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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT08 - Elektrotechnik-Informatik & Metalltechnik
Herausgeber: Ulrich Schwenger, Falk Howe, Thomas Vollmer, Martin Hartmann & Wilko Reichwein

Titel:
Kompetenzen und Karrierewege in elektrotechnischen und metalltechnischen Berufen


Flexibilität der Facharbeit und Sicherung erfolgreicher Übergänge durch Lernsituationen und Zusatzqualifikationen im Bereich der Erneuerbaren Energien – am Beispiel des JOBSTARTER-Projekts „Erneuerbare Energien – Neue Ausbildungsfelder für die Zukunft“

Beitrag von Eric W. J. SAWADOGO, Sebastian MAYER (Technische Universität Dresden) & Christiane STAACK (WEQUA GmbH Lauchhammer)

Abstract

Die Entwicklung der erneuerbaren Energien als Zukunftstechnologien in der Wirtschaft stellt zunehmend neue Anforderungen an die Facharbeit in elektrotechnischen und metalltechnischen Berufen. Die Versuche, den Fachkräftebedarf im Bereich der erneuerbaren Energien durch Umschulung von Arbeitssuchenden z.B. durch Qualifizierungsmaßnahmen privater Bildungsträger in einer strukturschwachen Region wie Brandenburg zu sichern, haben begrenzt Erfolge gezeitigt. Schwierigkeiten bestehen u.a. darin, geeignetes Fachpersonal für die Umschulung zu gewinnen. Um den Fachkräftebedarf für den zukunftsrelevanten Wirtschaftsbereich der erneuerbaren Energien zu sichern, sollte die Qualifizierung demnach gezielter, flexibler und stringenter erfolgen. Dabei werden folgende Fragen offensichtlich: - Welche Anforderungen werden an die Facharbeit in den Bereichen der erneuerbaren Energien gestellt? - Welche elektrotechnischen und metalltechnischen Ausbildungsberufe eignen sich besonders für spezielle Qualifizierungsmaßnahmen? - Wie können entsprechende Fachkräfte aus- und weitergebildet werden? Das JOBSTARTER-Projekt „Erneuerbare Energien – Neue Ausbildungsfelder für die Zukunft“ der Professur für Metall- und Maschinentechnik / Berufliche Didaktik (Berufliche Fachrichtung Elektrotechnik), TU Dresden, sowie der WEQUA in Lauchhammer beschäftigt sich mit diesen Fragen. Im Artikel werden folgende vorläufige Ergebnisse des Projekts aufgezeigt: - Ergebnisse einer Analyse der Ausbildungsberufe sowie einer Potentialanalyse, - Vorgehen bei der Erarbeitung von Lernsituationen und Zusatzqualifikationen, - Eckpunkte möglicher Lernsituation, exemplarisch für den Bereich Photovoltaik, - didaktisch-methodische Gestaltungsaspekte der beruflichen Handlungsorientierung, - Perspektiven.

1 Ausgangssituation und Ziele des JOBSTARTER-Projekts „Erneuerbare Energien – Neue Ausbildungsfelder für die Zukunft“

1.1 Erfordernisse

Windkraft- und Solaranlagen haben sich deutschlandweit zu einem wichtigen Bestandteil des Energiemixes etabliert. Der Beitrag der erneuerbaren Energien zur Energieversorgung in Deutschland ist in den letzten Jahren beständig gewachsen. Ihr Anteil an der Stromerzeugung betrug im Jahr 2009 bereits gut 16 %, was nicht zuletzt auf das seit 2000 geltende und erst wieder am 12. April 2011 geänderte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zurückzuführen ist. Ziel der Bundesregierung ist es, diesen Beitrag bis 2020 auf mindestens 30 % zu erhöhen. Insgesamt ist die Entwicklung der Erneuerbaren Energien nicht nur umwelttechnisch sondern auch wirtschaftlich bedeutend (vgl. BMWT 2011).

Über die Installation von Windenergie- und Solaranlagen hinaus muss auch die Instandhaltung, also die Wartung und die Sicherstellung der Betriebsfähigkeit dieser Anlagen, in den Mittelpunkt gerückt werden. In Deutschland sind hier zum Beispiel im Bereich der Windenergie zwei- bis dreiköpfige Serviceteams unterwegs, deren Mitarbeiter oft umgeschulte oder angelernte Arbeiter sind. Es ist festzustellen, dass in diesem Bereich keine zielgerichtete Erstausbildung stattfindet.

1.2 Ausgangssituation – Das „leidige Lied“ von der Fachkraft

Die Wirtschaftsentwicklungs- und Qualifizierungsgesellschaft mbH (WEQUA) aus Lauchhammer in Brandenburg sichert seit vielen Jahren als Know-How-Trägerin den Fachkräftebedarf für Servicemonteure und -techniker für Windenergieanlagen in der Region. Sie ist der einzige Standort in den neuen Bundesländern, bei dem die Weiterbildung zum „Servicetechniker/-monteur für Windenergieanlagen“ nach den Vorgaben des Bildungszentrums Erneuerbare Energien e.V. (BZEE) durchgeführt wird. Außerdem verfügt sie über die entsprechenden Netzwerkerfahrungen und Unternehmenskenntnis, nicht zuletzt in der Erneuerbare-Energien-Branche.

Bisher speiste sich der Fachkräftebedarf v. a. aus dem Kreis arbeitsloser Facharbeiter aus dem Metall- oder Elektrobereich. Die Agentur für Arbeit und die Jobcenter finanzierten die Weiterbildung in Form von „Bildungsgutscheinen“. Doch diese Fachkräftequelle ist so gut wie versiegt, da nach der Wirtschaftskrise gerade in diesen Branchen glücklicherweise viele wieder eine Arbeit finden konnten und auf solche Maßnahmen aktuell nicht angewiesen sind. Derzeit werden keine Bildungsgutscheine mehr ausgegeben. Damit bricht die bisher von der Branche praktizierte Vorgehensweise zur Fachkräftesicherung bundesweit weg.
Obwohl ein hoher Bedarf besteht, erfolgt keine lineare und aufeinander abgestimmte Qualifizierung. Die Interessenten sollten aufgrund der Anforderungen der Servicefirmen nicht älter als 35 Jahre alt sein und bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung aus dem Metall- oder Elektrobereich mitbringen. Außerdem sollten sie mobil, belastbar und höhentauglich sein. Erst unter diesen Voraussetzungen kann eine sechsmonatige Erwachsenenqualifizierung als Servicetechniker für Windenergieanlagen bei der WEQUA begonnen werden, die jedoch aufgrund der unterschiedlichen Berufs- und Bildungsbiographien große Anteile Grundlagenmodule enthält.

Die Branche wird umdenken müssen, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken und hohe Kosten zu vermeiden. Es ist notwendig, nach neuen Wegen zu suchen, um junge Fachkräfte für den Bereich der Erneuerbaren Energien zu gewinnen. Daher bestehen dringende Bedarfe zur Erarbeitung und Etablierung von Modellen der Erstausbildung in Verbindung mit Angeboten zur Zusatzqualifizierung.

1.3 Projektziele und Projektpartner

Das JOBSTARTER-Projekt „Erneuerbare Energien – Neue Ausbildungsfelder für die Zukunft“ (http://neue-ausbildungsfelder.de.vu/) entsprang 2009 der 4. Förderrunde des JOBSTARTER-Programms und läuft noch bis Februar 2012. Eine Verlängerung des Projekts ist aktuell beantragt.

Das JOBSTARTER-Programm (http://www.jobstarter.de/) wurde 2006 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) aufgelegt und wird auch aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert. In insgesamt fünf Förderrunden sind insgesamt 287 regional verankerte JOBSTARTER-Projekte an den Start gegangen, von denen aktuell noch 123 Projekte bundesweit laufen.

Die Aufgabe, ein dem Bedarf entsprechendes Ausbildungsangebot für die Wind- und Solarindustrie, bzw. für das Handwerk zu schaffen, bedarf der Synthese von Forschungs- und Entwicklungsarbeit, gepaart mit wirtschaftspraktischem Know-How bei der Netzwerkbildung, der Unternehmens- und Prozesskenntnis der Erbauer und Betreiber von Anlagen Erneuerbarer Energien sowie deren Qualifizierungsanforderungen.

Die WEQUA übernahm hierbei den wirtschaftspraktischen Teil, während die TU Dresden v.a. die curricular ausgerichtete Forschungs- und Entwicklungsarbeit, die didaktische Erschließung der beruflichen Handlungen für Auszubildende über Arbeitsprozessstudien und die theoretische Verknüpfung von basisberuflicher Ausbildung mit spezifisch modularer Zusatzausbildung für den Bereich Erneuerbare Energien leistet.

Das Verbundprojekt wendet sich an Auszubildende und ausbildende Unternehmen in Süd-Brandenburg und Ost-Sachsen, die Interesse an Erneuerbaren Energien in den Bereichen Windenergie, Solarthermie und/oder Photovoltaik haben. Es hat sich zum Ziel gesetzt, in den Bereichen Service für Windenergieanlagen, Solarthermie und Photovoltaik Perspektiven für die Erstausbildung zu entwickeln.

2 Ergebnisse der Potential- und Curriculumanalyse

2.1 Potentiale der Projektregion Süd-Brandenburg und Ost-Sachsen

In der ersten Phase des Projekts wurde im Auftrag durch das BZEE eine Potentialanalyse in der Projektregion durchgeführt (vgl. BUHL/ PETERS/ BIELENBERG 2009). Generell gelten die Erneuerbaren Energien als Kernkompetenzfeld und Jobmotor in Deutschland. Die Regionen Süd-Brandenburg und Ost-Sachsen weisen ebenfalls eine sehr positive Entwicklung im Bereich der Erneuerbaren Energien auf.

Das Land Brandenburg gilt im Bereich der Erneuerbaren Energien sowohl im Hinblick auf ihre Nutzung als auch im Hinblick auf die Herstellung und Produktion von Anlagen und Komponenten als führend in der Bundesrepublik Deutschland. In einem Bundesländer-Ranking des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) auf der Grundlage unterschiedlicher Indikatoren errang das Land Brandenburg im Jahr 2010 wiederum den ersten Rang in Folge und wurde mit dem „Leitstern 2010 – Bundesländerpreis Erneuerbare Energien“ ausgezeichnet.
Die positive Bewertung dieser politischen Faktoren geht vor allem auf die 2008 verabschiedete Energie- und Klimaschutzstrategie des Landes zurück, nach der die Erneuerbaren Energien zu einer tragenden Säule des Energiemixes bei einer gleichzeitig beizubehaltenden Grundlaststromerzeugung aus Braunkohle ausgebaut werden sollen. Schwerpunkte sind dabei die Energiegewinnung aus Wind- und Solarenergie und aus der Biomasse. Geothermie, Deponie- und Klärgas sowie Wasserkraftnutzung ergänzen diesen Mix. Der Anteil der Erneuerbaren Energien in Brandenburg soll bis zum Jahr 2020 gemäß den Richtlinien der EU auf 20 Prozent des Primärenergieverbrauchs ausgebaut werden.

Sachsen verfügt über einige regionale Wachstumskerne im Bereich der Solarindustrie, wobei diese auch in Brandenburg ein wichtiger Wirtschaftszweig ist. In beiden Branchen zeichnet sich in den vom JOBSTARTER-Projekt untersuchten Regionen deutlicher Fachkräftebedarf ab, von dem ein bestimmtes Qualifikationsniveau erwartet wird.
Gemäß dem „Energieprogramm Sachsen 2007“ setzt das Land ebenfalls auf Erneuerbare Energien. Sie sollen spätestens am Ende des 21. Jahrhunderts die Energieversorgung sichern. Daher hat es sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtstromverbrauch bis zum Jahr 2010 auf 13 %, bis zum Jahr 2020 auf 25 % und bis zum Jahr 2050 auf 60 % zu steigern. Generelles Ziel ist es, den Anteil Erneuerbarer Energien um mindestens einen Prozentpunkt pro Jahr am jeweils noch benötigten Energiemix zu erhöhen. Eine Zielsetzung bis 2050 nimmt sonst kein anderes Land vor, allerdings fehlen konkrete Ausbauziele für die einzelnen Sparten, die die Nachvollziehbarkeit der Gesamtzielsetzung erlauben. Sachsen plant eine Reihe von Maßnahmen für den Ausbau Erneuerbarer Energien, steht jedoch vor allem dem Ausbau der Windkraft kritisch gegenüber. Die Regionalen Planungsverbände erlassen derzeit viele Restriktionen hinsichtlich Höhe und Standort von Windenergieanlagen.

In Süd-Brandenburg und Ost-Sachsen haben sich die Erneuerbaren Energien zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor mit spezifischen Strukturen und einem wichtigen Anteil am Arbeitsmarkt entwickelt. Träger der Entwicklung sind die Windenergie und die Solarenergie, speziell die Photovoltaik. Jedoch spielen auch Biomasse, Energieholz (vor allem auf Aufforstungsflächen rekultivierter Tagebauflächen) sowie zu einem kleinen Anteil Geothermie eine Rolle. In der Windenergiebranche ist vor allem die industrielle Produktion von Anlagen für die Region von Bedeutung. Dazu kommen einige große Windparks ihre Betreibergesellschaften und die entsprechenden Serviceunternehmen. Die Solarenergie/Photovoltaik ist ebenfalls mit industriellen Produktionsstätten vertreten. Nicht zuletzt trägt aber das Handwerk mit seinen Sanitär- und Elektrofachbetrieben dazu bei, Erneuerbare Energien in der Fläche attraktiv zu vermarkten, indem Anlagen für den Endabnehmer projektiert, installiert und gewartet werden.

2.2 Curriculumanalyse

Zu Beginn galt es zu prüfen, ob mit diesem JOBSTARTER-Projekt die Grundlagen für mögliche neue Berufsbilder und zukünftige neue Ausbildungsberufe gelegt werden müssen oder die bestehenden Ausbildungsberufsbilder ausreichen. Bei der Durchsicht der Berufsbilder, Ausbildungsordnungen, Ausbildungsrahmenpläne und der Rahmenlehrpläne wurden die einzelnen Berufe mit groben Qualifikationsanforderungen der Handlungsfelder Service an Windenergieanlagen; Photovoltaik und Solarthermie verglichen (vgl. Tabelle 1). Dabei wurden Ausbildungsberufsbilder identifiziert, die für die Branche der Erneuerbaren Energien für die einzelnen Bereiche als geeignet erscheinen.

Diese Analyse zeigt, dass die bereits bestehenden Ausbildungsberufsbilder prinzipiell ausreichen, um das avisierte Qualifizierungsangebot zu realisieren. Für die Erarbeitung von Lernsituationen erschien für den Bereich Service an Windenergieanlagen der Ausbildungsberuf Mechatroniker/-in (IH), für den Bereich Photovoltaik der Ausbildungsberuf Elektroniker/-in, Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik (Hw.), sowie für den Bereich Solarthermie der Ausbildungsberuf Anlagenmechaniker/-in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (Hw/IH) geeignet.

Mit Hilfe des JOBSTARTER-Projekts sollen gezielt Inhalte aus den Bereichen der Erneuerbaren Energien thematisch in diese Ausbildungsberufe verankert und vorerst durch Zusatzqualifikationen ergänzt werden. Dadurch soll der Übergang in die Berufstätigkeit gefördert werden. Es werden Lernsituationen und Zusatzqualifikationen für die Erstausbildung entstehen, die auf die Erfordernisse der Wind- und Solarbranche zugeschnitten sind und im Rahmen etablierter Ausbildungsberufsbilder angewendet werden können.

Tabelle 1:  Ergebnisse einer Analyse von Ausbildungscurricula, die für ausgewählte Handlungsfelder der Erneuerbaren Energien günstig erscheinen (projekteigene Zusammenstellung).

Windenergie

Photovoltaik

Solarthermie

Anlagenmechaniker/in (IH)
(ARP 30,5 / 39 Monaten
RLP 770 / 1020 U.-Stunden)

Elektroniker/in für Betriebstechnik (IH)
(ARP 36,5 / 42 Monaten
RLP 440 / 1020 U.-Stunden)

Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (Hw, IH)
(geeignet)

Industriemechaniker/in (IH)
(ARP 38 / 42 Monaten
RLP 630 / 1020 U.-Stunden)

Elektroniker/in, FR Energie- und Gebäudetechnik (Hw)
(ARP 128 / 182 Wochen
RLP 440 / 1020 U.-Stunden)

Konstruktionsmechaniker/in (IH)
(ARP 28,5 / 42 Monaten
RLP 390 / 1020 U.-Stunden)

Elektroanlagenmonteur/in (IH)
(ARP 112 / 156 Wochen
RLP 360 / 740 U.-Stunden)

Mechatroniker/in (IH)
(ARP 117 / 182 Wochen
RLP 900 / 940 U.-Stunden)

Mechatroniker/in (IH)
(ARP 117 / 182 Wochen
RLP 500 / 940 U.-Stunden)

Elektroniker/in für Maschinen- und Antriebstechnik (Hw, IH)
(ARP 152 / 182 Wochen
RLP 750 / 1020 U.-Stunden)

Legende:

IH       industrieller Ausbildungsberuf
Hw      Ausbildungsberuf des Handwerks
ARP … Ausbildungsrahmenplan
RLP … Rahmenlehrplan
FR … Fachrichtung
U.-Stunden … Unterrichtsstunden in der Berufsschule
x/y … Möglicher Umfang von Ausbildungszeit bezüglich Erneuerbare Energien / Gesamtumfang

Metallbauer/in, FR Konstruktionstechnik (Hw)
(ARP 127 / 182 Wochen
RLP 380 / 1020 U.-Stunden)


Gemeinsam mit Berufschullehrern wurden geeignete Lernfelder ermittelt, in denen Lernsituationen für den entsprechenden Bereich (Windenergie, Photovoltaik und Solarthermie) angesiedelt werden können. Die outcome-orientierten Curricula erscheinen so flexibel, dass grundsätzlich von Beginn an immer wieder Hinweise auf die Verwendung in Teilbereichen der Erneuerbaren Energien gegeben werden können (vgl. HARTMANN/ KNORN/ WOHLRABE 2009, 207). Erste Beratungen mit Lehrern haben aber gezeigt, dass die vertiefte Auseinandersetzung mit Lern- und Arbeitsaufgaben, die mit einer Tätigkeit in der Branche zusammenhängen, aufgrund des hohen Kompetenzniveaus erst Ende des 2., besser erst im 3. Ausbildungsjahr stattfinden sollte (siehe später auch Tabelle 2).

3 Vorgehen bei der Erarbeitung von Lernsituationen und Zusatzqualifikationen

Im Zentrum der Entwicklung von Lernsituationen und damit verbundenen Lern- und Arbeitsaufgaben soll die Frage stehen, welche Kompetenzen für den eigentlichen Arbeitsprozess benötigt werden. Denn berufliche Tätigkeiten (wie z.B. die Instandhaltungsarbeiten an einer Windenergieanlage) finden in einem beruflichen Handlungsfeld statt, das durch typische Aufgabenstellungen und Arbeitssituationen geprägt ist (vgl. BADER/ SCHÄFER 1998, 229ff.). Diese Situationen erfordern die Bewältigung von Arbeitsaufgaben mit entsprechenden Kompetenzen. Auf solche Situationen müssen die Lernenden mit passenden, didaktisch auf den beruflichen Arbeitsprozess abgestimmten Lernaufgaben vorbereitet werden. Lernsituationen können erst dann zufriedenstellend und praxisnah entwickelt werden, wenn einzelne Arbeitssituationen und der Arbeitsprozess im jeweiligen Handlungsfeld bekannt sind. Auf diese Weise – so die Vermutung – werden die geforderten Kompetenzen besonders deutlich.

Um die Entwicklung von regionalen Qualifizierungsmaßnahmen für die ausgewählten Bereiche der Erneuerbaren Energien möglichst effektiv zu gestalten, wurden die Curricula von Ausbildungsberufen herausgegriffen, die eine möglichst große Schnittmenge mit den ausgewählten Handlungsfeldern haben. Durch einen Vergleich von bereits durch Vorbildung und Berufsausbildung entwickelten Kompetenzen mit denen, die der Arbeitsprozess erfordert (Soll-Ist-Vergleich), sollen sich die zusätzlich zu entwickelnden Kompetenzen herauskristalisieren (vgl. Abb. 1, vgl. SAWADOGO/ MAYER/ HARTMANN 2010).

Diese Vorgehensweise hat mehrere Vorteile:
Zum einen werden die teilweise noch unerschlossenen bzw. nur grob beschriebenen Handlungsfelder der Erneuerbaren Energien – insbesondere der Bereich der Instandsetzung und Instandhaltung von Windenergieanlagen – in Form von Arbeitssituationen und Arbeitsaufgaben näher definiert. Dies schafft konkrete Anknüpfungspunkte für eine didaktisch-methodische Interpretation bzw. der Erprobung und Implementierung einschlägiger Lernsituationen im beruflichen Unterricht des jeweiligen Ausbildungsberufes.
Ebenso entstehen Lernsituationen, die am Handlungsfeld orientiert sind und somit prinzipiell unabhängig von einem Ausbildungsberufsbild. Die Lernsituationen könnten – wenn sie umfänglich ausgearbeitet werden – unterschiedlichen Anwendern zur Verfügung gestellt werden. Neben Berufsschulen könnten dies auch überbetriebliche Ausbildungsstätten und Weiterbildungseinrichtungen sein.
Des Weiteren können zukünftig auch andere als die in der Curriculumanalyse ermittelten Ausbildungsberufe Schnittstellen zu den ausgewählten Handlungsfeldern der Erneuerbaren Energien erhalten. Hierzu ist jedoch eine erweiterte didaktische und auf den jeweiligen Ausbildungsberuf abgestimmte Analyse notwendig.

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Abb. 1:   Die Abbildung zeigt das Vorgehen bei der Erarbeitung von Lernsituationen und Zusatzqualifikationen. Hierzu bietet sich ein Soll-Ist-Vergleich zwischen bereits in der Schule entwickelten und den aus der Praxis geforderten Kompetenzen an (SAWADOGO/ MAYER/ HARTMANN 2010).

4 Stand der Erarbeitung

Im Rahmen des Projekts wurde erkannt, dass zum jetzigen Zeitpunkt ein neuer Ausbildungsberuf keine Lösung für die oben beschriebene Situation des Fachkräftemangels darstellt. Die Qualifizierung kann bereits mit der Erstausbildung verflochten sein, um die sich anschließende Zusatzqualifikation so wenig aufwändig und so zielgerichtet wie möglich zu gestalten. Dies soll auch im Hinblick auf regionale Besonderheiten geschehen.
In der Region konnte das Oberstufenzentrum Elbe-Elster in Elsterwerda als Partner gewonnen werden. Hier wurden im Dialog die Möglichkeiten für den konkreten Unterricht vor Ort diskutiert. Aufgrund dieser Beratung wurden Lernfelder ausgewählt, in denen einschlägige, für das Handlungsfeld zentrale Lernsituationen eingebracht werden könnten. Außerdem wurden gemeinsam Ideen für exemplarische Lernsituationen erarbeitet (vgl. Tabelle 2), die teilweise bereits erprobt wurden. Eine nachhaltige Implementierung von Lernsituationen der Erneuerbaren Energien in die Stoffverteilungspläne der ausgewählten Ausbildungsberufe wird angestrebt. Die Schule könnte sich auf diese Weise in Richtung der Erneuerbaren Energien profilieren.

Tabelle 2:  Erste Zuordnung von Lernfeldern und Lernsituationen zu den ausgewählten Handlungsfeldern der Erneuerbaren Energien

Handlungsfeld

Windenergie

Photovoltaik

Solarthermie

Ausbildungsberuf

Mechatroniker/in

Elektroniker/in

Anlagen-
mechaniker/in
SHK-Technik

Schwerpunkt-Lernfelder (LF)

LF 11:
„Inbetriebnahme, Fehlersuche und Instandsetzung“

LF 11 EG „Energietechnische Anlagen errichten, in Betrieb nehmen und in Stand setzen“

LF 11
„Installieren von Anlagen zur Trinkwasser-
erwärmung“

Anknüpfung besonders auch  in…

LF 2, 4 und 7

LF 6 und 10

LF 14 und 15, aber auch LF 3, 5 und 10

Exemplarische Lernsituation im Schwerpunkt-Lernfeld

LF 11:
„Fehler in der Azimutsteuerung“

LF 11 EG
„Nachbarschafts-
vergleich – Die andere Anlage bringt mehr“

LF 11
„Planung und Errichtung einer dachintegrierten Solarthermie-Anlage zur Unterstützung der Trinkwasser-
erwärmung“

Kurzbeschreibung

Die Regelung zur Windnachführung mündet in der Azimutsteuerung einer Windenergieanlage. Die Lernenden sollen über die Fehleranalyse dieses zentralen mechatronischen Teilsystems auf die Funktion der ganzen Anlage schließen.

Die Lernenden analysieren die Voraussetzungen, dimensionieren und konzipieren eine Freiflächenanlage unter Zuhilfenahme gängiger Software; führen Praxisübungen an einer Freiflächenanlage durch. Dabei beachten sie Schutzmaßnahmen und den Blitzschutz.

Die Lernenden analysieren die Voraussetzungen, dimensionieren und konzipieren eine Dachanlage unter Zuhilfenahme gängiger Software; führen Praxisübungen an einem Hausdach durch. Dabei beachten sie Hinweise zur Unfallverhütung.

 

Mittels Arbeitsprozessstudien in Handwerks- und Industriebetrieben, Expertenbefragungen, Gesprächen mit Unternehmern und Facharbeitern sowie weitergehenden Sekundäranalysen konnte bereits ein Großteil der ausgewählten Handlungsfelder in Form von Tätigkeiten und Arbeitsaufgaben beschrieben werden (vgl. MAYER/ HARTMANN/ SAWADOGO 2010). Das breite Netzwerk der WEQUA in der Region war bei dieser Analyse sehr nützlich (vgl. auch Abb. 2).
Die erhobenen Daten werden derzeit dafür verwendet, die Zusatzqualifikationen zu gestalten. Hierzu werden die für das jeweilige Handlungsfeld typischen Arbeitsaufgaben betrachtet, didaktisch bewertet und mit einer möglichen Lernsituation verbunden. Die daraus folgenden didaktisch-methodischen Überlegungen entscheiden darüber, mit welchen Lernzielen zu welchem Zeitpunkt an welchem Lernort eine Lernsituation zur Anwendung kommt.

Neben der Entwicklung von Lernsituationen wurde auch frühzeitig Kontakt zu den zuständigen Kammern und Zertifizierungsstellen gesucht. Gemeinsam mit diesen Stellen soll nach Abschluss des Auswahlprozesses, welche Kompetenzen bereits während der Erstausbildung und welche in Form einer Zusatzqualifikation nach § 49 BBiG ausgebildet werden, das konkretisierte zusätzliche Qualifizierungsangebot abgestimmt werden. Ein Beispiel, wie ein solches Angebot grob aussehen könnte, zeigt Tabelle 3.

Tabelle 3: Beispiel für ein zusätzliches Qualifizierungsangebot für Elektroniker, Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik.

Zusatzqualifikation für den Bereich Photovoltaik

Umfang

40 Stunden (mindestens)

Lernorte

Schule: Oberstufenzentrum Elbe-Elster, Elsterwerda;
Bildungsdienstleister: Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer Cottbus

Bestandteile

Planung und Errichtung von Photovoltaik-Anlagen (Dach, Fassade, Freifläche)

Zertifikat

Handwerkskammer Cottbus

5 Projektpartner und Perspektiven

Die vorliegenden Teilergebnisse zeigen, dass zur Fachkräftesicherung in der Region noch weitere Anstrengungen unternommen werden müssen. Neben der Erarbeitung und Fertigstellung von Lernsituationen und Zusatzqualifikationen in den Bereichen Service an Windenergieanlagen, Photovoltaik und Solarthermie wird auch die Erweiterung und Stärkung der Kooperation mit anderen Partnern eine Rolle spielen. So ist durchaus vorstellbar, das Angebot an Zusatzqualifikationen auch auf den Bereich Energieeffizienz thematisch zu erweitern, was wiederum einen anderen Blickwinkel erfordert. Hierzu gab es bereits einen Austausch mit anderen JOBSTARTER-Projekten in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern.
Das JOBSTARTER-Projekt zeigt aber auch, dass das Angebot an Zusatzqualifikationen nicht nur Sache von Bildungsdienstleistern ist, sondern auch der Kontakt zu kommunalen Bildungseinrichtungen in der Region gesucht werden muss. Die dort tätigen Lehrkräfte sollten auf die neuen Technologien und Aufgaben in Form von Fortbildungsmaßnahmen vorbereitet werden. Dies ist jedoch ein Bereich, den das JOBSTARTER-Projekt nur begrenzt abdecken kann.

Ziel bleibt die Nutzung von Lernsituationen und Zusatzqualifikationen als Mittel zur Sicherung der Flexibilität von (jungen) Fachkräften und zur Förderung von Übergängen aus der Berufs(aus)bildung in die Berufstätigkeit im Bereich der Erneuerbaren Energien. Das JOBSTARTER-Projekt kann hierbei auf ein erweitertes Netzwerk zurückgreifen (siehe Abb. 2).

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Abb. 2:   Projektpartner des JOBSTARTER-Projekts.

6 Zusammenfassung und Fazit

Die Entwicklung der Erneuerbaren Energien als Zukunftstechnologien in der Wirtschaft stellt zunehmend neue Anforderungen an die Facharbeit in elektrotechnischen und metalltechnischen Berufen. Die Versuche, den Fachkräftebedarf im Bereich der Erneuerbaren Energien durch Umschulung bzw. Weiterbildung von Arbeitssuchenden, z. B. durch Qualifizierungsmaßnahmen privater Bildungsträgern in einer strukturschwachen Region wie Süd-Brandenburg zu sichern, haben begrenzte Erfolge gezeitigt. Schwierigkeiten bestehen u. a. darin, geeignete Interessenten für die Umschulung zu gewinnen.

Bisher angebotene Zusatzqualifizierungen werden meist unabhängig von den curricularen Voraussetzungen und den bereits erworbenen Kompetenzen der Zielgruppe erarbeitet und angeboten. Dadurch steigt der inhaltliche und zeitliche Umfang, da grundlegende Fertigkeiten und Basiswissen nochmals ausgebildet und vermittelt werden. Abhängig von der Zielgruppe der Zusatzqualifikation sollten darum die Eingangsvoraussetzungen aus der Erstausbildung stärker Beachtung finden.
Außerdem erfolgt der Kompetenzerwerb zumeist in einem theoretischen Rahmen ohne situative Bezüge zu konkreten Handlungen, obwohl seit über zehn Jahren gute und in der Fachwelt diskutierte Erfahrungen mit handlungsorientierten Lernsituationen im berufsschulischen Unterricht vorliegen.

Um den Fachkräftebedarf für den zukunftsrelevanten Wirtschaftsbereich der Erneuerbaren Energien zu sichern, sollte die Qualifizierung demnach gezielter, flexibler und stringenter erfolgen. Sie muss sich demnach an den Anforderungen der Facharbeit in den Bereichen der Erneuerbaren Energien orientieren. Hierzu wurden Ausbildungsberufe der Metall- und Elektrotechnik für Handwerk und Industrie ausgewählt, die sich für spezielle Qualifizierungsmaßnahmen eignen. Anhand der Erkenntnisse aus Analysen des jeweiligen Handlungsfeldes (Windenergie, Photovoltaik und Solarthermie) werden die Curricula der beruflichen Erstausbildung durch einschlägige Lernsituationen angereichert, um entsprechende Fachkräfte zielgerichtet aus- und weiterzubilden.
Die Zusatzqualifizierung muss also in einem größeren Kontext betrachtet werden: Sie besteht aus einem ersten Teil in der Erstausbildung, indem an den möglichen Stellen des Curriculums die Möglichkeiten zur Einbeziehung Erneuerbarer-Energien-Technologien in den Unterricht wahrgenommen werden. Die Auszubildenden sollen Lernsituationen erfahren, die gezielt auf Erneuerbare Energien und damit verbundener, beruflicher Handlungssituationen zugeschnitten sind. Und sie besteht aus einem zweiten Teil, der für die im ersten Teil so einschlägig vorqualifizierten Teilnehmer als zusätzliche Qualifizierungsmaßnahme angeboten werden soll.

Wichtig ist also, dass erkannt wird, welche beruflichen Arbeitsaufgaben das Handlungsfeld bereithält, um entscheiden zu können, was bereits durch das Ausbildungsberufsbild und was durch die Zusatzqualifizierung abgedeckt werden soll. Auf diese Weise sollen verstärkt Fachkräfte für die Region Süd-Brandenburg und Ost-Sachsen für neue Ausbildungsfelder gewonnen werden.

Literatur

BADER, R./ SCHÄFER, B. (1998): Lernfelder gestalten. Vom komplexen Handlungsfeld zur didaktisch-strukturierten Lernsituation. In: Die berufsbildende Schule, 50, H. 7-8, 229-233.

BUHL, B./ PETERS, N./ BIELENBERG, P. (2009): Potenzialanalyse: „Ausbildung und Arbeit im Bereich der Erneuerbaren Energien“ in Süd-Brandenburg und Ost-Sachsen. Unveröffentlichte Studie im Rahmen des JOBSTARTER-Projekts „Erneuerbare Energien – Neue Ausbildungsfelder für die Zukunft“.

BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (2011): Erneuerbare Energien. Online: http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Energie/Energietraeger/erneuerbare-energien,did=20918.html  (29-06-2011).

HARTMANN, M./ KNORN, M./ WOHLRABE, D. (2009): Outcome orientierte Kompetenzentwicklung bei der Ausbildung in der Zerspanungsmechanik und Mechatronik. In: FENZL, C./ SPÖTTL, G./ HOWE, F./ BECKER, M. (Hrsg.): Berufsarbeit von morgen in gewerblich-technischen Domänen. Forschungsansätze und Ausbildungskonzepte für die berufliche Bildung. Bielefeld, 203-208.

MAYER, S./ HARTMANN, M./ SAWADOGO, E. W. J. (2010): Wie entstehen Lernsituationen für den Berufsschulunterricht? Vortrag im Rahmen des Werkstattgesprächs „Ausbildung heute: Was können Unternehmen für ihre Nachwuchssicherung tun?“ des JOBSTARTER-Projekts „Erneuerbare Energien – Neue Ausbildungsfelder für die Zukunft“. Lauchhammer, 23.11.2010.

SAWADOGO, E. W. J./ MAYER, S./ HARTMANN, M. (2010): Von der Lernsituation zur Zusatzqualifikationen. Vorbereitung von Arbeitsprozessstudien. Vortrag im Rahmen des JOBSTARTER-Projekts „Erneuerbare Energien – Neue Ausbildungsfelder für die Zukunft“, Elsterwerda, 20.4.2010.


Zitieren dieses Beitrages

SAWADOGO, E. W. J. et al. (2011): Flexibilität der Facharbeit und Sicherung erfolgreicher Übergänge durch Lernsituationen und Zusatzqualifikationen im Bereich der Erneuerbaren Energien – am Beispiel des JOBSTARTER-Projekts „Erneuerbare Energien – Neue Ausbil­dungsfelder für die Zukunft“. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 08.1/2, hrsg. v. SCHWENGER, U./ HOWE, F./ VOLLMER, T./ HARTMANN, M./ REICHWEIN, W., 1-14. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft08/sawadogo_etal_ft08-ht2011.pdf (19-11-2011).



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