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bwp@ Ausgabe Nr. 23 | Dezember 2012
Akademisierung der Berufsbildung
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 23 sind Karin Büchter, Dietmar Frommberger & H.-Hugo Kremer

Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung im Lichte der Kompetenzorientierung – Erfahrungen und Diskussionspunkte aus Forschungs- und Entwicklungsprojekten

Beitrag von Detlef BUSCHFELD & Bernadette DILGER (Universität Köln)


Abstract

Durch die sowohl in der beruflichen als auch hochschulischen Bildung gesetzte Kompetenzorientierung zur Beschreibung der ‚learning outcomes’ wird das wechselseitige Verhältnis erneut und neu diskutiert. Inwieweit auf Anforderungen aus Arbeitsmarktsegmenten (outcome-Perspektive) durch verschiedene Bildungswege in gleichwertiger Form vorbereitet und woran diese Gleichwertigkeit festgestellt werden kann, ist konstitutiv. Für die Steuerung des Bildungssystems und der Teile des Bildungssystems entsteht die Frage, mit welchen Beschreibungsmustern für die Darstellung der Kompetenzen gearbeitet wird. Folgende Problemaspekte kommen dabei in den Fokus: Bis dato werden Kompetenzen und Kompetenzorientierung im beruflichen und hochschulischen Teil des Bildungssystems unterschiedlich definiert, modelliert und in Teilen lose gekoppelten, Referenzmodellen abgebildet. Dies erschwert den Vergleich der Wertigkeit; eine empirische Erfassbarkeit der Gleichwertigkeit setzt einen Maßstab für die outcome-Perspektive voraus. Dieser ist bisher noch nicht hinreichend bestimmt; vielmehr gibt es konkurrierende und divergente Vorschläge. Die sich daraus ergebenden (bildungs-)politischen Implikationen sind noch nicht ausreichend dargestellt und zeigen sich in verschiedenen Umsetzungsfragen (z. B. im Rahmen von Einstufungen von Bildungsgängen im DQR, Akkreditierungsfragen).
Der Beitrag zielt auf die Aufarbeitung und Diskussion der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung unter dem Leitziel der Kompetenzorientierung. Dazu werden die aktuell vorhandenen Referenzmodelle (DQR, DHQR und ein Kompetenzmodell aus der Berufspädagogik) hinsichtlich ihrer konzeptionellen Ansätze gegenübergestellt. In einem zweiten Schritt werden aus zwei durchgeführten Forschungsprojekten die Schwierigkeiten bei der Operationalisierung und der Erfassung von Kompetenzen aufgezeigt und Konsequenzen für die Diskussion der Gleichwertigkeit gezogen. In einem weiteren Teil werden die Problemaspekte für die Beschreibung von kompetenzorientierten ‚learning outcomes’ in Dilemmata zusammengeführt, die bei der weiteren Suche nach einem Ansatz zur Bestimmung von Gleichwertigkeit berücksichtigt werden können.        


Parity of vocational and academic education in the light of competence orientation – experiences and points of discussion from research and development projects

Through the orientation to competence for the description of the ‘learning outcomes’, which is determined in vocational as well as in academic education, the reciprocal relationship is being discussed anew and afresh. The extent to which it is possible to prepare for demands from labour market sectors (outcome perspectives) through various different educational pathways in equal ways, and how this parity can be established, is constuitive. For the management of the educational system and sections of the educational system, the question arises as to which descriptive patterns are employed for the presentation of the competences.  The following problematic aspects come into focus in this case: up until now competences and the orientation to competences in the vocational and higher education sector of the educational system are defined differently, modelled and presented partially in loosely associated reference models. This makes the comparison of parity more difficult; an empirical capturing of parity has as a prerequisite a measure for the outcome perspective. This has as yet not been sufficiently determined; rather there are competing and diverging suggestions. The (educational) political implications resulting from this have not yet been adequately presented, and are revealed in differing implementation questions (for example, in the context of the classification of educational pathways in the German Qualification Framework and questions of accreditation).
This paper aims to examine and discuss the parity of vocational and academic education under the main goal of competence orientation. In order to do this, the currently available reference models (German Qualification Framework, DHQR and a competence model from professional education) are compared and contrasted regarding their conceptual approaches. In a second step the difficulties in the operationalisation and the capturing of competences is indicated using two completed research projects, and the consequences for the discussion of parity are drawn. In a further section the problematic aspects for the description of competence-oriented ‘learning outcomes’ are brought together in dilemmas, which can be taken into account in the continued search for an approach to determine parity.

1 Hintergrund

Mit der Einführung von Qualifikationsrahmen für die systematische Beschreibung von ‚learning outcomes’ wird in der Bildungspolitik ein Wechsel von der Inputsteuerung hin zu einer Wirkungssteuerung vollzogen (VAN ACKEREN 2003). „’Learning Outcomes’ sind zentrale Elemente, um nicht zu sagen der Dreh- und Angelpunkt einer kompetenzorientierten“ Gestaltung von Bildungsprogrammen (SCHAPER 2012, 46). Mit diesem Wechsel des Steuerungsparadigma stellt sich die Frage der Gleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen auch unter den neuen Referenzpunkten, d. h. der Modellierung der ‚learning outcomes’. Aufgrund der mit der Inputsteuerung vorherrschenden institutionellen Steuerungsinstrumente wurden strukturelle Informationen wie z. B. Ansiedelung auf der Stufe des Bildungssystems, Stundenkontingente oder auch Einschätzung der Inhaltskomplexität der thematisierten Themen als wesentliche Informationen für die Beschreibung eines Bildungsangebotes herangezogen (UNESCO 2011). Dies führt bei einem Vergleich zur Schwierigkeit, dass Strukturmerkmale verglichen werden, die nur Aussagen über das (Nicht-) Vorhandensein von Gleichartigkeiten geben können. Über mögliche festgestellte ‚Äquivalenzen’ können hierzu dann strukturell unterschiedliche Bildungsprogramme verglichen werden.

Mit dem Wirkungssteuerungsparadigma steht die Beschreibung der ‚learning outcomes’ im Mittelpunkt und dient zur Kennzeichnung typischer – und nicht individuell realisierter – erwartbarer Ergebnisse von Bildungsmaßnahmen, die gerade dazu auffordern, dass die Bildungswege daraufhin unterschiedlich und variantenreich sein können, jedoch zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Dabei ist mit dem Begriff des ‚learning outcomes’ ein Begriff gewählt, der ähnlich vielfältige Definitionsversuche mit sich bringt, wie der der Kompetenz (KENNEDY et al. 2006 nach SCHAPER 2012, 46). „Diese verweisen allerdings im Kern alle darauf, dass es sich um Erwartungen bzw. Aussagen handelt, die beschreiben, was ein Lernender weiß, versteht oder in der Lage ist zu tun nach Abschluss einer Lerneinheit“ (SCHAPER 2012, 46). Die Ansätze machen jedoch deutlich, dass mit den Konzepten von ‚learning outcomes’ das umfassendere Konzept formuliert wird, welches kompetenzorientiert ausgeformt werden kann, jedoch nicht sein muss. Von daher steht die Frage der Modellierung der ‚learning outcomes’ noch zentraler im Blick der Analysen, wenn sie als Maßstab für die Beschreibung von Wirkungen von Bildungsmaßnahmen gültig sein sollen. Die besondere Modellierung, wenn es sich um ‚kompetenzorientierte learning outcomes’ handelt, lässt erwarten, dass sich die Beschreibungen nicht an dem output sondern an dem outcome einer Bildungsmaßnahme orientieren. Mit dieser Unterscheidung wird Bezug genommen auf die Metapher des Produktionsprozesses von Bildungsmaßnahmen von DUBS (1998, 34) und der möglichen Strukturierung von Steuerungsinstrumenten der Bildungsmaßnahmen und -politik bei SLOANE/ DILGER (2005, 4 f.). Die Differenz zwischen output und outcome verdeutlicht jedoch auch zwei unterschiedliche Perspektiven mit Hilfe derer die Struktur von ‚learning outcomes’ beschrieben werden: Eine output-orientierte Beschreibung und Modellierung nutzt die Perspektive des Bildungskontextes und beschreibt die Ergebnisse einer umgrenzten Lerneinheit. Sie verbleibt damit in der Logik des Kontextes des Bildungserwerbs. Ausgangspunkt ist das erwartbar ‚Erworbene’ und man schließt daraus in einem Vorwärtsschluss, was damit bearbeitet werden kann. Die outcome-orientierte Beschreibung und Modellierung nutzt die Perspektive des Anwendungsfeldes, d. h. die Beschreibung erfolgt in der Logik der privaten, gesellschaftlichen oder beruflichen Handlungsfelder. Sie stellt die Logik der Anwendung in den Mittelpunkt. Impuls für die Beschreibung ist die Anforderung aus den Tätigkeiten. Somit ist mit der Differenz von output und outcome die Festlegung der grundlegenden Perspektive und damit der Ausgangspunkt für die Beschreibung von ‚learning outcomes’ zu bestimmen. Unterschiedliche Referenzrahmen oder Referenzmodelle werden genutzt, um ‚learning outcomes’ genauer zu beschreiben.

Der Beitrag nimmt verschiedene Modellierungen von ‚learning outcomes’ (Referenzrahmen und -modelle) als Ausgangspunkt für die (neue) Diskussion der Gleichwertigkeit, da diese als Vergleichsmaßstab für die Bestimmung implizit oder explizit genutzt werden. In Punkt 2 werden hierzu drei relevante Bezüge aufgezeigt, um bereits auf die konzeptionellen Differenzen hinzuweisen. In einem ersten Diskussionspunkt werden in Punkt 3 drei leitende Fragekomplexe angeführt, die aus unserer Sicht bei der Frage von Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu thematisieren sind. Die Referenzmodellierung und die ersten konzeptionellen Überlegungen zur Gleichwertigkeit im Lichte der Kompetenzorientierung dienen als Grundlage für eine vertiefte Untersuchung der Diskussionsaspekte mit Hilfe von zwei empirischen Studien (Punkt 4), die aufzeigen, welche Implikationen unterschiedliche Modellierungen von ‚learning outcomes’ beinhalten und welche Dilemma sich hieraus für die Diskussion um Gleichwertigkeit ergeben (Punkt 5). Ziel des Beitrages ist es, die Diskussion um Gleichwertigkeit vor dem Hintergrund der Kompetenzorientierung hinsichtlich der Konzeptionen möglicher Vergleichsmaßstäbe genauer zu durchdringen. Dazu werden die in den beiden Studien vorgenommenen Modellierungsleistungen und Überprüfungen dieser Modellierungsleistungen genauer untersucht und deren Konsequenzen hinterfragt.

2 Referenzrahmen und -modelle für die Beschreibung von ‚learning outcomes’

Verbunden mit dem Paradigmenwechsel in der Steuerung von Bildungssystemen ist die Frage nach der Strukturierung der Referenzrahmen und -modelle für die Beschreibung von ‚learning outcomes’. So stellt sich die Suche nach Formulierungs- und Beschreibungsmöglichkeiten und deren Systematisierung. Dafür wurden in den letzten Jahren mehrere, divergierende Modelle zur strukturierten Beschreibung von ‚learning outcomes’ entwickelt. Diese wurden zunächst in Teil-Bildungssystemen und für die Beschreibung von Ausschnitten genutzt, in der Diskussion um Vergleichbarkeit unterschiedlicher Teilbildungssysteme rücken sie jedoch als übergeordnete Vergleichs-Instrumente in den Blick.

2.1 Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse

Mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen für den Europäischen Hochschulraum (beschlossen 2005 in Bergen) wurde ein gemeinsames Beschreibungsmodell für Hochschulprogramme eingeführt, welches sich durch die Hauptdimensionen ‚knowledge and understanding’, ‚application’, ‚communication’ und ‚learning’ auszeichnet, die auf den Überlegungen zu den Dublin-Deskriptoren (JOINT QUALITY INITATIVE 2004) und dem TUNING-Projekt (TUNING-PROJEKT o. J.) aufbauen. Es werden kurze, verständliche und vergleichbare Beschreibungen von Ausbildungsebenen mit Korridoren von Leistungspunkten eingeführt. Zur Beschreibung der Ebenen / Zyklen werden unterschiedliche Niveaus der einzelnen Dimensionen vorgenommen.

Für Deutschland wurde 2005 der Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse (DQHR) im Zusammenwirken von HRK, KMK und BMBF verabschiedet (vgl. HRK/ KMK/ BMBF 2005). In diesem werden die outcomes über die beiden Säulen ‚Wissen und Verstehen’ und ‚Können (Wissenserschließung)’ strukturiert und formale Aspekte wie Zugangsvoraussetzung, Dauer, Anschlussmöglichkeiten und Übergänge aus der beruflichen Bildung für die drei Ebenen Bachelor, Master, PhD beschrieben. Damit übernimmt der DQHR die Grundstruktur für die Beschreibung der ‚learning outcomes’ aus dem europäischen Hochschulqualifikationsrahmen.

‚Wissen und Verstehen’ wird mit Wissensverbreiterung und Wissensvertiefung differenziert und mit Deskriptoren je Ebene / Zyklus konkretisiert, die sich bei der ‚Wissensverbreiterung’ am Ausdifferenzierungs- und dem Systematisierungsgrad orientieren und sich bei ‚Wissensvertiefung’ in der Umgangsweise mit Wissen – von kritischem Nachvollzug (Bachelor-Ebene) zur eigenständigen Wissenserweiterung (PhD-Ebene) – in Niveaus abstufen lässt (SLOANE 2008, 65). ‚Können’ bzw. die Dimension der Wissenserschließung oder mit den Begriffen des Tuning-Projekts ‚generic competences’ (TUNING-PROJEKT o. J.) werden instrumentale, systematische und kommunikative Kompetenz differenziert und ebenfalls mit Hilfe von Deskriptoren in den einzelnen Ebenen genauer beschrieben, wobei die Schwierigkeit sichtbar wird, durchgängige Prinzipien der Deskriptoren in den einzelnen Dimensionen auszumachen (SLOANE 2008, 63 ff.).

Die im Deutschen Hochschulqualifikationsrahmen vorgenommene Modellierung der ‚learning outcomes’ orientiert sich an einer output-orientierten Beschreibung. Diese ist aus der Logik und Tradition des Hochschulsystems entwickelt. „Zur Bestimmung, Systematisierung und Formulierung von kompetenzorientierten Qualifikationszielen und Learning outcomes gibt der Qualifikationsrahmen somit nur eine grobe Orientierung. Es bedarf somit weiterer Hilfestellungen, Methoden und Modelle, um tatsächlich zu einem kompetenzorientierten Curriculum zu gelangen“ (SCHAPER 2012, 28).

Akademische Kompetenzen werden von beruflichen Kompetenzen abgegrenzt bzw. die Vorbereitung einer spezifischen beruflichen Anwendung im Rahmen der Hochschule in Frage gestellt (TEICHLER 2005). Es gibt nur wenig explizite Ansätze die das besondere von akademischen Kompetenzen bestimmen. Einer dieser Ansätze kann WICK (2009) folgend darin beschrieben werden, dass akademische Kompetenzen dadurch geprägt sind, dass sie besonders die Fähigkeiten von Explikation und Reflexion der eigenen Handlungsweisen in den Mittelpunkt stellen, eine erkenntnisbasierte und methodisch strukturierte Vorgehensweise nahelegen, sowie nach wissenschaftlichen Disziplinen organisiert ist, sich auf neuartige komplexe Anforderungssituationen bezieht sowie sich auf ein Berufsfeld bezieht und nicht auf einen spezifischen Beruf. Damit zeigen sich jedoch auch die Besonderheiten der akademischen Anforderungen, die zum einen nicht mit den bisherigen Modellierungen in dem DHQR abgebildet sind, zum anderen jedoch die Spezifika akademischer Anforderungen herausstellen und somit eher als Abgrenzungsmodell verwendet werden können, denn als über alle Teil-Bildungssysteme hinweg geltenden Vergleichsmaßstab zu wirken.

2.2 Deutscher Qualifikationsrahmen

Basierend auf der konzeptionellen Grundlage des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (EQR LLL 2008) entwickelte der Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen, geleitet von BMBF und KMK, den Deutschen Qualifikationsrahmen (AK DQR 2011), um Qualifikationen im deutschen Bildungssystem ‚bildungsübergreifend’ in eine Matrix einordnen und damit miteinander vergleichen zu können (AK DQR 2011, 2). Der Deutsche Qualifikationsrahmen ist ebenso wie der Europäische Qualifikationsrahmen in acht Niveaus eingeteilt, die jeweils über Niveauindikatoren und Kompetenzdimensionen genauer beschrieben werden. In der horizontalen Struktur sind die Dimensionen der Lernergebnisse über die beiden Hauptdimensionen ‚Fachkompetenz’ und ‚Personale Kompetenz’ aufgeteilt, die dann wiederum untergliedert werden: ‚Fachkompetenz’ in ‚Wissen’ und ‚Fertigkeiten’ und ‚Personale Kompetenz’ in ‚Soziale Kompetenz’ und ‚Selbständigkeit’ (AK DQR 2011, 5). In diesen vier Dimensionsbereichen werden auf jeder der acht Stufen über Deskriptoren typisch erwartbare Strukturen von ‚learning outcomes’ beschrieben. Auffällig ist in der Beschreibung, dass innerhalb einer Dimension unterschiedliche Aspekte aufgenommen werden (z. B. bei der Sozialen Kompetenz die Aspekte der Rolle / Funktion in einer Gruppe, die Verwendung von unterschiedlichen Fachsprachenniveaus, die Anleitung von anderen Personen), ohne dass das Verhältnis zueinander bestimmt ist (und / oder Beschreibungen, nicht festgelegte Gewichte usw.). Andererseits werden ab Niveaustufe 5 in der Dimension ‚Fachkompetenz’ jeweils die zwei Referenzbildungssysteme hochschulische Bildung und berufliche Bildung explizit mit einer Oder-Verknüpfung als Alternativen aufgeführt (AK DQR 2011, 6 ff.).

Damit soll der DQR über alle Teil-Bildungssysteme hinweg Gültigkeit als Modellierung für die Beschreibung von ‚learning outcomes’ besitzen. Die im DQR vorgenommene Modellierung verbindet konzeptionell in der Beschreibung der Niveauindikatoren stärker die Anwendungs- und damit die outcome-Perspektive, während die Deskriptoren in den Kompetenzbereichen stärker die output-Perspektive einnehmen.

2.3 Kompetenzmodelle in der beruflichen Bildung

In den letzten Jahren wurden zahlreiche weitere Kompetenzmodelle entwickelt, die dazu beitragen sollen, die Erwartungen an ‚learning outcomes’ sowohl domänenübergreifend als auch domänenspezifisch zu strukturieren. Die Diskussion um Modellierung von Kompetenzen zeigt sich als einerseits in der Umsetzung von Wirkungssteuerung erforderlich, andererseits als bisher unvollständig und mit vielen offenen Fragen verbunden. Gleichzeitig finden sich parallel eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze in der Diskussion.

Für die Auseinandersetzung um Kompetenzmodellierung in der beruflichen Bildung lassen sich eine Vielzahl von Bezügen und Modellierungsansätzen auffinden. Die Diskussion kann hier nicht in der Breite dargestellt werden. Im Versuch einen gemeinsamen ‚Kern’ der Auffassung von Kompetenz in der beruflichen Bildung zu bestimmen zeigt sich, dass viele Ansätze zur Kompetenzmodellierung in der beruflichen Bildung sich in ihren Wurzeln auf ROTH (1971) zurückführen lassen und dessen strukturalistisches Verständnis aufnehmen.

Mit der Verbindung zur Diskussion um Handlungsorientierung und der Definition der KMK (2011) von Handlungskompetenz werden im Kompetenzverständnis in der beruflichen Bildung insbesondere Bezüge zu Handlungstheorien bzw. Handlungsregulationstheorien (HACKER 2005) aufgenommen, die die Befähigung und Bereitschaft zur Bewältigung von Anforderungen in den Mittelpunkt stellen. Somit nehmen die Kompetenzmodellierungen vorrangig die outcome-Perspektive ein. Kompetenz wird als multidimensionales Konstrukt aufgefasst, das sich nicht in einzelne Komponenten zergliedern lässt, sondern sich als ganzheitlich integriertes Handlungsvermögen darstellt (SLOANE/ DILGER 2005). Es werden mehrheitlich fachliche, methodische, soziale und personale Dimensionen differenziert. Die Dimensionierung und das Verhältnis der Dimensionen zueinander weicht in den jeweiligen Modellen voneinander ab. Dies ist z. B. im Vergleich der beiden Ansätze zur Kompetenzdimensionierung der KMK (2011) oder bei ERPENBECK/ VON ROSENSTIEL (2007) zu erkennen.

Wiederum im Versuch die Gemeinsamkeiten der Ansätze zur Modellierung von Kompetenz in der beruflichen Bildung festzuhalten kann attestiert werden, dass sich die 'fachliche Kompetenz' auf berufsspezifisches und allgemeines Wissen in seiner Anwendung bezieht. Die 'methodische Kompetenz' beinhaltet Strategien der Problemlösung und Regeln / Techniken der Aufgabenbearbeitung. Der 'sozialen Kompetenz' gehören Aspekte der Zusammenarbeit, der Koordinationsweise und evtl. Konfliktbearbeitung in Gruppen an. Die 'personale Kompetenz' wird verstanden als die Fähigkeit, die eigene Person zu reflektieren und (weiter-) entwickeln zu können. Um den berufspädagogischen Modellierungsansatz zu charakterisieren, kann er als handlungstheoretischer Ansatz mit seinem Bezug zum Anwendungsfeld und damit als in der outcome-Perspektive begründet, klassifiziert werden. Dazu wird die Analyse der Situation, die Reflexion der eigenen Vorgehensweise und die Überführung in einen Handlungsplan, dessen Vollzug und Reflexion mit bei der Konzeptionierung berücksichtigt. Jedoch herrscht in der Modellierung die Aufspaltung nach Dimensionen vor, weniger die Unterteilung nach Handlungsvollzügen und -phasen.

Die ausgewählten drei unterschiedlichen Referenzrahmen und -modelle benutzen unterschiedliche Konzeptionen und Logiken mit Hilfe derer ‚learning outcomes’ beschrieben und strukturiert werden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der grundlegenden Perspektive in eher output- oder outcome-orientierte Modelle, nutzen eher kognitionstheoretische oder handlungstheoretische Bezüge und verwenden eine je unterschiedliche Dimensionierung. Welche Aspekte für die Diskussion der Gleichwertigkeit Relevanz besitzen, wird im Folgenden aufgeführt.

3 Aspekte in der Diskussion um Gleichwertigkeit von Kompetenzen in der beruflichen und akademischen Bildung

Um Untersuchungen zur ‚Gleichwertigkeit’ durchführen zu können ist es zentral, einen Maßstab für die ‚Wertigkeit’ zu bestimmen, anhand dessen dann Fragen von gleicher oder unterschiedlicher Wertbeimessung bearbeitet werden. Die Ermittlung eines solchen Referenzmaßes, setzt eine konzeptionelle Klärung des Konzepts der ‚Wertigkeit’ von Bildungsmaßnahmen voraus. Mit den Referenzrahmen und -modellen zur Beschreibung von ‚learning outcomes’ wurden Möglichkeiten dieser konzeptionellen Arbeit vorgeschlagen. Dabei werden ‚learning outcomes’ als erwartbare Ergebnisse von Lerneinheiten bzw. Bildungsmaßnahmen aus den zwei verschiedenen Perspektiven des Bildungskontextes und des Anwendungskontextes beschrieben.

Um die Diskussion von Gleichwertigkeit weiter zu beleuchten, stellen sich aus unserer Sicht die folgenden Fragen an die konzeptionelle Grundlegung und darauf aufbauende Untersuchungen zur Gleichwertigkeit von verschiedenen Bildungsmaßnahmen oder -abschlüssen der beruflichen und akademischen Bildung:

· Die Referenzrahmen und die darin enthaltenen Modelle zur Beschreibung von ‚learning outcomes’ zeigen implizite und explizite Verbindungslinien auf. Zwischen den beiden Referenzrahmen DHQR und DQR verweisen die jeweiligen Autorengruppen auf die Kompatibilität der höchsten drei Ebenen (AK DQR 2011, 5; HRK o. J.). Im DQR wird explizit auf den Ebenen 6, 7 und 8 auf die Ausführungen im DHQR Bezug genommen. Die beiden Referenzrahmen unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Konzeption von ‚learning outcomes’, deren Dimensionierung, der Ausgestaltung der Ebenen sowie in der Logik der Deskriptoren. Es ist sowohl konzeptionell als auch empirisch zu überprüfen, inwieweit die unterschiedlichen Konzeptionen von ‚learning outcomes’ in verschiedenen (Teil-)Bildungssystemen und deren Kompatibilitätsthese einerseits Bestand haben kann. Andererseits stellt dies die grundlegende Frage, ob für die Bestimmung von ‚Gleichwertigkeit’ unterschiedliche Ansätze herangezogen werden können, oder ob dazu ein gemeinsames Referenzmaß erforderlich ist. Hiermit wird die Frage nach der Gültigkeit des Referenzmaßes für einen Ausschnitt oder für die Gesamtheit des Bildungssystems gestellt.

· Mit dem Konzept von ‚Gleichwertigkeit’ ist in Abgrenzung zum Konzept der ‚Gleichartigkeit’ von Bildungsmaßnahmen die Offenheit im Bildungskontext sowohl zu alternativen Bildungswegen, aber auch zu informellen Bildungswegen gefordert. Demnach kann ein Referenzmaß sich nicht an den Überlegungen und Traditionen des Bildungskontextes ausrichten, sondern muss sich vielmehr an dem Verwendungs- und Anwendungskontext und dessen Anforderungsprofilen orientieren. Dies stellt die grundlegende Perspektive der Modellierung von ‚kompetenzorientierten learning outcomes’ für die Frage der Gleichwertigkeit in den Fokus.

· Die mit der Kompetenzmodellierung einhergehende Erwartung, dass darüber Aspekte der Befähigung und Bereitschaft zur Bewältigung von Anforderungssituationen konzeptionell erfasst werden, stellt neben der grundlegenden Anwendungsperspektive auch die Frage nach der vorzunehmenden Kompetenzmodellierung, und dies sowohl hinsichtlich der Struktur, der Niveaustufen sowie der Entwicklungslogik (KLIEME et al. 2007).

Mit der Diskussion um die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung im Lichte der Kompetenzorientierung ist somit in besonderer Weise die Definition des Vergleichsmaßstabes verbunden. In zwei Forschungsstudien wurden Aspekte hierzu bearbeitet, die im Folgenden vorgestellt werden.

4 Diskussionsaspekte der Gleichwertigkeit in aktuellen Forschungsprojekten

4.1 Überprüfung der Operationalisierung von ‚learning outcomes’ im Kontext von Absolventenstudien des Professional Centers der Universität zu Köln

Die erste Studie untersucht die Passung der Operationalisierung von Kompetenzen zu verschiedenen Referenzrahmen und -modellen. Mit Daten der Absolventenstudien, die am Professional Center der Universität zu Köln durchgeführt werden, wird empirisch quantitativ untersucht, inwieweit die dort vorgenommene Operationalisierung eine konstruktvalide Darstellung von Kompetenzmodellen erlaubt und zu welcher Kompetenzmodellierung hier die beste Passung besteht. Vorrangiges Ziel dieser Untersuchung war es, die Items, mit denen Absolventen ein bis zwei Jahre nach Abschluss ihre Qualifikationen einschätzen, einer empirischen Konstruktvaliditätsprüfung zu unterziehen. Zur ausführlichen Darstellung der Studie verweisen wir auf DILGER/ EBERT/ LANDMANN (2012).

4.1.1 Grundstruktur der Studie und der verwendeten Daten

Eingebunden ist die Studie in die Durchführung der Absolventenstudien an der Universität zu Köln, die Mitglied im Kooperationsprojekt Absolventenstudie (KOAB-Projekt) (KOAB o. J.) ist, das durch das International Center for Higher Education Research (INCHER Kassel) koordiniert wird.

Im Rahmen der Absolventenstudien der Universität zu Köln, werden die Absolventinnen und Absolventen mit Hilfe von 21 formulierten Items zur ihrer Selbsteinschätzung nach erworbenen Qualifikationen zwei Jahre nach ihrem Abschluss befragt. Darüber hinaus werden weitere Items zur Einschätzung von Studienbedingungen, beruflicher Übergang und aktueller beruflicher Situation abgefragt. Für die vorliegende Studie werden die Datensätze der Prüfungsjahrgänge 2007 und 2009 kumuliert genutzt (N=3325) und insbesondere die 21 Items zur Selbsteinschätzung der erworbenen Qualifikationen genauer untersucht. Der Datensatz lässt sich in zwei Subgruppen aufspalten: In eine Absolventen-Gruppe der Master-, Staatsexamens-, Diplom- und Magisterstudiengänge (N=2977) und eine Absolventen-Gruppe der Doktorats- bzw. PhD-Programme (N= 348). Anhand einer konfirmatorischen Faktoranalyse wird die Passungsleistung der vorliegenden Items zu drei unterschiedlichen Referenzrahmen und -modellen untersucht.

Anliegen der Studie ist es, über die konfirmatorische Faktoranalyse zu bestimmen, inwieweit die vorliegenden Items eine geeignete Operationalisierung für ‚learning outcomes’ im Sinne des DHQR, des DQR sowie im Sinne des Kompetenzverständnisses nach ERPENBECK/ VON ROSENSTIEL (2007) – als ein beispielhaft gewähltes Modell aus der beruflichen Bildung – darstellen. Über diesen Zugang können Informationen über die Passung der Kompetenzmodellierung zueinander sowie der Passung der bisherigen Operationalisierung zu einzelnen Kompetenzmodellierungen gewonnen werden (DILGER/ EBERT/ LANDMANN 2012).

Die vorliegenden 21 Items, die durch das INCHER in das Projekt eingebracht wurden und deren konzeptionellen Hintergründe nicht explizit vorliegen, versucht die ‚learning outcomes’ der hochschulischen Programme im Sinne von Qualifikationen im beruflichen Anwendungsfeld zu erfassen. Die Problematik, die bei der Entwicklung von Items generell und auch in diesem Einzelfall besteht, sind die fehlenden Korrespondenzregeln zwischen empirisch fassbarer Realität und konzeptionellen Modellen. Die Entwicklung ist interpretativ und zunächst im Entwurfscharakter, die dann nach dem Einsatz hinsichtlich ihrer semantischen und empirischen Gültigkeit untersucht werden können (KROMREY 2009, 181).

4.1.2 Untersuchungsaspekt 1: Überprüfung der einzelnen Items

Zunächst wurde eine semantische Zuweisung der Items zu den entsprechenden Kompetenzdimensionen vorgenommen. Diese Zuordnung ist als re-konstruktive, interpretative Leistung und damit als erste semantische Prüfung zu betrachten, da wie oben beschrieben, die Entwicklung der Items durch das INCHER Kassel nicht explizit gemacht wird.

Die konfirmatorische Faktoranalyse wurde reflektiv aufgesetzt, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die vorgegebenen Items die Kompetenzdimensionen vollständig abdecken können (BOLLEN 1989). In der nachfolgenden Tabelle finden sich die Items und die Zuordnung zu den Deskriptoren sowie die entsprechende Faktorladung getrennt nach der Master und PhD-Ebene.

Tabelle 1: Zuordnung der Items zu den Kompetenzdimensionen der drei Modelle und deren Faktorladungen

 

DHQR-Modell

DQR-Modell

berufspädagogische Modell

Indikator

Konstrukt des Modells

Mast.

Dokt.

Konstrukt des Modells

Mast.

Dokt.

Konstrukt des Modells

Mast.

Dokt.

Beherrschung des eigenen Fachs, der eigenen Disziplin

Wissens-verbreitung

,54

,64

Wissen

1,00

1,00

Fachliche Kompetenz

,50

,69

Analytische Fähigkeiten

Wissens-verbreitung

,63

,59

Fertigkeiten

,57

,60

Methodische Kompetenz

,54

,58

Fähigkeit, neue Ideen und Lösungen zu entwickeln

Wissens-vertiefung

,65

,73

Fertigkeiten

,65

,73

Methodische Kompetenz

,66

,73

Fähigkeit, eigene Ideen und Ideen anderer in Frage zu stellen

Wissens-vertiefung

,56

,52

Selbständigkeit

,49

,47

Personale Kompetenz

,44

,44

Fähigkeit, wissenschaftliche Methoden anzuwenden

Wissens-vertiefung

,52

,71

Fertigkeiten

,56

,72

Fachliche Kompetenz

,69

,76

Fähigkeit, sich auf veränderte Umstände einzustellen

Instrumentale Kompetenz

,54

,59

Selbständigkeit

,47

,42

Methodische Kompetenz

,55

,51

Fähigkeit, fächerübergreifend zu denken

Instrumentale Kompetenz

,58

,55

Sozial-kompetenz

,60

51

Methodische Kompetenz

,61

,50

Fähigkeit, eigene Wissenslücken zu erkennen und zu schließen

Systematische Kompetenz

,68

,67

Selbständigkeit

,69

,71

Personale Kompetenz

,70

,71

Fähigkeit, sich selbst und seinen Arbeitsprozess effizient zu organisieren

Systematische Kompetenz

,72

,76

Selbständigkeit

,65

,68

Personale Kompetenz

,68

,71

Fähigkeit, effizient auf ein Ziel hin zu arbeiten

Systematische Kompetenz

,79

,75

Selbständigkeit

,72

,68

Personale Kompetenz

,76

,71

Fähigkeit, Berichte, Protokolle oder ähnliche Texte zu verfassen

Kommunikative Kompetenz

,48

,60

Sozial-kompetenz

,48

,60

Fachliche Kompetenz

,66

,64

Fähigkeit, Produkte, Ideen oder Berichte einem Publikum zu präsentieren

Kommunikative Kompetenz

,54

,62

Sozial-kompetenz

,53

,64

Fachliche Kompetenz

,45

,57

Fähigkeit, das Können anderer zu mobilisieren und diese zu motivieren

Kommunikative Kompetenz

,63

,58

Sozial-kompetenz

,63

,59

Soziale
Kompetenz

,69

,68

Fähigkeit, sich anderen gegenüber durchzusetzen

Kommunikative Kompetenz

,54

,54

Sozial-kompetenz

,50

,52

Soziale
Kompetenz

,55

,52

Fähigkeit, mit anderen produktiv zusammenzuarbeiten

Kommunikative Kompetenz

,46

,44

Sozial-kompetenz

,46

,44

Soziale
Kompetenz

,50

,50

 

Bei der Analyse der Faktorladungen wird deutlich, dass für sechs der 21 Items keine ausreichende Indikatorenreliabilitäten auftreten (nach FORNELL/ LARCKER 1981 zwischen 0.21 und 0.5) und damit deutliche Operationalisierungsprobleme aufweisen. Diese sechs Items stellen sich jedoch in allen der 6 Modelle (3 Referenzmodelle – DHQR, DQR sowie berufspädagogisches Modell – auf je 2 Ebenen: Master und Promotion) als gleich problematisch dar. Damit verweisen sie auf generelle Operationalisierungsprobleme und nicht auf modellspezifische. In der Konsequenz wurden diese Items bei den weiteren Berechnungen ausgeschlossen. In der genaueren Betrachtung zeigen sich bei diesen sechs Items folgende problematische Aspekte:

· Bei einzelnen Items ist anzunehmen, dass diese, obwohl konzeptionell einer Kompetenz zuordenbar, einen eindeutigen Bezug zum Studienfach aufweisen und von daher die Selbsteinschätzung je nach Studienfach sehr unterschiedlich ausfällt (z. B. bei Item ‚Fähigkeit, wirtschaftlich zu denken und zu handeln’ oder ‚Fähigkeit, in einer Fremdsprache zu schreiben und zu sprechen’). Diese Items stehen exemplarisch für die grundlegende Frage der berufsfeld- / domänenspezifischen Modellierung oder einer generell übergreifenden.

· Andere Items sind bereits in ihrer Anlage nur schwer einer Kompetenzdimension zuzuordnen (z. B. ‚Fähigkeit, unter Druck gut zu arbeiten’, die mit Bezug auf den DHQR sowohl auf Wissens- als auch auf Könnensanteile verweisen). Diese problematischen Items stehen exemplarisch für die grundlegende Frage, ob die Item-Operationalisierung analytisch in Bezug auf die Kompetenzdimensionen und -stufen vorgenommen werden kann.

· Weitere Items sind undeutlich und mit sehr unterschiedlichen Interpretationshintergründen zu betrachten (z. B. ‚Fähigkeit, gleichstellungsorientiert zu handeln’, ‚Fähigkeit, in interkulturellen Zusammenhängen zu handeln’ und ‚Fähigkeit, die Folgen von Theorie und Praxis meines Fachs für Natur und Gesellschaft zu beurteilen’). Allen diesen Formulierungen gemeinsam ist die Problematik, dass diese entweder keine Relevanz im lebensweltlichen Kontext der Absolventen besitzen oder nicht entsprechend zugänglich formuliert wurden. Diese problematischen Items stehen exemplarisch für die grundlegende Frage, wie eine, mit der angelegten Bedeutung konsistente Interpretation der Items bei den Absolvent/-innen unterstützt werden kann.

4.1.3 Untersuchungsaspekt 2: Kennzahlen des Modellfit

In einem zweiten Schritt wurden für die drei Referenzmodelle (DHQR, DQR und berufspädagogisches Modell, differenziert nach den beiden Gruppen (Master-Niveau und PhD-Niveau) die Kennzahlen für den Modellfit anhand der konfirmatorischen Faktoranalyse berechnet. Diese können der Tabelle 2 entnommen werden. Zu den genaueren Analysen der Kennzahlen und Gütekriterien wird auf die Darstellung der Studie bei DILGER/ EBERT/ LANDMANN 2012 verwiesen.

Tabelle 2: Gütekriterien in Bezug auf Modellfits der berechneten Modelle

 

Chi²

RMSEA

SRMR

TLI

CFI

DQRH-Modell (Master)

1939,811***

0,085

0,0603

0,805

0,844

DQRH-Modell (Promotion)

311,696***

0,088

0,0708

0,819

0,855

DQR-Modell (Master)

2645,385***

0,100

0,0743

0,737

0,743

DQR-Modell (Promotion)

395,691***

0,102

0,0884

0,759

0,803

berufspädagogische Modell (Master)

2232,955***

0,093

0,0734

0,774

0,819

berufspädagogische Modell (Promotion)

362,792***

0,098

0,0825

0,778

0,823

 

Als Ergebnis der Analyse der Kennwerte für den Modellfit kann einerseits der Chi2-Wert betrachtet werden. Dieser ist in allen sechs Modellen signifikant, dies ist jedoch eher durch die hohe Stichprobengröße und die nicht normal verteilten Daten zu erklären (BOLLEN 1989). Im Vergleich zu den sich in der sozialwissenschaftlichen Forschung etablierten Schwellenwerten (HU/ BENTLER 1999) ist das DQR-Modell mit Werten außerhalb der Cutoff-Kriterien als Referenzmodell zu verwerfen. Eine akzeptable Passung – wenn auch nur im moderaten Bereich – liegt für das Referenzmodell des DHQR auf der Ebene der Masterabschlüsse vor. Die Gütemaße für das berufspädagogische Modell liegen ebenfalls nur im mäßigen Bereich, jedoch in einem etwas besseren Maße als das DQR-Modell. In einem paarweisen Vergleich der Faktorladungen für die moderat ‚passenden’ Modelle des DHQR und des berufspädagogischen Modells fallen weitere Items auf, die in ihren Indikatorenreliabilitäten Werte unter 0.5 aufweisen. Diese sind hinsichtlich ihrer Formulierungen problematisch oder in ihrer Zuweisung zu den Kompetenzdimensionen. Eine erneute Überprüfung der Kennwerte dieser Modelle ohne diese jeweiligen Items verbessert zwar die Kennzahlen der Modellfits führen jedoch nicht zu einer konzeptionellen Weiterentwicklung (DILGER/ EBERT/ LANDMANN 2012).

4.1.4 Interpretation der Studie und erste Konsequenzen

Die konfirmatorische Faktoranalyse macht deutlich, dass die von INCHER Kassel vorgenommene Operationalisierung am ehesten zu den konzeptionellen Grundlagen des Deutschen Hochschulqualifikationsrahmen passt, was aufgrund des Hochschulkontextes der Absolventenstudien auch erwartbar ist. Dabei wäre jedoch eine bessere Passgenauigkeit als die dargestellte erwartbar gewesen. Dies weist auf einen Modifikationsbedarf und Weiterentwicklungsbedarf der Items hin.

Für die Betrachtung der Ausgangsfrage von Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung lassen sich jedoch aus diesen Ergebnissen weitere Diskussionsstränge herausarbeiten. Die These, dass die beiden Referenzrahmen (DHQR und DQR) kompatibel sind (AK DQR 2011, 5) kann über die im KOAB-Projekt vorgenommene Operationalisierungsleistung nicht unterstützt werden. Damit kann ein Änderungsbedarf der Items festgestellt werden, dass diese besser als bisher die Strukturen des DQR mit abbilden können. Aus unserer Sicht verweist jedoch die Überprüfung darauf, dass die Kompatibilität sich weniger in den inhaltlichen Konzeptionen widerspiegelt. Damit ist ein Indikator und Ansatzpunkt dargestellt, der die Konzeption der ‚learning outcomes’ je nach Teilbildungssystem, wie sie derzeit vorherrscht, und ihre Passungsfrage in Frage stellt. Je stärker sich die Beschreibungsmuster der ‚learning outcomes’ an den Traditionen des Teilbildungssystems orientieren (wie dies im DHQR an den Vorarbeiten der Dublin-Deskriptoren und des TUNING-Modells zu erkennen ist vgl. Punkt 2.1), umso mehr führt dies zu einer Divergenz der Beschreibungsrahmen. Diese besitzen nicht mehr die ihnen ursprünglich zugeschriebene Funktion der transparenten Darstellung von ‚learning outcomes’, als Beschreibungsmöglichkeit unabhängig von der formalen Bildungsmaßnahme bzw. vom formal strukturierten (Teil-)Bildungssystem.

Der Vergleich zu den Analysen der Kennwerte zwischen DHQR und dem berufspädagogischen Modell zeigt dabei auch nochmals die Differenz von einer Beschreibung einer output-Perspektive (Ergebnisse von Studienprogrammen), wie im Modell des DHQR argumentiert wird, während das berufspädagogische Modell stärker bereits den Anwendungsbezug mit berücksichtigt (outcome-Perspektive). Für die Frage von Gleichwertigkeit stellt sich aus unserer Sicht jedoch stärker die Frage nach der Struktur der outcomes weniger des outputs.

Ein vierter Diskussionspunkt wird aus den Analysen deutlich. Die in den beiden Modellen (DHQR und DQR) geforderte konzeptionelle Stufendifferenzierung wird in der vorhandenen Operationalisierung nicht aufgenommen und eine sowohl semantische als auch empirische Trennung der Zuordnung zu einzelnen Niveaustufen bzw. Zyklen ist nicht möglich. Bei der Analyse der Faktorladungen einzelner Items auf den unterschiedlichen Abschlussebenen lassen sich Unterschiede ausmachen, die gegen eine niveaustufenübergreifende Operationalisierung sprechen. Zwei Folgen lassen sich u. E. daraus ziehen: Es müsste entweder bei der Überarbeitung auf eine Modifikation hinsichtlich einer stufenübergreifenden Item-Konstruktion Wert gelegt werden, oder man wechselt die Operationalisierungslogik hin zu einer stufenspezifischen Form, dies würde gesonderte Item-Konstruktionen für die Ebenen erfordern.

4.2 Das Konzept der Berufswertigkeit – Ergebnisse zweier Studien zur Frage der Gleichwertigkeit akademischer und beruflicher Qualifizierungswege

Den Aspekt der Differenz zwischen output und outcome aufgreifend und auf der Suche nach einem (Teil-)Bildungssystem-übergreifenden Ansatz der Beschreibung von ‚learning outcomes’ wird im Folgenden eine weitere Untersuchung dargestellt, die zum Ziel hatte, sowohl eine übergreifende Beschreibungsmöglichkeit zu entwickeln als auch der Frage der Gleichwertigkeit von beruflichen und akademischen Abschlüssen im konkreten Vergleich innerhalb zweier beruflicher Domänen nachzugehen (DIART et al. 2008; KLUMPP et al. 2011).

4.2.1 Entwicklung des Berufswertigkeits-Index

Mit der Studie ‚Vergleich der Berufswertigkeit von beruflichen Weiterbildungsabschlüssen und hochschulischen Abschlüssen’ wurde die Gleichwertigkeit von in unterschiedlichen Teil-Bildungssystemen erworbenen Abschlüssen im beruflichen Anwendungsfeld untersucht. Zur ausführlichen Darstellung der Studie sei auf DIART et al. (2008) verwiesen. Dazu wurde der ‚Berufswertigkeits-Index’ als Referenzrahmen für die Beschreibung der Wertigkeit, zunächst über die telefonische Befragung von 800 Unternehmen in vier Branchen in NRW, anhand von beruflichen Anforderungen an Führungskräften erhoben. Die Ergebnisse wurden mit curricularen Analysen abgeglichen und daraus wurde der Maßstab des Berufswertigkeits-Index entwickelt. Dieser umfasst 36 unterschiedliche Kriterien. Ziel der Studie war es somit, ein Referenzmaß für die Beschreibung von ‚learning outcomes’ aus der Perspektive des beruflichen Anwendungsfeldes zu entwickeln. Der ‚Berufswertigkeits-Index’ umfasst dabei Aspekte mit fachlichen Anforderungen wie z. B. ‚Die Wahrnehmung der Aufgaben von Betriebsführung und -organisation’, methodischen Anforderungen z. B. ‚Verständnis für die Lösung komplexer, technischer Probleme’, Anforderungen die auf eine persönliche Einstellung abzielen z. B. ‚Selbstständigkeit und Eigeninitiative’ sowie Aspekte die vorrangig auf kommunikative Anforderungen abzielen z. B. ‚Angemessene Verdeutlichung des eigenen Standpunktes’. Wichtig bei der Entwicklung der Aspekte war es dabei, dass die Form der Beschreibung sich weitgehend an den ‚Sprachmustern’ der beruflichen Praxis orientiert (DIART et al. 2008). Diesen einzelnen Anforderungen wurde ein Wertebereich der Ausgangsskala mit 5 Stufen – nach Schulnotensystem – zugewiesen. Die 36 Anforderungen wurden zu einem ungewichteten Maßstab aggregiert und normiert, dessen Berechnung die folgende Abbildung 1 widergibt (vgl. DIART et al. 2008):

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Abb. 1: Darstellung Berufswertigkeits-Index

Mit Hilfe dieses Maßstabes wurden 804 Führungskräfte hinsichtlich ihrer Selbsteinschätzung zu diesem Maßstab befragt, wobei bei den befragten Führungskräften vier unterschiedliche Qualifizierungswege unterschieden werden konnten: Vertreter von ‚rein’ hochschulischer Qualifizierung, Vertreter mit ausschließlichen beruflichen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Vertreter mit hochschulischer Ausbildung und beruflicher Weiterbildung als auch Vertreter mit beruflicher Ausbildung und darauf folgendem Hochschulstudium.

Mit Hilfe des Berufswertigkeits-Index können Aussagen ermittelt werden, wie stark die befragten Führungskräfte ihrer eigenen Einschätzung nach den aus der Berufspraxis ermittelten Anforderungen entsprechen. Über die Normierung des Berufswertigkeits-Index kann dieser einen hypothetischen Wertebereich von 0 – 100 % aufweisen. Analytisch bedeutet ein Berufswertigkeits-Indexwert von 0 %, dass eine einzelne Person in Bezug auf alle 36 Kriterien ihrer eigenen Einschätzung nach sich mit mangelhaft einstuft. Ein Wert von 100 % im Gegensatz dazu, dass sich eine Person in Bezug auf alle 36 Anforderungen mit sehr gut (1) selbst einschätzt. Je höher der Wert des Berufswertigkeits-Index für eine Person oder aggregiert für eine Gruppe ausfällt, umso höher ist die Berufswertigkeit. In der ersten Studie zur Anwendung des Berufswertigkeits-Index (DIART et al. 2008) wurde dann die Frage nach der Verteilung der Gruppen mit ‚reinen’ Bildungsbiographien gegenübergestellt (N= 309 der ursprünglich befragten 804 Führungskräfte). Dabei ist es aus unserer Sicht wichtig, die aggregierte Verteilung der Gruppe zu analysieren und nicht die individuellen Ergebnisse einzelner, um die Frage nach der Gleichwertigkeit von Bildungsgängen näher beleuchten zu können.

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Abb. 2: Verteilung der beiden Gruppen (Hochschule / berufliche Bildung) nach dem Berufswertigkeits-Index (DIART et al. 2008)

In der Grafik fällt der fast kongruente Verlauf der Verteilungskurven auf. Dies kann so interpretiert werden, dass die vom Standpunkt der beruflichen Verwendungsperspektive her getroffenen Einschätzungen von Absolventen beruflicher und akademischer Bildungsverläufe sich gleichwertig darstellen. Weitere Untersuchungen z. B. in Hinblick auf die Mittelwerte und Abweichungen bestätigen diese Annahme (DIART et al. 2008).

Mit der ersten Untersuchung traten jedoch weitere Fragestellungen und Überlegungen auf, die dann zur Fortführung der Untersuchung im Projekt ‚Berufswertigkeit konkret’ (vgl. Punkt 4.2.2) geführt haben. Die folgenden Aspekte beförderten die Diskussion und den weitergehenden Forschungsbedarf:

· Direkte Fallvergleiche in einzelnen Branchen konnten aufgrund der geringeren Fallzahlen nicht vorgenommen werden, so dass zwar die generelle Aussage über die betrachteten Branchen hinweg getroffen werden konnte, jedoch nicht in Bezug auf die Frage der Gleichwertigkeit in Bezug auf eine Branche.

· Der Aspekt der Wirkung von (langjähriger) Berufserfahrung auf die Ausprägung des Berufswertigkeits-Index wurde zwar in der ersten Studie kontrolliert, jedoch nicht systematisch erforscht.

· Verbunden mit dem weitergehenden Bedarf zur Erforschung der Wirkung von Praxiserfahrung ist die Schwierigkeit, dass bei Teilnehmern mit langjähriger Berufserfahrung die Frage der Gleichwertigkeit von ursprünglichen Bildungsabschlüssen nicht mehr explizit bestimmt werden kann.

4.2.2 Berufswertigkeit konkret – Anlage der Studie

Mit der Folgestudie ist das Ziel verbunden, mit Hilfe des Berufswertigkeits-Index Aussagen zur Annahme der Gleichwertigkeit spezifischer beruflicher Weiterbildungsabschlüsse und ihren hochschulischen Pendants zu treffen. Dabei wurden die beiden Domänen Handel und Kraftfahrzeugtechnik ausgewählt. Als berufliche Weiterbildungsabschlüsse wurden der ‚Handelsfachwirt / Handelsfachwirtin (IHK) und Kraftfahrzeugtechnikermeister/-meisterin (HWK)’ herangezogen. Damit wird für spezifische Anforderungen der jeweiligen beruflichen Praxis das summative Abschneiden der einzelnen Teilnehmer betrachtet. Das Sample der Teilnehmer wurde weiterhin dahingehend unterteilt, dass sowohl ‚junge Absolventen / Absolventinnen’ (max. drei Jahre Berufserfahrung) als auch Teilnehmer mit längerer Berufserfahrung ‚Führungskräfte’ (mind. 5 Jahre Führungserfahrung) differenziert wurden, um den Aspekt der Wirkung von Praxiserfahrung näher bestimmen zu können (KLUMPP et al. 2011).

Mit den beiden vorgenommenen Konkretisierungen hinsichtlich der korrespondierenden Abschlüsse und der Berufserfahrung konnte eine Konkretisierung der Frage der Gleichwertigkeit akademischer und beruflicher Weiterbildungsabschlüsse in der technischen und kaufmännischen Branche vorgenommen werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden mittels standardisierter telefonischer Interviews von Juni – November 2009 befragt. Alle Teilnehmer wurden gebeten, sich anhand der 36 Kriterien des Berufswertigkeits-Index selbst einzuschätzen, sowie im Vergleich dazu das Abschneiden eines ‚typischen’ Vertreters des eigenen Abschlusses einzuschätzen. In 69 Fällen konnte neben der Selbsteinschätzung eine korrespondierende Fremdeinschätzung durch eine, dem Teilnehmer / der Teilnehmerin hierarchisch gleich oder höher gestellte Person eingeholt werden. Die beiden letzten Aspekte dienten zur Kontrolle der Frage, ob die Selbsteinschätzung eine zutreffende Erhebungsform darstellt.

4.2.3 Die Studie ‚Berufswertigkeit konkret’

Die folgende Abbildung zeigt wiederum die Verteilung des Berufswertigkeits-Index der beiden Gruppen: ‚reine’ berufliche Weiterbildung sowie ‚reine’ hochschulische Bildung.

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Abb. 3: Verteilung des Berufswertigkeits-Index in den beiden Gruppen berufliche und hochschulische Abschlüsse (KLUMPP et al. 2011)

Die beiden Verteilungskurven verlaufen fast kongruent zueinander und zeigen keine signifikanten Unterschiede auf. Bis zu einem Erfüllungsgrad von 65 % verlaufen sie nahezu identisch, danach kreuzen sich die Verteilungskurven mehrfach. Für den Bereich ab 90 % zeigt sich, dass die Gruppe der hochschulischen Bildung die Mehrheit besitzt. Diese Analysen belegen die Annahme, dass von einer vergleichbaren beruflichen Wertigkeit der vier miteinander verglichenen Abschlüsse in Relation zu den aus der Berufspraxis definierten Anforderungen ausgegangen werden kann. Differenziert nach den beiden Branchen ergeben sich keine grundlegend davon abweichenden Darstellungen, wenngleich sich die Verteilungskurven hier je spezifisch ausprägen. Es können jedoch keine signifikanten Unterschiede in den Verteilungen des Berufswertigkeits-Index zwischen den jeweilig verglichenen Abschlüssen ausgemacht werden.

Der Effekt der Wirkung von Praxiserfahrung auf die Selbsteinschätzung hinsichtlich der 36 Kriterien konnte im Vergleich der Gruppen der Absolventen zu den Führungskräften nachgezeichnet werden, jedoch wurde auch auf der Ebene der Absolventen die Gleichwertigkeit überprüft. Die Gleichwertigkeit kann mit kurzem Abstand nach dem Abschluss herausgestellt werden. Der Effekt der beruflichen Praxiserfahrung erhöht die Selbsteinschätzung bei beiden Gruppen gleich. Zu diesen und weiteren Analysen wird auf KLUMPP et al. (2011) verwiesen.

Mit den beiden Studien ‚Berufswertigkeit’ und ‚Berufswertigkeit konkret’ wurde die Frage der Gleichwertigkeit anhand eines Referenzmaßes gemessen, das aus der beruflichen Praxis heraus entwickelt wurde und die Anforderungen der beruflichen Praxis widerspiegelt. Über den Berufswertigkeits-Index können zwar je nach Abschluss unterschiedliche Anforderungsprofile beschrieben werden, jedoch keine signifikanten Unterschiede in der Höhe der Einschätzungen (KLUMPP et al. 2011). Aus der Betrachtung der Analysen und Ergebnisse lassen sich aus unserer Sicht folgende Aspekte zur weiteren Diskussion herausstellen:

· Der Berufswertigkeits-Index in der vorliegenden Konzeption geht von einer branchenübergreifenden Formulierung der einzelnen 36 Kriterien und einer gleichen Gewichtung dieser aus und nimmt keine branchenspezifische Ausprägung in der Benennung sowie deren Gewichtung vor. Dies lässt aus unserer Sicht den Aspekt der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Kriterien offen sowie die Frage nach einer sektor- und branchenspezifischen Untersuchung.

· Der Berufswertigkeits-Index misst damit nicht die für einen ‚Beruf’ im Sinne eines spezifischen Anforderungsbündels erforderlichen Anforderungen, sondern stellt generelle Anforderungen branchenübergreifend dar und stellt somit einen generellen Maßstab für die Anforderungen dar, die mit einer qualifizierten Tätigkeiten und mit Führungsverantwortung verbunden sind. Inwieweit sich hierüber auch Aussagen auf entsprechend niederen Stufen gemäß des Deutschen Qualifikationsrahmens erheben lassen, müsste weitergehend überprüft werden.

· Die Länge der Praxiserfahrung im Beruf spielt eine große Rolle bei der getroffenen Selbsteinschätzung und verweist auf Effekte des non-formellen und informellen Lernens. Teilnehmer / Teilnehmerinnen mit längerer Praxis- und Führungserfahrung schätzen sich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit im Berufswertigkeits-Index höher ein. Daraus kann positiv abgeleitet werden, dass die 36 Kriterien des Berufswertigkeits-Index in der Berufspraxis verankert sind. Kritisch ist dabei zu diskutieren, dass die Frage nach dem Referenzniveau der vorgenommenen Selbsteinschätzung nicht explizit ausgemacht werden kann. Hier können unterschiedliche Erwartungs- und Verwertungskontexte einen erheblichen Einfluss auf die Selbsteinschätzung nehmen. In der Konsequenz stellt sich hiermit auch für den Berufswertigkeits-Index die Frage nach der geeigneten Skalierung und der Bestimmung von ‚externen’ Niveaumaßstäben.

· Auch in der Analyse der Studie ‚Berufswertigkeit konkret’ konnten keine Grenzen bzw. Indikatoren für unterschiedliche Niveaus in dem Berufswertigkeits-Index-Verlauf ausgemacht werden. Von daher können über die vorliegenden Erhebungen zwar die Verteilungen und deren signifikanten Übereinstimmungen zwischen beruflichen und hochschulischen Niveaus ausgemacht werden, es fehlen jedoch weiterhin die Hinweise zur evidenzbasierten Definition von Niveau bzw. Niveaugrenzen innerhalb der Verteilung.

· Über die vorgenommene Definition und Analyse ist der Vergleich der ‚Berufswertigkeit’ von Abschlüssen auf der Basis von Verteilungsmaßen möglich, nicht jedoch auf der Basis von Einzelabschlüssen. Insofern stellt der Berufswertigkeits-Index zwar als externer Maßstab eine Möglichkeit zur sektor- und branchenübergreifenden Darstellung von Anforderungen dar, jedoch keinen externen Referenzmaßstab für Einzel-Einschätzungen.

5 Implikationen aus den Studien in Bezug auf die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung im Lichte der Kompetenzorientierung

Die durchgeführten Forschungsstudien verweisen aus unserer Sicht auf die folgenden diskussionswürdigen oder sogar problematischen Aspekte in der Frage der ‚Gleichwertigkeit’ beruflicher und akademischer Bildung:

· Mit der Überprüfung von Items im Kontext der Absolventenstudien wurde deutlich, dass Bemühungen um eine verbesserte Konstruktvalidität sich eng an dem konzeptionellen Kern des Zielkonstrukts ausrichten. In der Folge führt es dazu, dass Operationalisierungen für ein (Teil-)Bildungssystem nicht einfach übertragbar sind auf ein anderes (Teil-)Bildungssystem. Gleichermaßen stellt sich die Übertragung von einem Teilbildungssystem auf das Gesamt-Bildungssystem schwierig dar. Verdeutlicht wurde darüber auch, dass die konzeptionellen Divergenzen in den drei überprüften Referenzmodellen (DHQR, DQR sowie berufspädagogisches Modell) zu einer Ablehnung der bildungspolitisch definierten Kompatibilitätsthese führen. In diesem Sinne können auch – über die jeweiligen Referenzmodelle unterschiedlich beschriebene – ‚learning outcomes’ wenig zur Klärung von Gleichwertigkeit beitragen.

· In den Überlegungen zu den konzeptionellen Hintergründen der Referenzrahmen und -modelle für ‚learning outcomes’ wird deutlich, dass es eine Differenz zwischen den grundlegenden Perspektiven der Formulierung als Ergebnis von Bildungsmaßnahmen oder als Anforderungsprofil gibt. Die für die Frage der ‚Wertigkeit’ erforderlichen Modellierungsbemühungen aus der Perspektive des Anwendungsfeldes werden bisher nur rudimentär aufgenommen. Die Untersuchungen zu den verschiedenen Modellfits belegen jedoch, dass die beiden Perspektiven nicht über gleiche Items operationalisiert werden können. Hier besteht weitergehender Modifizierungs- und Entwicklungsbedarf. Dieser Bedarf besteht ebenso hinsichtlich der Differenzierung in Niveaustufen.

· Mit der Forschungsstudie zur Berufswertigkeit wurde aufgezeigt, wie die Perspektive des beruflichen Anwendungsfeldes in der Frage der Beschreibung von Wertigkeit konzeptionell aufgenommen werden kann. Deutlich wird aus den bisherigen Erfahrungen dazu, dass darüber zwar ein Bild der Anforderungen einer qualifizierten Tätigkeit aufgenommen werden kann, dies jedoch nicht berufsfeldspezifisch und damit im Kern wiederum den Aussagegehalt der ‚Wertigkeit’ auf berufsübergreifende generelle Aspekte reduziert.

Mit den vorgenommenen Überlegungen zeigt sich, dass in der Frage der Entwicklung eines Vergleichsmaßstabes für die Feststellung von Gleichwertigkeit sich folgende Dilemmata ergeben, die bei der weitergehenden Entwicklung ausbalanciert werden müssen.

Dilemma 1: Je näher der Vergleichsmaßstab sich an Konzeptionen von Teil-Bildungssystemen orientiert, desto anschlussfähiger ist er, jedoch umso weniger nützlich ist er für die Feststellung von Fragen der Gleichwertigkeit.

Dilemma 2: Je mehr sich der Vergleichsmaßstab an einem konkreten Ausschnitt der Anforderungssituation orientiert, desto genauer sind branchen- oder sektorspezifische Aussagen zu treffen, umso weniger anwendbar wird er für die Durchführung von Vergleichen über Branchen oder Sektoren hinweg.

Dilemma 3: Je genauer die Operationalisierung vorgenommen und empirisch geprüft wird, umso schärfer kommen die konzeptionellen Differenzen zum Tragen.

Dilemma 4: Ohne Konzeption von Niveaubestimmungen und Grenzen von Niveaus lassen sich keine unterschiedlichen Niveaus empirisch bestimmen.

6 Fazit

Mit dem Beitrag sollte aufgezeigt werden, dass über das Steuerungsinstrument ‚learning outcomes’ Referenzmodelle für die Beschreibung der ‚Wertigkeit’ von Bildungsmaßnahmen in den bildungspolitischen Kontext Einzug erhalten haben. Die genauere Betrachtung der Referenzrahmen und -modelle zeigt die konzeptionellen Differenzen, die sich auch bei bildungspolitisch gesetzten Kompatibilitäten nicht einfach in einheitlich gültige Instrumente umsetzen lassen. Mit der Darstellung der beiden Forschungsstudien wurden unterschiedliche Aspekte der Entwicklung und Verwendung von Vergleichsmaßstäben zur Erhebung und Überprüfung von Gleichwertigkeit dargestellt. Diese Erfahrungen verweisen jedoch eher auf weitergehende Forschungs- und Entwicklungsleistung denn auf gangbare Lösungen. Darüber kann auf mögliche Hindernisse und konzeptionelle Brüche aufmerksam gemacht werden, die nur bedingt durch bildungspolitische Setzungen umgangen werden können.

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Zitieren dieses Beitrages

BUSCHFELD, D./ DILGER, B. (2012): Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung im Lichte der Kompetenzorientierung – Erfahrungen und Diskussionspunkte aus Forschungs- und Entwicklungsprojekten. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 23, 1-21. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe23/buschfeld_dilger_bwpat23.pdf  (12-12-2012).


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