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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

Kurzvorträge
Herausgeberin: Margit Ebbinghaus


Titel:
Facettenvielfalt der Übergänge in der beruflichen Bildung


Grenzenlose Übergänge – Zur Erforschung der ersten Schwelle in der internationalen Bodenseeregion

Beitrag von Joachim ROTTMANN, Armin SEHRER & Christian J. GRAS (Pädagogische Hochschule Weingarten)

Abstract

Das Forschungsprojekt „BRÜCKE (Berufsorientierung und regionales Übergangsmanagement - Chancen, Kompetenzen, Entwicklungspotentiale)“ nimmt die berufspädagogisch bedeutsame Frage in den Blick, worauf sich die Orientierungen der Schüler/-innen, Lehrer/-innen, Schulleiter/-innen und Betriebsvertreter/-innen bezüglich der Berufswahl stützen und auf welche Kontextvariablen, Überlegungen und Instrumente zur Förderung von Übergängen und zur Stabilisierung von Erwerbsbiographien Bezug genommen wird bzw. werden kann. Das Ziel des Vorhabens besteht in der Exploration und Interpretation der regionalen Entwicklung von Berufsvorbereitungs- und Übergangsmanagementsystemen in Schulen der Sekundarstufe I der internationalen Bodenseeregion. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf die Nutzung von regionalen und subregionalen Ressourcen, wie z.B. durch Schulkooperationen, Wirtschafts- und Betriebskooperationen, Mittelakquisition, Elterneinbindung und andere Ehrenamtsbeteiligungen, gelegt. Die Bedeutung des Übergangsmanagements Schule-Beruf für Schulen der Sekundarstufe I rund um den Bodensee und deren Rahmenbedingungen, Probleme und Problembewältigungsstrategien stehen daher im Mittelpunkt des empirischen Forschungsprojektes.

1 Berufsorientierung & Übergangsmanagement

Der Übergang von der Schule in den Beruf ist eine entscheidende Statuspassage im Lebenslauf von Jugendlichen (vgl. JUNG/ ROTTMANN/ SCHLEMMER 2008). Insbesondere an Schulen, die mit der Sekundarstufe I abschließen, müssen sich die Schüler/-innen dieser vielschichtigen Herausforderung bereits früh stellen und sich, mit mehr oder weniger Aussicht auf Erfolg, für einen zukünftigen (Ausbildungs-)Beruf, ein zukünftiges Arbeitsfeld bzw. den Weg über weiterführende Bildungsangebote entscheiden. Die erfolgreiche Bewältigung dieses Übergangs wird dabei neben persönlichen Eigenschaften der Jugendlichen, maßgeblich durch gesellschaftliche Wandlungsprozesse bestimmt (vgl. BLOSSFELD 2007, 35f).

Für die Schulabgänger aus Schulen der Sekundarstufe I kennzeichnet sich die aktuelle Lage einerseits durch ein regional sehr heterogenes Ausbildungsstellenangebot – so besteht ein latenter Ausbildungsstellenmangel in urbanen Regionen mit stetig steigender Jugendarbeitslosigkeit, insbesondere bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund (vgl. BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG 2009, 13f) – andererseits durch unbesetzte Ausbildungsstellen und die gleichzeitige Klage über eine mangelnde „Ausbildungsfähigkeit“ (ebd.).

Um dieser Diskrepanz entgegenzuwirken, erwächst den Schulen die zunehmend komplexere Aufgabe, die nachwachsende Generation derart auf die Berufs- und Arbeitswelt vorzubereiten, dass eine angemessene gesellschaftliche Partizipation, durch Teilhabe an gesellschaftlicher Arbeitsteilung mittels Erwerbstätigkeit sowie an individuell wie gesellschaftlich relevanten Gestaltungsbereichen, ermöglicht wird (vgl. SCHLEMMER 2008, 13).

1.1 Berufsorientierung

Als „Teildisziplinen“ der Erziehungswissenschaft wenden sich die Berufs- und Wirtschaftspädagogik insbesondere pädagogisch relevanten Situationen zu, die in Verbindung mit ökonomischen und beruflichen Phänomenen der Arbeitswelt stehen. Beim Konzept der „Berufsorientierung“ bzw. „Berufsvorbildung“ geht es dabei um Situationen jenes Teils der Arbeitswelt, der vor einer beruflichen Spezialisierung dem Jugendlichen als nur wenig bekannter Erfahrungsraum beim Übergang vom Bildungs- in das Ausbildungs- bzw. Beschäftigungssystem entgegentritt. Berufsorientierung stellt hierbei, in erster Konsequenz, einen pädagogischen Normbegriff dar, der eine komplexe Lernorganisation bezeichnet. Aus der Kooperation von Schule (in der Regel aus dem Schwerpunkt des Berufswahlunterrichtes heraus) und Berufsberatung ist Berufsorientierung mit dem Ziel verknüpft, Berufswahlkompetenz zu entwickeln, d.h. die Fähigkeit, Informationen zur Berufswahl gezielt nachzufragen und zu verwerten und damit die Chance für eine selbstbestimmte Berufswahl zu vergrößern (vgl. DIBBERN et al. 1974, 133ff).

Über den Berufswahlunterricht hinaus, lässt sich die berufliche Orientierung jedoch auch als ein lebenslanger Prozess der Annäherung und Abstimmung zwischen Interessen, Wünschen, Wissen und Können des Individuums auf der einen Seite und Bedarfen, Möglichkeiten und Anforderungen der Arbeits- und Berufswelt auf der anderen Seite begreifen (vgl. FAMULLA/ BUTZ 2005).

Berufsorientierung findet demnach nicht nur in bestimmten Lebensphasen statt, sondern ist der Prozess einer lebenslangen Lernleistung die lernortunabhängig erfolgt. Die Schule als allgemein relevante Bildungsinstitution kann und soll den Berufsorientierungsprozess moderierend und zeitlich begrenzt begleiten, wobei sich unter dem Blickwinkel eines allgemein bildenden, zunächst auf das Individuum gerichteten Lehrauftrages, verschiedene Ansprüche an die Berufsorientierungsbegleitung der Schulen formulieren lassen. Den Schüler/-innen sollen neben der Förderung von Verständnis und Einsicht im Zusammenleben und -arbeiten, Lebenschancen eröffnet und durch eine zielgerichtete Qualifizierung und Kompetenzentwicklung ermöglicht werden. Damit verbunden bedarf es der Verdeutlichung von Handlungsoptionen sowie der Vorbereitung zur selbstständigen Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit, die in eine generelle Stärkung der Eigenverantwortung und Selbstständigkeit mündet (vgl. BUTZ 2007, 2ff).

Die genannten Ansprüche an die Schule bedürfen der erfahrungsbasierten Kompetenzförderung und Persönlichkeitsentwicklung und können, so die Einschätzung der genannten Autoren, zur Thematik der Berufsorientierung nicht ohne die Berücksichtigung der differenzierten Facetten der realen Arbeitswelt funktionieren. Durch den praktischen Umgang mit dem Erfahrungsraum Betrieb lassen sich die individuellen Werte, Wünsche und Fähigkeiten vor dem Hintergrund der Möglichkeiten in der Arbeitswelt kritisch reflektieren und in das aktive Handeln übersetzen (vgl. SCHUDY 2002).

1.2 Übergangsmanagement

Übergangsmanagement bedeutet, den schulisch-beruflichen Wechsel von einer Lebensphase in die nächste, als Statuspassage im Lebenslauf von Jugendlichen (vgl. Fend 2003), gesellschaftlich so zu begleiten, dass sie vom einzelnen Individuum eigenverantwortlich und aktiv gestaltet werden können und hierfür entsprechende Strukturen vorzuhalten bzw. zu organisieren (vgl. KÜHNLEIN 2006, 6).

Schulisches Übergangsmanagement umfasst alle eigenen Berufsorientierungs- und Übergangsmanagementaktivitäten einer Schule sowie die ihrer Partner, mit der Absicht, den Schüler/-innen nach Abschluss der Schullaufbahn den (erfolgreichen) Anschluss in den Beruf respektive die Arbeitswelt zu ermöglichen. Hierunter zählen: Die berufliche Orientierung durch den Einsatz geeigneter Materialien, die Recherche nach beruflichen Informationen, der Besuch von Informationsstellen (z.B. BIZ), die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Praktika, die Berufsberatung durch die Schule selbst oder geeignete Partner, die Einbeziehung ehemaliger Schüler/-innen, die Kooperation mit Betrieben, das Case-Management für gefährdete Schüler/-innen, die Nutzung von lokalen und regionalen Ressourcen etc.

In  welchem Umfang Berufsorientierung und Übergangsmanagement von Schulen planvoll und konzeptionell verfolgt werden, hängt vor allem von Faktoren der Schulentwicklung ab.

2 Schulentwicklung im Übergang Schule-Beruf

Neben den Bereichen Berufsorientierung und Übergangsmanagement bildet insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Aspekt der Schulentwicklung die theoretische Basis, von der aus das Projekt BRÜCKE den Übergang Schule-Beruf empirisch fokussiert. Schwerpunktmäßig werden dabei die Elemente Schulautonomie und Ressourcenmanagement sowie Supportsysteme und Kooperationsbestrebungen einer eingehenden Analyse unterzogen.

2.1 Schulentwicklung

Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz stehen im Übergang Schule-Beruf vor neuen Herausforderungen, die insbesondere durch eine wachsende Heterogenität der Schüler/-innen, steigende Anforderungen der Berufswelt und eine sich verändernde Wirtschaftssituation gekennzeichnet sind. Ausgestattet mit einem in den letzten Jahren wachsenden Grad an Autonomie versuchen sie den Schüler/-innen eine Orientierung und eine fundierte Auswahlmöglichkeit hinsichtlich schulischer und beruflicher Perspektiven innerhalb eines beruflichen Bildungssystems zu ermöglichen, welches sich in einem schnellen Wandlungsprozess befindet und dessen grundlegendes Prinzip, das Berufsprinzip bzw. Berufskonzept, in der (berufs-)pädagogischen Debatte seit Jahrzehnten immer wieder Wandlungen unterliegt und weiterentwickelt wird.

Schulentwicklung ist in der aktuellen bildungswissenschaftlichen und bildungspolitischen Diskussion einer der zentralen Begriffe (vgl. MAAG MERKI 2008, 22). MAAG MERKI definiert Schulentwicklung folgendermaßen:

  • „Schulentwicklung ist der systematische, zielgerichtete, selbstreflexive und für die Bildungsprozesse der Schüler/-innen funktionale Entwicklungsprozess von Schulen, Schulnetzwerken und Bildungsregionen im Kontext des gesamten Bildungssystems und ihrer Zielvorgaben mit dem Ziel der Professionalisierung der schulischen Prozesse.
  • Schulentwicklung entspricht einem selbstreflexiven Prozess der Verarbeitung von internen und externen Zielvorgaben und Ergebnissen von internen und externen Monitoringverfahren mit dem Ziel der Gestaltung einer optimalen Lernumgebung für die Bildungsprozesse der Schüler/-innen.
  • Schulentwicklung basiert auf von verschiedenen innerschulischen Akteursgruppen geleisteten Transformations- und Rekontextualisierungsprozessen gesetzlicher und reglementarischer Vorgaben schulischen Handelns und hat zum Ziel, diese im Hinblick auf die Zielerreichung zu optimieren.
  • Schulentwicklung ist sowohl Ergebnis, wie auch Ausgangspunkt für die Erreichung einer hohen Schulqualität in der Einzelschule, in einem Schulnetzwerk oder einer Bildungsregion“ (ebd.).

ROLFF kommt im Jahr 2007 zur Erkenntnis, dass es bisher keine umfassende Theorie zur Schulentwicklung gibt, sondern eher einen breiten Kanon von Teiltheorien (vgl. ROLFF 2007, 9). Schulentwicklung braucht nach BUHREN und ROLFF Theorie, um die Praxis reflektieren zu können, „um in der Ausrichtung [von Schule] effektiver zu werden [und] den richtigen Weg zu finden“ (BUHREN/ ROLFF 2008, 4). Rolff und sechs weitere Autoren ziehen eine Zwischenbilanz über die Schulentwicklung in Deutschland in den letzten 10 bis 15 Jahren, worin eine große Entwicklungsarbeit durch Einzelschulen, Administrationen und Stiftungen attestiert wird, jedoch auch „ein gravierender Rückstand gegenüber vergleichbaren Staaten“ (BROCKMEYER et al. 2008, 4f), die es geschafft haben, Weiterentwicklungen flächenwirksam in der Gesamtheit der Schulen zu erreichen (ebd.).

Neues Forschungswissen in Schulen zu implementieren bedarf nach OELKERS der Überzeugung von Lehrkräften bessere Lösungen als die vorhandenen einzusetzen (vgl. OELKERS 2008, 9f). Alles, was von außen zur Schulentwicklung an Schulen herangetragen wird, z.B. Tools oder Evaluationen, muss zur Einzelschule passen und Nutzen für die Praxis stiften (ebd., 12).

HOLTAPPELS konstatiert der Schulentwicklungsforschung ein „Defizit in systematischen empirischen Bestandsaufnahmen über die in der Praxis erfolgreich erprobten und realisierten Gestaltungsansätze“ (HOLTAPPELS 2005, 29). Für den spezifischen Schulentwicklungsaspekt Berufsorientierung, Berufsvorbereitung und schulisch-berufliches Übergangsmanagement soll mit dem Forschungsprojekt BRÜCKE u.a. eine solche Bestandsaufnahme für die Bodenseeregion erfolgen und eine Angebots-Nutzungs-Analyse der schulischen Angebote für Schüler/-innen durchgeführt werden.

2.2 Schulautonomie und Ressourcenmanagement

Die OECD-Studien zu den bisherigen internationalen PISA-Ergebnissen aus den Jahren 2000, 2003 und 2006 zeigen jeweils einen Zusammenhang zwischen Schulautonomie, Schulressourcen und der Schülerleistung. Das Gewicht der Ansätze, die auf eine Stärkung der Selbständigkeit der Schulen setzen, ist nach KLEMM und MEETZ (vgl. KLEMM/ MEETZ 2004, 205ff) durch die PISA-Ergebnisse und ähnliche Hinweise verstärkt worden. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Schulen in Deutschland im internationalen Vergleich eingeschränktere Gestaltungsmöglichkeiten besitzen und beschreiben im Kontext des NRW-Modellversuchs „Selbständige Schule NRW“, der seit 2002 besteht, die eher langsam wachsende Autonomie der Schulen in Deutschland (ebd.). Auch die Schulen in der Schweiz, insbesondere jene der Sekundarstufe I, verfügen im internationalen Vergleich über wenig Autonomie (BRÜHWILER/ BUCCHERI 2005, 23).

WEISS und STEINERT (WEISS/ STEINERT 2002) beschreiben Finanzierungspartnerschaften zwischen Staat und Wirtschaft als „konstitutives Merkmal innovativer Schulkonzepte“ (ebd., 1ff). Sie beschreiben auf der Grundlage einer Stichprobenuntersuchung aus dem Jahr 2001, dass etwa die Hälfte der staatlichen allgemein bildenden Schulen über Drittmittel verfügt, wobei die Hauptschulen den geringsten Anteil für sich verbuchen können. Knapp die Hälfte des Mittelaufkommens kommt über die Fördervereine, über ein Viertel durch Sachleistungen, etwa ein Siebtel aus Spenden durch Eltern oder Sponsoren (ebd.)

Ebenfalls von Bedeutung sind die Ergebnisse von EVERS, STITZ und RAUCH (EVERS/ STITZ/ RAUCH 2002), da diese in ihrer Untersuchung vorhandene Definitionsgrenzen überwinden und explizit Schulen als soziale Dienstleister mit hybridem Charakter erkennen. Sie untersuchen deren Wohlfahrts- und Ressourcenmix im Spannungsfeld von Markt, Staat und Bürgergesellschaft und zeigen lokale / regionale Bewältigungsstrategien, „die jenseits von Anpassung nach Innovationen und Auswegen suchen“ (ebd., 12).

Die Schulen in den Bodenseeanrainerstaaten haben in unterschiedlicher Intensität der einzelnen Länder und Verwaltungseinheiten durch die vorhandenen Freiheitsgrade und Steuerungsvorgaben die Möglichkeit, mit lokalen und regionalen Partnern Übergangsmanagementsysteme bzw. Unterstützungssysteme im Übergang Schule - Beruf aufzubauen. Hierzu wurde bereits im Dezember 1999 von der Baden-Württembergischen Zukunftskommission die Gründung von Schulvereinen und Schulstiftungen für alle Schulen unter Einbeziehung von Akteuren aus der Wirtschaft und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens empfohlen, die wertvolle Dienste bei der Vermittlung von Ausbildungsstellen und Praktikumsplätzen leisten sollen (vgl. ZUKUNFTSKOMMISSION 2000, 105). Auch der Deutsche Städtetag bringt in seinem Positionspapier vom Februar 2002 zum Ausdruck, dass die Schule der Stärkung von Eigeninitiative und Selbstbestimmung auf der Ebene der Einzelschule bedarf und macht Vorschläge für neue Finanzierungsmodelle, die auch private Finanzmittel und public-private-partnership (ppp) mit einbeziehen (vgl. DEUTSCHER STÄDTETAG 2002, 2ff). Im Rahmen der wachsenden Autonomie ist davon auszugehen, dass Schulen vermehrt ihre Aufgaben und Herausforderungen durch das Nutzen von Freiräumen und Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb des Schulträgers und der Schulbehörden zu lösen versuchen. Die diesbezügliche Umsetzung kann und wird verstärkt mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu erreichen sein. Unter dem spezifischen Blickwinkel der Fragestellung greift diese vernetzte Forschung des Projektes zwei Fragen des Schulforschers FEND aus dem Jahr 1998 auf: „Was kann jedoch in der Praxis aus autonomen oder teilautonomen Schulen alles werden? Wie nutzen Schulen die ‚neuen Freiheiten’ der Selbstgestaltung und Selbstentwicklung?“ (FEND 1998, 14).

2.3 Supportsysteme und Kooperationsbestrebungen

Neben schulischen Bestrebungen zur Berufsorientierung und Unterstützung beim Übertritt in die Berufs-,  Ausbildungs- und Weiterbildungssysteme spielen Betriebe, Institutionen der Arbeitswelt und außerschulische Organisationen eine immer größer werdende Rolle bei der Unterstützung der Jugendlichen. Insbesondere die Analyse der wachsenden Kooperationsbestrebung zwischen allgemeinbildenden Schulen und außerschulischen Partnern, etwa durch Bildungs- bzw. Lernpartnerschaften zwischen Schulen und Betrieben (vgl. VOLLMER 2006) bilden ein viel diskutiertes Konzept, das durch regionale Berufsbildungsnetzwerke (vgl. DOBISCHAT/ HUSEMANN 1997), in denen die verschiedenen Einrichtungen der Berufsbildung (wie beispielsweise Kammern, Arbeitsagenturen und allgemeinbildende Schulen) in institutionalisierter Art und Weise kooperieren, stetig weiterentwickelt wird. Ziel ist die effiziente und effektive Vernetzung der Träger und ein funktionierendes Wissensmanagement, um die regionale Entwicklung auf dem berufsbildenden Sektor zu stärken. Vollmer überträgt dieses Netzwerk und stellt das Konzept der Bildungspartnerschaften in den Mittelpunkt seiner Konzeption. Auf die allgemein bildenden Schulen bezogen, bedeutet das Zusammenspiel von Bildung und Wirtschaft in der Regionalentwicklung zum einen die Wirtschafts- und Berufsbezüge in allen Fächern des Schulunterrichts sowie in allen Schulformen – nicht nur punktuell und partikulär – sondern als ubiquitären Aspekt zu berücksichtigen, zum anderen aber auch die didaktischen Konzepte nicht im theoretischen Raum stehen zu lassen, sondern eine Realisierung im direkten Kontakt mit der umgebenden Wirtschaft zu erreichen (vgl. VOLLMER 2005, 142ff).

3 Zum Forschungs- und Entwicklungsprojekt „BRÜCKE“

3.1 Entwicklungsziele und Fragestellungen

3.1.1 Entwicklungsziele

Ziel des Projekts BRÜCKE ist die Exploration und Interpretation der regionalen Entwicklung von Berufsvorbereitungs- und Übergangsmanagementsystemen in Hauptschulen, Werkrealschulen, Realschulen und Mittelschulen bzw. weiteren Schulen der Sekundarstufe I in der internationalen Bodenseeregion. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf die Nutzung von regionalen und subregionalen Ressourcen, wie z.B. durch Schulkooperationen, Wirtschafts- und Betriebskooperationen, Kontakte mit Organisationen der Arbeitswelt, Mittelakquisition, Elterneinbindung und andere Ehrenamtsbeteiligungen, gelegt. Die Bedeutung des Übergangsmanagements Schule-Beruf für die Schulen der Sekundarstufe I rund um den Bodensee und deren Rahmenbedingungen, Probleme und Problembewältigungsstrategien stehen daher im Mittelpunkt des empirischen Forschungsinteresses. Durch die Befragung von Schulen, Unternehmen und im Übergangsmanagement tätigen Akteuren der Bodenseeregion in den drei Staaten Deutschland, Österreich und Schweiz sollen sowohl ein grenzübergreifendes regionales Forschungsergebnis entstehen als auch mögliche länderspezifische Unterschiede herausgearbeitet werden.

Hierbei liegt der Fokus auf der Betrachtung und Analyse von Anschlussfähigkeiten und Diskontinuitäten der regionsspezifischen Übergangsmanagementsysteme der Schulen. Das Projekt BRÜCKE bietet dementsprechend eine umfassende Perspektive auf die Berufsorientierungs- und Übergangsmanagementsysteme in der internationalen Bodenseeregion. Durch die Einbeziehung der Schulebene und der damit verbundenen Akteure werden sowohl gegenwärtige Situationen detailliert erfasst als auch Spielräume und Chancen hinsichtlich Schulentwicklung und -autonomie aufgezeigt. Zum anderen erfolgt die Einbindung in den Kontext der (Lernenden) Region und möglicher schulischer und betrieblicher Vernetzungspotenziale, die eine erweiterte Betrachtung und Handlungsoptionen für das regionale Übergangsmanagement ermöglichen.

Durch das Projekt wird folgender Output erwartet:

  • Fundierter Überblick zu den Übergangs- und Supportsytemen von der Sekundarstufe I in den Beruf, innerhalb der internationalen Bodenseeregion
  • Analyse der verschiedenen Unterstützungssysteme
  • Kenntnis von Subregionen- bzw. länderspezifischen Unterschieden im Übergangsmanagement der Sekundarstufe I in den Beruf
  • Entscheidungsgrundlagen zur Weiterentwicklung der Übergangssysteme von der Sekundarstufe I in den Beruf für Bildungsverantwortliche auf allen Ebenen (Bildungspolitik, regionales Bildungsmanagement, Schulleitungsebene, Curriculumverantwortliche, Verantwortliche in Berufs-Informations-Stellen, Verantwortliche der Lehrerbildung bspw. an Pädagogischen Hochschulen usw.)
  • Qualitätsentwicklung in der Aus-/Weiterbildung der Lehrpersonen für den Berufswahlunterricht
  • Transparenz der regionalen Potentialangebote von Schüler/-innen und Schulen sowie der Nutzungsbedarfe von Betrieben
  • Kriterien der Früherkennung bzw. Verläufe von Risikoschüler/-innen

Perspektivisch können die zu erwartenden Ergebnisse durch eine anschließende Längsschnittuntersuchung zu einem Gesamtbild der Prozesse und Wirkungen führen und mittel- bis langfristig in ein gemeinsames regionales grenzübergreifendes Unterstützungs- und Beratungsangebot für die Schulen und Schulbehörden umgesetzt werden. Gemeinsame themenspezifische Tagungen und Fortbildungen, die Bereitstellung von „Good-Practice-Materialien“ und regionalen Unterstützungsangeboten sowie weitere Plattformen, wie z.B. Austauschmöglichkeiten von Schüler/-innen und Lehrer/-innen, mit dem Ziel, die internationalen (Aus-)Bildungsmöglichkeiten der Bodenseeregion kennenzulernen, können die Akteure und Einwohner der Region dem möglichen Ziel einer gemeinsamen Lernenden Bodenseeregion näher bringen und durch die gesamtregionale Orientierung und Mobilität, die Optionen für Schüler/-innen bzw. die späteren Auszubildenden ausweiten.

3.1.2 Berücksichtigung des Regions-Konzepts

Bei der Entwicklung von spezifischen Fragestellungen war und ist die Berücksichtigung der internationalen Region „Bodensee“ maßgeblich für das Verständnis des länderübergreifenden Forschungs- und Entwicklungsprojekts BRÜCKE.

Die Region als zentrales Bindeglied stellt nach STIENS (vgl. STIENS 2001) einerseits eine territoriale bzw. administrative Einheit mittlerer Größenordnung dar, erweist sich jedoch auch „als ein Element, von dem das Denken und Handeln nicht nur einzelner Personen, sondern auch dasjenige größerer Gruppen und herausragender Akteure in besonderer Weise bestimmt werden“ (STIENS 2001, 538). Die lebensweltliche Erfahrung in einem gemeinsamen räumlichen Bezug ist für den Menschen von großer Bedeutung, da hieraus neue Orientierungsmuster sowie individuelle und kollektive Identität generiert werden (ebd., 539). STIENS beschreibt in Deutschland vielfältige Versuche regionaler Akteure aus Wirtschaft und Politik, Regionen neu zu bilden, um einen Strukturwandel herbeizuführen (ebd., 546). „Regionalbewusstsein“ als Entwicklungsfaktor hat an Bedeutung gewonnen, da diesem die Funktion zugeschrieben wird, „die innerregionalen Qualifikations- und Innovationschancen zu stärken, d.h. innovative regionale Milieus zu schaffen, um die regionseigene Technologie und Produktion überregional wettbewerbs- und anpassungsfähiger zu machen“ (ebd.).

Auch für HÖVELS und KUTSCHA gewinnt in der Modernisierungsdebatte europa- und weltweit das Konzept der Lernenden Region an Bedeutung. Die Idee zielt darauf ab, die regionalen Lernpotentiale aller Akteure zu mobilisieren und einen Prozess der Selbstorganisation und Selbstverantwortung zu implementieren, der nicht von oben verordnet wird (vgl. HÖVELS/ KUTSCHA 2001). Eine Lernende Region geht von der Hypothese aus, „dass die Mobilisierung zusätzlicher Ausbildungsplätze und des Weiterbildungsangebots im Wesentlichen nur auf regionaler Ebene möglich sei und die intensivierte Globalisierung technischer, wirtschaftlicher und soziokultureller Beziehungen eine stärkere Regionalisierung der Strukturpolitik auf kooperativer Basis nachhaltig herausfordere“ (ebd., 9).

HIMMEL beschreibt unterschiedliche Bedingungsfaktoren, die aus einer Region eine Lernende Region machen können; er hebt dabei die Wichtigkeit gut funktionierender Netzwerke mit einem gemeinsamen Ziel hervor (vgl. HIMMEL 2003, 183ff). In den Bereichen Benachteiligtenförderung und Übergangsmanagement gewinnt die Region mit lokalen und regionalen Akteuren, beispielsweise in den verschiedenen Organisationen der Arbeitswelt, eine wachsende Bedeutung; Förderprogramme und Modellprojekte setzen direkt in den Regionen an (vgl. BOJANOWSKI/ ECKERT/ RÜTZEL 2008, 72). Unter günstigen Voraussetzungen mit starken regionalen Akteuren kann durch eine Regionalisierung der Ressourceneinsatz effizient und effektiv erfolgen (ebd., 72f).

Neben den Vorteilen der Regionalisierung sind in der Forschung jedoch auch mögliche Negativauswirkungen und das Risiko des Scheiterns bekannt. Regionalisierung der politischen Steuerung gilt als progressiv, muss aber genauer betrachtet werden (vgl. ebd.). Die Reflexion und Diskussion der Wirkungen dieser neuen politischen Steuerung in den Regionen sollte nicht nur als politische Aufgabe verstanden werden, sondern auch als Aufgabe der empirischen Bildungsforschung.

Vor dem Hintergrund der Entwicklungsprozesse der „Region“ erstellt das Forschungs- und Entwicklungsprojet BRÜCKE eine Bestandaufnahme des Übergangs Schule-Beruf rund um den Bodensee. Die Projektresultate sollen eine Entscheidungsgrundlage für die Weiterentwicklung der regionsspezifischen Übergangsmanagementsysteme der Schulen von der Sekundarstufe I in den Beruf bieten. Forschungspolitisch liegt das Projekt somit im Bereich der Bildungsforschung, die sich auf die Produktion pädagogischen und politischen Steuerungswissens stützt. Das Projektdesign ist so angelegt, dass es insbesondere auch durch die Teilprojekte, die im Rahmen von Qualifizierungsarbeiten entstanden sind, Möglichkeiten bieten kann, einen Beitrag zur erziehungswissenschaftlichen Grundlagenforschung bzw. der Theoriegenerierung zu leisten.

3.1.3 Übergeordnete Fragestellungen

Alle Erhebungsinstrumente dienen der Beantwortung folgender übergeordneter Forschungsfragen:

  • Welche schulischen und außerschulischen Unterstützungssysteme tragen in der internationalen Bodenseeregion zum Übergangsmanagement von der Sekundarstufe I in den Beruf bei?
  • Welche Faktoren tragen in der internationalen Bodenseeregion zu einem gelungenen Übergang von der Sekundarstufe I in die berufliche (Grund-) Ausbildung bei (z.B. berufsspezifische Interessen, Berufswahlbereitschaft, regionale Mobilität, Supportsysteme, Erfahrungen und Kenntnisse über die Arbeits- und Berufswelt, schulische Leistungen, sozioökonomischer Status, Vorbereitung der Lehrpersonen etc.)?

3.2 Erhebungsdesign und Stichprobe

Die Studie gliedert sich in eine analytische Vorarbeit (Dokumentenanalyse), eine querschnittbasierte quantitative Eingangserhebung (Schulen und Betriebe), eine quantitative Längsschnitterhebung (Schüler/-innen) mit zwei (perspektivisch drei) Befragungswellen, eine quantitative Befragung von Lehrpersonen und eine mehrperspektivisch angelegte qualitative Querschnitterhebung (Lehrpersonen, schulische Experten, schulische und betriebliche Kooperateure).

3.2.1 Ebene der Schulleitungen

Im Rahmen einer Eingangsstudie wurden Schulen respektive Schulleitungen zu bestehenden schulischen Übergangssystemen und der Art ihrer Anwendung mittels standardisiertem Kurzfragebogen befragt. Das Untersuchungselement wurde als Vollerhebung aller Schulen der Sekundarstufe I in den am Projekt beteiligten Verwaltungseinheiten in der internationalen Bodenseeregion realisiert (vgl. Tabelle 1).

3.2.2        Ebene der betrieblichen Akteure

In der ersten Phase des Projektes wurden ebenfalls durch einen standardisierten Kurzfragebogen Betriebe (Personal- bzw. Ausbildungsverantwortliche) in den vier regional besonders relevanten (und von Schüler/-innen häufig gewählten) Berufsfeldern Metall- & Elektroindustrie, technisch-handwerkliche Berufe, Handelsberufe und Büroberufe zur Erhebung der betrieblichen Sichtweise schulisch-beruflicher Übergangssysteme in den am Projekt beteiligten Verwaltungseinheiten in der internationalen Bodenseeregion befragt. Die Ziehung der Teilstichprobe erfolgte zufällig.

3.2.3 Ebene der Schüler/-innen

Für die Befragung der Schüler/-innen aus den Klassenstufen acht und neun wurden, unter Berücksichtigung der Schulart, der Gemeindegröße und der Nähe zur internationalen Grenze, insgesamt 58 Klassen in ebenso vielen Schulen ausgewählt. Die Befragung ist quantitativ angelegt und erfolgt durch standardisierte Fragebögen. Folgende zentrale Fragestellungen finden Berücksichtigung:

  • Welche Supportsysteme – Lehrpersonen, persönliche Kontakte, Eltern, Peers, BIZ bzw. Berufsberatung, Kontakte zu Berufspraxis resp. Betrieben (z.B. Praktika), Case-Management usw. – werden genutzt?
  • Welche Supportsysteme sind im Hinblick auf die Berufsorientierung und die Ausbildungssituation besonders erfolgversprechend? Wie wird deren Nutzen beurteilt?
  • Über welche Erfahrungen und Kenntnisse bezüglich der Arbeits- und Berufswelt – „berufskundliches Wissen“, wie Kenntnisse über (Voraussetzungen für) Berufsfelder, Berufsprofile, Arbeitsplatz- und Berufserkundung, regionaler Ausbildungsmarkt / Möglichkeiten, methodisches Wissen (wie kommt man an relevante Informationen?) – verfügen die Schüler/-innen?           
  • Wie zufrieden sind die Schüler/-innen mit der Berufsorientierung bzw. der Berufswahlvorbereitung?
  • Welchen Spielraum haben die Schüler/-innen, um Berufsfelder zu erkunden und inwiefern werden individuelle Bedürfnisse und situative Aspekte berücksichtigt?
  • Berufswahl zwischen Wunsch und Realität: Wie verläuft der Entscheidungsprozess?

3.2.4 Ebene der Lehrpersonen (des Berufswahlunterrichts / der Berufsorientierung)

Die Befragung der Lehrpersonen findet durch quantitative und qualitative Erhebungsinstrumente und Auswertungsstrategien statt. So werden die für den Bereich der Berufsorientierung zuständigen Lehrpersonen der befragten Schüler/-innen mit standardisierten Fragebögen erreicht und ggf. mit leitfadengestützten Interviews vertiefend befragt, wobei folgende Elemente abgefragt werden:

  • Was braucht es für eine gelingende Berufsorientierung aus Sicht der Lehrpersonen?
  • Wie etabliert sind die angesprochenen Supportsysteme auf Regionen- bzw. Schulebene?
  • Wie gut fühlen sich die Lehrpersonen auf den Berufswahlunterricht vorbereitet? Wo haben sie Wissen und Kompetenzen für den Berufswahlunterricht erworben (z.B. Grundausbildung, formelle oder informelle Weiterbildung)?
  • Wie definieren die Lehrpersonen ihre Rolle während des Unterrichts (Coach, Enabler, Wissensvermittler etc.)?
  • Anhand welcher Kriterien erkennen Lehrpersonen Risikoschüler/-innen?
  • Wie gehen Lehrpersonen mit Jugendlichen um, die bezüglich des schulisch-beruflichen Übergangs (1. Schwelle) gefährdet sind? 
  • Inwiefern berücksichtigen die Lehrpersonen im Berufswahlunterricht die individuellen Bedürfnisse und situativen Aspekte – beispielsweise spezifische Interessen und Kompetenzen (bereits vorhandene Lehrstelle, viele Absagen usw.) – der Lernenden?
  • Welche Unterstützungssysteme werden von den Lehrpersonen als hilfreich bzw. weniger hilfreich eingeschätzt?
  • Gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen und Organisationen bzw. Akteuren der Arbeitswelt und wenn ja, wie hilfreich wird eine solche Kooperation im Hinblick auf die Vermittlung von Ausbildungsplätzen eingeschätzt?
  • Bestehen im Sinne der Lernenden Region regionale bzw. überregionale Netzwerke, die einen Austausch der Lehrpersonen über die Gestaltung des Berufswahlunterrichts ermöglichen? Würde ein Austausch oder gar eine regional kooperierende Lehrerausbildung für die Berufsorientierung als sinnvoll erachtet?
  • Wie wird die regionale berufliche Orientierung und Mobilität der Jugendlichen gefördert?

3.2.5 Ebene der schulischen Experten für das schulisch-berufliche Übergangsmanagement

Auf der Ebene der schulischen Experten für das schulisch-berufliche Übergangsmanagement werden aus dem Sample nach „Good-Practice-Kriterien” 30 ausgewählte Schulleitungen und mit Schulmanagementaufgaben betraute Personen, die als jeweilige Experten  für den Übergang Schule-Beruf genannt werden, durch leitfadengestützte Interviews befragt. Folgende, im Rahmen dessen gestellte Fragen werden einer eingehenden qualitativen Auswertung unterzogen:

  • Welche unterschiedlichen Typen von Schulen lassen sich in der internationalen Bodenseeregion hinsichtlich der Unterstützung im Übergang Schule-Beruf bilden und wie ist deren Verteilung?
  • Welche Rahmenbedingungen, Probleme und Problembewältigungsstrategien für den Übergang Schule-Beruf zeigen sich in erfolgreichen bzw. innovativen Schulen?
  • Welchen Unterstützungs- und Beratungsbedarf haben die Schulen?
  • Welche Ressourcen werden wie genutzt?
  • Welchen Stellenwert hat das Regions-Konzept für den Übergang Schule-Beruf? (Orientieren sich schulische Experten und Betriebe regional? Wie weit geht diese Orientierungsreichweite?)
  • Welche regionalen Übergangskonzepte bestehen tatsächlich?
  • Welche Bedeutung haben einzelstaatliche Konzepte vor dem Hintergrund der Region?

3.2.6 Ebene der Verantwortlichen für schulisch-betriebliche Kooperationsmodelle

Mit gleicher qualitativer Methodik werden aus dem Sample nach „Good-Practice-Kriterien” ausgewählte verantwortliche Akteure für schulisch-betriebliche Kooperationen a) in Schulen (N = 15) und b) in den kooperierenden Betrieben (N = 15), zur Erhebung des spezifischen Know-hows auf Ebene schulisch-betrieblicher Kooperationsmodelle, befragt und unter Fokussierung folgender Aspekte analysiert:

  • Welche Kooperationsformen zwischen allgemein bildenden Schulen der Sekundarstufe I und Betrieben gibt es?
  • Wie tragen sogenannte Bildungspartnerschaften zwischen Schulen der Sekundarstufe I und Betrieben zur Förderung von Berufsorientierung und Ausbildungsfähigkeit bei?
  • Welche Ergebnisse hinsichtlich der Partnerschaften zwischen allgemein bildenden Schulen und Betrieben ergeben sich durch einen länderübergreifenden Vergleich zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz unter Berücksichtigung des grenzüberschreitenden Regionenkonzeptes?

Tabelle 1: Erhebungsdesign des Forschungsprojektes BRÜCKE.
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Die Projektlaufzeit erstreckt sich von September 2010 bis August 2012 (perspektivisch bis August 2013, damit auch eine Längsschnittuntersuchung zu den beruflich/schulischen Anschlussstationen möglich wird).

3.3 Erste Ergebnisse

Aus der quantitativen Befragung der Schulleitungen liegen heute (Stand 06/2011) erste Ergebnisse vor, die einen Einblick in die Gestaltungsspielräume bzw. Teilautonomien, Ressourcenmanagement und Wettbewerbe bzw. öffentliche Würdigung der Schulen ermöglichen.

3.3.1 Gestaltungsspielräume

Bezüglich der Gestaltungsspielräume existiert bei den befragten Schulen ein hohes Maß an Freiheit für die Konzeption von Berufsorientierungs- und Übergangsstrategien. So empfanden, im Hinblick auf die Frage nach ihrer Autonomie, 52% von 295 befragten Schulen ein „hohes Maß an Freiheit“, 42% sahen sich als „eher frei“ an, wohingegen sich nur 6% der Schulen im Übergang Schule-Beruf als wenig autonom einschätzten. Zwischen deutschen, schweizerischen und österreichischen Schulen konnten hinsichtlich dieser Frage keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden.

3.3.2 Ressourcen

Die Auswertung der Eingangserhebung zeigt ferner, dass ein nicht unerheblicher Teil der befragten Schulen (49%) über externe Ressourcen verfügen, die den Schulen für die Gestaltung des Übergangsmanagements zur Verfügung stehen. Personelle Ressourcen sind hier stärker vertreten als Sachmittel und Geld. Die Ressourcen werden größtenteils von Betrieben zur Verfügung gestellt. Schuleigene Fördervereine und Stiftungen sind ebenfalls wichtige Unterstützer. Manche Schulen verfügen darüber hinaus über ein eigenes Fundraisingsystem, um Mittel für das Übergangsmanagement einzuwerben.

3.3.3 Wettbewerbe und Auszeichnungen

Die Identifikation von „Good-Practice-Schulen“ durch die Analyse einschlägiger Wettbewerbe, Evaluationsprojekte und Auszeichnungen ist für das Forschungsprojekt evident, da sich aus deren Kriterien und Preisträgern Indikatoren für eine möglichst objektive „Good-Practice-Auswahl“ ableiten lassen. Erste Ergebnisse in diesem Bereich zeigen, dass etwa ein Drittel der befragten deutschen Schulen schon einmal an Wettbewerben und Evaluationen teilgenommen hat, die einen hohen Stellenwert für die Leistungen in der beruflichen Orientierung bzw. im Übergangsmanagement Schule-Beruf haben. In Österreich und in der Schweiz sind es weniger als 10%. Auszeichnungen für besondere Leistungen in der beruflichen Orientierung oder im Übergangsmanagement Schule-Beruf wurden etwa der Hälfte der befragten Schulen verliehen. Dabei zeigt sich eine hohe Varianz zwischen den erhobenen Kantonen der Schweiz.

3.4 Ausblick

Weitere Daten der Schulleiterkurzbefragung sowie der Kurzbefragung von betrieblichen Ausbildungs- bzw. Personalleitern werden in Kürze veröffentlicht. Noch vor den Sommerferien 2011 werden aus 58 Schulen rund 1160 Schüler/-innen der Sekundarstufe I in ihrem vorletzten Schuljahr mit Fragebögen zur Erhebung des Kenntnisstands zur Berufsorientierung, der Nutzung schulisch-beruflicher Supportsysteme und der Entscheidungsprozesse befragt (vgl. Kapitel 3.2.3). Die befragten Schüler/-innen werden am Ende ihrer Schulzeit und wenn möglich auch ein Jahr danach, in ihrer Anschlussstation, erneut erreicht, um die jeweiligen Entwicklungsprozesse dezidiert nachverfolgen zu können. Als aktiven Experten im schulisch-beruflichen Übergangsprozess werden die Lehrkräfte der erhoben Schüler/-innen, insbesondere bezüglich vorhandener didaktischer Modelle und Supportsysteme, schriftlich befragt. 30 Lehrer/-innen werden im Anschluss zur Vertiefung interviewt (vgl. Kapitel 3.2.4).

Aus einem Sample nach „Good-Practice-Kriterien” ausgewählte Schulleitungen und mit Schulmanagementaufgaben betraute Personen, die sich als jeweilige Experten für den Übergang Schule-Beruf darstellen, werden zur Erhebung der schulischen Rahmenbedingungen, Probleme und Problembewältigungsstrategien für den Übergang Schule-Beruf, des Unterstützungs- und Beratungsbedarfs sowie der regionalen Orientierungsreichweiten befragt (vgl. Kapitel 3.2.5). Zudem werden verantwortliche Akteure für schulisch-betriebliche Kooperationen in Schulen und in den kooperierenden Betrieben zur Erhebung des spezifischen Know-hows auf der Ebene schulisch-betrieblicher Kooperationsmodelle interviewt (vgl. Kapitel 3.2.6).

Die resultierenden Ergebnisse werden regelmäßig regional und überregional zur Verfügung gestellt. Mittels eines Good-Practice-Handbuchs und eine Fachtagung im Frühsommer 2012 wird der Knowhow-Transfer sichergestellt.

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Zitieren dieses Beitrages

ROTTMANN, J. et al. (2011): Grenzenlose Übergänge – Zur Erforschung der ersten Schwelle in der internationalen Bodenseeregion. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Kurzvorträge, hrsg. v. EBBINGHAUS, M., 1-17. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/kv/rottmann_etal_kv-ht2011.pdf (26-09-2011).



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http://www.hochschultage-2011.de/