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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT02 - Arbeitslehre
Herausgeberinnen: Marianne Friese & Ilka Benner

Titel:
Arbeitslehre. Neue Anforderungen an berufsorientierte Kompetenzentwicklung und Professionalisierung des pädagogischen Personals


Außerschulische Handlungsfelder: Am Beispiel der Personalentwicklung für Menschen ohne Berufsausbildung – Anforderungen an pädagogisches Personal

Beitrag von Wolfgang BALSER (Jugendwerkstatt Gießen e.V.)

Abstract

Die Jugendwerkstatt Gießen e.V. ist eine Einrichtung mit fast 30 Jahren Erfahrung in der Qualifizierung, Berufsvorbereitung und Ausbildung von jungen Menschen mit Entwicklungsrückständen. 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten am Übergang Schule-Beruf in differenzierten Angebotsformen, in der integrativen Berufsausbildung und in der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen. Derzeit werden 50 junge Menschen auf Ausbildung und Beruf vorbereitet, 46 Auszubildende in fünf Berufen werden nach dem integrativen Konzept ausgebildet. Der Arbeitsschwerpunkt liegt auf praktischen und handwerklichen Arbeits- und Bildungsprozessen. Das Konzept der Produktionsschulen ist dabei handlungsleitend.

Kernpunkte des Produktionsschulkonzepts:
• Produktion sinnvoller Gegenstände und Dienstleistungen für konkrete Kunden
• Entwicklung beruflicher Handlungsfähigkeit
• Verknüpfung allgemein bildender, praktischer und fachlich-theoretischer Qualifizierung
• Ganzheitliches Lernen

1  Personalentwicklung in der Ausbildungs- und Berufsvorbereitung

Ausbildungs- und Berufsvorbereitung im Kontext einer Qualifizierungsgesellschaft arbeitet mit Menschen, die vielfältige Entwicklungsrückstände, biografische Brüche, un<st1:personname w:st="on">voll</st1:personname>ständige Bildungsprozesse und häufig auch seelische Probleme mitbringen.

Diese Menschen verfügen aber oft auch über überraschende Fähigkeiten, die ihnen helfen in widrigen Umständen ihr Leben zu gestalten. Personalentwicklung mit Menschen ohne Berufsausbildung versucht diese positiven Fähigkeiten herauszuarbeiten und zum Ausgangspunkt von Bildungs- und Entwicklungsprozessen zu machen.

Personalentwicklung setzt an den festgestellten Kompetenzen an, ermöglicht Erfolgserlebnisse, verstärkt damit die Kompetenzen und auch das Selbstbewusstsein. Das Instrument der Förderplanung bildet den fachlichen Rahmen dieser Entwicklungsprozesse und bildet diese ab.

Sozialpädagogische Fachkräfte arbeiten dabei eng mit fachpraktischen Anleitungskräften zusammen. Die Kompetenzen der Fachkräfte sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Dies gilt für die sozialpädagogischen Mitarbeiter/innen, aber auch für die fachpraktischen Anleitungskräfte oder Werkstattpädagogen/innen, die neben soliden handwerklichen Fachkenntnissen auch eine gute pädagogische Kompetenz benötigen.

Damit stellen sich wesentliche Rahmenbedingungen einer Entwicklungsförderung für Menschen ohne Berufsabschluss in unserem Praxisfeld folgendermaßen dar:


Abb. 1:   Rahmen der Entwicklungsförderung

Nicht zu vernachlässigende Faktoren innerhalb der Rahmenbedingungen stellen die Anforderungen der Auftrag- und Geldgeber, aber auch eigene konzeptionelle Grundlagen dar, z. B. das Qualitätsmanagement-Konzept der Jugendwerkstatt.

2  Anforderungsreiche Handlungsfelder für sozialpädagogische Fachkräfte: Aufgaben - Anforderungen - professionelle Kompetenzen

Zielorientiertes Arbeiten mit der Zielgruppe stellt hohe Anforderungen an die fachliche und persönliche Qualifikation und an die Professionalität der Fachkräfte.

Bei den Handlungsfeldern unterscheide ich die klassischen Felder sozialpädagogischer Arbeit, nämlich Einzelgespräch, Arbeit in Kooperation (in der Werkstattgruppe) sowie eigene Unterrichts- und gruppenpädagogische Angebote. In der Praxis sind diese Felder aufeinander bezogen und eng verbunden.

2.1 Pädagogische Beratung für einzelne Personen

Ein klassisches Aufgabenfeld für sozialpädagogische Fachkräfte stellt das Einzelgespräch oder die Einzelberatung dar.

Anamnese und diagnostische Elemente sind häufige Gegenstände dieses Aufgabenfeldes.

Die Kompetenzfeststellung enthält ebenfalls Einzelgespräche als Element, genauso wie die Qualifizierungs- und Berufsentwicklungsplanung oder Förderplanung.

Erforderlich ist dazu erstens Gesprächs- und Beratungskompetenz. Persönliche Kompetenzen wie z. B Kommunikationskompetenz gehören zu den Grundvoraussetzungen sozialpädagogischer Arbeit im beschriebenen Feld.

Weiterhin gehören Klärungsprozesse und Konfliktbearbeitung in den Bereich der Einzelberatung.

Fachkräfte müssen sich auf die Zielgruppe und deren Situation einstellen. Dies erfordert u.a. Empathie und eine wertschätzende Haltung. Gleichzeitig ist eine Balance aus Nähe und Distanz erforderlich.

Beratungsgespräche und deren Ergebnisse müssen dokumentiert werden. Evaluation umfasst auch den Bereich der Einzelberatung

2.2  Arbeit in der Werkstattgruppe

In der Arbeit mit der Werkstattgruppe werden Arbeitsverhalten und Arbeitssystematik gefördert, Fachwissen und praktische Fertigkeiten vermittelt und in konkreten Produktionsprozessen geübt. Auch gilt es fachpraktische Fertigkeiten mit allgemein bildenden und fachlich-theoretischen Lernprozessen zu verknüpfen. Die Förderung des Team- und Sozialverhaltens ist wichtiger Aspekt in diesem Kontext.

Für die Qualifizierung im Werkstattzusammenhang sind Bildungsprozesse zu planen und zu gestalten. Die Gestaltung komplexer Lernprozesse in der Verknüpfung verschiedener Dimensionen stellt hohe Anforderungen an die pädagogische und didaktisch/methodischen Fähigkeiten.

Analyse und Diagnose von Lernprozessen sowie von persönlichen Entwicklungsprozessen sind die Grundlage für die zielgerechte Gestaltung von Lernarrangements.

Sozialpädagogische Fachkräfte sind in diese Prozesse eingebunden. Sie beraten und unterstützen die fachpraktischen Anleiter/innen. Auch in die Planung und Auswertung von Qualifizierungs- und Entwicklungsprozessen sind sozialpädagogische Fachkräfte einbezogen.

Möglich sind auch Projekte, die direkt von sozialpädagogischen Kräften und Werkstattanleitern/innen gemeinsam durchgeführt werden, im Sinne eines Team-Teachings.

Interne Kooperationsprozesse werden von den pädagogischen Fachkräften organisiert und gestaltet. Kollegiale Beratung der Werkstattpädagogen/innen und kollegialer Austausch sind nicht nur für die Gestaltung, sondern auch für die Weiterentwicklung der Prozessabläufe notwendig.

Die gute Kooperation zwischen Fachanleitungskräften (Werkstattpädagogen/innen) und Sozialpädagogen/innen erfordert gute Fähigkeiten zur konstruktiven und zielgerechten Gestaltung der Zusammenarbeit sowie zu kollegialer Beratung, wenn Qualifizierungs- und Entwicklungsprozesse gelingen sollen. Dies wird am Beispiel der Qualifizierungs- und Förderplanung deutlich, in welcher fachliche Gesichtspunkte aus dem Berufsfeld und sozialpädagogische Gesichtspunkte zusammenfließen müssen.

2.3  Unterricht und Gruppenangebote

Im Unterrichtszusammenhang werden allgemein bildende und fachliche Kenntnisse vermittelt, wobei der Bezug zu praktischen Aspekten und praktischer Qualifizierung einen wichtigen Teil des Prozesses darstellt. Sozialpädagogische Fachkräfte führen selbst Unterricht durch und organisieren Unterrichtsprozesse mit anderen pädagogischen Kräften.

Allgemein bildender Unterricht wird für die Vorbereitung auf das Nachholen des Hauptschulabschlusses durchgeführt. Aber auch Teilnehmende, die nicht auf den Schulabschluss vorbereitet werden, erhalten allgemein bildende Angebote, orientiert an lebensweltlichen Gesichtspunkten.

Pädagogische Fachkräfte mit Doppelqualifikation führen auch fachlichen Unterricht durch.

Methoden der Kompetenzfeststellung und zur Ermittlung des Leistungsstandes stehen am Beginn der Qualifizierungsprozesses.

Pädagogische Fachkräfte müssen in der Lage sein, Bildungsprozesse zu planen und nach didaktisch/methodischen Gesichtspunkten zu gestalten. Dabei sind die besonderen Gegebenheiten der Zielgruppe als wesentlicher Faktor des pädagogischen Prozesses zu berücksichtigen.

Angebote zur Förderung der Gruppenstruktur wie z.B. erlebnispädagogische Angebote werden zur Entwicklung des Team- und Sozialverhaltens eingesetzt und bilden eine wichtige Ergänzung zu den allgemein bildenden und fachlichen Qualifizierungsprozessen. Diese Angebote zielen auf eine Förderung der persönlichen Entwicklung und auf die Weiterentwicklung personaler und sozialer Kompetenzen der Jugendlichen.

Sozialpädagogische Fachkräfte analysieren Gruppenprozesse und verfügen über ein Repertoire zur Gestaltung solcher Prozesse. Die Gestaltung von Gruppenprozessen ist mit der didaktisch/methodischen Arbeit zu verknüpfen.

2.4 Externe Kooperation

Sozialpädagogische Fachkräfte arbeiten mit vielfältigen externen Kooperationspartnern und Institutionen zusammen. Die Bildung und Pflege von Netzwerken stellt einen wichtigen Aspekt der Aufgabe dar. Angesichts der Problemvielfalt der Jugendlichen unserer Zielgruppe ist eine enge Zusammenarbeit mit Fachleuten unterschiedlicher Professionen erforderlich.

Sozialpädagogische Fachkräfte müssen in der Lage sein, Arbeitsbeziehungen zu externen Partnern aufzubauen und konstruktiv zu gestalten.

Dazu gehören Kontakte zu Jobcenter, Arbeitsagentur, Jugendhilfe, Jugendgerichtshilfe, Betrieben, Schulen, Sucht- und Schuldnerberatung, Ärzten und Therapeuten, Wohnungsunternehmen etc.

Die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Kooperationspartnern mit ihren jeweils spezifischen Bedingungen braucht nicht nur eine gute Kenntnis dieser Bedingungen, sondern vor allem die Fähigkeit, die Kooperation mit diesen Partnern anzubahnen und konstruktiv zu gestalten. Eine gut entwickelte Kommunikationsfähigkeit ist eine der dazu notwendigen Voraussetzungen.

2.5 Evaluation, Konzeptentwicklung

Evaluation und damit auch die Dokumentation der Arbeitsprozesse wird nicht nur von Auftraggebern erwartet, sondern ist auch fachlicher Standard, der u.a. im Konzept für das Qualitätsmanagement definiert wird.

Die anzuwendenden Methoden der Evaluation reichen von Teilnehmerbefragungen über Wirkungsanalysen, Datenauswertungen und Fallauswertungen (z.B. drop-out-Auswertung).

Von sozialpädagogischen Fachkräften wird die Analyse von Arbeitsprozessen, von Arbeitsergebnissen, von Entwicklungsprozessen erwartet. Der Einsatz von einschlägigen Instrumenten gehört zum Kompetenzspektrum der Fachkräfte.

Nicht nur Methodenwissen ist gefragt, sondern auch die Bereitschaft und Fähigkeit zur Reflexion von Arbeitsprozessen und vor allem auch zur Selbstreflexion.

In diesen Zusammenhang gehört auch die Fähigkeit Konzepte zu entwickeln, zu formulieren und gegenüber Auftraggebern zu vertreten. Evaluation und Konzeptentwicklung fließen bei der laufenden Weiterentwicklung der eigenen Arbeitsgrundlagen zusammen.

In Zeiten, in denen die Einrichtungen der Qualifizierung und Ausbildung einem enormen Wettbewerbsdruck unterliegen, gewinnt die konzeptionelle Arbeit deutlich an Stellenwert.

Fachkräfte müssen sich als Teil einer lernenden Organisation verstehen und an den gemeinschaftlichen Lern- und Entwicklungsprozessen mitarbeiten. Dazu kommt die zunehmend notwendige Bereitschaft, die eigenen fachlichen und persönlichen Kompetenzen laufend weiter zu entwickeln.

Die pädagogischen Fachkräfte sind in die Entwicklung von Konzepten einbezogen oder sie entwickeln Konzepte selbstständig. Die Kompetenz zur Entwicklung bzw. Weiterentwicklung fachlicher Konzepte ist deshalb gefragt.

2.6 Administration

Die ständig zunehmenden und sich ausweitenden Vorgaben der Auftraggeber für die administrative Abwicklung und Dokumentation erfordern eine kooperative Beteiligung aller Mitarbeitenden, also auch des pädagogischen Personals, an der Bewältigung dieser Aufgaben.

Deshalb müssen sozialpädagogische Fachkräfte über eine gute administrative Kompetenz verfügen. Die interne Kooperation mit Verwaltungs- und anderen Kräften muss von allen Beteiligten an diesen Prozessen gepflegt und entwickelt werden.

Teilweise haben sich die Anforderungen der Auftraggeber derart ausgeweitet und ausdifferenziert, dass inhaltliche Arbeitsprozesse einerseits sowie Administration und Dokumentation andererseits so eng verzahnt sein müssen, dass pädagogische Fachkräfte auch komplette administrative Abwicklungsaufgaben für ein Projekt weitgehend übernehmen müssen (Beispiel: Projekt „Schulverweigerung – Die 2. Chance“).

3 Unterstützung und Begleitung

Die beschriebenen Anforderungen und Kompetenzen für sozialpädagogische Fachkräfte im Arbeitsfeld erfordern, dass eine gute fachliche Begleitung bei der täglichen Arbeit erfolgt. Leitungspersonen müssen die Arbeit begleiten, in einem fachlichen Dialog mit den Fachkräften stehen und zu einer gemeinsamen Reflexion der Arbeit beitragen.

Das Angebot von Supervision, sowohl zur fachlichen Reflexion einzelner Fälle als auch zur Reflexion der eigenen Arbeit ist ebenso erforderlich wie das Angebot von Fortbildungsmöglichkeiten zur Entwicklung der Kompetenzen. Insoweit gilt das Konzept der Personalentwicklung auch für die pädagogischen Fachkräfte.

4 Fazit

Das Aufgabenfeld der Personalentwicklung von Jugendlichen mit Entwicklungsrückständen erfordert ein sehr breites Kompetenzspektrum, was sich aus den komplexen Handlungsanforderungen ergibt. Nur durch solide Methodenkompetenz kann in diesem Feld planmäßig, systematisch und reflektiert gehandelt werden.

Damit gleichgewichtig ist die personale Kompetenz der Fachkräfte, die Fähigkeit zur Kommunikation, aber auch die Bereitschaft, den Teilnehmenden mit Empathie gegenüber zu treten, gleichzeitig aber das Verhältnis von Nähe und Distanz professionell zu gestalten.

Persönliche Weiterentwicklung und aktive Beteiligung an den Entwicklungsprozessen der Institution sind wesentlicher Teil des pädagogischen Anforderungskataloges, um in einer lernenden Organisation den Platz gut auszufüllen.


Zitieren dieses Beitrages

BALSER, W. (2011): Außerschulische Handlungsfelder: Am Beispiel der Personalentwicklung für Menschen ohne Berufsausbildung – Anforderungen an pädagogisches Personal. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 02, hrsg. v. FRIESE, M./ BENNER, I., 1-7. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft02/balser_ft02-ht2011.pdf (26-09-2011).



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