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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT11 - Hauswirtschaft
Herausgeberinnen: Irmhild Kettschau & Kathrin Gemballa

Titel:
Übergänge in der hauswirtschaftlichen Berufsbildung gestalten - Perspektiven auf die individuelle Förderung und die Systemgestaltung in der Domäne Hauswirtschaft


Editorial zur Fachtagung 11: Übergänge in der hauswirtschaftlichen Berufsbildung gestalten – Perspektiven auf die individuelle Förderung und die Systemgestaltung in der Domäne Hauswirtschaft

Einführung

Die Fachtagung Hauswirtschaft wurde – wie in den vergangenen Jahren – von den Vorsitzenden des Fachausschusses „Haushalt und Bildung“ der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft konzipiert und moderiert. Durch diese bewährte Zusammenarbeit finden Gesichtspunkte der fachbezogenen Berufsbildungspraxis ebenso Berücksichtigung wie der berufsfeldbezogenen Forschung. Erfreulicherweise zeigte sich auch ein großes Interesse des fachkundigen Publikums an dem Thema, mit dem die Fachtagung Hauswirtschaft ihren Beitrag zur Gesamtthematik der 16. Hochschultage leisten wollte: „Übergänge in der hauswirtschaftlichen Berufsbildung gestalten – Perspektiven auf die individuelle Förderung und die Systemgestaltung in der Domäne Hauswirtschaft“. Hauptintention dieses Themas war es, Bezüge und Anschlüsse zwischen der aktuellen Berufsbildungsdebatte und dem fachbezogenen Diskurs in Forschung und Praxis der hauswirtschaftlichen Berufsbildung herzustellen. So ergab sich eine Dreiteilung des Programms der Fachtagung Hauswirtschaft, wobei für jeden Teil ein Halbtag verwendet werden konnte. Im ersten Teil sollten unter dem Leitthema „Individuelle und passgenaue Förderung als Aufgabe der beruflichen Bildung“ den Teilnehmenden aktuelle Ansätze und Möglichkeiten vorgestellt werden, die möglicherweise auch in die Praxis hauswirtschaftlicher Bildungsangebote verstärkt Einzug halten können. Im zweiten Tagungsteil wendete man sich der hauswirtschaftlichen Berufsbildung zu und zwar unter der Fragestellung, wie „Übergänge“ (der unterschiedlichen Arten) in einer hauswirtschaftlichen Berufsbildung zu gestalten sind. Den Teilnehmenden sollte mit den Beiträgen ein Einblick in die Werkstätten der Systemgestaltung im Lichte des Europäischen und Deutschen Qualifikationsrahmens geboten werden. Der dritte und letzte Tagungsteil fokussierte die Berufliche Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung (BBNE) – ein Aufgabenschwerpunkt, der derzeit an mehreren Hochschulen in fachbezogenen Studien- und Forschungsaktivitäten intensiv verfolgt wird. Hier erfährt die Domäne der Hauswirtschaft zurzeit eine große öffentliche Aufmerksamkeit und Förderung und es werden Antworten auf die Frage erwartet, wie man im Ernährungs- und Hauswirtschaftssektor junge Menschen mit nachhaltigkeitsorientierten Kompetenzen ausstatten kann.

Mit dieser Online-Dokumentation ist die Mehrzahl der Beiträge in einer ausformulierten Fassung verfügbar. Die Herausgeberinnen dieser Dokumentation als Tagungsteam der Fachhochschule Münster danken Frau Stud.-Dir. i. R. EVA BRINKMANN und Frau Stud.-Dir. EVA WITTINGHOFER für ihre sachkundige und kompetente Tagungsmoderation sowie allen Autorinnen und Autoren für ihre interessanten und anregenden Beiträge zu dem breitgespannten Themenspektrum. Im Folgenden werden die einzelnen Themen näher beleuchtet und die Beiträge vorgestellt.

Tagungsteil 1:
Individuelle und passgenaue Förderung als Aufgabe der Beruflichen Bildung

Mit dem komplexen Begriff der „Ausbildungsreife“ verbindet sich (noch) kein – ähnlich der „allgemeinen Hochschulreife“ - einvernehmlich festgelegtes Kompetenzlevel als Ergebnis des Besuchs der allgemein bildenden Schulen. Vielmehr werden die zur Ausbildungsreife erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen recht unterschiedlich eingeschätzt (vgl. BIBB Expertenmonitor Ausbildungsreife, 2005) und besonders von Arbeitgeberseite wird ein zunehmender Mangel an Ausbildungsreife bei den Schulabsolventen beklagt. Übergänge von der Schule in eine berufliche Ausbildung gestalten sich somit für viele Jugendliche schwierig. Die Folge ist, dass den unbesetzten Ausbildungsstellen unversorgte Bewerberinnen und Bewerber gegenüberstehen. In Anbetracht des demografischen Wandels wird diese Problematik in Zukunft noch verstärkt und das Bildungs-, und Ausbildungspersonal vor eine große Herausforderung gestellt.

Individuelle und passgenaue Förderung muss damit als Aufgabe der Beruflichen Bildung verstanden werden. Ziel dieser Förderung muss sein, vorhandene Fähigkeiten und Fertigkeiten der Jugendlichen zu aktivieren und die Voraussetzungen zur Aufnahme einer Ausbildung herzustellen. In den Beiträgen des ersten Tagungsteils werden Möglichkeiten aufgezeigt, mit denen dieser Forderung nachgegangen werden kann:

Zur Optimierung der Übergänge und Sicherung des eigenen Fachkräftebedarfs bedarf es der Kenntnis und Nutzung regionaler Partner und vorhandener Fördermöglichkeiten sowie eines gemeinsamen Austausches. Die Anzahl der am Berufsorientierungs- und Bildungsprozess beteiligten Akteure nimmt insbesondere angesichts der zu beobachtenden Dynamik im Übergangssystem immer stärker zu. Umso mehr erfordert dies Regionalisierungs- und Vernetzungsstrategien, mit denen eine Verständigung der Partner untereinander im Sinne kooperativer Qualifizierung und Professionalisierung und der Entwicklung gemeinsamer Handlungskonzepte möglich wird. Die Arbeit in Netzwerken erleichtert es den Akteuren, den Zugang zu den Schülerinnen und Schülern mit ihren Biografien, Befindlichkeiten und Integrationsmöglichkeiten zu finden. ANDREAS DIETTRICH stellt vor diesem Hintergrund Konzepte regionaler Netzwerke vor, welche zur Überwindung der Übergangsproblematik beitragen können.

Zentrale Herausforderungen an das Bildungs- und Ausbildungspersonal bestehen darin, bereits bestehende Potenziale der Jugendlichen zu entdecken und zu fördern, indem Lernen optimiert und Übergänge verbessert werden. Hierzu bedarf es der Optimierung pädagogischen Handelns durch die Herausbildung diagnostischer Kompetenzen seitens der Lehrkräfte und der Ausbilder/-innen. Diagnostische Verfahren müssen zum Einsatz kommen, mit denen nicht lediglich das Arbeitsergebnis gemessen wird, sondern individuelle Verarbeitungsprozesse unter Berücksichtigung der Lernvoraussetzung und der Lernumwelt erschlossen werden. Auf dieser Grundlage ist es möglich, Stärken der Einzelnen aufzuspüren und einen pädagogischen Förderbedarf zu ermitteln. KATHRIN VOGT stellt mit ihrem Beitrag den diagnostischen Prozess, die Funktionen des Pädagogischen Diagnostizierens und einzusetzende Untersuchungsmethoden und -instrumente vor. Im Mittelpunkt steht dabei insbesondere die Gestaltung des Unterrichts, in dessen Mittelpunkt die individuelle Förderung steht.

Eine individuelle Förderung ist umso wirksamer, je stärker das Voranschreiten des eigenen Entwicklungsvorhabens wahrgenommen, reflektiert und ausgebaut wird. Die Portfolio-Arbeit stellt ein geeignetes Instrument dar, jedem Lernenden seine Lernbemühungen, Lernentwicklungen und Lernergebnisse bewusst zu machen. MONA MASSUMI und THILO HARTH analysieren das Instrument auf der Grundlage der in der beruflichen Bildung und der Schulpraxis gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen. Sie stellen Chancen und Grenzen des Instruments vor dem Hintergrund des Einsatzes als Lehr-Lern- sowie Leistungsfeststellungsinstrument vor und betten die Diskussion in den Kontext der Europäisierung der Berufsbildung ein.

Tagungsteil 2
Übergänge im Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft gestalten

Parallel zur individuellen Förderung des ausbildungswilligen Jugendlichen müssen auch strukturelle Rahmenbedingungen geschaffen werden, mit denen die Ausgangsposition des Einzelnen zu Beginn der Berufsausbildung, aber auch nach Abschluss und damit Eintritt in den Arbeitsmarkt und anschließender Weiterbildung optimal unterstützt wird. Durch die verstärkte Europäisierung der Arbeitswelt werden Flexibilisierung und Mobilität zunehmend gefordert. Dies macht eine Vergleichbarkeit beruflicher Qualifikationen notwendig. Doch noch bereitet es Schwierigkeiten, die formal, nicht-formal und informell im In- und Ausland erworbenen Kompetenzen angemessen anerkennen und auch entlohnen zu lassen.

Mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR), für Deutschland dem Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR), soll eine Vergleichbarkeit durch die Einführung einer einheitlichen, bildungsbereichsübergreifenden Systematisierung geschaffen werden. Darüber hinaus müssen weitere Programme implementiert werden, mit denen v. a. nicht formale und informelle Kompetenzen eine Anerkennung finden. Fünf Beiträge widmen sich in verschiedenster Weise diesem Themenkreis.

Die Einstufung von erworbenen Kompetenzen in sogenannte Niveaustufen ist auch im Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft nötig und möglich. Dies zeigen die Ergebnisse und Erkenntnisse der „Taskforce Hauswirtschaftliche Berufsbildung“ unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft e. V., auf die MARTINA FEULNER in ihrem Beitrag eingeht. Es eröffnen sich damit sowohl neue Gestaltungschancen der Berufsbildung in der Hauswirtschaft als auch neue Möglichkeiten zur Anerkennung von (auf unterschiedlichen Wegen erworbenen) individuellen Kompetenzen der Fachkräfte.

Der Paradigmenwechsel von der Input- zur Outcome-Orientierung kann zum Anlass genommen werden, die Ausbildungsprozesse in der Hauswirtschaft neu zu gestalten. In der hauswirtschaftlichen Berufsausbildung in Rheinland-Pfalz wird dieses aufgegriffen. INA ZIMMER stellt in ihrem Beitrag vor, in welcher Weise der Ausbildungsnachweis als ein Instrument zur Validierung formal erworbener Kompetenzen genutzt werden kann. Dabei stellt sie den Zusammenhang zu den Arbeiten der „Taskforce Hauswirtschaftliche Berufsbildung“ her.

MARGOT BAUR richtet den Fokus auf die Validierung informell und nicht formal erworbener Kompetenzen. Unterschiedliche Einflüsse können dazu geführt haben, dass die Einmündung oder der Abschluss einer Ausbildung nicht geglückt sind. Berufsbezogene Kompetenzen im Bereich der Hauswirtschaft werden dennoch im privaten Umfeld oder am Arbeitsplatz erworben. Es stehen folglich Fachkräfte zur Verfügung, deren berufliches Erfahrungswissen jedoch keine Anerkennung erfährt. Hiermit verbunden sind eine unangemessene Entlohnung sowie die Verschwendung vorhandenen Potenzials. Mit dem Beitrag wird ein Projekt vorgestellt, mit dessen Umsetzung es gelingen kann, informell und nicht formal erworbene Kompetenzen nutzbar zu machen.

Mit ihrem Beitrag Hauswirtschaftliche Berufsbildung im Lebens(ver)lauf – Konsequenzen gesellschaftlicher Bedingungen und individueller Entscheidungen machen ALEXANDRA BRUTZER und CHRISTINE KÜSTER auf die potenziellen Beschäftigungsmöglichkeiten für hauswirtschaftliche Fach- und Führungskräfte aufmerksam, die angesichts institutioneller Einflussfaktoren zumeist ungenutzt bleiben. Anhand von zwei „Biografie-Typen“ analysieren sie den möglichen Einfluss dieser auf die weibliche Erwerbsbiografie in der Domäne Hauswirtschaft. Die Autorinnen zeigen dabei den Handlungsbedarf auf und offerieren mögliche Handlungsempfehlungen.

Tagungsteil 3:
Fachdidaktik in der Perspektive der Beruflichen Bildung für eine nachhaltige Entwicklung

Wenn auch für die berufliche Bildung die Brundtland-Formel mit dem Ziel, „dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können“, Gültigkeit haben soll, so muss ein wirkungsvoller Ansatzpunkt hierfür in der Didaktik der beruflichen Bildung gesehen werden. Die nächsten Beiträge veranschaulichen, wie das Thema Nachhaltigkeit Einzug in die Berufliche Bildung finden kann.

IRMHILD KETTSCHAU bietet mit ihrem Beitrag Berufliche Bildung für eine nachhaltige Entwicklung – Konzepte und Entwicklungslinien einen Einblick in die Entstehung des Nachhaltigkeitsbegriffs und nimmt Bezug zu den Dimensionen der Nachhaltigkeit. Sie zeigt dabei spezifisch für das Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft auf, welches Berufsverständnis und welche Handlungskompetenzen erforderlich sind, um dem Nachhaltigkeitsgedanken nachzukommen. Dabei plädiert sie für eine multiperspektivische Herangehensweise bei der Umsetzung von Themen der nachhaltigen Entwicklung. Es werden konzeptionelle Umsetzungsmöglichkeiten von Nachhaltigkeitsthemen auf der Grundlage bestehender Ordnungsmittel und Projekte vorgestellt.

Der Beitrag von STEPHAN STOMPOROWSKI, der das didaktische Modell und ausgewählte Lernmaterialien aus dem Projekt „Berufsbildung für nachhaltiges Handeln in der Hotel- und Gaststättenbranche: DAS Globale Welt Hotel“ präsentierte, findet sich in der Dokumentation des Workshops 09 der 16. Hochschultage in dieser Online-Ressource.

Im folgenden Beitrag stellen NANCY MATTAUSCH und IRMHILD KETTSCHAU das vom BMBF geförderte Projekt Berufliche Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in der Ernährungsbranche vor. Ökologische, ökonomische und soziale Herausforderungen des Ernährungssystems erfordern die Entwicklung eines curricularen Rahmens, um die für ein nachhaltiges Handeln erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen in der beruflichen Bildung der Ernährungsbranche zu fördern. An der Fachhochschule Münster wird hierzu ein Rahmencurriculum entwickelt, erprobt und standardisiert. Vor dem Hintergrund einer kurzen Sektoranalyse der Gemeinschaftsverpflegung – als ein exemplarisches Handlungsfeld der Ernährungsbranche – zeigen die Autorinnen die Ziele und Vorgehensweisen für die Entwicklung von Curriculumelementen zur beruflichen Bildung für eine nachhaltige Entwicklung mit branchenweiter Gültigkeit auf.


Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

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