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bwp@ Ausgabe Nr. 21 | Dezember 2011
Qualität und Qualitätsmanagement in der Berufsbildung
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 21 sind Karin Büchter, Franz Gramlinger & Karl Wilbers

Herausforderungen und erste Erfahrungen bei der Implementierung des Qualitätsgedankens in die betriebliche Ausbildung – Erfahrungen und Ansätze aus dem Verbundprojekt von ZWH und Handwerkskammer Hannover

Beitrag von Alexandra EDER, CLAUDIA KLEMM, BEATE KRAMER & LARS POPPE (Leibniz Universität Hannover, Handwerkskammer Hannover & Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk)

Abstract

Diskussionen zur Qualitätsentwicklung im Berufsbildungssystem fokussierten lange die Implementierung von Qualitätsmanagementsystemen der Wirtschaft an berufsbildenden Schulen. Aktuell erstreckt sich die Qualitätsdebatte zunehmend auch auf die Ausbildungsprozesse auf betrieblicher Seite. Systematisches Qualitätsmanagement betrieblicher Erstausbildung ist aktuell im Handwerk nicht erkennbar. Ebenso wenig haben sich einheitlichen Qualitätskriterien etabliert. Hinzu kommt, dass die Notwendigkeit attraktiver Ausbildung als Mittel zur langfristigen Fachkräftesicherung noch zu wenig gesehen wird. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Wettbewerbs der Branchen, um talentierte Ausbildungsplatzbewerber(innen) und einer Ausbildungsabbruchsquote im Handwerkskammerbezirk Hannover von 20 Prozent, erscheint eine Sensibilisierung der Ausbildungsbetriebe für diese Qualitätsfragen unabdingbar. Das 2010 initiierte Verbundprojekt „Qualitätsentwicklung in der Ausbildung in Handwerksbetrieben: Entwicklungsinstrumente und Qualifizierungskonzepte“ der Handwerkskammer Hannover und der Zentralstelle für Weiterbildung im Handwerk (ZWH) fokussiert diese Thematik. Projektziele sind die Identifizierung des vorherrschenden Qualitätsverständnisses sowie handwerksspezifische Ausbildungsprobleme. Erkenntnisse dazu werden durch Befragung von Ausbildungsverantwortlichen und Auszubildenden gewonnen und der Entwicklung praktikabler Qualitäts- und Beratungskonzepte zugrunde gelegt. Der Beitrag stellt die Ausgangssituation und die Eckdaten des oben genannten Verbundprojektes vor und fasst bisherige zentrale Ergebnisse und Erkenntnisse zusammen. Darüber hinaus werden die Frage nach praktikablen Qualitätsbegriffen und Verstetigungsansätze des Qualitätsgedankens im Handwerk herausgearbeitet sowie die Chancen und Grenzen einer Kooperation zwischen HWK und ZWH mit den Ausbildungsbetrieben diskutiert.


Challenges and initial experiences with the implementation of quality thinking in in-company training – experiences and approaches from the joint project of ZWH and the Chamber of Trade in Hanover

Discussions on quality development in the vocational education and training system have long focused the implementation of quality management systems from industry at vocational schools. Currently the quality debate also extends increasingly to the training processes on the in-company side. Systematic quality management of in-company initial training is not currently discernible in the craft trades. Uniform quality criteria have also hardly been established. In addition, the necessity of attractive training as a means for long-term securing of skilled staff is still given too little importance. Against the background of increasing competition in the sectors over talented applicants for training places, and a rate of attrition amongst trainees in the Hanover region Chamber of Trade of 20% it would seem that a sensibilisation of the training companies for these questions of quality is indispensable. The joint project that was initiated in 2010: “Quality development in training in craft businesses: Development instruments and qualification concepts” at the Chamber of Trade in Hanover and the central office for further education and training in craft trades (ZWH) focuses these themes. The aims of the project are the identification of the prevailing understanding of quality as well as training problems that are specific to the craft trades. Insights in this regard are gained through surveys of those responsible for training and trainees and these provide the foundation for the development of practicable quality and advisory concepts. This paper presents the current situation and the parameters of the above mentioned joint project, and summarises the key results and insights that have been gained thus far. In addition the question of practicable quality concepts and approaches for permanent adoption of quality thinking in trade crafts is developed, and the opportunities and limits of a co-operation between the HWK and the ZWH with the training companies are also discussed.

 

1 Einordnung des Modellprojektes „Qualitätsentwicklung in der Ausbildung in Handwerksbetrieben“ in die aktuelle Qualitätsdiskussion

1.1 Verortung des Projekts im Förderschwerpunkt des BMBF „Qualitätsentwicklung und -sicherung in der betrieblichen Berufsausbildung“

Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Wettbewerbs der Branchen um geeignete Auszubildende ist eine Sensibilisierung der Ausbildungsbetriebe für eine kontinuierliche Weiterentwicklung ihrer Ausbildungsqualität für Wirtschaft und Berufsbildungspolitik gleichermaßen von Interesse. Vor allem aber in kleinen und mittleren Unternehmen wird die Notwendigkeit attraktiver Ausbildung als Mittel zur langfristigen Fachkräftesicherung noch zu wenig gesehen. In der berufspädagogischen Forschung wurde in den letzten zwei Dekaden die Implementierung eines systematischen Qualitätsmanagements in der beruflichen Erstausbildung überwiegend von der Warte berufsbildender Schulen aus erforscht (vgl. MÜNK/ WEIß 2009). Der aktuelle Förderschwerpunkt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem Titel „Qualitätsentwicklung und -sicherung in der betrieblichen Berufsausbildung“ nimmt im Gegensatz dazu die Qualität betrieblicher Ausbildung stärker in den Forschungsfokus (vgl. EBBINGHAUS/ KREWERTH 2010, 7). Die Bundesregierung will damit kleine und mittlere Unternehmen bei der Sicherung und Weiterentwicklung ihrer Ausbildungsqualität unterstützen. Aktuell sind 10 Modellprojekte in diesem Förderschwerpunkt aktiv und es werden diesbezüglich folgende Zielbereiche angestrebt: a) Entwicklung eines übergreifenden Verständnisses von Ausbildungsqualität im Sinne eines Leitbildes für Ausbildung, b) Verbesserung der Ausbildungsprozesse besonders mit Blick auf eigenverantwortliches Lernen, c) Verringerung der Abbruchquoten, d) Erhöhung der Attraktivität der Berufsausbildung und e) Potenzialerschließung und Fachkräftesicherung (vgl. BIBB 2011, 4). Das 2010 von der Handwerkskammer Hannover und der Zentralstelle für Weiterbildung im Handwerk (ZWH) initiierte Verbundprojekt „Qualitätsentwicklung in der Ausbildung in Handwerksbetrieben: Entwicklungsinstrumente und Qualifizierungskonzepte“ ist in diesem Förderschwerpunkt verankert. Im Folgenden werden die wesentlichen Zielsetzungen und Arbeitsschwerpunkte dieses Verbundprojektes dargelegt.

1.2 Zielsetzung und Arbeitsschwerpunkte des Projekts

Die Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen – wie sie typischerweise im Handwerk zu finden sind – zu leistungsfähigen und attraktiven Lernorten steht im Mittelpunkt des Verbundprojekts. Gerade diese Unternehmen sollen für qualitätsrelevante Aspekte der Ausbildungsqualität sensibilisiert und bei der Weiterentwicklung derselben unterstützt werden.

Dazu soll gemeinsam mit Handwerksbetrieben im Kammerbezirk Hannover, der Handwerkskammer Hannover und der ZWH für die qualitätsrelevanten Phasen der Ausbildung konkrete Instrumente zur Qualitätssicherung und -entwicklung erarbeitet und erprobt werden. Aufgrund der Vorerfahrungen der Verbundpartner in der beruflichen Erstausbildung wurden für das Projekt fünf für die Ausbildungsqualität besonders wichtige Phasen definiert: 1. Rekrutierung, 2. Planung der Ausbildung, 3. Einstiegsphase und Probezeit, 4. Qualifizierungsprozesse in der Ausbildung und 5. Prüfungsvorbereitung (siehe Abbildung 1):

Abb. 1:   Qualitätsrelevante Phasen der Ausbildung (eigene Darstellung)

 

Die Entwicklung und Anwendung dieser Instrumente zur Qualitätssicherung und -entwicklung der qualitätsrelevanten Phasen der Ausbildung wird durch Workshops und Seminare begleitet. Im Rahmen des Verbundprojektes soll ein Leitfaden entwickelt und erprobt werden, der ein Portfolio an Instrumenten zur systematischen Planung, Durchführung und Kontrolle derselben beinhaltet. Insbesondere die Etablierung einer Lernkultur des eigenverantwortlichen und selbstgesteuerten Lernens und die Verbesserung der Kommunikation der Ausbildungsverantwortlichen untereinander werden dabei fokussiert. Die Projektinitiatoren erhoffen sich durch die Entwicklung der genannten Qualitätssicherungs- und -entwicklungsinstrumente, Ausbildungsabbrüche im Handwerk zu reduzieren und die Lernortkooperation der am Verbundprojekt beteiligten Betriebe zu stärken.

Die im Verbundprojekt gewonnenen Erkenntnisse münden im Anschluss an die Projektlaufzeit in ein Beratungskonzept für die Ausbildungsberater/-innen der Handwerkskammern. Diese wirken zukünftig an der Qualitätsentwicklung in der beruflichen Erstausbildung mit und beraten und begleiten diesbezüglich die ausbildenden Betriebe während des Durchlaufens aller Phasen der beruflichen Erstausbildung (siehe Abbildung 1), mit dem Ziel, den Ausbildungserfolg d.h. die Outputqualität (vgl. NICKOLAUS 2009, 26) von Ausbildung sicherstellen zu können. Dadurch erhält Ausbildungsberatung die Chance durch qualifizierte Begleitung der Betriebe die Attraktivität der Ausbildung zu verbessern und präventiv – ausbildungsgefährdenden – Konflikten vorzubeugen.

Ebenso wird die Verbesserung der Eignung und des Verhaltens von Ausbilder/-innen (Input- und Prozessqualität von Ausbildung) durch bedarfsgerechte Qualifizierungsangebote sowohl für betriebliche Ausbilder/-innen als auch für ausbildende Fachkräfte bzw. Gesellen angestrebt (vgl. Kapitel 1.4.1). Hierbei sollen neben den erarbeiteten Qualitätsentwicklungsaspekten und
-instrumenten auch aktuelle Ausbildungsanforderungen, wie sie in der neuen AEVO in Teil IV der Meisterprüfung enthalten sind, thematisiert werden. Diese Qualifizierungsangebote erstrecken sich auf bedarfsgerechte kleine Qualifizierungsmodule, die im Sinne eines Blended-Learning-Ansatzes mittels interaktiver Medien und kurzen Präsenzveranstaltungen umgesetzt werden und unterschiedliche Schwerpunkte für die Ausbilder/-innen und die ausbildenden Fachkräfte bieten.

Letztendlich sollen alle im Projekt entwickelten Maßnahmen dazu führen, dass Anreize und Anregungen für KMU des Handwerks geschaffen werden, nachhaltige und angemessene Qualitätsentwicklungs- und -sicherungsstrategien für die berufliche Erstausbildung im Betrieb zu realisieren.

1.3 Einbindung und Erwartungshaltung der Partnerbetriebe

Zur Gewinnung von Partnerbetrieben für das Projektvorhaben wurden in einem ersten Schritt ca. 400 Handwerksbetriebe des Kammerbezirks Hannover von der örtlichen Handwerkskammer angeschrieben und zu Informationsveranstaltungen eingeladen. Nach Rücklauf der Anmeldungen wurden insgesamt drei Informationsveranstaltungen durchgeführt. Kleinst- und Kleinunternehmen waren meist durch die Betriebsinhaber bzw. Geschäftsführer vertreten, bei mittleren und Großunternehmen erschienen hauptamtliche Ausbilder oder Betriebsleiter. Auf diese Weise konnten 16 Betriebe für die Teilnahme am Projekt gewonnen werden. Tabelle 1 veranschaulicht die Strukturdaten, bezogen auf die Unternehmensgröße und Branche der teilnehmenden 16 Partnerbetriebe.

Tabelle 1:   Strukturdaten der teilnehmenden Projektbetriebe

 

Anzahl Betriebe

Anzahl

Lehrlinge

Branche

Kleinstunternehmen

< 10 Mitarbeiter

 

2

 

4

Maler- und Lackierer;

Elektroinstallation

 

Kleinunternehmen

< 50 Mitarbeiter

 

7

 

31

Gebäudereinigung; Dachdeckerei

Sanitär-Heizung-Elektro;

Kälte-Klimatechnik (2x);

Tischlerei; Autolackiererei

Mittlere Unternehmen

< 250 Mitarbeiter

 

4

 

38

Dachdeckerei; Bäckerei;

Industrie- und Haustechnik;

Personenbeförderung und Busverkehr

Großunternehmen

> 250 Mitarbeiter

 

3

 

121

Gebäudereinigung; Fleischerei;

Gebäude- und Sicherheitstechnik



Es zeigte sich in Befragungen, dass viele der anwesenden Ausbildungsverantwortlichen der Einladung zur Teilnahme an dem Projekt aufgrund von größtenteils problemorientierten Erfahrungen gefolgt sind und sich nun durch die Mitwirkung im Projekt Tipps und Anregungen für die Umsetzung erfolgreicher Ausbildungsarbeit erwarten.

Auf den Informationsveranstaltungen wurde den Akteuren deutlich gemacht, dass dieses Verbundprojekt einen Bottom-Up Ansatz für die Entwicklung von Qualitätsentwicklungsinstrumenten vertritt, welcher die aktive Mitwirkung der teilnehmenden Partnerbetriebe, unter Berücksichtigung des betrieblichen Alltags, erfordert. Die Beteiligung der Handwerksbetriebe erstreckt sich von der Funktion der Informationsgewinnung über eine regelmäßige Evaluation der entwickelten Instrumente bis zur Freistellung einzelner Mitarbeiter für Schulungen und Workshops. Die Art der Mitarbeit wurde in einer Projektvereinbarung schriftlich fixiert und von den Verantwortlichen unterzeichnet. Grundlage für die gemeinsame Erreichung der qualitätsrelevanten Ziele im Projekt ist eine Einigung auf ein gemeinsames Qualitätsverständnis von beruflicher Erstausbildung. Welche unterschiedlichen Vorstellungen dazu zu Beginn des Projektes vorlagen, wird im nächsten Abschnitt dargelegt.

1.4 Qualitätsverständnis im Verbundprojekt

Der Qualitätsbegriff ist schwierig zu fassen, da keine allumfassende, allgemeingültige Definition existiert. Je nach Interessenlage werden unterschiedliche Anforderungen an die Qualität eines Produktes, einer Dienstleistung, eines Arbeits- oder Ausbildungsprozesses oder einer Organisation gestellt. Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „wie etwas beschaffen ist“ d. h. (vgl. EDER 2003, 11) im Begriff steckt noch keine Wertung über die Güte z. B. eines Produktes oder eines Prozesses (vgl. MIRBACH 2009, 61). Diese muss im Vorfeld definiert und operationalisiert werden, damit eine Qualitätsmessung möglich wird. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie der Qualität von Ausbildungsprozessen zum einen von den Verbundprojektinitiatoren und zum anderen von den einzelnen Bezugsgruppen im Handwerk definiert wird. 

1.4.1 Theoretische Fundierung des Qualitätsverständnis der ZWH und der Handwerkskammer Hannover

Das Qualitätsverständnis der Projektinitiatoren stützt sich primär auf das vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) entwickelte Qualitätsmodell des Forschungsprojektes „Ausbildung aus Sicht der Auszubildenden“.

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Abb. 2:  Qualitätsmodell des Forschungsprojektes „Ausbildung aus Sicht der Auszubildenden“ (EBBINGHAUS/ KREWERTH 2008, 24)


Bei diesem Modell steht die Input- und Prozessqualität von Ausbildung in den vier Qualitätsbereichen „Organisation und Lernortkooperation“, „Inhalte und Methoden“, „Materielle Bedingungen“ und „Eignung und Verhalten der Ausbilder und Lehrer“ im Fokus.

Das Modell berücksichtigt neben diesen zentralen Faktoren für Qualität in der Ausbildung auch die Bereiche „Lernklima“ und „jugendspezifische Aspekte“. Diese Bereiche sind vor allem für Auszubildende wichtige Bestandteile einer gelungenen Ausbildung (vgl. BEICHT et al. 2009, 5). Das Qualitätsverständnis im Verbundprojekt konzentriert sich in einem ersten Schritt auf die Prozessqualität. Zu den wesentlichen Qualitätsdimensionen wurden von den Verbundpartnern systematisch Qualitätsziele/-kriterien konkretisiert und Indikatoren für die Zielerreichung herausgearbeitet. Aus ihnen wurden Standards für eine hohe Ausbildungsqualität in den Ausbildungsbetrieben im Handwerk abgeleitet und die zur Realisierung notwenigen Instrumente zugeordnet. Die Qualitätsziele richten sich auf die Realisierung einer hohen Ergebnisqualität im Sinne von guten Prüfungsergebnissen (Output) und einer fundierten Handlungskompetenz sowie einer entsprechend breiten Einsetzbarkeit der künftigen Fachkräfte (Outcome) (vgl. BALLI 2009, 94). Aus der Umsetzung und Evaluierung der Prozessqualität werden Konsequenzen für den Qualifizierungsbedarf des Ausbildungspersonals und damit für die Verbesserung der Inputqualität gewonnen. Diese münden dann in die oben angesprochenen Qualifizierungskonzepte.

Die Evaluierung des derzeit vorhandenen Qualitätsverständnisses sollte mithilfe qualitativer Fallstudien bei den Partnerbetrieben aus dem Kammerbezirk der Handwerkskammer Hannover erfolgen. In einem ersten Schritt wurde dazu das Qualitätsverständnis der im Projekt beteiligten Ausbilder/-innen und Auszubildenden ermittelt.

1.4.2 Methodisches Vorgehen zur Erfassung des Qualitätsverständnisses im Verbundprojekt

Ausgehend von der zentralen Fragestellung, welches Verständnis betrieblicher Ausbildungsqualität in Handwerksbetrieben des Kammerbezirks Hannover momentan vorherrscht, wurde im Sinne einer qualitativen Sozialforschung (BORTZ 1995, 357) zur Untersuchung zunächst ein explorativer Ansatz gewählt. 

Erstes Ziel war es, vorerst die Faktoren zu identifizieren, die Betriebe selbst als relevant für die Qualität ihrer Ausbildung erkennen. Anhand der ausgewerteten Daten sollte anschließend geprüft werden, inwieweit ein Kern gemeinsamer Qualitätsanforderungen vorhanden ist. Ferner galt es, die Instrumente und Verfahren zur Qualitätssicherung zu lokalisieren, die in der Praxis bereits angewandt werden und sich erfolgreich bewährt haben.

Die Ausbildungsverantwortlichen und Betriebsinhaber der 16 Partnerbetriebe wurden im Rahmen von halbstandardisierten Interviews befragt. Ein Interviewleitfaden ermöglichte die Vergleichbarkeit der jeweiligen Aussagen im Rahmen der Auswertung. Er orientierte sich inhaltlich an einer repräsentativen Befragung des BIBB (vgl. EBBINGHAUS 2008) und umfasste insgesamt fünf Themenbereiche: betriebliche Strukturdaten, Wirtschaftslage und Unternehmensstrategie, Ausbildungsstrategie, Ausbildungsqualität und Projekterwartungen, Rekrutierungsstrategie.

Die ersten drei Themenfelder erfassen hauptsächlich „Harte Fakten“, wie z. B. die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und Auszubildenden sowie die Gründungsdaten der Unternehmen. Außerdem wurde nach der Ausbildungserfahrung, den Motiven für Ausbildung und nach den Veränderungen von Ausbildungsbedingungen in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten gefragt. Dabei lag das Erfassen von Anforderungen und Beurteilungen hinsichtlich des Qualitätsverständnisses in der handwerklichen Ausbildung vorrangig im vierten Abschnitt. Ziel war es zu erfahren, welche Facetten des Qualitätskonstrukts von Handwerksbetrieben als ausbildungsrelevant erachtet werden.

Die Interviews hatten eine Gesprächsdauer zwischen 60 und 90 Minuten. Sie wurden aufgezeichnet und wörtlich transkribiert. Die Aufbereitung orientierte sich an der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach MAYRING (2007). 

Da sich die Perspektiven der an der Ausbildung Beteiligten je nach Zielen unterscheiden können, wurden im weiteren Verlauf des Projektes auch Auszubildende zu ihrem bestehenden Qualitätsverständnis befragt. Für diese Datenerhebung wurde, angelehnt an eine BIBB-Erhebung aus dem Jahr 2008 (vgl. BEICHT et al. 2009) ein überwiegend standardisierter Fragebogen konzipiert, der die Qualitätsdimensionen des im Kapitel 1.4.1 beschriebenen BIBB-Modells erfasst. Die Mehrzahl der Fragen enthält eine Soll-Ist-Analyse der betrieblichen Ausbildungsqualität aus Sicht der Auszubildenden (siehe Abbildung 2). Sie wurden um offene Fragen zu Beispielen für eine gute Ausbildung und zur Einschätzung der Ausbildungsqualität im Betrieb ergänzt.

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Abb. 3:  Ausschnitt aus dem Auszubildendenfragebogen im Projekt (eigene Darstellung)

Um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, wurden die Auszubildenden der eingebundenen Partnerbetriebe zu ihrem Qualitätsverständnis befragt. Die Datenerhebung erfolgte postalisch, jedoch mit einem vorgeschalteten telefonischen Kontakt mit den Ausbildungsverantwortlichen. Auffällig war, dass die Ausbilder der Partnerbetriebe großes Interesse an den Ergebnissen dieser Befragung bekundeten. Eine positive Folge dieses Interesses zeigte sich in der Mitwirkung bei der Erhebung der Daten. Die Mehrheit der eingebundenen Betriebe hat sich aktiv an dieser Befragung beteiligt. Insgesamt wurden 63 Fragebögen von Auszubildenden ausgewertet. In den folgenden Abschnitten wird auf zentrale Ergebnisse 1. der Betriebsbefragung und 2. der Auszubildendenbefragung eingegangen.

1.4.3 Qualitätsverständnis der beteiligten Partnerbetriebe

Die befragten 16 Partnerbetriebe bilden sowohl im gewerblich-technischen als auch im kaufmännischen Bereich (Bürokaufleute) aus. Alle Unternehmen schätzen ihre aktuelle und künftige wirtschaftliche Entwicklung positiv ein und rechnen überwiegend mit steigendem Fachkräftebedarf. Einige Unternehmen, besonders aus dem Bereich Klima –Kältetechnik, spüren bereits jetzt einen Fachkräftemangel.

Was die bisherige Ausbildungsstrategie betrifft, so bildet die überwiegende Mehrheit der befragten Unternehmen Auszubildende aus, um den eigenen Fachkräftebedarf zu decken. Darüber hinaus möchte die Hälfte der Unternehmen Jugendlichen eine Perspektive bieten und hebt den sozialen Aspekt ihrer Ausbildung explizit hervor. Ein Drittel bildet daher über den eigenen Bedarf hinaus aus. Die meisten Unternehmen engagieren sich schon seit über 30 Jahren in der Ausbildung. Einige gaben an, dass sie bereits seit der Betriebsgründung ausbilden.

Das Qualitätsverständnis der Unternehmer wurde anhand der Fragen ermittelt: Was heißt für Sie „gute Ausbildung“? Was verstehen Sie unter Ausbildungsqualität? Woran erkennen Sie, ob Ihre Ausbildung gut war? Aus den Antworten geht deutlich hervor, dass für fast die Hälfte der Unternehmen der Outcome (vgl. BALLI 2009, 95), also die Handlungskompetenz der künftigen Fachkraft, im Vordergrund steht. So antwortet z. B. ein Bäcker auf die Fragen: „Wenn beide Seiten während der drei Jahre zufrieden sind und am Ende ein gutes Ergebnis bei rauskommt. Also eine bestandene Prüfung.“ Für viele Unternehmer ist die bestandene Prüfung bzw. gute Prüfungsergebnisse (Output) ein Beleg für die Ausbildungsqualität. Dennoch hält die Hälfte der Befragten Prüfungsergebnisse nur für bedingt aussagefähig in Bezug zur beruflichen Handlungskompetenz. Als weitere Qualitätskriterien wurden von den befragten Ausbildungsverantwortlichen ergänzend mehrfach Selbstständigkeit und Eigenverantwortung genannt.

Darüber hinaus fallen die Aussagen zum Verständnis von Ausbildungsqualität sehr unterschiedlich aus. Dies könnte damit erklärt werden, dass in den befragten Betrieben unterschiedliche Ansprüche an das Niveau der eigenen Ausbildung gestellt werden. Im Bereich der Inputqualität werden von den befragten Ausbildern vor allem die Eignung und Motivation der ausbildenden Gesellen bzw. Fachkräfte als qualitätsrelevante Kriterien angegeben. Genannt werden besonders gute didaktische Fähigkeiten und die Übernahme von Erziehungsaufgaben. Aber auch die Eingangsvoraussetzungen der Auszubildenden wurden mehrheitlich bemängelt. So dominierten beispielsweise Aussagen über unzureichende mathematische Fähigkeiten.

Dagegen wird Ausbildungsqualität von den Befragten eher weniger auf der Ebene der Prozessqualität betrachtet. Erst auf Nachfragen seitens der Interviewer werden Aspekte wie die Einbindung der Gesellen, das Anleiten der Auszubildenden, das Übertragen verantwortungsvoller Aufgaben oder Prüfungsvorbereitung häufiger genannt. Andere Aspekte der Prozessqualität werden nur vereinzelt angegeben, wie z. B. fachliche Förderung, Persönlichkeitsentwicklung und Sozialkompetenz. Aber auch Feedbackmöglichkeiten, regelmäßige Kontrollen des Leistungsstandes oder Besprechungen mit den Lehrlingen sowie Lob und Anerkennung wurden genannt. Die Zufriedenheit der Auszubildenden und der Ausbilder werden nur in wenigen Unternehmen gemessen und wenn, dann meist informell im Rahmen von monatlichen Teambesprechungen oder in Jahresgesprächen.

Aussagen zu Stärken und Verbesserungspotenzial der betrieblichen Ausbildung lassen erkennen, wo die Unternehmen Entwicklungsmöglichkeiten und Unterstützungsbedarf sehen. Als Stärken werden von fast der Hälfte der Betriebe das vielseitige Know-how und eine breit angelegte Ausbildung gesehen. Etwas seltener wird auf die flachen Hierarchien, das gute Klima sowie das moderne technische Niveau der Betriebsausstattung und der Ausbildung hingewiesen.

Viele Ausbildende räumen selbstkritisch ein, dass zur Steigerung ihrer Ausbildungsqualität ein intensiverer Austausch zwischen ihnen, den Gesellen und Fachkräften sowie den Auszubildenden angezeigt wären. Dazu fehlt den meisten von ihnen vor allem die Zeit. Zudem wird mehrfach Verbesserungsbedarf bei der Planung und Strukturierung der Ausbildung gesehen.

Die Verengung der Qualitätsbetrachtung der Betriebsinhaber und Ausbildungsverantwortlichen im Handwerk in unserem Projekt auf die Output- und Outcomequalität bestätigt damit die Befunde der Wissenschaft zum Qualitätsverständnis in kleinen und mittleren Unternehmen (BMBF 2009, 46). Dies gilt in gleicher Weise für die Diskrepanz zwischen dem Anstreben einer hohen Outputqualität der Projektteilnehmer unter einer unzureichenden Berücksichtigung von Aspekten der Prozessqualität in der Ausbildungspraxis. Dadurch wird an sich vorhandenes Potenzial – vor allem das Lernen im Arbeitsprozess – nicht hinreichend genutzt (vgl. EBBINGHAUS/ KREWERTH 2010, 28).

Es erstaunt daher nicht, dass bei der Einschätzung der eigenen Ausbildungsqualität die Mehrheit der befragten Betriebsinhaber/Meister noch Potenzial nach oben sieht. Auf einer angegebenen Skala von 0 bis 10 (sehr gut) wurde die Gesamtqualität der eigens umgesetzten Ausbildung im Betrieb im Durchschnitt zwischen 6 und 7 eingestuft.

Insgesamt ist also festzuhalten, dass bei der Betrachtung der Ausbildungsqualität von vielen Unternehmern die Bezüge der verschiedenen Qualitätsdimensionen Input-, Prozess- und Outputqualität noch nicht so klar gesehen werden. Ihnen ist oft auch nicht das Potenzial des frühzeitigen Lernens in realen Arbeitsaufträgen bewusst und wird infolgedessen noch nicht ausgeschöpft. Für den Erfolg des Projektes wird es daher wichtig sein, den Unternehmen die Zusammenhänge zwischen der Verbesserung der Ausbildungsqualität, der Weiterentwicklung zu leistungsfähigen Lernorten und der Attraktivität für künftige Bewerber zu verdeutlichen.

1.4.4 Qualitätsverständnis der beteiligten Auszubildenden

Nach der Befragung der teilnehmenden Projektbetriebe wurden im nächsten Schritt die Auszubildenden der eingebundenen Handwerksbetriebe über ihr Verständnis zu Ausbildungsqualität befragt. Insgesamt wurden Daten von 63 Auszubildenden erhoben.
Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse deskriptiv dargestellt.

Befragt nach der Motivation, den jeweiligen Ausbildungsberuf zu erlernen, gab knapp Dreiviertel der Auszubildenden an, dass ihnen die Tätigkeiten ihres Ausbildungsberufes Spaß mache. Aber auch langfristige Entwicklungschancen sind für die Befragten wichtige Gründe, den Ausbildungsberuf zu erlernen. 84 % der Befragten wünscht sich, dass Ausbilder klar kommunizieren, was sie erwarten und 65 % stellen fest, dass dies bei ihren Ausbildern auch zutrifft. Weiterhin wünschen sich Auszubildende, dass Ausbilder sich bei der Erklärung von Arbeitsinhalten genügend Zeit nehmen (73 %). Dies wird in der betrieblichen Realität bei 59 % als gegeben angezeigt. In der Qualitätsdimension „Inhalte & Methoden“ erachten 89 % der Lehrlinge es als besonders wichtig, dass sie vielseitige und interessante Aufgaben bekommen und frühzeitig in „echte“ Kundenaufträge eingebunden werden. Ebenfalls ist es der überwiegenden Mehrheit (83 %) wichtig, ihre Arbeit selbstständig planen, durchführen und kontrollieren zu dürfen. Diese Erwartungen werden in der tatsächlichen Ausbildungsdurchführung jedoch nur laut Angabe von ca. der Hälfte der Auszubildenden erfüllt.

Darüber hinaus werden hohe Ansprüche an das Ausbildungspersonal gestellt, die überwiegend auch als erfüllt angesehen werden. Am wichtigsten ist den Befragten, dass die Ausbilder die Ausbildungsinhalte selber gut beherrschen (94 %), bei fachlichen Problemen Unterstützung anbieten (ebenfalls 94 %), Ausbildungsinhalte verständlich erklären (86%), klare Arbeitsanweisungen geben (90 %) sowie selber Freude an ihrer Arbeit zeigen (89%).

Verbesserungspotenzial sehen die Auszubildenden in der Würdigung ihrer Arbeit. 86 % wünschen sich, für gute Arbeit gelobt zu werden und bei neuen Aufgaben genügend Übungszeit zu erhalten (84 %). Außerdem wünschen sich 94 % Unterstützung von ihren Ausbildern bei Problemen.  Auch wird Verbesserungsbedarf bei der Fehlerkultur sowie der Kommunikation von Kritik angezeigt.

In der Dimension „Organisation und Lernortkooperation“ ist hervorzuheben, dass 95 % der Auszubildenden im Betrieb gut auf ihre Prüfung vorbereitet werden wollen. Bei der Umsetzung in den eingebundenen Betrieben beurteilen immerhin 73 %, dass dies für die eigene Ausbildung zutrifft. Des Weiteren stellen die befragten Lehrlinge hohe Ansprüche an die Möglichkeit, schulische und betriebliche Inhalte miteinander zu verknüpfen und jeweils am anderen Lernort zu verwerten (ca. 83 % ist dies wichtig). Die Bewertung der Realisierung von Lernortkooperation fällt dagegen eher negativ aus, nur ca. 52 % sagen, dass dies in ihrer Ausbildung zutreffe. Die größten Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen in den Punkten Vergütung und Freizeit. Dass sie bereits während der Ausbildung genügend Geld verdienen, trifft in ihrer subjektiven Einschätzung nur für 21 % der Befragten zu. Dass ihnen neben der Ausbildung genügend Freizeit bleibt, trifft für 38 % zu. Am wichtigsten ist den Lehrlingen, dass sie von Ausbildern, Kollegen und vom Chef respektvoll behandelt werden. 100 % der Auszubildenden in den Partnerbetrieben bewerten diesen Punkt mit wichtig bis sehr wichtig. Erfreulich ist, dass 70 % angeben, sie fühlen sich in ihrer Ausbildung auch so behandelt. Befragt nach einem Gesamturteil ihrer betrieblichen Ausbildungsqualität auf einer Skala von 0 bis 10 (sehr gut) ergibt sich ein Durchschnittswert von 7,7.

1.4.5 Fazit

Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass das Ausbildungspersonal und die Auszubildenden die Ausbildungsqualität in den Partnerbetrieben unterschiedlich beurteilen, gewichten und erleben. Diese unterschiedlichen Sichtweisen werden in der konkreten Projektarbeit mit den Partnerbetrieben für die Bestimmung des spezifischen Handlungsbedarfs und der Entwicklung der Qualitätsinstrumente herangezogen.

2 Erste Erfahrungen in der Kooperation mit Partnerbetrieben

Im ersten Jahr der Projektarbeit konnten interessante Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den Partnerunternehmen gewonnen werden. Auf die Schaffung einer gemeinsamen Projektidentität zwischen den Partnerbetrieben und auf die bisher erarbeiteten Instrumente zur Qualitätssicherung und -entwicklung soll im Folgenden eingegangen werden.

2.1 Schaffung einer gemeinsamen Projektidentität zwischen den Partnerbetrieben

Eine besondere Herausforderung in der Arbeit mit den beteiligten Projektunternehmen ist dem Faktor „Zeit“ geschuldet. Da der betriebliche Alltag bzw. der Unternehmenserfolg an erster Stelle steht und es in kleinen und mittleren Betrieben häufig keinen hauptamtlichen Ausbilder gibt, wird die aktive Mitarbeit der Unternehmen phasenweise durch das Arbeitsvolumen erschwert. Es hatte daher in den ersten Projektmonaten den Anschein, dass eine konstante Beteiligung an der gesamten Projektlaufzeit aufgrund der meist vorherrschenden betrieblichen Kleinstrukturen der Unternehmen nur schwer zu erreichen ist. Das zeigte sich hinsichtlich der Resonanz zu den ersten bereitgestellten Materialien zum Thema Praktikum. Nach etwa zehn Monaten Projektlaufzeit ließ sich jedoch feststellen, dass die Zusammenarbeit und die Rückmeldungen mit der Mehrheit der Betriebe intensiviert werden konnte. Es ist zu vermuten, dass ein konstanter Beziehungsaufbau zu den Verantwortlichen in den Unternehmen die Partizipation an der Qualitätsarbeit in der beruflichen Erstausbildung enorm stärkt. Während der Projektlaufzeit wird diese Beziehungsarbeit vermutlich nur über eine zeit- und ressourcenintensive Einzelbetreuung der mitwirkenden Projektbetriebe zu realisieren sein.

Aufbauend auf dieser Erkenntnis hat die HWK Hannover den Kontakt zu den Unternehmen systematisch intensiviert. So werden alle Betriebe mindestens einmal pro Monat kontaktiert, überwiegend per Telefon. Zusätzlich wurde ein Newsletter entwickelt, der die Projektbetriebe und weitere Multiplikatoren alle drei Monate über qualitätsrelevante Themen der Ausbildung informiert und den Blick auf eine prozessorientierte Betrachtungsweise von Ausbildung lenken soll. Gleichzeitig werden in diesen Newslettern Best Practice Unternehmen vorstellt, sodass anderen Betrieben konkrete Umsetzungsstrategien aufgezeigt werden und qualitätsorientierte Unternehmen durch eine positive Öffentlichkeitsarbeit für Ihre Bemühungen belohnt und zur Weiterarbeit motiviert werden. Darüber hinaus sind regelmäßige Treffen mit allen beteiligten Projektbetrieben geplant, welches jeweils von einem der Unternehmen ausgerichtet wird. Ziel dieser Treffen ist ein Kennenlernen der Beteiligten und das Erzeugen einer Gruppenidentität, die im weiteren Projektverlauf die Kohäsion der Betriebe stärkt und so zum Erreichen des Projektziels- der Entwicklung von Qualität in der Ausbildung- entschieden beitragen soll. Parallel dazu werden die Unternehmen regelmäßig besucht, um sie bei der Umsetzung und Implementierung von Instrumenten und Konzepten zu beraten und zu unterstützen.

2.2 Erprobung von Instrumenten und Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsqualität

Nachfolgend werden Instrumente und Maßnahmen vorgestellt, die für die beiden qualitätsrelevanten Phasen der beruflichen Erstausbildung „Planung der Ausbildung“ und „Einstiegsphase und Probezeit“ (vgl. Kapitel 1.2) im Projekt bereits entwickelt und gemeinsam mit den Projektbetrieben erprobt wurden. Es handelt sich hierbei um 1. Workshops für Berufseinsteiger, 2. Seminare zur Bildung von Azubi-Tandems und 3. Informationshefte zum Thema „Gelungener Ausbildungsstart“.

2.2.1 Workshop für Berufseinsteiger

An insgesamt vier Terminen im Juni 2011 wurden Jugendliche des Handwerkskammerbezirks Hannover, deren Ausbildung am 01.08.2011 und am 01.09.2011 beginnen sollte, zu Workshops für Berufseinsteiger eingeladen. Ziel dieses Workshops war es, mit den Jugendlichen über den neuen Lebensabschnitt „Ausbildung“ und die damit verbundenen Veränderungen zu sprechen. Da der Wechsel von dem gewohnten Sozialfeld Schule in das meist noch unbekannte Sozialfeld der Arbeitswelt für viele Jugendliche eine große Umstellung bedeutet, bestehen gerade zu Beginn der Ausbildung noch viele Unsicherheiten. Das Schülerdasein ist zu Ende und es beginnt das Leben als Erwachsener. Dennoch sind viele Ausbildungsneulinge im Unternehmen zunächst wieder „die Jüngsten und die Anfänger“. Diese ungewohnte Situation und Erfahrungen führen bei Ausbildungsanfängern häufig zu Ängsten und befangenem Verhalten. Mit den Teilnehmern wurden diese Anfangsschwierigkeiten erörtert. Außerdem wurden mögliche „Stolpersteine“ zu Beginn der Ausbildung (z. B. wen duze/wen sieze ich?) diskutiert, über Rechten und Pflichten informiert und Kontaktdaten der Ausbildungsberater der Handwerkskammer Hannover und Anlaufstellen bei Lernschwierigkeiten (abH und SES) während der Ausbildung ausgehändigt. Übergreifend wurden Übungen zum Thema Kommunikation durchgeführt, z. B. zum Kommunikationsmodell (Vier-Seiten-Modell) nach Schulz von Thun. Insgesamt nahmen fast 90 neue Auszubildende an diesen Workshops teil. 

2.2.2 Seminar „Azubi-Tandem“

Doch nicht nur die Jugendlichen sollten sorgfältig auf ihren Ausbildungsbeginn eingestimmt werden. Gerade zu Beginn einer Ausbildung kann ein Unternehmen entscheidende Weichen für den weiteren gelungenen oder weniger gelungenen Verlauf der Ausbildung stellen. Infolgedessen ist es ratsam, sich für die Einführung der neuen Auszubildenden in den Betrieb genügend Zeit zu nehmen. Da Zeit jedoch bei vielen kleinen und mittleren Handwerksbetrieben Mangelware ist, sollten Ausbilder einige Aufgaben an Mitarbeiter delegieren. Gerade für die Einführung von unerfahren Auszubildender bietet es sich an, erfahrene Auszubildende in die Planung und Umsetzung der Anfangszeit einzubinden. Diese können sich meist noch an ihren eigenen Ausbildungsbeginn im Unternehmen erinnern. Der neue Auszubildende hat weniger Hemmungen Fragen zu stellen, da er einem annähernd Gleichaltrigen gegenüber steht und mit ihm auf Augenhöhe kommuniziert. Ausbilder werden entlastet und signalisieren ihren erfahrenen Auszubildenden gleichzeitig Wertschätzung.

An dem ganztägigen Seminar zur Realisierung solcher „Azubi-Tandems“ nahmen 19 erfahrene Auszubildende teil. Zunächst wurde von den Teilnehmern der eigene Ausbildungsbeginn reflektiert. Dabei wurden sowohl positive als auch negative Aspekte gesammelt und diskutiert. Anschließend erarbeiteten die Teilnehmer Lösungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Anfangsproblemen. Gruppenübungen zu Themen „Konflikte in der Ausbildung“ und „Kommunikation zwischen Auszubildenden und Ausbilder“ rundeten die Inhalte ab. Anschließend wurde ein Arbeitsheft mit Checklisten und Vorlagen zur Organisation des Ausbildungsbeginns besprochen und ausgehändigt. Der Alt-Azubi sollte dem Ausbilder dieses Arbeitsheft aushändigen und es gemeinsam mit ihm als Planungsgrundlage für die systematische Einarbeitung des neuen Auszubildenden nutzen. Ein weiteres Arbeitsheft enthielt Tipps wie die erfahrenen Auszubildenden ihre neuen Kolleginnen und Kollegen unterstützen können. Zum Beispiel eine Vorlage zur Betriebserkundung, die dem neuen Auszubildenden nach dem anschließenden Rundgang ausgehändigt wird, sowie Vorlagen zum Eintragen der wichtigsten Betriebsregeln. Das abschließende Feedback der teilnehmenden Auszubildenden war positiv. Einige Jugendliche äußerten, dass sie sich bei der eigenen Einführung einen Paten zur Seite gewünscht hätten.

Die Evaluation der Umsetzung dieser Idee in den teilnehmenden Betrieben ist jedoch noch nicht abgeschlossen, daher sind derzeit noch keine Aussagen zum Erfolg der Umsetzung möglich. 

2.2.3 Informationsheft „Gelungener Ausbildungsstart“

Als letzte bisher umgesetzte Maßnahme zur Qualitätsverbesserung des Ausbildungsbeginns erhielten ca. 550 ausbildende Handwerksunternehmen vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres ein Informationsheft zum Ausbildungsstart. Dieses Heft enthält Unterlagen, um den Ausbildungsbeginn erfolgreich zu strukturieren. Unter anderem finden sich dort Checklisten, um den ersten Tag, die erste Woche, den ersten Monat zu planen und es enthält Vorlagen für persönliche Anschreiben und Zusatzvereinbarungen. Des Weiteren gibt es Informationen für neue Auszubildende, die der Betrieb ihm/ihr vorab schicken kann, wie zum Beispiel Tipps mit Verhaltensregeln im Arbeitsleben. Um eine regelmäßige Kommunikation zu unterstützen, wurden zwei Beurteilungshefte beigefügt. Eine Version ist für den Ausbilder, die andere für den neuen Auszubildenden. Über den Abgleich der Selbst- und Fremdwahrnehmung sollen beide Parteien miteinander ins Gespräch kommen. Das gesamte Material können die Unternehmen nach ihren betrieblichen Bedürfnissen anpassen und verändern.

Die Evaluation mittels eines Feedbackbogens offenbarte eine positive Resonanz der ins Projekt eingebundenen Partnerbetriebe zu dem Informationsheft „Gelungener Ausbildungsstart“. So meldeten einige Betriebe beispielsweise zurück, dass die Vorlage für Jugendliche „Was kostet das Leben“ sehr nützlich sei. Auf dieser Vorlage findet sich eine simple Einahme/ Ausgabenrechnung, um zu ermitteln, was nach dem ersten Auszubildendengehalt für den Jugendlichen zum Ausgeben übrig bleibt. Viele Betriebe empfanden diese Vorlage als hilfreich, da sie von steigender Verschuldung ihrer Auszubildenden berichten konnten. Auch das Feedback anderer Betriebe ist bislang sehr befürwortend ausgefallen. Besonders nachgefragt wurden die Beurteilungshefte. Betriebe mit mehreren Auszubildenden fragten vermehrt nach weiteren Exemplaren.

2.2.4 Ausblick auf weitere Instrumente und Maßnahmen.

Im verbleibenden Projektzeitraum werden weitere Instrumente und Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsqualität erarbeitet und erprobt. Dabei wird der Fokus u. a. auf der Qualifizierung von ausbildenden Gesellen gerichtet sein. Unter Qualitätssicherungsaspekten nimmt das ausbildende Personal eine Schlüsselposition ein (vgl. SPÖTTL et al. 2009, 39), denn im Zuge der veränderten Bedingungen der Arbeitswelt gewinnen kommunikative Elemente verstärkt an Bedeutung, was dazu führt, dass das Ausbildungspersonal vertiefte pädagogisch-didaktische Kompetenzen erwerben muss (vgl. SLOANE 2009, 7). Von dieser Umstellung sind auch ausbildende Fachkräfte in ihrer Arbeit als Ausbildungsverantwortliche betroffen. Sie verfügen häufig, trotz Absolvierung der AEVO, nicht über das notwendige pädagogische Hintergrundwissen. Das Vermitteln von Fachwissen erfolgt z. B. eher intuitiv und situationsbezogen. Eine projektinterne Qualifizierungsabfrage bei Betriebsinhabern von Handwerkbetrieben bestätigte dies und ergab bei der Mehrheit einen Bedarf für eine pädagogische Grundqualifizierung zur Durchführung der Ausbildung. 

Daneben wird in den nächsten Monaten verstärkt an Instrumenten zur Optimierung der Lernortkooperation gearbeitet. Dabei geht es zunächst darum, eine geeignete Plattform für einen Austausch zwischen Lehrkräften und Ausbilder(inne)n zu schaffen, um ein gegenseitiges Verständnis sowie eine intensivere Kommunikation und Zusammenarbeit zu fördern (vgl. FEHRING/ WINDELBRAND 2008, 11).

Die im Projekt gemachten Erfahrungen im Rahmen der Entwicklung und Erprobung von qualitätsfördernden Instrumenten und Maßnahmen werden zudem genutzt, um überregionale Konzepte zur Qualitätsentwicklung und -sicherung in der beruflichen Erstausbildung im Handwerk zu entwickeln. Welche Überlegungen dazu im Raum stehen, offenbart Kapitel 3.

3 Ansätze zum bundesweiten Transfer und zur Verstetigung des Qualitätsgedankens

3.1 Verbreitung und Adaption des Leitfadens zur Qualitätsentwicklung in der Ausbildung in Handwerksbetrieben

Zur Sicherstellung des Transfers der im Projekt entwickelten Maßnahmen und Instrumente ist z. B. geplant, den Leitfaden zur systematischen Planung, Durchführung und Kontrolle der fünf qualitätsrelevanten Phasen von Ausbildung (vgl. Kapitel 1.2) über die Ausbildungsberater an die Handwerksunternehmen heranzutragen und eine bedarfsgerechte Nutzung und Anpassung beratend zu begleiten. Eine weitere Strategie zur branchenübergreifenden Verbreitung und Adaption des Leitfadens ist die Kommunikation und Distribution über zwei zentrale Fachverbände. Mit deren Hilfe soll eine branchen-/berufsspezifische Umsetzung des Leitfadens erarbeitet werden. Eine branchenspezifische Adaption der entwickelten Instrumente erscheint aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen, Arbeitsprozesse und Bedürfnisse der Unternehmen im Handwerk erforderlich (z. B. Instrumente zur Rekrutierung oder Beurteilungsbögen). Dabei soll herausgearbeitet werden, bei welchen Instrumenten insbesondere Anpassungsbedarf besteht und wie die Anpassung gestaltet werden kann. Die weitere Verbreitung ist dann über die Innungen geplant. Dazu werden bedarfsgerechte Informationsunterlagen erstellt. Die grundlegenden Erkenntnisse zur Vorgehensweise bei der branchen-/berufsspezifischen Umsetzung werden in einem Transferkonzept zusammengeführt, das an weitere, noch nicht beteiligte Fachverbände, herangetragen wird.

3.2 Qualifizierungskonzepte für das betriebliche Ausbildungspersonal und für Ausbildungsberater/-innen

Die in Kapitel 1.2 angesprochenen Qualifizierungsmodule für das betriebliche Ausbildungspersonal bestehen in der Regel aus interaktiven Lernprogrammen und kurzen Präsenzseminaren. Die dazu angestrebten Durchführungskonzepte, Medien und Unterlagen werden allen Bildungszentren im Handwerk für die weitere Umsetzung zur Verfügung gestellt. Der Transfer wird begleitet durch Einführungsworkshops für die Trainer/-innen und Mitarbeiter/-innen, die diese Konzepte und Maßnahmen umsetzen sollen.

Eine weitere wichtige Zielgruppe für den Transfer sind die Ausbildungsberater/-innen der Handwerkskammern. In den aktuell stattfindenden Ausbildungsberaterseminaren, die von der ZWH im Auftrag des DHKT durchgeführt werden, wurden grundsätzlich Möglichkeiten der Beratung der Betriebe zur Verbesserung der Ausbildungsqualität angesprochen. Hier wurde von dieser Zielgruppe deutlicher Unterstützungsbedarf für ihre Beratungsarbeit geäußert. Das im Projekt erstellte Beratungskonzept soll in spezifischen Seminarangeboten für die Ausbildungsberater mit Blick auf die Sensibilisierung und Motivierung der Handwerksbetriebe zur Verbesserung der Ausbildungsqualität vorgestellt und diskutiert werden.

4 Abschließende, projektübergreifende Reflexion zur Implementierung des Qualitätsgedankens in der betrieblichen Ausbildung im Handwerk

Diesen Beitrag abschließend stellen wir uns projektübergreifend noch folgende zukunftsweisende Fragen:

(1) Inwieweit ist es möglich, betriebswirtschaftliche QM-Systeme für die Qualitätsentwicklung in der Ausbildung im Handwerk zu adaptieren und soll die Sicherung von Qualitätsstandards zukünftig eher durch Fremdkontrolle z. B. über die Kammern oder durch Selbstverpflichtung der Unternehmen erfolgen?

(2) Ist es möglich, die Qualitätsentwicklung der handwerklichen Erstausbildung mit der Einführung von QM-Systemen an berufsbildenden Schulen zu koppeln und dadurch die Lernortkooperation im Dualen System zu stärken?

Zu (1): Der erste und wichtigste Schritt im Prozess der Qualitätsentwicklung und -sicherung ist, die Definition des Ziel- bzw. Sollzustandes d. h. für die handwerkliche Erstausbildung die Festlegung, wie qualitative Ausbildung auszusehen hat und wann dieser Gütemaßstab erreicht wurde. Nur durch klar definierte Indikatoren bzw. Qualitätsdimensionen (z. B. Input, Throughtput, Output, Transfer und Outcome (vgl. BALLI 2009, 94)) lässt sich die Qualität der beruflichen Erstausbildung im Allgemeinen und im Besonderen im Handwerk fassen.

Naturgemäß entstehen je nach Blickwinkel (betriebliche Ausbilder, Auszubildende, Bildungspolitik) und Art der Organisation vielfältige, situationsspezifisch angepasste Vorstellungen von Qualität. Diesen vielfältigen Perspektiven „… wird in verschiedenen Qualitätssicherungssystemen dadurch Rechnung getragen, dass lediglich ein formaler Rahmen bereitgestellt wird, innerhalb dessen die Akteure an den verschiedenen Lehrorten selbst eine situationsspezifische, inhaltliche Bestimmung der erreichten und anzustrebenden Qualitäten vornehmen sollen“ (NICKOLAUS 2009, 13). Das Qualitätsmodell, wie es im BIBB-Forschungsprojekt „Ausbildung aus Sicht der Auszubildenden“ beschrieben ist (vgl. BEICHT et al. 2009, 3 ff.) und das von den Projektinitiatoren für das Verbundprojekt „Qualitätsentwicklung in der Ausbildung in Handwerksbetrieben“ adaptiert wurde (vgl. 1.4.1), dient als Beispiel für einen solchen formalen, kriterienorientierten Rahmen zur Qualitätsfeststellung in der beruflichen Erstausbildung. Das seit 2004 an berufsbildenden Schulen in Niedersachsen obligatorisch eingeführte und adaptierte Qualitätsmanagementsystem (vgl. MK 2006, 8 f.) der „European Foundation for Quality Management“ EFQM-Modell bieten zudem eine umfassende Strategie (RADAR-Logik) zur Selbstbewertung der Qualität einer Organisation im Hinblick auf neun Hauptkriterien und zur Einleitung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) an (vgl. EDER 2003,  38 ff.). Diese neun Hauptkriterien wurden für das Qualitätsmanagement an berufsbildenden Schulen aufgegriffen, modifiziert und im niedersächsischen Orientierungsrahmen Schulqualität als sechs Qualitätsbereiche von Schule - 1. Ergebnisse und Erfolge, 2. Lernen und Lehren, 3. Schulkultur, 4. Schulmanagement, 5. Lehrerprofessionalität, 6. Ziele und Strategien der Schulentwicklung kommuniziert (vgl. MK 2006, 9). An die berufsschulischen Strategien von Qualitätsmanagement sollte sich vorzugsweise auch das Qualitätsmanagement in der betrieblichen Erstausbildung – zumindest teilweise – orientieren bzw. daran anknüpfen.  

Fest steht, dass theoretisch einer Adaption dieser Qualitätsentwicklungs- und
-sicherungsinstrumente auf die Realität beruflicher Erstausbildung im Handwerk nichts entgegensteht. Die notwendigen Freiheitsgrade für die Anpassung der Instrumente an die Bedürfnisse und Anforderungen im Handwerk sind vorhanden.

Praktisch erscheint für eine Adaption jedoch hemmend, dass die fundierte Kenntnis der entsprechenden Qualitätsmanagementsysteme oder Qualitätsmanagementinstrumente bei den betrieblichen Ausbildungsverantwortlichen vorhanden sein muss, um alle relevanten Qualitätsaspekte berücksichtigen zu können. Davon ist jedoch in Kleinst- und Kleinunternehmen nicht auszugehen. Der Erwerb der notwendigen Kompetenz erfordert Zeit und Arbeitsaufwand, der von nebenberuflichen Ausbildern im Handwerk in der Regel nicht eigenverantwortlich geleistet werden kann. Darüber hinaus erscheint es notwendig, sich trotz der Vielfalt an Tätigkeitsfeldern und Ausbildungserfordernissen im Handwerk sich branchenübergreifend auf einen gewissen Mindeststandard von Ausbildungsqualität zu einigen.

Regionale und überregionale Initiativen wie die der Handwerkskammer Hannover und der ZWH erscheinen deshalb notwendig, um einen mit den regionalen Unternehmen abgestimmten Qualitätsrahmen zu entwickeln, der sich an die aktuelle berufspädagogische Qualitätsdiskussion anschließt und überregional kommuniziert/multipliziert werden kann. Qualifizierungsangebote und Unterlagen können erarbeitet werden, die es den Ausbildungsverantwortlichen ermöglichen, mit möglichst geringem Aufwand eine Vorstellung von Mindeststandards der Qualität beruflicher Erstausbildung zu entwickeln und diese im eigenen Betrieb einzuhalten. Die Gefahr einer gewissen Beliebigkeit des „… pädagogischen Handelns im institutionellen Kontext …“ (NICKOLAUS 2009, 13) erscheint dadurch gebannt.

Die Maxime der Selbstbewertung, wie sie im EFQM-Modell propagiert wird (vgl. EDER 2003, 37) erscheint in diesem Kontext zweckmäßig, da die Ausbildungssituation überwiegend nur von den Ausbildungsverantwortlichen und Auszubildenden in adäquater Weise beurteilt werden kann. Die Kammern könnten jedoch die notwendige Infrastruktur anbieten, um solche Selbstbewertungen durchzuführen z. B. mittels Onlinebefragung und anonymisierte Durchschnittswerte als externen Maßstab für die Qualitätsbeurteilung bereitstellen. Solch zentrale Verfahren ersparen den Unternehmen Zeit- und Kostenaufwand und erhöht die Wahrscheinlichkeit einer freiwilligen Qualitätskontrolle. Zudem schätzt NICKOLAUS die Implementierung von Qualitätssicherungssystemen als hochproblematisch ein, ohne die „… zu deren Umsetzung notwendigen Unterstützungssysteme bereitzustellen.“(NICKOLAUS 2009, 27).

Im Hinblick auf die Frage (2), inwieweit es möglich ist, die Qualitätsentwicklung der handwerklichen Erstausbildung mit der Einführung von QM-Systemen an berufsbildenden Schulen zu koppeln, muss selbstkritisch festgestellt werden, dass bisher in der Region Hannover dazu noch wenige Initiativen vorliegen. Die flächendeckende Einführung von Qualitätsmanagement an berufsbildenden Schulen auf Basis des EFQM-Modells ist in Niedersachsen ebenfalls noch lange nicht abgeschlossen und wird von den Lehrkräften häufig noch als belastende Zusatzaufgabe betrachtet. Um tatsächlich eine einheitliche Qualitätsentwicklung und -sicherung im Dualen System anzustoßen, wäre es notwendig, dass Vertreter der ausbildenden Betriebe und Vertreter berufsbildender Schulen gemeinsame Qualitätsindikatoren/Qualitätsbereiche formulieren oder zumindest über die Qualitätsindikatoren/Qualitätsbereiche des jeweils anderen im Detail informiert sind. Das bedeutet, dass eine funktionierende Lernortkooperation eine Grundvoraussetzung für eine gemeinsame Qualitätsarbeit darstellt. Fest steht jedoch, dass aufgrund von Steuerungsdefiziten auf der Meso- und Mikroebene des Dualen Systems d. h. schul- bzw. betriebsübergreifend und schul- bzw. betriebsintern Lernortkooperation im Bundesgebiet aktuell häufig nicht im wünschenswerten Umfang bzw. in der wünschenswerten Intensität praktiziert wird (vgl. EDER/ RÜTTERS 2011, 1 ff.) und aus diesem Grund die Organisationsstrukturen für eine gemeinsame Qualitätsarbeit von Schule und Betrieb erst stärker aufgebaut werden müssten. Positiv zu bemerken jedoch ist, dass in Qualitätsmodellen die Duale Ausbildung betreffend in der Regel die Lernortkooperation als Qualitätsbereich berücksichtigt wird (vgl. NICKOLAUS 2009, 17; vgl. BEICHT et al. 2009, 3). Dies könnte dazu führen, dass systematische Qualitätsarbeit in der betrieblichen und in der schulischen Erstausbildung in einem ersten Schritt an den Lernorten isoliert und in einem zweiten Schritt, um dem Qualitätskriterium „Lernortkooperation“ gerecht zu werden, gemeinsam geleistet wird.

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Zitieren dieses Beitrages

EDER, A. et al. (2011): Herausforderungen und erste Erfahrungen bei der Implementierung des Qualitätsgedankens in die betriebliche Ausbildung – Erfahrungen und Ansätze aus dem Verbundprojekt von ZWH und Handwerkskammer Hannover In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 21, 1-21. Online:  http://www.bwpat.de/ausgabe21/eder_etal_bwpat21.pdf  (20-12-2011).


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