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bwp@ Ausgabe Nr. 23 | Dezember 2012
Akademisierung der Berufsbildung
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 23 sind Karin Büchter, Dietmar Frommberger & H.-Hugo Kremer

Die „Berufsmatura“ als ein Modell zur Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und tertiärer Bildung in Österreich? – Individuelle Bildungsverläufe und Motive von TeilnehmerInnen

Beitrag von Martin MAYERL (Österreichisches Institut für Berufsbildungsforschung, Wien)


Abstract

Der wichtigste nicht-traditionelle Hochschulzugang stellt in Österreich die Berufsreifeprüfung dar. Vor dem Hintergrund bekannter Forderungen (soziale Durchlässigkeit, Attraktivitätssteigerung beruflicher Bildung) wurde 2008 für Lehrlinge das Ausbildungsmodell „Berufsmatura: Lehre mit Reifeprüfung“ geschaffen, das parallel zur dualen Ausbildung die kostenlose Absolvierung der Berufsreifeprüfung ermöglicht. Die aktuellen TeilnehmerInnenzahlen belegen die hohe Akzeptanz dieser Ausbildungsoption bei den Lehrlingen.
Im vorliegenden Beitrag werden die bildungspolitischen Begründungslinien der Durchlässigkeitsdebatte zwischen beruflicher und tertiärer Bildung im Kontext des Ausbildungsmodells „Berufsmatura“ eingehend diskutiert. Daran anschließend wird auf die individuellen Perspektiven der Teilnehmenden dieses Ausbildungsmodells in zweifacher Weise eingegangen:
Erstens werden die bisher absolvierten Bildungswege der TeilnehmerInnen und ihre Lehrberufe dargestellt. Welche Zielgruppen werden von der Berufsmatura besonders angesprochen? Dabei werden die Bildungsverläufe der TeilnehmerInnen dieses Ausbildungsmodells denjenigen der „normalen“ Lehrlinge gegenübergestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass Lehrlinge mit wechselhaften Bildungsverläufen („UmsteigerInnen“) und bestimmten Lehrberufsgruppen überproportional vertreten sind. Zweitens wird auf die Motive und Erwartungen der Lehrlinge, die mit dem Erwerb der Berufsreifeprüfung und der Zugangsmöglichkeit zum tertiären Bildungssektor verbunden sind, fokussiert. Es wird deutlich, dass für die Lernenden vor allem arbeitsmarkt- bzw. karrierebezogene Motive dominant sind.
Die Grundlage der empirischen Datenanalyse bildet eine 2012 eigens durchgeführte Evaluierung, dessen Kernstück eine Befragung von TeilnehmerInnen dieses Ausbildungsmodells (n=2443) darstellt.


The "professional baccalaureate certificate" (Berufsmatura in Austria) as a model for the increase of the permeability between vocational and tertiary education in Austria? Individual educational pathways and motives of participants

The most important non-traditional access to higher education in Austria is the professional baccalaureate certificate. Against the background of well-known demands (social permeability, increase in the attractiveness of vocational education) the educational model “professional baccalaureate certificate: apprenticeship with vocational school-leaving qualification” was created for apprentices in 2008, which makes it possible for them to complete the professional baccalaureate certificate parallel to the dual system of education and training, at no extra cost. The current participant numbers are proof of the high level of acceptance of this training option amongst the apprentices.
In this paper the educational and political justifications of the permeability debate between vocational and tertiary education in the context of the educational model of the “professional baccalaureate certificate” are discussed in detail. Following this, the paper examines the individual perspectives of the participants in this educational model in a two-fold way:
Firstly, the educational pathways completed by the participants thus far and their professions are presented. Which target groups are particularly addressed by the professional baccalaureate certificate? In the process, the educational pathways of the participants in this educational model are contrasted with those of the ‘normal’ apprentices. The results show that apprentices with changeable educational pathways (those who switch courses) and particular vocational groups are over-represented. Secondly,  there is a focus on the motives and expectations of the apprentices, which are connected with achieving the vocational school-leaving qualification and the possibility of accessing the tertiary educational sector. It becomes clear that, for the learners, labour market and career-related motives are particularly dominant.
The foundation of the empirical data analysis is an evaluation which was carried out in 2012, the focus of which was a survey of participants in this educational model (n=2443).

1 Einleitung

Der Begriff „Durchlässigkeit“ ist in den letzten Jahren – angetrieben durch internationale Benchmarks und Vergleichsstudien (beispielsweise OECD, PISA) – zunehmend ins Zentrum gerückt, wenn es um die kritische Hinterfragung nationaler Bildungssysteme geht. Auch in der Agenda „Lebenslanges Lernen“ der EU nimmt die Forderung zur Erhöhung der Durchlässigkeit innerhalb und zwischen nationalen Bildungssystemen einen zentralen Stellenwert ein (vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION 2010). Vor diesem Hintergrund wurde in Österreich die „Berufsmatura“ mit dem Ziel implementiert, die berufliche und tertiäre Bildung durchlässiger zu gestalten.

In Österreich verfügt ein großer Teil der Personen mit Berufsabschluss über keine (allgemeine) Hochschulberechtigung und ist somit von tertiären Bildungsangeboten ausgeschlossen. Um dieser Gruppe die Option zu eröffnen, über den „zweiten Bildungsweg“[1] eine allgemeine Hochschulberechtigung zu erwerben, wurde vor 15 Jahren die Berufsreifeprüfung eingeführt. Aufgrund der positiven Erfahrungen (vgl. KLIMMER/ SCHLÖGL 2006) wurde 2008 diese Qualifikationsmöglichkeit für Lehrlinge in der dualen Berufsausbildung erweitert und das Förderprogramm „Berufsmatura: Lehre mit Reifeprüfung“ eingerichtet. Damit wird den Lehrlingen erstmals eine Bildungsoption angeboten, die parallel zur dualen Berufsausbildung den Erwerb einer allgemeinen Hochschulberechtigung ermöglicht.

Ziel dieses Beitrags ist es, Aspekte der Durchlässigkeit zwischen der dualen Berufsausbildung und der tertiären Bildung im Kontext der „Berufsmatura“ zu diskutieren. Nach einem Überblick über das österreichische Hochschulberechtigungssystem rückt die Darstellung und Diskussion ausgewählter Ergebnisse aus einer erstmalig durchgeführten Evaluierung (vgl. SCHLÖGL et al. 2012) in den Fokus: (1) Welche Lehrberufe üben die TeilnehmerInnen der Berufsmatura aus? (2) Welche individuellen Bildungswege haben die TeilnehmerInnen vor der Berufsmatura absolviert? (3) Welche Motive haben zur Teilnahme geführt und welche Erwartungen werden mit dem Erwerb der Berufsmatura verbunden?

2 Berufsbildung und Hochschulzugang in Österreich

2.1 Allgemein- und berufsbildende Differenzierung im österreichischen Bildungswesen

Das österreichische Bildungswesen stellt verschiedene Möglichkeiten und Wege bereit, um von der sekundären zur tertiären Stufe des Bildungswesens übertreten zu können, genauer um eine allgemeine Hochschulberechtigung zu erwerben. Nach Absolvierung der Pflichtschulphase stehen grundsätzlich zwei weiterführende Bildungsoptionen offen: Erstens, die allgemeinbildende Option (Allgemeinbildende höhere Schulen, kurz: AHS), die zum Erwerb einer allgemeinen Hochschulreife durch die Reifeprüfung (Matura) führt. Zweitens kann aus einer Mehrzahl von berufsbildenden Optionen ausgewählt werden. Einerseits gibt es vollschulische berufliche Ausbildungsvarianten in Form von berufsbildenden mittleren Schulen (BMS) und berufsbildenden höheren Schulen (BHS). Andererseits gibt es die Möglichkeit, eine duale Ausbildung (Lehrausbildung) zu absolvieren. Innerhalb der berufsbildenden Ausbildungsoptionen in der Sekundarstufe II führt einzig die BHS zur Reifeprüfung (Matura) und damit zu einer allgemeinen Hochschulberechtigung (mehr dazu in Kapitel 2.2).

Die berufsbildende Ausbildungsoption dominiert im österreichischen Bildungswesen: 71% der SchülerInnen in der Sekundarstufe II durchlaufen einen berufsbildenden Bildungsgang und 23% eine allgemeinbildende höhere Schule (OECD 2011, Berichtszeitraum 2009). Je nach Bildungswegentscheidung sind damit differenzierte Anschlussberechtigungen nach der Sekundarstufe II gegeben.

In den letzten 10 Jahren hat sich ein gut dokumentierter Forschungsstand über die soziale Ungleichheit im österreichischen Bildungswesen angesammelt, der sich auf verschiedenste Datenquellen (wie Mikrozensus, europäische Haushaltspanel, PISA, PIRLS) stützt (zur Übersicht vgl. BACHER 2008, 529ff.). Die Forschungslage zeichnet einen klaren Befund im Hinblick auf die soziale Selektivität des Bildungswesens: Die Bildungschancen werden in hohem Maße von der sozialen Schichtzugehörigkeit der Eltern bestimmt. Je höher die Schichtzugehörigkeit der Eltern, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder einen höheren Bildungsabschluss erreichen. (vgl. BACHER 2008; vgl. LACHMAYR/ ROTHMÜLLER 2009). Diese schichtspezifischen Effekte auf die Bildungswegentscheidung können sowohl an der Schnittstelle Primarstufe/Sekundarstufe I als auch an der Schnittstelle Sekundarstufe I/Sekundarstufe II nachgewiesen werden. Die Studie von LACHMAYR/ ROTHMÜLLER (2009) hebt hervor, dass die Bildungswegentscheidungen, die an den Schnittstellen getroffen werden müssen, stark mit den Bildungsaspirationen der Eltern (und damit der sozialen Herkunft) korrelieren. Bei SchülerInnen in maturaführenden Schulen sind die Bildungsaspirationen der Eltern deutlich höher als bei nicht-maturaführenden Schulen. Auch die OECD (2011) stellt fest, dass Österreich ein Bildungswesen hat, in dem die Bildungschancen überdurchschnittlich stark vom sozioökonomischen Hintergrund abhängig sind.

Die Ursachen für die soziale Selektivität des Bildungssystems sind jedoch im Rahmen der Ungleichheitsforschung (noch) nicht vollständig geklärt und dürften mit einem komplexen Zusammenwirken von Faktoren auf unterschiedlichen Ebenen (Makro- und Mesoebene) einhergehen. In der Literatur wird häufig auf die Wirkung von Systemfaktoren wie Struktur des Bildungswesens, Schulsystem, schulische Rahmenbedingungen in den konkreten Lernsituationen hingewiesen (vgl. BACHER 2008). So wird dargelegt, dass mit zunehmendem Erstselektionsalter im Bildungswesen die Bildungsungleichheit im internationalen Vergleich tendenziell sinkt (vgl. SCHÜTZ/ WÖßMANN 2005). In Österreich liegt das Erstselektionsalter (Schnittstelle Primarstufe/Sekundarstufe I) sehr früh bei 10 Jahren, die zweite Selektion (Sekundarstufe I/II) erfolgt bereits mit 14 Jahren. An der ersten Schnittstelle im Bildungswesen werden bereits weitreichende Entscheidungen getroffen, die den weiteren Bildungsverlauf vorzeichnen (vgl. THONHAUSER/ POINTINGER 2008). Die Wahrscheinlichkeit im Anschluss an die Hauptschule eine maturaführende Schule zu besuchen, ist geringer als beim Besuch einer AHS-Unterstufe (vgl. BACHER 2008). „Die deutliche Verschiebung zugunsten des höheren sozialen Status in der AHS-Unterstufe nach der ersten Schnittstelle nach der Volksschule kann in späterer Folge an den weiteren Schnittstellen von alternativen Bildungswegen nicht mehr kompensiert werden, ja sie verstärkt sich sogar“ (SCHLÖGL 2007, 122). SCHLÖGL (2007, 123) sieht neben der sozialen Ungleichheit auch eine strukturelle Chancenungleichheit, die auf „formale Aspekte der vertikalen Durchlässigkeit des Bildungssystems“ zurückzuführen ist. Im Hinblick auf die vertikale Durchlässigkeit zwischen der beruflichen und tertiären Bildung hat die Selektion an den Schnittstellen, bedingt durch das differenzierte Hochschulberechtigungssystem, folglich Auswirkungen auf die Zugangsberechtigungen zum tertiären Bildungssektor.

2.2 Das Hochschulberechtigungssystem

Das tertiäre Bildungssystem teilt sich institutionell in zwei zentrale Bereiche, die mit unterschiedlichen Aufgaben und Zielsetzungen verbunden sind. Hierbei wird das Verhältnis zwischen „Berufsbildung“, „Wissenschaft“ und „beruflicher Praxis“ als zentrales Unterscheidungskriterium für das Aufgabenprofil herangezogen. Die Aufgaben der Universitäten beziehen sich auf die Bereitstellung einer wissenschaftlichen Berufsvorbildung, der Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten, die eine Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden erfordern sowie die Ausbildung von wissenschaftlichen Fähigkeiten bis zur höchsten Stufe (vgl. §3 UG). Die Ausrichtung der Fachhochschulen erfolgt hinblicklich einer praxisbezogenen, wissenschaftlich-fundierten Berufsausbildung auf Hochschulniveau (vgl. §3 FHStG). Zudem wurde kürzlich die Pädagogische Hochschule eingeführt, die die Lehrerausbildung auf ein akademisches Niveau (Bachelor) anhebt.

Um an eine Universität oder Fachhochschule zugelassen zu werden, ist generell eine allgemeine Universitätsreife nachzuweisen (§34 UG), die durch ein Reife- und Diplomprüfungszeugnis (abgelegt an einer AHS oder BHS), ein Berufsreifeprüfungszeugnis, ein Zeugnis für die Zuerkennung der Studienberechtigung für ein bestimmtes Studium (Studienberechtigungsprüfung) oder durch sonstige Abschlüsse (z.B. ausländisches Zeugnisse, mind. 3-jähriges Studium an postsekundären Einrichtungen wie Kollegs und Akademien) nachgewiesen werden kann. Neben dem klassischen Weg zur Erlangung eines Reifeprüfungszeugnisses an einer schulischen höheren Bildungseinrichtung (AHS, BHS) gibt es die Möglichkeit eine Hochschulberechtigung durch die Berufsreifeprüfung oder die Studienberechtigungsprüfung zu erwerben, wobei sich diese beiden Optionen hinsichtlich ihres Charakters deutlich voneinander unterscheiden. Während die Studienberechtigungsprüfung (SBP) bereits 1939 eingeführt wurde (vgl. SCHLÖGL 2007), blickt die Berufsreifeprüfung auf eine vergleichsweise junge bildungspolitische Geschichte zurück. Das Berufsreifeprüfungsgesetz (BrPG) ist 1997 in Kraft getreten und hat bereits zahlreiche Novellen erfahren.

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Abb. 1: Hochschulberechtigungssystem in Österreich
(Darstellung angelehnt an: BMWF/ BMUKK (2012). http://www.bmukk.gv.at/medienpool/19002/bildungssystem_grafik.pdf (12-09-2012); Universitätslehrgänge bzw. postgraduale Lehrgänge wurden in der Darstellung nicht berücksichtigt.)

Die Zielgruppe der SBP stellen jene Personen dar, die bisher keine Form der Reifeprüfung erworben haben, aber ein Studium an einer tertiären Bildungseinrichtung anstreben. Die SBP wird für eine bestimmte Studienrichtungsgruppe abgelegt, die folglich zur Zulassung aller dieser Gruppe umfassenden Studienrichtungen berechtigt. Mit der SBP wird daher nur eine eingeschränkte Studienberechtigung erworben. Die BRP stellt – im Gegensatz zur SBP – für sich bereits einen Qualifikationsabschluss dar (vgl. MEUSBURGER/ STAUBMANN 2010) und berechtigt zum allgemeinen Hochschulzugang (eine genauere Beschreibung der Grundcharakteristik der BRP folgt in Kapitel 3). Eine Besonderheit hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen weisen die Fachhochschulen auf: Neben den oben genannten Voraussetzungen können auch einschlägige berufliche Qualifikationen als fachliche Zulassungsvoraussetzungen zur Fachhochschule in Verbindung mit zu absolvierenden Zusatzprüfungen anerkannt werden (vgl. §4 Abs. 4, 7 und 8 FHStG; SCHLÖGL 2007, 127f.).

Die Zulassungsstatistik an Universitäten und Fachhochschulen für das Studienjahr 2011/2012zeigt, dass die Reifeprüfung mit 83% an Universitäten und 85% an Fachhochschulen die dominierende qualifikatorische Zugangsvoraussetzung im Hochschulwesen darstellt. Auch wird deutlich, dass die beiden tertiären Bildungseinrichtungen unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. 33% der erstzugelassenen Studierenden an Universitäten absolvierten eine BHS, während dieser Anteil bei den Fachhochschulen 51% beträgt. Hingegen haben nur 3,5% der Erstzugelassenen an Universitäten eine Berufsreifeprüfung erworben, dieser Anteil ist mit 6,7% an Fachhochschulen etwa doppelt so hoch.

Tabelle 1: Erstzugelassene inländische Studierende an öffentlichen Universitäten bzw. erstmalig aufgenommene Studierende an Fachhochschulen im Studienjahr 2011/2012 nach Vorbildung

Vorbildung

Universität

Fachhochschule

 

absolut

relativ

absolut

relativ

Allgemeinbildende höhere Schule (AHS)

13255

50,1%

4645

33,9%

Berufsbildende höhere Schule (BHS)

8766

33,1%

7012

51,1%

 

 

83,2%

 

85,0%

Berufsreifeprüfung

940

3,5%

926

6,7%

Studienberechtigungsprüfung

72

0,3%

208

1,5%

Externistenreifeprüfung

117

0,4%

58

0,4%

 

 

4,2%

 

8,6%

Sonstige (berufsbildende Akademie, postsekundäre Ausbildung, Reifeprüfung Ausland, andere, unbekannt)

3331

12,6%

870

6,3%

 

26481

100%

13719

100,0%

Quelle: Statistik Austria, Datenbankabfrage Hochschulstatistik (03.09.2012), eigene Berechnungen

 

Die SBP verliert als Zugangsvoraussetzung stark an Bedeutung (vgl. LACHMAYR 2010, 157). Es ist anzunehmen, dass die SBP von der BRP verdrängt wurde (vgl. SCHLÖGL 2007, 124). Insgesamt heben die Statistiken eine starke Dominanz der Reifeprüfung (abgelegt an einer AHS oder BHS) als „klassische“ Zugangsvoraussetzung hervor. Die „nicht-klassischen“ Zugangswege (BRP,SBP, Externistenreifeprüfung) zur tertiären Bildung haben nach wie vor nur einen geringen Stellenwert. Personen, die eine berufliche Ausbildung – mit Ausnahme der BHS – absolviert haben, bleibt der Zugang zur Hochschule aufgrund der fehlenden Hochschulberechtigung verwehrt bzw. entschließen sich diese in weiterer Folge weniger oft, eine Hochschulberechtigung über den „nicht-klassischen“ Weg zu erwerben und folglich ein Studium aufzunehmen.

3 Die „Berufsmatura: Lehre mit Reifeprüfung“: Eine Sonderform der Berufsreifeprüfung

In diesem Kapitel wird die Grundkonzeption der „Berufsmatura“ beschrieben, die in der gegenwärtigen Form eine schwer durchschaubare Konstruktion hinblicklich der rechtlichen Grundlagen als auch der organisatorischen Umsetzung angenommen hat. Rechtlich ist die „Berufsmatura“ eine Berufsreifeprüfung, die im Rahmen des Förderprogramms „Berufsmatura: Lehre mit Reifeprüfung“ des BMUKK (2008) als ein Ausbildungsmodell für Lehrlinge beworben wird.

3.1 Die Berufsreifeprüfung

Das Berufsreifeprüfungsgesetz (BrPG) ist 1997 in Kraft getreten und ermöglicht Personen mit einer abgeschlossenen beruflichen Ausbildung eine Hochschulberechtigung über den „zweiten Bildungsweg“ zu erwerben. Die gesetzliche definierte Hauptzielgruppe der BRP sind AbsolventInnen von dualen Berufsausbildungen, berufsbildenden mittleren Schulen, Gesundheits- und Krankenschulen und Personen mit abgelegter Meisterprüfung (sonstige Zielgruppen siehe §1 Abs. 1 BrPG). Die BRP ist eine Form der Externistenprüfung (nach §42 SchUG), ist rechtlich gleichwertig zur Reifeprüfung und berechtigt zum allgemeinen Hochschulzugang. Zusätzlich werden Lehrgänge zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung an (privaten) Einrichtungen der Erwachsenenbildung vom Bildungsministerium als geeignet anerkannt, wenn die Inhalte der (kompetenzbasierten) Berufsreifeprüfungscurricularverordnung (BRPCV) entsprechen (§8 BrPG). Für den Erwerb des BRP-Zeugnisses müssen vier Teilprüfungen in drei allgemeinbildenden Fächern (Deutsch, Mathematik, Fremdsprache) und einem berufsfeldbezogenen Fach abgelegt werden. Absolviert werden können die Teilprüfungen an höheren Schulen und an akkreditierten Erwachsenenbildungseinrichtungen, wobei zumindest eine Teilprüfung an einer höheren Schule absolviert werden muss. Aufgrund des Charakters der Externistenprüfung ist zu bemerken, dass die Vorbereitungsphase (erfolgt in der Praxis meist in Vorbereitungslehrgängen, ist jedoch auch im Selbststudium möglich) und die Ablegung der 4 Teilprüfungen zur BRP voneinander zu trennen sind, d. h. der Lernprozess und der Prüfungsprozess sind voneinander getrennt. (vgl. KLIMMER 2009)

SCHLÖGL (2007, 126) hebt hervor, dass die bildungspolitische Zielrichtung der BRP vor allem darin besteht, „Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung auf dem zweiten Bildungsweg die Ablegung der Reifeprüfung zu ermöglichen, und zwar unter Anerkennung der jeweiligen beruflichen Qualifikationen, die zuvor erworben wurden.“ Die Anerkennung der beruflichen Qualifikationen erfolgt dadurch, dass Personen mit einem beruflichen Abschluss eine Reifeprüfung nachholen können, ohne jedoch die Curricula der höheren Schulen vollständig durchlaufen zu müssen (vgl. ARCHAN/ SCHLÖGL 2007, 8). Die bildungspolitische Innovation besteht daher darin, eine allgemeine Hochschulberechtigung auch weitgehend außerhalb des öffentlichen Bildungswesens erwerben zu können. Der Großteil der BRP-AbsolventInnen legt die BRP im Rahmen von Lehrgängen zur Berufsreifeprüfung an akkreditierten privaten Bildungseinrichtungen ab (vgl. KLIMMER/ SCHLÖGL 2006). Die Teilnahme an den Vorbereitungslehrgängen und die Ablegung der Teilprüfungen ist gebührenpflichtig (durchschnittlich 3.081,82 Euro im Wintersemester 2005/06; siehe KLIMMER/ SCHLÖGL 2006).

3.2 Die „Berufsmatura“ als eine Sonderform der Berufsreifeprüfung

In der ursprünglichen Konzeption der BRP (bis 2008) stellte eine abgeschlossene berufliche Erstausbildung die Grundvoraussetzung zur Zulassung an die BRP dar. Dadurch waren die sich in Erstausbildung befindlichen Personen von der BRP grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. ARCHAN/ SCHLÖGL 2007, 27). Aufgrund eindringlicher bildungspolitischer Forderungen, den Hochschulzugang für AbsolventInnen einer dualen Berufsausbildung durchlässiger zu gestalten, wurde 2008 eine Novelle zum Berufsreifeprüfungsgesetz beschlossen. Mit der Novelle wurde es nun möglich, bereits drei von vier Teilprüfungen vor dem Abschluss einer dualen Ausbildung, d. h. während der Lehrzeit, abzulegen. Jedoch darf die letzte Teilprüfung nicht vor Vollendung des 19. Lebensjahres und vor der Lehrabschlussprüfung absolviert werden.

Auf Basis dieser gesetzlichen Rahmenbedingungen (BrPG) wurde vom BMUKK (2008) ein Förderprogramm mit dem Titel „Berufsmatura: Lehre mit Reifeprüfung“ eingerichtet. Im Rahmen dieses Förderprogramms wurden Finanzierungsvereinbarungen (Fördervertrag) zwischen den Trägerorganisationen und dem Ministerium getroffen, um den Lehrlingen einen kostenlosen Besuch der Vorbereitungslehrgänge zur BRP anzubieten. Organisiert und durchgeführt werden diese Lehrgänge vorwiegend von akkreditierten Erwachsenenbildungseinrichtungen (wie Berufsförderungsinstitut, Wirtschaftsförderungsinstitut, Volkshochschulen, etc.). Damit weitgehend einheitliche Rahmenbedingungen für alle Lehrlinge in Österreich geschaffen werden, wurden im Fördervertrag Eckpunkte zur Qualitätssicherung festgelegt, die über das Berufsreifeprüfungsgesetz hinausgehen und eine zielgruppenadäquate Umsetzung garantieren sollen, jedoch Spielraum für regionale Erfordernisse und Gegebenheiten bieten soll (mehr dazu in den Richtlinien des BMUKK 2008 und SCHLÖGL et al. 2012). Es ist aber festzustellen, dass es zu erheblichen Unterschieden bei der praktischen Implementierung vor allem hinsichtlich der organisatorischen Rahmenbedingungen in den Bundesländern gekommen ist (vgl. SCHLÖGL et al. 2012).

Die bildungspolitischen Innovationen beziehen sich darauf, dass Lehrlinge nun bereits in der Erstausbildungsphase die BRP (mit allgemeiner Hochschulberechtigung) erwerben können, wobei die BRP größtenteils an nicht-öffentlichen, also privaten Bildungseinrichtungen abgelegt wird. Es erfolgt jedoch keine systematische Integration der Berufsmatura in die „gleichzeitig“ laufende duale Ausbildung, diese stellen vielmehr parallel, voneinander unabhängige Qualifizierungsprozesse dar. Vor dem Hintergrund der Durchlässigkeitsdebatte ist zudem relevant, dass im Ausbildungsmodell „Berufsmatura“ keine Gebühren für die Teilnahme an den Vorbereitungslehrgängen und der Prüfungen anfallen sowie kostenlose Unterrichtsmaterialien zur Verfügung gestellt werden. Somit wird ein finanziell niederschwelliger Zugang für alle Lehrlinge zur BRP gewährleistet.

Die offiziellen bildungspolitischen Zielsetzungen der „Berufsmatura“ von Seiten des BMUKK lauten (vgl. BMUKK 2008): (1) Die soziale Durchlässigkeit des Bildungssystems im Hinblick auf die Anschlussfähigkeit einer dualen Ausbildung an die höhere Bildung soll erhöht werden. (2) Es sollen verstärkt leistungsfähige Jugendliche für eine duale Ausbildung gewonnen werden. (3) Die Zahl der Abgänger der Sekundarstufe II mit einer Reife- und Diplomprüfung und damit der Personen mit Hochschulberechtigung soll gesteigert werden.

3.3 Aspekte zur Durchlässigkeit im Kontext der Berufsmatura

Angetrieben durch die Europäische Bildungspolitik ist die Forderung nach erhöhter Durchlässigkeit im Kontext des „Lebenslangen Lernens“ und des Europäischen Qualifikationsrahmens in den letzten Jahren zu einem Schlagwort in den nationalen und internationalen bildungspolitischen Debatten geworden. Der Dreh- und Angelpunkt in den Diskussionen stellt dabei die Herstellung von Anschlussmöglichkeiten zwischen allen Ebenen in vertikaler und horizontaler Hinsicht eines nationalen Bildungssystems dar. International stehen die Übergangsmöglichkeiten zwischen nationalen Bildungssystemen im Vordergrund. So wurde 2010 im Kommuniqué von Brügge zur verstärkten europäischen Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung wiederholt die Zielsetzung festgehalten: „flexible Übergänge zwischen beruflicher Bildung, allgemeiner Bildung und Hochschulbildung fördern und die Durchlässigkeit verbessern, indem die Verbindungen zwischen diesen Bereichen verstärkt werden“ (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2010).

FROMMBERGER (2009) hebt vier Begründungslinien für die Erhöhung der Durchlässigkeit hervor: (1) Bildungszertifikate und Berechtigungsstrukturen (2) Chancengleichheit und Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung (3) Facharbeitermangel und Attraktivitätssteigerung beruflicher Bildung (4) International-vergleichbares Benchmarking und Europäische Berufsbildungspolitik. Im Folgenden werden diese vier Begründungslinien im Kontext der bildungspolitischen Zielsetzungen des Ausbildungsmodells „Berufsmatura: Lehre mit Reifeprüfung“ diskutiert.

(1) Die Bildungsabschlüsse sind in Österreich stark an ein differenziertes Berechtigungssystem gekoppelt. Bisher war es für AbsolventInnen einer dualen Ausbildung nur über den „zweiten“ Bildungsweg möglich, eine allgemeine Hochschulberechtigung zu erlangen bzw. nachzuholen. Die Einführung der BRP im Jahr 1997 stellte bereits in der ursprünglichen Form eine signifikante Verbesserung der formalrechtlichen Möglichkeiten und des Bildungsangebotes für diese Gruppe dar (vgl. KLIMMER/ SCHLÖGL 2006). Zwar hat die BRP die SBP als Studienzulassungsvoraussetzung weitgehend verdrängt, jedoch ist der Anteil der Studierenden mit Vorbildung BRP nach wie vor sehr gering (vgl. LACHMAYR 2011). Mit dem Ausbildungsmodell „Berufsmatura“ wurde nun 2008 erstmals für Lehrlinge die Option geschaffen, eine Hochschulberechtigung gleichzeitig zur dualen Ausbildung zu erwerben. Die „Gleichzeitigkeit“ ist im Hinblick auf eine weitere Öffnung des Hochschulzugangs für AbsolventInnen einer dualen Berufsbildung als eine positive bildungspolitische Neuerung zu bewerten, die die (formalrechtlichen) Übergangsmöglichkeiten zwischen der beruflichen und tertiären Bildung weiter verbessert.

(2) Im österreichischen Bildungswesen ist ein stark ausdifferenziertes berufsbildendes Bildungswesen verankert, dessen Wurzeln in der Mitte des 19.Jahrhunderts liegen (vgl. SCHERMAIR 2001). Die Trennung zwischen Allgemeinbildung und (schulischer) Berufsbildung war in Österreich nie so ausgeprägt wie in anderen Ländern. Dies lässt sich unter anderem daran ablesen, dass die Curricula der berufsbildenden Schulen von jeher stark von allgemeinbildenden Unterrichtsfächern mitbestimmt sind (vgl. SCHERMAIR 2001, 76ff.). Eine Übergangsmöglichkeit zwischen der dualen Berufsausbildung und der tertiären Bildung war lange nur sehr eingeschränkt durch die Studienberechtigungsprüfung gegeben (vgl. SCHLÖGL 2007, 123). Erst durch die bildungspolitischen Innovationen in den 1990er Jahren (Berufsreifeprüfung und Einrichtung von Fachhochschulen) wurde gezielt versucht, einen verbesserten Anschluss des dualen Ausbildungssystems zur höheren Bildung herzustellen (vgl. GRUBER 2004). Mit der Berufsmatura wird dieser Ansatz nun fortgeführt und so ein weiterer Schritt zur Herstellung der Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und allgemeiner Bildung gesetzt. Die Lehrlinge müssen unter Anerkennung der beruflichen Ausbildungsinhalte nicht die vollständigen Curricula der höheren Schulen durchlaufen, sondern nur einen eingeschränkten Fächerkanon (drei allgemeinbildende und eine berufsbezogene Teilprüfung) absolvieren. Eng damit verknüpft ist auch die Einlösung der Forderung nach einer Erhöhung der individuellen sozialen Mobilität durch die Herstellung von individueller und struktureller Chancengleichheit (vgl. SCHLÖGL 2007). Mit der Berufsmatura wurde nun zumindest versucht, ein Bildungsangebot für die Umsetzung dieser Forderung zu schaffen. Ob die faktischen Mobilitätsraten dadurch nachhaltig erhöht werden, kann auf Basis des aktuell verfügbaren Datenmaterials noch nicht endgültig beurteilt werden. Die Hochschulstatistik weist gegenwärtig noch einen marginalen Anteil der Studierenden mit Zulassungsvoraussetzung BRP aus. Seit der Einführung der BRP lässt sich jedoch eine leichte Steigerung bei den AnfängerInnen, Studierenden und AbsolventInnen mit Vorbildung Berufsreifeprüfung nachzeichnen (vgl. LACHMAYR 2011). In den nächsten Jahren kann von einer weiteren Steigerung ausgegangen werden, wenn die ersten AbsolventInnen der Berufsmatura in größerer Zahl hervorgegangen sind.

(3) Ein zentrales Argument zur Einführung der Berufsmatura bezieht sich auf die Attraktivitätssteigerung der dualen Ausbildung vor dem Hintergrund des in Zukunft drohenden Facharbeitermangels (vgl. DORNMAYR et al. 2012). Eine in Österreich durchgeführte Delphi-Befragung identifiziert diesbezüglich beträchtliche Entwicklungsnotwendigkeiten des Lehrausbildungssystems, wenn die duale Berufsausbildung auch zukünftig einen positiven Beitrag zur Standortsicherung österreichischer Betriebe durch die Versorgung mit Fachkräften leisten soll (vgl. SCHLÖGL/ MAYERL 2012). Bedingt durch die zu erwartende demografische Entwicklung (Rückgang der Jugendlichen) gibt es einen zunehmenden Kampf – nicht nur zwischen den Lehrbetrieben, sondern auch innerhalb des vollschulischen und betrieblichen Berufsbildungssystems – um die Rekrutierung von leistungsstarken Jugendlichen, bei der die Lehrausbildung aufgrund mangelnder Attraktivität durch schlechte Anschluss- und Zugangsmöglichkeiten an das höhere Bildungssystem zunehmend an Boden verliert. Das Ausbildungsmodell „Berufsmatura“ versucht dieser Tendenz entgegenzusteuern, indem die Ausbildungsoption „Lehre“ in Kombination mit der Berufsmatura für leistungsstarke Jugendliche wieder attraktiver gemacht wird. Wenngleich die Akzeptanz der Lehrbetriebe noch nicht vollständig gegeben ist (vgl. SCHLÖGL et al. 2012, 37f.), da die Befürchtung besteht, die ausgebildeten Fachkräfte durch Höherqualifizierung wieder zu verlieren. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass sich Ausbildungsbetriebe die Rekrutierung von leistungsstärkeren Jugendlichen erwarten und sich dadurch Wettbewerbsvorteile erhoffen (vgl. DOBROVNIK et al. 2009, 56ff.).

(4) Die Bildungsindikatoren der OECD (2011) zeigen im internationalen Benchmarking, dass die allgemeine Durchlässigkeit in Österreich zwischen der Sekundärstufe II und der tertiären Bildung vergleichsweise gering ist. Zwar erwirbt ein hoher Anteil der Jugendlichen in der Sekundarstufe II einen Berufsabschluss, jedoch schließt nur ein geringer Anteil mit einem Reifeprüfungszeugnis ab. Laut Statistik der OECD (2011) haben 2008 nur 38% der AbsolventInnen der Sekundarstufe II in Österreich eine allgemeine Hochschulberechtigung erworben. Damit liegt Österreich im internationalen Vergleich an der drittletzten Stelle (OECD-Durchschnitt 64%; Deutschland 54%). Die international niedrige Jugendarbeitslosigkeit von 8,9% (Durchschnitt in EU-15: 22,1%. Quelle: Arbeitsmarktservice Österreich, Erhebungsmonat Juli 2012) zeigt zwar, dass die beruflichen Abschlüsse der Jugendlichen mit guten Arbeitsmarktchancen und einem verhältnismäßig reibungslosen Übergang in den Arbeitsmarkt verbunden sind, jedoch führt das differenzierte Hochschulberechtigungssystem zu einer erheblichen Chancenungleichheit im Bildungssystem (ähnlich in Deutschland vgl. FROMMBERGER 2009, 9f.). Mit der Einführung der Berufsmatura wird daher eine Anhebung der Quote von AbgängerInnen der Sekundarstufe II mit Hochschulberechtigung angestrebt. Im Strategiepapier 2020 der Bundesregierung (2011) zum Lebenslangen Lernen wird explizit die Erhöhung der Anzahl der LehrabsolventInnen mit Berufsreifeprüfung als ein bedeutender Zielwert festgelegt: Bis 2020 soll die Quote der LehrabsolventInnen, die eine Berufsreifeprüfung ablegen, auf 10% gesteigert werden.

3.4 TeilnehmerInnenstatistik der Berufsmatura

Die TeilnehmerInnenstatistik (Abb. 2) zeigt einen beträchtlichen Erfolg, den die Berufsmatura bereits kurze Zeit nach der Einführung zu verzeichnen hat. Seit der Einführung im Herbst 2008 ist die Anzahl der TeilnehmerInnen in den Vorbereitungslehrgängen bis November 2011 um das 4,5-fache gestiegen. Im November 2011 nahmen bereits 9.484 Lehrlinge an den Vorbereitungslehrgängen zur Berufsreifeprüfung teil. In Relation zur Lehrlingsstatistik 2011 waren damit 7,4% aller Lehrlinge (128.078 Lehrlinge zum Zeitpunkt 31.12.2011) zur Teilnahme an Vorbereitungslehrgängen zur Berufsreifeprüfung angemeldet. Bisher sind 251 AbsolventInnen der Berufsmatura, d. h. LehrabsolventInnen mit Abschluss Berufsreifeprüfung, hervorgegangen. Diese Zahlen belegen die breite Akzeptanz dieses Ausbildungsmodells, die innerhalb weniger Jahre bei den Lehrlingen erreicht wurde. Die Tatsache, dass diese Ausbildungsoption eine hohe – noch immer steigende – Nachfrage induziert, zeigt damit die Notwendigkeit und den Bedarf, die berufliche Bildung an höhere Bildungsstufen systematisch anschlussfähiger zu machen.

Zur begrifflichen Unterscheidung werden in weiterer Folge Lehrlinge, die an der Berufsmatura (genauer den Vorbereitungslehrgängen zu den entsprechenden Teilprüfungen) teilnehmen als „TeilnehmerInnen“ bezeichnet. Jugendliche, die eine duale Berufsausbildung ohne Berufsmatura absolvieren, werden als „Lehrlinge“ bezeichnet.

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Abb. 2: Teilnahmestatistik der Berufsmatura von 2008 – 2011 (SCHLÖGL et al. 2012; eigene Darstellung)

4 Bildungswege und Motive der TeilnehmerInnen der Berufsmatura

Im folgenden Abschnitt werden empirische Daten zur näheren Charakterisierung der Teilnehmenden der Berufsmatura anhand ihrer Grundmerkmale präsentiert und der gesamten „Zielgruppe“ (alle Lehrlinge) gegenübergestellt:

· Welche Lehrberufe üben die TeilnehmerInnen der Berufsmatura aus? Sind bestimmte Lehrberufsgruppen in der Berufsmatura stärker bzw. schwächer vertreten?

· Welche individuellen Bildungswege haben die TeilnehmerInnen vor der Berufsmatura absolviert?

· Welche Motive haben zur Teilnahme geführt und welche Erwartungen werden mit dem Erwerb der Berufsmatura verbunden?

Auf Basis von empirisch fundierten Ergebnissen wird der Beitrag der Berufsmatura zur Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen der beruflichen und tertiären Bildung im Kontext der oben dargestellten Zielsetzungen diskutiert.

4.1 Hintergrund und Datengrundlage der Evaluierung

2011/2012 wurde das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) vom BMUKK beauftragt, eine erstmalige Evaluierung der „Berufsmatura: Lehre mit Reifeprüfung“ fünf Jahre nach Einführung durchzuführen. Ziel der Evaluierung war es, erfolgskritische Faktoren dieses Ausbildungsmodells darzulegen und Weiterentwicklungspotenziale zu erarbeiten, wobei sich der Fokus auf die inhaltlichen, pädagogisch-didaktischen und organisatorischen Aspekte der Berufsmatura richtete. Die Datengrundlage wurde mit standardisierten Onlinefragebogenerhebungen bei zwei zentralen Akteursgruppen, der TeilnehmerInnen und der Lehrkräfte/TrainerInnen bzw. PrüferInnen, gewonnen. Alle TeilnehmerInnen der Berufsmatura wurden über die jeweiligen Bildungseinrichtungen in den Bundesländern zur Teilnahme an der Online-Befragung eingeladen. Es wurde eine Vollerhebung angestrebt, diese konnte aber aufgrund der vor Ort unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Bildungseinrichtungen nicht vollständig realisiert werden. Je nach Möglichkeiten der Bildungseinrichtungen wurden die Online-Fragebögen entweder in den Vorbereitungskursen vor Ort ausgefüllt oder die TeilnehmerInnen per Email zur Teilnahme an der Befragung eingeladen. An der Befragung nahmen 2443 Personen (davon 57% weiblich) teil. Damit haben sich 26% aller TeilnehmerInnen (N=9484, November 2011) der Berufsmatura an der Befragung beteiligt (=Rücklaufquote).

Aufgrund fehlender Datengrundlagen über die Verteilung der soziodemografischen Grundmerkmale der Grundgesamtheit (alle Teilnehmenden der Berufsmatura) kann eine etwaige Verzerrung der vorliegenden Stichprobe nicht geprüft werden. Es kann jedoch, begründet durch die Stichprobengröße (n=2443) in Relation zur Grundgesamtheit, von einer minimalen Verzerrung der Stichprobe gegenüber der Grundgesamtheit ausgegangen werden, aber wegen der unterschiedlichen Erhebungsverfahren und Zielgruppenansprache (klassenweises Ausfüllen vor Ort und Einladungen per E-Mail) nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Im Folgenden wird der Begriff „Berufsmaturabefragung“ für die oben beschriebene Stichprobe verwendet.

4.2 Individuelle Bildungswege und Lehrberufe

In Tabelle 2 werden die TeilnehmerInnen der Berufsmatura anteilsmäßig nach der zugehörigen Gruppe ihrer Lehrberufe auf Basis der Berufsmaturabefragung dargestellt. Erwartungsgemäß zeigen sich starke Unterschiede in der Verteilung der Lehrberufsgruppen zwischen weiblichen und männlichen TeilnehmerInnen, die auf eine generell stark ausgeprägte geschlechtsspezifische Konzentration der Lehrberufe zurückzuführen sind (vgl. DORNMAYR et al. 2012, 83f.). Mehr als die Hälfte der weiblichen Teilnehmerinnen üben einen Lehrberuf aus, der der Lehrberufsgruppe „Büro, Verwaltung und Organisation“ zuzurechnen ist, etwa ein Fünftel ist der Gruppe „Handel“ zugehörig. Bei den männlichen Teilnehmern zeigt sich eine weniger starke Konzentration: Hier sind die stärksten Lehrberufsgruppen „Metalltechnik und Maschinenbau“, „Elektrotechnik, Elektronik“ und „Büro, Verwaltung, Organisation“.

Tabelle 2: Verteilung der Lehrberufsgruppen in der Berufsmaturabefragung und Lehrlingsstatistik

Lehrberufsgruppe

Berufsmaturabefragung

Lehrlingsstatistik

+/- PP

 

w

m

gesamt

gesamt

 

Bauwesen

2,0%

8,6%

4,8%

13,6%

-8,8

Büro, Verwaltung, Organisation

52,6%

15,0%

36,5%

10,5%

+26,0

Chemie

1,2%

3,1%

2,0%

1,3%

+0,7

Druck, Foto, Grafik, Papier

0,7%

1,1%

0,8%

0,9%

-0,1

Elektrotechnik, Elektronik

1,5%

19,1%

9,0%

8,7%

+0,3

Gastronomie

6,1%

3,6%

5,0%

9,5%

-4,5

Gesundheit und Körperpflege

4,0%

0,9%

2,7%

6,0%

-3,3

Handel

19,6%

8,3%

14,7%

15,7%

-1,0

Holz, Glas, Ton

1,0%

2,7%

1,8%

5,2%

-3,5

IKT

3,1%

8,0%

5,2%

2,4%

+2,8

Lebens- und Genussmittel

1,2%

1,0%

1,1%

2,2%

-1,1

Metalltechnik und Maschinenbau

5,0%

27,3%

14,6%

22,4%

-7,8

Textil, Mode, Leder

0,5%

0,0%

0,3%

0,4%

-0,1

Tiere und Pflanzen

1,2%

0,6%

1,0%

1,2%

-0,2

Transport und Lager

0,4%

0,8%

0,5%

0,1%

+0,4

 

 

 

 

 

 

Gesamt

100%

100%

100%

100%

 

absolut

1.386

1.047

2.400

128.078

 

Anteil weiblich

58%

34%

+24

Quelle: öibf-Berufsmaturabefragung, WKO-Lehrlingsstatistik 2011, eigene Berechnungen; fehlende Angaben bei n=43; Abkürzung: IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie); PP (Prozentpunkte), w (weiblich), m (männlich). Lehrberufsgruppen nach WKO-Klassifikation.

Wenn man die Anteilsverteilung der Lehrberufsgruppen zwischen der Berufsmaturabefragung und der Lehrlingsstatistik 2011 (Quelle: Wirtschaftskammer Österreich. Offizielle Statistik aller sich in Ausbildung befindlichen Lehrlinge) vergleicht, so zeigt sich, dass einige Lehrberufsgruppen in der Berufsmatura stärker bzw. weniger stark vertreten sind. Am stärksten in der Berufsmaturabefragung überrepräsentiert sind diejenigen TeilnehmerInnen, die einen Lehrberuf in „Büro, Verwaltung, Organisation“ ausüben (+26 Prozentpunkte). Ebenfalls mit +2,8 Prozentpunkten leicht überdurchschnittlich in der Berufsmatura vertreten sind Lehrlinge aus den Lehrberufen der „Internet- und Kommunikationstechnologie (IKT)“. Hingegen sind Lehrberufe aus „Bauwesen“ und „Metalltechnik und Maschinenbau“ am stärksten unterrepräsentiert mit -8,8 bzw. -7,8 Prozentpunkten. Die vorliegenden Zahlen sind ein Indikator dafür, –dass die Berufsmatura unterschiedliche Gruppen innerhalb der Lehrlinge eher anspricht und einen differenzierten Attraktivitätsgrad für Lehrlinge je nach Lehrberufsgruppenzugehörigkeit aufweist.

Zur Erklärung der unterschiedlichen Teilnahmequoten nach Lehrberufsgruppen sind mehrere Ansätze grundsätzlich denkbar: (1) Die fachlichen und persönlichen Anspruchsniveaus als auch die zu entwickelnden Kompetenzniveaus variieren nach der Charakteristik der Lehrberufe. So dürften sich in den Lehrberufsgruppen „Büro, Verwaltung, Organisation“ und „IKT“ eher leistungsstärkere Lehrlinge finden als in der Gruppe „Bauwesen“. Es ist anzunehmen, dass bei Jugendlichen in anspruchsvollen Lehrberufen (Stichwort: High-Tech-Lehrberufe) insgesamt ein stärkerer Bezug zu Bildung und formalen Bildungsprozessen besteht und eine höhere Motivation zur Bildungsbeteiligung bzw. Höherqualifizierung gegeben ist. Während Lehrberufe in den Gruppen „Bauwesen“ und „Metalltechnik und Maschinenbau“ gerade deshalb von den Jugendlichen ausgewählt werden, um der schulischen Logik zu entkommen, da sie eine stark auf das praktische Tun ausgerichtete Ausbildung bevorzugen. (2) Zudem dürfte das Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage am Lehrstellenmarkt eine Rolle spielen, die sich auf die Rekrutierung von leistungsstarken Jugendlichen auswirkt. So gibt es die höchsten Lehrstellensuchende/offenen Lehrstellen-Quoten bei Technikberufen (2,5 Lehrstellensuchende pro offene Lehrstelle) und Büroberufen (2,2), während diese Quote bei Metall- und Elektrotechnik (1,2) deutlich niedriger ist (Stand: August 2012. Quelle: Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz). Es ist daher anzunehmen, dass sich bei großem Stellenandrang im Zuge des Rekrutierungsverfahrens die leistungsfähigeren Jugendlichen durchsetzen. (3) Je nach Berufsfeld und Teilarbeitsmarkt dürfte die Berufsreifeprüfung eine unterschiedliche „Wertigkeit“ und Relevanz für den weiteren Karriereverlauf haben. (4) Trotz verstärkter Bemühungen die Berufsorientierung im Pflichtschulsystem zu verankern, dürften die Lehrberufswahlprozesse stark vom sozialen und familiären Hintergrund (sozialisationsbedingte Faktoren) und der mit einem Beruf verbundenen Wertigkeiten abhängig sein (vgl. BERGMANN et al. 2002. Die aktuelle Forschungslage zu den Faktoren der Lehrberufswahl in Österreich ist sehr mangelhaft.)

Besonders auffällig ist auch die starke Differenz zwischen den Anteilen der weiblichen Teilnehmerinnen der Berufsmatura gegenüber der Grundgesamtheit der Lehrlinge : So sind 58% der TeilnehmerInnen in der Berufsmatura weiblich, während nur 34% aller Lehrlinge weiblich sind. Obwohl erheblich weniger Mädchen eine duale Ausbildung beginnen, sind diese bei der Berufsmatura deutlich stärker als Burschen vertreten. Im Vergleich zu den Burschen weist die Ausbildungsoption Berufsmatura für Mädchen augenscheinlich einen höheren Attraktivitätsgrad auf. Mögliche Erklärungsansätze wären neben der höheren Bildungsaffinität von Mädchen auch die geschlechtsspezifische Konzentration der Lehrberufe. So ist anzunehmen, dass sich Mädchen häufiger für Lehrberufe entscheiden, die eine stärkere Nähe zu „schulischen Bildungsprozessen“ aufweisen, während Burschen eher handwerkliche Berufe auswählen (vgl. DORNMAYR et al. 2012). Die Ergebnisse lassen sich auch analog zur Bildungsstatistik betrachten: So betrug die Reifeprüfungsquote im Schuljahr 2009/2010 bei den Frauen 47% und bei den Männern 33% (STATISTIK AUSTRIA 2012). Frauen tendieren häufiger als Männer zu höheren Bildungsabschlüssen und weisen eine höhere Bildungsbeteiligung auf.

Die Frage nach den Gründen der unterschiedlichen Beteiligungsquoten an der Berufsmatura nach Lehrberufsgruppen und Geschlecht kann aufgrund der fehlenden Forschungslage aber letztlich nicht endgültig beantwortet werden. Grundsätzlich wäre es auch – neben den obigen Erklärungsansätzen – denkbar, dass die unterschiedlichen Beteiligungsquoten auf die aktuelle Konzeption der Berufsmatura und der damit verbundenen organisatorischen Rahmenbedingungen zurückzuführen ist. Weil die Berufsmatura kein Teil des formalen Lehrlingsausbildungssystems darstellt, ist in vielen Fällen die Teilnahme an der Berufsmatura vom Einverständnis des Betriebes abhängig. Im Zuge der Evaluierung der Berufsmatura hat sich gezeigt, dass kein flächendeckendes Angebot verfügbar ist, das eine Teilnahme unabhängig vom Einverständnis des Betriebes sicherstellt (vgl. SCHLÖGL et al. 2012). In diesem Kontext wäre es daher noch zu prüfen, ob die vorliegende Konzeption der Berufsmatura im Sinne des Durchlässigkeitsgedankens nicht einzelne Gruppen (Lehrberufe, Geschlecht, sozialer Hintergrund, Wohnort, etc.) innerhalb der Lehrlinge beim Zugang benachteiligt.

In Tabelle 3 folgt eine Darstellung der Vorbildung bzw. der zuletzt besuchten Schule von TeilnehmerInnen der Berufsmatura und stellt diese zur Vorbildung aller SchülerInnen der ersten Berufsschulklassen in Relation. Der Vergleich zeigt ein – wenn auch nicht in dieser Deutlichkeit – zu erwartendes Bild (vgl. DOBROVNIK et al. 2009, 28ff.).

Tabelle 3: Zuletzt besuchte Schule der Teilnehmenden der Berufsmatura und der BerufsschülerInnen (1.Klasse) im Vergleich

 

zuletzt besuchte Schule

Berufsmaturabefrag­ung

BerufsschülerInnen (1.Klasse)

+/- PP

abgeschlossen

Hauptschule/NMS

7%

17%

-10

AHS-Unterstufe

2%

1%

+1

Polytechnische Schule

18%

40%

-22

kumuliert

27%

58%

-31

nicht abgeschlossen

BMS

17%

18%

-1

BHS

33%

11%

+22

AHS-Oberstufe

14%

5%

+9

kumuliert

64%

34%

+30

 

sonstige

-

3%

 

unbekannt/fehlend

9%

5%

 

Gesamt

100%

100%

 

absolut

2.443

37.870

 

Quelle: öibf Berufsmaturabefragung, Statistik Austria (2012), eigene Berechnungen.
Anmerkungen: Die Kategorien abgeschlossen/nicht abgeschlossen gelten nur für die Berufsmaturabefragung. Die Schulstatistik lässt eine diesbezügliche Differenzierung nicht zu. Bei der Berechnung der Anteile der Schulstatistik wurde aus Gründen der Vergleichbarkeit SchülerInnen mit Vorbildung „Berufsschule“ (Wiederholungen, Lehrberufswechsel) ausgeschlossen (n=3.818). NMS (Neue Mittelschule).

Laut Schulstatistik (STATISTIK AUSTRIA 2012) besuchten 40% der Lehrlinge in den ersten Berufsschulklassen im Schuljahr 2010/2011 zuletzt die Polytechnische Schule. Zählt man diejenigen Personen hinzu, welche die Unterrichtspflicht in der Hauptschule/NMS (bedingt durch Klassenwiederholungen) beendet haben, so weisen 57% der Lehrlinge den „klassischen“ Bildungspfad zur Lehre auf: von Hauptschule/NMS und/oder Polytechnische Schule zur dualen Ausbildung. Zur Aufnahme einer dualen Ausbildung muss in Österreich die 9-jährige Unterrichtspflicht erfüllt werden. 34% der Lehrlinge nehmen über den „Umweg“ einer berufsbildenden Vollzeitschule eine duale Berufsausbildung auf. (Dieser hohe Anteil ist nicht gänzlich auf eine hohe Abbruchquote bei den Vollzeitschulen der Sekundärstufe II zurückzuführen, sondern auch bedingt durch die planmäßige Absolvierung der Unterrichtspflicht in der ersten Klasse einer berufsbildenden Schule). Dazu stellt sich die empirische Datenlage bei den Lehrlingen, die an der Berufsmatura teilnehmen, gänzlich unterschiedlich dar. 64% der TeilnehmerInnen geben an, eine berufsbildende oder allgemeinbildende höhere Vollzeitschule besucht, jedoch nicht abgeschlossen zu haben. Besonders stark ist hier die Gruppe der „UmsteigerInnen“ aus den berufsbildenden höheren Schulen (BHS). Nur ein Viertel der TeilnehmerInnen gelangte über den „klassischen“ Bildungspfad der Lehre zur Berufsmatura.

Mit der Einführung des Ausbildungsangebotes „Berufsmatura“ wurden zwar die strukturellen Grundlagen für die Anschlussfähigkeit der dualen Ausbildung an die tertiäre Bildung geschaffen, jedoch streichen die Ergebnisse hervor, dass dieses Angebot vor allem von „UmsteigerInnen“, d. h. von Personen, die sich ursprünglich für eine andere Bildungsoption entschieden hatten, genutzt wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Berufsmatura nur unterproportional von über den „klassischen“ Bildungsweg gekommenen Lehrlingen nachgefragt wird. Begründet durch diese Befunde muss daher die Frage gestellt werden, inwieweit die Berufsmatura einen Beitrag zur Stärkung der sozialen vertikalen Mobilität leisten kann oder ob sie nicht vielmehr ein Ausbildungsmodell zur Verbesserung der horizontalen Durchlässigkeit zwischen den maturaführenden Bildungsgängen darstellt. Um diese Frage beantworten zu können, ist eine Anreicherung der aktuellen Datenlage mit den sozioökonomischen Merkmalen der TeilnehmerInnen und ein längerfristiger Beobachtungszeitraum notwendig. Zudem ist noch gänzlich unklar, warum das Ausbildungsangebot von „klassischen“ Lehrlingen unterdurchschnittlich häufig nachgefragt wird. Mögliche Erklärungsansätze könnten wiederum auf die Abhängigkeit der Bildungswegentscheidungen von der sozialen Schichtzugehörigkeit und der sozialen Selektion des Bildungssystems verweisen (siehe Kapitel 2.1).

4.3 Motivlagen zur Teilnahme an der Berufsmatura

Nicht alle Ausbildungsoptionen, die das formale Bildungswesen bietet, werden aufgrund der unterschiedlichen sozio-kulturellen Voraussetzungen der Zielgruppen gleichermaßen nachgefragt und in Anspruch genommen, d. h. die faktischen Mobilitätsraten entsprechen nicht immer den formalrechtlichen Möglichkeiten eines Bildungssystems(vgl. FROMMBERGER 2009, 5). Zudem werden Bildungswegentscheidungen wesentlich durch die mit einer Bildungsoption verbundenen Erwartungen und Wertigkeiten getragen (vgl. LACHMAYR/ ROTHMÜLLER 2009). Die individuellen Motive und Hintergründe für die Entscheidung zur Teilnahme am Ausbildungsmodell „Berufsmatura“ können dazu beitragen, die Hintergründe der faktischen Inanspruchnahme dieser Bildungsoption besser zu verstehen.

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Abb. 3: Motive für Teilnahme an der Berufsmatura (Mittelwerte der Zustimmung) (eigene Berechnungen, öibf-Berufsmaturabefragung (Lehrlinge), 2012; n=2358)

Wenn man den TeilnehmerInnen die Frage nach den Hintergründen und Motiven zur Teilnahme an der Berufsmatura stellt, dann zeigt sich, dass vor allem materielle bzw. karrierebezogene Aspekte dominant sind (Abb. 3). Mit dem Erwerb der Berufsreifeprüfung werden vor allem verbesserte berufliche Aufstiegschancen und generell bessere Chancen am Arbeitsmarkt verknüpft, d. h. es werden deutliche Konkurrenzvorteile am Arbeitsmarkt erwartet. Die TeilnehmerInnen erwarten zudem, dass durch den Erwerb der Berufsreifeprüfung weitere berufliche Optionen offen gehalten werden. Hingegen stellt der Wunsch zu studieren kein zentrales Entscheidungsmotiv dar, jedoch wird die offenstehende Möglichkeit zu studieren deutlich positiver als Motiv hervorgehoben. Dies sind Hinweise darauf, dass für die jungen Personen vor allem die Optionen von zentraler Bedeutung sind, die die BRP im höheren Bildungswesen eröffnet Vor dem Hintergrund der engen Verzahnung zwischen Arbeitsmarkt und Bildungssystem stellt die Reifeprüfung eine Voraussetzung für berufliche Mobilität in vertikaler aber auch horizontaler Hinsicht dar. So ist beispielsweise für Personen, die einen Wechsel des Berufsfeldes anstreben, mit der Berufsreifeprüfung eine breitere Optionspalette am Arbeitsmarkt hinsichtlich eines Berufs- und Arbeitsplatzwechsels als auch im Bildungssystem im Hinblick auf den Zugang zu weiteren beruflichen Qualifizierungsprozessen gegeben. Die Analyse des empirischen Datenmaterials weist auf keinen – statistisch signifikanten – geschlechtsspezifischen Unterschied weder bei der Arbeitsmarktorientierung noch bei der Hochschulorientierung hin, was angesichts des deutlich höheren weiblichen Anteils im Hochschulwesen doch bemerkenswert erscheint (vgl. STATISTIK AUSTRIA 2012).

Ein höheres gesellschaftliches Ansehen ist für die Lehrlinge eher kein direktes Motiv, um an der Berufsmatura teilzunehmen, jedoch ist die berufliche Positionierung am Arbeitsmarkt und folglich das Einkommen immer mit gesellschaftlichem Ansehen verknüpft. Ebenso ist das Bildungsideal „Neues Lernen“ kein zentrales Motiv.

Generell zeigt sich also, dass die Motive zum Erwerb der Berufsmatura stark arbeitsmarktbezogene Aspekte aufweisen. Diese Ergebnisse sind weitgehend mit denen einer AbsolventInnenbefragung der „normalen“ Berufsreifeprüfung (Personen, die die Berufsreifeprüfung im Anschluss an ihre Ausbildung absolviert haben) vergleichbar (vgl. KLIMMER/ SCHLÖGL 2006, 36). In dieser Befragung äußerte nur ein Fünftel der AbsolventInnen, dass die Studienabsicht ein dominierendes Motiv bei der Bildungswegentscheidung gewesen sei. Hingegen spielte für mehr als die Hälfte die zu erwartende Einkommenssteigerung eine zentrale Rolle. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass 58% der Befragten nach Abschluss der Berufsreifeprüfung eine weiterführende Ausbildung (mit Zulassungsvoraussetzung Reifeprüfung) begannen, davon etwa die Hälfte ein Universitätsstudium und ein Fünftel ein Fachhochschulstudium. Obwohl das Motiv Studium zum Zeitpunkt der Bildungswegentscheidung „Berufsreifeprüfung“ eher keine zentrale Rolle spielte, tritt nach Abschluss der Berufsreifeprüfung dann folglich ein bedeutender Anteil in den Hochschulsektor ein, d. h. die Hochschulberechtigung wird auch faktisch genutzt.

Die vorliegenden Ergebnisse werden ebenso durch die Studierenden-Sozialerhebung 2009 gestützt (vgl. UNGER et al. 2010). Studierende mit Zugangsberechtigung „Berufsreifeprüfung“ weisen eine überdurchschnittlich starke Arbeitsmarktorientierung bei ihren Studienmotiven auf, wobei besonders – wenig überraschend angesichts einer bereits erworbenen beruflichen Erstausbildung und gesammelter Berufserfahrung – „Umorientierung“, „Arbeitsmarktchancenoptimierung“ und „Weiterbildung“ im Vordergrund stehen. Einerseits ermöglicht die Berufsreifeprüfung durch die allgemeine Hochschulberechtigung einen Wechsel des Berufsfeldes, d. h. eine horizontale berufliche Mobilität in Kombination mit einem höherwertigen Bildungsabschluss, andererseits kann der bisherige berufliche Ausbildungsprozess im tertiären Bildungssektor vertieft werden (vertikale Mobilität durch Höherqualifizierung).

4.4 Berufliche und persönliche Entwicklung

Die Konzeption der Berufsmatura sieht eine Parallelität der Qualifizierungsprozesse „Lehrausbildung“ und „Berufsmatura“ vor. Mit der Berufsmatura ist der Anspruch verbunden, Studierfähigkeiten bei leistungsstarken Lehrlingen zu entwickeln. Abb. 4 zeigt wie die TeilnehmerInnen ihre persönliche und berufliche Entwicklung durch die Teilnahme an der Berufsmatura einschätzen.

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Abb. 4: Berufliche und persönliche Entwicklung nach Selbsteinschätzung der Teilnehmenden (Mittelwerte der Zustimmung) (öibf-Berufsmaturabefragung (Lehrlinge), 2012; n=2358)

In den kompetenzbasierten BRP-Curricula wird Kompetenz verstanden als „längerfristig verfügbare kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, die von Lernenden entwickelt werden und die sie befähigen, Probleme in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsbewusst zu lösen und die damit verbundene motivationale und soziale Bereitschaft zu zeigen“ (§ 2 Abs. 1 BRPCV). Grundsätzlich müsste man daher davon ausgehen, dass durch die Teilnahme an den Vorbereitungskursen Kompetenzentwicklungsprozesse ausgelöst werden, die neben der persönlichen Entwicklung auch die berufliche Entwicklung fördern. Die Ergebnisse zeigen, dass die TeilnehmerInnen den Beitrag der Berufsmatura zur persönlichen Entwicklung äußerst positiv bewerten. Hingegen wird die berufliche Entwicklung von den TeilnehmerInnen vergleichsweise schlecht eingeschätzt. Besonders überraschend ist, dass die TeilnehmerInnen durchschnittlich eher einen geringen Nutzen für den Berufsschulunterricht sehen. Der Anspruch der Berufsmatura zu einem beruflichen Kompetenzentwicklungsprozess beizutragen, kann offensichtlich begründet durch diese Ergebnisse nicht eingelöst werden. Auch hier wird wieder deutlich, dass die „Lehrausbildung“ und „Berufsmatura“ voneinander unabhängige Qualifikationsprozesse darstellen und von den TeilnehmerInnen als solche erlebt werden. Vor dem Hintergrund der starken arbeitsmarktorientierten Motive der TeilnehmerInnen muss daher kritisch die Frage gestellt werden, ob die gegenwärtige Umsetzung der Berufsmatura das Versprechen einer beruflichen Höherqualifizierung und der Entwicklung von Studierfähigkeit halten kann.

5 Berufsmatura als Modell zur Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und tertiärer Bildung?

Mit der Novelle des Berufsreifeprüfungsgesetzes (2008) und der Einrichtung des Förderprogramms „Berufsmatura“ wurde eine strukturelle Hürde im Bildungswesen zwischen der dualen Ausbildung und der Hochschulbildung beseitigt. Im Hinblick auf die (europäische) bildungspolitische Forderung zur Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen der beruflichen und tertiären Bildung ist diese bildungspolitische Innovation grundsätzlich positiv zu bewerten. Mit der Berufsmatura wurde ein Ausbildungsmodell geschaffen, das bereits im Zuge des Erstausbildungsprozesses (in der dualen Ausbildung) den Erwerb einer allgemeinen Hochschulberechtigung ermöglicht. Diese Innovation ist für vergleichbare Bildungssysteme im deutschsprachigen Raum einzigartig: In der Schweiz berechtigt die „Berufsmaturität“ nur zu einem facheinschlägigen Fachhochschulstudium. Die Berufsmaturitätsquote beträgt in der Schweiz etwa 10% (vgl. BBT 2012). In Deutschland führt die Fachoberschule (bis 12. Klassenstufe) zur Fachhochschulreife, wobei es den Ländern freigestellt ist, eine 13. Klassenstufe oder Berufsoberschule (12. und 13. Klassenstufe) einzurichten, die mit einer fachgebundenen oder allgemeinen Hochschulreife abschließen (vgl. KMK 2010).

Die hohen TeilnehmerInnenzahlen der Berufsmatura, die seit der Einführung 2008 erreicht wurde, zeigen den Bedarf eines solchen Qualifizierungsmodells, das einen Anschluss der dualen Ausbildung an die tertiäre Bildung herstellt. Die oben vorgestellten Ergebnisse einer erstmalig erfolgten Evaluierung deuten zumindest an, welchen Beitrag die „Berufsmatura“ in ihrer aktuellen Ausprägung zur sozialen Mobilität leisten kann. Die nähere Charakterisierung der TeilnehmerInnen zeigt deutlich, welche Gruppen innerhalb der Lehrlinge durch dieses Ausbildungsmodell vorrangig angesprochen werden: Es gibt unterschiedliche Beteiligungsquoten je nach Lehrberufsgruppe und Geschlecht. Im Hinblick auf den Durchlässigkeitsaspekt ist vor allem interessant, dass „Umsteiger“ aus maturaführenden Schulen (AHS, BHS) stärker vertreten sind, als Lehrlinge, die von einem „klassischen“ Bildungsweg zur Lehre gekommen sind. Die Berufsmatura ermöglicht also vor allem für ehemalige SchülerInnen einer zur Matura führenden Schule den Abschluss einer Reifeprüfung über einen alternativen Bildungsweg. Für diese Gruppe ist der Wechsel im Bildungswesen auf der Sekundarstufe II folglich nicht mit einem „Abstieg“ hinblicklich des Qualifikationsniveaus verbunden.

Bemerkenswert im Kontext der faktischen Durchlässigkeit ist auch das Ergebnis, dass der Wunsch zu studieren nicht das zentrale Entscheidungskriterium zur Teilnahme an der Berufsmatura darstellt. Jedoch ist anzunehmen – begründet auf den Ergebnissen der Evaluierung zur Berufsmatura als auch einer BRP-Befragung von „normalen“ AbsolventInnen (vgl. KLIMMER/ SCHLÖGL 2007) – dass die allgemeine Hochschulberechtigung von AbsolventInnen der Berufsmatura folglich für Weiterbildung, beruflicher Höherqualifizierung oder beruflicher Umorientierung auch faktisch in Anspruch genommen wird. Für diese Gruppe sind arbeitsmarktorientierte Kriterien bei der Bildungswegentscheidung stark dominierend. Die Entscheidung über die Aufnahme eines Hochschulstudiums wird, stärker als bei anderen Zielgruppen des tertiären Bildungssystems, unter den Aspekten der Erhöhung der individuellen Arbeitsmarktchancen durch berufliche Höherqualifizierung bzw. berufliche Neuorientierung betrachtet (vgl. UNGER et al. 2010).

Jedoch ist die Berufsmatura kein Modell, das die Berufsreifeprüfung in die duale Ausbildung systematisch integriert, sondern voneinander unabhängige Qualifizierungsprozesse darstellt. Es besteht kein Anspruch der Lehrlinge auf eine Teilnahmeberechtigung an der Berufsmatura, in vielen Fällen muss das Einverständnis des Ausbildungsbetriebes eingeholt werden. Inwieweit die aktuelle Konzeption der Berufsmatura Lehrlinge zur Teilnahme ausschließt, muss im Sinne der Chancengleichheit noch eingehend geprüft werden. Die Problematik der „Doppelausbildung“ bringt noch weitere Hürden aufgrund der höheren Belastung mit sich: die Besuche der Vorbereitungslehrgänge werden nicht auf die Ausbildungszeit im Betrieb angerechnet bzw. erfolgen außerhalb der betrieblichen Ausbildung. Die Rahmenbedingungen zum Abschluss der Berufsmatura sind mit denen von maturaführenden Vollzeitschulen nicht vergleichbar und stellen erhebliche nicht-fachliche Ansprüche an die TeilnehmerInnen (Konsequenz, Durchhaltevermögen, Selbstorganisationsfähigkeiten, Zeitmanagement, etc.) (vgl. SCHLÖGL et al. 2012). Wenn ein ernsthafter Anspruch besteht, den Übergang von der dualen Ausbildung zur Hochschule durchlässiger zu gestalten, werden weitere Schritte zur systematischen Integration der Berufsreifeprüfung in den dualen Ausbildungsprozess künftig diskutiert werden müssen.

Abzuwarten bleibt, ob die Berufsmatura am Arbeitsmarkt als ein der Matura gleichwertiger Qualifikationsabschluss angenommen wird und damit tatsächlich höhere Arbeitsmarktchancen (wie von den TeilnehmerInnen erwartet) verbunden sind. Einige Lehrende im Berufsmaturamodell bemerkten im Zuge der Evaluierung, dass das Niveau in den zu absolvierenden Prüfungsfächern im Vergleich zur Reifeprüfung in den Vollzeitschulen deutlich niedriger sei. Dadurch bestehe für die Berufsmatura generell die Gefahr, dass die allgemeine Anerkennung in Gesellschaft und Arbeitsmarkt darunter leide und infolgedessen zu einer Entwertung der Berufsreifeprüfung führe (vgl. SCHLÖGL et al. 2012, 28). Ob die Bemühungen zur Herstellung der (rechtlichen) Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und allgemeiner Bildung und die Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen der beruflichen und tertiären Bildung gänzlich widerspruchsfrei umzusetzen sind und nicht mit einer Entwertung des Qualifikationsniveaus „Berufsreifeprüfung“ und einem Anerkennungsverlust am Arbeitsmarkt verbunden sind, bleibt daher vor diesem Hintergrund offen. Gerade weil die Berufsreifeprüfung größtenteils „außerhalb“ des öffentlichen Bildungswesens verankert ist, bleibt es unumgänglich, für die Einhaltung von verbindlichen Qualitätsstandards bei der Umsetzung der Berufsreifeprüfung zu sorgen (vgl. SCHLÖGL et al. 2012).

Die vorliegenden Ergebnisse konnten einen ersten Einblick über den Beitrag der Berufsmatura zur Erhöhung der vertikalen Durchlässigkeit geben. Die Anknüpfungspunkte für zukünftige Forschungsprojekte im Kontext der Durchlässigkeit und sozialen Mobilität sind vielfältig, wie beispielsweise:

· Welchen weiteren Bildungs- bzw. Karriereverlauf weisen AbsolventInnen der Berufsmatura auf? Wie hoch sind die Übertrittsraten in das Hochschulsystem?

· Kann der Attraktivitätsgrad und das Image der Lehrausbildung durch „Lehre mit Matura“-AbsolventInnen gesteigert werden?

· Welchen sozialen Hintergrund weisen die TeilnehmerInnen auf? Von welchen Faktoren hängt die Teilnahmebereitschaft der Lehrlinge ab?

Ob die Berufsmatura tatsächlich in Zukunft einen entscheidenden Beitrag zur Erhöhung der faktischen Mobilitätsraten im Bildungssystem beitragen kann, bleibt abzuwarten und hängt wohl von der weiteren Entwicklung dieses Ausbildungsmodells ab. An Weiterentwicklungspotenzialen der pädagogischen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Berufsmatura mangelt es nicht (vgl. SCHLÖGL et al. 2012).

Literatur

ARCHAN, S./ SCHLÖGL, P. (2007): Von der Lehre zur postsekundären Bildung. Eine Studie und Modelle zur Durchlässigkeit im österreichischen Bildungssystem. Wien. Online: http://neu.oeibf.at/db/calimero/tools/proxy.php?id=12736 (04-09-2012).

BACHER, J. (2008): Bildungsungleichheiten in Österreich – Basisdaten und Erklärungsansätze. In: Erziehung & Unterricht. Jg. 158, Nr.7-8/2008, 529-542.

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[1] Mit dem Begriff „zweiter Bildungsweg“ wird in Österreich das Nachholen eines Bildungsabschlusses im Erwachsenenalter bezeichnet. Beispiele dafür sind das Nachholen eines Pflichtschulabschlusses, der Erwerb einer Studienberechtigung, die Ablegung einer Externistenreifeprüfung, die Absolvierung eines berufsbegleitenden Bildungsganges in der Sekundarstufe II.


Zitieren dieses Beitrages

MAYERL, M. (2012): Die „Berufsmatura“ als ein Modell zur Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und tertiärer Bildung in Österreich? – Individuelle Bildungsverläufe und Motive von TeilnehmerInnen. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 23, 1-25. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe23/mayerl_bwpat23.pdf  (12-12-2012).


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