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bwp@ Ausgabe Nr. 19 | Dezember 2010
Berufliche Weiterbildung
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 19 sind Karin Büchter, Rita Meyer & Franz Gramlinger

Selektionsmechanismen in der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung – Forschungsstand und Handlungsbedarfe

Beitrag von Julia GILLEN & Rita MEYER (Universität Hamburg & Universität Trier)

Abstract

Trotz aller bildungspolitischen Absichtserklärungen ist in den letzten Jahrzehnten in Deutschland eine Gleichzeitigkeit von Bildungsexpansion und sozialer Ungleichheit von Bildungschancen zu konstatieren. Auch für die berufliche und betriebliche Weiterbildung ist festzustellen, dass sie einem Selektions- und Segmentationsmechanismus unterliegt: Alle bisher durchgeführten sozialwissenschaftlichen Forschungen belegen, dass die Weiterbildungsbeteiligung stark differiert. Der geplante Beitrag wird eine Beschreibung und Analyse der Bedingungen und Möglichkeiten zur Weiterbildung für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppenvornehmen. Er basiert auf einer Studie , die die Autorinnen für die Hans-Böckler-Stiftung erarbeitet haben. Dabei wird mit Blick auf die soziale Ungleichheit und Weiterbildungsbeteiligung geprüft, welche Gruppen in welchem Umfang an Weiterbildung teilhaben. Vor dem Hintergrund eines Begriffs von sozialer Gerechtigkeit, der sowohl auf die Gleichverteilung des Zugangs zu Weiterbildung setzt, als auch die Stärkung der individuellen Fähigkeiten beinhaltet, werden abschließend Handlungsperspektiven auf verschiedenen Ebenen vorgestellt.


Selection mechanisms in professional and in-company further education and training – current research and requirements for action

Despite all the educational political declarations of intent it can be said that in recent decades in Germany there has been a simultaneous expansion of education and social inequality of educational opportunity. It can also be stated for professional and in-company further education and training that it is subject to a selection and segmentation mechanism – all the social science research conducted thus far has shown that participation in further education and training differs greatly. This paper undertakes a description and analysis of the conditions and possibilities for further education and training for different social groups. It is based on a study that the authors have conducted for the Hans-Böckler Foundation. With regard to social inequality and participation in further education and training, the project analyses which groups participate in further education and training, and to what extent. Against the background of a concept of social justice, which insists on the equal distribution of access to further education and training, as well as includes the strengthening of the individual’s skills, the paper closes with some perspectives for action at various levels.

1 Einleitung

Bildung gilt als die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Obwohl der Zusammenhang zwischen den Bildungsvoraussetzungen der Menschen und der späteren sozialen Statusverteilung schon seit vielen Jahrzehnten thematisiert wird, ist mit Blick auf die Entwicklung für die Bundesrepublik trotz aller bildungspolitischen Absichtserklärungen nach wie vor eine „Gleichzeitigkeit von Bildungsexpansion und sozialer Ungleichheit von Bildungschancen“ (BECKER/ LAUTERBACH 2008, 11) zu konstatieren. Es werden zwar immer mehr und höhere Bildungsabschlüsse erworben, die soziale Ungleichverteilung der Bildungschancen mit Blick auf die Effekte im späteren Berufsleben bleibt davon jedoch weitgehend unberührt.

Mit diesem Beitrag soll gezeigt werden, dass sich Bildungsungleichheiten und damit verbunden auch -ungerechtigkeiten bis in die berufliche und betriebliche Weiterbildung fortsetzen. Er leistet auf der Basis von empirischen Forschungsergebnissen eine Beschreibung und Analyse der Bedingungen und Möglichkeiten zur Teilhabe an Weiterbildung für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen. Vor dem Hintergrund eines Begriffs von sozialer Gerechtigkeit, der sowohl auf die Gleichverteilung des Zugangs zu Weiterbildung setzt als auch die Stärkung der individuellen Fähigkeiten beinhaltet, werden abschließend Handlungsperspektiven auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen thematisiert.

2 Begriffliche Einordnung

Es wird hier ein Begriff von Weiterbildung zugrunde gelegt, der eine Engführung auf institutionalisierte Kontexte der Berufsbildung vermeidet und eher das Ziel beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen in den Blick nimmt: Angestrebt wird damit die Kompetenzentwicklung von Arbeitnehmern, das heißt die Ausbildung einer umfassenden beruflichen Handlungsfähigkeit. Dieser Prozess der Kompetenzentwicklung schließt informelle Lernprozesse und das Erfahrungslernen ein. Mit der Orientierung an Kompetenzen steht der Verengung auf ein Verständnis betrieblicher Weiterbildung, das auf unmittelbar abrufbare, verwendungs- und bedarfsorientierte Qualifizierungsmaßnahmen gerichtet ist, eine Erweiterung gegenüber. Diesem Beitrag liegt insofern eine Definition von Weiterbildung zugrunde, „die sämtliche Lernvorhaben erfasst, die, unabhängig von der Form des didaktischen Arrangements, auf die Herstellung, Sicherung und Erweiterung der Erwerbs- und Beschäftigungsfähigkeit gerichtet sind“ (HARTZ/ SCHRADER 2003, 143).

Der Bereich der beruflichen Weiterbildung kann in der Systematik des deutschen Bildungssystems zum einen abgegrenzt werden gegenüber dem Bereich der Allgemeinbildung und zum anderen gegenüber der Berufsausbildung. Betriebliche Weiterbildung kann als die dominante Form der beruflichen Weiterbildung gelten (vgl. DOBISCHAT 1999). Sie ist weitgehend privatwirtschaftlich organisiert, wobei das Ziel der betrieblichen Weiterbildung in erster Linie die Anpassung der Qualifikation der Arbeitnehmer an die betrieblichen Erfordernisse ist. Dies gilt sowohl in technischer Hinsicht als auch bezogen auf arbeitsorganisatorische Veränderungen (z.B. bei der Einführung von Gruppenarbeit). Im Unterschied zur beruflichen Weiterbildung ergibt sich in der betrieblichen Weiterbildung das Ziel von Qualifizierungsmaßnahmen in der Regel aus den Qualifizierungserfordernissen des Betriebes zum jeweiligen Zeitpunkt, an dem ein Qualifizierungsbedarf festgestellt wird.

Ausgehend von der vorgenommenen begrifflichen Rahmung der Weiterbildung, gilt es auch den Begriff der sozialen Ungleichheit sowie den normativen Begriff der sozialen Gerechtigkeit zu konkretisieren. Soziale Ungleichheit ist ein Phänomen, das sich in allen Gesellschaftsformen in unterschiedlicher Ausprägung findet. Als wissenschaftlicher Begriff bezeichnet er die ungleiche Verteilung materieller oder immaterieller Ressourcen in einer Gesellschaft und die daraus resultierenden unterschiedlichen Möglichkeiten zur Teilhabe an dieser. „’Soziale Ungleichheit’ liegt dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung in sozialen Beziehungsgefügen von den ‚wertvollen Gütern‘ einer Gesellschaft regelmäßig mehr als andere erhalten“ (HRADIL 2005, 30; vgl. auch SOLGA u.a. 2009, 15). Was als „wertvolle Güter“ angesehen wird, ist allerdings jeweils im historischen Kontext unterschiedlich und von gesellschaftlichen Zuschreibungen abhängig. Neben materiellem Wohlstand, Macht und Prestige gehört in modernen Gesellschaften auch Bildung als wichtige Dimension sozialer Ungleichheit dazu (vgl. HRADIL 2005, 31). Allerdings ist der soziologische Begriff sozialer Ungleichheit zunächst beschreibend und lässt offen, ob und inwiefern die Ungleichheit bildungs-, gesellschafts- oder sozialpolitisch bzw. auch unter moralischen Aspekten ungerechtfertigt ist.

Soziale Gerechtigkeit ist demgegenüber ein Maßstab, mit dem soziale Ungleichheit beurteilt werden kann. Zum einen bezieht sich dieser Begriff auf die Gleichverteilung des Zugangs zu den notwendigen Grundgütern für die individuell zu entscheidende Entfaltung von Lebenschancen. Zum anderen umfasst er die Stärkung der individuellen Fähigkeiten (capabilities), die persönliche Autonomie, Würde, Entscheidungsfreiheit, Lebenschancen und Optionsvielfalt schützen, sichern und erweitern (vgl. MERKEL/ KRÜCK 2003). Der Diskurs um soziale Gerechtigkeit zielt zum einen auf die gleiche Verteilung von Zugangsmöglichkeiten für die Entfaltung von Lebenschancen – ein Motiv, dass besonders von den Arbeiten RAWLS (1975) geprägt wurde. Dies impliziert eine Haltung, nach der Marktprinzipien allein nicht ausreichen, diese Zugangsmöglichkeiten auch in ausreichendem Maße für alle Gesellschaftsmitglieder zu sichern. Zum anderen schließt das hier zu Grunde gelegte Verständnis von sozialer Gerechtigkeit auch die Aktivierung und Stärkung der individuellen Fähigkeiten mit ein.

3 Forschungsbefunde zur Weiterbildungsteilhabe

In Anlehnung an diese Unterscheidung im Kontext der sozialen Ungleichheit werden im Folgenden Forschungsergebnisse zu den wichtigsten Determinanten sozialer Ungleichheit dargestellt, die für die berufliche und betriebliche Weiterbildung relevant sind. Die empirische Datengrundlage bilden dabei im Wesentlichen die Ergebnisse aus dem Berichtssystem Weiterbildung / Adult Education Survey 2007 (vgl. ROSENBLADT/ BILGER 2008) und der CVTS 3-Erhebung (vgl. MORAAL u.a. 2009). Dabei werden zum einen individuell zugeschriebene Merkmale wie sozialer Hintergrund, Geschlecht, Alter oder Migrationshintergrund betrachtet. Zum anderen werden Determinanten in den Blick genommen, die durch eigenes Handeln verändert werden können und hier als strukturell erworbene Determinanten gefasst werden. Als erworbene Merkmale gelten solche, die von einzelnen im Laufe ihrer Biografie angeeignet wurden und die vielfach auch verändert werden können. Im Kontext des vorliegenden Beitrags werden darunter z.B. der schulische und berufliche Hintergrund, die berufliche Positionen, der spezifische betriebliche Kontext oder der individuelle Status am Arbeitsmarkt verstanden.

3.1 Individuell zugeschriebene Determinanten sozialer Ungleichheit

Als eine zugeschriebene Determinante bildet der soziale Hintergrund in der Weiterbildungsforschung einen zentralen Faktor für die Teilnahme an Bildung und Weiterbildung. In der Weiterbildungsforschung wurde im Zusammenhang damit eine Einteilung der Gesellschaft in zehn verschiedene Milieus vorgenommen, anhand derer sich die vertikale und horizontale Heterogenität der sozialen Milieus nachweisen lässt. Diese zehn Milieus werden folgendermaßen gruppiert (vgl. TIPPELT/ HIPPEL 2005, 40).

  • Gesellschaftliche Leitmilieus (Etablierte, Postmaterielle, moderne Performer)
  • Traditionelle Milieus (Konservative, Traditionsverwurzelte, DDR-Nostalgische)
  • Mainstream Milieus (Bürgerliche Mitte, Konsum-Materialisten)
  • Hedonistische Milieus (Experimentalisten, Hedonisten)

Diese Einteilung liefert Erkenntnisse zu einzelnen Milieus und den handlungsleitenden Motiven und Bedürfnissen ihrer Mitglieder als Zielgruppen von Weiterbildung. Sie ermöglicht eine differenziertere Betrachtungsweise der Teilhabesituation im Weiterbildungssektor. Für die Weiterbildungsforschung und -praxis ergibt sich daraus die Herausforderung, entsprechende teilnehmer- und zielgruppenorientierte Konzepte und Angebote zu entwickeln.

Auch das Geschlecht beeinflusst die soziale Ungleichheit in der Weiterbildung, wenngleich von einer durchgängigen Benachteiligung von Frauen im Bereich der Aus- und Weiterbildung nicht mehr die Rede sein kann. So haben Mädchen in Bezug auf Abschlüsse im allgemeinbildenden Schulwesen die männlichen Jugendlichen bereits überholt. Ebenso ist der Anteil der weiblichen Auszubildenden von 35,4% im Jahr 1975 auf 42% im Jahr 2009 deutlich gestiegen. Auch für die Weiterbildung zeigen die Zahlen des Berichtssystems Weiterbildung 2007, dass sich Unterschiede in der Beteiligung an beruflicher Weiterbildung nivellieren. So konstatieren ROSENBLADT und BILGER (vgl. 2008, 63), dass sich der Geschlechterunterschied, der noch 1979 in Bezug auf die Weiterbildungsbeteiligung erheblich war (Männer 27%, Frauen 19%), inzwischen weitgehend aufgelöst. Es gibt praktisch keinen geschlechtsspezifischen Unterschied mehr in der Beteiligung an beruflicher Weiterbildung insgesamt: Unter den Erwerbstätigen haben 35% der Männer und 34% der Frauen an Lehrgängen oder Kursen teilgenommen.

Mit einem differenzierteren Blick z.B. auf die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung ergibt jedoch nach wie vor sehr wohl ein geschlechtsspezifischer Unterschied, da Frauen mit 25% weniger beteilig sind als Männer (33%). Diese Differenz hat sich im Vergleich zum Jahr 2003 sogar leicht vergrößert (BMBF 2006). Dieser Befund ist zum einen angesichts der immer noch geringen Zahl an weiblichen Führungskräften in deutschen Unternehmen und zum anderen durch die Wahrnehmung von Teilzeittätigkeiten durch Frauen zu begründen. So zeigt sich, dass zwar die Zahl der Frauen in Führungspositionen von 2001 bis 2006 deutlich zugenommen hat (vgl. BÖCKLERIMPULS 2007, 4), aber selbst bei einer sehr weiten Auslegung des Führungskraft-Begriffs nur 31% der weiblichen Beschäftigten diese Positionen tatsächlich besetzen. Da in diesem Belegschaftssegment vergleichsweise deutlich höher in Maßnahmen zur betrieblichen Weiterbildung investiert wird, schlägt sich dies demzufolge in der geringen Teilnahmequote von Frauen nieder. So beteiligen sich Frauen deutlich häufiger an Anpassungsqualifizierungen (54% vs. 36%), während Aufstiegsfortbildungen eher Männern vorbehalten sind (25% vs. 17%, ausbildungsnahes Studium 15% Männer und 4% Frauen).

Vor diesem Hintergrund wird zum Umgang mit geschlechtsbedingter Heterogenität in der Weiterbildungsforschung die Forderung erhoben, die Differenzen zwischen Frauen und Männern sowie zwischen einzelnen Gruppen innerhalb der Frauen angemessen zu berücksichtigen damit Heterogenität anzuerkennen und differenzierte Förderangebote bereitzustellen. Es ist notwendig, dass Ungleichheitstendenzen unter dem Aspekt einer geschlechts­spezifischen Segregation des Ausbildungs- und Erwerbssystems sowie unter Beobachtung differenter Lebenslagen/Lebenssituationen diskutiert werden und gleichermaßen anschlussfähig an erweiterte Forschungsfragen und empirische Studien gemacht werden (vgl. NADER 2007, 32ff.).

Fasst man die Erkenntnisse zur Weiterbildungsbeteiligung mit Blick auf die Kategorie Lebensalter zusammen, so lässt sich konstatieren, dass es mit zunehmendem Alter eindeutig zu einer Abnahme der Bildungsbeteiligung kommt.

Die letzten drei Erhebungen des Berichtssystems Weiterbildung zeigen bezüglich des Alters einen deutlichen Rückgang in den Teilnahmequoten. So weist die Gruppe der 50-64 Jährigen in der betrieblichen Weiterbildungsteilnahme ein starkes Defizit im Vergleich zu den jüngeren Altersgruppen auf, obwohl davon auszugehen ist, dass diese Altersgruppe in der Regel noch erwerbstätig ist. Allerdings nimmt die Erwerbsbeteiligung nimmt ab 55 Jahren nachweislich ab. Betrachtet man dagegen nur die Gruppe der Erwerbstätigen über 45 Jahren, so bleibt das Teilnahmeniveau bis zum Alter von 60 Jahren konstant. Zudem ist belegt, dass sich die Weiterbildungsbeteiligung an informellen Lernformen zwischen den Altersgruppen kaum unterscheidet und Ältere demnach für diesen Bereich nicht als benachteiligte Gruppe gelten können (vgl. ILLER 2008, 70). Aussagen zum Teilnahmerückgang Älterer an Weiterbildungsveranstaltungen müssen jedoch grundsätzlich dahingehend relativiert werden, dass in den Erhebungen zum Teil erwerbstätige und nicht erwerbestätige Personen befragt wurden (vgl. BOHLINGER 2009, 103; ILLER 2008, 79).

Es zeigt sich, dass das Bildungsniveau als stärkster Indikator für Partizipation von Älteren an Bildung gelten kann. Hier wirkt mit dem Fokus auf ältere Arbeitnehmer der gleiche Selektionsmechanismus, wie er auch in der gesamten Weiterbildungslandschaft deutlich wird: Vor allem diejenigen können an Weiterbildung partizipieren, die bereits eine gut bezahlte Arbeit und ein gewisses Maß an Vorbildung besitzen.

Seitens der Weiterbildungsforschung ist dazu die Frage zu bearbeiten, wie Arbeiten und Lernen auf der Basis betrieblicher Vereinbarungen so gestaltet werden können, dass sie für ältere Arbeitnehmer angemessen genutzt werden können. Zu den diskutierten und teilweise realisierten Gestaltungsansätzen einer alternsgerechten Personalpolitik gehören Faktoren wie eine lernförderliche Arbeitsgestaltung, altersgerechte Aufgabenverteilung, altersgemischte Teams, Laufbahngestaltung, Altersmanagement, die Reduzierung von psychischen und physischen Belastungen und ein angemessenes Arbeitszeit- und Entlohnungssystem (vgl. ILLER 2008, 72).

Auch der Migrationshintergrund gilt in der Weiterbildungsforschung als ein zentraler Faktor zur Weiterbildungsteilhabe und somit auch zur Beförderung sozialer Ungleichheit. Obwohl die aktuelle Datenlage zur Beteiligung von Migranten an Weiterbildung als eher dürftig anzusehen ist, lassen sich folgende Aussagen treffen: Die beruflichen Tätigkeiten von Migranten unterscheiden sich deutlich von denen deutscher Arbeitnehmer. So zeigt sich, dass Migranten an Weiterbildung grundsätzlich weniger beteiligt sind als Deutsche. Betrachtet man die Entwicklungstendenzen der Weiterbildungsteilnahme insgesamt, so wird deutlich, dass die Weiterbildungsbeteiligung allgemein in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist (vgl. ROSENBLADT/ BILGER 2008, 64). Dies wird im Wesentlichen auf die vermehrte Teilnahme an Lehrgängen und Kursen, zu denen z.B. auch Sprachkurse gehören, der allgemeinen Weiterbildung zurückgeführt. Trotz dieser positiven Tendenz der letzten Jahre steht die Weiterbildungsteilnahme in enger Beziehung zu Faktoren wie individueller Schul- und Berufsbildung, Erwerbstätigkeit, beruflicher Stellung, sozialer Herkunft, Geschlecht und Alter, die dazu beitragen, dass Migranten mehrfach von Benachteiligung betroffen sind. Hinsichtlich der betrieblichen Weiterbildung belegen die Datenquellen, dass Angebotsformen wie kurzzeitige Anlernprozesse, Sicherheitsunterweisungen und andere Formen der unmittelbaren Anpassungsqualifizierung dominieren (vgl. HAMBURGER 2009, 886).

In der Weiterbildungsforschung wird der rechtliche Status der Personengruppen als ein Grund für die Nichtteilnahme von Migranten an Weiterbildungsmaßnahmen genannt (vgl. BRÜNING 2006, 43). Diesbezüglich müsste allerdings zwischen verschiedenen Gruppen unterschieden werden (z.B. Migranten, Deutsche mit Migrationshintergrund, Ausländer). Als Herausforderung für die Weiterbildung wird die Entwicklung von Konzepten gesehen, die die Kompetenzen der Migranten wie Mehrsprachigkeit, Mobilität, Kenntnis unterschiedlicher Kultur- und Lebensformen etc. anerkennen und nicht als Defizite betrachten.

3.2 Strukturell „erworbene“ Determinanten sozialer Ungleichheit

Zum schulischen Hintergrund zeigt sich, dass zunehmend Selektionsmechanismen greifen, die sich gegenseitig bedingen. So sind die Teilhabechancen für verschiedene Formen der Weiterbildung maßgeblich durch die vorangegangene Schulbildung beeinflusst. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass eine höhere Bildung zu einer höheren Weiterbildungsteilhabe führt: „Die wichtigste soziale Determinante für das Weiterbildungsverhalten ist der Bildungshintergrund einer Person“ (ROSENBLADT/ BILGER 2008, 152).

Betrachtet man die Zahlen zur beruflichen Weiterbildung aus dem Berichtssystem Weiterbildung für das Jahr 2007, fällt auf, dass die Teilnahmequoten derjenigen mit hoher Schulbildung (Abitur, Fachhochschulreife) um das Zweifache über den Quoten derjenigen mit niedriger Schulbildung liegt (Volksschulabschluss, Hauptschulabschluss, ohne Abschluss). Dieser Trend zeigt sich ebenfalls bei den Daten zur Teilhabe an betrieblicher Weiterbildung. So geben nur 19% der Befragten mit niedriger Schulbildung an, innerhalb der letzten 12 Monate an betrieblicher Weiterbildung teilgenommen zu haben. Demgegenüber stehen 34% und 38% Teilnehmer mit mittlerer respektive hoher Schulbildung (ebd., 87). Somit steht die Nichtteilhabe an betrieblicher Weiterbildung eindeutig mit niedriger Grundbildung in Zusammenhang. Als Herausforderung für die Weiterbildungsforschung und -politik ergibt sich daraus die Notwendigkeit, Konzepte zum systematischen Nachholen von Schulabschlüssen sowie ihre Finanzierung zu entwickeln.

Der berufliche Hintergrund einer Person hat ebenso wie die Schulbildung einen deutlichen Einfluss auf die Teilnahmechancen an beruflicher und betrieblicher Weiterbildung. So lässt sich feststellen, dass besonders Ungelernte mit 11% und Angelernte mit 21% zur Gruppe mit der geringsten Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung zählen. Deutlich häufiger nehmen Facharbeiter (34%) und Meister/Poliere (40%) an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen teil. Unter den Angestellten partizipieren die ausführenden Angestellten mit Abstand am seltensten an betrieblicher Weiterbildung (31%). Bedeutend häufiger sind qualifizierte Angestellte (52%) und angestellte Facharbeiter (54%) vertreten. Angestellte Meister/Techniker und Angestellte mit Führungsaufgaben erreichen hohe Teilnahmequoten von jeweils 70%. Bei den Beamten kann der Trend, dass mit höherer Qualifikation eine höhere Teilnahmequote einhergeht, nicht bestätigt werden. Hier sind es die Beschäftigten im einfachen und mittleren Dienst, die mit 70% am häufigsten Teilnehmer betrieblicher Weiterbildung sind. Beamte im gehobenen Dienst nehmen zu 67%, solche im höheren Dienst zu 61% an betrieblicher Weiterbildung teil.

Eine weitere Unterscheidung in der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung unterschiedlicher Beschäftigungsgruppen muss hinsichtlich des Beschäftigungsgrades getroffen werden. So zeigt sich, dass Vollzeitbeschäftigte als Teilnehmer mit 75% deutlich häufiger vertreten sind als Teilzeitbeschäftigte mit 14% (vgl. SCHIERSMANN 2007a, 128).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Teilnahme an Weiterbildung im Zusammenhang mit der Schul- und Erstausbildung gesehen werden muss. Empirisch lässt sich belegen, dass geringe Qualifikationen in der schulischen Ausbildung wie auch in der beruflichen Erst(aus)bildung dazu führen, dass auch die Beteiligung an Weiterbildung gering ist.

Auch die Erwerbsbeteiligung wird in der Weiterbildungsforschung als ein zentraler Aspekt zur Teilhabe an beruflicher und betrieblicher Weiterbildung angesehen. So wurde im Berichtsystem Weiterbildung (BMBF 2006) festgestellt, dass Erwerbstätige eindeutig häufiger an Weiterbildung teilnehmen, obwohl sie insgesamt weniger Zeit damit verbringen als Nichterwerbstätige. 2003 haben 48% der Erwerbstätigen ein Weiterbildungsangebot in Anspruch genommen, aber nur 26% der Nichterwerbstätigen (vgl. BMBF 2006, 73). Dabei zeigte sich, dass die Intention und Motivation der Lernenden eine zentrale Rolle einnimmt, so dass Personen, die schnellstmöglich wieder erwerbstätig werden wollen, wesentlich häufiger an beruflicher Weiterbildung teilnehmen, als Menschen, deren Interesse nicht darauf gerichtet ist (vgl. BMBF 2006, 73ff.).

Es stellt sich damit für die Weiterbildungsforschung, -politik und -praxis die Frage, auf welchen Wegen Erwerbslose zu einer höheren Weiterbildungsteilnahme kommen können. Auch hier zeigt sich, dass Ansätze, die die Spezifika dieser Zielgruppe anerkennen und pädagogisch differenziert auf die Heterogenität von biographischen Lebenslagen, Bildungsbedürfnissen und Arbeitsmarktchancen abheben, eine zentrale Perspektive für die Weiterbildungsforschung, -politik und -praxis darstellen.

Weiterbildungsteilnahme lässt sich auch hinsichtlich des Branchenbezugs unterscheiden. Demnach sind vor allem Beschäftigte im primären Sektor, im Handel, im verarbeitenden Gewerbe, im Baugewerbe und Handwerk von Weiterbildung abgekoppelt, während wissensbasierte Dienstleistungsberufe und Berufstätigkeiten, die einem raschen Wandel unterliegen, wie z.B. die Kredit- und Versicherungsbranche, als sehr weiterbildungsaktiv gelten.

Aber auch der Dienstleistungsbereich ist differenziert zu betrachten. So stellen SCHRÖDER (2004) u.a. fest, dass Bank- , Versicherungs- und andere Dienstleistungskaufleute ebenso wie im Bereich der Medien und in geisteswissenschaftlichen Berufen Tätige zu den weiterbildungsaktivsten Gruppen gehören. Sie sind drei bis viermal häufiger unter den Teilnehmern an Weiterbildung vertreten. Dagegen sind Groß- und Einzelhandelskaufleute, Verkäufer und Beschäftigte aus den Bereichen Körperpflege, Gästebetreuung, Hauswirtschafts- und Reinigungsberufs doppelt so häufig unter den Nichtteilnehmer zu finden (41ff.).

Eine weitere beschäftigungsbezogene Variable, die sich auf die Teilnahme an Weiterbildung auswirkt, stellt die Betriebsgröße dar. TIPPELT (2007) kommt sogar zu der Einschätzung, dass die Betriebsgröße bei Vollbeschäftigten den zweitstärksten Einflussfaktor für die Weiterbildungsbeteiligung darstellt. Dementsprechend konstatiert SCHIERSMANN (2007a), dass Erwerbstätige aus Betrieben mit weniger als 100 Beschäftigten seltener an betrieblicher Weiterbildung (im Vergleich zu außerbetrieblichen Angeboten) teilnehmen, als Beschäftigte aus größeren Betrieben. „Fast jeder zweite Nichtteilnehmer (47%) ist in einem Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern beschäftigt.“ (ebd., 137).

Bezüglich betrieblicher Faktoren lässt sich somit zusammenfassen, dass sowohl der Branchenbezug als auch die Betriebsgröße entscheidende Einflüsse auf die Zugänge und die Angebotsstruktur von Weiterbildung haben. Für die Weiterbildungsforschung und pädagogische Praxis entsteht aus diesem Befund die Notwendigkeit, insbesondere informelle und selbstgesteuerte Formen von Weiterbildung empirisch und konzeptionell zu entwickeln.

Eine zentrale Entwicklung in der betrieblichen Weiterbildung ist in den vergangenen Jahrzehnten in der Erweiterung der Weiterbildungsformen und der Anerkennung informeller Lernkontexte zu sehen. So nehmen neben den klassischen Weiterbildungsveranstaltungen in Form von Seminaren, Kursen und Lehrgängen auch andere Formen der betrieblichen Weiterbildung, wie geplante Phasen der Weiterbildung am Arbeitsplatz, selbstgesteuertes Lernen und Informationsveranstaltungen eine bedeutende Rolle ein. Dazu stellt sich in der Weiterbildungsforschung die Frage, wie sich die Beteiligung unterschiedlicher Beschäftigtengruppen am informellen und non-formalen Weiterbildungsangeboten empirisch darstellt, ob durch das informelle Lernen bisherige Selektionsmechanismen aufgehoben oder verstärkt werden und welche neuen Inklusions- und Exklusionsmechanismen möglicherweise entstehen.

Blickt man hinsichtlich dieser Frage zunächst auf die individuelle Einschätzung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Bedeutung von Lernkontexten, so zeigt sich, dass 60% der Beschäftigten das arbeitsintegrierte und private Lernen gegenüber formalisiertem Lernen oder medialem Lernen als den wichtigsten Lernkontext ansehen (vgl. BAETHGE/ BAETHGE-KINSKY 2004, 70). Hinsichtlich der in der betrieblichen Weiterbildung tatsächlich genutzten Lernformen zeigt sich demgegenüber allerdings ein anderes Bild. In der CVTS3-Erhebung (vgl. MORAAL u.a. 2009) wurde ermittelt, dass in 90% der befragten Unternehmen Informationsveranstaltungen angeboten werden, in 79% externe Lehrveranstaltungen und in 77% Unterweisung und/oder Einarbeitung. Interne Lehrveranstaltungen finden in 67% der Unternehmen statt, selbstgesteuertes Lernen in 33%. 19% der befragten Unternehmen gaben an, dass bei ihnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Lernzirkeln und/oder Qualitätszirkeln teilnehmen können, 14% der Unternehmen bieten auch Job-Rotation und/oder Austauschprogramme an. Die Befunde dieser Erhebung zeigen zudem, dass die Wahrnehmung der unterschiedlichen Lernformen durch die Beschäftigten sehr unterschiedlich ist und sich die bei der formellen Weiterbildung feststellbaren Unterschiede zwischen den einzelnen Qualifikationsgruppen auch bei den meisten Arten der informellen Weiterbildung durchsetzen (vgl. BRUSSIG/ LEBER 2004, 56). Auch wenn die Unterschiede geringer ausgeprägt sind, stellen An- und Ungelernte Arbeiter bei informellen Weiterbildungsaktivitäten die teilnahmeschwächste Gruppe.

So wird hinsichtlich der Frage sozialer Ungleichheit deutlich, dass in der betrieblichen Weiterbildung insbesondere An- und Ungelernte im Vergleich zu anderen Beschäftigungsgruppen an arbeitsplatzintegrierten bzw. arbeitsplatznahen Formen des Lernens am wenigsten teilnehmen, was sich vermutlich aus den Tätigkeitsstrukturen in diesem Beschäftigtensegment einerseits und dem beruflichen- bzw. schulischen Hintergrund andererseits ergibt. Demzufolge ist diese Nichtteilnahme, die inhaltlich im Gegensatz zu individuellen Einschätzungen zu wichtigen Lernkontexten steht, ebenso auf betrieblich gesteuerte Strukturen wie auf individuelle Bildungs- und Lernvoraussetzungen zurückzuführen und unterliegt damit einer weiteren Form der mehrfachen Selektivität.

Unabhängig von möglichen weiteren Interpretationen lässt sich bezüglich der oben formulierten Frage zunächst einmal davon ausgehen, dass die im Bereich des informellen Lernens bestehenden Selektionsmechanismen im wesentlichen bestätigt, nicht aber aufgehoben werden. Insgesamt ist vielmehr zu vermuten, dass diese Form der Weiterbildung mit immer höheren Anforderungen an die Kognition und die Selbststeuerung der Lernenden verbunden ist und damit für gering Qualifizierte oder Beschäftigte mit einem niedrigen beruflichen Status eine Hürde darstellt. So stellt SCHIERSMANN (2007a) fest, dass durch die Teilnahme an arbeitsbegleitender Weiterbildung und informellem Lernen mögliche Defizite beim Lernen in formalen Kontexten nicht kompensiert werden, sondern von einer Parallelität auszugehen ist: „Je höher die Bedeutung formaler Weiterbildung, desto höher ist auch die der informellen.“ (ebd. 151).

Trotz diesem, in berufspädagogischer Perspektive betrachtet, ernüchternden Befund zu den Auswirkungen informeller, selbstgesteuerter Lernformen in der Weiterbildung, werden in der Weiterbildungsforschung gerade diese Formen das Lernens als geeignet angesehen, um das Lernen im Prozess der Arbeit zu fördern und damit sowohl betrieblichen Bedarfe als auch gesellschaftlichen Anforderungen zu entsprechen (vgl. DEHNBOSTEL 2001). Die Potenziale dieses Zugangs, die forschungsseitig z.B. in der Ermöglichung beruflicher Entwicklungs- und Aufstiegswege auch jenseits formaler Abschlüsse, in der lernortübergreifenden Kompetenzentwicklung und in neuen Lern- und Bildungschancen für alle Beschäftigtengruppen gesehen werden, bedürfen einer pädagogisch institutionellen Rahmung und werden in der Realität angesichts der empirischen Befunde offensichtlich noch nicht hinreichend ausgeschöpft.

3.3 Forschungsbefunde zu Weiterbildungsbeteiligung und -abstinenz

Ein Paradoxon, das Weiterbildungsforscher bereits seit den 1960er Jahren beschäftigt, ist die Diskrepanz zwischen dem geäußerten Weiterbildungsinteresse bzw. der Einschätzung der Wichtigkeit von Weiterbildung und der tatsächlichen Weiterbildungsbeteiligung (vgl. SCHIERSMANN 2006, 91). So kommen auch die Befragungen im Rahmen des Berichtssystems Weiterbildung IX 2006 zu dem Schluss, dass das Ansehen und die Sinnhaftigkeit von Weiterbildung nicht mit der tatsächlichen Beteiligung übereinstimmen. Jeweils über 90% der Befragten stimmten den Aussagen zu, dass ‚jeder bereits sein sollte, sich ständig weiterzubilden‘ und ‚sich jeder, der im Beruf erfolgreich sein will, weiterbilden muss‘ (vgl. SCHIERSMANN 2007b, 161), dennoch ist die tatsächliche Teilnahme an Weiterbildung vergleichweise gering.

TIPPELT u.a. (2003) haben in der wissenschaftlichen Rezeption dafür den Begriff der Weiterbildungsschere geprägt und beschreiben diese folgendermaßen: „Das Ansehen von Weiterbildung ist in der gesamten Bevölkerung hoch. [...] Allerdings sinkt die eigene aktive Beteiligung an Weiterbildung in Korrelation mit abnehmendem Sozialen Status und abnehmendem Bildungsabschluss“ (ebd., 152). Diese Einschätzung lässt sich auch in den hier zusammengeführten empirischen Befunde zu den einzelnen sozialen Gruppen sehr deutlich nachzeichnen, so dass sich zusammenfassen lässt, dass nicht nur eine Diskrepanz zwischen Interesse und Teilnahme an Weiterbildung besteht, sondern dass sich die Nichtteilnahme besonders auf spezifische Personengruppen beziehen lässt, die einem immer wiederkehrenden Selektionsmechanismus unterliegen. FAULSTICH (1981, 61ff) hat dafür bereits in den 1980er Jahren den Begriff der doppelten Selektivität von Weiterbildung geprägt. Mit doppelter Selektivität ist gemeint, dass vor allem diejenigen Weiterbildungsangebote nutzen, die bereits eine gut bezahlte Arbeit und ein gewisses Maß an Vorbildung besitzen (vgl. BREMER 2007, 22). Diese Weiterbildungsschere wird auch in der Teilnahme unterschiedlicher Gruppen an informellen Lernangeboten deutlich. Auch hier lässt sich bestätigen, dass die geringe Teilnahmebereitschaft an formalisierten Weiterbildungsveranstaltungen mit der Nutzung informeller Lernformen korreliert, was dann einer mehrfachen Selektivität von Weiterbildung gleichkommt.

Zusammenfassend ist demnach davon auszugehen, dass die jeweiligen Weiterbildungseinstellungen, -interessen und das reale Weiterbildungsverhalten sich im Laufe des Lebens zu einem Muster verdichten und sich zwei Typen herausbilden (vgl. SCHIERSMANN 2006, 91): Ein weiterbildungsbewusster Lernertyp, der sich durch hohe Selbststeuerung und eine positive Einstellung zur Weiterbildung auszeichnet und ein weiterbildungsdistanzierter Lernertyp, der ein geringes Qualifikationsniveau vorweist, eher in informellen als formalen Kontexten lernt und Weiterbildung einen konkreten Nutzen abspricht.

4 Handlungs- und Forschungsperspektiven

Abschließend werden mit Blick auf das bearbeitete Feld der sozialen Ungleichheit in der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung mögliche Handlungs- und Forschungsperspektiven aufgezeigt. Zur systematischen Darstellung der Handlungsperspektiven liegt eine integrierte Betrachtung von Praxisgestaltung und Weiterbildungsforschung auf drei Ebenen nahe.

4.1  Bildungs- und sozialpolitische Perspektiven

Auf der Makroebene – im Sinne einer bildungspolitischen bzw. staatlichen Perspektive – ist der Blick grundsätzlich auf die Kontextbedingungen von Weiterbildung und Weiterbildungsbeteiligung in Beruf und Betrieb zu richten. Es geht dabei darum, zu thematisieren und zu reflektieren, vor welchem sozialen und politischen Hintergrund Entscheidungen in der Weiterbildungslandschaft getroffen werden und wie diese Entscheidungen, die immer auch spezifischen politischen Interessen unterliegen, in der Praxis der beruflich-betrieblichen Weiterbildung umgesetzt werden. Zu fragen ist dabei auch danach, welche Maßnahmen seitens der sozialen Akteure und insbesondere des Staates ergriffen werden, die Prozesse der Inklusion bzw. der Exklusion in Weiterbildung behindern oder befördern.

In bildungspolitischer Perspektive muss angestrebt werden, in der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung strukturelle Rahmenbedingungen dafür bereitzustellen, dass trotz einer – bezogen auf zukünftige Qualifikationsanforderungen – relativen Ungewissheit sowohl dem Qualifizierungsbedarf der Unternehmen als auch den Entwicklungsbedürfnissen und spezifischen Interessenlagen der Weiterbildungsteilnehmer entsprochen werden kann. Dabei gilt es in der Praxis möglichst flexible Strukturen zu schaffen, die Zugänge zu Weiterbildung ermöglichen und die Sicherung von Mobilität und Chancengleichheit erlauben. Hier ist insbesondere die Qualifikations- und die Curriculumforschung gefordert, die Bedingungen, Möglichkeiten, Voraussetzungen und auch Hemmnisse für eine flexible Konstruktion von Curricula offen zu legen, die den gesellschaftlichen, technischen und sozialen Herausforderungen entspricht und zugleich die Spezifika der bisher excludierten Gruppen aufnimmt.

Als konkrete Maßnahme nimmt dabei die Weiterbildungsfinanzierung eine zentrale Bedeutung ein (vgl. u.a. FAULSTICH/ BAYER 2005), die sowohl auf staatlicher wie auf tarifvertraglicher und betrieblicher Ebene verbessert werden muss. HIPP (2009) zufolge findet Weiterbildung nicht zuletzt wegen der ungeklärten Finanzverantwortung in Deutschland trotz der allseits anerkannten Bedeutung in unzureichendem Maße statt. Für Einzelpersonen sind die Kosten für Aus- und Weiterbildung oft zu hoch, um individuell getragen werden zu können. Auch mit Hilfe der staatlichen Bildungsprämie können Motivation und Verantwortung des Einzelnen gestärkt werden, für den Erhalt der eigenen Beschäftigungsfähigkeit durch berufliche Weiterbildung Vorsorge zu treffen. Fraglich ist jedoch, ob mit dieser Initiative benachteiligte Gruppen in ausreichendem Ausmaß erreicht werden und die Höhe der Finanzierung ausreichend ist. Dies gilt in gleichem Maße für die derzeitige Umsetzung der Idee von Bildungsgutscheinen.

Weitere konkrete Überlegungen zielen auf einen Umbau der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung zu einer Beschäftigungsversicherung (vgl. HIPP 2009, 364ff.). Diese Vorschläge richten sich auf die Einführung von Übergangsarbeitsmärkten und die Entwicklung von erweiterten Bildungsgutscheinen, die Schaffung von persönlichen Entwicklungskonten sowie die Verbesserung der bisherigen Infrastruktur und der Rahmenbedingungen zur Organisation von Weiterbildung, insbesondere außerhalb der Betriebe. Auch von gewerkschaftlicher Seite wird die Forderung zur Schaffung von bundesgesetzlichen Regelungen zur Weiterbildung, in der wesentlich auch Finanzierungsfragen geregelt werden, schon seit längerem erhoben (vgl. IG METALL/ VER.DI 2006).

Aus bildungspolitischer Sicht ist zudem anzustreben, dass die berufliche und betriebliche Weiterbildung nicht allein der Marktsteuerung überlassen wird, sondern dass Mischformen aus staatlicher, öffentlicher und privater Verantwortung gefunden werden. Einzelne ordnungspolitische Beispiele dafür, wie der Staat die Gestaltung von Weiterbildung organisatorisch-strukturell flankieren kann, liegen in der Praxis bereits vor (z.B. mit der Implementierung des IT-Weiterbildungssystems). Eine systematische Analyse der Ergebnisse und Erkenntnisse aus diesem Prozess mit Blick auf den Transfer und die Nachhaltigkeit steht allerdings aus. Zu begrüßen wäre es in diesem Zusammenhang auch, wenn Modellprojekte und Forschungsförderprogramme entwickelt würden, die sich speziell der Frage widmen, wie sozialer Ungleichheit durch öffentliche und staatliche Intervention so entgegengewirkt werden kann, dass im Feld der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung ein stärkeres Maß an sozialer Gerechtigkeit realisiert werden kann.

Eine weitere Option zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit stellt zudem die stärkere Flexibilisierung von Zugangswegen zur Weiterbildung dar. Hier können durch neue Formen der Anerkennung eine Erweiterung von Zugangsmöglichkeiten für einige Gruppen erreicht werden, die etwa aufgrund ihrer Herkunft oder beruflichen Stellung bisher benachteiligt sind. Eine Option besteht dabei in der stärkeren Anerkennung des informellen Lernens und des Lernens im Prozess der Arbeit und die damit verbundene Identifizierung und Darstellung von Kompetenzen. Einigkeit besteht im berufspädagogischen Diskurs darüber, dass Kompetenzen auch informell erworben werden und dass dies für die berufliche Handlungsfähigkeit immer wichtiger geworden ist. Ebenso besteht weitgehende Einigkeit in der Kritik am deutschen Zertifikatswesen, in dem (fast) nur formale Bildungsgänge zu Abschlüssen führen (vgl. SEVERING 2009). Allerdings kommen die Autoren einer OECD-Studie zum Stand der Anerkennung non-formalen und informellen Lernens in Deutschland zu dem ernüchternden Schluss, dass es zwar eine Reihe von Ansätzen gibt, aber: „Die Reichweite dieser Verfahren ist bisher noch relativ begrenzt“ (BMBF 2008a, 129). Eine Verbesserung der Anerkennung entspricht auch einer Empfehlung des Innovationskreises Weiterbildung des BMBF (vgl. BMBF 2008).

Eine verbesserte und erleichterte Anerkennung von im Ausland erworbenen Bildungsabschlüssen ist zudem für Migranten besonders bedeutsam. Bildungs- und Berufsabschlüsse, die im Ausland erworben wurden, werden bisher in Deutschland häufig nicht oder nur unter sehr erschwerten Bedingungen anerkannt. Durch eine Neufassung und Vereinheitlichung von Regelungen zur Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen könnten die Chancen von Migranten auf einen ihrer Qualifikation entsprechenden Zugang zum Arbeitsmarkt verbessert werden. Diesbezüglich hat auch die Bundesregierung jüngst ein Papier mit dem Titel „Eckpunkte zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen und Berufsabschlüssen“ (vgl. BUNDESREGIERUNG 2009) vorgelegt, das sich dieser Problematik annimmt. Vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels wird dazu eine gesetzliche Regelung angestrebt. Hier sollten allerdings nicht nur Akademiker in den Blick genommen, sondern auch andere Berufsgruppen stärker einbezogen werden (vgl. BETHSCHNEIDER 2008, 6).

Eine weitere Handlungsperspektive bildet die Steigerung der Durchlässigkeit des Bildungs- und Berufssystems. Ihre Verbesserung durch eine engere Verzahnung der Erstausbildung mit der betrieblichen Weiterbildung stellt eine zentrale politische Forderung dar, die z.B. auch vom Innovationskreis Berufliche Bildung (vgl. BMBF 2006) erhoben wird. Demzufolge wurde in der CVTS3-Zusatzerhebung der Grad der Verzahnung von Aus- und Weiterbildung anhand von fünf Indikatoren erhoben. Zu einer verbesserten Durchlässigkeit tragen ebenfalls offene und flexible Zugänge in die Weiterbildung sowie die Entwicklung von Aufstiegs- und Karrierewegen jenseits formaler Abschlüsse bei. Auch hier ist das IT-Weiterbildungssystem als gelungenes Beispiel zu nennen, wobei allerdings offen ist, ob diese Form der Weiterbildung auch auf ausreichende Nachfrage trifft (vgl. MEYER 2006).

4.2 Perspektiven auf der institutionellen Ebene

Auf der Mesoebene – im Sinne einer institutionellen Perspektive – geht es zukünftig darum, an den unterschiedlichen Lernorten – also in den Unternehmen und in den Bildungsinstitutionen – Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Lernen in der Arbeit unterstützen. Dazu gehört die Herstellung lernförderlicher Arbeitsbedingungen, die eine arbeitsprozessorientierte Qualifizierung unter angemessener Partizipation der Lernenden ermöglichen.

BAETHGE und BAETHGE-KINSKY (2004) haben eine Studie vorgelegt, die u.a. der Frage nachging, welche Bedeutung der Gestaltung konkreter Arbeitssituationen bezüglich der Weiterbildungsbeteiligung von Beschäftigten zukommt. In dieser Untersuchung kommen die Autoren zu der Einschätzung, dass „Arbeit als zweite Chance“ zur Entwicklung und Förderung von Kompetenzen angesehen werden kann, die zur Teilnahme am lebenslangen Lernen bedeutsam sind. Die besondere Chance lernförderlicher Arbeitsstrukturen liegt darin, dass sie latente Potenziale informeller Lernkontexte im Bereich des arbeitsintegrierten Lernens wirksam werden lässt. Der Gestaltung lernförderlicher Arbeit wird damit eine wichtige Funktion zum Abbau sozialer Ungleichheiten in der Weiterbildung zugesprochen, da sie gewissermaßen die einzige Möglichkeit darstellt, dem bestehenden Zusammenhang zwischen Qualifikation, Beschäftigungsstatus und der Beteiligung an Weiterbildung entgegen zu wirken.

Berufsbildungsforschung kann diesen Prozess begleiten, indem sie zum einen die theoretische Grundlegung für die Gestaltung lernförderlicher Arbeit leistet und zum anderen auch an der praktischen Entwicklung, Gestaltung und Optimierung von betrieblichen Organisationsstrukturen mitwirkt. Die Gestaltung und die Erforschung lernförderlicher Arbeit müsste mit Blick auf die Herstellung sozialer Gerechtigkeit in der Weiterbildung im Wesentlichen fallbezogen erfolgen, da sowohl die individuellen Weiterbildungsvoraussetzungen der Lernenden als auch die betrieblichen und institutionellen Kontextbedingungen jeweils unterschiedlich sind.

Zur Finanzierung betrieblicher Weiterbildung wird auf tariflicher Ebene die Einrichtung von Weiterbildungsfonds vorgeschlagen (vgl. JAICH 2009). Dieses Instrument, das beispielsweise in Frankreich existiert, soll der einzelbetrieblichen Finanzierung von beruflicher Weiterbildung begegnen, die als Hemmnis für eine erhöhte Weiterbildungsbeteiligung angesehen wird. Durch die Einrichtung von Weiterbildungsfonds würde der Engpass einzelbetrieblicher Finanzierung – der aus der kurzfristigen betrieblichen Kosten-/Nutzen-Erwartung von Weiterbildung resultiert – zugunsten einer unternehmensübergreifenden Finanzierung aufgelöst. Insbesondere Branchenfonds auf regionaler Ebene werden als effiziente Lösung angesehen, um jeweils an die spezifischen Bedürfnisse einer Branche angepasste Regelungen zu realisieren. Solche tariflichen Regelungen zur Weiterbildung liegen bereits für verschiedene Branchen vor. Eine offene Frage – sowohl für die politische Gestaltung als auch aus wissenschaftlicher Sicht – bleibt jedoch, wie Tarifverträge ausgestaltet sein, damit sie wirkungsvoll Zugänge zu Weiterbildung schaffen und zur sozialen Gerechtigkeit beitragen.

Jenseits tariflicher Regelungen gibt es des Weiteren auf Unternehmensebene betriebliche Regelungen z.B. durch Betriebsvereinbarungen, die Fragen der Weiterbildung regeln und zur Verbesserung von Zugängen zu Weiterbildung beitragen sollen (vgl. BUSSE/ HEIDEMANN 2005; BUSSE/ SEIFERT 2009). Dabei ist jedoch die tatsächliche Wirkung solcher betrieblicher Regelungen unerforscht. Dies gilt gegenwärtig auch für die Sozialpartner-Richtlinie "weiter bilden" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Aus bildungspolitischer Perspektive wäre hier eine formative wissenschaftlich Begleitforschung angemessen.

In der Gestaltung von Weiterbildungsangeboten gilt es Bedarfsorientierung und die Anerkennung der Heterogenität der Zielgruppen bezogen auf die unterschiedlichen Determinanten wie Bildungsstand, Geschlecht, Ethnie usw. zu berücksichtigen. Bestehende gesetzliche Regelungen wie etwa das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) setzen bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus. Dies führt dazu, dass Qualifikationen unterhalb der Aufstiegsfortbildung nicht gefördert werden, und damit Berufsgruppen, die keine Berufsausbildung durchlaufen haben, ausgeschlossen werden. Insofern sollte bei tariflichen oder betrieblichen Aktivitäten zur Förderung benachteiligter Gruppen darauf geachtet werden, dass nicht nur der formale Zugang offen steht, sondern dass die spezifischen Belange und Interessen einzelner Gruppen einer Weiterbildungsteilnahme nicht im Wege stehen. So ist zu berücksichtigen, dass für bestimmte Gruppen (z.B. Alleinerziehende) spezifische Formen der Weiterbildung entwickelt und angeboten werden (z.B. auch eher betriebsinterne Schulungen statt externer Seminare).

Während sich in der Schulpädagogik bereits unterschiedliche Konzepte zum Umgang mit Heterogenität herausgebildet haben (vgl. u.a. PRENGEL 2006), ist hier für die Weiterbildung eine Forschungslücke zu konstatieren. Handlungs- und Forschungsbedarf besteht damit letztlich insgesamt zu dem Problem, wie Zugangsmöglichkeiten von bisher benachteiligten Gruppen verbessert werden können. Dabei sind vor allem Fragen des Umgangs mit der Heterogenität der potenziellen Weiterbildungsteilnehmer zu berücksichtigen. Die Frage des Zugangs zu Weiterbildung ist zentral und kann zusammenfassend in weitere Forschungsfragen gegliedert werden: Es ist zu fragen, welcher Weiterbildungsformen und -inhalte es für eine Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten benachteiligter Gruppen bedarf. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Daten besteht eine zentrale Aufgabe der Weiterbildungswissenschaft auch darin, die Teilnahmemöglichkeiten an formellen und informellen Lernkontexten differenziert nach Lebensphasen und Lebenslagen wahrzunehmen sowie Lernarrangements zielgruppenspezifisch zu konzipieren (vgl. ILLER 2008, 68). Insbesondere für Migranten stellt sich diese Frage in besonderer Weise. Bezüglich der Teilnahme von Migranten an Weiterbildung ist die Datenlage dürftig (vgl. BILGER 2006, 23), vor allem Forschungen zum informellen und selbstorganisierten Lernen von Migranten stehen noch aus (BRÜNING 2006, 53). Es ist anzunehmen, dass weitere quantitative Studien zwar einerseits das Ausmaß der Benachteiligung stärker verdeutlichen würden, andererseits aber auch ein differenzierteres Bild zeigen könnten.

4.3 Perspektiven auf der individuellen Ebene

Auf der Mikroebene kommt in der Weiterbildungsforschung als erziehungswissenschaftlicher Teildisziplin dem lernenden Subjekt ein besonderer Stellenwert zu. Für die Weiterbildungsforschung und -praxis ergibt sich die Herausforderung, eine Differenzierung einzelner Gruppen und Milieus hinsichtlich ihres Weiterbildungsverhaltens, der vorliegenden Bildungsbiographien und der potenziellen Entwicklungsperspektiven vorzunehmen sowie teilnehmer- und zielgruppenorientierter Konzepte und Angebote zu entwickeln. Dabei ist es notwendig, dass Ungleichheitstendenzen unter Berücksichtigung differenter Lebenslagen und Lebenssituationen diskutiert werden, so dass Chancengleichheit in der Förderung hergestellt wird, ohne dabei die bestehenden individuellen Unterschiede zu egalisieren. Im Rahmen einer explizit berufsorientierten Biographieforschung sind insofern die Bedingungen, Voraussetzungen und auch Begrenzungen individueller Kompetenzentwicklung in der beruflichen und in der betrieblichen Weiterbildung zu ermitteln. Zu fragen wäre danach, wie Individuen im Kontext des lebenslangen Lernens und moderner Beruflichkeit den Zwang zur individuellen „Berufsnavigation“ und die damit einhergehenden Zumutungen bewältigen und welche Unterstützungsformen – auch hier im Sinne von Beratung und Begleitung – dafür entwickelt werden können.

Im Zuge der innovativen Gestaltung von Weiterbildungsstrukturen, die sozialer Segmentierung und sozialer Ungleichheit entgegenwirken, kommt der unterstützenden Funktion von Beratung und Begleitung insgesamt eine besondere Rolle zu, die damit ihrerseits ein potenzielles Forschungsfeld darstellt. An dieser Stelle ergibt sich wiederum Forschungsbedarf, denn es ist offen, welche Unterstützungsstrukturen für die Stärkung der Individuen angemessen sind und wie diese Strukturen für unterschiedliche Zielgruppen ausgestaltet sein müssten. Dabei ist auch der Frage nachzugehen, wie betriebliche und überbetriebliche Ebene von Beratung zusammenwirken können und sollen. Die Berufsbildungsforschung hätte damit u.a. die Aufgabe, aus einer spezifisch subjektorientierten Perspektive theoretisch fundierte Konzepte für die Beratung und Begleitung in Lernprozessen zu entwickeln, die sowohl theoretische als auch bildungs- und sozialpolitische sowie psychologische Aspekte einschließt.

 


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Der Beitrag basiert auf einer Studie, die die Autorinnen zusammen mit Uwe Elsholz (TU Hamburg-Harburg) für die Hans-Böckler-Stiftung erarbeitet haben. Sie ist als HBS-Arbeitspapier 191 veröffentlicht.

 

Zitieren dieses Beitrages

GILLEN J.  / MEYER R.  (2010): Selektionsmechanismen in der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung – Forschungsstand und Handlungsbedarfe. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 19.  Online: www.bwpat.de/ausgabe19/gillen_meyer_bwpat19.pdf (20-12-2010). 

 

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