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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT08 - Elektrotechnik-Informatik & Metalltechnik
Herausgeber: Ulrich Schwenger, Falk Howe, Thomas Vollmer, Martin Hartmann & Wilko Reichwein

Titel:
Kompetenzen und Karrierewege in elektrotechnischen und metalltechnischen Berufen


Innovationsmotor Berufsbildung – berufspädagogische Innovationsbegleitung am Beispiel der Brennstoffzellen-Heizgeräte

Beitrag von Werner MÜLLER (Institut Technik und Bildung, Universität Bremen)

Abstract

Viele Experten erwarteten zu Beginn dieses Jahrtausends die baldige Markteinführung der Brennstoffzellentechnologie in den Anwendungsfeldern (Auto-)Mobilität und Gebäudeenergieversorgung. Die prinzipiellen Vorteile und der ökologische Nutzen der Technologie fanden breite Zustimmung, die noch bestehenden technischen Probleme und die nicht marktfähigen Kosten seien, so die vorherrschende Meinung, in wenigen Jahren lösbar. In dieser Phase beginnender Euphorie begannen auch Akteure der beruflichen Bildung zunehmend Interesse an der Technologie zu entwickeln und begannen qualifikationsbezogene Fragen zu diskutieren. Seither wurde kontinuierlich an der Weiterentwicklung und Verbesserung der Brennstoffzellen-Anwendungen gearbeitet. Mit Callux, dem im Jahr 2008 gestarteten größten Feldtest für Brennstoffzellen-Heizgeräte ist die Markteinführung im Bereich der Gebäudeenergieversorgung in greifbare Nähe gerückt. Ankündigungen für den Markteintritt von BZH ab 2013 liegen vor. Darüber hinaus sprechen auch einige Automobilhersteller von Serienfertigungsstarts 2014/2015. Aus Sicht der beruflichen Bildung sind die Prozesse rund um die Innovation BZH so spannend wie lehrreich: Aufgrund der spezifischen Rahmenbedingungen im Feld kommt den Aufgaben im Bereich der Information und Qualifizierung von Handwerkern, Beratern, Planern etc. eine hohe Bedeutung für die Markteinführung und -diffusion zu. Wie sich zeigt, fungieren Akteure und Institutionen der beruflichen Bildung, etwa im Rahmen marktvorbereitender Projekte, als Kommunikationsschnittstellen, Übersetzer und Multiplikatoren zwischen Herstellern, Energieversorgern, Handwerk, Qualifizierungsanbietern und anderen Interessengruppen. Erforderlich wäre demzufolge eine systematische Kopplung des technisch-ökonomischen Innovationsmanagements mit Aktivitäten der beruflichen Bildung. Der Beitrag stellt darauf ab, zentrale Elemente der bisherigen Entwicklung sowie den aktuellen Arbeitsstand berufspädagogischer Aktivitäten darzustellen und einer kritischen Diskussion zugänglich zu machen.

1 Die Technik und ihre Potenziale

Brennstoffzellen-Heizgeräte (BZH) sind Mikro-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (Mikro-KWK), die im Unterschied zu konventionellen KWK-Technologien die Energiewandlung auf elektrochemischem statt mechanischem Wege vollziehen. Dabei bezeichnet der KWK-Begriff die gleichzeitige Wandlung des Ausgangsenergieträgers in Strom und Wärme, Mikro steht für den kleinen Leistungsbereich. Je nach Definition werden damit elektrische Leistungen bis 15 kWel (PEHNT u.a. 2009,161) oder sogar nur bis 2 kW (iZES 2005) gefasst. Die aktuell in der Phase der Markteinführung befindlichen konventionellen Mikro-KWK-Geräte haben überwiegend eine elektrische Leistung von 1- 3 kW, die Wärmeleistung differiert dabei je nach Technologie zwischen rund 2-10 kW. Zur Sicherstellung ausreichender Wärmelieferung auch an den kältesten Tagen werden alle Mikro-KWK-Anlagen mit einem integrierten oder externen Spitzenlastkessel und Pufferspeicher kombiniert. Die Marktpotenziale für Mikro-KWK insgesamt werden bis 2020 auf 60.000 – 100.000 installierte Geräte eingeschätzt (trend:research 2010). Studien zufolge kann von einer maximal installierten Leistung von etwa 1 bis 7 GW ausgegangen werden. Daraus ergibt sich eine mögliche Deckung des Wärmebedarfs von Wohngebäuden in Deutschland von maximal 10 bis 25 Prozent sowie des deutschen Strombedarfs von maximal 10 bis 25 Prozent (DROSTE-FRANKE u.a. 2009, XXXVI).

BZH haben gegenüber konventionellen, mit Motoren betriebenen Mikro-KWK einige Vorteile, wie etwa kaum Geräuschemissionen und Vibrationen, wenige mechanische Verschleißteile und ein sehr hoher Gesamtwirkungsgrad von über 90%. Ihr elektrischer Wirkungsgrad liegt bei 35% und mehr. Das ist, verglichen mit den beispielsweise rund 20-25% einer stirlingbetriebenen Anlage deutlich besser, da Strom die hochwertigste Energieform mit voraussichtlich weiterhin hohem Bedarf ist (Stichwort „Elektromobilität“) (WIETSCHEL u.a. 2010, 65–71).

BZH sind konzeptionell auf den Einsatz im Massenmarkt der Ein- und Zweifamilienhäuser ausgerichtet. Sie werden mit Erdgas (= überwiegend Methan, CH4) betrieben, da entsprechende Versorgungsnetze und Infrastrukturen in Deutschland und weiten Teilen Europas ebenso verbreitet sind wie die erforderlichen Kompetenzen der damit befassten Akteure (vgl. SCHÜWER u.a. 2010). BZH können also ohne weiteres bestehende Heizungsanlagen ersetzen. Dafür wird billigend in Kauf genommen, dass bei Erdgasbetrieb eine geringe Menge an CO2-Emission verbleibt. In (noch unbestimmter) Zukunft ist auch der emissionsfreie Betrieb von BZH mit Wasserstoff denkbar, wird dieser Energieträger doch auch als ein potenzielles Speichermedium für temporäre Überschüsse aus Wind- und Sonnenenergie in Betracht gezogen[1].

Dabei ist der Nachweis, dass Brennstoffzellen sicher und zuverlässig arbeiten, längst erbracht. Schließlich waren es gerade die hohe Zuverlässigkeit und Effizienz dieser Form der Energiewandlung, die die Nutzung von Brennstoffzellen in der Raumfahrt begründeten. Dort werden Brennstoffzellen bereits seit den ersten Gemini-Missionen 1964 erfolgreich eingesetzt[2]. Heute werden Brennstoffzellen in verschiedenen Nischenmärkten, wie z. B. Notstromversorgunganlagen, U-Booten, Gabelstaplern oder zur Stromversorgung abgelegener Messstationen etc. genutzt.

Die Brennstoffzellentechnologie im Allgemeinen und Brennstoffzellen-Heizgeräte im Besonderen, haben also das Potenzial, zum Umbau unserer Energieversorgungssysteme in Richtung einer zunehmend nachhaltigen Energieversorgung beizutragen. Daraus folgt, dass deren Einsatz grundsätzlich gesellschaftlich erwünscht ist und die Weiterentwicklung und Erprobung der Technik folgerichtig auch gefördert wird, wie derzeit etwa im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP).

Verzögerungen in der Markteinführung oder sehr langsame Wachstumsraten in der Diffusion der Technologie hätten also nicht nur für die innovierenden Unternehmen negative Folgen. Damit würden auch Potenziale zur Senkung des Bedarfs an fossilen Energieträgern und des Ausstoßes von Klimagasen verschenkt. Zum Dritten verlören deutsche und europäische Entwickler und Hersteller gegenüber den führenden US-amerikanischen und japanischen Produzenten weiter an Anschluss.

Allesamt gute Gründe also, die Entwicklung und Markteinführung dieser Effizienztechnologien mit der gebotenen Kraft und Sorgfalt voranzubringen. Aus berufspädagogischer Sicht kann folglich gefragt werden, inwiefern das eigene Tun (oder Lassen) auf den Verlauf und ggf. sogar auf den Erfolg der Innovationsprozesse Einfluss nehmen kann? Wenn sich signifikante Einflüsse tatsächlich nachweisen oder zumindest vermuten lassen, ist zu fragen, ob und in welcher Weise Akteure und Institutionen der beruflichen Bildung agieren oder agieren sollten, um die Entwicklung unterstützen oder zumindest Verzögerungen aufgrund von Qualifikationsdefiziten vermeiden zu können.

2 Markt und Akteure

Ausgehend von der Technik und deren Neuheitsgrad, stehen vor allem die von einer Innovation betroffenen Akteure bzw. die an diese gestellten (prospektiven) neuen Arbeitsanforderungen im Mittelpunkt des berufspädagogischen Interesses (BLINGS 2009, 15). Die je betroffenen (Praxis-)Akteure und die an diese gestellten Arbeitsanforderungen lassen sich wiederum erst auf der Basis einer Analyse technischer und marktbezogener Rahmenbedingungen definieren. Erst darauf aufbauend kann die Bedeutung von (neuem) Wissen und Können für den Erfolg einer Innovation eingeschätzt werden. Wie gezeigt werden soll, liegen gerade im Feld der Gebäude- bzw. Heizungstechnik bei kleinen Gebäudeobjekten im Privatbesitz besondere Bedingungen vor – mit signifikanten Auswirkungen auf die Bedeutung und Gestaltung von Informations- und Qualifizierungsangeboten.

2.1 Wissen, Können, Energieeffizienz

Der Markt für Heizgeräte ist u. a. durch mehrstufige Wertschöpfungsketten und eine heterogene Gruppe von Akteuren gekennzeichnet. Die einfache Folge Hersteller – Handel –  Endkunde, ist in diesem Marktsegment deutlich komplexer ausgebildet. Dies liegt u.a. daran, dass das eigentliche Endprodukt – hier eine zuverlässig funktionsfähige, effiziente und nutzerfreundliche Wärme und Strom produzierende Anlage – eben kein industriell produziertes Gerät ist. Industriell hergestellt werden lediglich einzelne Komponenten, deren individuelle Kombination und Installation in den Händen und der Verantwortung der Planer, Handwerker, (Gebäude-)Energieberater etc. liegt (vgl. WIETSCHEL u.a. 2010, 952). Demzufolge haben Hersteller und Handel in aller Regel auch kaum Kontakt zum privaten Endkunden. Planer, Architekten, Energieberater und insbesondere Handwerker führen neben der Anlageninstallation auch vorgelagerte informationsbezogene, beratende und planende Tätigkeiten durch, die im Idealfall auf die Herbeiführung einer möglichst optimalen Entscheidung durch die Eigentümer abzielen. Ebenso sind es diese Akteure, die Serviceleistungen zur Sicherstellung eines emissionsarmen, effizienten und sicheren Betriebes[3] durchführen.

Die Funktionalität des Gesamtsystems wird also nicht durch den Kauf einer (der) zentralen Produktkomponente, wie hier einem BZH, sichergestellt, sondern erst durch das Zutun verschiedener Akteure. Zusammen mit den Endkunden sind diese Akteure für die Auswahl und Ausführung der je optimal geeigneten Systeme und Komponenten sowie den Betrieb der Anlagen verantwortlich. Deren Handeln hat also signifikanten Einfluss sowohl auf die Effizienz und Zuverlässigkeit einzelner Anlagen als auch auf den Verlauf und Erfolg der Markteinführung und Diffusion der Innovation BZH (MARKARD 2006, 26). Mit Rogers (ROGERS 1995, 335) können diese Akteure als change agents verstanden werden. Deren Motivation, Wissen und Können sind folglich wichtige Faktoren auch für den Verlauf des BZH-Innovationsprozesses. Die hohe Bedeutung von Wissen belegt eine US-amerikanische Studie, die zeigt, dass die Akzeptanz von Wasserstoff-Technologien und Brennstoffzellen bei Laien wie Experten parallel zum Kenntnisstand zunehmen (SCHMOYER u.a. 2010, XVI).

2.2 Vertriebskonzepte und Marktteilnehmer

Im Gefolge von Technologieinnovationen gelangen immer wieder auch neue Dienstleistungen oder  Vermarktungsoptionen auf den Markt oder haben ihren Durchbruch (MÖSLEIN 2009, 9). So ist es im Falle der Innovation BZH nicht unwahrscheinlich, dass (neue) Contractingangebote der Energieversorger oder anderer (finanzstarker) Anbieter im Feld des privaten Immobilieneigentums Verbreitung finden werden. Dabei bleibt, je nach Konzept, das beim Endkunden installierte Gerät beispielsweise im Besitz des Contractors, der auch für dessen Betrieb zuständig ist und den Bewohnern Wärme und ggf. auch Strom aus dieser Anlage zu definierten Preisen verkauft. Ein großer Vorteil solcher Contractingangebote ist, dass die bislang noch hohen Investitionskosten sowie die mit einer neuen Technik zumindest subjektiv verbundenen Risiken als Markteintrittsbarrieren ihren Schrecken verlieren.

Der Kreis der Akteure, die in Kontakt mit den Endkunden kommen und Einfluss auf die Erstellung und den Betrieb der Anlage haben, verändert sich also in Abhängigkeit von den Vermarktungsoptionen. So können etwa Energieversorger, Banken oder Anbieter von gebäudetechnischen Anlagen mit Komplettangeboten aus einer Hand auf den Markt treten und die traditionellen Marktstrukturen verändern. Dabei haben die Vertriebswege mit großer Wahrscheinlichkeit auch Einfluss auf die Motivationslagen der Akteure sowie den Verlauf des Innovationsprozesses und die zu erzielenden Energie- und Emissionseinsparungen.

Werden die Anlagen beispielsweise über Contractoren vertrieben, werden die installierenden Handwerker vor Ort nur noch als Subunternehmer beauftragt. Infolge der erwartbar knappen Gewinnmargen wird deren Motivation, das Geschäft mit den BZH durch eigene Akquise voran zu bringen dementsprechend geringer ausfallen als beim „freien“ Verkauf nach herkömmlichem Muster (vgl. KOSCHORKE u.a. 2004, 144). Andererseits wird die Qualität der handwerklichen Arbeit beim Contracting von Spezialisten kontrolliert, was möglicherweise dazu führen kann, dass Fehler oder Schwachstellen eher aufgedeckt werden als bei privaten Eigentümern (Laien) als Auftraggeber. Die Contractingnehmer (Nutzer) wiederum werden sich weniger für einen optimalen Betrieb oder ein angepasstes Nutzerverhalten interessieren – schließlich bezahlen sie ja unabhängig davon einen fest vereinbarten Preis für die genutzte Energie. Eine höhere Effizienz hätte aus deren Sicht lediglich höhere Gewinne des Contractors zur Folge.

2.3 Innovationsprozesse im gesellschaftlich-politischen Kontext

Wie alle sozialen Prozesse finden Innovationen in einem je spezifischen gesellschaftlichen Klima statt. Wie die Energiewende der Bundesregierung infolge der Kraftwerkshavarie von Fukushima eindrücklich zeigt, unterliegen gerade die politischen Rahmenbedingungen bisweilen starken Veränderungen. Dabei sind es u. a. gerade die von den Ministerien aufgelegten F&E-Programme, die eine breite Beteiligung auch finanziell schwach ausgestatteter Interessen- und Akteursgruppen erst ermöglichen.

Entscheidend für den Verlauf und die Erfolgsaussichten von Innovations- und Diffusionsprozessen sind neben Entscheidungen der Politik vor allem das vorherrschende gesellschaftliche Klima, soziale Strukturen und Wertesysteme. Ohne an dieser Stelle tiefer auf diese Zusammenhänge einzugehen, sollen die beispielhaft skizzierten Zusammenhänge andeuten, wie vielschichtig Innovationsprozesse sind und wie wenig letztlich der Neuheitsgrad oder die prinzipiellen Vorteile einer Technologie allein über Erfolg oder Misserfolg von Innovationen entscheiden.

3 Die Berufliche Bildung bei Innovationen – am Beispiel der Brennstoffzellen-Heizgeräte

Der Verlauf von Innovationsprozessen ist also von einer Vielzahl unterschiedlichster Faktoren abhängig. Keinen signifikanten Einfluss haben Akteure der beruflichen Bildung etwa auf Mindestanforderungen, wie technische Funktionalität, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit einer Innovation oder die jeweils bestimmenden gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Bezogen auf die Innovation BZH sind aber insbesondere das Wissen und Können der Praxisakteure erfolgskritische Größen, wie die angedeuteten Zusammenhänge zeigen:

1.  Die hohe Bedeutung von Information und Qualifikation für

  • die Motivation der Praxisakteure,
  • den Vertrieb bzw. das Tempo der Marktdiffusion,
  • die Qualität des Endprodukts,

2.  die hohen beruflichen Anforderungen in den Bereichen Planung, Beratung, Instandhaltung/Service,

3.  das heterogene Akteursfeld, das zudem in Abhängigkeit von den jeweiligen Vertriebskonzepten Veränderungen unterliegt.

Die Be- und Verarbeitung der daraus resultierenden Aufgaben, so bereits eine frühe Erkenntnis, ist keine Kernkompetenz der innovierenden Unternehmen und bedarf der Expertise beruflicher Bildung (vgl. KOSCHORKE et al. 2005).

Für die berufliche Bildung kann die Auseinandersetzung mit Innovationen, oder allgemeiner mit (technischen) Neuerungen, als eine zentrale und kontinuierlich zu vollziehende Aufgabe verstanden werden. Dennoch ist zu beobachten, dass Aspekte der Qualifikation oder der Arbeitsorganisation bei Innovationsprozessen tendenziell zu kurz kommen (DEHNBOSTEL et al. 1992, 15, vgl. auch KNUTZEN 2002, 21–22, JENEWEIN 2002, 1–2). Bereits abgeschlossene Innovationsprozesse wie auch die bisherige Geschichte der laufenden BZH-Innovation zeigen beispielhaft, wie Innovations- und Diffusionsprozesse durch die berufliche Bildung verarbeitet werden können und mit welchen Aufgaben und Herausforderungen diese dabei konfrontiert werden kann.

3.1 Akteure und Meilensteine

Die nachfolgende Darstellung der berufspädagogischen BZH-Innovationsaktivitäten lässt sowohl idealtypische Entwicklungslinien und „strategische“ Planung erkennen als auch die hohe Dynamik und wenig geradlinigen Verläufe solcher Prozesse in der Realität:

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Abb. 1:   Schematische Darstellung des bisherigen BZH-Innovationsprozesses

Im Gefolge des Einsatzes von BZ bei Raumfahrtprogrammen sowie der ersten Energiekrise werden in den 1970er und -80er Jahren die Potenziale der BZ-Technologie und der Realisierung einer Wasserstoffwirtschaft erstmals in Expertenkreisen diskutiert[4]. Aufgrund der vergleichsweise hohen Kosten, der vielfältigen technischen Herausforderungen für einen Masseneinsatz sowie der politischen Entscheidung für die Nutzung der Atomenergie werden diese Überlegungen jedoch zunächst mit nur geringem Aufwand weiter verfolgt. Erste Entwicklungserfolge und funktionsfähige Prototypen führen dann zu einer Zunahme der Aktivitäten.

So stellt etwa das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) seit 1988 kontinuierlich Mittel für F&E-Projekte im Bereich BZ bereit (BMWi 2006, 4). Ein erster Schwerpunkt lag in der Entwicklung von BZH, damals noch in größeren Leistungsbereichen. Dies hatte zur Folge, dass bereits in den 1990er Jahren innovierende Unternehmen und Akteure der beruflichen Bildung auf die Notwendigkeit hinwiesen, den Innovationsprozess mit Maßnahmen der beruflichen Bildung zu begleiten (Koschorke u.a. 2002).

In den Jahren nach der Jahrtausendwende legten Expertenmeinungen, Prognosen und eine zunehmende Zahl installierter (Test-)Anlagen einen Markteinführungszeitpunkt um das Jahr 2005 nahe (vgl. MÜNCH/ HEYDER/ LE MASSON 2002, 17; PEHNT 2002, 151; MARKARD 2006, 43; u. a.) (siehe auch Abbildung 1). In der Folge setzte innerhalb kurzer Zeit eine Welle von Aktivitäten ein, die nach 2006 fast ebenso jäh wieder abebbte (ausführlich zu den Aktivitäten bis 2004: AIGLE u.a. 2004):

  • 2001 wurde die Initiative Brennstoffzelle (IBZ) gemeinsam von Herstellern und Energieversorgern als Kompetenzzentrum für Brennstoffzellen-Heizgeräte in der Hausenergieversorgung gegründet, u.a. mit dem Ziel, Informationsarbeit zu betreiben und insbesondere auch Medien für Schulen und Weiterbildungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen.
  • Ebenfalls 2001 wurde zur Begleitung der brennstoffzellenbezogenen F&E-Maßnahmen sowie zur Beratung des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) der Arbeitskreis BERTA (Brennstoffzellen: Entwicklung und Erprobung für stationäre und mobile Anwendungen) gegründet, mit einer AG „Aus- und Weiterbildung sowie Öffentlichkeitsarbeit“.
  • 2002 richtete das Heinz-Piest-Institut (HPI) eine „Koordinierungsstelle Brennstoffzelle“ zur Informationsverbreitung gegenüber dem Handwerk ein. Zur bundesweiten Koordination und Bündelung der Weiterbildungsaktivitäten wurde mit den genannten Akteuren ein informelles Brennstoffzellen Bildungsnetzwerk („BZ-Bildung“) gegründet. Ziel dieses auch von BERTA initiierten Netzwerks ist die Koordination und Bündelung der BZ Aus- und Weiterbildung.
  • Ebenfalls bereits ab 2002 wurden durch das Brennstoffzellen Bildungsnetzwerk „BZ-Bildung“ erste Pilot-Brennstoffzellen-Schulungen für Multiplikatoren im Handwerk durchgeführt.
  • Zur selben Zeit baute das Forschungszentrum Jülich (FZJ) das „Weiterbildungs- und Demonstrationszentrum Brennstoffzelle“ auf.
  • 2002 brachten das Land Baden-Württemberg und das BMWA den Aufbau und die Finanzierung des Weiterbildungszentrums Brennstoffzelle Ulm (WBZU) auf den Weg, das 2004 in einem eigens errichteten Gebäude Platz fand. Zusammen mit dem Elektro Ausbildungszentrum Aalen (EAZ)[5] und dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung, Ulm (ZSW) konzentrieren sich seitdem viele der Brennstoffzellen-Aktivitäten in Baden-Württemberg.
  • Ab etwa 2003 begannen das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und die Forschungsgruppe Praxisnahe Berufsbildung (FPB) der Universität Bremen mit der Durchführung einer Workshopreihe, die sich im Kern auf die Systematisierung und Abstimmung von Zielen und Aktivitäten sowie der Zusammenführung der verschiedenen Akteure abstellte.
  • Die teilweise vereinzelten Aktivitäten rund um das Thema Qualifizierung wurden 2006, nach dem Abflauen dieser ersten Hausse, im Netzwerk „Initiative Qualifizierung Brennstoffzelle“ (IQBZ) zusammen geführt (Abbildung 2).

 

Das IQBZ-Netzwerk 2008; aus: www.now-gmbh.de/uploads/media/081127_WBZU.pdf

Seit dieser Zeit werteten Hersteller und Energieversorger die Erfahrungen aus den Feldtests aus und lösten eine Vielzahl technischer Schwachpunkte. Was nach außen hin wie Stillstand gewirkt haben mag, war für die Hersteller eine Phase der kritischen Systemanalyse und einer teilweise weit gehenden Neukonzeptionierung ihrer Geräte.

Auch die berufspädagogischen Aktivitäten kamen nie vollständig zum Erliegen. So fanden, etwa im Rahmen des IQBZ-Netzwerks aber auch bei Messen, Tagungen etc. weiterhin Treffen und Veranstaltungen statt. Ebenso führte etwa das WBZU kontinuierlich Informationsveranstaltungen und Seminare für Multiplikatoren durch. Daneben wurden vor allem Netzwerke weiter entwickelt und Möglichkeiten weiterer Entwicklungsprojekte ausgelotet.

Diese knappe Skizze der Entwicklungen bestätigt, dass Technologieentwicklungen und in Aussicht stehende Innovationen einer genauen Beobachtung durch Einzelpersonen, Communities und Institutionen der je betroffenen Fachgebiete der beruflichen Bildung unterliegen. Die sich dort herausbildenden „berufspädagogischen Innovatoren“ verarbeiten, zu Beginn der Entwicklung häufig eigenaktiv und aus schierem Interesse an der Sache, verfügbare Informationen, antizipieren Optionen künftiger Entwicklungen und stellen Bezüge zur eigenen Profession her. Je nach Einschätzung der berufspädagogischen Relevanz, der Zeithorizonte, der Zahl der Betroffenen etc. entwickeln sich in der Folge formelle und informelle Netzwerke. Parallel dazu werden erste Kontakte zu Herstellern oder anderen Marktakteuren hergestellt. Wesentliche Impulse zur didaktischen und curricularen Verarbeitung von Neuerungen gehen also von Akteuren der beruflichen Bildung aus und beginnen meist bereits lange vor dem Markteintritt.

Aber auch die innovierenden Herstellerunternehmen und andere Marktteilnehmer befassen sich in Zusammenhang mit dem in Aussicht stehenden Markteintritt mit Fragen des Wissenstransfers, der Qualifizierung, der Motivation von Praxis-Akteuren etc. Die beiden Gruppen von Innovatoren, also die Akteure der beruflichen Bildung und die Hersteller und ggf. andere prozessbeteiligte Unternehmen – hier sind das vor allem die Energieversorger – tauschen sich zunächst im Rahmen von Tagungen, Messen und anderen Veranstaltungen über ihre Sichtweisen aus. So bilden sich erste „Kompetenzkerne“ zur Bearbeitung qualifikationsbezogener Fragen heraus. Finden in der ersten (gemeinsamen) Auseinandersetzung mit berufspädagogischen Fragen Einschätzungen zur Relevanz professioneller didaktischer und curricularer Innovationsverarbeitung Bestätigung, werden entsprechende Fragestellungen im Rahmen von Projekten, Studien, Feldtests und Entwicklungsaufträgen weiter bearbeitet. In Folge der Zusammenarbeit im Projektkontext entstehen und verfestigen sich schließlich persönliche Beziehungen, Netzwerke und institutionelle Kompetenzen.

3.2 Aktuelle Aufgaben und Aktivitäten der beruflichen Bildung

Den Rahmen für die aktuellen berufspädagogischen Aktivitäten bilden derzeit die Callux-Feldtests. Im Rahmen des Callux-Projektes ist eine „Arbeitsgruppe Marktpartner“ damit beauftragt, die anstehenden Aufgaben umzusetzen. Inhaltlich geht es dabei darum, die Markteinführung durch geeignete, zielgruppenspezifisch differenzierte und auf den Markteinführungsprozess abgestimmte Konzepte, Materialien und Akteursnetzwerke (weiter) zu entwickeln. Den Ausgangspunkt für die Umsetzung dieser Aufgaben bilden zunächst noch allgemeine, doch weithin anerkannte Aussagen zu den wichtigsten qualifikations- und kompetenzrelevanten Merkmalen der Innovation. Es gilt:

  • Aufgrund des hohen Neuheitsgrades der Innovation BZH ist von einem starken Informationsbedürfnis aller
  • Akteure, einschließlich Multiplikatoren, Qualifizierungsanbieter, Lehrpersonal, Entscheider in Politik und Wirtschaft etc. sowie interessierter Immobilieneigentümer, auszugehen.
  • Es bestehen hohe Anforderungen an die Beratungs- und Planungskompetenz von Handwerkern, Energieberatern, Planern etc.
  • BZH sind auf eine Fernsteuerung, -überwachung und -wartung ausgelegt. Der kommunikationstechnischen Anbindung der Anlagen kommt deshalb hohe Bedeutung zu.
  • Planung, Installation und Instandhaltung von BZH erfordern gleichermaßen elektro- und heizungstechnische Qualifikationen. Dementsprechend hoch sind die Anforderungen an Gewerke übergreifende Kooperationen bzw. die betriebsinterne Organisation und Kommunikation.
  • Vertrieb und Betrieb von BZH werden zunehmend durch neue, bislang handwerksfremde Dienstleistungsangebote ergänzt (vgl. beispielsweise KOSCHORKE u.a. 2004), die entweder durch die BZH-Hersteller, (neue) Dienstleistungsunternehmen, Energieversorger oder die Handwerksunternehmen selbst angeboten werden können.

Erfolgt die Schulung der an den Feldtests beteiligten Handwerker noch ausschließlich durch die Hersteller selbst, sollen diese künftig vor der Teilnahme an herstellerspezifischen Geräteschulungen grundlegend durch externe Qualifizierungsanbieter für die Arbeit mit Brennstoffzellen-Heizgeräten qualifiziert werden. Die zu entwickelnden Qualifizierungsangebote sind deshalb inhaltlich auf die Herstellerschulungen abzustimmen.

Ergänzend zu den Qualifizierungsangeboten für die Praxisakteure sind künftig auch Weiterbildungsangebote für Berufsschullehrer, Ausbilder, Dozenten und andere Multiplikatoren bereit zu stellen. Ein Multiplikatorennetzwerk soll die Bemühungen um kontinuierlichen und qualitativ hochwertigen Erfahrungsaustausch, die Weiterentwicklung von Qualifizierungs- und Informationsangeboten sowie die gezielte Kommunikation und Abstimmung mit Multiplikatoren sicherstellen.

Im Callux-Projekt wird ein zweistufiges Informations- und Qualifizierungsangebot entwickelt. Das bereits fertig gestellte Informationsprogramm[6] „Basisinformationen von Callux, dem Praxistest Brennstoffzelle für‘s Eigenheim“ dient der zielgruppenübergreifenden allgemeinen Information aller Interessierten. Es ist sprachlich bewusst so einfach gehalten, dass sich dort neben Handwerkern, Planern und Energieberatern auch interessierte Laien und Auszubildende einen Überblick verschaffen können. Die Basisinformationen werden ergänzt durch sog. „Anwendungsmodule“. Das sind zielgruppenspezifisch ausgerichtete, modular aufgebaute und konzeptionell auf die freie Verwendung durch Qualifizierungsanbieter ausgelegte Materialien.

3.3 Prospektive Definition von Anforderungsprofilen

Die inhaltlichen Eckpunkte der zu entwickelnden Qualifizierungsangebote resultieren aus den Anforderungsprofilen der jeweiligen Berufsgruppen, deren Vorkenntnissen sowie den Eingangsanforderungen der herstellerspezifischen Schulungen. Im Mittelpunkt steht daher die Bestimmung der Anforderungsprofile, die sich aus den zu bewältigenden Arbeitsprozessen ergeben.

Da heute weder die jeweiligen Aufgabenfelder der Beteiligten eindeutig zu bestimmen sind, noch die Arbeitsprozesse im Feldtest vollständig identisch mit der (wahrscheinlichen) späteren beruflichen Praxis sind, ist die prospektive Ermittlung von Anforderungsprofilen im Rahmen von Feldtests keineswegs trivial. Im Unterschied zur Praxis finden die Feldtests in einem ökonomischen Schonraum statt, in dem etwa auch ökonomische Risiken der Beteiligten weitgehend ausgeschlossen werden. Als eine Konsequenz der weiter oben beschriebenen verschiedenen Vermarktungsoptionen (z. B. Verkauf vs. Contracting) lassen sich einzelne Aufgaben auch nicht eindeutig bestimmten Akteuren zuordnen. Im Extremfall wären beispielsweise Handwerksunternehmen entweder als eigenständige Komplettanbieter oder nur noch als reine Installateure tätig, die die Geräte nach vorgegebenen Plänen anschließen – wofür sie, nebenbei bemerkt, keinerlei Weiterqualifizierung benötigen würden.

Bei den Feldtests sind es jedoch vor allem die weitgehend ausgeklammerten ökonomischen Faktoren sowie die enge Einbindung von Experten der Hersteller und Energieversorgungsunternehmen (EVU) in die Planungs-, Inbetriebnahme- und Instandhaltungsprozesse, die gegenüber dem Arbeiten im „freien“ Markt verfälschend wirken können. So sind beispielsweise für die feldtestbeteiligten Immobilieneigentümer Risiken weitgehend ausgeschlossen, da sie ihre Wärmeenergie wie beim Wärmecontracting zum festgelegten Preis erhalten und die Heizungsanlage nach Ablauf der Tests auf Wunsch sogar wieder in den ursprünglichen Zustand zurück gebaut würde. Die Beratung interessierter Hauseigentümer, Wirtschaftlichkeitsberechnungen u. Ä., also Aufgaben, die aufgrund der relativ hohen Investitionskosten und der Neuheit der Technik in der späteren Praxis hohe Anforderungen an die Beratenden stellen werden, entfallen in den Testphasen weitgehend.

Ebenso werden die mit Installationsaufgaben betrauten Handwerksunternehmen von den Herstellern und den beteiligten EVU’s intensiv betreut. Die Kontrolle und Inbetriebnahme der Brennstoffzelleneinheiten erfolgt i. d. R. durch versierte Ingenieure der Hersteller. Da die Arbeit der Handwerker zudem mit festen Stundensätzen vergütet wird, entfallen auch für diese die üblichen ökonomischen Zwänge.

Feldtests können also aus berufspädagogischer Sicht keineswegs mit der Praxis gleichgesetzt werden. Durch den fehlenden ökonomischen Druck und die Einbindung unterschiedlicher Experten werden Arbeitsprozesse verändert oder auf andere Akteure verlagert, potenzielle Fehlerquellen ausgeschaltet und Risiken für die Nutzer und das Handwerk minimiert. Und selbst handwerklich-technische Prozesse unterscheiden sich, z. B. aufgrund der zusätzlich zu installierenden Messtechnik, teilweise von der späteren Praxis.

Für die Bestimmung der im späteren Echtbetrieb wahrscheinlichen oder möglichen beruflichen Arbeitsprozesse, bzw. deren Zuordnung zu den einzelnen Akteurs- und Berufsgruppen, reichen Arbeitsprozessanalysen also nicht aus. Vielmehr sind verschiedene Variablen zu berücksichtigen, wie etwa Perspektiven der weiteren Technikentwicklung, Einschätzungen zur Produktions- und Marktentwicklung, verschiedene Vermarktungs- und Dienstleistungsoptionen. Die Zuordnung der Arbeitsprozesse, bzw. die Definition der Anforderungsprofile erfolgt deshalb im Rahmen eines diskursiven Prozesses unter Beteiligung aller Feldtestverantwortlichen.

3.4 Zwischen Geheimhaltung und Transparenz

Aus naheliegenden Gründen haben die beteiligten Entwickler, Hersteller und EVU’s ein hohes Interesse, ihre mit hohem Aufwand erlangten Entwicklungsvorsprünge möglichst lange vor Mitbewerbern zu behalten. Zum Zweiten, so eine Befürchtung, könnte eine offene Kommunikation von Problemen oder suboptimalen Zwischenergebnissen während der Feldtests zu Fehlinterpretationen oder gar einem nachhaltig negativen Image der Technik führen. Deshalb unterliegen alle Projektbeteiligten der Geheimhaltung.

Demgegenüber besteht eine der wichtigsten Aufgaben in der Information der verschiedenen beruflichen Akteursgruppen und Multiplikatoren. Schließlich sollen diese, wie auch potenzielle Nutzer, über die aktuellen Entwicklungen informiert werden, um deren Interesse für das Thema BZH zu wecken oder neu zu entfachen. Da die berufspädagogischen Akteure jedoch grundsätzlich auf die Bereitstellung von Informationen durch die innovierenden Unternehmen angewiesen sind, kommt auch der Qualität der internen Kommunikation sowie des Vertrauens innerhalb der Projektkonsortien eine hohe Bedeutung zu. Es können eben nur Informationen und Daten didaktisch genutzt, bzw. verarbeitet werden, die zumindest intern kommuniziert werden. Dabei handelt es sich grundsätzlich um einen aporetischen Konflikt: Ein großes Maß an Transparenz erhöht immer auch das Risiko der Fehlinterpretation, bzw. des Imageverlusts, liefert aber auch Stoff für (öffentliche) Diskussionen. Eine umfassende Geheimhaltung sichert den Entwicklungsvorsprung der Innovatoren und das Maß der Kontrolle, entzieht zugleich aber auch (mediale) Aufmerksamkeit und reduziert die in den letzten Jahren viel diskutierten Chancen offener Innovationsprozesse (vgl. beispielsweise ZERFASS/ MÖSLEIN 2009; DROSSOU u.a. 2006).

4 Berufspädagogische Innovationskompetenz

Das Beispiel der Brennstoffzellen-Heizgeräte-Innovation zeigt, dass die berufspädagogische Begleitung und Verarbeitung von Innovationsprozessen signifikante Auswirkungen sowohl auf den Erfolg von Innovations- und Markteinführungsprozessen als auch auf die technische Funktionsfähigkeit der Innovation haben kann. Aufgrund der Vielzahl an Wirkungsfaktoren ist grundsätzlich von der Einzigartigkeit jedes Innovationsprozesses auszugehen. Dennoch wäre zu prüfen, ob die systematische Analyse einzelner Innovationsprozesse zur Weiterentwicklung einer „berufspädagogischen Innovationskompetenz“, etwa im Sinne von Laur-Ernst (LAUR-ERNST 2006), beitragen kann.

So lassen sich etwa wiederkehrende Aufgaben zur Analyse von Innovationsprozessen aus Sicht der beruflichen Bildung identifizieren. Dazu zählen beispielsweise:

  • Frühzeitige Identifikation von (technischen) Innovationen
  • Ermittlung der (potenziellen) gesellschaftlichen Relevanz einer Innovation
  • Bestimmung des (technischen) Entwicklungsstandes und (vorläufige) Bestimmung des Neuheitsgrades
  • Einschätzung der künftigen Anforderungsprofile
  • Definition der Marktakteure, bzw. der betroffenen (Berufs-)Gruppen
  • Einschätzung von Markteinführungszeitpunkten
  • Beschreibung innovationsbezogener Besonderheiten (z.B. neue Dienstleistungen, neue Vermarktungsansätze, Ablösung bestehender Problemlösungen…).

Zur Bearbeitung dieser Aufgaben könnten künftig etwa geeignete Instrumente oder aufbereitetes Erfahrungswissen bereitgestellt werden, was wiederum förderlich wäre für die Herausbildung einer berufspädagogischen Innovationskompetenz. Unverzichtbare Bestandteile einer berufspädagogischen Innovationskompetenz sind

  • Feldkompetenz, etwa zur Berücksichtigung spez. Rahmenbedingungen,
  • Technikkompetenz, um die Funktion als „Übersetzer“ und Vermittler wahrnehmen zu können,
  • Innovationskompetenz bzw. Innovationsmanagementkompetenz zur systematischen Nutzung vorliegender Erkenntnisse aus anderen Disziplinen.

4.1 Funktionalisierung beruflicher Bildung bei Innovationsprozessen

Da wie bei allen zukunftsorientierten Aktivitäten auch für Innovationen grundsätzlich ein hohes Maß an Unsicherheit gilt, sind auch starke Abweichungen von Prognosen und widersprüchliche Signale im Prozessverlauf unvermeidbar. Der Einfluss der beruflichen Bildung ist bei diesen Prozessen wiederum ausgesprochen gering. Ihre Aufgabe besteht zunächst in der (passiven) Beobachtung der technischen Entwicklung, dann in der Planung eigener Aktivitäten und schließlich in der Durchführung eigener Aktivitäten und der Kopplung dieser an den Innovationsprozess.

Zur Realisierung einer solchen Kopplung der Aktivitäten der beruflichen Bildung und des (technischen) Innovationsprozesses bedarf es wiederum der Definition des Verhältnisses der beiden Sphären zueinander: Innovatoren formulieren Erwartungen an die begleitenden Berufsbildner, Akteure der beruflichen Bildung benötigen Informationen, Wissen und Ressourcen.

Im Fall des Callux-Projektes etwa werden qualifizierungsbezogene Fragestellungen als „Querschnittsaufgaben zur Markteinführung“ geführt. Dabei sind die begleitenden berufspädagogischen Akteure allerdings nicht als (gleichberechtigte) Projektpartner beteiligt, sondern vielmehr in Gestalt der „Arbeitsgruppe Marktpartner“ als (externer) Dienstleister beauftragt. Strukturell findet damit also eher eine Entkopplung der beruflichen Bildung vom eigentlichen Innovationsprozess statt. Die berufliche Bildung wird tendenziell beschränkt auf die Funktion, die sie aus Sicht und im Sinne der Innovatoren zu erfüllen hat.

Vor dem Hintergrund dieser offensichtlichen Abhängigkeit der beruflichen Bildung von den Interessen der Innovatoren müssen Zweifel an der Gestaltungsoption beruflicher Bildung im Sinne Rauners (RAUNER 2004, 19) angemeldet werden. Ganz bestimmt sind Qualifikation und Qualifizierung in diesem Zusammenhang keine „relativ unabhängige Variable“ (RAUNER 2006, 467). Die berufliche Bildung, so legt es der bisherige BZH-Innovationsprozess nahe, ist dabei im Wesentlichen als Dienstleister zu verstehen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Literatur

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[1]     Weitere Details zur Brennstoffzellen-Heizgerätetechnik finden Sie beispielsweise im Callux-Informationsprogramm unter http://www.callux.net/home.Marktpartner.html.

[2]     Das Produktwasser der seit 1981 im Space-Shuttle eingesetzten Brennstoffzellen wurde sogar für die Trinkwasserversorgung der Astronauten genutzt.

[3]     BZH sind dafür geeignet, in Bestandsgebäuden eingesetzt zu werden, da sich der Restwärmebedarf eines hoch gedämmten Neubaus oder Passivhauses auf andere Weise deutlich günstiger decken lässt. In aller Regel wird es also darum gehen, BZH in bestehende, teilweise über Jahrzehnte „gewachsene“ Anlagen zu integrieren – eine keineswegs nur triviale Aufgabe.

[4]     Tatsächlich war es bereits 1874 Jules Verne, der die Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse und die verbreitete Nutzung von Wasserstoff als Lösung zukünftiger Energieprobleme prophezeite, SCHNURNBERGER et al. 2009, 7.

[5]  Heute sind die Brennstoffzellen-Aktivitäten im etz Stuttgart angesiedelt.

[6] Das Informationsprogramm ist unter www.callux.net/home.Marktpartner.html kostenlos zugänglich.


Zitieren dieses Beitrages

MÜLLER, W. (2011): Innovationsmotor Berufsbildung – berufspädagogische Innovationsbegleitung am Beispiel der Brennstoffzellen-Heizgeräte. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 08.1/2, hrsg. v. SCHWENGER, U./ HOWE, F./ VOLLMER, T./ HARTMANN, M./ REICHWEIN, W., 1-17. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft08/mueller_ft08-ht2011.pdf (19-11-2011).



Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

http://www.hochschultage-2011.de/