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bwp@ Ausgabe Nr. 16 | Juni 2009
Selbstverständnis der Disziplin
Berufs- und Wirtschaftspädagogik
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 16 sind Karin Büchter, Jens Klusmeyer & Martin Kipp

Selbstverständnis der Wirtschaftspädagogik in Österreich und dessen Auswirkungen auf die Studienplanentwicklung am Standort Graz

Beitrag von Peter SLEPCEVIC & Michaela STOCK (Karl-Franzens-Universität Graz)

Abstract

Ziel dieses Beitrages ist es in einem ersten Schritt einen kurzen Überblick über das Verständnis der Wirtschaftspädagogik an den vier Hochschulstandorten in Österreich mit Fokus auf die Wirtschaftspädagogik an der Karl-Franzens-Universität Graz zu geben. Generell liegt für die wissenschaftliche Berufsvorbildung der WirtschaftspädagogInnen in Österreich eine einphasige Studienstruktur vor, die gleichzeitig ihre große Stärke in einer polyvalenten Ausbildung sieht, welche die LehrerInnenausbildung mit der Qualifizierung für unternehmerische und pädagogische Berufsfelder verknüpft. Ebenso wird in der wissenschaftlichen Berufsvorbildung generell dem Intergrationskonzept der Vorzug vor dem Phasenkonzept gegeben.

Aufbauend auf diesen Überlegungen werden in einem nächsten Schritt die Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten zwischen den Standorten, aber vor allem die zur deutschen Bildungslandschaft herausgearbeitet. Die strategische Grundausrichtung der Lehrstühle in Österreich ist grob vereinfacht zweigeteilt. Die wirtschaftspädagogischen Studien in Österreich werden einerseits unter dem Aspekt der Betriebswirtschaftslehre (Wien und Graz) und andererseits aus der Tradition der Erziehungswissenschaft (Innsbruck und Linz) gesehen. Abschließend stellt sich im vorliegenden Beitrag die Frage, welche Auswirkungen dieses Selbstverständnis auf die forschungsgeleitete Lehre hat. Als Anschauungsobjekt wird hier das neue Masterstudium Wirtschaftspädagogik, welches voraussichtlich ab dem Wintersemester 09/10 am Standort Graz eingeführt werden soll, vorgestellt.


The self-conception of the pedagogy of vocational education and training and business studies in Austria and its consequences for the development of study plans

The aim of this paper is, in an initial step, to give a brief overview of the understanding of the pedagogy of vocational education and training and business studies at the four higher education institutions (HEIs) in Austria, with a focus on pedagogy of vocational education and training at the Karl-Franzens University in Graz. In general there is a one-phase study structure for the academic and vocational preparation of students of the pedagogy of vocational education and training and business studies, which simultaneously sees its great strength in a polyvalent education, which combines teacher training with a qualification for occupation fields in business and pedagogical fields. Likewise, in the academic professional preparation generally the integration concept is preferred to the concept of phases. Building on these reflections, the next step outlines the differences and similarities between the HEIs, but above all the differences and similarities with the German educational landscape. The strategic basic orientation of the chairs in Austria is divided into two, an over-simplification of course. Courses in vocational education and training and business studies in Austria are seen, on the one hand, under the aspect of business studies (Vienna and Graz) and, on the other, from the tradition of educational studies (Innsbruck and Linz). Finally, this paper asks the question of which consequences this self-conception has on research-led teaching. The paper uses as an illustration the new Masters’ course in the pedagogy of vocational education and training and business studies, which is scheduled to be introduced in Graz from the Winter Term of 2009/2010.

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1 Einleitung

Ziel dieses Beitrages ist es in einem ersten Schritt einen kurzen Überblick über das Verständnis der Wirtschaftspädagogik an den vier Hochschulstandorten in Österreich mit Fokus auf die Wirtschaftspädagogik an der Karl-Franzens-Universität Graz zu geben.
Generell liegt für die wissenschaftliche Berufsvorbildung der WirtschaftspädagogInnen in Österreich eine einphasige Studienstruktur vor, die gleichzeitig ihre große Stärke in einer polyvalenten Ausbildung sieht, welche die LehrerInnenausbildung mit der Qualifizierung für unternehmerische und pädagogische Berufsfelder verknüpft. Ebenso wird in der wissenschaftlichen Berufsvorbildung generell dem Intergrationskonzept der Vorzug vor dem Phasenkonzept gegeben.
Aufbauend auf diesen Überlegungen werden in einem nächsten Schritt die Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten zwischen den Standorten, aber vor allem die zur deutschen Bildungslandschaft herausgearbeitet. Die strategische Grundausrichtung der Lehrstühle in Österreich ist grob vereinfacht zweigeteilt. Die wirtschaftspädagogischen Studien in Österreich werden einerseits unter dem Aspekt der Betriebswirtschaftslehre (Wien und Graz) und andererseits aus der Tradition der Erziehungswissenschaft (Innsbruck und Linz) gesehen.
Abschließend stellt sich im vorliegenden Beitrag die Frage, welche Auswirkungen dieses Selbstverständnis auf die forschungsgeleitete Lehre hat. Als Anschauungsobjekt wird hier das neue Masterstudium Wirtschaftspädagogik, welches voraussichtlich ab dem Wintersemester 2009/10 am Standort Graz eingeführt werden soll, vorgestellt.

2 Wirtschaftspädagogik in Österreich – Darstellung eines möglichen Selbstverständnisses der Disziplin

Zu Beginn der Auseinandersetzung mit der Darstellung eines möglichen Selbstverständnisses der Disziplin Wirtschaftspädagogik in Österreich gilt es, einige zentrale Aspekte zur österreichischen beruflichen Bildung bzw. zur LehrerInnenbildung für LehrerInnen an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen zu klären, da diese einen wesentlichen Unterschied zwischen Österreich und Deutschland darstellen.
Die berufliche Bildung im Sekundarbereich hat in Österreich, ebenso wie in Deutschland, einen sehr hohen Stellenwert (vgl. AFF 2006, 125ff.), wobei aber die vollzeitschulischen Varianten in Österreich eine wesentlich höhere Bedeutung als in Deutschland spielen. So entscheiden sich in Österreich rund 80 % der Jugendlichen, die den Sekundarbereich wählen, für die berufliche Bildung und nur rund 20 % für die Oberstufe einer AHS (allgemein bildende höhere Schule). Diese 80 % verteilen sich in etwa 1:1 auf das duale System und auf berufsbildende mittlere und höhere Schulen. Von diesen SchülerInnen, die eine berufsbildende höhere Schule in Österreich besuchen, entscheiden sich mehr als 50 % für eine wirtschaftlich ausgerichtete berufsbildende höhere Schule (vorwiegend sind dies kaufmännische und humanberufliche Schulen sowie Tourismusschulen) und der Rest entscheidet sich mehrheitlich für höhere technische Lehranstalten. All diese berufsbildenden höheren Vollzeitschulen mit einer Dauer von fünf Jahren schließen sowohl mit Matura als auch mit einer Berufsqualifikation ab (STATISTIK AUSTRIA 2009, 138ff.).
Die kaufmännischen Fächer an den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen werden in der Regel von WirtschaftspädagogInnen unterrichtet. Ein großer Unterschied zwischen Österreich und Deutschland besteht in diesem Kontext auch darin, dass das Studium der Wirtschaftspädagogik nicht kombinationspflichtig bzw. -fähig ist und dass es einphasig konzipiert ist, d. h. österreichische Wirtschaftspädagogik-AbsolventInnen absolvieren kein Referendariat nach Abschluss ihres Studiums, da ein wissenschaftlich begleitetes Schulpraktikum im Studium verankert ist. Grundsätzlich müssen die AbsolventInnen aber nach Abschluss ihres Studiums mindestens zwei Jahre in einem wirtschaftlichen Beruf (auf AkademikerInnenniveau) arbeiten, um an einer Schule unterrichten zu dürfen. Weiters unterrichten österreichische Wirtschaftspädagogik-AbsolventInnen fast ausschließlich an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen mit wirtschaftlicher Ausrichtung (vgl. AFF 2007, 2f.).


2.1    Entwicklung und Status Quo der österreichischen Wirtschaftspädagogik

In der bwp@ Spezial 3 – Österreich Spezial Berufs- und Wirtschaftspädagogik in Österreich. Oder: Wer „macht“ die berufliche Bildung in AT? wird von AFF et al. ein guter Überblick zur geschichtlichen Entwicklung der österreichischen Wirtschaftspädagogik gegeben. (vgl. AFF et al. 2008, 7ff.). Wie auch in Deutschland hat sich die österreichische Wirtschaftspädagogik aus der Wirtschaftsschulpädagogik heraus entwickelt. Mit der Geschichte der österreichischen Wirtschaftspädagogik ist ein Name untrennbar verbunden: HANS KRASENSKY. 1935 wurde von KRASENSKY die Wirtschaftspädagogik aus dem Objekt der Betriebswirtschaftslehre heraus entwickelt und ein Schlüsselwerk zur österreichischen Wirtschaftspädagogik Grundzüge der Wirtschaftspädagogik von ihm veröffentlicht. Die Wirtschaftspädagogik wurde hier als Anwendung der Sozialpädagogik (im Besonderen der Sozialwissenschaften) verstanden (vgl. KRASENSKY 1962, 15) und in der Schnittfläche zwischen Betriebswirtschaftlehre und Erziehungswissenschaft verortet. Die österreichische Wirtschaftspädagogik hat von Beginn an eine enge Verknüpfung mit der Betriebswirtschaft, nicht zuletzt da der erste Lehrstuhl 1951 mit KRASENSKY auch an der Hochschule für Welthandel in Wien (heutige Wirtschaftsuniversität Wien) besetzt wurde und KRASENSKY parallel noch das Institut für Bankbetriebslehre an dieser Hochschule betreute.
Die große Hochschulreform Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts stellt für die Wirtschaftspädagogik in Österreich einen hochschulpolitischen Meilenstein dar. Am 15.07.1966 wurde vom österreichischen Nationalrat ein Gesetz über die Neuordnung der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Studienrichtungen verabschiedet, welches erstmals eine eigenständige wirtschaftspädagogische Studienrichtung mit einer Mindeststudiendauer von (damals) acht Semestern vorsah. Diese neue Studienrichtung wurde zuerst an der heutigen Wirtschaftsuniversität Wien eingeführt. Der Schwerpunkt in Wien lag bei der Einführung des Studiums auf den Bereichen Fachdidaktik, allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Rücksichtnahme auf schulische Inhalte und Praxisorientierung im Sinne eines Aufbaus von Verhaltenssicherheit auf Basis theoriegleiteter Konzepte. (vgl. AFF et al. 2008, 9f.). Nach der Einrichtung einer eigenen Studienrichtung Wirtschaftspädagogik am Standort Wien folgte Linz. Am Standort Linz wurde das Studium der Wirtschaftspädagogik (damals an der Linzer Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften) mit Beginn des Wintersemesters 1970/71 eingerichtet, wobei erst 1974 eine eigene Lehrkanzel für Pädagogik, insbesondere Wirtschaftspädagogik folgte (vgl. CZYCHOLL 1983, 131). 1978/79 wurde in Innsbruck das Studium der Wirtschaftspädagogik implementiert und das Grundprinzip kann „schlagwortartig in dem Begriff `Praxisorientierung´ zusammengefaßt werden“ (LASKE/ SCHNEIDER 1983, 243). Für diese Praxis wurde an dem im Jahr 1980 eingerichteten Lehrstuhl in Innsbruck davon ausgegangen, dass zwar der überwiegende Teil der Studierenden das Studium mit dem Ziel verfolgt, später als LehrerIn zu arbeiten, dass dies aber nicht zur Folge haben darf, dass „die Wirtschaftspädagogik-Ausbildung als Einbahnstraße hin zur Schule konzipiert wird“ (LASKE/ SCHNEIDER 1983, 245). Am Standort Graz wurde im Jahr 1979 das Institut für Wirtschaftspädagogik an der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät gegründet bzw. der Lehrstuhl eingerichtet und gleichzeitig erfolgte im Studienjahr 1979/80 die Einführung des Studiums der Wirtschaftspädagogik (vgl. MANDL 1983, 195). Das Studium in Graz war von Beginn an eng mit der Betriebswirtschaft verwoben und hatte eine klare Ausrichtung in Form von „wissenschaftliche Berufsvorbildung für das Lehramt an berufsbildenden mittleren und Höheren Schulen“ (STPL Graz 1979, § 1).
In der nachfolgenden Tabelle findet sich eine Übersicht über die LehrstuhlinhaberInnen, die für die wirtschaftspädagogischen Studienrichtungen an den vier Standorten in Österreich zuständig waren bzw. sind. An der Universität Linz gibt es seit 2007 mit dem einen Lehrstuhl zwei Abteilungen und an der Universität Graz ist der Lehrstuhl derzeit unbesetzt, da Dieter Mandl Ende September 2008 emeritiert ist.

 


Die Bedeutung der Studienrichtung Wirtschaftspädagogik in Österreich ist nicht zuletzt auch durch den nahezu flächendeckenden Ausbau der vollzeitschulischen berufsbildenden mittleren und höheren Schulen in Österreich in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts bestimmt. Mit diesem hoch differenzierten berufsbildenden Schulwesen war und ist auch heute ein hoher Bedarf an entsprechend wissenschaftlich vorgebildeten LehrerInnen gegeben.
Werden die Schwerpunktsetzungen der Wirtschaftspädagogik an den einzelnen Standorten in Österreich betrachtet, so lässt sich folgendes festhalten:
In Wien ist der hohe Stellenwert, der der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Ausbildung beigemessen wird, beibehalten worden, auch mit dem Ziel den AbsolventInnen „attraktive Beschäftigungsfelder in vielen Feldern der Wirtschaft, und zwar weit über das Segment der betrieblichen Weiterbildung hinaus“ (AFF et al. 2008, 10) zu eröffnen. Das Institut selbst ist dem Department Management zugeordnet, in diesem finden sich die verhaltenswissenschaftlich orientierten betriebswirtschaftlichen Lehrstühle der Wirtschaftsuniversität Wien wieder. Eine ähnliche Richtung verfolgte und verfolgt das Studium der Wirtschaftspädagogik am Standort Graz – der Fokus lag und liegt auf der Fachwissenschaft Betriebswirtschaft und der Fachdidaktik und -methodik. Ab dem Studienjahr 2009/10 wird, im Unterschied zu Wien, der Bereich der Betriebspädagogik aber noch stärker als bisher ausgebaut. Die strategische Ausrichtung am Standort Linz unterscheidet sich durchaus von der in Wien und Graz. Dies zeigt sich bereits bei der Gründung, bei der die Wirtschaftspädagogik als Abteilung des Instituts für Pädagogik und Psychologie eingerichtet wurde. Generell wird hier eine stärkere erziehungswissenschaftliche Orientierung vertreten, wie sie vergleichsweise auch in Deutschland vielerorts vorherrscht. Die fachdidaktische Ausbildung wurde in den letzten Jahren verstärkt wahrgenommen, gleichzeitig die Berufs- und Betriebspädagogik aber als eigene Abteilung etabliert (vgl. AFF et al. 2008, 10). In Innsbruck ergab sich die Situation, dass LASKE nicht nur den neu gegründeten Lehrstuhl Wirtschaftspädagogik, sondern auch jenen für Personalwirtschaft innehatte. Die damit verbundene inhaltliche Ausrichtung zeigt sich auch in der jetzigen Struktur, da hier der Bereich Wirtschaftspädagogik und Evaluationsforschung dem Institut für Organisation und Lernen zugeordnet ist (vgl. AFF et al. 2008, 11 und 32).
2.2    Besonderheiten der Wirtschaftspädagogik in Österreich
Es gilt für den vorliegenden Beitrag nicht, eine Weltformel für das Verständnis der Disziplin Wirtschaftspädagogik zu finden; vielmehr gilt es, die Breite und das Selbstverständnis der Wirtschaftspädagogik aufzuzeigen und ihre Besonderheiten in Österreich heraus zu arbeiten.
Bezogen auf die Breite kann die Wirtschaftspädagogik in einer engen Begriffsdefinition verstanden werden und dabei auf die Ausbildung von WirtschaftspädagogInnen im Sinne von LehrerInnen für die kaufmännischen Unterrichtsfächer reduziert werden. CZYCHOLL bezeichnet dies auch als Reduktion auf die „ Methodik der wirtschaftswissenschaftlichen Fächer“ (CZYCHOLL 1983, 132). Wirtschaftspädagogik kann aber auch weit im Sinne von allen pädagogischen Fragestellungen im wirtschaftlichen Kontext definiert werden. D. h. hinausgehend über die LehrerInnenbildung sind „Fragestellungen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung ebenso wie der facheinschlägigen Erwachsenenbildung und der Betriebspädagogik integriert“ (STOCK et al. 2008, 9). Das weite Begriffsverständnis entspricht aus Sicht der AutorInnen dem Selbstverständnis der österreichischen Wirtschaftspädagogik.
Bezogen auf die Verortung der Disziplin kann die Wirtschaftspädagogik einerseits als Teildisziplin der Erziehungswissenschaften verstanden werden (entsprechend ihrer historischen Wurzeln in Deutschland) und andererseits kann eine Zuordnung zu den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften aufgrund der inhaltlichen Nähe vorgenommen werden (entsprechend der Scientific Community im deutschsprachigen Raum als auch beispielsweise in den Vereinigten Staaten). Im österreichischen Verständnis ist die Wirtschaftspädagogik an allen vier Standorten den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zugeordnet. AFF geht noch einen Schritt weiter und definiert in seinem Beitrag Pädagogik oder Wirtschaftspädagogik? Anmerkungen zum Selbstverständnis der Disziplin Wirtschaftspädagogik als eigenständige wissenschaftliche Disziplin im Sinne einer Integrationswissenschaft (vgl. AFF 2008).
Werden in dieser Diskussion nun aber auch die Besonderheiten der österreichischen Wirtschaftspädagogik betrachtet, so hat das Studium der Wirtschaftspädagogik in Österreich, unabhängig vom Standort und dessen Schwerpunktsetzung, u.a. folgende drei wesentliche Elemente, die das Selbstverständnis der Disziplin in Österreich prägen und es auch ein Stück weit von anderen Sichtweisen unterscheiden:
•    Verständnis der Polyvalenz
•    Integrationskonzept – einphasige Studienstruktur
•    Kombinationspflicht


2.2.1    Verständnis der Polyvalenz


Die Polyvalenz ist ein hoher Attraktor für die wirtschaftspädagogischen Studienrichtungen in Österreich – nicht zuletzt ist sie maßgeblich für die Verwertbarkeit des Studienabschlusses durch die AbsolventInnen verantwortlich. Was bedeutet aber Polyvalenz für die Standorte der Wirtschaftspädagogik in Österreich? Auf diese Frage gibt es zwei Antworten, denn die strategische Grundausrichtung im Bezug auf die Polyvalenz der Standorte Linz und Innsbruck unterscheidet sich wesentlich von der der Standorte Wien und Graz.
Folgt man den Ausführungen der Autoren im Sammelband von SCHNEIDER zur Wirtschaftspädagogik in Österreich (vgl. SCHNEIDER 1983) so gilt nicht zuletzt bis heute (vgl. AFF et al. 2008), dass die Studienprogramme in Wien und Graz einerseits ganz klar auf eine wissenschaftliche Berufsvorbildung für LehrerInnen für die kaufmännischen Fächer ausgerichtet sind und andererseits eine umfassende Verankerung der Betriebswirtschaft zu finden ist. Linz und Innsbruck weisen seit jeher im Gegensatz dazu in ihren Studienprogrammen neben der Fokussierung auf die LehrerInnenbildung eine enge Verbundenheit mit der Erziehungswissenschaft auf.
Entsprechend dieser Ausrichtung wird in Wien und Graz die Polyvalenz als Verbindung von Wirtschaftspädagogik und Betriebswirtschaft verstanden. Dies bedeutet, dass durch eine fachwissenschaftliche und fachdidaktische wissenschaftliche Berufsvorbildung den AbsolventInnen neben dem Berufsfeld einer Lehrerin / eines Lehrers, alle entsprechenden Beschäftigungsfelder in der Wirtschaft weit über den (schulischen wie auch betrieblichen) Bildungsbereich hinaus durch das Studium eröffnet werden. Wirtschaftspädagogik wird so in einem breiten Begriffsverständnis in den Studienplänen umgesetzt und eine starke Verankerung der Betriebswirtschaft ist ebenso offensichtlich.
An den Standorten Innsbruck und Linz wird Polyvalenz als Verbindung von Wirtschaftspädagogik und Erziehungswissenschaft verstanden. Auch an diesen beiden Standorten sind die Curricula auf die LehrerInnenausbildung ausgerichtet, allerdings nicht in dieser starken Ausprägung wie in Wien und Graz. Es erfolgt aber ebenso eine Orientierung auf andere Felder wie beispielsweise Berufsbildungsforschung, betriebliche Aus- und Weiterbildung oder berufliche Erwachsenbildung, d. h. andere pädagogisch aber nichtschulische Arbeitsfelder. Somit stehen erziehungswissenschaftliche und bildungsphilosophische Themenbereiche im Sinne einer deutschen Tradition im Zentrum der Ausrichtung der Studienpläne.


2.2.2    Integrationskonzept – einphasige Studienstruktur


Bereits Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde mit der Hochschulreform in Österreich die LehrerInnenbildung für die kaufmännischen Fächer zur Gänze in den Verantwortungsbereich der Universitäten gelegt. Trotz der bereits oben dargestellten Unterschiedlichkeiten der Ausrichtung der wirtschaftspädagogischen Standorte ist, auch nach Umstellung auf die Bachelor-/Masterstruktur an einzelnen Standorten, die einphasige Studienstruktur, d. h. Integration des verpflichtenden Schulpraktikums in das wirtschaftspädagogische Studium, einheitlich und übereinstimmend realisiert.
Entsprechend der Ausführungen bei z. B. NEUWEG (2007) sind im Kontext der Theorie-Praxis-Diskussion folgende zwei grundlegende Basiskonzepte auszumachen: Einerseits das Integrationskonzept, d. h. Wissen soll in umfassendem Ausmaß handlungssteuernd sein und Handeln soll wissenschaftlich reflektiert werden, sowie andererseits das Phasenkonzept, das dem Differenztheorem in Sinne der Trennung zwischen Buch- und Handlungswissen folgt. Unbeschadet dieser beiden theoretischen Konzepte, die an den Standorten unterschiedlich ausgeprägt anzutreffen sind, wird von allen vier Standorten mit hoher Ambition versucht, die Forderung einzulösen, dass „die Lehrenden selbst können und in ihrer Lehre modellhaft vorleben, was sie an Kompetenzen und Haltungen bei den Studierenden aufbauen wollen“ (AFF et al. 2008, 18).
Die unumstrittene Integration des Schulpraktikums in das Studium der Wirtschaftspädagogik, unerheblich ob Diplomstudium oder Masterstudium, bringt mit sich, dass das Masterstudium der Wirtschaftspädagogik in Österreich nicht vier, sondern fünf Semester umfasst.


2.2.3    Kombinationspflicht


Das Studium der Wirtschaftspädagogik ist in Österreich im Unterschied zu Deutschland nicht kombinationspflichtig bzw. -fähig. Es ist als einphasiges Vollstudium mit polyvalenter Ausrichtung konzipiert. Diese Konzeption macht auch eine Umstellung auf ein mehrgliedriges Studium im Vergleich zu Deutschland eindeutiger. So kann im wirtschaftswissenschaftlichen Bachelorstudium die Durchdringung des Faches sichergestellt werden. Darauf aufbauend ist dann im Masterstudium eine wissenschaftsbasierte wirtschaftspädagogische Auseinandersetzung gewährleistet.
Entgegen den Fragestellungen, die sich in diesem Zusammenhang in Deutschland stellen, muss in Österreich somit nicht diskutiert werden, in welcher Phase des Bachelor- bzw. Masterstudiums eine fundierte Auseinandersetzung mit dem ersten und mit dem zweiten Fach zu erfolgen hat. Die wirtschaftlichen Fächer stellen genügend Tiefe und Breite sowie ausreichende Herausforderung für die Auseinandersetzung der Wirtschaftspädagogik dar.


2.3    Berufsfelder der Wirtschaftspädagogik in Österreich


In den Studienplänen der vier Standorte finden sich sehr ähnliche Beschreibungen für die Berufsfelder der AbsolventInnen der Wirtschaftspädagogik wieder. Dies geht vom Beruf einer Wirtschaftspädagogin / eines Wirtschaftspädagogen als LehrerIn an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen über den Beruf einer Betriebspädagogin / eines Betriebspädagogen bis hin zu Arbeiten in der Erwachsenenbildung sowie in allen Bereichen der öffentlichen und privaten Wirtschaft (vgl. STPL Graz 2009).
Die angeführten Berufsfelder in den einzelnen Studienplänen bieten zwar interessante Einblicke in das eigene Professionsverständnis, wirklich aussagekräftig sind hingegen nur Untersuchungen über die wirklichen Karriereverläufe der AbsolventInnen der Wirtschaftspädagogik in Österreich. Hier liegen leider nur Ergebnisse aus einer Wiener (AbsolventInnen im Zeitraum 1998 bis 2002) und aus einer Grazer Studie (AbsolventInnen im Zeitraum 1987 bis 2004) vor. Insbesondere die Studie an der Universität Graz bietet durch den umfassenden Erhebungszeitraum und die hohe Rücklaufquote (über 70 %) sehr aussagekräftige Ergebnisse.
Werden die Ergebnisse der Untersuchungen in Wien und Graz gegenübergestellt, so zeigt die Wiener Studie, dass 50,5% der befragten AbsolventInnen in der Wirtschaft und 49,5% im Lehrberuf tätig sind. Für den entsprechenden Zeitraum zeigen die Grazer Ergebnisse, dass ein deutlicher Überhang (64 %) der AbsolventInnen von Graz in der Wirtschaft tätig sind. Wie in der folgenden Abbildung ganz rechts dargestellt, sind auf den gesamten Erhebungszeitraum in der Grazer Studie bezogen (1987 bis 2004) nach wie vor noch immer mehr als 50 % der AbsolventInnen in der Wirtschaft tätig.

Werden die beiden großen Gruppen LehrerInnen und Wirtschaft (Nicht-LehrerInnen) einer detaillierten Analyse unterzogen, so zeigt sich, dass der Bereich Rechnungswesen und Controlling mit 27,7% an der Spitze der Berufsfelder außerhalb des Lehrberufes liegt, gefolgt von den Bereichen Technik und Verwaltung mit 14,6% sowie Personal und Unternehmensberatung mit 14,1%. Danach folgen die Bereiche Handel und Marketing mit 11,2%, gefolgt von Erwachsenenbildung mit 10,2% und Finanzberufe auch mit 10,2%. Es gilt zu vermuten, dass der hohe Anteil der AbsolventInnen im Bereich Rechnungswesen und Controlling daraus resultiert, dass der Grazer Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik traditionell durch eine starke betriebswirtschaftliche Ausrichtung geprägt ist und dabei auch noch eine dominierende Rechnungswesenorientierung aufweist (vgl. STOCK et al. 2008, 61f.).


3    Differenzierte Positionierung der Standorte der Wirtschaftspädagogik in Österreich in Bezug auf die Studienpläne


Bereits bei der Gründung der vier österreichischen wirtschaftspädagogischen Standorte, wie oben ausgeführt, zeigten sich Unterschiede in deren Positionierung. In Wien und Graz wurde ein Studien- und Forschungsprogramm etabliert, welches sich stark an der Betriebswirtschaftslehre orientierte, während in Linz und Innsbruck diese Orientierung zur Erziehungswissenschaft hin vorgenommen wurde. Diese unterschiedliche Positionierung zeigt sich auch in den jeweiligen Studienplänen der vier Standorte, die im Folgenden kurz vorgestellt werden.


3.1    Studienaufbau an den vier Standorten der Wirtschaftspädagogik in Österreich


Das Universitätsgesetz 2002 in Österreich brachte unter anderem auch eine hohe Autonomie im Bereich der Curricula mit sich, was eine verstärkte standortspezifische Ausdifferenzierung bewirkte. Insbesondere zeigt sich dies auch im Zuge der Umsetzung des Bologna-Prozesses. In Wien wurde bereits im Wintersemester 2007/08 auf diese neue mehrgliedrige Studienstruktur umgestellt und in Graz ist diese Implementierung für die Wirtschaftspädagogik im Wintersemester 2009/10 vorgesehen. In Innsbruck gibt es erste Diskussionen über die Einführung eines Mastercurriculums Wirtschaftspädagogik und eine Umstrukturierung ist für das Studienjahr 2010/11 geplant. Allein Linz hält bis auf weiteres am Diplomstudium fest. Generell wird an den Standorten Wien, Graz und Innsbruck nicht daran gedacht, ein eigenes Bachelorstudium Wirtschaftspädagogik einzuführen. Die Einführung eines eigenen Bachelorstudiums Wirtschaftspädagogik macht, sofern der Bologna-Prozess richtig verstanden wird, keinen Sinn, da die Spezialisierung erst im Masterstudium erfolgen soll und der Bachelor im besonderen Maße der Durchdringung des Faches dienen soll. Weiters herrscht an diesen Standorten auch die Auffassung vor, dass eine gute und umfassende wirtschaftliche Berufsvorbildung unerlässlich für das spätere Unterrichten im kaufmännischen Bereich ist und zusätzlich die Beschäftigungsfähigkeit der AbsolventInnen dadurch nur noch weiter erhöht wird.


3.1.1    Studienaufbau Wirtschaftsuniversität Wien


Das Masterstudium umfasst in Wien fünf Semester mit einem Gesamtlehrangebot von 150 ECTS-Punkten (ECTS – European-Credit-Transfer-System) (51 Semesterwochenstunden) und wird mit dem Titel Master of Science (WU) abgeschlossen. Von den 150 ECTS-Punkten entfallen 20 ECTS auf die Masterarbeit, 24 ECTS auf die schulpraktischen Studien inklusive Begleitlehrveranstaltungen und 106 ECTS-Punkte auf die Fächer des Masterstudiums. Die Wirtschaftsuniversität Wien hat als erster Österreichischer Standort das Studium der Wirtschaftspädagogik auf die neue Bachelor/Master-Struktur umgestellt. Die Konzeption des neuen Masterstudiums baut auf der von KRASENSKY und SCHNEIDER begründeten Tradition auf, d. h. den betriebswirtschaftlichen Inhalten unter besonderer Berücksichtigung der Fachdidaktik wird großer Stellenwert zugerechnet. Damit soll Professionalität und Polyvalenz gleichermaßen gefördert werden. In der ersten Hälfte des ersten Semesters erfolgt eine Sequenzierungsphase, in der die wichtigsten fachwissenschaftlich berufsrelevanten Kenntnisse angeboten werden. Nur Studierende, die diese Inhalte positiv absolvieren, sind berechtigt, weiter zu studieren (vgl. AFF et al. 2008, 19f. und STPL Wien 2007).


3.1.2    Studienaufbau an der Johannes Kepler Universität Linz


Das Diplomstudium umfasst in Linz neun Semester (unterteilt in zwei Abschnitte mit vier bzw. fünf Semestern) mit einem Gesamtlehrangebot von 270 ECTS-Punkten (143 Semesterwochenstunden) und wird mit dem Titel Magistra bzw. Magister der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen. Von den 270 ECTS-Punkten entfallen 21 ECTS auf die Diplomarbeit, 22 ECTS auf die schulpraktischen Studien inklusive Begleitlehrveranstaltungen, 10 ECTS auf freie Wahlfächer und 217 ECTS-Punkte auf die Fächer des Diplomstudiums. Mit Verweis auf die angestrebte Polyvalenz und Qualitätssicherung ist, wie angesprochen, keine Einführung eines wirtschaftspädagogischen Masterstudiums geplant. Der Linzer Tradition entsprechend umfasst der Studienplan in erheblichem Maße erziehungswissenschaftliche und lernpsychologische Lehrveranstaltungen, auch wenn der fachwissenschaftliche Studienanteil insbesondere für die Qualifzierung der Studierenden betont wird (vgl. AFF et al. 2008, 23f. und STPL Linz 2007). Im Vergleich zu den Studienplänen in Wien und Graz fällt dieser betriebswirtschaftliche Anteil aber um einiges geringer aus.


3.1.3    Studienaufbau an der Leopold Franzens Universität Innsbruck


Das Diplomstudium umfasst in Innsbruck neun Semester (unterteilt in zwei Abschnitte mit vier bzw. fünf Semestern) mit einem Gesamtlehrangebot von 270 ECTS-Punkten (139 Semesterwochenstunden) und wird mit dem Titel Magistra bzw. Magister der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen. Von den 270 ECTS-Punkten entfallen 20 ECTS auf die Diplomarbeit, 30 ECTS auf die schulpraktischen Studien inklusive Begleitlehrveranstaltungen (ein Praktikum ist weiters im ersten Semester mit 2 Semesterstunden aber ohne genaue ECTS Angabe integriert), 15 ECTS auf freie Wahlfächer und 215 ECTS-Punkte auf die Fächer des Diplomstudiums (vgl. STPL Innsbruck 2007).
Die wirtschaftspädagogische Ausbildung in Linz orientiert sich stark am von der Kommission Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft verabschiedeten Basiscurriculum (vgl DGFE 2003). Ergänzungen waren insbesondere durch die einphasige wissenschaftliche Berufsvorbildung in Österreich in der Fachdidaktik erforderlich. Neben der Qualifikation zu beruflichen Tätigkeiten an den wirtschaftlichen Schulen sollen auch solche für außerschulisch-pädagogische Felder erlangt werden. Auch einer intensiven didaktischen Begleitung des Schulpraktikums wird breiter Raum beigemessen. Die wirtschaftlichen Berufsfelder werden, insbesondere im Vergleich zu Wien und Graz, grundsätzlich nicht angestrebt (vgl. AFF et al. 2008, 33f.).


3.1.4    Studienaufbau an der Karl-Franzens-Universität Graz


In Graz  findet gerade ein Wechsel in der Studienstruktur statt. Voraussichtlich kann das Diplomstudium Wirtschaftspädagogik mit einer Dauer von neun Semestern (vgl. dazu STPL Graz 2002/05) im laufenden Sommersemester 2009 das letzte Mal inskribiert werden und ab dem Wintersemester 2009/10 wird ein Masterstudium Wirtschaftspädagogik eingeführt, welches auf einem wirtschaftswissenschaftlichen Bachelorstudium aufbaut. Eine genaue Beschreibung des geplanten Mastercurriculums der Wirtschaftspädagogik am Standort Graz soll nun mit den folgenden Ausführungen gegeben werden (vgl. dazu STPL Graz 2009).


3.2    Masterstudium Wirtschaftspädagogik am Beispiel Graz


Die sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz war die erste Fakultät in Österreich, an der im Studienjahr 2002/03 das Studium der Betriebswirtschaft und Volkswirtschaftslehre auf die neue Studienstruktur Bachelor und Master umgestellt wurde. Aufgrund der damals geltenden rechtlichen Bestimmungen war es für die Wirtschaftspädagogik gesetzlich nicht möglich, die Struktur eines Diplomstudiums zu verändern. In der Zwischenzeit haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen verändert, sodass die Curricula-Kommission Wirtschaftspädagogik an der Karl-Franzens-Universität Graz nach langen und intensiven Diskussionen im Dezember 2008 einen Entwurf für ein Masterstudium Wirtschaftspädagogik zur Begutachtung ausgeschickt hat. Im April 2009 soll der neue Masterstudienplan vom Senat der Karl-Franzens-Universität genehmigt werden und dann mit Beginn des Wintersemesters 2009/10 in Kraft treten.


3.2.1    Studienaufbau Masterstudium Wirtschaftspädagogik


Die grundsätzlichen Überlegungen zu diesem neuen Mastercurriculum waren, dass dieses, aufgrund der unumstrittenen Integration des Schulpraktikums, fünf Semester umfassen muss und die Anbindung zur Betriebswirtschaft in keiner Weise in Frage gestellt wird. Weiters soll die Polyvalenz jedenfalls erhalten bleiben und es soll kein eigenes Bachelorstudium Wirtschaftspädagogik entwickelt werden (die Zulassungsvoraussetzung zum Masterstudium stellt somit ein wirtschaftswissenschaftliches Bachelorstudium dar). Diese Überlegungen führten zu folgendem Studienaufbau:

Das Masterstudium in Graz wird fünf Semester mit einem Gesamtlehrangebot von 150 ECTS-Punkten (51 Semesterwochenstunden) umfassen, davon entfallen 20 ECTS auf die Masterarbeit, 16 ECTS auf die schulpraktischen Studien inklusive Begleitlehrveranstaltungen, 8 ECTS auf freie Wahlfächer und 106 ECTS-Punkte auf die Fächer des Masterstudiums. An die AbsolventInnen des Masterstudiums Wirtschaftspädagogik wird der akademische Grad Master of Science, abgekürzt MSc verliehen.

Das Masterstudium ist wie folgt modular strukturiert:

3.2.2    Fächer und Integration der Erziehungswissenschaft


Die Lehrveranstaltungen des Mastercurriculums gliedern sich in fünf wirtschaftspädagogische Fächer zu je 16 ECTS, einem betriebswirtschaftlichen Bereich mit 32 ECTS und einer Vertiefung (Schulpädagogik oder Betriebspädagogik) mit je 10 ECTS. In dieser Übersicht fällt sofort auf, dass es kein eigenes Fach Erziehungswissenschaft gibt. Dies hat den Grund darin, dass die erziehungswissenschaftlichen Fächer umfassend reformiert wurden. Anstatt von der Wirtschaftspädagogik losgelöst erziehungswissenschaftliche Inhalte anzubieten, wurde versucht, diese stärker in die wirtschaftspädagogischen Lehrveranstaltungen zu integrieren; weiters sollen die Inhalte in Zukunft u.a. auch immer auf eine Oberstufenausbildung fokussiert sein. Die Erziehungswissenschaft ist somit im neuen Mastercurriculum an folgenden Stellen integrativ verankert: VO Erziehungswissenschaft (Modul A); VU Herausforderungen an LehrerInnen der Wirtschaftspädagogik (Modul B); KS Entrepreneurship und Unternehmensethik im Kontext der Betriebspädagogik (Modul E); KS Aspekte der Erziehungswissenschaft (Modul J/I oder Modul J/II), KS Schulrecht für WirtschaftspädagogInnen und KS Begleitung zum Schulpraktikum (Modul K). Mit dieser Integration und Vernetzung der erziehungswissenschaftlichen Inhalte in das Mastercurriculum Wirtschaftspädagogik soll es den Studierenden ermöglicht werden, die Herausforderungen, denen Unterrichtende am Beginn des 21. Jahrhunderts gegenüberstehen, zu meistern.


3.2.3    Schwerpunktsetzungen sowie ergänzende Besonderheiten im Masterstudium


Das neue Masterstudium Wirtschaftspädagogik am Standort Graz bringt auch einige neue Schwerpunktsetzungen und Veränderungen in den Gewichtungen der einzelnen Fächer zueinander und deren inhaltlicher Ausgestaltung mit sich. Dies wurde erst dadurch möglich, dass Konsens darüber besteht, dass das Masterstudium kein reines Abbild des alten Diplomstudiums mit kürzerer Studiendauer sein darf, sondern als Chance der Neuorientierung und Nachjustierung des Studiums aufgefasst wird. Einige dieser Veränderungen und Besonderheiten sollen im Anschluss dargestellt werden.


Betriebswirtschaft als Schwerpunktsetzung


Eine enge betriebswirtschaftliche Verzahnung entspricht der Grazer Tradition und ist ein wichtiger Teil der Polyvalenz in der wissenschaftlichen Berufsvorbildung der Studierenden der Wirtschaftspädagogik am Standort Graz. Wie auch aus den Zahlen der AbsolventInnenbefragung ersichtlich, ist eine gute und vor allem auch vertiefende betriebswirtschaftliche Vorbildung für die Studierenden von großem Vorteil. Aus diesem Grund wird als Voraussetzung für die Inskription des Masterstudiums ein wirtschaftswissenschaftliches Bachelorstudium verlangt. Auch im Masterstudium Wirtschaftspädagogik selbst erfolgt eine Vertiefung im Ausmaß von 24 ECTS-Punkten in einer speziellen Betriebswirtschaftslehre.


Ausbau der Betriebspädagogik


Der Grazer Standort folgt dem breiten Begriffsverständnis der Wirtschaftspädagogik, deshalb findet auch die Betriebspädagogik bereits eine erste Verankerung im Studienplan 1986 sowie eine explizite Verankerung als Pflichtfach seit dem Studienplan 1998 für das Studium der Wirtschaftspädagogik am Standort Graz. (vgl. STPL Graz 1986 und STPL Graz 1998) Durch das neue Mastercurriculum wird eine weitere Stärkung für den Bereich der Betriebspädagogik vorgenommen. Grund dafür war nicht zuletzt das große Interesse von Seiten der Studierenden, aber vor allem auch der Umstand, dass dieser Bereich neben der Schulfokussierung einen zentralen Kern der Wirtschaftspädagogik als Disziplin am Standort Graz darstellt. Im neuen Mastercurriculum absolvieren die Studierenden Pflichtfächer aus dem Feld der Betriebspädagogik im Umfang von 16 ECTS und können zusätzlich weitere 10 ECTS aus diesem Bereich als Pflichtwahlfach besuchen.  


Neue Medien in der Lehre und E-Portfolio


Lehr- und Lernformen unter Einsatz neuer Medien wie beispielsweise Web-Based-Training, E-Learning, Blended Learning, Computer-Based-Training sollen in abgestimmter Verbindung mit traditionellen Lehr- und Lernformen und nach fachdidaktischen Anforderungen entsprechend den Zielsetzungen des Studiums Wirtschaftspädagogik besondere Berücksichtigung finden. Dabei sollen Instrumente der Neuen Medien wie beispielsweise Podcasts, Wikis, Blogs, Foren eingesetzt werden. Das Ziel des Einsatzes besteht insbesondere darin, die Studierenden mit diesen Medien einerseits vertraut zu machen und andererseits den richtigen bzw. zielorientierten Einsatz dieser zu vermitteln. Die Neuen Medien werden als Unterstützung und Ergänzung der methodischen Vielfalt und keinesfalls als Selbstzweck angesehen.
Entsprechend einer Output- sowie Outcome-Orientierung auch im Rahmen des Studiums sollen die Studierenden von Beginn an ihres Studiums mit Hilfe eines E-Portfolios begleitet werden, bzw. ihre Lernentwicklung eigenverantwortlich für sich selbst sichtbar machen. Dieses E-Portfolio dient nicht der Beurteilung der Studierenden, sondern ist als Unterstützung für die Studierenden vorgesehen. Die Lehrenden sind mit dem neuen Curriculum bei entsprechenden Schnittpunkten im Studium gefordert, den Einsatz des E-Portfolios zu fördern. Im Rahmen dieses E-Portfolios soll den Studierenden auch die Möglichkeit zur Potentialanalyse geboten werden um den eigenen aktuellen Stand bzw. die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit sichtbar zu machen. Implizit verfolgt das E-Portfolio natürlich auch das Ziel, dass die Studierenden die Bedeutung und den Umgang mit dem eigenverantwortlichen lebenslangen Lernens besser begreifen bzw. auch gleich umsetzen können. Dieses Hinführen zum lebenslangen Lernen, zur Weiterbildung und Entwicklung kann nicht über eigene Lehrveranstaltungen erfolgen und das E-Portfolio stellt einen institutionalisieren Versuch dar diese anzuregen.
Mit dem vorliegenden Mastercurriculum wird es möglich sein, auch mit der Umstellung auf die Bologna-Struktur, zum einen eine professionelle, wissenschaftlich fundierte LehrerInnenbildung zu gewährleisten und zum anderen auch die Handlungsfähigkeit der AbsolventInnen für alle betriebspädagogischen und wirtschaftlichen Bereiche sicherzustellen.


4    Zusammenfassung / Abschluss


In diesem Beitrag wurde versucht, das Verständnis der Disziplin Wirtschaftspädagogik in Österreich näher zu beleuchten. Es zeigt sich, dass einige Unterschiede, sowohl im Selbstverständnis der Disziplin als auch in der Gestaltung der Curricula, die es an den vier Standorten in Österreich gibt, existieren. Diese Unterschiede sollen aber nicht über die in einzelnen zentralen Aspekten gemeinsame Ausrichtung und Zielsetzung hinwegtäuschen. Die Polyvalenz steht ebenso wie das Festhalten an einer einphasigen wissenschaftlichen Berufsvorbildung in Österreich außer Diskussion und beide werden in Österreich als wichtige und wertvolle Bestandteile der wirtschaftspädagogischen Studien angesehen.
Die unterschiedliche Orientierung der vier Standorte (Betriebswirtschaft bzw. Erziehungswissenschaft) stellt jedenfalls eine Bereicherung der wirtschaftspädagogischen Landkarte in Österreich in Lehre und Forschung dar.
Wie die Einführung des Masterstudiums Wirtschaftspädagogik in Wien gezeigt hat und in Graz ab dem Wintersemester 2009/10 zeigen wird, ist es möglich, die Bologna-Architektur einzuführen und gleichzeitig die Besonderheiten und Vorteile der wirtschaftspädagogischen wissenschaftlichen Berufsvorbildung in Österreich beizubehalten bzw. sogar zu verstärken.

Literatur

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Zitieren dieses Beitrages

SLEPCEVIC, P., STOCK, M. (2009): Selbstverständnis der Wirtschaftspädagogik in Österreich und dessen Auswirkungen auf die Studienplanentwicklung am Standort Graz. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 16, 1-18. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe16/slepcevic_stock_bwpat16.pdf (30-06-2009). 

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