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bwp@ Ausgabe Nr. 19 | Dezember 2010
Berufliche Weiterbildung
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 19 sind Karin Büchter, Rita Meyer & Franz Gramlinger

Berufliche Weiterbildung und Geschäftsmodelle des nachhaltigen Wirtschaftens

Beitrag von Tobias SCHLÖMER (Universität Oldenburg)

Abstract

Die Gestaltung zukunftsfähiger Wirtschaftsstile stellt die zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts dar. In fast allen Branchen finden sich inzwischen überzeugende Beispiele für ökologisch und sozial verantwortliches Wirtschaften: Die Ausrichtung auf „grüne“ Geschäftsfelder, Kostenreduktionen durch Rohstoff- und Materialeffizienz oder die Übernahme sozialer Verantwortung sind längst zu zentralen Unternehmensstrategien geworden. Für die Umsetzung dieser nachhaltigkeitsorientierten Geschäftsmodelle übernimmt die berufliche Weiterbildung eine wichtige Qualifizierungsfunktion, genauer gesagt stützt sie die Entwicklung betrieblicher Performanzfelder des nachhaltigen Wirtschaftens. Für die Mitarbeiter/innen eröffnen die Geschäftsmodelle schließlich viel versprechende berufliche Perspektiven und Entwicklungschancen, wie sie beispielsweise die Umweltleitmärkte der erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz oder der nachhaltigen Mobilität bieten. Auf die daraus resultierenden Kompetenzbedarfe sollten Lehr-Lernkonzepte einer nachhaltigkeitsorientierten Weiterbildung ausgerichtet sein. Dabei ergibt sich ein Spannungsfeld, das sich von situativen Lernkonzepten wie dem Job-Rotation-Ansatz, dem Lernen im Arbeitsprozess, dem Projektlernen oder dem Einsatz von Erkundungen bis hin zu eher systematischen Konzepten wie E-Learning, Seminare und Schulungen spannt. Im Beitrag wird ein Referenzmodell vorgestellt, das die Umsetzung beruflicher Weiterbildung in Lehr-Lernkonzepten und beruflichen Handlungsfeldern mit betrieblichen Performanzfeldern und Kompetenzbedarfen nachhaltigen Wirtschaftens verzahnt und Empfehlungen bereithält. Das Modell basiert auf theoretischen und empirischen Explorationen am Beispiel der Kunststoffrohrindustrie.


Professional further education and training and business models of sustainable development

The central challenge of the 21st century is the creation of economic styles that are viable for the future. In almost all sectors there are now convincing examples of ecologically and socially responsible development: the focus on ‘green’ areas of business, cost reductions through raw material and material efficiency or the taking on of social responsibility have long been central company strategies. Professional further education and training takes on an important qualification function for the implementation of these sustainably oriented business models; to be precise it supports the development of in-company performance areas of sustainable development. For the employees the business models open up promising professional prospects and development opportunities, such as for example those offered by the leading markets in renewable energies, energy efficiencies or sustainable mobility. Teaching and learning concepts of sustainably oriented further education and training should be oriented towards the resulting demands for competence. Here a tension emerges, which stretches from situative learning concepts such as the job rotation approach, learning in the process of work, project learning or the use of investigations to rather more systematic concepts such as e-learning, seminars and courses. The paper presents a reference model which dovetails the implementation of professional further education and training in teaching and learning concepts and professional fields of action with in-company performance fields and demands for competence in sustainable development, and offers recommendations. The model is based on theoretical and empirical explorations using the example of the plastic pipe industry.

1 Zukunftsorientierung in der beruflichen Weiterbildung

Mit Blick auf Praxis und Forschung der Weiterbildung wird recht schnell deutlich, dass sich dieser sehr heterogene und weitreichende Herausforderungen stellen, die insbesondere mit dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturwandel zusammenhängen (vgl. SCHIERSMANN 2007, 16ff.; TIPPELT/ HIPPEL 2010, 12ff.): So soll die Erwachsenen- und Weiterbildung sich Programmen des lebenslangen Lernens verschreiben, der steigenden Wissensintensität in der Erwerbsarbeit gerecht werden, sich orientieren an globalisierten Wertschöpfungsketten und für die Dienstleistungsgesellschaft qualifizieren, sich ausrichten an den Erfordernissen prozessorientierter Betriebs- und Arbeitsorganisationen, ihre Sozialisierungsaufgabe angesichts von Wertewandel, kultureller Diversität und Ansprüchen auf Chancengleich neu denken sowie Antworten finden zur demografischen Entwicklung bzw. zu alternden Belegschaften.

Für die Weiterbildung stellen diese häufig als Megatrends bezeichneten Entwicklungen zweifelsohne wichtige Referenzpunkte dar. Gleichwohl lassen sich mit Ihnen nur bedingt zukunftsfähige Leitbilder, Angebote und Lernkonzepte einer beruflichen Weiterbildung gestalten. So blieb die Gestaltung ökonomisch, ökologisch und sozial verantwortlicher Wirtschaftsstile als eines der zentralen Probleme des 21. Jahrhunderts bisher weitestgehend unberücksichtigt. Zwar wird die Notwendigkeit und Konzeptionierung einer nachhaltigkeitsorientierten Weiterbildung punktuell skizziert (vgl. hierzu u. a. APEL 2007; KANDLER/ TIPPELT 2010; SCHÜßLER 2007) und vereinzelt werden diese auch angeboten, von einer breitflächigen Akzeptanz in der Praxis und einer lebhaften Theoriediskussion zu einer beruflichen Weiterbildung für nachhaltiges Wirtschaften kann gleichwohl kaum die Rede sein.

Erfolge sind am ehesten im hochschulischen Bereich zu verzeichnen. Hier sind Studiengänge an deutschen Universitäten integriert und akkreditiert worden, die zukünftige Führungskräfte für die strategischen Aufgaben des Nachhaltigkeitsmanagements in Unternehmen qualifizieren. Entstanden sind sowohl grundständige Studiengänge, wie beispielsweise der Sustainability Management-Master-Studiengang an der Universität Oldenburg (vgl. SIEBENHÜNER/ MÜLLER 2006), als auch nachhaltigkeitsorientierte MBA-Programme für berufstätige Führungskräfte, beispielsweise an der Universität Lüneburg (vgl. SCHALTEGGER/ KALISCH 2006). Auch branchenspezifische Weiterbildungsangebote sind in verstärktem Maße vorzufinden, hauptsächlich für die Sektoren der erneuerbaren Energien (vgl. z. B. für die Windbranche: KÄRN/ SCHWARZER 2010).

Unterhalb der hochschulischen Weiterbildungsebene sind nachhaltigkeitsorientierte Angebote primär zum Erwerb von Zusatzqualifikationen in gewerblich-technischen Berufsausbildungen und berufsbegleitende Fortbildungen zu nennen. Letztere qualifizieren beispielsweise zur Fachkraft für Solartechnik oder zur Fachkraft für Recycling (vgl. DASSLER 2006, 67ff.; JANßEN 2010). Im kaufmännischen Bereich findet sich mit dem Fortbildungsgang zum Fachberater bzw. zur Fachberaterin für nachhaltiges Wirtschaften eines der wenigen Weiterbildungsangebote, das im Praxisverbund und unter wissenschaftlicher Begleitung erforscht wurde. Hierbei handelt es sich jedoch auch um eine Zusatzqualifizierung, die in die curricularen Strukturen der Fachschule Wirtschaft integriert werden kann, einer Schulform, die an den Berufskollegs angeboten wird und zumeist in Teilzeitform zum Abschluss „staatlich geprüfte/r Betriebswirt/in“ führt (vgl. TIEMEYER et al. 2004, 55).

Neben der geringen quantitativen Verbreitung ergibt sich ein weiteres qualitatives Problemfeld: Die vorliegenden Argumentationen rekurrieren primär auf Modelle aus der Allgemeinpädagogik und insbesondere der politischen Bildung. Eine derart konzipierte Weiterbildung bezieht sich damit in erster Linie auf die Motivierung und Befähigung zur Teilhabe von Erwachsenen als Bürger/innen an gesellschaftlichen Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit, wie z. B. durch die Mitwirkung an kommunalen Agenda 21-Vorhaben.

Analytisch betrachtet kann und sollte die berufliche Weiterbildung jedoch eine sehr viel weitergehende Funktion übernehmen, indem sie die individuelle und organisationale Kompetenzentwicklung für nachhaltiges Wirtschaften zentral unterstützt. Für Betriebe liegt die Notwendigkeit einer nachhaltigkeitsorientierten Qualifizierung auf der Hand: In fast allen Branchen erschließen Unternehmen mit ihren Mitarbeiter(inne)n „grüne“ Geschäftsfelder und realisieren Kostenreduktionspotentiale durch Rohstoff- und Materialeffizienz. Auch die Übernahme sozialer Verantwortung ist gerade in sensitiven Märkten, wie z. B. in der Chemie-, Textil- oder Automobilindustrie zu einer notwendigen Bedingung für die Unternehmensplanung geworden. Auch makroökonomisch wird sichtbar, dass Nachhaltigkeit in ökologisch und sozial verantwortlichen Wertschöpfungsnetzwerken (z. B. im ökologischen Bauen) bereits durch schnittstellenübergreifende Zusammenarbeit gestaltet wird. Für die beruflich Handelnden selbst eröffnen Geschäftsmodelle für nachhaltiges Wirtschaften schließlich viel versprechende berufliche Perspektiven und Entwicklungschancen, wie sie beispielsweise die Umweltleitmärkte der erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz oder der nachhaltigen Mobilität bieten.

Der folgende Beitrag nimmt die Chancen und Bedarfe einer Programmatik der beruflichen Weiterbildung für nachhaltiges Wirtschaften kritisch-konstruktiv auf. Dabei wird Bezug auf eine Studie zu beruflichen Handlungsfeldern und Kompetenzen für nachhaltiges Wirtschaften genommen, in der vier Grundsatzfragen sowohl theoriegeleitet als auch empirisch-explorativ behandelt wurden (vgl. im Folgenden SCHLÖMER 2009). Demnach wird erstens geklärt, für welche betrieblichen Geschäftsmodelle bzw. Performanzen des nachhaltigen Wirtschaftens überhaupt eine berufliche Weiterbildung unterstützend wirkt. Zweitens wird auf einer sozialtheoretischen Folie dargelegt, auf welche beruflichen Handlungsfelder die Weiterbildung bezogen werden könnte. Daran anknüpfend wird drittens aus Sicht einer konstruktivistischen Lerntheorie diskutiert, welche konkreten Lernangebote zielführend sein könnten. Abschließend wird sowohl für exemplarische Mitarbeiter/innen-Gruppen als auch verallgemeinert skizziert, an welchen Kompetenzen eine berufliche Weiterbildung für nachhaltiges Wirtschaften auszurichten wäre. Der Beitrag schließt perspektivisch mit Empfehlungen für die Etablierung der dargelegten Konzeptionen sowohl in die formellen wie informellen Lehr-Lernprozesse als auch in die entsprechenden Strukturen von Bildungsplanung und -politik. Zunächst soll einleitend das Forschungsdesign der diesem Beitrag zu Grunde gelegten Studie vorgestellt werden.


2 Forschungsdesign

2.1 Untersuchungsablauf

Ausgangspunkt der Studie sind die vier eingangs genannten Forschungsdesiderata, die zunächst in theoretischen Explorationen bearbeitet wurden (vgl. ausführlicher SCHLÖMER 2009, 109ff.). Im Ergebnis liegt ein Entwurf für ein Referenzmodell zu beruflichen Handlungsfeldern und Kompetenzen für nachhaltiges Wirtschaften vor, welches den Desiderata entsprechend vier Dimensionen ausweist. Dieser Entwurf des Referenzmodells wurde in empirische Explorationen überführt, um es in einer Fallstudie zu überprüfen, auszudifferenzieren und zu modifizieren (vgl. Abbildung 1).

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Abb. 1: Untersuchungsdesign der vorliegenden Studie

Ein erster Schwerpunkt der Studie liegt folglich in der theoriegeleiteten Analyse der vier skizzierten Forschungsfelder (theoretisch-konzeptionelle Explorationen). Zunächst wurden betriebswirtschaftliche Theorien zum nachhaltigen Wirtschaften in den Blick genommen, um ökologisch und sozial relevante Unternehmensleistungen ermitteln zu können. Dabei wurden sowohl analytische Verfahren betrachtet, mit denen sich ökologische und soziale Leistungen von Unternehmen identifizieren und bewerten lassen als auch fachspezifische Konzepte und Instrumente zum Nachhaltigkeitsmanagement. Im Ergebnis dieses ersten Analyseschritts wurden theoretisch verallgemeinerte Geschäftsmodelle von Industriebetrieben und damit zugleich Ausprägungen gesamtunternehmerischer Nachhaltigkeitsleistungen vorgestellt. Daraus sollten schließlich diejenigen Unternehmensleistungen selektiert werden, deren Erfolg kompetentes Handeln der Unternehmensmitglieder bedingt. Es wird dazu eine sozialtheoretische Perspektive auf solche berufliche Handlungsfelder entfaltet, in denen Nachhaltigkeit eine sinngebende Bedeutung hat. Konkret wird ein prozessorientiertes Verfahren vorgestellt, das zur Beschreibung der Interaktionen bzw. der aufeinanderbezogenen Handlungen in nachhaltigkeitsorientierten Sozialsystemen dient. Weiterführend wurden Konzepte des betrieblichen Lernens aus der Perspektive einer konstruktivistischen Lerntheorie zusammengetragen und hinsichtlich ihrer Lernförderlichkeit für nachhaltiges Handeln bewertet. Abschließend gilt es zu entscheiden, welches Kompetenzmodell sich aus den Beschreibungen nachhaltigen Handelns als theoretisch anschlussfähig erschließen lässt.

Neben dieser theoriegeleiteten Analyse liegt ein zweiter Schwerpunkt der Studie in der Durchführung einer empirischen Studie zum nachhaltigkeitsorientierten Handeln in Beruf und Arbeit und zur Entwicklung beruflicher Handlungskompetenzen. Zunächst wurden dazu das Geschäftsmodell eines Fallstudienunternehmens und die Ausprägungen nachhaltigen Wirtschaftens im Unternehmensumfeld erforscht. Insbesondere geht es darum, die Bedeutung von Umwelt- und Sozialproblemen für das Fallstudienunternehmen zu ermitteln, um dadurch eine Beschreibung unternehmerischer Nachhaltigkeitsleistungen zu erhalten. Hierzu wurden betriebliche und überbetriebliche Explorationen durchgeführt. Im weiteren Verlauf werden diese Nachhaltigkeitsleistungen einzelnen Handlungssystemen des Fallstudienunternehmens zugeordnet, um dadurch berufliche Handlungsfelder zum nachhaltigen Wirtschaften identifizieren zu können. Danach erfolgte schließlich die Analyse der beruflichen Handlungsfelder hinsichtlich der Mitgestaltungsmöglichkeiten einzelner Mitarbeiter/innen-Gruppen. Die dadurch ermittelten Nachhaltigkeitshandlungen stellten dann die Grundlage dar, um Rückschlüsse auf die angeforderten Kompetenzen der Mitarbeiter/innen ziehen zu können. In dem Zusammenhang wurde ebenfalls die Beförderung dieser Kompetenzen im betrieblichen Lernen untersucht.

2.2  Fallauswahl und Fallbeschreibung

Für die Durchführung der empirischen Explorationen erfolgte eine kriteriengeleitete und damit systematische Fallauswahl eines Industriebetriebs. Als erstes diente das Kriterium der „Nachhaltigkeit im Absatzmarkt“ als Filter, um die Fallauswahl zunächst auf solche Branchen zu reduzieren, die relevante Beiträge zur Lösung ökologischer und sozialer Probleme leisten können. Im Anschluss daran wurde dann das Kriterium „Nachhaltigkeit im Kundenangebot“ angelegt, um zu prüfen, inwieweit die vorausgewählten Betriebe Güter und Dienstleistungen anbieten, die ökologisch und sozial zukunftsfähige Konsum- und Lebensstile initiieren. Schließlich wurde dann im Auswahlprozess überprüft, inwiefern ökologische und soziale Aspekte in der Leistungserstellung sowie soziale Verantwortung im Geschäftsmodell eine Rolle spielen. Danach wurden bildungsrelevante Kategorien herangezogen, um die Arbeitsbereiche nach Domänen zu klassifizieren und die Ausbildungsberufe sowie die betrieblichen wie außerbetrieblichen Lernkonzepte der Aus- und Weiterbildung vergleichen zu können. Im Ergebnis konnte schließlich ein industrieller Hersteller von Kunststoffrohrsystemen gewonnen werden.

Das Fallstudienunternehmen Plastpipe GmbH[1] ist ein Tochterunternehmen eines international tätigen Konzerns, der mit 5.100 Mitarbeiter(inne)n und einem Jahresumsatz von 950 Mio. € zu den führenden Herstellern von Kunststoffrohrsystemen zählt. Die Plastpipe GmbH beschäftigt ca. 420 Mitarbeiter/innen und erwirtschaftete im Jahr 2008 einen Umsatz von ca. 200 Mio. €. Die Produktpalette umfasst Systeme für die Anwendungsbereiche des Tiefbaus und der Gebäudetechnik, die beide eine hohe ökologische Bedeutung haben. So verlangt der Klimawandel nach neuen technisch- infrastrukturellen Lösungen und sozialen Nutzungsverhalten bei der Energie- und Trinkwasserversorgung, der Abwasserentsorgung, der energieeffizienten Heizungsausstattung in Gebäuden, der Gebäudeentwässerung, der Dachentwässerung sowie der Regenwasserbewirtschaftung. Das Fallstudienunternehmen hat sich mit Produkten wie z. B. energieeffizienten Flächenheizkühlsystemen, grabenlosen Rohrsanierungsverfahren oder Regenwassernutzungs- und -versickerungssystemen entsprechend positioniert. Weiterhin zeichnet sich Plastpipe als ein Vorreiter bei der Material- und Ressourceneffizienz in der Herstellung sowie der gesamten Lebenszyklusverantwortung aus. Aus betriebspädagogischer Perspektive ist Plastpipe als Exempel zu bezeichnen, weil es sowohl situationsbezogene Lernkonzepten wie Job Rotation, Umweltzirkel und Projektarbeit, systematische Konzepte wie Hersteller- und Verkaufsschulungen als auch Mischformen des arbeitsbegleitenden und arbeitsgesteuerten Lernens anbietet.

2.3 Erhebungsinstrumente und Auswertungsverfahren

Um die individuellen Vorstellungen der Unternehmensmitglieder und der überbetrieblichen Fachexpert(inn)en zu den vier Forschungsdesiderata der Studie erfassen zu können, wurde das Leitfaden- und Experteninterview als angemessene Methode eingesetzt. Die Auswahl der Interviewpartner/innen ist an den Erkenntnisinteressen der Studie ausgerichtet und folgte einer Samplingmethode. Im Sinne einer empirischen Absicherung der erhobenen Expert(innen)-Aussagen wurde durch eine Dokumentenanalyse ein zweiter Zugang zum Untersuchungsgegenstand gelegt (Methoden-Triangulation). Die empirische Erhebung ist in der vorliegenden Studie in drei Phasen strukturiert, in denen insgesamt 17 Interviews durchgeführt wurden.

Zielsetzung der ersten Empiriephase ist es, die Auslegung und die Umsetzung der Leitidee von nachhaltigem Wirtschaften im Fallstudienunternehmen sowie eine Einordnung des gesamtgesellschaftlichen Beitrags der Unternehmensleistung zur Lösung von Nachhaltigkeitsproblematiken zu erheben. Dazu wurden ein Mitglied der Geschäftsleitung und der Nachhaltigkeitsbeauftragte des Fallstudienunternehmens sowie zwei außerbetriebliche Fachexperten aus dem Bereich der Forschung im Bauwesen als Interviewpartner/innen ermittelt.

In der zweiten Empiriephase stehen die Konzepte der Personalentwicklung des Fallstudienunternehmens im Fokus. Erhoben werden sollte, wie die Unternehmensausrichtung auf nachhaltiges Wirtschaften in die Anleitung betrieblichen Lernens einfließt. Daher wurden Mitglieder des Personalwesens (n=3) befragt. Da die Konzepte der Personalentwicklung zugleich orientiert sind an gesamtunternehmerischen Zusammenhängen und in die unterschiedlichen beruflichen Domänen im Fallstudienunternehmen überführt werden, lassen sich über diese Befragungen auch konkrete Aussagen zur strategischen Bedeutung von betrieblicher Personalentwicklung für die Nachhaltigkeitsaktivitäten im Fallstudienunternehmen einholen.

Schließlich stehen in der dritten Erhebungsphase konkrete berufliche Handlungsbereiche im Mittelpunkt. Hier galt es, die forschungsleitenden Fragen der Studie in die Erhebung einzubringen. So sollten Aussagen zur Mitgestaltung einzelner Berufs- bzw. Mitarbeiter/innen-Gruppen am nachhaltigen Wirtschaften, zu den dabei abgerufenen Kompetenzen sowie zur Kompetenzförderlichkeit betrieblicher Lernangebote gewonnen werden. Es wurden dazu insgesamt 10 Interviews mit absichtsvoll ausgewählten Mitarbeiter(inne)n auf mittlerer Leitungsebene und ausführender Ebene aus den Bereichen Vertrieb, technischer Kundendienst, Produktion, Fertigungslogistik und Lagerlogistik geführt. Das Sampling orientierte sich dabei an den Ergebnissen der ersten beiden Empiriephasen, in der die für nachhaltiges Wirtschaften erfolgskritischen Geschäftsprozesse identifiziert wurden, welche zugleich auf relevante Handlungsfelder verweisen.

Das aus den Interviews und den Dokumenten gewonnene Textmaterial wurde schließlich einer kategorialen Inhaltsanalyse zugeführt, um die Ergebnisse zusammenzufassen und strukturieren zu können. In der strukturierenden Inhaltsanalyse wurde der Modellentwurf aufgegriffen, der im Zuge der theoretischen Explorationen entwickelt wurde. Mit dem Abschluss der empirischen Explorationen wurde folglich ein Referenzmodell konstruiert und ausdifferenziert, das die theoretischen Vorannahmen aufnimmt und reflektiert. Die vier tragenden Dimensionen des Referenzmodells für berufliches Handeln und Kompetenzen für nachhaltiges Wirtschaften werden im Folgenden vorgestellt. Dabei werden primär die Implikationen für die berufliche Weiterbildung abgeleitet.

3 Programmatik einer beruflichen Weiterbildung für nachhaltiges Wirtschaften

3.1 Referenzmodell zur Beschreibung und Analyse von beruflichem Handeln und Kompetenzen für nachhaltiges Wirtschaften

Die Ausgangslage des Referenzmodells ist durch zwei miteinander zu verknüpfende Perspektiven gekennzeichnet, die einerseits die Unternehmung bzw. die Organisation als soziales System und andererseits die Kompetenzen der Mitglieder des sozialen Systems abbilden (vgl. SCHLÖMER 2009, 33ff.). Verknüpfen lassen sich diese beiden Perspektiven im Modell in Form von zwei Ebenen (vgl. Abbildung 2): Auf einer Ergebnisebene lassen sich grundsätzliche Zusammenhänge zwischen der Nachhaltigkeitsleistung eines sozialen Systems „Unternehmen“ und den Kompetenzen der Systemmitglieder – also den Mitarbeiter(inne)n – darstellen. Folglich kann festgelegt werden, welche Ziele nachhaltigen Wirtschaftens das Unternehmen verfolgt und welchen Stellenwert mitarbeiterbezogenen Kompetenzen in diesem Zusammenhang beigemessen wird. Die Entwicklung der individuellen Kompetenzen sowie die Ausdifferenzierung der in sozialen Systemen ablaufenden Handlungen und Kommunikation wird auf einer Handlungs- und Lernebene abgebildet. An Beruf und Arbeit gekoppelt kann hier beschrieben werden, mit welchen Lernkonzepten die Mitglieder sozialer Systeme eingebunden und befähigt werden, individuelle Beiträge zur Unternehmensperformanz nachhaltigen Wirtschaftens zu erbringen.

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Abb. 2:   Dimensionen im Modellentwurf zu beruflichem Handeln und Kompetenzen für nachhaltiges Wirtschaften

 Zu beachten gilt es, dass mit dem Übergang von den Beschreibungen der Interaktionen in sozialen Systemen zu Beschreibungen kognitiver Lernprozesse ein anderes Verständnis des Handelns zugrunde zu legen ist (vgl. HEJL 1992, 195). So bilden Individuen im aufeinander bezogenen Handeln ein gemeinsames Verständnis bzw. eine gemeinsam geteilte Vorstellung von der Wirklichkeit aus. Beispielsweise entwickeln Teams, die in der betrieblichen Produktion arbeiten, eine gemeinsame Vorstellung darüber aus, wie sie die Materialausschussquote senken können. Die Ausbildung solcher gemeinsam geteilter Vorstellungen beruht auf so genannten synreferenziellen Handlungen (vgl. HEJL 1994, 113). Die synreferenziellen Handlungen bilden wichtige Bezugspunkte, um soziale Systeme beschreiben zu können. Sollen schließlich die kognitiven Prozesse der Systemmitglieder, also die Ausbildung der individuellen Vorstellungen über die Wirklichkeit analysiert werden, z. B. darüber wie Produktionsprozesse effizient zu gestalten seien, sind selbstreferenzielle Handlungen als Referenz heranzuziehen. Auf dieses unterschiedliche Handlungsverständnis ist im Zuge der Beschreibung des beruflichen Handelns und des Lernens im Kontext nachhaltigen Wirtschaftens explizit einzugehen.

Über die zwei Ebenen können die beiden Sichtweisen des Individuums und der Organisation folglich miteinander verknüpft werden. Neben dieser horizontalen Verzahnung der Perspektiven im Modell sind auch die beiden Ebenen nicht losgelöst voneinander zu betrachten. Stattdessen stehen sie innerhalb des Modells vertikal betrachtet in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander: Die Ergebnisebene stellt für die Handlungsebene systemrelevante Ziele und Sinnkriterien zur Verfügung und verdeutlicht so, woran die Systemmitglieder ihr Handeln und ihre Kommunikation ausrichten (sollten). Ebenso markiert die Ergebnisebene, welche Kompetenzen zu befördern sind und welche Nachhaltigkeitsleistungen in der Gesamtorganisation erbracht werden sollen. Die Handlungsebene aktualisiert schließlich die Ergebnisebene, da sowohl Systemleistungen nachhaltigen Wirtschaftens als auch Kompetenzen befördert bzw. vorhandene weiterentwickelt werden. Ausdifferenzieren lassen sich die Verknüpfung der Perspektiven und der Ebenen durch den Ausweis von vier Dimensionen im Referenzmodell: Die Performanzen für nachhaltiges Wirtschaften (Performanzdimension), welche die organisationale Leistung eines sozialen Systems darstellen, und die Kompetenzen der Mitarbeiter/innen als individuelles Potential eines sozialen Systems (Kompetenzdimension) lassen sich über eine sozialtheoretische Analyse der Felder beruflichen Handelns (Handlungsdimension) und der betrieblichen Lernkonzepte (Lerndimension) – also über den Weg einer Handlungs- und Lernebene – im Referenzmodell verknüpfen. Werden die vier Dimensionen auf ein konkretes Sozialsystem „Unternehmen“ angewandt, kann jeweils systemspezifisch geklärt werden, welche Ausprägungen auf der Ergebnisebene im Referenzmodell vorzufinden sind. Die vier Dimensionen werden im Folgenden jeweils mit Bezug auf die empirischen Explorationen im Fallstudienunternehmen und mit Fokus auf die berufliche Weiterbildung vorgestellt.

3.2 Performanzen von Geschäftsmodellen für nachhaltiges Wirtschaften

Die theoretischen Explorationen haben zu einem Verfahrensvorschlag der Analyse und Beschreibung von Referenzpunkten einer nachhaltigkeitsorientierten betrieblichen Aus- und Weiterbildung geführt. Der Verfahrensvorschlag wurde zur Ausgestaltung der Performanzdimension im Entwurf des Referenzmodells aus betriebswirtschaftlichen Ansätzen und Konzepten gewonnen. Mit den drei Schritten des Vorschlags lässt sich prinzipiell für jedes Unternehmen darstellen, welche Relevanz bestimmte Umwelt- und Sozialprobleme für dessen Geschäftsmodell haben. Aus der Problemanalyse kann ungeachtet des Befundes, ob es sich um eine besonders starke oder nur schwach ausgeprägte Nachhaltigkeitsrelevanz bei dem jeweils betrachteten Unternehmen handelt, ein betriebsspezifisches Geschäftsmodell für nachhaltiges Wirtschaften formuliert werden. So kann also nicht nur die Nachhaltigkeitsperformanz von Best Practice-Beispielen ausgewiesen werden, wie sie z. B. Bio-Hotels, Car-Sharing-Anbieter/innen oder Öko-Strom-Produzent(inn)en repräsentieren, die in ihren spezifischen Nischenmärkten die Leitidee der Nachhaltigkeit als wichtigste Geschäftsgrundlage realisieren. Es kann vielmehr auch für Unternehmen, die in konventionellen Märkten vertreten sind, aufgezeigt werden, welches Umwelt- und Sozialproblem eine Initialzündung sein könnte, um einen so genannten Business Case for Sustainability (oder zu deutsch: Geschäftsfall) zu formulieren und daraus schließlich organisationale Handlungsfelder abzuleiten.

In den empirischen Explorationen wurden zunächst die Umwelt- und Sozialleistungen des Fallstudienunternehmens Plastpipe GmbH erkundet. Als erstes kann dabei das Produktportfolio als Nachhaltigkeitsleistung beschrieben werden. So haben die Erkundungen im Marktumfeld des Fallstudienunternehmens erbracht, dass Umwelt- und Sozialprobleme für die bauwirtschaftlichen Geschäftsbereiche des Tiefbaus und der Gebäudetechnik eine marktliche Relevanz haben. Konkret sind es hier Umwelt- und Sozialprobleme, die der Klimawandel mit sich bringt und neue infrastrukturelle Erfordernisse notwendig machen. Für das Fallstudienunternehmen eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten der Vermarktung von Rohrsystemen, die primär Produktleistungen aufweisen, die den Umgang mit Klimafolgenproblemen unterstützen (z. B. Systeme zur Regenwasserversickerung) oder die Beiträge zur Abmilderung des Klimawandels erbringen könnten (z. B. energieeffiziente Flächenheiz- und Flächenkühlsysteme). Darüber hinaus bietet das Produktportfolio noch weitere Nachhaltigkeitsleistungen, die vorrangig z. B. zum sozialverträglichen Wohnen und Bauen beitragen.

Als zweite prägnante Nachhaltigkeitsleistung des Fallstudienunternehmens ist die Berücksichtigung von Aspekten der Sicherheit, der Gesundheit und des Umweltschutzes in den Leistungserstellungsprozessen des Fallstudienunternehmens zu nennen. Umweltleistungen entstehen primär durch eine energie- und ressourceneffiziente Herstellung der Rohrsysteme und durch die Recyclingleistungen des Unternehmens. Sozialleistungen zeigen sich konkret in Sicherheitsstandards und einem Gesundheitsmanagementsystem, das gesundheitliche Belastungen der Mitarbeiter/innen sowohl im gewerblich-technischen als auch im kaufmännischen Bereich minimiert und so die Krankheitsquote senkt sowie die Motivation der Belegschaft erhöht.

Als dritte Ausprägung von Nachhaltigkeit ist die soziale Personalpolitik des Fallstudienunternehmens zu nennen, die Sozialleistungen für die eigenen Mitarbeiter/innen erbringt. Konkret setzt sich das Unternehmen für die persönliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter/innen ein und gewährt ihnen eine gerechte Entlohnung. Schließlich kann als vierte Ausprägung einer Nachhaltigkeitsleistung die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung beschrieben werden, die das Unternehmen sowohl in ihrem regionalen Umfeld (z. B. Einbindung von Behindertenwerkstätten in die eigene Leistungserstellung) als auch in globalen Zusammenhängen (finanzielle Unterstützung von Trinkwasserprojekten) zeigt.

Mit den vier identifizierten Ausprägungen eines Business Case for Sustainability scheint eine umfassende Beschreibung von Nachhaltigkeitsleistungen gelungen zu sein. Auch das Verbundprojekt „Globalität und Interkulturalität als integraler Bestandteil beruflicher Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“, das sechs Realfälle analysierte, konnte keine weiteren Nachhaltigkeitsleistungen als Referenz für eine nachhaltigkeitsorientierte Berufsbildung schlussfolgern (vgl. STOMPOROWSKI 2008, 73f.).

Zugleich scheinen die erkundeten Nachhaltigkeitsleistungen typisch für industrielle Hersteller zu sein. Beispielsweise zeigen FICHTER et al. (2007, 65ff.) die geschäftliche Relevanz von Nachhaltigkeitsinnovationen in traditionsreichen Branchen wie dem Maschinenbau, konkret für Hersteller von Werkzeugmaschinen, die eine umweltfreundliche Wiederaufbereitung gebrauchter Maschinen anbieten. Auch für Hersteller in der Automobilwirtschaft zeichnet sich ein Trend der Entwicklung und Vermarktung umweltfreundlicher Fahrzeuge ab, der politisch forciert wird und vor allem auch durch die zunehmende Nachfrage wegen steigender Energiepreise deutlich gestützt wird (vgl. HEYMANN 2008, 67). Ferner lassen sich auch für Handelsunternehmen und Dienstleistungsbetriebe Anlässe für die Generierung nachhaltiger Kundenangebote finden (vgl. PAECH 2007, 90). Die in dieser Arbeit ermittelte unternehmerische Leistung eines ökologisch und sozial relevanten Produktportfolios lässt sich als tragfähige Referenz für die betriebliche Aus- und Weiterbildung benennen.

Auch die zweite Ausprägung im Geschäftsmodell des Fallstudienunternehmens – die Berücksichtigung von Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltschutzaspekten in den betrieblichen Prozessen – deckt sich mit der allgemein vertretenen Vorstellung über nachhaltiges Wirtschaften. So ist die unabhängige Überprüfung und Zertifizierung des Umweltschutzes, des Gesundheitsmanagements und der Sicherheitsstandards in Betrieben inzwischen weit verbreitet (vgl. MÜLLER 2006, 587f.). Besonders die Themen der Ressourcen- und Energieeffizienz werden durch Verfahren zur Bewertung der CO2-Performance betrieblicher  Leistungserstellungsprozesse und damit zur Klimafreundlichkeit von Unternehmen herangezogen.

Schließlich sind auch die soziale Personalpolitik und die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung als dritte und vierte empirisch ermittelte Ausprägung von Nachhaltigkeit im Fallstudienunternehmen anschlussfähig an die Diskussion zum Thema der Corporate Social Responsibility.

Festgehalten werden kann mit Blick auf das erste Forschungsdesiderat, dass die im theoretisch-analytischen Modellentwurf eingenommene Sicht auf Prozesse und Strukturen des nachhaltigen Wirtschaftens und die empirisch ermittelten Umwelt- und Sozialleistungen des Fallstudienunternehmens als generalisierbare Vorstellungen von einem nachhaltig wirtschaftenden Industrieunternehmen potenziell geeignet sind. Ob diese Vorstellungen dem Anspruch gerecht werden, berufliche Bildung an einem zukunftsweisenden Verständnis des Wirtschaftens auszurichten, das sich vom „traditionellen wirtschaftlichen Fortschritts- und Wachstumsmodell loslöst“, kann abschließend nicht beurteilt werden (vgl. FISCHER 2007, 809). Zwar weist die Performanzdimension im Referenzmodell auf ein solches Verständnis deutlich hin, indem nämlich die systemischen Verflechtungen zwischen Unternehmen und deren Umwelten fokussiert werden, letztendlich liegt es aber in den Händen derjenigen, die die abstrakte Leitidee von nachhaltiger Entwicklung entlang des entwickelten Verfahrensvorschlages fallspezifisch interpretieren.

3.3 Berufliche Handlungsfelder zum nachhaltigen Wirtschaften

Aus den Nachhaltigkeitsleistungen lassen sich unternehmerische Handlungsfelder ableiten, anhand derer die organisationale Umsetzung nachhaltigen Wirtschaftens beschrieben werden kann. Damit wird im ausdifferenzierten Referenzmodell der Übergang von der Performanz- zur Handlungsdimension hergestellt.

In den theoretischen Explorationen zur Analyse organisationalen Nachhaltigkeitshandelns wurde eine sozialtheoretische Perspektive eingenommen. Mit dieser Perspektive werden die Sozialsysteme beschrieben, in denen Berufstätige als Systemmitglieder an der Erbringung von Nachhaltigkeitsleistungen mitwirken. Die Systemprozesse lassen sich als synreferenzielle Handlungen bzw. als Interaktionen zwischen den Mitarbeiter(inne)n modellieren und damit detaillierter analysieren. Die theoretisch-explorativen Untersuchungen brachten einen Ansatz hervor, mit dem zunächst ein Unternehmen als Sozialsystem mit seinem Interaktionsmuster bzw. konkret mit seiner Wertschöpfungskette modelliert wird, dann Wertschöpfungskettendiagramme ausweist und schließlich zur Darstellung von Geschäfts- und Arbeitsprozessen führt. Anhand letzterer kann dann analysiert werden, welche Möglichkeiten einzelne Berufsgruppen bzw. Mitarbeiter/innen-Gruppen zur Mitgestaltung von Nachhaltigkeit in ihren Unternehmen haben. Mit dieser Perspektive auf synreferenzielles Nachhaltigkeitshandeln konnte die Handlungsdimension im Entwurf für ein Referenzmodell begründet werden.

In den empirischen Explorationen führte die Operationalisierung der Sichtweise auf synreferenzielles Nachhaltigkeitshandeln zum Ausweis von drei Handlungssystemen, die für die Verwirklichung des Geschäftsmodells für nachhaltiges Wirtschaften wegweisend sind. Die Ausprägung der nachhaltigen Herstellerangebote wird über das Handlungssystem zur Entwicklung und Markteinführung nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen sowie über das Handlungssystem zur Auftragsakquise und Vermarktung des nachhaltigkeitsorientierten Produktportfolios umgesetzt. Die Ziele einer nachhaltigen Leistungserstellung werden vor allem in einem Handlungssystem realisiert, das die Abwicklung der Kundenaufträge zum Gegenstand hat. Mit den drei Handlungssystemen konnten die Unternehmensaktivitäten des nachhaltigen Wirtschaftens auf einer noch abstrakten Ebene der arbeitsbereichsübergreifenden Zusammenarbeit mit den einzelnen Aufgaben und den involvierten Handlungsbereichen abgebildet werden. Die Umsetzung der zwei Ausprägungen des Geschäftsmodells, die auf eine soziale Personalpolitik und ein gesellschaftliches Engagement abstellen, lassen sich hingegen nicht in Handlungssysteme überführen, in denen die in dieser Studie fokussierten ausführenden Ebenen und mittleren Managementebenen des Fallstudienunternehmens involviert sind.

Von den Handlungssystemen ausgehend konnten dann der Vertrieb, die Logistik, die Produktion und der technische Kundendienst als die wesentlichen Handlungsbereiche ausgewiesen werden, die die Umsetzung von nachhaltigem Wirtschaften entscheidend mitgestalten. Für jeden Handlungsbereich wurden sodann die nachhaltigkeitsrelevanten Geschäfts- und Arbeitsprozesse sowie die Mitarbeiter/innen-Gruppen ermittelt, die auf mittlerer Unternehmensebene und ausführender Ebene beschäftigt sind. Für die einzelnen Handlungsdomänen konnte offengelegt werden, dass die Mitarbeiter/innen an der strategischen Auslegung von Nachhaltigkeit im Unternehmen so mitwirken wie auch an der Umsetzung anderer Unternehmensstrategien (z. B. Qualitätsstrategien, Kostenstrategien etc.). Sehr wohl lassen sich aber spezifische Anforderungen nachhaltigen Wirtschaftens nennen, z. B. eine höhere Komplexität in der öko-effizienten Logistik oder neue Kundenanforderungen, mit denen der Vertrieb aufgrund der Vermarktung nachhaltiger Produkte konfrontiert wird. Jedoch stehen diese spezifischen Anforderungen nur indirekt im Zusammenhang mit den jeweiligen Umwelt- und Sozialleistungen. Die Nachhaltigkeitsleistungen der vermarkteten Produkte oder Unternehmensprozesse entstehen in allen Tätigkeiten als „Nebenprodukte“ und sind in den Augen der involvierten Mitarbeiter/innen auch nur von nebensächlichem Interesse.

Gravierende Unterschiede ließen sich bei den Mitgestaltungsmöglichkeiten für Prozesse nachhaltigen Wirtschaftens feststellen. Die untersuchten Mitarbeiter/innen-Gruppen mit Aufgaben des mittleren Managements können innerhalb ihrer Handlungssysteme bzw. -bereiche nachhaltigkeitsrelevante Veränderungen als Promotor(inn)en vorantreiben. Sehr deutlich wurde dies für den Handlungsbereich des Vertriebs, in welchem die für Produkte mit Nachhaltigkeitsleistungen verantwortlichen Geschäftsfeldleiter/innen über Freiheitsgrade verfügen, um beispielsweise innovative Pfade in der Markterschließung zu verfolgen. Auf ausführender Ebene sind derartige Freiheitsgrade nur sehr eingeschränkt vorzufinden. Am ehesten verfügen noch die Mitarbeiter/innen im Vertriebsaußendienst über Möglichkeiten der selbstständigen Vermarktung von Produkten mit Nachhaltigkeitsleistungen. Für die Sachbearbeiter/innen im Vertrieb und in der Versanddistribution lassen sich Möglichkeiten überwiegend nur außerhalb ihrer regulären Tätigkeiten bereitstellen, um gestaltend an der Nachhaltigkeitsausrichtung des Handlungssystems zur Auftragsabwicklung mitzuwirken. Für die Mitarbeiter/innen im technischen Kundendienst sind es schließlich Normen und Regelungen, welche die Freiheitsgrade im beruflichen Handeln determinieren.

Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass eine Analyse des Interaktionsmusters von Sozialsystemen – dies können Unternehmenskooperationen, einzelne Unternehmen sowie auch innerbetriebliche Handlungssysteme sein – zu einer gehaltvollen Beschreibung von nachhaltigem Handeln in Beruf und Arbeit führt. Eine solche Analyse zeigt zumeist, dass Handlungssysteme, für die nachhaltiges Wirtschaften eine sinnstiftende Bedeutung hat, kompetentes Handeln der Systemmitglieder bzw. der involvierten Mitarbeiter/innen-Gruppen bedingen. Jedoch zielt nachhaltiges Handeln in Wirtschaftsbetrieben nicht primär auf den Output von Umweltleistungen und Sozialleistungen ab, von denen die soziale Umwelt eines Unternehmens profitiert. Vielmehr wird nachhaltiges Handeln von Berufstätigen vorrangig mit der ökonomischen Vorteilhaftigkeit für das eigene Handlungssystem begründet. Unter dieser auf ökonomischen Mehrwert orientierten Bedingung wird die Gestaltung von Nachhaltigkeitsprozessen in Beruf und Arbeit gestellt. Hinsichtlich der Mitgestaltungsmöglichkeiten ist zu konstatieren, dass diese mit abnehmender Leitungsverantwortung in Wirtschaftsbetrieben deutlich eingeschränkt sind: Im mittleren Management bestehen beachtliche Freiheitsgrade – die jedoch von übergeordneten Handlungssystemen (Unternehmensführung) eingegrenzt werden – und es ergeben sich für diese Mitarbeiter/innen-Gruppen Gelegenheiten, im Handlungssystem die Rolle eines Nachhaltigkeitspromotoren einzunehmen. Auf ausführender Handlungsebene von kaufmännisch-technischer Sachbearbeitung und gewerblich-technischer Facharbeit sind dagegen nur wenige Nachhaltigkeitsanforderungen und Gestaltungschancen vorzufinden.

3.4 Lernkonzepte einer nachhaltigkeitsorientierten Weiterbildung

Die Ergebnisse zum synreferenziellen Nachhaltigkeitshandeln sollten einfließen in die Gestaltung von Lern- und Arbeitsumgebungen, in denen das selbstreferenzielle Nachhaltigkeitshandeln befördert werden soll. Damit wird von dem zweiten zur Bearbeitung des dritten Forschungsdesiderats bzw. von der Handlungsdimension zur Ausgestaltung der Lerndimension im Referenzmodell übergegangen.

Im Zuge der theoretischen Explorationen wurde hierzu eine kognitionstheoretisch-konstruktivistische Analysefolie entfaltet, auf der betriebliches Lernen konzeptualisiert wird als Prozesse des Wahrnehmens, des Erfahrung-Machens, des Erwerbs und der Strukturierung von Wissen, des Handelns und des Gebrauchs der Sprache. „Lernen i. w. S. wird hier als ein kreisstrukturell geschlossenes System kognitiver Operationen“ beschrieben, das sich in einem Modell des vollständigen Lernens vollzieht (REBMANN/ TENFELDE 2008, 36; vgl. auch REBMANN 2001, 42ff.). Auf dieser Analysefolie wurden sodann vier am nachhaltigen Wirtschaften orientierte Lernkonzepte vorgeschlagen, die sich auf einem Kontinuum zwischen dem situativen Lernen im Prozess der Arbeit und dem systematischen Lernen im Betrieb bzw. in außerbetrieblichen Bildungsgängen erstrecken. Theoretisch analytisch wurden für das situative Lernen während der Arbeit die Lernformen des Nachhaltigkeitszirkels und der nachhaltigkeitsrelevanten Projektarbeit, für das lerngesteuerte Arbeiten die Methodik des Storytelling und für das lernbegleitende Arbeiten der Einsatz von Lern- und Arbeitsaufgaben untersucht. Als Exempel für das systematische Nachhaltigkeitslernen wurden Herstellerschulungen und außerbetriebliche Fortbildungen behandelt. Die theoretisch-analytischen Erkundungsergebnisse flossen schließlich ein in die Ausgestaltung der Lerndimension im Entwurf des Referenzmodells.

In den empirischen Explorationen wurden zunächst Anforderungen zur Gestaltung von Lernkonzepten ermittelt. Demnach zeigte sich, dass Lernkonzepte im Kontext des nachhaltigen Wirtschaftens Anforderungen hinsichtlich des Lernbedarfs einzelner Handlungsbereiche erfüllen sollten. Am deutlichsten wurde der Bedarf sichtbar, eine stärkere auf nachhaltiges Wirtschaften bezogene Kommunikation und Interaktion zwischen Handlungsbereichen und Unternehmensebenen zu gewährleisten. In den einzelnen Handlungsbereichen selbst sollten Lern- und Arbeitsumgebungen so gestaltet sein, dass sie den Mitarbeiter(inne)n handlungsorientiertes, prozessorientiertes und erfahrungsbasiertes Lernen ermöglichen.

Orientiert an diesen Anforderungen wurden empirisch Lernkonzepte ermittelt, die sich zwischen dem situativen Lernen und dem systematischen Lernen verorten lassen. So konnte für das situative Nachhaltigkeitslernen die Chance und die Notwendigkeit herausgearbeitet werden, Mitarbeiter(inne)n in ihren typischen Arbeitssituationen neue Erfahrungen durch Veränderungen ihrer Aufgabenprofile zu ermöglichen. Lernprozesse könnten demnach ausgelöst werden, indem Mitarbeiter(inne)n neue Aufgaben übertragen werden oder indem das Anforderungsniveau bestehender Aufgaben angehoben wird. Mit beiden Optionen ließen sich für die am nachhaltigen Wirtschaften noch unbeteiligten Mitarbeiter/innen-Gruppen entsprechende Gelegenheiten zur Mitgestaltung arrangieren. Beispielsweise würden Mitarbeiter/innen des Vertriebsinnendienstes an der Vermarktung komplexerer Produkte mit Umwelt- und Sozialleistungen beteiligt werden. Hinsichtlich des lerngesteuerten und lernbegleitenden Arbeitens wurde im Fallstudienunternehmen die Teilnahme an Workshops, die Mitarbeit an Projekten, Besuche von Fachmessen sowie Erkundungen in anderen Handlungsbereichen fokussiert. Eine nachhaltigkeitsbezogene Lernförderlichkeit entfalten diese Lernkonzept vor allem dadurch, dass sie Erfahrungsräume bieten, die sich im situativen Arbeiten nicht bieten würden. Insbesondere den Mitarbeiter(inne)n auf der ausführenden Unternehmensebene eröffnen diese eher „untypischen“ Arbeitssituationen Gelegenheiten, nachhaltiges Wirtschaften erfahren und ggf. sogar mitgestalten zu können. Als Ausprägungen des systematischen Lernens im Fallstudienunternehmen wurden Weiterbildungs- und Fortbildungskurse, Studiengänge, Seminare und Schulungen, E-Learning-Angebote, Betriebsbesichtigungen sowie Planspiele und Rollenspiele ermittelt. Es handelt sich hier allerdings nicht um Lernangebote, die ausschließlich auf Lerninhalte für nachhaltiges Wirtschaften abzielen. Vielmehr werden Umwelt- und Sozialthemen in Verbindung mit anderen betrieblich relevanten Inhalten kombiniert.

Festzuhalten ist, dass Nachhaltigkeitslernen in Beruf und Arbeit bedingt, den Mitarbeiter(inne)n Gelegenheiten zu bieten, neue Erfahrungen zu den Möglichkeiten und Machbarkeiten nachhaltigen Wirtschaftens in ihren Domänen sammeln zu können. Ob diese neuen nachhaltigkeitsbezogenen Erfahrungen anschlussfähig an frühere Erfahrungen sind und damit eine Basis zur Generierung neuen Wissens darstellen, können Individuen letztendlich nur handelnd überprüfen. In Lern- und Arbeitsumgebungen, die eine handelnde Auseinandersetzung und damit Gelegenheiten zur Mitgestaltung betrieblicher Prozesse des nachhaltigen Wirtschaftens erlauben, können folglich Lernprozesse und damit individuelle Re-Organisationen der subjektiven Erfahrungswelten gelingen. Für nachhaltiges Wirtschaften relevante Lern- und Arbeitsumgebungen bieten dabei im Besonderen Einblicke in die Abläufe anderer Handlungssysteme und Handlungsbereiche. Der Bedarf besteht offenbar primär darin, Mitarbeiter(inne)n aufzuzeigen, dass ihr Nachhaltigkeitshandeln wirksame Beiträge für das eigene Unternehmen und zugleich auch positive Beiträge für das soziale Umfeld ihrer Handlungssysteme bewirkt. Die in die Lerndimension aufgenommenen Konzepte zielen grundlegend darauf ab, Individuen Lernanlässe im Kontext der Umsetzung von nachhaltigem Wirtschaften in beruflichen Handlungsdomänen zu bieten. Als erfolgreich werden Lernkonzepte allgemein formuliert dann bewertet, wenn sie zum Erwerb von Kompetenzen führen.

3.5 Kompetenzziele für nachhaltiges Wirtschaften

Die theoretischen Explorationen zur Ermittlung und zum Ausweis von Kompetenzen für nachhaltiges Wirtschaften führten zu dem Vorschlag, die in der Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung diskutierten Teilkompetenzen für nachhaltiges Handeln und Denken (vgl. FISCHER et al. 2004, 20) mit dem in Ordnungsmitteln und praktischer Aus- und Weiterbildung verankerten Leitziel der beruflichen Handlungsfähigkeit zu vereinbaren (vgl. REBMANN et al. 2010,129ff.; REETZ1999; STRAKA/ MACKE 2009, 15f.; WINTHER/ ACHTENHAGEN 2008, 513). Ausgehend von den in der Lerndimension entfalteten kognitionstheoretisch-konstruktivistischen Annahmen zum betrieblichen Lernen wurde ein kreislaufstrukturelles Modell zur beruflichen Handlungskompetenz als Orientierungsrahmen für den Ausweis besonders nachhaltigkeitsrelevanter Teilkompetenzen gewählt (vgl. KLEMISCH et al. 2008, 109ff.). Konkret wurden die in diesem Modell ausgewiesenen Teilkompetenzen beruflicher Handlungsfähigkeit, die Sach- und Methodenkompetenz, die Gestaltungskompetenz, die moralisch-ethische Kompetenz sowie die Sozial- und die Abstraktionskompetenz theoretisch-analytisch auf nachhaltiges Handeln in Beruf und Arbeit bezogen.

Mit den empirischen Explorationen im Fallstudienunternehmen wurde deutlich, dass für Fragen der Beförderung von Kompetenzen für nachhaltiges Wirtschaften die individuellen Lernvoraussetzungen der Mitarbeiter/innen zu berücksichtigen sind. Dabei bringen Mitarbeiter/innen bereits bestimmte Voraussetzungen bzw. Bedingungen als vorhandene Kompetenzen in das betriebliche Lernen und Handeln ein. Dazu gehören die in der Lernbiographie entwickelten Vorstellungen, z. B. über den Unternehmensaufbau und die arbeitsteilige Organisation, über Wege der Konfliktlösung während der Arbeit oder beispielsweise über ethisch-normative Werte. Diese Voraussetzungen gilt es für die Konzeptionierung betrieblicher Lernangebote zu berücksichtigen. Umgekehrt werden auch bestimmte Lernvoraussetzungen bzw. Kompetenzerwartungen an die Mitarbeiter/innen gerichtet, z. B. die Bereitschaft, sich auf Veränderungen in den eigenen Arbeitsabläufen überhaupt einlassen zu wollen.

In den empirischen Explorationen wurde das theoretisch-analytisch begründete Kompetenzmodell zur Ausdifferenzierung der Kompetenzdimension aufgegriffen. Angewandt wurde das Modell zur Ermittlung der Kompetenzen von acht Mitarbeiter/innen-Gruppen, die im Fallstudienunternehmen in den nachhaltig wirtschaftenden Handlungssystemen involviert sind. Im Ergebnis können sechs Kompetenzprofile für die kaufmännisch-technischen Domänen der Geschäftsfeldleitung im Vertrieb, des Vertriebsinnendienstes und des Vertriebsaußendienstes, der Produktionsprogrammplanung, der Lagerlogistikleitung sowie der Versandplanung ausgewiesen werden. Darüber hinaus wurden mit der Teamleitung in der Produktion und dem technischen Kundendienst zwei Domänen durch Kompetenzprofile erfasst, die den gewerblich-technischen bzw. ingenieurwissenschaftlichen Bereichen zuzuordnen sind. In den Kompetenzprofilen sind es immer einzelne Teilkompetenzen der beruflichen Handlungsfähigkeit, die eine besonders starke Nachhaltigkeitsrelevanz aufweisen. Unabhängig davon ist allerdings festzustellen, dass bei den Mitarbeiter/innen-Gruppen im mittleren Management sehr viel deutlicher als bei den Mitarbeiter/innen-Gruppen der ausführenden Ebene die Notwendigkeit von Kernkompetenzen für nachhaltiges Handeln zu beobachten ist.

Zusammenzufassen ist, dass in den unterschiedlichen beruflichen Domänen, die für die Umsetzung von Geschäftsmodellen für nachhaltiges Wirtschaften relevant sind, jeweils im Handeln der Mitarbeiter/innen spezifische Teilkompetenzen von beruflicher Handlungsfähigkeit abgerufen werden. Die betriebliche Relevanz der häufig in der Nachhaltigkeitsdiskussion angeführten Notwendigkeit, besondere Umweltkompetenzen zu befördern, die sich etwa als Umweltbewusstsein bzw. individuelle Betroffenheit über ökologische Folgenschäden des eigenen Handelns äußern (vgl. APEL 2007, 831; MERTINEIT/ EXNER 2003, 19; WOLF 2005, 97ff.), ließ sich weder theoretisch noch empirisch ausreichend begründen. Umweltkompetenzen werden sowohl in kaufmännisch-technischen als auch in technisch-gewerblichen Handlungsbereichen nur randständig abgerufen. Oder anders formuliert: Selbst wenn beruflich Handelnde über ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein verfügen, wird es in der betrieblichen Umsetzung eines finanzwirtschaftlichen Kalküls, durch nachhaltiges Wirtschaften eine höhere Rentabilität zu generieren, kaum gefordert. Die mangelnde Notwendigkeit von Umweltbewusstsein hängt also einerseits mit den Freiheitsgraden der Mitgestaltung von Nachhaltigkeit in Beruf und Arbeit und anderseits mit dem rationalen Handlungskriterium zusammen, das ein betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement den Unternehmensmitgliedern vorgibt. Kurzum, Umweltbewusstsein wird an strategisch-relevanten und marktrelevanten Schlüsselstellen (z. B. Entwicklung, Einführung und Vermarktung nachhaltiger Produkte oder Gewährleistung öko-effizienter Auftragsabwicklung) nicht erfassbar abgerufen, sondern an für die betriebliche Wertschöpfung belanglosen Handlungen wie beispielsweise der Mülltrennung oder dem energiesparenden Fensterlüften in Büroräumen.

Besonders wichtig scheint dagegen die Beförderung eines Bewusstseins über die Wirksamkeit des eigenen Handelns zu sein. Dieses Bewusstsein ist Teil der Wahrnehmung beruflich Handelnder, dass ihr eigenes Nachhaltigkeitshandeln ihrem eigenen Wirtschaftsbetrieb bzw. Handlungssystem einen positiven Nutzen stiftet und darüber hinaus auch Umwelt- und Sozialleistungen an das soziale Unternehmensumfeld abgibt. Dieses Bewusstsein ist besonders dort relevant, wo beruflich Handelnde auf Barrieren treffen, ihre eigenen Vorstellungen von nachhaltigem Wirtschaften verwirklichen zu können. Beispielsweise ist diese Disposition wichtig für Nachhaltigkeitspromotor(inn)en wie die in der Fallstudie betrachteten Geschäftsfeldleiter/innen und Außendienstmitarbeiter(inne)n. Sie verfolgen die marktliche Etablierung innovativer Produkte und Dienstleistungen mit besonderem Nachhaltigkeitsnutzen, von deren Sinnhaftigkeit sie jedoch andere Kommunikations- und Interaktionspartner/innen oftmals erst noch überzeugen müssen. Im gewerblich-technischen Bereich ist dieses Handlungsbewusstsein eine relevante Ausprägung kompetenten Handelns im Kontext des Gesundheitsmanagements und der Sicherheitsaspekte in der Leistungserstellung. Hier kommt es als Gesundheitsbewusstsein und Sicherheitsbewusstsein zum Tragen und ist Teil der Wahrnehmung beruflich Handelnder, dass ihr eigenes Sicherheits- und Gesundheitsverhalten sinnvoll für sich selbst und für andere bzw. für das gesamte Unternehmen ist.

4 Perspektiven und Handlungsoptionen

In der hier vorgestellten Studie wurde zunächst ermittelt, woran eine Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung orientiert werden kann. Diese Referenzen sollten praktisch-handlungswirksam werden! Zum einen ist die Empfehlung auszusprechen, Weiterbildungskonzepte an zukunftsweisenden Geschäftsmodellen für nachhaltiges Wirtschaften auszurichten. Dies verlangt allerdings nach der Bereitschaft sich schon bei der Zielformulierung von beruflicher Weiterbildung von tradierten und eingefahrenen Beschreibungen einer Theorie der Unternehmung zu lösen. Zum anderen sollte den Multiplikator(inn)en einer Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung ein realitätsnahes Bild nachhaltigen Wirtschaftens aufgezeigt werden. Statt anhand von Best Practice-Beispielen zum nachhaltigen Wirtschaften in Nischenmärkten sollte verdeutlicht werden, wie nachhaltiges Wirtschaften in Massenmärkten funktionieren kann und welche Innovationskraft es für konventionelle Unternehmensmodelle hat. Dadurch kann nachhaltiges Wirtschaften an Relevanz für die alltägliche Berufsbildung gewinnen und sich dem verstaubten Image einer Feiertagsbildung entledigen.

Mit Blick auf die Ergebnisse zu den Partizipationsmöglichkeiten der beruflich Handelnden am nachhaltigen Wirtschaften zeigt sich: Die Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung hat offenbar ein Legitimationsproblem! So ist festzustellen, dass die ausführenden Unternehmensebenen – hier finden sich die Handlungsdomänen, auf die die grundständige berufliche Aus- und Weiterbildung abzielt – kaum an der strategisch relevanten Umsetzung von nachhaltigem Wirtschaften mitwirken. Es stellt sich damit die Frage, welchen Sinn eine Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung überhaupt verfolgen soll. Es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die Aufgabe einer Aus- und Weiterbildung darin bestünde, Menschen in Beruf und Arbeit für anstehende Aufgaben des nachhaltigen Wirtschaftens zu befähigen. Es muss wohl ein Schritt zurückgegangen werden: Die nachhaltigkeitsorientierte Berufsbildungsforschung sollte sich zunächst primär der Aufgabe widmen, kreative Wege zu den Mitgestaltungsmöglichkeiten für beruflich Handelnde zum nachhaltigen Wirtschaften aufzudecken. Der Fokus sollte sich hier nicht nur auf die Akteure und Akteurinnen richten, die für die betriebliche Gestaltung von Lehr-Lernprozessen verantwortlich sind. Vielmehr sollten alle Multiplikator(inn)en-Gruppen in den Blick genommen werden.

An den Fragen der Mitgestaltung sollten schließlich auch Überlegungen zur Gestaltung betrieblicher Lernkonzepte ansetzen. Sie sollten die verschiedenen Berufsgruppen auf ausführenden Unternehmensebenen und mittleren Managementebenen motivieren und befähigen, Chancen der Mitgestaltung zum nachhaltigen Wirtschaften selbstständig erschließen zu können. Daneben ist es zwingend erforderlich, im Kontext beruflicher Weiterbildung bestimmte organisationale Rahmenbedingungen zu schaffen: Das heißt, die in Unternehmen vorfindlichen Handlungssysteme sind lernförderlich zu gestalten, was im Sinne des Nachhaltigkeitslernens vor allem meint, Veränderungen in betrieblichen Prozessen und Strukturen zuzulassen. In der Neuausrichtung der Unternehmen an Zielen von umweltverträglichem und sozial verantwortlichem Wirtschaften zeigt sich schlussendlich das kompetente Handeln der Mitarbeiter/innen.

Hinsichtlich der Formulierung von Kompetenzen für nachhaltiges Wirtschaften ist zu empfehlen, die Diskussion von den vorliegenden Kompetenzmodellen der nachhaltigkeitsorientierten Allgemeinbildung zu lösen. Die in diesem Beitrag vorgestellte Studie hat eindeutig aufgezeigt, dass die berufliche Handlungsfähigkeit zum Leitziel zu nehmen ist. Nachhaltiges Wirtschaften führt schließlich zu einer Akzentuierung der Teilkompetenzen, die im beruflichen Handeln eingebracht werden. Gelingt es, ein konsensfähiges Leitziel einer Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung zu entwickeln, gewinnt das so oft bemühte Credo, den Leitgedanken einer nachhaltigen Entwicklung in die berufliche Bildung vollständig zu integrieren, sehr viel stärker an Glaubwürdigkeit.

 


[1] Die in der Studie erhobenen unternehmens- und personenbezogenen Informationen und die erzielten Auswertungsergebnisse werden insoweit anonymisiert, dass Datenschutzrechte gewahrt werden und Rückschlüsse auf Organisationen bzw. einzelne Personen ausgeschlossen werden können. Dem an der vorliegenden Studie teilnehmenden industriellen Hersteller von Kunststoffrohrsystemen wird der Kunstname Plastpipe GmbH gegeben.


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Zitieren dieses Beitrages

SCHLÖMER, T. (2010): Berufliche Weiterbildung und Geschäftsmodelle des nachhaltigen Wirtschaftens. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 19, 1-20. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe19/schloemer_bwpat19.pdf  (20-12-2010).


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