstellen und sich aktiv weiterbilden.“ (HAUPTAUSSCHUSS BIBB 2011).

Schulische Berufsorientierung kann somit, wenn sie qualitativ hochwertig konzeptioniert und umgesetzt wird, eine Brückenfunktion am Übergang Schule-Beruf erfüllen. Die im vorliegenden Artikel vorgestellte Erhebung „Zufrieden mit der Ausbildung“ wurde mit der Zielsetzung konzeptioniert, die Zufriedenheit jugendlicher Auszubildender mit dem Prozess ihrer Berufswahl, der zugrunde liegenden Berufsorientierung und der erreichten Ausbildung darzustellen und daraus Hinweise für Lehrkräfte im Fach Arbeitslehre abzuleiten, welches in Hessen für Haupt-, Real- und Förderschulen die schulische Berufsorientierung beheimatet.

Darüber hinaus stellen die in der Studie erhobenen Daten zu Ausbildungsabbrüchen und deren Gründen die Möglichkeit bereit, Erkenntnisse zu Wünschen der Jugendlichen hinsichtlich besserer Vorbereitung auf den Ausbildungs- und Arbeitsalltag zu erhalten. Diese Ergebnisse können als Anforderungen an Lehrkräfte sowie professionelle Berufsberatung im Prozess der schulischen Berufsberatung interpretiert werden.

Die dokumentierte Studie wählt den Zugang über das Konstrukt „Zufriedenheit“, um die Qualität beruflicher Ausbildungen sowie beruflicher Orientierungsprozesse zu beleuchten. Da Qualität kein absolutes Kriterium ist, sondern den Bezug zur individuellen Perspektive der Akteure/innen beinhaltet (vgl. QUANTE-BRANDT/ GRABOW 2008, 2), kann die Darstellung der Zufriedenheit der Jugendlichen als eine Determinante des Konstrukts „Qualität“ gelten. Einerseits wird ein Zusammenhang zwischen der Ausbildungsqualität und der Zufriedenheit der Auszubildenden postuliert, andererseits gibt die Erhebung des subjektiven Moments „Zufriedenheit“ Einblicke in den konkreten Arbeitsalltag, da die Bewertung der Ausbildungssituation durch die arbeitende Person erhoben wird (vgl. QUANTE-BRANDT/ GRABOW 2008, 3). Der Vergleich des Ist-Zustandes (vorgefundene Realität) mit dem Soll-Zustand (Erwartungen) stellt eine Möglichkeit dar, das Spannungsverhältnis zwischen Erwartungen des Jugendlichen und der Realität in der Ausbildung darzustellen (vgl. QUANTE-BRANDT/ GRABOW 2008, 3). Liegen die beiden Items zu weit auseinander, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Vertragslösung (vgl. PÄTZOLD 2008, 606). Die vorliegende Studie versteht sich diesbezüglich als ein Instrument der Fremdevaluation für den Qualitätsentwicklungsprozess schulischer Berufsorientierung (vgl. EULER 2006, 14). Ihre Ergebnisse können in konzeptionelle Arbeiten zur Optimierung der Berufsorientierung sowie der Prävention von Ausbildungsabbrüchen einfließen.

Die hier beschriebene Studie nähert sich dem Konstrukt „Zufriedenheit in der Ausbildung“ über direkte Fragen zu folgenden Bereichen:

  • Zufriedenheit mit betrieblichem Klima
  • Zufriedenheit mit betrieblichen Abläufen
  • Zufriedenheit mit Zusammenarbeit mit Ausbildern/innen
  • Zufriedenheit mit Zusammenarbeit mit Kollegen/innen

Die Zufriedenheit der Jugendlichen mit der schulischen und außerschulischen Berufsorientierung wird über Erhebungen zu Agenten im Berufswahlprozess sowie zu Wünschen hinsichtlich einer optimierten Berufsorientierung dargestellt.

2 Die Studie

Im Jahr 2010 wurde an der Professur Berufspädagogik/ Didaktik der Arbeitslehre an der Justus-Liebig-Universität Gießen eine Studie zur Zufriedenheit in der Ausbildung durchgeführt. Diese wurde im Rahmen eines Seminars, welches die Problemstellung von Ausbildungsabbrüchen thematisierte, gemeinsam mit den Studierenden als Fragebogen entwickelt. (Ein erstes Seminar zu diesem Thema entstand in Kooperation mit Herrn Prof. Dr. Lothar Beinke, dem an dieser Stelle Dank für die zahlreichen Anregungen zum Thema ausgesprochen wird.)

Im Zeitraum von Februar bis April 2010 wurde die Erhebung an beruflichen Schulen im Landkreis Gießen durchgeführt. Dazu wurden Auszubildende des ersten, zweiten und dritten Ausbildungsjahres im Klassenverbund jeweils zu Beginn bzw. zum Ende einer Unterrichtsstunde befragt, was zu einer Rücklaufquote von 100% führte.

Die Fragebogenstudie zielt darauf ab, aus der Sicht der Auszubildenden die Rolle der Lehrkraft bzw. der Schulen sowie der außerschulischen Akteure beim Berufsorientierungs- sowie beim Berufswahlprozess insbesondere am Übergang an der ersten Schwelle darzustellen. Darüber hinaus wurden Daten zur Situation in der Ausbildung erhoben, welche auf sowohl positiv als auch negativ wirkende Faktoren für ein erfolgreiches Absolvieren einer Ausbildung rückschließen lassen. Auf diese Weise werden subjektive Bewertungen der Jugendlichen erhoben, da diese als Hinweis auf die Qualität schulischer Berufsorientierung interpretiert werden können (vgl. QUANTE-BRANDT/ GRABOW 2008, 1f).

Insgesamt bestand der Fragebogen aus folgenden thematischen Blöcken:

  • Daten zur Ausbildung
  • Daten zur schulischen Berufsorientierung
  • Daten zur außerschulischen Berufsorientierung
  • Daten zur Zufriedenheit im Ausbildungsbetrieb
  • Daten zur Situation im Ausbildungsbetrieb
  • Daten zur Situation in der Berufsschule
  • Soziodemografische Daten

Im Rahmen dieses Beitrags sollen vor allem zentrale Ergebnisse zum Prozess der Berufsorientierung bzw. Berufswahl dargestellt werden. Die zentralen Fragen hierzu lauten:

  • Welche Rolle nehmen die Lehrer und Lehrerinnen beim Prozess der Berufsorientierung ein?
  • Welchen Einfluss haben außerschulische Elemente auf den Berufsorientierungsprozess der Jugendlichen?
  • Wo sehen die Auszubildenden Optimierungsbedarf in Bezug auf den Prozess der Berufsorientierung?

2.1 Sample der Studie

Insgesamt wurden 418 Auszubildende aus 31 Berufsschulklassen befragt. Die Angaben der Jugendlichen wurden nach einer Einteilung in Berufsgruppen ausgewertet. Dabei ergibt sich eine Verteilung, wie sie in Abb.1 dargestellt ist. Diese orientiert sich an PAHL/HERCKNER (vgl. PAHL/HERCKNER 2010), wobei die Gruppe der Jugendlichen, welche eine zweijährige Berufsausbildung absolvieren, hinzugefügt wurde, da diese Art der Ausbildungen ein Instrument in der beruflichen Integrationsförderung darstellen (vgl. WEBER 2008).

 

Berufsgruppen

Teilnehmendenzahl (n)

Einzelne Berufe (Teilnehmendenzahl)

Kaufmännisch-verwaltende

124

(9 Berufsschulklassen)

Bürokauffrau/-mann (12)

Fachangestellte/r für Arbeitsförderung (12)

Industriekauffrau/-mann (12)
Kauffrau/-mann für
Bürokummunikation (32)

Kauffrau/-mann im Einzelhandel (44)

Verwaltungsfachangestellte/r (12)

Gewerblich-technische

101

(10 Berufsschulklassen)

Berufskraftfahrer/in (16)

Beschichtungstechnik (1)

Chemielaborant/in (12)

Elektroniker/in (22)

Fahrzeuglackierer/in (20)

Industriemechaniker/in (2)

Kraftfahrzeugmechatroniker/in (21)

Lackierer/in (7)

Verfahrensmechaniker/in (1)

Zweijährige Berufs­ausbildung

92


(6 Berufsschulklassen)

Assistent/in für Solarthermie/Photo­voltaik (12)

Bäckereinfachverkäufer/in (18)

Fleischereifachverkäufer/in (25)

Verkäufer/in (37)

Personenbezogen

53

(3 Berufsschulklassen)

Friseur/in (53)

Ernährungsbezogen

48

(3Berufsschulklassen)

Bäcker/in und Konditor/in (24)

Fleischer/in (8)

Koch/Köchin (16)

Abb. 1:   Zusammensetzung der Befragten nach Berufsgruppen


Wird der höchst erreichte allgemein bildende Abschluss der Stichprobe betrachtet (Abb.2), so weisen die Ergebnisse der Studie nach, dass die Auszubildenden der kaufmännisch-verwaltenden Berufsgruppe über alle Berufsgruppen hinweg am wenigsten einen Hauptschulabschluss besitzen (23,4%) und am häufigsten einen Realschulabschluss (46,8%) sowie ein Abitur (11,3%). Bei den zweijährigen Berufsausbildungen sind Jugendliche mit einem Hauptschulabschluss (59,8%) am meisten vertreten und mit einer fachgebundenen Hochschulreife (2,2%) am wenigsten, was durch die Sonderstellung der zweijährigen Ausbildungen in Bezug auf die berufliche Benachteiligtenförderung erklärt werden könnte (vgl. WEBER 2008).

 

Schulab-schluss

Kaufmännisch-ver­waltend

Gewerblich-technisch

Zweijährige Berufsaus-bildung

Personen- bezogen

Ernährungs-bezogen

HSA

23,4%

37,6%

59,8%

50,9%

41,7%

RSA

46,8%

42,6%

30,4%

43,4%

31,3%

fachgeb. Hoch-schulreife

11,3%

6,9%

2,2%

3,8%

20,8%

allg. Hoch-schulreife

11,3%

5,9%

1,1%

0,0%

2,1%

HSA=Hauptschulabschluss, RSA=Realschulabschluss, grau unterlegt: höchster/niedrigster Wert

Abb. 2:   Verteilung der Schulabschlüsse auf die Berufsgruppen

2.2 Einflüsse auf die Berufswahl

Bei der Auswertung der Einflüsse auf die Berufswahl wird über alle Berufsgruppen hinweg deutlich, dass Eltern (zwischen 22,3% und 26,1%) sowie Praktika (zwischen16,4% und 22,6%) am meisten ins Gewicht fallen, worauf die Unterstützung durch Freunde folgt. Diese Ergebnisse der wichtigsten drei Einflussfaktoren bestätigen auch andere Erhebungen wie beispielsweise die von Bergzog (vgl. BERGZOG 2008, 18). Am geringsten wird hingegen der Einfluss der Lehrer und Lehrerinnen (zwischen 0% und 7,8%) sowie der professionellen Berufsberatung (zwischen 1,3% und 5,0%) eingeschätzt. Die Studie konnte in diesem Zusammenhang allerdings belegen, dass der Wunsch der Jugendlichen nach einer intensiveren Unterstützung genau dieser Instanzen vorhanden ist. So wurde die Frage, wer sie auf mögliche Probleme hätte hinweisen sollen (Abb.3), in besonders hoher Häufigkeit mit den Items Berufsberater/ Berufsberaterin (zwischen13,0% und 40,3%) sowie Lehrer/ Lehrerinnen (zwischen19,4% und 29,5%) beantwortet.

 

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Abb. 3:   Wer hätte Sie auf mögliche Probleme hinweisen sollen?

Einen weiteren Punkt, die diesen Unterstützungsbedarf seitens der Jugendlichen belegen, stellen die Antworten auf die Frage nach den Möglichkeiten dar, künftig den Berufsübergang zu erleichtern (Abb.4). Die Forderung nach mehr Praxis ist zumeist bei der Gruppe der personenbezogenen Dienstleistungsberufe (33,3%) anzusiedeln, wenngleich diese Forderung auch über die anderen Berufsgruppen hinweg sehr hoch ist (zwischen 18,5% und 22,2%). Darüber hinaus wurden eine bessere Information durch die Berufsberatung (zwischen 10,2 und 14,1%) sowie ein früherer Kontakt zu den Betrieben (zwischen 10,8% und 23,7%) benannt.

 

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Abb. 4:   Möglichkeiten, künftig den Berufsübergang zu erleichtern

2.3 Ausbildungsberuf – Wunschberuf?

Eine Analyse, ob der Ausbildungsberuf auch dem Wunschberuf entspricht, ergibt sehr unterschiedliche Ergebnisse bezogen auf die eingeteilten Berufsgruppen. Auffällig ist, dass besonders diejenigen Jugendlichen, welche eine zweijährige Berufsausbildung aufgenommen haben, diese am häufigsten nicht in ihrem Wunschberuf absolvieren (62,0%). Dies lässt vermuten, dass eine solche Ausbildung nur der zweitbeste Weg und damit nicht das ursprünglich angestrebte Ziel der Jugendlichen ist. Konträr dazu verhält es sich bei den Jugendlichen im Bereich der personenbezogenen Dienstleistungsberufe. Hier gaben 81,1% der Jugendlichen an, in ihrem Wunschberuf ausgebildet zu werden. Bezogen auf die drei anderen Berufsgruppen entsprach der Ausbildungsberuf dem Wunschberuf zwischen 46,8% und 63,4%. Insgesamt ist bei der Auswertung dieser Frage zu beachten, dass die Angebots-Nachfrage-Relation im Arbeitsagentur-Bezirk Gießen (in welchem die Befragung der Auszubildenden stattfand) eher ungünstig war. Dabei stellte sich das Verhältnis zum Befragungszeitpunkt April 2010 im Arbeitsagenturbezirk Gießen wie folgt dar: 3.711 Bewerber für Berufsausbildungsstellen und 2.139 gemeldete Berufsausbildungsstellen (vgl. BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2011, 32). Folglich mussten die Schüler und Schülerinnen bei ihrer Lehrstellensuche Kompromisse eingehen.

Trotzdem wird die Frage nach dem Grund der Berufswahl (Abb. 5) von allen am häufigsten durch Interesse begründet (zwischen 32,6% und 62,9%). An dieser Stelle wird erneut die besondere Position der zweijährigen Berufsausbildungen deutlich, denn die Jugendlichen dieser Gruppe begründeten ihre Wahl mit 7,8% am häufigsten mit der Aussicht auf gute Verdienstmöglichkeiten sowie mit der Zufälligkeit ein Stellenangebot gesehen zu haben (16,3%).

 

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Abb. 5:   Grund der Berufswahl

3 Abschließende Bemerkung und Ausblick

Eine qualitativ hochwertige schulische Berufsorientierung stellt Jugendlichen Möglichkeiten zur Verfügung, sich ihrer eigenen Neigungen, Interessen und Fähigkeiten bewusst zu werden, diese zu erproben sowie sie mit den Realitäten des regionalen Ausbildungsmarktes abzugleichen. Darüber hinaus bedürfen Jugendliche im Berufsorientierungsprozess der Unterstützung durch die Lehrkraft bei der Entwicklung einer realistischen Berufsbiografie. Besonders im Hinblick auf die vorgestellten Ergebnisse der Studie wird deutlich, in welch hohem Maße sich Jugendliche bei der Wahl ihres Ausbildungsberufes von Interesse leiten lassen.

Konkrete praktische oder praxisbezogene Einblicke in Berufe und berufsbezogene Arbeitssituationen bieten die Chance, Berufswahlentscheidungen zu fundieren oder bereits getroffene zu überdenken und sie in die eigene Berufswegeplanung zu integrieren. In diesem Zusammenhang verweist die vorliegende Studie auf Entwicklungsbedarfe hinsichtlich der Rolle der Lehrkräfte und Berufsberater/innen sowie der Integration praktischer Elemente in den berufsorientierenden Unterricht. Diesen Elementen des Berufsorientierungsprozesses sprachen die Jugendlichen eine eher geringe Relevanz im eigenen Prozess der Berufsorientierung zu, gleichzeitig hätten sie aber eine größere Unterstützung durch die schulischen und außerschulischen Institutionen als hilfreich empfunden.

Insgesamt sollte eine stimmiges Curriculum für den Berufsorientierungs- bzw. Be­rufswahlunterricht entwickelt werden, welches die Potenziale aller beteiligten Akteure (Schule, professionelle Berufsberatung, regionale Wirtschaft) nutzt.

Im Bundesland Hessen ist das Fach Arbeitslehre Ansiedlungspunkt für schulische Berufsorientierung an Haupt-, Real- und Förderschulen. Die Studie „Zufrieden mit der Ausbildung“ ist nicht nur im Rahmen der Lehramtsausbildung für dieses Fach entstanden, sondern ihre Ergebnisse fließen zurück in die universitäre Lehrerausbildung, um Studierende für die Bedarfe der Schüler/innen zu sensibilisieren. Aufbauend auf den vorliegenden Ergebnissen werden in einem nächsten Schritt – gestützt durch qualitative Forschung zur schulischen Berufsorientierung – Lehrkonzepte entwickelt, die zur (didaktischen) Professionalisierung der angehenden Lehrer und Lehrerinnen im Feld der schulischen Berufsorientierung beitragen sollen.

Literatur

BERGZOG, T. (2008): Beruf fängt in der Schule an. Die Bedeutung von Schülerbetriebspraktika im Rahmen des Berufsorientierungsprozesses. Bonn.

BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT [BA] (Hrsg.) (2011): Arbeitsmarkt in Zahlen. Arbeitsmarkt im Fokus. Agentur für Arbeit Gießen. März 2011. Online: http://www.arbeitsagentur.de/Dienststellen/RD-H/Giessen/AA/zahlen-daten-fakten/arbeitsmarktberichte/publikationen/2011/Arbeitsmarktreport-Maerz-2011.pdf  (03-07-2011).

BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT [BA] (Hrsg.) (2009): Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs. Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife. Online: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_PaktfAusb-Kriterienkatalog-AusbReife.pdf  (03-07-2011).

BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG [BMBF] (Hrsg.) (2011): Berufsbildungsbericht 2011. Online: http://www.bmbf.de/pub/bbb_2011.pdf  (03-07-2011).

DEDERING, K. (2000): Einführung in das Lernfeld Arbeitslehre. München, 2. Aufl.

EULER, D. (2006): Qualitätsentwicklung in der Berufsausbildung. In: BUND-LÄNDER-KOMISSION [BLK] (Hrsg.): Qualitätsentwicklung in der Berufsausbildung. Workshop der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung am 29. November 2005 in Bonn. Bonn.

HAUPTAUSSCHUSS BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG [BIBB] (Hrsg.) (2011): Leitlinien zur Verbesserung des Übergangs Schule-Beruf. Individuelle Förderung und konsistente Wege für den Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf schaffen. Online: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/Empfehlung_BIBB-HA_Leitlinien_zur_Verbesserung_Uebergang_Schule_-_Beruf_2011_06_20.pdf  (21-06-2011).

HERZOG, W./ NEUENSCHWANDER, M.P./ WANNACK, E. (2006): Berufswahlprozess. Wie sich Jugendliche auf ihren Beruf vorbereiten. Bern Stuttgart Wien.

FRIESE, M. (2008): Kompetenzentwicklung für junge Mütter. Förderansätze der beruflichen Bildung. Bielefeld.

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QUANTE-BRANDT, E./ GRABOW, T. (2008): Die Sicht von Auszubildenden auf die Qualität ihrer Ausbildungsbedingungen. Regionale Studie zur Qualität und Zufriedenheit im Ausbildungsprozess. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Spezialausgabe 4, 1-18.

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WENSIERSKI, H.-J/ SCHÜTZLER, C./ SCHÜTT, S. (2005): Berufsorientierende Jugendbildung. Grundlagen, empirische Befunde, Konzepte. Weinheim und München.


Zitieren dieses Beitrages

BENNER, I./ JOHN, A. (2011): Zufriedenheit mit der Berufswahl. Die Sicht der Auszubildenden. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 02, hrsg. v. FRIESE, M./ BENNER, I., 1-13. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft02/benner_john_ft02-ht2011.pdf (26-09-2011).



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