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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT08 - Elektrotechnik-Informatik & Metalltechnik
Herausgeber: Ulrich Schwenger, Falk Howe, Thomas Vollmer, Martin Hartmann & Wilko Reichwein

Titel:
Kompetenzen und Karrierewege in elektrotechnischen und metalltechnischen Berufen


Anschlussmöglichkeit von Technikerqualifikation an Hochschulstudiengänge im transnationalen Vergleich

Beitrag von Jürgen VOSS (Technikakademie der Stadt Braunschweig und Sprecher des Bundesarbeitskreises Fachschulen für Technik BAK FST)

Abstract

Am 1. November 2007 haben die Technikakademie der Stadt Braunschweig (TAB) und die Glyndŵr Universität in Wrexham/Wales/UK eine Kooperationsvereinbarung getroffen mit dem Ziel, besonders qualifizierten Absolventinnen und Absolventen die Möglichkeit eines verkürzten Studiums zum Bachelor of Engineering (Ordinary Degree ) zu ermöglichen. Dazu wird die Ausbildung zur staatlich geprüften Technikerin/zum staatlich geprüften Techniker in den Fachrichtungen Elektrotechnik und Maschinentechnik sowie neuerdings auch Bautechnik vollständig für das Studium in Wales anerkannt. Die Studiendauer zum Bachelor-Abschluss beträgt dadurch nur ein Jahr. Ziel des Bildungsganges ist, berufliches Handlungswissen und berufliche Handlungsfähigkeit der Facharbeiterausbildung und -tätigkeit fortgeführt über die Technikerausbildung mit akademischer Qualifizierung zu verknüpfen. Weitere Effekte sind das Lernen der englischen Sprache im Alltag sowie das Kennenlernen einer anderen Kultur und den damit verbundenen Alltagsbedingungen. Das Kooperationsabkommen sieht vor, dass alle Technikerschulen oder Technikakademien in Deutschland, die sich der Vereinbarung anschließen, Absolventen entsenden können.

1 Übergangssystem berufliche Bildung-Hochschulbildung in Deutschland

Bislang sind in Deutschland nur formale Übergänge aus der beruflichen Bildung in die akademische Bildung eindeutig durch Abschlüsse mit den entsprechenden Berechtigungen geregelt.

Neben dem bislang „üblichen Weg“ nach der Facharbeiterausbildung den Erwerb der Fachhochschulreife anzuschließen, um dann in ein fachgebundenes Fachhochschulstudium einzutreten, gibt es auch bundesweit Varianten des Zugangs, die ausschließlich über die berufliche Qualifikation erfolgen. Gemeint sind hiermit die Studienberechtigungen für Facharbeiter/innen, Techniker und Meister zum direkten Zugang zu einer Fachhochschule oder Universität. Beispielsweise sei hier auf die Regelung für Niedersachsen aus dem Jahr 2010 verwiesen (KOORDINIERUNGSSTELLE FÜR DIE STUDIENBERATUNG IN NIEDERSACHSEN 2010).

Die Bundesregierung hat im April 2008 (BMBF 2008) die Konzeption für das Lernen im Lebenslauf verabschiedet. Drei Hauptforderungen dieses Konzeptes seien hervorgehoben:

  • die Erleichterung des Zugangs zur Weiterbildung
  • die Verbesserung der Angebote in der Weiterbildung und insbesondere
  • die Steigerung der Durchlässigkeit und Verzahnung der Bildungsbereiche.

Hierbei ist wiederum als herausgehobenes Ziel postuliert, den Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte zu erleichtern und zu verbreitern.

Dies kann nicht nur in formalen Zusammenhängen verstanden werden, sondern muss sich auch inhaltlich verknüpfen lassen. Soll heißen, berufliche Erfahrungen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, oder anders: alle vorher erworbenen Kompetenzen müssen für ein nachfolgendes Studium grundsätzlich anrechenbar sein, so wie es die Bologna-Beschlüsse vorsehen.

1.1 Anrechnung von beruflichen Kenntnissen und Kompetenzen auf ein Studium in Deutschland

Wie oben bereits angeführt, wird mit dem Technikerabschluss ebenso die Zugangsberechtigung zu Fachhochschul- und Hochschulstudiengängen erworben.

Nach Erfahrung des Autors im eigenen Hause haben in den zurückliegenden Jahren höchstens 2 bis 3 Prozent der Absolventen nach dem Technikerabschluss noch ein Studium an einer Fachhochschule oder Universität angeschlossen.

Haupt-Hinderungsgrund für diesen geringen Prozentsatz dürfte in der Tatsache liegen, dass es bislang keine geregelte Anrechnung von vorher in der Berufsausbildung und der Technikerausbildung erworbenen Kenntnissen und nachgewiesenen Leistungen für den Übergang gibt.

Vor dem Hintergrund, nach zwei- oder vierjähriger Technikerausbildung nochmals ein 3,5-jähriges Voll-Studium an einer Fachhochschule oder ein zeitlich noch längeres Studium an einer Universität anschließen zu müssen, stellen die Zeitdauer und die damit verbundenen finanziellen, beruflichen und persönlichen Aspekte und Belastungen ein hohes Hindernis dar.

Davon ausgehend waren Überlegungen, durch berufliche Aus- und Weiterbildung und Erfahrungen erworbene Kenntnisse, speziell auch der Technikerausbildung, auf nachfolgende einschlägige Studiengänge anzurechnen, erste Ansätze und Schritte. Jedoch bleibt zunächst festzustellen, dass Aus- und Weiterbildungen im nicht-akademischen Bereich keinen Erwerb von ECTS-Credits ermöglichen.

Der Autor hat in Gesprächen mit Leitungsverantwortlichen einer Fachhochschule erfahren müssen, dass selbst nach detailliert offen gelegter Dokumentation aller Ausbildungsinhalte keine Bereitschaft zu irgendeiner Anrechnung bestand. Diese Erfahrungen wurden auch in anderen Regionen der Bundesrepublik gewonnen.

Auch die in den Projekten ANKOM-IT (2009) sowie CREDIVOC (2009) kleinstteilig untersuchten Anrechnungsmöglichkeiten haben sich als viel zu aufwendig, schwerfällig und bürokratisch erwiesen.

Nach Kenntnis des Autors sind auf diesem Wege keine vorzeigbaren Ergebnisse zur Anrechnung und damit Erleichterung des Studieneinstiegs erzielt worden. Dies kann offensichtlich nur erreicht werden, wenn deutlich zeiteffiziente Verkürzungen der Regelstudienzeiten eröffnet und zugestanden werden.

1.2 Anrechnung von beruflichen Kenntnissen und Kompetenzen auf ein Studium in Großbritannien/Wales

Vor dem soeben beschriebenen Hintergrund konnte über die Kooperation mit einer Universität in Wales, der Glyndŵr University Wrexham/Wales/UK, das Hauptziel der effektiven Zeitverkürzung zum Erreichen eines Bachelor-Abschlusses auf den Weg gebracht werden. Abbildung 1 zeigt die Web-Site, mit der in Braunschweig dieser Karriereweg beworben wird.

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Abb. 1:   Weiterqualifizierung von Staatlich geprüfeten Technikerinnen und Technikern zum Bachelor

In Großbritannien ist durch ein definiertes System die Anrechnung von Vorkenntnissen (APL - Accreditation of Prior Learning 2004) auf ein Hochschulstudium transparent und eindeutig geregelt. Feinheiten der Anerkennung von Vorwissen und Vorleistungen aus anderen Bildungsgängen liegt in der Zuständigkeit der Kooperationspartner.

Über den Austausch und Abgleich der Techniker-Rahmenlehrpläne, des schulischen Curriculums, der Prüfungsanforderungen sowie der Projektarbeitsbedingungen wurden alle Vorleistungen des Technikerabschlusses seitens der Glyndŵr Universität mit 90 ECTS-Credits auf ein Studium zum Bachelor of Engineering (Ordinary Degree) angerechnet, so dass nur noch 90 ECTS-Credits im Rahmen eines einjährigen Studiums in Wales zu erwerben sind.

Die Kooperation wurde im November 2007 zwischen der Glyndŵr Universität Wrexham und der Technikakademie der Stadt Braunschweig abgeschlossen. Dabei war von vornherein auch beabsichtigt, anderen Technikerschulen im Bundesgebiet die Teilnahme an dieser Kooperation zu ermöglichen.

Die Übergangsquote vom Technikerabschluss in ein Studium konnte für die Technikakademie Braunschweig auf mittlerweile ca. 10% gesteigert werden.

2 Rahmenbedingen für das Studium in Wrexham/Wales

Als Rahmenbedingungen wurden folgende Vereinbarungen getroffen:

Die Glyndŵr Universität Wrexham rechnet die Technikerausbildung mit 90 ECTS-Credits an. Im Rahmen des Studiums werden nochmals 90 ECTS-Credits erworben, um die Mindest-Credit-Zahl von 180 ECTS-Credits für einen Bachelor-Abschluss zu erreichen. Die Glyndŵr Universität vermittelt Studieninhalte des 4., 5. und 6. Semesters in den vereinbarten Fachrichtungen Electrical/Electronical, Mechanical/Aeronautical/Automotive Engineering sowie Building Studies. Als Abschlussgrad wird der Bachelor of Engineering (Ordinary Degree) verliehen.

Die Technikakademie der Stadt Braunschweig ist als „Center of Excellence“ für die Auswahl der Studierenden in Braunschweig und den mit kooperierenden Technikakademien bzw. Technikerschulen zuständig. Alle Studienbewerber müssen ein Sprachzertifikat auf dem Niveau Level C1 erwerben. Ebenso sind Zusatzkenntnisse in höherer Mathematik nachzuweisen. Derzeit sind insgesamt 24 Fachschulen für Technik bundesweit Teilnehmer am Kooperationsprojekt mit Wrexham.

2.1 Teilnehmerzahlen des Studienprojektes

Die Resonanz auf dieses Angebot war – wie erwartet – hoch. Der erste Studienjahrgang begann im Oktober 2008 mit dem Studium. Das Projekt ist zunächst mit 3 Studienjahrgängen vereinbart worden.

Nachfolgend hierzu einige Daten:

1.      Studienjahrgang 2008/2009: 32 Studenten, Abschlussquote 100%

2.      Studienjahrgang 2008/2009: 42 Studenten, Abschlussquote 100%

3.      Studienjahrgang 2009/2010: 140 Studenten, Abschlussquote noch nicht bekannt.

2.2 Übergreifende Ziele des Studienprojektes

Die Attraktivität des Studienganges macht sich neben der kurzen Zeitdauer natürlich auch an der Tatsache fest, dass damit die Sprachpraxis in Englisch vertieft werden kann.

Das Kennenlernen anderer kultureller und sozialer Gegebenheiten sowie der Alltagsbedingungen einerseits und die interkulturelle Erfahrungen durch Kontakte zu Studenten anderer Nationalitäten andererseits, waren für alle Studenten ein wichtiger Erfahrungsschatz im Kontext des Studiums.

Ebenso die Tatsache, Studienanforderungen zu erfüllen, deren inhaltliche Herausforderungen um Einiges über denen der Technikerausbildung lagen – und dies noch in einer Fremdsprache – waren für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine sehr wertvolle Erfahrung.

Die Erhöhung von persönlicher Mobilität und Flexibilität ist damit untrennbar verbunden.

2.3 Akzeptanz des Abschlusses bei Abnehmern

Die Akzeptanz der Absolventen in der Wirtschaft ist gegeben. Dem Autor sind etliche Absolventen bekannt, die u. a. bei namhaften Großfirmen in der Region Braunschweig aber auch bundesweit als Bachelor eingestellt und dort tätig sind. Sicherlich liegt die zusätzliche Attraktivität dieser Absolventen für einstellende Unternehmen in ihren Zusatzkenntnissen und Erfahrungen wie der guten Beherrschung der englischen Sprache, der erworbenen interkulturellen Erfahrung sowie der gezeigten Mobilität und Flexibilität, nämlich das Wagnis eines Auslandsstudiums auf sich zu nehmen.

3 Fazit

Festzustellen ist: Dieses Projekt gewährt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Realität das, was z. B. in der oben beschriebenen Konzeption zum Lernen im Lebenslauf postuliert wurde. Dabei verwirklicht es, von beruflicher Aus- und Weiterbildung ausgehend, Durchlässigkeit und, Abschlussfähigkeit. Es gibt somit die Möglichkeit, Ergebnisse lebensbegleitenden Lernens im persönlichen Werdegang erfahren zu können.

Bologna wird damit ein kleines Stück weit Realität. Bleibt nur zu hoffen, dass sich der beschriebene Weg auch in Deutschland in naher Zukunft beschreiten lässt.

Literatur

ANKOM-IT (2009): ANrechnung von KOMpetenzen aus der IT-Weiterbildung. Online: https://www.tu-braunschweig.de/isw/forschung/abgeschlosseneprojekte/ankomit  (26-10-2011).

APL (2004): Guidelines on the accreditation of prior learning. Online:  http://www.qaa.ac.uk/Publications/InformationAndGuidance/Documents/APL.pdf  (26-10-2011).

BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG - BMBF (2008): Lernen im Lebenslauf. Online: http://www.bmbf.de/de/lebenslangeslernen.php  (26-10-2011).

CREDIVOC (2009): Transparency and Mobility through Accreditation of Vocational Learning Outcomes. Online: http://www.credivoc.eu  (30-09-2011).

KOORDINIERUNGSSTELLE FÜR DIE STUDIENBERATUNG IN NIEDERSACHSEN (2010): Studieren ohne Abitur. Online: http://www.studieren-in-niedersachsen.de/ohne-abitur.htm#1  (26-10-2011).

NIEDERSÄCHSICHES HOCHSCHULGESETZ – NHG (2011): Online: http://www.schure.de/change/22210/11gvbl,14,202.htm#art1  (26-10-2011).


Zitieren dieses Beitrages

VOSS, J. (2011): Anschlussmöglichkeit von Technikerqualifikation an Hochschulstudiengänge im transnationalen Vergleich. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 08.1/2, hrsg. v. SCHWENGER, U./ HOWE, F./ VOLLMER, T./ HARTMANN, M./ REICHWEIN, W., 1-6. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft08/voss_ft08-ht2011.pdf (19-11-2011).



Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

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