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bwp@ Ausgabe Nr. 16 | Juni 2009
Selbstverständnis der Disziplin
Berufs- und Wirtschaftspädagogik
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 16 sind Karin Büchter, Jens Klusmeyer & Martin Kipp


Editorial bwp@ 16

Editorial von Karin BÜCHTER (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg), Jens KLUSMEYER (Universität Kassel) & Martin KIPP (Universität Hamburg)

1          Vorbemerkungen

Krisenlamenti und Identitätsprobleme der Berufs- und Wirtschaftspädagogik sind genauso alt wie die Disziplin selber. Das mag damit zu tun haben, dass die Disziplin aus der Berufsbildungspraxis heraus entstanden ist und sich von dieser immer wieder nährt – anstatt sich selber als Antreiber und Impulsgeber ihres eigenen praktischen, politischen und wissenschaftlichen Kontextes zu begreifen. Auslöser für die Aufnahme der Auseinandersetzung um das Selbstverständnis der Berufs- und Wirtschaftspädagogik sind in systemtheoretischer Perspektive häufig veränderte Umweltbedingungen, an denen sich die Disziplin orientiert und an denen sich die Identitätsfrage häufig entzündet, welche dann Unsicherheiten bzw. Krisensymptome im Binnenverhältnis auslösen. Zudem handelt es sich bei ihrem eigentlichen Objektbereich, der beruflichen Bildung, um ein äußerst heterogenes, dynamisches Feld mit komplexen Systembezügen, das immer wieder neue Aufgaben stellt. Außenorientierung und Anpassungsdruck statt Besinnung auf das „Einheimische“, Zerstreutheit statt Konzentration haben in den letzten Jahren immer wieder das Selbstverständnis der Berufs- und Wirtschaftspädagogik, die disziplinäre Identität mehr oder weniger explizit in ein kritisches Licht gerückt.

Die aktuellen Fragen und Befürchtungen einer Konturlosigkeit und einer Krise der Berufs- und Wirtschaftspädagogik sind vorschnell und berechtigt zugleich, d. h. sie bedürfen einer intensiven Diskussion: Mit welch einem Selbstverständnis greift die Berufs- und Wirtschaftspädagogik die aktuelle Wirtschafts- und Gesellschaftskrise auf? In welch einem Verhältnis stehen die neuen Begriffe wie Employability und Kompetenz zu den bislang für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik identitätsbildenden Kategorien Arbeit, Beruf und Bildung? Hat die Berufs- und Wirtschaftspädagogik eine eigene Theorie – eine Berufsbildungstheorie? Auf welchen theoretischen, philosophischen und methodologischen Grundannahmen fußt diese? Mit welch einem wissenschaftstheoretischen und methodologischen Verständnis grenzt sich die Disziplin nach außen hin ab? Was unterscheidet sie von der außeruniversitären Berufsbildungsforschung? Ist es überhaupt noch berechtigt, von Berufs- und Wirtschaftspädagogik zu sprechen? Ist das, was an Universitäten unter dem Rubrum Berufs- und Wirtschaftspädagogik geschieht, inzwischen nicht mehr oder anderes als Gewerbelehrer- und Handelslehrerbildung? Müsste nicht angesichts neuer Fachrichtungen, z. B. Gesundheit und Pflege, der polyvalenten Ausrichtung von Studiengängen und der quantitativen Bedeutung außerschulischer und betrieblicher Lernorte, der gesellschaftlichen und subjektiven Bedeutung von beruflicher Bildung im Kontext des lebenslangen Lernens eine Erweiterung des Begriffs durchgesetzt werden, etwa in Richtung Berufsbildungswissenschaft?

Unsere Frage, die sich vor diesem Hintergrund solcher Konfrontationen stellte, war, mit welch einem Selbstverständnis könnte nun die Berufs- und Wirtschaftspädagogik ihre Wissenschaft betreiben, ohne dass sie dabei durch äußere Erwartungen und Entwicklungen irritiert und abgelenkt wird. Dabei sind wir davon ausgegangen, dass Wissenschaft stets auf zweierlei Betrachtungsebenen angewiesen ist. Zum einen sind die disziplinären Untersuchungsgegenstände zu bearbeiten und zum anderen ist disziplinäre Selbstreflexion zu betreiben, um sich der eigenen Erkenntnisprozesse und Selbstentwürfe, ihrer disziplinären Verankerung und ihrer institutionellen Entwicklung bewusst zu bleiben. Wissenschaftsforschung, die die Wissenschaft und ihre Institutionen zum Gegenstand hat – so hatten wir vorausgeschickt – lässt sich einerseits als Wissenschaftstheorie bzw. -philosophie und andererseits als Wissenschaftssoziologie sowie in der jeweiligen historischen Perspektive als Wissenschaftsgeschichte betreiben. Damit wollten wir zwei Perspektiven der Wissenschaftsforschung gegenübergestellt, ein wissenschaftstheoretischer sowie ideengeschichtlicher Zugang einerseits und ein empirisch-sozialwissenschaftlicher sowie sozialgeschichtlicher Zugriff andererseits, um darauf hinzuweisen, dass sich in der Erforschung der Berufs- und Wirtschaftspädagogik als wissenschaftliche Disziplin für diese Zugänge deutliche Defizite lokalisieren lassen. In der Vergangenheit hat es nur vereinzelt, wenig systematisch und nicht kontinuierlich Ansätze gegeben, diese Defizite zu beheben. Stattdessen wird eine Verflachung des Problembewusstseins in der Disziplin schon seit vielen Jahren bemängelt.

Nun haben wir mit dieser Ausgabe von bwp@ gehofft, Beiträge zu versammeln, die sich mit der historischen Entwicklung der Disziplin und ihrem Selbstverständnis, wissenschaftstheoretischen und methodologischen Grundlegungen, ihren theoretischen und empirischen Gegenständen und Schwerpunkten, ihrer Einbindung in die Erziehungswissenschaft und ihrem Verhältnis zu Nachbardisziplinen, ihrem Verhältnis zur außeruniversitären Berufsbildungsforschung sowie ihrer Zukunft auseinandersetzen.

Die Ausbeute war längst nicht so groß wie erwartet. Zudem mussten wir einige Beiträge ablehnen, weil sie thematisch nicht passten, andere wurden von den Autoren wieder zurück genommen, weil der Termindruck zu groß war. Dennoch haben wir einige Autorinnen und Autoren gewinnen können, die sich mit dem thematischen Schwerpunkt der Ausgabe befasst haben.

2          Struktur und Inhalt der Ausgabe

Bei Betrachtung der aufgenommenen Beiträge fällt auf, dass begriffstheoretische und objektbezogene Analysen überwiegen, die mit je eigener Schwerpunktsetzung Aspekte eines disziplinspezifischen Selbstverständnisses aufnehmen und „neu“ formulieren. Dass hierbei kaum auf Traditionslinien der Disziplin zurückgegriffen wurde, ist aus Sicht der Herausgeber bedauerlich, bietet doch gerade ein historiografischer Forschungszugang die Möglichkeit, Wandlungen und Konstanten im Selbstverständnis der Disziplin zu erkennen. Ebenso spärlich liegen empirisch-sozialwissenschaftliche Abhandlungen in dieser Ausgabe vor, die sich der Wirklichkeit der wissenschaftlichen Berufs- und Wirtschaftspädagogik in der Produktion und Verwertung ihres Wissens angenommen haben. Befunde zur empirischen Vermessung der disziplinären Input-, Prozess- und Outputleistungen bleiben ein Forschungsdesiderat. Mit dem vorliegenden Profil reiht sich die aktuelle Ausgabe der bwp@ in der Tradition der dominierenden Selbstreflexionspraxis der Disziplin sowie der Allgemeinen Pädagogik ein. Wir haben die verschiedenen Aufsätze drei Teilen zuordnen können.

Teil 1: Grundsatzfragen: Krisen, Selbstverständnis und Verantwortung der Berufs- und Wirtschaftspädagogik

Bruno Schurer wirft in seinem Beitrag die Frage nach der Relevanz und Verantwortung von Wirtschaftspädagogik vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise auf: Welche Konsequenzen ergeben sich aus den Veränderungen im Umfeld der Wirtschaftspädagogik für die Artikulation und Wahrnehmung ihrer Wissenschaftsaufgabe und für das Selbstverständnis der Disziplin? Die Bedeutung dieser Frage ergebe sich besonders daraus, dass die Ursachen und Behebungsmöglichkeiten der mit der aktuellen Wirtschaftskrise einhergehenden Probleme weitgehend auf der Ebene abstrakter Systeme und Institutionen gesucht würden. Die (Wirtschafts-)Pädagogik als diejenige Instanz, die sich mit dem Individuum und seiner Erziehung befasst, komme im Inventar der Krisenmanager so gut wie nicht vor. Das Fazit des Beitrags verweist auf Erziehung zum Aufbau moralischen, autonomen und solidarischen Denkens und Handels in einer (Wirtschafts-)Gesellschaft als Aufgabe der Wirtschaftspädagogik.

Im Mittelpunkt des Beitrags von Ingrid Lisop steht die Frage nach der Identität der Berufs- und Wirtschaftspädagogik als erziehungswissenschaftliche Teildisziplin. Unter Hinweis auf die Traditionslinie und Kontinuität der „Selbstkritik“ und „Krisenanfälligkeit“, übrigens nicht nur der Berufs- und Wirtschaftspädagogik, sondern der Erziehungswissenschaft insgesamt, fokussiert Lisop auf die Bedeutung von spezifischen disziplinären Betrachtungsgegenständen (Objektfeldern) als Ursache für Dynamiken und Unsicherheiten innerhalb einer Disziplin und gelangt zu der These: „Je stärker ein Praxisfeld Objekt […] ist, desto niedriger sind die Hürden nicht nur seiner politischen Vereinnahmung, sondern auch die der zugeordneten Disziplin“. Diese These wird auf der Basis der Rekonstruktion der Rezeption der Begriffe Kompetenz und Employability in den berufs- und wirtschaftspädagogischen Sprachgebrauch belegt. Dabei wird deutlich, an welchen Punkten die Linie durchaus vorhandener epistemologischer Klarheit und wissenschaftlicher Produktivität zugunsten von inhaltsleeren Formalismen aufgegeben wird.

Ulrike Buchmann nimmt in ihrem Beitrag die verschiedenen Beiträge und Diskussionen zum Thema „Neue Steuerungsmodelle“ zum Anlass, über das bestehende wie auch über ein möglicherweise notwendiges neues Selbstverständnis derjenigen Disziplin, die sich mit Fragen der Berufsbildung forschend und diskutierend auseinandersetzt – die „Berufsbildungswissenschaft“ – neu nachzudenken. Deutlich werde, dass die gegenwärtigen Auseinandersetzungen mit dem Thema neue Steuerungslogik von Sichtweisen getragen würden, die hinsichtlich ihres Aufklärungspotentials durchaus different einzuschätzen seien. Das Selbstverständnis der „Berufsbildungswissenschaft“ sei zwar zunächst konkret auf die speziellen Kontexte von Erwerbsarbeit gerichtet, daran gelte es allerdings das zugrunde liegende Allgemeine zur Aufklärung zu bringen, um die nachwachsende Generation im Hinblick auf Erwerbsarbeit, öffentliche Arbeit und private Reproduktionsarbeit urteils-, handlungs- und gestaltungsfähig zu machen. Eine in diesem Sinne angelegte Entfaltung des Humanvermögens sei als langfristig anspruchsvolle Aufgabe der Berufsbildungswissenschaft zu begreifen, die auf ein entsprechendes Selbstverständnis der Disziplin angewiesen sei.

In seiner Antrittsvorlesung (Wiederabdruck) vertritt Volker Bank die These von der Disziplinlosigkeit der Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Nach einem guten Jahrhundert ihrer Existenz habe sie immer noch keinen disziplinären Ort gefunden: Mal in die philosophische, mal in die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät integriert, erachten ihre Vertreter sie als eine Teildisziplin der Erziehungswissenschaften. Alles in allem habe man eine abschließende Antwort auf die Frage der disziplinären Stellen bislang vermieden. Gegenwärtig verliere die Berufs- und Wirtschaftspädagogik ihre funktionalen Konstituenten, die bislang rein pragmatisch die systematische Theoriebildung sichergestellt haben. Um seine Annahmen zu belegen, weist der Autor beispielsweise auf die Art der Zugehörigkeit der Berufs- und Wirtschaftspädagogik zur Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, auf die Genese des Kerncurriculums, das Verhältnis von berufs- und wirtschaftspädagogischer Forschung und den Ansprüchen der Deutschen Forschungsgemeinschaft hin.

Tim Unger kritisiert in seinem Beitrag den geringen Stellenwert qualitativer Bildungsforschung innerhalb der Berufs- und Wirtschaftspädagogik und plädiert für eine berufsbildungstheoretische Aufarbeitung der biographieorientierten Bildungsforschung. Die Berufs- und Wirtschaftspädagogik habe sich in der Berufsbildungstheorie bislang allenfalls marginal mit diesen Weiterentwicklungen der qualitativen Bildungsforschung auseinandergesetzt. Mit Blick auf die berufsbildungstheoretische Positionierung der Disziplin könne von einem verpassten Anschluss an die entwickelten Bildungsbegriffe und Forschungsinteressen insbesondere der biografieorientierten Bildungsforschung gesprochen werden. Das Ziel des Beitrages ist es, exemplarisch die Innovationspotenziale der biografieorientierten Bildungsforschung für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik am Beispiel der Auseinandersetzung mit berufsbildungstheoretischen Grundfragen zu entwerfen.

Teil 2: Verhältnisfragen: Interne Verhältnisse, Verhältnis zu den Nachbardisziplinen und Objektbereiche

Ausgehend von der Frage nach dem Verhältnis zwischen Wirtschafts- und Sozialpädagogik fragt Annette Ostendorf nach der aktuellen Bedeutung und Position des „Soziale“ innerhalb wirtschaftspädagogischen Denkens. Der Autorin geht es zunächst darum, die Integration des „Sozialen“ in ausgewählten theoretischen Entwürfen der Wirtschaftspädagogik näher zu rekonstruieren, um die unterschiedlichen Interpretationen in ihren Konsequenzen für das Erkenntnisinteresse und das Selbstverständnis der Wirtschaftspädagogik deutlich zu machen. Aus historischer Perspektive weist sie darauf hin, dass in zeitlichen Abständen immer wieder wissenschaftssystematische Beiträge zum Verhältnis von Wirtschafts- und Sozialpädagogik vorgelegt worden sind. Hieran anschließend setzt sie sich mit den berufsbildungstheoretischen und didaktischen Aspekten des „Sozialen“ in der Wirtschaftspädagogik auseinander. In diesem Zusammenhang werden auch alternative Konzepte des „Sozialen“ dargestellt und auf ihre Bedeutung für das wirtschaftspädagogische Denken hin allgemein und für die Didaktik im Konkreten diskutiert.

Karin Reiber und Marcel Remme untersuchen in ihrem Beitrag wissenschaftstheoretische, bezugswissenschaftliche sowie methodologische Zugänge zur Pflegepädagogik. Hintergrund des Beitrags ist die Frage nach dem Verhältnis von Pflegepädagogik zur Erziehungswissenschaft/Berufspädagogik. Das Ziel dieser Auseinandersetzung besteht darin, Chancen und Entwicklungslinien einer erziehungswissenschaftlichen und berufspädagogischen Verortung der Pflegepädagogik aufzuzeigen. Im ersten Schritt des Beitrags werden Qualifikationsarbeiten, die berufliche Bildungsprozesse in den Pflegeberufen zum Gegenstand haben, als Repräsentation des Fachgebiets Pflegepädagogik analysiert. Im Weiteren werden diese Ergebnisse im Zusammenhang mit unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Konzeptionen der Pflegepädagogik diskutiert. Der Beitrag plädiert für eine systematische berufspädagogische Verortung der Pflegepädagogik. In diesem Sinne werden weiterführende Forschungsperspektiven abgeleitet.

Markus Ammann und Michael Thoma verstehen ihren Beitrag als „eine Art von Dekonstruktion“, d.h. als einen Versuch einer veränderten Perspektive innerhalb der wirtschaftspädagogischen Diskussion. Obwohl der Begriff der Organisation in der wirtschaftspädagogischen Diskussion häufig gebraucht werde und zumindest implizit immer auch eine bestimmte Sichtweise auf Organisation mittransportiert werde, fehle es bislang an expliziten Auseinandersetzungen über das Verständnis von Organisationen im Kontext beruflicher Bildung. Die Berufs- und Wirtschaftspädagogik verfüge noch nicht über einen grundlegenden Organisationsbegriff. Der vorliegende Beitrag skizziert ausgewählte Ansätze der Organisationstheorie betriebswirtschaftlicher Provenienz. Das Ziel der Autoren besteht darin, die Wirtschaftspädagogik für ein mittlerweile verstärkt auch international diskutiertes, postmodernes Organisationsverständnis zu öffnen und aktuelle Forschungslinien von Nachbardisziplinen für wirtschaftspädagogisches Denken fruchtbar zu machen.

Rita Meyer und Uwe Elsholz plädieren in ihrem Beitrag für eine Erweiterung des Gegenstandbereichs der Berufs- und Wirtschaftspädagogik und für eine (Re-)Formulierung eines Theorie- und Forschungsverständnisses, das die berufliche und betriebliche Weiterbildung als Teilbereich der beruflichen Bildung stärker berücksichtigt. In sechs Thesen werden die disziplinären Grenzziehungen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik kritisch beleuchtet, die strukturellen Bedingungen beruflich-betrieblicher Weiterbildung reflektiert sowie eine Erweiterung der methodologischen und methodischen Zugänge andiskutiert. Zentral ist in diesem Beitrag die These, dass die Rezeption disziplinübergreifender, sozialwissenschaftlich orientierter Forschungsansätze zur Entwicklung eines neuen Theorie- und Forschungsverständnisses für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik beitragen kann, das auch der zunehmenden Bedeutung der beruflichen betrieblichen Weiterbildung gerecht würde.

Andreas Diettrich und Matthias Vonken beschreiben in ihrem Beitrag zunächst die Schwierigkeiten, eine Antwort auf die Frage nach dem Selbstverständnis der Berufs- und Wirtschaftspädagogik zu bekommen. Die Autoren konzentrieren sich sodann auf den Aspekt der Forschung als Teilgebiet der Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Mit dem Hinweis auf die unterschiedlichen Lernorte beruflicher Bildung fragen sie nach deren Relevanz innerhalb der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung und gelangen auf der Basis einer inhaltsanalytischen Auswertung einschlägiger Fachzeitschriften und Lehrbücher zu dem Ergebnis, dass trotz der quantitativen Bedeutung des Lernorts Betrieb (Kosten und Lernzeit) der Lernort berufliche Schule nach wie vor im Mittelpunkt berufs- und wirtschaftspädagogischer Forschung stehe. Die Autoren plädieren schließlich für eine Ausweitung betrieblicher Bildungsforschung, deren Chance sie angesichts der Neustrukturierung betrieblicher Bildung angesichts europäischer Einflusse als günstig einschätzen.

Teil 3: Empirische Vermessung der Disziplin: Platzierungen und Positionierungen

In dem Beitrag von Peter Slepcevic und Michaela Stock geht es um die Frage, welche Auswirkungen ein wirtschaftspädagogisches Selbstverständnis eines universitären Standortes auf die forschungsgeleitete Lehre hat. Als Anschauungsobjekt wird hier das neue Masterstudium Wirtschaftspädagogik, welches voraussichtlich ab dem Wintersemester 09/10 am Standort Graz eingeführt werden soll, vorgestellt. In einem ersten Schritt des Beitrags geben Slepcevic/Stock einen kurzen Überblick über das Verständnis der Wirtschaftspädagogik an den vier Hochschulstandorten in Österreich mit besonderer Berücksichtigung der Wirtschaftspädagogik an der Karl-Franzens-Universität Graz. Aufbauend auf diesen Überlegungen werden in einem nächsten Schritt die Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten zwischen den Standorten, aber vor allem die zur deutschen Wirtschaftspädagogik herausgearbeitet.

Jan M. Baumann stellt in seinem Beitrag die Ergebnisse einer empirischen Studie vor, die eine thematische Klassifikation der österreichischen universitären berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschungsdokumentation versucht, um die wissenschaftstheoretischen Bestimmungsversuche in Österreich mit empirischem Gehalt zu unterlegen. Hierfür wurden über 350 Publikationen aus dem Zeitraum 1999 - 2008 hinsichtlich ihrer inhaltlichen Schwerpunktsetzung ausgewertet und kategorisiert. Ziel der Untersuchung war es, die thematische Ausrichtung der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschungspraxis zu bestimmen und der Frage nachzugehen, ob sich das disziplinäre Selbstverständnis der österreichischen Wirtschaftspädagogik von dem der deutschen unterscheidet. Der Autor kommt u.a. zu dem Befund, dass vergleichende Fragen zur Disziplin viel mehr entlang thematischer Vorlieben ihrer Protagonisten, an lebendigen Schulen, als an Landesgrenzen orientiert gestellt werden müssten – zumindest was die Disziplin im deutschsprachigen Raum angehe.

 

Bei den Autorinnen und Autoren möchten wir uns recht herzlich bedanken. Sie haben dazu beigetragen, dass die Ausgabe zustande kommen konnte, die sich als ein Angebot für weitere Diskussionen um das Selbstverständnis der Berufs- und Wirtschaftspädagogik versteht. Weitere Beiträge zu dieser Ausgabe sind in Arbeit und werden in Form von updates im Herbst veröffentlicht werden.

Karin Büchter, Jens Klusmeyer und Martin Kipp
im Juni 2009