bwp@ Spezial 16 - November 2019

Berufsfelddidaktik in der Schweiz: internationale Einbettung, Ausdifferenzierung und konkrete Umsetzung

Hrsg.: Antje Barabasch & Carmen Baumeler

Die Berufsschullehrpersonenausbildung in der Schweiz und in Deutschland

Beitrag von Antje Barabasch & Silke Fischer

Die Ausbildung von Berufsschullehrpersonen in der Schweiz unterscheidet sich deutlich im Vergleich zum Nachbarland Deutschland. Der Artikel nimmt eine Gegenüberstellung der verbreiteten Ausbildungswege in den beiden Ländern vor. Während die historische Entwicklung sich weitestgehend gleicht, zeigt der Vergleich, dass sich sowohl die Lehrdiplomtypen/Lehramtstypen, also auch die gesetzlichen und strukturellen Rahmenbedingungen, Bildungsgänge und Lernstunden sowie Bildungsziele und Standards teilweise deutlich voneinander unterscheiden. Grundlegend für diese Unterschiedlichkeit sind die dahinterstehenden Paradigmen der Berufsschullehrpersonenausbildung beider Länder: Während die Schweiz einen eher pragmatischen Ansatz mit hohem Praxisbezug bewahrt, verfolgt Deutschland den Ansatz einer wissenschaftlich anspruchsvollen Qualifizierung auf Hochschulniveau mit Anteilen praktischer Erfahrung. Dieser Artikel erläutert die beiden differierenden Ausbildungsansätze und zeigt Herausforderungen auf, welche sich heute daraus für die Lehrpersonenbildung ergeben.

1 Einleitung – Herausforderungen für die Ausbildung von Berufsschullehrpersonen in Deutschland und der Schweiz

Die Ausbildung von Berufsschullehrpersonen[1] ist ein wichtiger Inputfaktor, der zu gelingender Berufsbildung beiträgt (OECD 2010, Hensen-Reifgens/Hippach-Schneider 2015). Mit neuen Anforderungen an die Berufsbildung verändern sich auch die Anforderungen an die Lehrpersonenausbildung. Lehrpersonen sind heute weit mehr als nur bloße „Wissensvermittler/-innen“ der didaktisch aufbereiteten Bezugswissenschaften und „Einbezieher/-innen“ betriebs- und berufspraktischer Anwendungsgebiete. Insbesondere der anhaltende Trend zur Digitalisierung von Bildung als auch das Prinzip der Handlungskompetenzorientierung und sich verändernde Berufsbilder, welche neue Rahmenlehrpläne bedingen, stellen Lehrpersonen, Schulen und Hochschulen in der beruflichen Bildung derzeit gleichermaßen vor die Herausforderung, Unterricht, Curricula und Ausbildung entsprechend anzupassen.

Obwohl die Schweiz und Deutschland ein hochgradig ausdifferenziertes und anspruchsvolles Berufsbildungssystem geschaffen haben, gestaltet sich die Ausbildung der Berufsschullehrpersonen in beiden Ländern im Vergleich sehr unterschiedlich. Dabei spielt zum einen die Interpretation der berufspraktischen Ausbildung, welche seitens der Ausbildungsinstitutionen als zentrales Element betrachtet wird, eine wesentliche Rolle (Arnold/Gröschner/Hascher 2014). Zum anderen wird, vor allem in Deutschland, eine qualitativ hochwertige akademische Ausbildung auf Masterniveau als Garant für die Qualitätssicherung der beruflichen Bildung verstanden. Vertreter/-innen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik an deutschen Hochschulen plädieren deshalb weiterhin für eine Ausbildung von Berufsschullehrpersonen auf „Königklassen-Niveau“ (Kalisch/Kaiser 2019, 11).

Während in der Schweiz kein nachgewiesener Mangel an Nachwuchs für den Lehrberuf besteht und die Einstiegshürden für den Beruf vergleichsweise niedrig sind, stellt die Rekrutierung in Deutschland eine zunehmende Herausforderung dar, welche die Hochschulen zu zahlreichen Anpassungen sowohl in den Zugangsvoraussetzungen als auch im Studienplan drängt (Heimann 2017, Kalisch/Kaiser 2019). Darüber hinaus wird mit Blick auf die demographische Entwicklung in Deutschland und auf erwartete Arbeitsmarktentwicklungen ein erhöhter Bedarf an Berufsschullehrpersonen erwartet, der mit den derzeitig zur Verfügung stehenden Ressourcen an den Universitäten nicht adäquat gedeckt werden kann (Heimann 2017, Kalisch/Kaiser 2019). Nicht nur fehlende Ressourcen, sondern auch ein Mangel an Attraktivität des Hochschulstudiums, welches zur Lehrperson an berufsbildenden Schulen qualifiziert, tragen dazu bei, dass nicht alle an Berufsschulen tätigen Berufsschullehrpersonen den „Königsweg“ über ein Hochschulstudium absolviert haben.

Vergleiche von Ausbildungswegen für Lehrpersonen in der Berufsbildung sind rar (Grollmann 2008). Grundsätzlich sind auch wenig allgemeine Informationen und wissenschaftliche Analysen über die Ausbildung von Berufsschullehrpersonen sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland zu finden (Kirpal/Wittig 2009, 2). Verwiesen werden kann vor allem auf die Analysen von Frommberger und Lange (2018) und Dreher (2019) für Deutschland und einzelne Kapitel von Eberle, Brüggenbrock und Schumann (2009) sowie Wettstein und Gonon (2009) für die Schweiz. In beiden Ländern nimmt ein großer Teil der jungen Erwachsenen an Berufsbildung teil (SBFI 2018), weswegen der Ausbildung von Berufsschullehrpersonen ein hoher Stellenwert eingeräumt wird.

Ein Vergleich der Ansätze zur Berufsschullehrpersonenbildung der beiden Länder liegt bisher nicht vor. Es ist auch kaum bekannt, dass sich die regulären Ausbildungswege von Berufsschullehrpersonen wesentlich voneinander unterscheiden und welche Auswirkungen dies auf das jeweilige Berufsbildungssystem hat. In diesem Artikel werden daher die unterschiedlichen Ansätze der Ausbildungssysteme für die Lehrämter an beruflichen Schulen der Sekundarstufe II in Deutschland und der Schweiz aus vergleichender Perspektive gegenübergestellt. Hierzu wurden Websites von Ausbildungsinstitutionen und zuständigen Stellen sowie wissenschaftliche Artikel zum Thema analysiert. Des Weiteren wurden Rahmenlehrpläne ausgewählter Hochschulen und Modulpläne verglichen, wobei diese Ergebnisse nicht näher präsentiert werden, sondern lediglich als zusammenfassende Schlussfolgerungen im Artikel zum Ausdruck kommen. Darüber hinaus wurden im Rahmen der Arbeit des Leadinghouse für Berufsfelddidaktik[2] Interviews mit neun Schweizer Dozierenden bzw. Studiengangverantwortlichen in der Berufsschullehrpersonenausbildung durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Interviews wurden in den Beschreibungen über die Schweizer Berufsschullehrpersonenausbildung mitberücksichtigt.

Wir zeigen auf, wie sich in der Schweiz und Deutschland trotz einer sehr ähnlichen historischen Entwicklung beider beruflicher Lehrpersonenbildungssysteme unterschiedliche Ansätze der Berufsschullehrpersonenausbildung etabliert haben. Diese Unterschiede beziehen sich insbesondere auf grundlegende Gestaltungsparadigmen, die zugrundeliegenden politischen Interessen sowie strukturelle Merkmale wie beispielsweise Zugangsvoraussetzungen, Modulpläne etc. Vor allem der Anteil von wissenschaftlicher Qualifizierung auf Hochschulniveau und ausreichendem Praxisbezug ist sehr unterschiedlich geregelt. In Deutschland steht die akademische Ausbildung auf Masterniveau im Vordergrund. Indes handelt es sich bei der Ausbildung zur Berufsschullehrperson in der Schweiz nicht um ein grundständiges akademisches Studium, sondern lediglich um eine Zweitausbildung. Es steht somit nicht die akademische Qualifizierung, sondern ein solider Praxisbezug vor und auch während der berufspädagogischen Lehrpersonenausbildung im Zentrum. Hieraus ergeben sich unterschiedliche Herausforderungen für die Lehrpersonenbildung insgesamt. Aufgrund der bisher vergleichsweise eher begrenzten Literaturlage zur Berufsschullehrpersonenbildung in der Schweiz, setzen wir im Artikel den Schwerpunkt auf die Darstellung der Schweizer Situation und nutzen den Vergleich zu Deutschland als Referenzmodell und zur Kontextualisierung.

Der Einführung in beide Ausbildungssysteme und deren Herausforderungen im ersten Kapitel folgt eine Darstellung des entstehungsgeschichtlichen Hintergrundes im zweiten Kapitel. Die unterschiedlichen Ansätze in der Lehrpersonenausbildung an beruflichen Schulen wurden anhand ausgewählter offizieller Dokumente rekonstruiert und durch wissenschaftliche Publikationen ergänzt. Anschließend vermittelt Kapitel drei einen Überblick über die Ausbildung von Berufsschullehrpersonen in der Schweiz einschließlich der verschiedenen Typen von Lehrdiplomen. Die gemäß dem Rahmenlehrplan für Berufsbildungsverantwortliche festgelegten Lehrämter für den allgemeinbildenden und fachkundlichen Unterricht sowie der Stand der Fachdidaktik in der Schweizer Berufsschullehrpersonenausbildung sind Thema der nachträglichen Unterkapitel. Kapitel vier gibt einen kurzen Einblick in die Lehramtsausbildung an beruflichen Schulen in Deutschland, welche sich i.d.R. durch das Studium einer beruflichen Fachrichtung und eines allgemeinbildenden Faches auszeichnet. Darauffolgend werden im fünften Kapitel die Unterschiede in der Berufsschullehrpersonenbildung hinsichtlich ihrer Gestaltungsparadigmen, dem verfolgten politischen Interesse, den Zugangsvoraussetzungen zum Studium und die sich aus dem Ausbildungsansatz ergebenden Herausforderungen tabellarisch zusammengefasst. Im sechsten Kapitel werden die Herausforderungen der Berufsschullehrpersonenausbildung aufgezeigt, im siebten Kapitel folgen Implikationen für die pädagogische Praxis und das achte Kapitel schließt mit einem Fazit ab.

2 Die Geschichte der Berufsschullehrpersonenbildung

Lustenberger (2010) berichtet, dass der Ursprung der Schweizer Berufsbildung auf das Jahr 1852 zurückzuführen ist, als in einem Schulhaus in Stans der Dorfarzt sonntags Lernende im Freihandzeichnen lehrte. In dieser Zeit unterrichteten Fachmänner die Lernenden ohne pädagogische Ausbildung. Im Jahre 1885 begann auch der Bund die Berufsbildung finanziell zu fördern. Am Technikum Winterthur wurde ein erster Kurs für Zeichnungslehrpersonen an gewerblichen Fortbildungsschulen angeboten. Um 1900 erfolgten erste Gesetze zur beruflichen Bildung in den Kantonen und erste kantonale Lehrabschlussprüfungen wurden eingeführt.

Zu den ersten Lehrwerkstätten in der Westschweiz gehörten die Uhren-, Textil-, Holz-, Metall- und Lederindustrie. Die ersten Zeichnungsschulen wandelten sich in gewerbliche Fortbildungsschulen. Technisches Zeichnen wurde dort nach der Arbeit von Volkschullehrpersonen unterrichtet. Wenig später kamen Fächer wie Materialkunde, Chemie, Mechanik oder Buchhaltung dazu. Ab 1928 bot das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Veranstaltungen zur Aus- und Fortbildung von Lehrpersonen an Gewerbeschulen an. Eine wichtige Etappe in der Entwicklung der Gewerbelehrpersonenausbildung war das erste eidgenössische Berufsbildungsgesetz (BBG) von 1930. Es legte fest, dass der Unterricht an Gewerbeschulen durch entsprechend fachlich und pädagogisch geschultes Personal erfolgen sollte. Dieses wurde auch benötigt für die höheren polytechnischen Schulen («Höhere Technische Lehranstalten» (HTL), auch «Technikum» oder «Ingenieurschule» genannt (da man Dipl. Ing. HTL wurde)). Im kaufmännischen Bereich gab es die «Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschulen» (HWV). Mitte der 1990ger Jahre wurden diese Vorläufer, die auf eine hochschulische fachliche Ausbildung unterhalb der Universität abzielten (dort wurde man z. B. Dipl. Ing. Eidgenössische Technische Hochschule (ETH)), zu Fachhochschulen (FH). Daneben gab es «Technikerschulen (TS)», die den heutigen Höheren Fachschulen (HF) entsprechen, die zur höheren Berufsbildung (Tertiär B) gehören und auch nach Abschluss eines eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses (EFZ) besucht werden (Baumeler, Dannecker & Trede, 2014).

Mit dem wachsenden Bedarf an qualifizierten Lehrpersonen wurde die Gründung des Schweizerischen Institutes für Berufspädagogik (SIBP) angebahnt, wo seit 1972 Studiengänge für Berufsschullehrkräfte sowie Weiterbildungen angeboten wurden. Die Ausbildung ehemaliger Volksschullehrpersonen zu diplomierten Berufsschullehrpersonen wurde auf vier Semester festgelegt, für Meisterinnen und Meister sowie Ingenieurinnen und Ingenieure auf zwei Semester.

Bereits 1970 wurde vom Schweizer Verband für Gewerblichen Unterricht und 1971 vom Nationalrat ein zentrales Institut für die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften, Schulleiterinnen und Schulleitern, Ausbildende und Prüfungsexpertinnen und Prüfungsexperten sowohl in deutscher als auch französischer Sprache sowie ein Forschungszentrum für Themen der Berufsbildung und eine Dokumentationsstelle für den beruflichen Unterricht eingefordert. Ein Jahr später beschloss der Bund, ein Schweizerisches Institut für Berufspädagogik zu gründen, welches die geforderten Aufgaben übernehmen sollte. Das Institut war dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit zugeordnet und hatte in der Ausbildung von Berufsschullehrpersonen schweizweit eine Monopolstellung. Aufnahmevoraussetzung für Bewerber/-innen waren Unterrichtserfahrung, ein Mindestalter von 24 Jahren, eine Probelektion und ein Aufnahmegespräch (Strautmann 1990). Die Revision des Berufsbildungsgesetzes im Jahre 1978 regelte, dass ein erfolgreicher Abschluss am SIBP oder eine gleichwertige Ausbildung Grundvoraussetzung für Gewerbelehrpersonen sei.

Als Alternative zu den Studiengängen des SIBP entstand ab 1978 eine akademischer geprägte Ausbildung für Berufsschullehrpersonen allgemeinbildender Richtung im Kanton Zürich, der mehrheitlich Absolventinnen und Absolventen der Universität als Berufsschullehrpersonen anstellte. Von 2006 bis 2012 wurde dieser Studiengang dann von der Universität Zürich verantwortet. Absolviert wurde er in der Regel berufsbegleitend, nach einem fachbezogenen universitären Masterabschluss. Veränderte schweizweite Zulassungskriterien führten aber dazu, dass diese Studiengänge nicht mehr an der Universität, sondern an den inzwischen entstandenen kantonalen Pädagogischen Hochschulen (PH) sowie am Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB) angeboten wurden.

Das EHB ist das im Jahr 2007 geschaffene Hochschulinstitut, das aus dem SIBP mit Standorten in den drei Hauptsprachregionen der Schweiz hervorging und gemäß dem jüngsten BBG von 2002 seine Monopolstellung in der Berufsschullehrpersonenausbildung verlor. Nebst dem EHB bieten in der deutschsprachigen Schweiz inzwischen drei kantonale Pädagogische Hochschulen (Zürich, Luzern, St. Gallen) Studiengänge für ein hauptberufliches Lehramt an Berufsschulen an.

Auch in Deutschland vollzog sich die Professionalisierung der Berufslehre durch Berufsschullehrpersonen von der Wissens- und Praxisvermittlung in der Familie, über die Zeichenschulen hin zu Fortbildungsschulen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts (Thyssen 1954). Der Lehrpersonenbedarf an den Berufsschulen wurde ebenso wie in der Schweiz zunächst durch die Einstellung von Erwachsenen mit einschlägigen beruflichen Qualifikationen abgedeckt. Auch hier wurde die Notwendigkeit einer pädagogischen Qualifizierung der Lehrpersonen lange nicht thematisiert, weil sie nicht als bedeutungsvoll erachtet wurde (Weniger 1964). Erst mit der Gründung der Polytechnischen Schulen (als Vorläufer der Technischen Hochschulen), mit dem Auftrag technologisches Wissen zu generieren, weiter zu entwickeln und zu vermitteln, wurde eine höhere wissenschaftliche Qualifizierung der Lehrpersonen relevant (Kell 1993). Die Polytechnischen Schulen wurden den niederen technischen Schulen übergeordnet mit der Begründung, dass dort Personal entwickelt würde, welches die Bedürfnisse der niederen Schulen decken könnte.

Damit hielt die „Akademisierung“ Einzug in die Berufsschullehrpersonenqualifizierung (Hartmann 1923). Die akademische Ausbildung sollte es den Lehrpersonen ermöglichen, das zu vermittelnde Wissen für den Unterricht an den beruflichen Schulen zu transformieren, so dass es als Handlungswissen für die Lernenden brauchbar würde. Eine entsprechende fachdidaktische Ausbildung wurde jedoch lange nicht an den Polytechnischen Schulen angeboten. Infolge langer Diskussionen über verschiedene institutsbezogene Modelle der Berufsschullehrpersonenbildung (BSLB) hat sich bis 2000 eine grundständige

BSLB an Universitäten mit anschließendem Referendariat als zweite Ausbildungsphase

durchgesetzt, die sich in den Bundesländern jedoch unterschiedlich gestaltet (Buchmann/Kell 2001). Ein weiterer Grund für die Akademisierung wird auch in der engen Wechselbeziehung mit dem gesellschaftlichen Ansehen des Lehrberufs im Allgemeinen gesehen (Tenorth/Kien 1980), was eine akademische Ausbildung auf Hochschulniveau zunehmend rechtfertigte.

3 Die Ausbildung von Berufsschullehrpersonen in der Schweiz

Die Berufsschullehrpersonenausbildung in der Schweiz erfolgt nach dem konsekutiven Organisationsmodell, in welchem die fachwissenschaftliche Erstausbildung der berufspädagogischen Zweitausbildung an Hochschulen vorangestellt ist. Die berufspädagogische Ausbildung von Berufsschullehrpersonen (60 ECTS), die ein Diplom für eine hauptberufliche Tätigkeit im allgemeinbildenden oder berufskundlichen Unterricht anstreben, erfolgt heute vornehmlich am EHB mit den drei Standorten in Zollikofen, Lausanne und Lugano sowie an den PH in Zürich, St. Gallen und Luzern[3]. Das EHB, die PH Zürich und die PH Luzern bilden in berufspädagogischen Studiengängen (60 ECTS) auch Lehrkräfte für den Unterricht an Berufsmaturitätsschulen aus, die einen Hochschulabschluss in einem entsprechenden Fach haben, aber keine gymnasiale Lehrbefähigung. Für Lehrpersonen mit gymnasialer Lehrbefähigung bieten insgesamt 10 Universitäten oder PH – die Hälfte davon in Kooperation mit dem EHB – eine berufspädagogische Zusatzqualifikation (10 ECTS), damit sie auch Fächer an Berufsmaturitätsschulen unterrichten können. Zusätzlich zur Lehrpersonenqualifizierung bieten einzelne Einrichtungen (EHB, PH Zürich, Universität St. Gallen) auch Weiterbildungen für Lehrpersonen und weiteres Bildungspersonal, z. B. Schulleitungen an.

Akkreditiert werden alle Studiengänge durch den Bund, vertreten durch die eidgenössische Kommission für Berufsbildungsverantwortliche, welche mit der Anerkennung und Aufsicht von Bildungsgängen für Berufsbildungsverantwortliche und der Erarbeitung von Kriterien zur Prüfung der Gleichwertigkeit der Qualifikationen betraut ist. Die Studiengänge werden hinsichtlich der Mindestanforderungen für die Ausbildung von Berufsschullehrpersonen, der Lernstunden, der Abschlüsse, des zeitlichen Studienaufwands und der zu vermittelnden Bildungsziele durch das Berufsbildungsgesetz (BBG, Art. 46), die Berufsbildungsverordnung (BBV, Art. 41 bis Art. 52) und die schweizweit geltenden Rahmenlehrpläne für Berufsbildungsverantwortliche (SBFI 2015) geregelt.

Die Ausbildung für ein hauptberufliches Lehramt erfolgt i.d.R. berufsbegleitend und ist mit 60 ECTS[4] – meist auf ein bis zwei Jahre ausgerichtet – vergleichsweise kurz. Sie beinhaltet fachdidaktische (mind. 10 ECTS), erziehungswissenschaftliche (mind. 15 ECTS) und berufspraktische (mind. 15 ECTS) Anteile, wobei die Gewichtung dieser Ausbildungsanteile grob je ein Drittel umfasst, jedoch insbesondere durch die Kürze der Ausbildung kantonal z. T. stark variiert (Eberle/Brüggenbrock/Schumann 2009). Die Ausbildungsinhalte können durch diverse Zusatzangebote ergänzt werden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass ein nicht unerheblicher Anteil der ECTS (ca. 6-8 Lernstunden pro Woche) in ergänzenden Lerngefäßen sowie dem Selbststudium erfolgen kann.

Die Schweizer Berufsschullehrpersonenausbildung zeichnet sich überdies durch die folgenden zwei Besonderheiten aus: Zum einen bedingt die Zulassung zum entsprechenden Studiengang oftmals bereits die Anstellung an einer Berufsschule und zum anderen unterrichten viele der angehenden Berufsschullehrpersonen – vorwiegend Berufskundelehrpersonen – nur nebenberuflich (Eberle/Brüggenbrock/Schumann 2009). Eine Lehrperson im Nebenamt, welche für ihre Ausbildung lediglich 10 ECTS absolvieren muss, darf bis zu 50% ihrer Arbeitszeit im Lehrberuf tätig sein und den Rest der Zeit einer anderen Erwerbsarbeit nachgehen. In der Schweiz sind Teilzeitbeschäftigungen – trotz hauptamtlichem Lehrdiplom – im Lehrberuf weit verbreitet. Insgesamt arbeiten etwa 42 % aller Lehrpersonen in der Berufsbildung weniger als 50 % der vollen Arbeitszeit, also auf Teilzeitbasis (BFS 2014). Laut Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF) (2014) ist dies kein geschlechtsspezifisches Merkmal, sondern vielmehr berufsspezifisch zu begründen.

Nach den Rahmenlehrplänen für Berufsbildungsverantwortliche besteht „der schulische Teil der beruflichen Grundbildung […] in der Regel aus Berufskunde und allgemein bildendem Unterricht sowie Sport“ (SBFI 2015, 7). Nachfolgend werden kurz die Lehrämter allgemeinbildender und fachkundlicher Richtung an Schweizer Berufsschulen vorgestellt.[5]

3.1     Berufsschullehrpersonen in allgemeinbildender und fachkundlicher Richtung

In der beruflichen Grundbildung existieren drei verschiedene Arten von Allgemeinbildung (SBFI 2015). Aus vergleichender Perspektive ist vor allem der Unterricht nach dem eidgenössischen Rahmenlehrplan für allgemeinbildenden Unterricht (BBT 2003), kurz ABU genannt, interessant. Die Bildungsziele des ABU umfassen einen ganzen Fächerkomplex, der in zwei gleichbedeutende Lernbereiche „Sprache und Kommunikation“ sowie „Gesellschaft“ unterteilt ist. Der Lernbereich „Gesellschaft“ umfasst acht Aspekte (Ethik, Identität und Sozialisation, Kultur, Ökologie, Politik, Recht, Technologie und Wirtschaft). ABU erfolgt themen- und handlungsorientiert und folgt keiner disziplinären Fachlogik (BBT 2003). Es ist im Grunde ein fächerverbindendes Integrationsfach (Novak 2018). In einigen wenigen beruflichen Grundbildungen (z. B. kaufmännische Grundbildung, Detailhandel) wird Allgemeinbildung nicht nach dem Rahmenlehrplan ABU, sondern „fächerartig“ unterrichtet und in die fachliche Ausbildung integriert (z. B. lokale Sprache, Fremdsprache, Wirtschaft und Gesellschaft, Information-Kommunikation-Administration).

Die Lehrpersonen fachkundlicher Richtung an gewerblich-industriellen Berufsschulen werden traditionell als Berufskundelehrerinnen und Berufskundelehrer bezeichnet (Wettstein/Gonon 2009). Einen Sonderfall innerhalb der Schweizer Lehrpersonenbildung stellen die Lehrpersonen kaufmännischer Berufsschulen dar, also Lehrpersonen für Wirtschaft und Gesellschaft (W&G[6]; klassische Handelslehrerinnen und Handelslehrer) sowie Lehrpersonen für Information-Kommunikation-Administration (IKA; früher Bürofachlehrerinnen und Bürofachlehrer). Diese werden innerhalb der Lehrpersonenbildungsinstitutionen aufgrund der wenig ausdifferenzierten Einteilung der Rahmenlehrpläne zu den Berufskundelehrpersonen gezählt. Viele Ausbildungsinstitutionen haben ausgewiesene und akkreditierte Studiengänge für W&G und IKA, oftmals gibt es jedoch zu wenig Teilnehmende für eigene Studiengruppen pro Jahrgang. Daher werden häufig gemischte Studiengruppen mit zusätzlichen spezifischen, fachdidaktischen Veranstaltungen geführt. In Zürich werden die fachdidaktischen Veranstaltungen für W&G-Lehrpersonen der PHZH z. T. beispielsweise in Kooperation mit der Universität Zürich erteilt.

Um für die Ausbildung zur Berufsschullehrperson in allgemeinbildender Richtung zugelassen zu werden, wird der Abschluss (Bachelor oder Master) auf der Stufe Tertiär A (Fachhochschule, Universität, ETH) im entsprechenden Fachgebiet (Germanistik, Geschichte, Politologie, Wirtschaftswissenschaft, Jura etc.) oder eine gleichwertig fachliche Qualifikation (z. B. ein Master der PH in Pädagogik/Erziehungswissenschaft/Didaktik) sowie mindestens sechs Monate betriebliche Erfahrung verlangt. Dementsprechend muss für die Einschreibung in den Studiengang zur Berufskundelehrperson mindestens der höchste im jeweiligen Beruf existierende Abschluss auf der Stufe Tertiär B (Berufsprüfung, Höhere Fachprüfung, Höhere Fachschule) vorgewiesen werden – beispielsweise ein eidgenössischer Fachausweis oder ein eidgenössisches Diplom (Meisterprüfung). Angehende W&G-Lehrpersonen müssen einen Abschluss (Bachelor oder Master) in Wirtschaft oder Recht der Tertiärstufe A (Fachhochschule oder Universität) und Ergänzungsleistungen im jeweils anderen Fachgebiet vorweisen. Es gibt auch Quereinsteiger in den Lehrberuf. Dies sind Personen, die ein Universitäts- oder Fachhochschulstudium in einem dem Beruf verwandten Fachbereich abgeschlossen haben (Novak 2018).[7]

Da viele Lehrpersonen nur in Teilzeit unterrichten, kann für den berufskundlichen Unterricht ein haupt- oder nebenamtliches Lehrdiplom erworben werden. Zur Erlangung des Lehrdiploms Berufskunde im Hauptamt müssen, genau wie beim Lehrdiplom ABU, 1.800 Lernstunden (60 ECTS) absolviert werden, für die Lehrbefähigung im Nebenamt dagegen nur rund 300 Lernstunden, was 10 ECTS entspricht.[8] Als Begründung für diese vergleichsweise geringe Anzahl von Lernstunden für das Lehrdiplom zur Berufskundelehrperson im Nebenamt wird „die besondere Bedeutung des Praxisbezugs“ in der Berufskunde angeführt (SBFI 2015, 7). Zusätzlich bietet sich hierdurch für die Berufsschulen der Vorteil einer erhöhten Flexibilität – vor allem für weniger angebotene respektive nachgefragte Berufsausbildungen – ausreichend erfahrene Berufsleute als Lehrpersonen einzustellen (Maurer/Fischer/Hauser 2017).

Demzufolge unterstreicht die Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern bei der Ausbildung von Lehrpersonen fachkundlicher Richtung vorwiegend die Bedeutsamkeit einer engen Verbindung von Theorie und Praxis. Einerseits geschieht dies durch die entsprechenden Zulassungsbedingungen, welche sicherstellen, dass Berufskundelehrpersonen über eine formale Ausbildung in dem später zu unterrichtenden Beruf und demzufolge auch über ausreichende Berufserfahrung verfügen (Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF) 2007). Andererseits soll durch die Existenz des Lehrdiploms zur Berufskundelehrperson im Nebenamt, welches in der Schweiz einen hohen Stellenwert einnimmt, gewährleistet werden, dass wichtiges Wissen aus der Praxis unmittelbar in die berufliche Ausbildung einfließen kann.

3.2     Fachdidaktik in der Berufsschullehrpersonenausbildung

Die Rahmenlehrpläne für Berufsbildungsverantwortliche geben für die Ausbildung aller Berufsschullehrpersonen folgendes allgemeines Bildungsziel zur Erarbeitung der Fachdidaktik vor: „Die Inhalte des Lehrfaches theoretisch durchdringen und fachdidaktisch aufbereiten“; inhaltlich wird konkretisiert, dass dies die „Reflexion der spezifischen Inhalte des eigenen Berufes, der berufspädagogisch-theoretischen Denkweise und der fachdidaktischen Umsetzungbedeutet (SBFI 2015, 29). Die Lehrpersonenbildungsinstitutionen stehen nun vor der Herausforderung, diese Vorgabe der Rahmenlehrpläne in ihren Studiengängen zur Ausbildung von Berufsschullehrpersonen, die vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation anerkannt und beaufsichtigt werden, individuell umzusetzen.

Während sich in den Studiengängen für das Lehrdiplom für den Allgemeinbildenden Unterricht eine eigene Fachdidaktik einschließlich fachdidaktischem Diskurs weitestgehend etablieren konnte (Caduff et al. 2010), sind in der Berufskunde kaum formal ausdifferenzierte Ansätze berufsspezifischer Didaktiken vorzufinden (Baumeler/Barabasch/Leumann 2017). Eine Ausnahme hiervon stellt beispielsweise das Unterrichtsfach W&G respektive W&R dar. Allerdings bezieht sich die Fachdidaktik der Wirtschaftsfächer nicht allein auf das Unterrichten an Berufsschulen, sondern umfasst gleichermaßen auch den Wirtschaftsunterricht an Maturitätsschulen.

Grundlegend für die relative „Fachdidaktikarmut“ im Rahmen der Berufskunde ist die große Heterogenität in der Schweizer Berufsbildung (Baumeler/Barabasch/Leumann 2017). Diese manifestiert sich u.a. auf inhaltlicher Ebene durch die Vielzahl von 230 Berufen, in denen ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) erworben werden kann und der damit einhergehenden divergierenden beruflichen Handlungskompetenzen. Ergänzend kommt hinzu, dass die Berufe in 22 verschiedenen Berufsfeldern zusammengefasst werden, wobei sich die Berufe innerhalb eines Berufsfeldes ebenfalls inhaltlich stark unterscheiden (z. B. im Berufsfeld Gesundheit: Augenoptiker/in EFZ und Fachfrau/Fachmann Gesundheit EFZ). Im Vergleich zur Allgemeinbildung zeichnet sich die Berufsbildung überdies durch eine große Divergenz der Berufslernenden hinsichtlich Leistung und sozialer Herkunft aus, was besondere Anforderungen an die Fachdidaktik stellt (Baumeler/Barabasch/Leumann 2017).

Das Ziel der beruflichen Bildung ist die Erlangung der beruflichen Handlungskompetenz. „Handlungskompetent ist, wer berufliche Aufgaben und Tätigkeiten eigeninitiativ, zielorientiert, fachgerecht und flexibel ausführt“ (SBFI 2017, 7). Dieses Ziel lässt sich allerdings nur begrenzt in einem theoretischen Unterricht an Schulen sowie in Lehrveranstaltungen an Lehrpersonenbildungsinstitutionen erreichen. Zur Entwicklung einer eigenen Fachdidaktik in der Berufskunde müssen die domänenspezifischen Fachinhalte auf berufliche Handlungen bezogen werden, sodass berufsspezifische Arbeitsaufgaben bzw. arbeitsprozessbezogene Lernaufgaben erstellt werden können. Dies ist eine wesentliche Aufgabe der beruflichen Didaktik und ihrer Fachdidaktiker. Aufgabe des neu geschaffenen Leadinghouse Berufsfelddidaktik ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse in der Berufsfelddidaktik zu generieren. Ein spezielles Augenmerk gilt dabei auch der berufsübergreifenden Didaktik, die zwar in der pädagogischen Praxis üblich, aber noch wenig erforscht ist.

Das pädagogisch-didaktische Konzept des Rahmenlehrplans ABU basiert ähnlich wie in Deutschland auf der Themen- und Handlungsorientierung (vgl. Lernfeldkonzept in D.). Themenorientiert bedeutet, dass die Unterrichtsinhalte nicht einer disziplinären Fachlogik folgen, sondern nach Themen angeordnet sind (BBT 2003). Hingegen ist der Rahmenlehrplan für die Berufsmaturität fächerorientiert aufgebaut (SBFI 2012). Die Berufskundelehrpersonen orientieren sich vor allem an den berufsspezifischen Bildungszielen der Bildungspläne, die handlungskompetenzorientiert formuliert sind. Neu ist derzeit im fachdidaktischen Diskurs der Schweizer Berufsbildung die Weiterentwicklung der Handlungsorientierung hin zum Prinzip der Handlungskompetenzorientierung und dessen konsequente Umsetzung im Unterricht, nach welchem sich die Handlungskompetenzen anhand verschiedener Stufenmodelle (z. B. Meyer 2012) in verschiedene Handlungskompetenzdimensionen einordnen lassen. Fachdidaktisch stehen die Schweizer Berufsschulen aktuell vor der Herausforderung, dieses Prinzip in ihren Unterricht zu implementieren.

4 Die Ausbildung von Berufsschullehrpersonen in Deutschland

Die Vorgaben der Kultusministerkonferenz (KMK 2016) für das Lehramtsstudium für berufsbildende Schulen benennen dessen wesentliche Bestandteile (Erstfach, Zweitfach, Bildungswissenschaften/Berufs- und Wirtschaftspädagogik und Fachdidaktiken), welche bei gestuften Studiengängen insgesamt 300 ECTS erreichen müssen. Im Allgemeinen wird das Erstfach der beruflichen Fachrichtung mit einem Zweitfach einer allgemeinbildenden Fachrichtung im Umfang von 180 ECTS kombiniert. Die Fachdidaktiken für Erst- und Zweitfach, die Bildungswissenschaften mit berufs- oder wirtschaftspädagogischem Schwerpunkt und die schulpraktischen Studien umfassen zusammen 90 ECTS. Der Umfang der Abschlussarbeiten (Bachelor und Master) beträgt nochmals 30 ECTS. Zusätzlich ist ein auf die berufliche Fachrichtung bezogenes betriebliches Praktikum von 12 Monaten erforderlich.

Die zweite Phase, der Vorbereitungsdienst, beträgt je nach Bundesland zwischen 12 bis 24 Monaten und findet an einer Ausbildungsschule und in den Studienseminaren statt (Frommberger/Lange 2018). Er wird mit der zweiten Staatsprüfung abgeschlossen, durch welche die Lehramtsbefähigung erworben wird (KMK 2016). Einige Bundesländer, z. B. Nordrhein-Westfalen, verfügen über ein Schulpraxissemester, welches eine Verbindung zwischen Studium und Schule darstellt und auf den Vorbereitungsdienst angerechnet werden kann. Das Bachelorstudium, welches sechs oder sieben Semester umfasst und meist mit einem „Bachelor of Education“ abgeschlossen wird, berechtigt jedoch nicht zur Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bzw. zum Einstieg in den Schuldienst (Frommberger/Lange 2018). Hierfür muss ein drei bis vier Semester andauernder „Master of Education“ erworben werden.

Nach Fischer und Zimpelmann (2015) ist die Hochschulausbildung von Berufsschullehrpersonen entweder nach dem traditionellen Ansatz, der sich auf die Ingenieurwissenschaften zurückführen lässt, oder nach dem berufswissenschaftlichen Ansatz, der sich an der gewerblich-technischen Facharbeit orientiert, organisiert. Inhaltlich gibt es für das Lehramtsstudium an beruflichen Schulen kaum Vorschriften, abgesehen von dem Hinweis auf die Behandlung der Themen Heterogenität, Inklusion und Förderdiagnostik (KMK 2016). Im Rahmen der Lernfeldorientierung der KMK wurden Instrumente der Arbeitsprozessanalyse und der Analyse von Berufs- und Fachstrukturen in die curriculare Struktur aufgenommen. Überdies hat der Zusammenschluss der Lehrenden der Berufs- und Wirtschaftspädagogik in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft eine Empfehlung für ein Basiscurriculum entwickelt, welches zwar nicht rechtlich bindend ist, aber rechtliche Grundlagen berücksichtigt (Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik 2014).

In Deutschland sind die Einschreibungen für die beruflichen Lehramtsstudiengänge in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen (Frommberger/Lange 2018, 21). Ursächlich für die sinkende Attraktivität der Berufsschullehrpersonenausbildung sind beispielsweise nach Dreher (2018) und Rothe (2006) die permanente Konkurrenz der Fachwissenschaften, da ein solches Studium beispielsweise im technischen Bereich zu häufig höheren Gehältern führen kann, und die fachlichen Bezugswissenschaften, z. B. die Ingenieurwissenschaften, die Studierende nur bedingt auf den Lehrberuf vorbereiten. Viele Bildungswissenschaftler bewegt daher die Frage nach der zukünftigen Haltbarkeit des hohen wissenschaftlichen Anspruches der deutschen Berufsschullehrpersonenausbildung.

Um dennoch die Nachfrage nach beruflichen Lehramtsstudiengängen zu erhöhen, werden diese zunehmend in Dauer und Aufwand verkürzt oder hybride Modelle der Verknüpfung von Berufsbildung und Studium angeboten. Die neuen hybriden Studiengänge haben an einigen Hochschulen zu neuer Attraktivität geführt, z. B. an den Universitäten Flensburg, Wuppertal, Siegen und der RWTH Aachen (Dreher 2019). Zu den neuen Modellen gehört auch die Möglichkeit der berufsbegleitenden Qualifizierung, bei denen bereits eine Lehrtätigkeit ohne pädagogische und didaktische Vorkenntnisse wahrgenommen wird (Dreher 2019). Ferner werden ebenso Quereinsteigermodelle angeboten, z. B. der Einstieg in den Lehrberuf nach einem fachspezifischen Bachelor.

5 Die Ausbildung der Berufsschullehrpersonen in der Schweiz und Deutschland im Vergleich

Gemäß der Darstellung in den vorherigen Kapiteln lassen sich grundsätzliche Unterschiede in den Ansätzen zur Berufsschullehrpersonenausbildung in der Schweiz und Deutschland erkennen (siehe Tabelle).

Tabelle 1:     Tendenzielle Unterschiede in der Berufsschullehrpersonenausbildung in Deutschland und der Schweiz

Kriterien

Schweiz

Deutschland

Gestaltungsparadigma

Berufspädagogische Zusatzqualifizierung (EHB oder PH, z. T. Universität) von höher qualifizierten Berufsfachkräften und von bereits diplomierten Lehrpersonen (Sekundarstufe I oder Gymnasium).

Qualitätssicherung durch hohen Praxisbezug (fachlich-akademische Ausbildung für Lehrpersonen an Berufsmaturitätsklassen).

Grundständiges akademisches Studium, das wissenschaftliche Qualifizierung mit Praxiserfahrung verknüpft.

Qualitätssicherung durch akademisches Studium.

Politisches Interesse

Gewährleistung einer Qualifizierung, die aufgrund des Teilzeitstudiums attraktiv bleiben soll (inkl. hohem Praxisbezug).

Sicherung der Qualifizierung auf Hochschulniveau (Vollzeitstudium).

Zugangsvoraussetzungen zum Studium

Berufsausbildung und umfangreiche Praxiserfahrung, i.d.R. Teilzeit-Unterricht in einer Berufsschule.

Für berufskundlichen Unterricht: mindestens Abschluss der Höheren Berufsbildung (Tertiär B).[9]

Für allgemeinbildenden Unterricht: Lehrdiplom Sek I an PH (Master) oder Hochschul-Fachstudium (Tertiär A).

Lehrdiplom an Berufsmaturitätsklassen: Hochschul-Fachstudium (Tertiär A) mit Lehrdiplom (+ 10 ECTS Berufspädagogik).

Abitur.

Keine Unterscheidung zwischen berufskundlichem und allgemeinbildendem Unterricht, Lehrperson qualifiziert sich für beides (mit Ausnahmen).

Ausbildung

Lehrperson im Hauptamt (60 ECTS).

Lehrperson im Nebenamt (10 ECTS).

Berufsbegleitendes Studium.

Fachstudium + berufspädagogisches Studium (300 ECTS).

(Zweiphasige Ausbildung, oft einschließlich Praktika.)

Berufsbegleitende Studien gibt es, sind aufgrund der geringeren Löhne im Beruf weniger attraktiv.

Herausforderungen

Wissenschaftliche Fundierung bei gleichzeitig zeitlich eingeschränkter Ausbildung.

Stark divergierende fachliche Vorbildung.

Praxiswissen kann häufig nicht abstrahiert werden.

Mangelhafter Praxisbezug im Hochschulstudium und zunehmend fehlende Berufsausbildung bei Lehrpersonen.

Steigerung der Attraktivität des Berufes und der dazu notwendigen Ausbildung, besonders im gewerblich-technischen Bereich.

(Quelle: Eigene Darstellung).

Grundlegend für die verschiedenen Ansätze innerhalb der Berufsschullehrerbildung sind ihre Gestaltungsparadigmen, welche auch das politische Interesse beider Länder diesbezüglich wiederspiegeln. Während in Deutschland die Akademisierung der Berufsschullehrpersonenausbildung in Form eines grundständigen Fachstudiums als Garant für eine hohe Ausbildungsqualität gesehen wird (KMK 2008), stellt sich die Situation in der Schweiz konträr dar: Hier garantiert der hohe Praxisbezug vor und während der berufspädagogischen Qualifizierung, der partiell auch zu einer Entakademisierung, z. B. der Handelslehrpersonenqualifizierung, geführt hat, die Qualität innerhalb der Lehrpersonenausbildung (Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF) 2007).

In Deutschland richtet sich das Interesse darauf, die Ausbildung der Berufsschullehrpersonen auf Hochschulniveau weiterhin zu erhalten, auch wenn dies verschiedene Kompromisse bezüglich der Ausbildungsgestaltung, der Zulassung zum Studium, aber auch der Zulassung zum Lehrberuf bei unterschiedlichen Qualifikationswegen erfordert. Die Schweiz baut demgegenüber auf eine kürzere, weitaus praxisnähere Ausbildung von Lehrpersonen in der beruflichen Bildung, die aufgrund des Teilzeitstudiums weiterhin attraktiv bleiben soll. Zudem wenden sich Vertreter der Organisationen der Arbeitswelt und Politik öffentlich gegen eine Akademisierung der Lehrpersonenausbildung.

Dem jeweiligen Paradigma folgend ergeben sich unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen. Ein wesentlicher Unterschied beider Länder besteht darin, dass sich in Deutschland die Lehrpersonen jeweils für den berufskundlichen sowie den allgemeinbildenden Unterricht gleichermaßen qualifizieren. In der Schweiz erfordern diese Lehramtstypen jeweils unterschiedliche Lehrdiplome, die verschiedene Zugangsvoraussetzungen bedingen (Tertiär B bzw. Tertiär A und eine Teilzeitanstellung an einer Berufsschule).

Die Berufsschullehrpersonenausbildung ist in der Schweiz im Rahmen eines berufsbegleitenden Studiums organisiert, in welchem jeweils das Lehrdiplom im Haupt- (60 ECTS) bzw. Nebenamt (10 ECTS) erworben werden kann. Herausfordernd sind hierbei u. a. die stark divergierende Vorbildung der Studierenden (Höhere Berufsbildung vs. Hochschulstudium) sowie die wissenschaftliche Fundierung innerhalb der relativ kurzen Ausbildungszeit (ca. 2 Jahre für Lehrpersonen im Hauptamt). Dagegen ist die Ausbildung für ein Berufsschullehramt in Deutschland i.d.R. auf ein Vollzeitstudium (300 ECTS) ausgerichtet. Eine Herausforderung des deutschen Ausbildungsweges ist die abnehmende Attraktivität des Berufes und der dazu notwendigen Ausbildung.

6 Herausforderungen für die Berufsschullehrpersonenbildung

Während sich in Deutschland die Rekrutierung von Berufsschullehrpersonen eher schwierig gestaltet, ist diese in der Schweiz vergleichsweise einfach. Ein wesentlicher Grund hierfür ist sicher, dass Berufsschullehrpersonen i.d.R. bereits eine Stelle an einer Berufsschule vorweisen müssen, bevor sie das entsprechende Studium an einer Schweizer Hochschule aufnehmen können. Somit wird die Rekrutierung der Lehrpersonen von den Berufsschulen selbst übernommen (Hof/Strupler/Wolter 2011, 2). Zudem ist auch der Zugang zu diesem Ausbildungsweg relativ einfach: Bewerben können sich Personen für die Ausbildung zur Berufskundelehrperson, die eine abgeschlossene Berufsausbildung und ein eidgenössisches Diplom (Tertiär B) vorweisen (s. Kapitel 3.1).

Generell gilt die Tätigkeit als Berufsschullehrperson in der Schweiz als attraktiv. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Berufsschullehrpersonen ebenso gut bezahlt werden wie für vergleichbare Tätigkeiten in der Wirtschaft bzw. wie Lehrpersonen anderer Schulstufen (EDK 2018, Hof/Strupler/Wolter 2011). Die entsprechende Nachqualifizierung wird von der Eidgenossenschaft flexibel gehandhabt. Der Studienabschluss, welcher den regulären Status als Berufsschullehrperson nach sich zieht, sollte innerhalb der ersten fünf Berufsjahre absolviert werden (BBV, Art. 40, 2). Die Lehrpersonen verfügen daher über eine gewisse zeitliche Flexibilität für den Erwerb des Abschlusses. Für den Fall, dass Lehrpersonen weniger als vier Stunden die Woche unterrichten (etwa 160 Stunden im Jahr), ist kein Studienabschluss erforderlich (BBV, Art. 47, 3).

Trotz der Attraktivität, welches das Schweizer Ausbildungsmodell infolge seiner Flexibilität und Praxisnähe aus Studierendensicht bietet, stellt sich die Frage nach einer ausreichenden wissenschaftlichen Qualifizierung der angehenden Berufsschullehrpersonen bei gleichzeitig stark eingeschränkter zeitlicher Ausbildung (vgl. Kapitel 3.). Die Inhalte der Ausbildungsberufe unterliegen heute schnellen Veränderungen, die zu veränderten Anforderungsprofilen führen, welche die Lehrpersonen adaptieren und unterrichtlich umsetzen müssen (Frommberger/Lange 2018). Vor diesem Hintergrund ist die kritische Reflexion und die adäquate Übertragbarkeit von Wissen auf neue Anforderungssituationen im Sinne einer beruflichen Handlungskompetenz unabdingbar. Allerdings müssen die Lehrpersonen hierfür über Wissen verfügen, welches abstrahiert werden kann und hauptsächlich durch wissenschaftliche Bildungsinstitutionen vermittelt wird. Insofern kann die gegebene Schweizer Ausbildungsqualifikation teilweise um eine qualifikatorische, wissenschaftliche Erweiterung als zweckbezogen angesehen werden.

In Deutschland wird trotz des bestehenden Lehrkäftemangels und zahlreicher Einschränkungen am Primat der universitären Berufsschullehrpersonenausbildung festgehalten. Lehrpersonenverbände und Erziehungswissenschaftler proklamieren, dass gerade die universitäre Berufsschullehrpersonenausbildung, die eine profunde Fachwissenschaft und Pädagogik beinhaltet, maßgeblich zur Qualität der Ausbildung der Lehrkräfte für das Lehramt an beruflichen Schulen beitrage. Der deutsche Ansatz sichere eine fachliche Kompetenz, welche eine Anpassung des Lehrens an immer kürzer währende Innovationszyklen gewährleiste. Dabei wird auch darauf verwiesen, dass das Berufsbildungssystem im europäischen Kontext nur mit universitär ausgebildeten Berufsschullehrkräften konkurrenzfähig sei. Der Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen und die Kommission Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften richten sich bis heute gegen Vorschläge der Kulturministerkonferenz, das Lehramtsstudium von den Universitäten an die Fachhochschulen zu verlagern. Damit steht die Lehrpersonenbildung in Deutschland zum einen vor der Herausforderung, die Rekrutierung von einer dem Bedarf an Berufsschulen entsprechenden Zahl Studierender zu sichern und zum anderen, deren Praxisnähe bzw. die Fähigkeit enge Praxisbezüge herstellen zu können, zu gewährleisten.

7 Implikationen für die Berufsschullehrpersonenbildung

Der Stifterverband, welcher eine Berufsschullehrpersoneninitiative mit einer bundesweiten Kick-off-Tagung in Dortmund startete, hat zur Sicherung des beruflichen Nachwuchses u.a. die nachfolgenden Forderungen aufgestellt (Stifterverband 2016, 195f.): „Monetäre Anreize […] schaffen; berufspraktische Tätigkeit organisatorisch in das Studium eingliedern; berufsbegleitendes Studium ermöglichen; geregelte Quereinstiegsmaster […] anbieten; Referendariat und Masterstudium eng verzahnen und die Ausbildungsdauer signifikant reduzieren; Studiengänge neu ausrichten, um Professionalisierung zu schaffen; berufliche Bildung politisch stärken.“ Weitere Initiativen zur Sicherung der Lehrpersonenbildung stammen vom Monitor Lehrerbildung (2017), der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW 2018), der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der SPD Bundestagsfraktion (AGBF 2016), der IG Metall und einiger Lehrpersonenverbände.

Generell stellt es eine Herausforderung dar, das Studium für das berufliche Lehramt selbst, aber auch die Rahmenbedingungen der beruflichen Tätigkeit, ansprechend zu gestalten, um ausreichend geeignete Bewerbende hierfür gewinnen zu können (s. Kapitel 6). Um das gesellschaftliche und politische Ansehen des beruflichen Lehramts zu stärken, sollte dieses an die Ausbildung des allgemeinbildenden Lehramts angepasst werden, damit eine äquivalente Anerkennung und Einstufung zwischen den Lehrkräften beider Schularten erreicht werden kann (Frommberger/Lange 2018). Die Ausgestaltung der Berufsschullehrpersonenausbildung sollte demnach inhaltlich herausfordernd, d.h. zumindest in Teilen auch wissenschaftlich, konzipiert sein (vgl. Vorbild Deutschland) und sich dem allgemeinbildenden Lehramt und einer vergleichbaren Tätigkeit in der Wirtschaft, wenn möglich auch im gewerblich-technischen Bereich, auch monetär anpassen (vgl. Vorbild Schweiz). Nach Frommberger und Lange (2018) ist die Gleichwertigkeit beider Lehrämter für die Rekrutierung von motivierten und qualifizierten Studierenden für das Berufsschullehramt eine bedeutende Voraussetzung.

Des Weiteren ergibt sich zunehmend in der Berufsschullehrpersonenausbildung die Problematik, dass es Lehrpersonen ohne umfassende Berufserfahrung gibt (in der Schweiz eher ABU-Lehrpersonen). Für zukünftige Berufsschullehrkräfte resultiert daraus, dass die Analyse, Strukturierung und didaktische Aufbereitung von Arbeitsprozesswissen eine bestimmende Rolle bei der Planung und Durchführung des handlungskompetenzorientierten Unterrichts einnimmt. Eine „gute“ Berufsschullehrperson muss zudem die domänenspezifische Arbeitswelt mit ihren Prozessen durchdringen können (Niethammer/Hartmann 2015). Um diese und weitere Kompetenzen bei den Studierenden während des Lehramtsstudiums zu entwickeln, ist es jedoch notwendig, dass diese einen fundierten Einblick in mindestens einen Beruf haben, damit sie selbstständig umfangreiche und verantwortungsvolle Arbeitsaufträge in verschiedenen Tätigkeitsfeldern in einem Betrieb durchführen können (Flade/Hartmann/Umlauft 2015).

Zur besseren Koordination von Theorie und Praxis im Studium werden vornehmlich in Deutschland immer wieder verschiedene Modellversuche durchgeführt. Die Fakultät für Erziehungswissenschaft der Technischen Universität Dresden hat mit dem Pilotprojekt „Kooperative Ausbildung im Technischen Lehramt (KAtLA)“ ein Studienmodell konzipiert und erprobt, anhand dessen sich eine erfolgreiche Verbindung von wissenschaftlicher und beruflicher Bildung empirisch nachweisen lässt. Die Studierenden können hierbei parallel zum Studium eine berufliche Ausbildung absolvieren. Die folgenden Zukunftsmodelle für das berufliche Lehramt wurden im Pilotprojekt identifiziert (Niethammer/Hartmann 2015, 206): 1. Lehramtsstudium mit drei- bzw. dreieinhalbjähriger Berufsausbildung (Variante 1), 2. Lehramtsstudium mit zweijähriger Berufsausbildung (Variante 2) und 3. Lehramtsstudium mit strukturierten beruflichen Praktika (Variante 3). Der Abschluss kann über externe Prüfungen bei einer Kammer erlangt werden. In den Jahren 2017 und 2018 haben die ersten Studierenden das neue Studienprogramm abgeschlossen (Niethammer/Hartmann 2015).

Eine weitere Möglichkeit, den Bedarf an Lehrpersonen der beruflichen Schulen zu decken, wäre vor allem das deutsche Ausbildungsmodell durch Quereinstiegs- bzw. Seiteneinstiegsmodelle – ähnlich dem Regelweg zur Berufsschullehrperson in der Schweiz – zumindest teilweise weiter zu öffnen. Bisher ist der Quereinstieg mit einschlägigem fachbezogenem Master (ohne Lehramtsbezug), aus dem sich zwei Fächer ableiten lassen, in den Vorbereitungsdienst sowie der Seiteneinstieg mit einschlägigem fachbezogenem Master (ohne Lehramtsbezug) in den Schuldienst möglich (Frommberger/Lange 2018). Hier wäre beispielsweise über die Anerkennung von erbrachten Vorleistungen aus etablierten beruflichen Tätigkeiten nachzudenken. Tenberg (2015, 482) gibt allerdings in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass durch die „der Not geschuldeten Abkürzungen“ der Professionalisierungsgrad einer regulär ausgebildeten Lehrperson nicht erreicht werden könnte.

8 Fazit

Die Lehrpersonenbildung – wie auch die Ausbildung von Berufsschullehrpersonen – wird aufgrund ihres ständigen Reformbedarfs in der bildungspolitischen Diskussion auch als „Dauerbaustelle“ bezeichnet (Terhart 2012, 4). In Bezug auf die berufliche Bildung beeinträchtigt insbesondere die Vielzahl der unterschiedlichen Stakeholder (z. B. Politiker, Wirtschaftsvertreter, Gewerkschaften, Organisationen der Arbeitswelt,[10] Lehrpersonen etc.) einschließlich deren verschiedenartiger Ansprüche und Interessenlagen die Konsensfindung hinsichtlich der Reformierung der Lehrpersonenausbildung. Erschwerend kommt hinzu, dass die bildungspolitischen Ansprüche und Kompetenzen stetig zunehmen, die vorhandenen Bildungsinhalte und Kompetenzen nicht obsolet werden, jedoch die Ausbildungszeiten nicht ansteigen sollen (Frommberger/Lange 2018).

Zukünftig stehen die Schweiz und Deutschland weiterhin vor der Herausforderung, die Attraktivität ihrer Ausbildungsmodelle für Berufsschullehrpersonen zu erhalten bzw. zu erhöhen, um möglichem Lehrpersonenmangel vorzubeugen und dabei ihre Ausbildungsinhalte den künftigen Anforderungen „guter“ im Sinne handlungskompetenter Berufsschullehrpersonen anzupassen. Hierbei wird vor allem das im Spannungsfeld stehende Verhältnis von wissenschaftlicher Qualifizierung und ausreichender praktischer Erfahrung, welches zu den differierenden Gestaltungsparadigmen innerhalb der Ausbildung von Berufsschullehrpersonen geführt hat, austariert werden müssen. Ob dies unter Umständen eine gewisse Annäherung beider Ausbildungsansätze zueinander bedeuten wird, bleibt abzuwarten. Eines ist jedoch gewiss: Die Ausbildung von Lehrpersonen an beruflichen Schulen wird auch in Zukunft – in Deutschland wie auch in der Schweiz – eine „Dauerbaustelle“ bleiben.

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[1]    In der Schweiz wird seit der Einführung des neuen Berufsbildungsgesetzes im Jahre 2004 die Bezeichnung Berufsfachschule“ und demzufolge auch Berufsfachschulehrperson“ sowie berufliche Grundbildung“ verwendet. Zur Erhöhung der Lesbarkeit wird in diesem Artikel durchgängig die Bezeichnung Berufsschule bzw. Berufsschullehrperson und Ausbildung verwendet.

[2]    https://www.ehb.swiss/project/berufsfelddidaktik (11.05.2019).

[3]    An der PH Luzern gibt es keine Diplomstudiengänge für allgemeinbildenden Unterricht.

[4]     Ein ECTS-Punkt entspricht einem Arbeitsumfang von rund 30 Lernstunden.

[5]    Zur Unterscheidung aller Lehrdiplome für Berufsschulen s. Kapitel 5.3.1 bis 5.3.8 unter http://doku.berufsbildung.ch/download/dokubb/html/sites/5.3.1.html, 11.06.2019.

[6]     Das Unterrichtsfach W&G setzt ähnlich wie „der ABU“ auf fächerverbindende Komponenten aus den Bereichen Betriebswirtschaftliche Zusammenhänge, Recht und Staat, Gesamtwirtschaftliche und –gesellschaftliche Zusammenhänge sowie Finanzwirtschaftliche Zusammenhänge, die vernetzt unterrichtet und geprüft werden. Im Rahmen der Berufsmaturität wird das Fach W&G durch die Fächer W&R und Finanz- und Rechnungswesen ersetzt.

[7]     Die Zulassungsbedingungen unterscheiden sich in Bezug auf die eingeschlagene Fachrichtung sowie zwischen den einzelnen Ausbildungsstätten. Die Bildungsinstitute stellen z. T. zusätzliche Anforderungen. Über Details informieren die Bildungsinstitutionen.

[8]    https://www.sbfi.admin.ch/sbfi/de/home/bildung/berufsbildungssteuerung-und--politik/berufsbildungsverantwortliche/berufspaedagogische-bildungsgaenge.html, (11.06.2019).

[9]    https://www.sbfi.admin.ch/sbfi/de/home/bildung/diploma/anerkennungsverfahren-bei-niederlassung/verfahren-beim-sbfi/haeufig-gestellte-fragen--faq-/schweizerisches-bildungssystem.html (11.05.2019).

[10]   Sie gestalten in der Schweiz als Träger der Berufsbildung deren Entwicklung mit.

Zitieren des Beitrags

Barabasch, A./Fischer, S. (2019): Die Berufsschullehrpersonenausbildung in der Schweiz und in Deutschland. In bwp@ Spezial 16: Berufsfelddidaktik in der Schweiz, hrsg. v. Barabasch, A./Baumeler, C., 1-17. Online: https://www.bwpat.de/spezial16/barabasch_fischer_spezial16.pdf (18.11.2019).