bwp@ Spezial PH-AT1 - November 2020

Österreichs Berufsbildung im Fokus der Diversität – Berufspädagogische For­schung an Pädagogischen Hochschulen

Status quo, Herausforderungen und Implikationen

Hrsg.: Karin Heinrichs, Sabine Albert, Johanna Christa, Norbert Jäger & Ramona Uhl

Job Shadowing – ein erster Schritt im Rahmen der Trialen Berufsfeldvorbereitung. Erkenntnisse der Berufsvorbereitung im Rahmen des BLuE-Hochschulprogramms

Beitrag von Jürgen Bauer, Johann Lehrer & Günter Wohlmuth
Schlüsselwörter: Triale Berufsfeldvorbereitung, Stufenmodell, Job Shadowing, BLuE-Hochschulprogramm, qualitatives Design

Der Dreischritt-Ansatz der Trialen Berufsfeldvorbereitung ist im Umfeld des BLuE-Hochschulprogramms der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig erarbeitet worden. BLuE steht für Bildung, Lebenskompetenz und Empowerment und ermöglicht Menschen mit kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen im Rahmen einer vierjährigen Ausbildung an tertiärer Bildung teilzuhaben. Der in der vorliegenden Forschung empirisch untersuchte Bereich des Job Shadowing ermöglicht den BLuE-Studierenden, wie die Teilnehmer_innen des Hochschulprogramms bezeichnet werden, erste berufliche Erfahrungen zu sammeln, in dem sie als Beobachtende Berufsfelder kennenlernen. Im Fokus der Untersuchung stehen Forschungsinteressen wie Gelingensbedingungen (wie Raum, Zeit und Betreuungsdichte) sowie Erwartungshaltungen an das Job Shadowing aus Sicht der BLuE-Studierenden und der Praktikumsbetreuungspersonen, mit dem Ziel, mögliche Verbesserungen für die Triale Berufsfeldvorbereitung zu generieren. Interviews mit BLuE-Studierenden und deren Betreuer_innen – Lehrende und Verwaltungspersonen der Pädagogischen Hochschule – werden im Sinne der Aktionsforschung mittels Reflexions-Aktions-Kreisläufen nach Altrichter, Posch und Spann (2018) interpretiert und Aktionsideen formuliert.

Job Shadowing – A first step in the framework of the Triale Berufsvorbereitung (three-fold approach to occupational field preparation). Insights into occupational field preparation acquired within the framework of the BLuE higher education program

English Abstract

The Dreischnitt-Ansatz of the Triale Berufsfeldvorbereitung (three-fold approach to occupational field preparation) was developed within the University of Education Stefan Zweig’s BLuE program. BLuE stands for Bildung (education), Lebenskompetzenz (life skills) and Empowerment (empowerment). The program allows people with cognitive or psychological disabilities to participate in a four-year tertiary education course. The field of job shadowing, as empirically examined in this study, will enable BLuE students, to gain first vocational experience by experiencing specific occupational fields as spectators. The study will focus on the following research questions: key success factors (such as space, time and intensity of support) and expectations concerning Job Shadowing on the part of the BLuE students and their internship supervisors. The goal is to generate improvements for the Triale Berufsfeldvorbereitung (three-fold approach to occupational field preparation). Interviews with BLuE students and their mentors – teachers and administrative personnel of the University of Education – will be interpreted in accordance with action research, using Altrichter, Posch and Spann’s (2018) model of reflection-action-cycles. Ideas for action will be formulated in accordance with the collected data.

1 Theoretische Grundlagen – BLuE-Hochschulprogramm

An dieser Stelle sei die soziale und gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen im Allgemeinen und jener, die Partner des BLuE-Hochschulprogramms sind, im Besonderen in den Blick genommen. Unternehmen, so sie zukunftsfähig sein wollen, sind getragen von einer hohen sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung. Diesen ethischen und unternehmensphilosophischen Ansatz – auch Corporate Social Responsibility (CSR) genannt – zu realisieren und damit im betrieblich operativen Bereich zu verankern, ist sowohl Voraussetzung für den ökonomischen als auch für den bildungs- und gesellschaftspolitischen Erfolg von zukunftsfähigen Gesellschaften. Aus Sicht der Autoren des vorliegenden Beitrages versteht sich die ökonomische Verantwortung als Grundlage für Integration bzw. Inklusion, wird jedoch nicht immer in den Blick genommen.

Anders im BLuE-Hochschulprogramm der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan-Zweig, das sich als inklusives tertiäres Angebot an Personen mit psychischer oder kognitiver Beeinträchtigung richtet, die über keine Hochschulreife verfügen und mindestens 18 Jahre alt sind. Das BLuE-Programm wurde nach dem Vorbild des ,University Participant Program (UP)‘ der Western Carolina University (WCU) entwickelt (Schneider-Reisinger et al. 2018, 329) und im Oktober 2017 das BLuE-Hochschulprogramm mit zwei Personen gestartet.

Da es für Menschen mit Behinderung ist oftmals notwendig ist, über einen Formalabschluss zu verfügen, zielt das BLuE-Hochschulprogramm auf die Vermittlung von Kompetenzen ab, die es den BLuE-Studierenden bzw. -Absolvent_innen ermöglichen, eine „[…] integrative Berufsausbildung im Sinne einer fachlichen Ausrichtung und Vertiefung […]“ (Bauer/Lehrer/Wohlmuth 2018, 112) nach Absolvierung der Ausbildung an der Hochschule in einem der genannten Assistenzberufe anzustreben (vgl. Bauer/Lehrer/Wohlmuth 2018, 112).

BLuE ist eines von wenigen europäischen inklusiven Hochschulprogrammen, welches besonders auf Menschen mit kognitiven und/oder sozial-emotionalen Beeinträchtigungen fokussiert ist. „BLuE soll ihnen eine Teilhabe am hochschulischen Leben und Lernen ermöglichen.“ (Schneider-Reisinger et al. 2018, 330) Dabei ist nicht die Erlangung eines Lehramtes vorgesehen. BLuE steht vielmehr für Bildung, Lebenskompetenz und Empowerment. Ein zentrales Element von Empowerment ist unzweifelhaft die Selbstbestimmung, „… zudem gibt es jedoch zwei weitere Bezugswerte, die sog. Verteilungsgerechtigkeit und die demokratische und kollaborative Partizipation, die untrennbar mit dem Autonomiegedanken verbunden sind und Empowerment als Vehikel zur menschlichen und politischen Emanzipation ausweisen.“ (Theunissen/Plaute 2002, 9) BLuE verfolgt deshalb die nachstehenden Ziele: Die BLuE-Teilnehmer_innen, im folgenden BLuE-Studierende genannt, sollen auf ihrem Weg in ein unabhängiges und inklusives Leben, auf dem Weg zur Teilhabe an Gesellschaft, Bildung und Arbeit (trotz oder wegen ihrer Beeinträchtigung) begleitet und vorbereitet werden. Um die vier miteinander korrespondierenden Teilhabeformen, wie Teilhabe am System gesellschaftlicher Arbeitsteilung, Teilhabe in informellen sozialen Nahbeziehungen, Teilhabe durch soziale, bürgerliche und politische Rechte sowie kulturelle Teilhabe (Bartelheimer, 2007) zu ermöglichen, benötigt es „…individuelle[r] Fähigkeiten und gesellschaftliche[r] Bedingungen.“ (Gerland/Niediek 2018, 294)

Die Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen sind vielfältig. Hinz und Boban unterscheiden folgende Anstellungsmöglichkeiten: „Aufnahme einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, Beschäftigung in Integrationsfirmen oder Integrationsabteilungen, Beschäftigung in Werkstätten für Behinderte und Betreuung in Tagesförderstätten.“ (Hinz/Boban 2001, 19) Das Format des BLuE-Studiums an der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig priorisiert die Integration bzw. Inklusion der Absolvent_innen des BLuE-Programms am allgemeinen Arbeitsmarkt, dies ist auch in der Curriculumsarchitektur grundgelegt. Oberste Prämisse von BLuE ist die Ermöglichung von Bildung, die Stärkung von Lebenskompetenz sowie Empowerment, was auf eine individuelle, an Stärken und Schwächen gebundene, berufliche Bildung in Richtung pädagogischer Assistenz, Assistenz in Tourismusberufen und Assistenz für Bürotätigkeit vorbereiten soll (vgl. Pädagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig 2020). Die Triale Berufsfeldvorbereitung ist als dreistufiger Prozess konzipiert, „[…] der die Berufsanwärter_innen auf den Übertritt in den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet.“ (Bauer/Lehrer/Wohlmuth 2018, 106), und zwar je nach Interesse BLuE-Studierende auf eine Ausbildung in einem von vier Assistenzberufen (Büroassistent_in, Dienstleistungsassistent_in, Pädagogische_r Assistent_in sowie Tourismusassistent_in) vorbereiten. Bei diesen vier Assistenzberufen, die mit dem Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) entwickelt wurden, handelt es sich um vollwertige Lehrberufe. Sie stellen keine Teilqualifizierung im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes nach § 8b dar (Schneider-Reisinger et al. 2020, 303).

Das achtsemestrige BLuE-Hochschulprogramm fußt auf einem Curriculum zu den Bereichen Persönlichkeitsentwicklung, Leben in der Gesellschaft, akademische Entwicklung, soziale Teilhabe, Arbeit und vieles mehr (vgl. Pädagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig 2020).

„Eine Hochschule, die sich als inklusive verstehen möchte, muss zunächst ihre Zugangsbarrieren überprüfen. Soll das Studium für die, die den Zugang erlangt haben, inklusionssensibel verlaufen, so geht es neben der Beseitigung struktureller Barrieren um die Gestaltung einer inklusiven Hochschuldidaktik.“ (Platte/Werner/Vogt 2018, 13) Dies wurde im BLuE-Hochschulprogramm berücksichtigt. So werden pro Studienjahr zwei Studienplätze ausgeschrieben. Insgesamt stehen acht Studienplätze zur Verfügung. Die Interessent_innen bewerben sich und werden zu einem Gespräch eingeladen, um ihre Vorstellungen von einem unabhängigen Leben und von ihren Berufsperspektiven darzulegen. Neben grundlegenden Fähigkeiten in den Bereichen Lesen und Schreiben werden auch Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien (Computer und Mobiltelefon) vorausgesetzt, um das BLuE-Hochschulprogramm erfolgreich absolvieren zu können (vgl. Pädagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig 2020). Für die BLuE-Studierenden werden reguläre Veranstaltungen der Lehramtsausbildung geöffnet, die je nach Interesse und beruflicher Perspektive bzw. beruflichem Interesse gewählt werden. Hier werden persönlichkeitsbildende Lehrveranstaltungen ebenso absolviert, wie fachspezifische Angebote, die sich u.a. mit digitalen Medien beschäftigen. Das Studienangebot gliedert sich wie folgt: 1. Jahr: Eingangsphase und Orientierung, 2. Jahr: Grundbildung individueller Basiskompetenzen, 3. Jahr: individuelle Schwerpunktbildung, 4. Jahr: Vertiefung im Schwerpunkt und Berufsübergang. Außerdem wird in jedem Studiensemester ein Praktikum absolviert.

Die Stundenpläne werden somit individuell von Semester zu Semester gestaltet. Entwicklungsdialoge, zu denen die BLuE-Studierenden Personen ihres Vertrauens mitbringen können, ermöglichen nicht nur einen Rückblick auf Gelungenes, sondern dienen dazu, gemeinsame Zielsetzungen festzuschreiben, auch was die Auswahl künftiger Lehrveranstaltungen betrifft. Neben dem Studium spielt die Teilhabe am hochschulischen Leben und das individuelle Lernen eine wichtige Rolle. Zur Unterstützung stehen hier Tutor_innen zur Verfügung, die neben der gemeinsamen Gestaltung von Stundenplan und Freizeit auch die Verantwortung für die Nachbereitung diverser Lehrveranstaltungen tragen. Abgeschlossen wird das Hochschulprogramm durch die Verleihung eines BLuE Zertifikats (vgl. Pädagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig 2020).

Eine der wesentlichen Gelingensbedingungen für das Hochschulprogramm (BLuE) ist eine positive Grundhaltung zum Konzept der Diversität und Inklusion aller Mitarbeiter_innen sowie der Studierenden, die sowohl durch deren Engagement als auch durch die Organisationsarchitektur der tertiären Bildungseinrichtung sichtbar wird. Die inklusionsbejahende Haltung der Projektbeteiligten sowie das Vorhandensein „einer reflexiven Professionalität“ (Bylinski et al. 2018, 110), sind insofern von eminenter Bedeutung, als „[a]ngenommen wird, dass die Überzeugungen und eine inklusionsbejahende Haltung der Lernenden [Anmerkung: hier Projektbegleitenden…] konstitutiv für die Lernprozesse der Lernenden sind.“ (Bylinski et al. 2018, 110) Erst professionelle an einer inklusiven Haltung orientierte Interaktion von Projektbeteiligten, ermöglicht einen individuellen Lernzugang. Inklusives pädagogisches Handeln, grundgelegt durch die bereits angedeutete hohe Professionalität der Projektbegleitenden, sichert eine Lernbegleitung entlang der individuellen Lernbedürfnisse der BLuE-Studierenden. Demzufolge wurde an der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig ein Behindertenbeauftragter installiert. Zudem werden alle Studierenden im Rahmen ihrer Lehramtsausbildung mit den Themen Diversität und Inklusion und damit mittelbar mit dem Hochschulprogramm BLuE konfrontiert. So wird Bildung „[…] ,sozial‘ konnotiert […], wobei „BLuE“ als paradigmatisch für den gesamten Bildungs- und Lebensraum [an der] Pädagogischen Hochschule […] verstanden wird.“ (Schneider-Reisinger et al. 2020, 297)

Die Triale Berufsfeldvorbereitung, als Teil des BLuE Hochschulprogramms, ist, wie oben erwähnt, nicht primär ausgerichtet auf den Erwerb einer Lehrbefähigung. Vielmehr wird Bildung als dialogischer Prozess (vgl. Schneider-Reisinger et al. 2020, 297) verstanden und zielt neben einer fachlich-beruflichen Orientierung, die in den jeweiligen Modulen durch eine starke prozessorientierte Begleitung gekennzeichnet ist, auf die Stärkung einzelner Kompetenzen ab. Der dialogische Prozess erfordert eine individuelle und doch rollengerechte sprachliche Nähe und Distanz bei der gemeinsamen Erarbeitung von Zielen, der Evaluierung von Arbeitsleistungen sowie eine auf die Möglichkeiten und Bedürfnisse der Projektbeteiligten abgestimmte individuelle Feedbackkultur. Formalisierte Gespräche, z. B. Evaluierungen, aber auch spontan-anlassbezogene, werden in Form von Entwicklungsdialogen (vgl. Schneider-Reisinger et al. 2020, 299) mit dem Ziel geführt, „[…] die Mündigkeit der*des Studierenden zu fördern, d. h. als Anregung die Tendenz zur Fähigkeit, Befähigung und tatsächlichen Ermöglichung von Handeln und Urteilen sowie dem (unterstützten) ,Aushalten‘ ihrer Effekte und Folgen.“ (Schneider-Reisinger et al. 2020, 299)

Berufliche Bildung im Rahmen des Hochschulprogramms muss sich der Herausforderung von Diversität und Heterogenität der Teilnehmenden stellen, und gleichzeitig die zentralen Ziele (individuelle selbstbestimmte Regulationsfähigkeit, die Sicherung der Humanressourcen einer Gesellschaft sowie Chancengleichheit…) beruflicher Bildung im Sinne einer künftigen gesellschaftlichen Teilhabe fokussieren (vgl. Heinrichs/Reinke/Ziegler 2018, 222). Die Ausbildung bzw. Stärkung einer Personal- bzw. Selbstkompetenz sowie einer Sozialkompetenz erscheinen für eine nachhaltige und zukunftsfähige Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt von großer Bedeutung. „Bildung, Leben und Praxis (in all ihren Formen, d. h. auch als Erwerbsarbeit), sind nicht zu fragmentieren, sondern zum Zwecke der Selbstbestimmung und umfassenden Partizipation aufeinander zu beziehen.“ (Schneider-Reisinger et al. 2020, 298)

2 Triale Berufsfeldvorbereitung

Die Triale Berufsfeldvorbereitung verläuft in drei Phasen, eine davon ist das Job Shadowing, auf dessen Gelingensbedingungen der vorliegende Artikel fokussiert. Um das Job-Shadowing einordnen zu können, wird zuerst das Konzept der Trialen Berufsvorbereitung vorgestellt.

2.1 Definition

Der Dreischritt-Ansatz der Trialen Berufsfeldvorbereitung ist im Umfeld des BLuE-Hochschulprogramms der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig erarbeitet worden. Der berufsvorbereitende Dreischritt definiert sich wie folgt: „Die Triale Berufsfeldvorbereitung versteht sich als dreistufiger Prozess, der die Berufsanwärterinnen und -anwärter auf den Übertritt in den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet. Dieser Dreischritt ist definiert über ein erstes Erkunden unterschiedlicher Berufsfelder durch das Job Shadowing, ein erweitertes Kennenlernen von Berufen im Rahmen eines Orientierungspraktikums und die individuelle berufliche Professionalisierung durch die Wirtschaftsintegrative Berufsvorbereitung.“ (Bauer/Lehrer/Wohlmuth 2018, 106)

Abbildung 1: Triale BerufsfeldvorbereitungAbbildung 1: Triale Berufsfeldvorbereitung

Die Begriffe Job Shadowing, Orientierungspraktikum und Wirtschaftsintegrative Berufs-vorbereitung sowie jene Rahmenbedingungen und Maßnahmen des Konzepts werden nachfolgend genauer vorgestellt. Die Triale Berufsfeldvorbereitung – entwickelt und realisiert von den drei Autoren des Beitrags an der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig – versteht sich als begleitendes Konzept der beruflichen Überleitung unerheblich, ob für Menschen mit oder ohne Beeinträchtigung. Allerdings muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass trotz rückläufiger Arbeitslosenzahlen Personen mit Behinderung bzw. Beeinträchtigung weiterhin überproportional vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden (vgl. Doose 2016, 449), weil „[…] die meisten Menschen mit Lernschwierigkeiten als kaum vermittelbar“ (Theunissen 2013, 19) gelten. Hier setzt die Triale Berufsfeldvorbereitung an. Ein weiteres Ziel des BLuE-Hochschulprogramms ist die Vermittlung der BLuE-Studierenden in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dafür bedarf es neben der beruflichen Orientierung auch einer beruflichen Grundbildung. Der Dreischritt (siehe Abbildung 2) wird je nach Möglichkeiten und Fähigkeiten der jeweiligen BLuE-Studierenden durchlaufen. Das bedeutet, dass das Stufenmodell zwar im Rahmen der vier Studienjahre absolviert wird, das Tempo wird aber individuell bestimmt.

Abbildung 2: Stufenmodell der Trialen BerufsfeldvorbereitungAbbildung 2: Stufenmodell der Trialen Berufsfeldvorbereitung

Im ersten Schritt und somit im ersten Studienjahr werden Arbeitsbereiche, im Regelfall aus den Bereichen Administration, Planung und Lehre, mittels Job Shadowing erkundet. Job Shadowing ermöglicht den BLuE-Studierenden erste berufliche Erfahrungen zu sammeln, in dem sie als „Schatten“ Menschen in ihrem beruflichen Feld begleiten und beobachten. Die BLuE-Studierenden durchlaufen also mindestens zwei Semester diese Phase und beobachten jene Personen, die sie ein Semester begleiten und erkunden in deren Arbeitsbereichen und lernen so deren Berufsfeld bzw. den Beruf kennen. Im Gegensatz zu einem Praktikum arbeiten die Beobachtenden also nicht selbst mit (vgl. RWTH Aachen 2020). Dies hat sich allerdings im Laufe der Durchführung als Herausforderung dargestellt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die BLuE-Studierenden nicht ein ganzes Semester untätig ihrer bzw. ihrem Praktikumsbetreuer_in über die Schulter schauen, sondern selbst aktiv werden wollen. Diese Erkenntnis bewog die Autoren zum hier dargestellten Forschungsvorhaben. Es stellt sich die Frage, ob ein Job Shadowing ohne aktives Zutun über einen so langen Zeitraum Sinn macht. Diese Frage wird bei der Interpretation der empirischen Befunde noch diskutiert. Das Job Shadowing ermöglicht aber auch andererseits, dass die Praktikumsbetreuer_innen, die ihnen anvertrauten BLuE-Studierenden über ein Semester begleiten, beobachten und deren Lernbereitschaft sowie deren Fähigkeiten und Fertigkeiten einschätzen können. Die Ergebnisse fließen in die jeweiligen Entwicklungsdialoge, bei denen neben den BLuE-Studierenden gegebenenfalls die Begleitperson ihrer Wahl und Mitglieder des BLuE-Kernteams anwesend sind, ein. Das Kernteam besteht aus Lehrenden, die für die Bereiche Curriculum, Stundenplan, Praktikum, Tutorium und Gesamtleitung BLuE verantwortlich zeichnen. Sie bestimmen nicht nur die Wahl des nächsten Praktikumsortes, sondern haben auch einen Einfluss, welche Praktikumsorte gesucht werden müssen, welche Arbeitsbereiche angeboten werden können, aber auch, welche Lehrveranstaltungen im kommenden Semester besucht werden könnten.

Das BLuE-Programm aber umfasst weitere Praktikumsphasen. Nach dem Job-Shadowing sind Orientierungspraktika an der Hochschule (Bibliothek, Mensa etc.) wie auch an externen Einrichtungen (Schulen, Kindergärten, Firmen etc.) vorgesehen. Diese dienen den BLuE-Studierenden dazu, jene Arbeitsfelder zu erkunden, die im Rahmen der genannten Assistenzberufe gewählt werden können. Die BLuE-Studierenden machen hier erste Erfahrungen im Bereich der pädagogischen Betreuung, der Gastronomie, der Verwaltung und im Bereich der Dienstleistung. Das Orientierungspraktikum kann sich je nach Interesse, Bedarf und Notwendigkeit über mehr als zwei Semester erstrecken. Im Regelfall beginnt im dritten, spätestens im vierten Studienjahr die Wirtschaftsintegrative Berufsvorbereitung als dritte Praktikumsphase. Diese dient der Hinführung an eine berufliche Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt, im Regelfall bei potentiellen Arbeitgeber_innen. Hier wird mit dem Arbeitsmarktservice sowie dem Sozialministeriumsservice kooperiert, da es einerseits für die Betriebe um eventuelle Förderungen und andererseits für die zukünftigen Arbeitnehmer_innen um etwaige Unterstützung am Arbeitsplatz geht.

2.2 Bildungs- und Praktikumsbegleitung

Den BLuE-Studierenden wird im Rahmen aller Praktika der Trialen Berufsfeldvorbereitung auf drei Ebenen eine Unterstützung zu Teil. In der ersten Ebene stehen den BLuE-Teilnehmenden zwei Personen als Gesamtpraktikumsverantwortliche als Ansprechpersonen zur Verfügung. Während des Programms werden die BLuE-Studierenden zudem von den Praktikumsbetreuerinnen und -betreuern begleitet. Für das Ausfüllen des Praktikumstagebuches, die Nachbesprechung der im Praktikum gewonnen Eindrücke sowie die Erstellung von Bewerbungsunterlagen stehen Tutor_innen, die sich ausschließlich dem Praktikum widmen, bereit. Somit kann im Rahmen der Trialen Berufsfeldvorbereitung von einer professionellen unterstützenden Begleitung auf drei Ebenen gesprochen werden.

Während jedoch das in den USA entwickelte Modell des Supported Employment (SE) den Fokus auf eine rasche Rehabilitation und unmittelbare, d. h. direkte Wiedereingliederung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in den ersten Arbeitsmarkt legt, nach dem Prinzip „first place, then train“ (vgl. Rüst/Debrunner 2005, 11), ist das von Bauer, Lehrer und Wohlmuth entwickelte Hochschulmodell einer Trialen Berufsfeldvorbereitung pädagogisch weitreichender (vgl. Niehaus/Baumann 2016). SE, ein Modell der Arbeitsintegration, das als erste Vorlage für die Entwicklung der Trialen Berufsfeldvorbereitung herangezogen wurde, ist gekennzeichnet durch ursprünglich vier Faktoren:

  • Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt
  • bezahlte Arbeitsleistung
  • langfristige Unterstützung durch einen Job Coach am Arbeitsplatz
  • first place then train (direkte Platzierung) (vgl. Debrunner 2016, 544; 2016, 546; 2017, 143)

Der Kern des BLuE-Hochschulprogramms wird nicht vordergründig im Erlernen von Berufskompetenzen bzw. Hard Skills gesehen, vielmehr geht es darum, die Programmteilnehmenden bei der beruflichen Überleitung zu begleiten und zu unterstützen sowie mit personalen Kompetenzen auszustatten, die für sie künftig für die Bewältigung von Herausforderungen sowohl im hochschulischen als auch im betrieblichen Bildungskontext erforderlich sind. Hier sind folgende Kompetenzen zu nennen: digitale Kompetenz, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Reflexionsfähigkeit, aber auch eine entsprechende Resilienz, die im beruflichen Feld von entsprechender Bedeutung ist.

Die prozessorientierte Begleitung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den einzelnen Modulen (Job Shadowing, Orientierungspraktikum, Wirtschaftsintegrative Berufsvorbereitung) soll optimal und nachhaltig für den nachfolgenden Eintritt in den ersten, allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereiten. Dies kann eine Ein- bzw. Wiedereingliederung betreffen.

Neben einer fachlich-beruflichen Orientierung stehen berufliche Identitätsfindung und Persönlichkeitsstärkung im Rahmen des BLuE-Hochschulprogramms als wesentliche Gelingensfaktoren schon zu Beginn der Ausbildung im Vordergrund. Die Beschäftigung, ja Konfrontation mit dem Selbst- und Fremdbild ist für die Teilnehmer_innen eine wichtige Herausforderung und die damit verbundene Stärkung der Personal- bzw. Selbstkompetenz von großer Bedeutung für die erfolgreiche Integration am Arbeitsmarkt. Das Erkennen und Sichtbarmachen einer individuellen Motivation, eigener Handlungsmöglichkeiten (vgl. Rüst/Debrunner 2005, 21), aber auch Einschränkungen sowie der Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbeziehung sind einige von vielen wesentlichen Zielen der Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig (vgl. Rüst/Debrunner 2005, 13). Den teilnehmenden Personen kommt insofern eine aktive Rolle im Kooperationsprozess zu, als sie sich auf den individuellen Prozess einlassen müssen, um erfolgreich ihre persönliche und berufliche Zukunft zu gestalten. Hervorgehoben sei an dieser Stelle, dass den begleitenden Hochschullehrpersonen eine besondere Verantwortung bei der emotionalen, evaluativen und informativen Unterstützung der BLuE-Studierenden zukommt, deren Bedeutung für den Erfolg des Programms wissenschaftlich hinreichend belegt ist (vgl. Rüst/Debrunner 2005, 26f).

2.3 Rahmenbedingungen einer erfolgreichen Arbeitsmarktinklusion

Das Berufsausbildungsgesetz (BAG) (RIS 2017) ermöglicht Jugendlichen mit Behinderungen und sonderpädagogischem Förderbedarf den Zugang zur dualen Ausbildung (Betrieb und Berufsschule) in Form einer integrativen Berufsausbildung (vgl. Bauer/Lehrer/Wohlmuth 2018, 112). Die Möglichkeit einer derartigen Berufsausbildung ist vorgesehen für Jugendliche (aber auch junge Erwachsene) ab der 10. Schulstufe, „a) [… die] in der Pflichtschule […] sonderpädagogischen Förderbedarf hatten, b) […] ohne bzw. mit negativem Pflichtschulabschluss oder c) […] mit Behinderung im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes und d) […] die vom Arbeitsmarktservice (AMS) nicht in ein Lehrverhältnis vermittelt werden können.“ (Bauer/Lehrer/Wohlmuth 2018, 112)

Das BMSG (2003) sieht vor, dass eine integrative Berufsausbildung auf individualisierte Weise angestrebt werden kann:

  1. durch Verlängerung der gesetzlichen Lehrzeitdauer […] um 1 Jahr bzw. in Ausnahmefällen um 2 Jahre, wenn dies für die Absolvierung der Lehrabschlussprüfung notwendig ist, […] oder
  2. durch Abschluss eines Ausbildungsvertrages […], der den Erwerb einer Teilqualifikation (1-3 Jahre) durch Einschränkung auf bestimmte Teile des Berufsbildes eines Lehrberufes, allenfalls unter Ergänzung von Fertigkeiten und Kenntnissen aus Berufsbildern weiterer Lehrberufe vorsieht (BMSG 2003).

Um eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit einer inklusiven Berufsausbildung sicherzustellen, bedarf es einer Berufsausbildungsassistenz (BAS), welche die Schnittstelle Lehrbetrieb und Berufsschule (unter Einbeziehung der Schulbehörde und Erziehungsberechtigten) professionell bespielt (vgl. Bauer/Lehrer/Wohlmuth 2018, 112f). „Die Berufsausbildungsassistenz unterstützt Jugendliche mit Behinderung oder anderen Vermittlungshemmnissen bei der betrieblichen Ausbildung. Sie begleitet die Ausbildung sowohl im Betrieb als auch in der Schule.“ (Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen – Sozialministeriumservice) Bedarfsorientierte, d. h. auf die individuellen, durch Behinderungen definierte Bedürfnisse Rücksicht nehmende Ausbildungsformen stehen den Auszubildenden auf der Grundlage des BAG (§ 8b Abs. 1 und Abs. 2b) zur Verfügung (vgl. Bauer/Lehrer/Wohlmuth 2018, 113). Akquisition und Arbeitsplatzanalyse bzw. -beschreibung, korrespondierend mit einem erstellten individuellen Kompetenzprofil sowie die kontinuierliche und längerfristige Begleitung und Unterstützung einer möglichen Qualifizierung bzw. Weiterqualifizierung am Arbeitsplatz (vgl. Rüst/Debrunner 2005, 37) erhöhen die Erfolgswahrscheinlichkeit der durch das Sozialministerium zur Verfügung gestellten Job-Coaches am Übergang des Hochschulprogramms in den ersten Arbeitsmarkt. „Beschäftigte mit Behinderung werden von externen Betreuenden [Anm.: Job-Coaches] individuell im Unternehmen eingeschult, sodass betriebseigenes Personal entlastet wird.“ (Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen – Sozialministeriumservice)

3 Forschungserkenntnisse zum Job Shadowing im Rahmen des BLuE-Hochschulprogramms

Als Teil des BLuE-Hochschulprogramms wird der Fokus des vorliegenden Forschungsprojektes im Sinne des Stufenmodelles der Trialen Berufsfeldvorbereitung auf die Erwartungen und Gelingensbedingungen im Bereich des Job Shadowings gelegt.

3.1 Forschungsfragen

Ziel ist, erste Erkenntnisse über die Gelingensbedingungen des Job Shadowings im Rahmen der Trialen Berufsfeldvorbereitung zu gewinnen:

  1. Welche Gelingensbedingungen wie Raum, Zeit und Betreuungsdichte, werden aus Sicht der BLuE-Studierenden und Praktikumsbetreuungspersonen im Rahmen des Job Shadowing erkannt?
  2. Welche Erwartungshaltungen an das Job Shadowing werden von den BLuE-Studierenden und den Praktikumsbetreuungspersonen formuliert und wie wurden und werden diese in der Praxis umgesetzt?
  3. Welche Konsequenzen lassen sich daraus für eine künftige Ausrichtung und Gestaltung der Trialen Berufsfeldvorbereitung ableiten?

Die Autoren weisen im Besonderen darauf hin, dass es sich hier um erste empirische Zwischenergebnisse handelt, die eine Grundlage für eine evidenzbasierte Weiterentwicklung des von ihnen konzipierten Ansatzes der Trialen Berufsfeldvorbereitung liefern.

3.2 Forschungszugang

Mit den BLuE-Studierenden und den Praktikumsbetreuungspersonen wurden qualitative problemzentrierte Interviews (vgl. Lamnek/Krell 2016, 338ff) geführt und diese transkribiert. Wie von Altrichter, Posch und Spann (2018, 14) vorgeschlagen, wird der Kreislauf von Reflexion und Aktion, der nachfolgend grafisch dargestellt wird, auf die Interviews angewendet.

Abbildung 3: Kreislauf der Reflexion und Aktion nach Altrichter, Posch & Spann (2018, 14)Abbildung 3: Kreislauf der Reflexion und Aktion nach Altrichter, Posch & Spann (2018, 14)

Der Kreislauf bildet das Vorgehen, nämlich die Informationssammlung (hier qualitative Interviews), die Interpretation und Auswertung (hier unter Zuhilfenahme von QDA-Software) und die nachstehend formulierten (Handlungs-)Strategien und Ideen, das Job-Shadowing zu modifizieren, ab.

Hier werden erste Ergebnisse dargestellt, die erste Einblicke geben sollen, wie das Hochschulprogramm, insbesondere die Phase des Job-Shadowing erlebt wurde. Die Ergebnisse werden im Folgenden strukturiert nach den folgenden Aspekten:

  • Entscheidung für das BLuE-Hochschulprogramm aus Sicht der BLuE-Studierenden (3.3.1)
  • Besonderheiten und besondere Ereignisse im BLuE-Praktikum (3.3.2)
  • Erfahrungen der BLuE-Studierenden im Job-Shadowing (3.3.3)
  • Wahrnehmung der Rolle der Praktikumsbetreuung aus Sicht der Praktikumsbetreuungsperson (3.3.4)
  • Besondere Erfahrungen der Praktikumsbeteiligten (3.3.5)
  • Ausgeführte Tätigkeiten im Rahmen des Job-Shadowings (3.3.6)
  • Lerneffekte im Rahmen des Job-Shadowings (3.3.7)
  • Rahmenbedingungen des Job-Shadowings (3.3.8)
  • Unterstützungsbedarf durch Gesamtpraktikumsverantwortliche (3.3.9)
  • Vorstellungen zur Überleitung ins Erwerbsleben (3.3.10)

Die Untersuchungspersonen wurde wie folgt ausgewählt: Bei den weiblichen BLuE-Studierenden konnte eine Person befragt werden, bei den männlichen BLuE-Studierenden wurden im Untersuchungszeitraum (bis Sommersemester 2019) beide Studierende als Interviewpartner_in herangezogen. Die im Studienjahr 2019/2020 neu beginnenden BLuE-Studierenden wurden nicht in die Untersuchung miteinbezogen, da aus Sicht der Autoren der Erfahrungshorizont und die Retrospektive noch zu gering sein dürfte. Bei den Praktikumsbetreuungspersonen wurden jene Personen ausgewählt, die die Praktikumsbetreuung der ausgewählten Studierenden übernommen haben. Die Datenerhebung erfolgte bei den Studierenden im Sommersemester 2019. Die Interviews wurden mittels Aufnahmegerät festgehalten, transkribiert und ausgewertet. Die Praktikumsbetreuungspersonen (PBP) wurden im Wintersemester 2019/2020 interviewt. Aus wissenschaftsethischen Gründen wird auf die genauen Bildungsbiografien der Teilnehmenden nicht eingegangen, da die Zuordnung aufgrund der geringen Anzahl an BLuE-Studierenden evident wäre.

3.3 Forschungsergebnisse

Nachfolgend werden die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung den oben aufgezeigten Aspekten, auf die die Unterüberschriften hinweisen, vorgestellt. Kursiv dargestellte Passagen verstehen sich als Originalzitate der Untersuchungspersonen. BLuE steht für die Studierenden, PBP für Praktikumsbetreuungspersonen.

3.3.1 Entscheidung für das BLuE-Hochschulprogramm aus Sicht der BLuE-Studierenden

Ausgehend von der Tatsache, dass Maßnahmen zur Bewerbung des BLuE Hochschulprogramms über den BLuE-Folder sowie den BLuE-Folder in leichter Sprache, die Website, den Tag der offenen Tür und durch die Bildungsmesse (Berufs- bzw. Studieninformationsmesse) gesetzt wurden, begründen die BLuE-Studierenden ihre Entscheidung für das Hochschulprogramm wie folgt: Die Motivation, das BLuE Hochschulprogramm zu absolvieren, wurde bei allen Untersuchungspersonen von studierenden Geschwistern und nahestehenden Personen beeinflusst: „Weil ich ja vom Bruder gehört habe, dass er studiert. Er hat gesagt mir, ich soll mich da bewerben.“ (Interview BLuE 2, Absatz 8) Ein Studierender teilt mit, dass er von seiner Schwimmtrainerin, einer ehemaligen Lehrenden der PH Salzburg, vom Hochschulprogramm erfahren hat. Da sein Bruder studiert und er etwas lernen möchte, fand er die Idee, das Hochschulprogramm zu besuchen, gut. Mit den Eltern besuchte er den Tag der offenen Tür. „… und ja und dann haben meine Eltern, da war ein offener, so ein offener Tag der offenen Tür und ich habe das gehört von meiner Schwimmtrainerin, dass es da was gäbe.“ (Interview BLuE 2, Absatz 8­–10) Eine Interviewperson beschreibt, dass zumindest ein Geschwisterteil ein Studium absolviert hat. „...also meine Geschwister waren immer auch so nebenbei, hat selbst studiert auch.“ (Interview BLuE 3, Absatz 20) All diese Aussagen verdeutlichen, dass die BLuE-Teilnehmenden durch Hinweise nahestehender Personen motiviert wurden, sich zu bewerben oder sich z.B. am Tag der offenen Tür zu informieren.

3.3.2 Besonderheiten und besondere Ereignisse im BLuE-Praktikum

Nachfolgend werden Aussagen von Praktikumsbetreuungspersonen angeführt, die speziell auf die veränderte Tagesstruktur hinweisen. Ein Praktikumsbetreuer merkt an: „Also mir fallen schon einige ein, aber was für mich immer extrem interessant zu beobachten war und auch irritierend, muss ich ganz ehrlich sagen, war die also jetzt könnte man sagen, die entweder die Langsamkeit, man könnte sagen, die Gelassenheit, das war aber langsam und akribisch, also erstens einmal hat einfach alles deutlich länger gedauert als es bei einem selbst dauert und als auch die alltägliche Erfahrung irgendwie einem zeigt. Gleichzeitig aber, und das war irritierend, weil ich gemerkt habe, also du kannst irgendwie, der Tag ist anders, ... der ist irgendwie entzerrter ..., ist mir auch relativ schnell klargeworden, ... also, dass der Tag so einer ist, wie jeder andere, plus Praktikum, weil es hat irgendwie so einen Druck gemacht. Nämlich dahingehend, dass auf der anderen Seite es einfach langsamer gegangen ist, und umgekehrt, letztendlich dann hätte es eigentlich dann schneller sein müssen, weil man irgendwie die Langsamkeit kompensieren hätte müssen, damit das Gleiche möglich ist das war mir irgendwie schnell klar, dass das keinen Sinn macht. Und so haben wir eigentlich relativ schnell sehr entschleunigte Tage gehabt, die für mich interessant waren, weil das etwas ist, was ich nicht so gut kann, nämlich so eigentlich ganz konzentriert an einer Sache sehr gelassen, aber schon eben mit Konzentration zu arbeiten, das war für mich unheimlich spannend zu beobachten...“ (Interview PBP 3, Absatz 15)

Wie schon von den anderen Praktikumsbetreuungspersonen angemerkt wurde, stellt das Job Shadowing eine besondere Herausforderung im Arbeitsalltag dar. Die sonst übliche Arbeitsgeschwindigkeit kann nicht aufrechterhalten werden. Das wird einerseits als irritierend wahrgenommen, weil die Arbeit nicht in der vorgesehenen Zeit erledigt werden kann und das Gefühl entsteht, man müsse diesen Zeitverlust kompensieren. Bemerkenswert ist aber, dass die Entschleunigung des Arbeitsalltages als spannend und entzerrend empfunden wird. „Aber hat mir auch gutgetan, dieser Dienstagsvormittag war ein guter Vormittag.“ (Interview PBP 3, Absatz 15) Aus einer Metaebene wirft eine Praktikumsbetreuungsperson einen Blick auf einen besonderen Gelingensfaktor des Job Shadowings, der als Besonderheit aufgefallen ist: „Da braucht er jetzt etwas von mir, entweder zusätzliche Erklärung oder einfach einmal, dass man da eine Pause machen, wo jetzt vielleicht gerade keine so passend ist, wo wir uns vielleicht auch einmal beide herausgenommen haben aus dem Arbeitsalltag und einmal geschaut haben, was haben wir bis jetzt gemacht.“ (Interview PBP 3, Absatz 23)

Eine Praktikumsbetreuungsperson spricht über die Mobilität der Studierenden, die als Herausforderung zu betrachten ist. Barrierefreiheit und Orientierung sind somit Thema, auf das alle Praktikumsbetreuungspersonen mehrmals hinweisen und mit einem gemeinsamen Erkundungsgang von den Beteiligten oft noch nicht ausreichend abgehandelt ist. Außerdem bedarf es bei gemeinsamen Wegen im Haus unter Umständen mehr Zeit, wenn eine Mobilitätsbeeinträchtigung vorliegt. „Wie komme ich zum Praktikumsarbeitsplatz, wie bewältige ich die Wege innerhalb des Hauses und das Thema Lift. Das hat sich einfach so massiv irgendwie ergeben und war dann eigentlich das Ereignis, das mir noch ganz, ganz stark in Erinnerung ist.“ (Interview PBP 2, Absatz 7) Es zeigt sich deutlich, dass Herausforderungen zur Bewältigung der Mobilität zur und in der Hochschule künftig als Themen mitgedacht werden müssen.

3.3.3 Erfahrungen der BLuE-Studierenden im Job Shadowing

Als anregend empfindet ein Studierender den Rollenwechsel zwischen Studierendem und Mitarbeiter im Rahmen des zweiten Praktikums. Er beschreibt im Sinne einer Innen- und Außensicht die Schwierigkeiten im Umgang mit den handelnden Personen: „Über den Schatten schauen, sich E-Mails anzuschauen, wo ich auch für mich, wo ich mir gedacht habe, das kann ich ja eigentlich. Das E-Mail schreiben, alles das kann ich ja. Genauso mit dem Kopieren, habe ich zwar am Anfang Schwierigkeiten gehabt, aber das ist finde ich auch so das sind so für mich Lerneffekte, deswegen sage ich Lerneffekt, weil dass man es ausprobiert zuerst und wenn man meint, man kommt nicht weiter, dass man sich Hilfe sucht, dass es der erst einmal erklärt und dann nächstes Mal nochmal probieren, wenn, das ist für mich so eine Lernerfahrung gewesen, das war eben und diese Job Shadowing Phase war sehr anstrengend für mich, weil es wirklich so unter den Fingernägeln gebrannt hat, weil wie halte ich diese Stunden, diese dreieinhalb Stunden aus, weil ich genau gewusst habe, ich kann ja das leider alles, aber ich dachte mir auch im Nachhinein, was hat mir eigentlich gebracht.“ (Interview BLuE 3, Absatz 113) Vorhandene Sachwerte der Institution einzuschätzen und zu analysieren wird als große Lernleistung des BLuE-Studierenden gesehen. Im Erleben des Job Shadowings scheint der Studierende zwiegespalten. Einerseits werden die positiven Lerneffekte durch mehrmaliges Üben erwähnt, anderseits wird die Meinung vertreten, er könne diese Tätigkeiten bereits selbstständig ausführen und müsse die Rolle des Schattens nicht mehr innehaben.

3.3.4 Wahrnehmung der eigenen Rolle als Praktikumsbetreuungsperson

Die Rolle des Motivierens wird von einer Betreuungsperson als durchaus herausfordernd gesehen, da die BLuE-Studierenden mit sehr unterschiedlichen Motivationsgraden und Belastungen ausgestattet sind und meint: „Da fällt mir irrsinnig schwer, herauszufinden, wie motiviere ich jetzt das Vis-a-vis“ (Interview PBP 1, Absatz 72). Des Weiteren wird die Betreuung als herausfordernd empfunden, da die Defizite in der Konzentrationsfähigkeit, in der Kognition und teilweise Motivation vorhanden waren und zusätzlich kaum selbstständig durchführbare Routinetätigkeiten angeboten werden können: „Betreuung vom Praktikanten war in meinen Augen anstrengend, ... weil er eine selbstständige Tätigkeit in unserem Bereich fast nicht machen konnte.“ (Interview PBP 1, Absatz 26) Die Vorbereitung auf die BLuE-Studierenden beinhaltet eine inhaltliche und eine mentale Komponente. Neben der Frage, welche Aufgaben kann man geben, muss auch die Einstellung zu den Studierenden in Passung gebracht werden. Dies wird als sehr zeitintensiv empfunden.

Bezüglich der Einschätzung der Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeitsspanne der im Rahmen des Job Shadowing betreuten Studierenden scheinen bei den Praktikumsbetreuungspersonen divergierende Meinungen vorzuliegen: „Aha schau, dieses Potential, das dann vielfach auch drinnen steckt, dass ich so eigentlich gar noch nicht so gedacht gehabt habe.“ (Interview PBP 2, Absatz 7) Eine der Betreuungspersonen sieht sich in einer Rollenerweiterung; einerseits in der Lehre und Forschung Tätiger, andererseits als Praktikumsbetreuungsperson im BLuE-Hochschulprojekt. Hier wird eine besondere Situation, die zu einer arbeitszeitlichen Mehrbelastung führen kann, gesehen.

Neben der Rolle als Praktikumsbetreuungsperson und den damit verbundenen Aufgaben, schätzt eine Praktikumsbetreuungsperson die vielleicht fehlende fachliche Kompetenz im Bereich der Assistenzberufe, hier die Büroassistenz, als möglicherweise hinderlich ein und meint, „Wenn jemand, der das Feld sozusagen selbst erarbeitet hat, der aus dem Feld auch beruflich kommt, ob er möglicherweise die Strukturen besser kennt, auch das Didaktische vielleicht besser verstehen könnte, wie man so jemanden in dieses Arbeitsfeld einführen kann. Wenn ich selber eine Ausbildung hätte im Büro, kaufmännisch, also dann wüsste ich ja eigentlich strukturell vom Arbeitsfeld mehr und hätte wahrscheinlich auch anders anleiten können.“ (Interview PBP 3, Absatz 43)

Außerdem wird erwähnt, dass die Rolle der Betreuungspersonen beziehungsorientiert angelegt werden sollte, eine gute Balance zwischen Inhalt und Beziehung gegeben sein muss, sowie auch auf Nähe und Distanz geachtet werden sollte. Im Rahmen des Stufenmodells der Trialen Berufsfeldvorbereitung sieht sich eine Betreuungsperson im Job Shadowing eher als Begleiter, denn als Betreuer, wie in den theoretischen Überlegungen vorgesehen. Sie weist dennoch explizit auf die Verantwortung der Rolle hin: „Wobei schon ein Begleitender seine Verantwortung ernst nehmen möchte, aber mehr im Sinn von, also ich bin jetzt jemand, der mitgeht.“ (Interview PBP 3, Absatz 101) Die ambivalente Rolle wird auch als Win-Win Situation gesehen. Die Praktikumsbetreuungspersonen nehmen neben der Motivations- und Unterstützungsaufgabe auch die Rolle der Bezugsperson ein.

3.3.5 Besondere Erfahrungen der Praktikumsbeteiligten

Nachfolgende Ausführen zeigen, dass es besondere Erfahrungen aller Praktikumsbeteiligten gibt: Ein Studierender setzt sich selbst einen äußerst anspruchsvollen Berufswunsch. Da er aber auch von einem Beruf im Bereich der Dienstleistung spricht, kann der Wunsch, ein Buch zu schreiben, auch als Hobby eingeordnet werden. „Für mich ist wichtig das Schreiben ... damit ich auch einmal ein Buch schaffe, ja und Autor möchte ich werden.“ (Interview BLuE 2, Absatz 43) Er weist auch darauf hin, dass es ihm gelingt, dass er selbstständig aufsteht und schafft es somit, seine Tagesstruktur jetzt besser zu gestalten. Dies zeigt erneut eine Verbindung zu den Zielen von BLuE, nämlich Lebenskompetenz und Empowerment. Das Zurechtfinden und die selbstständige Mobilität am Arbeitsort werden von einer befragten Person als Erfolg betont: „Ich kenne mich schon im Haus aus. Ich kann Lift fahren.“ (Interview BLuE 1, Absatz 71)

Seitens der Praktikumsbetreuungsperson spielt das Einlassen auf – nicht unmittelbar sichtbare – emotionale Ebenen der BLuE-Studierenden eine wesentliche Rolle. Dieses Aufeinander einlassen bewirkt besonders für die Betreuenden einen bewussteren, entspannenden Arbeitsrhythmus. „Ja als wesentlich, also das Wesentliche ist aus meiner Sicht, dass man sich einmal einschwingt aufeinander. Für mich persönlich, weil ich habe vorher fast keine Kontakte mit Menschen mit Beeinträchtigungen und die Rhythmen und die ganze, wie ich vorher gesagt habe, wie man im Normalfall, in normalen Situationen, die man jetzt gar nicht so stark bedenkt, miteinander umgeht; das ist da irgendwie außer Kraft gesetzt. Man muss ... sich ganz auf das einlassen, welche Rhythmik, ... Geschwindigkeit, ... und dieses wirklich Aufeinander einlassen. Das ist eigentlich aus meiner Sicht der wesentlichste Aspekt.“ (Interview PBP 2, Absatz 19) Sowohl die Aussagen der BLuE-Studierenden wie der Praktikumsbetreuungsperson zeigen, dass es die kleinen und oft selbstverständlichen Dinge sind, die das Programm so besonders machen.

3.3.6 Ausgeführte Tätigkeiten im Rahmen des Job Shadowings

Ein Studierender beschreibt Tätigkeiten aus dem Bereich der Administration, in der er sein Job Shadowing absolviert hat und empfindet die üblich anfallenden Arbeiten, wie das Kopieren, Scannen, Wochenplan in Word schreiben, Besuche der Bibliothek sowie der Bildungsdirektion und Kennenlernen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Institutionen, als angenehm. „Einmal haben wir was ausgedruckt, einmal haben wir E-Mails geschrieben, die Wochenpläne haben wir gemacht, dann haben wir, dann habe ich geholfen beim Fehler ausbessern, die Präsentation habe ich auch angeschaut, ob sie passt oder nicht passt und dann passt es natürlich auch und also für mich ist wichtig, dass ich halt gerne unterstütze, er unterstützt mich.“ (Interview BLuE 2, Absatz 45) Hier beschreibt der BLuE-Studierende die von ihm wahrgenommene wechselseitige Unterstützung. Die selbstständig ausgeführten Tätigkeiten im Rahmen des Job Shadowings empfand ein Studierender als positiv, da er auch in den Entscheidungsprozess eingebunden wurde, welches der Office-Programme für die jeweilige Arbeit bestens geeignet ist. Das selbstständige Arbeiten mit dem PC wird als positive Lernerfahrung wahrgenommen: „Es war sehr spannend, die letzten Male, wo ich mit Word gearbeitet habe.“ (Interview BLuE 3, Absatz 67)

Ein Proband beschreibt die Tätigkeiten, die er im Rahmen des zweiten Job Shadowings durchgeführt hat, als positiv und meint, dass die Zeit sehr schnell vergangen sei. Er empfindet, dass er eine große Unterstützung war und die Aufgaben einer Person, die zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend war, vollständig übernommen habe. Die Praktikumsbetreuungsperson konnte dies im Rahmen des Interviews nicht bestätigten und ist der Meinung, dass hier eine Überschätzung vorliegt und die Tätigkeiten nicht qualitativ entsprechend erledigt wurden. Die Lernerfahrung dürfte eher darin gelegen sein, dass erkannt wurde, dass konzentriertes Arbeiten nur möglich ist, wenn eine Balance zwischen Arbeits- und Erholungsphasen besteht.

Eine Praktikumsbetreuungsperson ist der Meinung, dass der Arbeitsalltag entsprechend strukturiert und rhythmisiert werden muss, damit die BLuE-Studierenden eine Abwechslung und gleichzeitig Lernerfahrung durch Beobachtung und selbstständiges Tun erfahren: „Damit sie auch aktiv sein kann und nicht Job-Shadowing ist nur sozusagen Sitzen und Schauen, was einfach schwierig war und insofern strukturiert sich der Tag schon anders und kriegt natürlich auch eine völlig andere Rhythmik.“ (Interview PBP 2, Absatz 21) Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass immer wiederkehrende und zum Teil EDV-unterstützte Tätigkeiten speziell für die Zeit des Job Shadowings aufgespart werden, da diese von den BLuE-Studierenden zum Teil selbstständig erledigt werden können. Ein besonders bemerkenswertes Beispiel ist die Beratungstätigkeit bei der Berufs- und Studienmesse, die die Beteiligten im Team als Standbetreuung durchführten. Die Messe fand außer Haus statt und somit war der Weg als Herausforderung zu sehen. Neben klassischen Verwaltungstätigkeiten, wie Unterlagen drucken, kopieren, sortieren, vorbereiten bis hin zur Kontrolle von Anwesenheitslisten wurden von einer Praktikumsbetreuungsperson an den Praktikanten ausgelagert. Der BLuE-Studierende hat aber auch eigenständiges Arbeiten am PC eingefordert. Die Praktikumsbetreuungsperson gibt an, dass es hier schwierig war, die Kompetenzen einzuschätzen und meint, „Bei vielen Dingen war ich mir nicht sicher, was ich ihm da zutrauen kann.“ (Interview PBP 3, Absatz 31) Routinetätigkeiten spielen somit eine wichtige Rolle.

3.3.7 Lerneffekte im Rahmen des Job Shadowings

Die Selbstständigkeit sowie das Ansprechen von Problemen als jene Faktoren, wo dazugelernt wurde, wird von allen Studierenden als ein wesentlicher Lerneffekt erachtet. Weiteres wird das gesamte Umfeld als freundschaftlich, familiär und in jeder Hinsicht als stark unterstützend empfunden. Das Selbstbewusstsein und die soziale Kommunikationsfähigkeit hat im Rahmen des Ausbildungsprogramms zugenommen, was den BLuE-Studierenden nicht nur im Praktikum zugutekommt, sondern auch im Umgang mit Studierenden und Lehrenden innerhalb und außerhalb von Lehrveranstaltungen. Hier wird das Praktikum somit durch das Lernen in den Lehrveranstaltungen bereichert. Ein Proband sieht als wesentlichen Lerneffekt, dass er „... selbst gelernt habe, ok, ich muss auch Pausen einlegen, um wieder Kraft zu schöpfen.“ (Interview BLuE 3, Absatz 81)

Regelmäßig und pünktlich beim Praktikum zu erscheinen, bei begründetem Nichterscheinen rechtzeitig anzurufen, bei einer Arbeit dranbleiben zu können, allgemeine Verhaltensregeln anzuwenden und den Tagesablauf samt regelmäßiger Pausen strukturieren zu können, werden von einer Betreuungsperson als wichtiger Lerneffekt angesehen. Den Arbeitsalltag bewältigen fällt nicht immer leicht und kann im Rahmen des Job Shadowing trainiert werden. Die eigenen (kognitiven) Grenzen zu erkennen, stellt ebenfalls ein wichtiges Lernergebnis dar. Die Störung und Unterbrechung von Routine wird von den BLuE-Studierenden durchaus als herausfordernd erlebt und von den Praktikumsbetreuungspersonen als Lerneffekt wahrgenommen. Ein Ausfall eines Job Shadowing Tages, aus welchen Grund auch immer, empfinden BLuE-Studierende generell problematisch: „Die Lerneffekte aus meiner Sicht, im ersten Praktikum wirklich sehr Basics waren, wo man versucht, das weiterzumachen. Vielleicht war ein riesiger Lerneffekt diese Flexibilität, also die Flexibilität, also so genau weiß ich es eigentlich nicht, was im Praktikum passiert, die Flexibilität, ah das Praktikum fällt einmal aus, weil ich auf einer Tagung bin oder, weil ich vielleicht auch einmal krank bin, das war glaube ich ein großer Lerneffekt und ich glaube, der Lerneffekt war schon an etwas dran zu bleiben auch, also nicht gleich aufzugeben.“ (Interview PBP 2, Absatz 35) Der Faktor Konzentrationsfähigkeit steht im Fokus der Lernmaßnahmen für ein Gelingen des Job-Shadowing. Welche Maßnahmen können gesetzt werden, um unterstützend tätig zu werden? Die Verknüpfung von digitalem und analogem Tun wird als wichtige Lernerfahrung gesehen, wobei gleichzeitig feststellt wird, dass ebenfalls manuelle Tätigkeiten einen hohen Stellenwert haben. Als Vorteil beim Arbeiten am Computer wird die direkte Fehlerrückmeldung im eigenständigen Lernen gesehen, wobei man auch Wege finden sollte, die Frusttoleranz zu erhöhen. In der Interaktion zwischen Praktikumsbetreuungsperson und BLuE-Studierenden wird ein beiderseitiger Lerneffekt wahrgenommen: „Ich glaube, dass es so ein Miteinander geben kann, von Arbeit und auch Beziehungspflege, das war für uns beide ein Lerneffekt, würde ich sagen.“ (Interview PBP 3, Absatz 57)

3.3.8 Rahmenbedingungen des Job Shadowing

Die Praktikumsbetreuungspersonen weisen mehrmals darauf hin, dass ein übliches konzentriertes, akademisches Arbeiten im Rahmen des Job Shadowings schwer zu bewältigen ist. Eine Betreuungsperson meint, dass die Äquidistanz für das Gelingen eine große Rolle spielt und man an einem Arbeitsplatz oder zumindest räumlich sehr nahe mit jemanden arbeiten muss: „Ich muss mich einstellen auf jemanden vis-a-vis von mir.“ (Interview PBP 1, Absatz 28) Die räumliche Situation ist grundsätzlich ein Thema. Ein zusätzlicher Arbeitsplatz in den Büros im Rahmen des Job Shadowings wäre wünschenswert, einerseits, um selbstständig Tätigkeiten durchführen zu können, andererseits um Arbeitsutensilien und persönliche Dinge ablegen oder das Praktikumstagebuch ausfüllen zu können, „Da lege ich mein Zeug her, also da tue ich mein Trinken her, wo man so ein bissl eine Privatsphäre hat, vielleicht mit da tue ich meine Tasche hin und so, dass sie auch so das Gefühl hat, da hänge ich meine Jacke auf, das ist, wenn ich da ins Büro hineinkomme, da ist so mein Bereich.“ (PBP 2, Absatz 59) Gerade bei zu vielen Personen in einem Raum wird die Konzentrationsfähigkeit der BLuE-Studierenden herausgefordert. Hier wäre ein eigener Raum, in dem das Job Shadowing stattfindet, ideal, wie auch andere PBP feststellten. Andererseits wird angemerkt, dass die Rahmenbedingungen nicht überbewertet werden sollen, wie das Beispiel, dass die gemeinsame Kommunikation und Interaktion und somit die gewünschte Inklusion gefördert wird, zeigt.

Als elementares Indiz für das Gelingen des Job Shadowings sieht eine Betreuungsperson die Empathiefähigkeit und das Erkennen der Betreuenden, wo BLuE-Studierende sich emotional und fachlich befinden und wo Unterstützung notwendig ist. Außerdem benötigt es Geduld und das Wissen, dass die Personen Defizite aufweisen. Aus Sicht einer Betreuungsperson, wie auch aus der Sicht der BLuE-Studierenden, stellt die räumliche Orientierung einen nicht zu unterschätzenden Faktor dar. Bei der Einführung im Rahmen des Job Shadowing empfehlt es sich daher, hier genug Zeit für die Erkundung und Begehung des Arbeitsbereiches einzuplanen. Um möglichst autonom agieren zu können, wäre es laut einer Betreuungsperson für die BLuE-Studierenden zumindest für diesen Arbeitsbereich notwendig, neben gut lesen und schreiben zu können, auch mit Buchstaben- und Ziffernkombinationen umgehen zu können.

Beim Ausmaß des Job Shadowings kann es für alle Beteiligten schwierig sein, wenn nur wöchentliche halb- oder eintägige Begegnungen und Begleitungen stattfinden. Hier muss oft jedes Mal aufs Neue der Rahmen abgesteckt, die Arbeitsbereiche konkretisiert und teilweise Inhalte erneut erklärt werden. Die Praktikumsbetreuungspersonen empfinden allesamt, dass der Arbeitstag, an dem das Job Shadowing stattfindet, nicht einem regulären Tag gleicht, da die Herausforderungen als anders und sehr beanspruchend empfunden werden. Die üblichen akademischen Tätigkeiten sind nicht (immer) möglich, daher bedarf es einer gezielten Auswahl an Aufgaben und Aufgabenstellungen. Man müsse sich Aufgaben gezielt vornehmen bzw. für das Job Shadowing zurückstellen, damit diese am Tag des Job Shadowings abgearbeitet werden können. Der Vorschlag, ein eintägiges Praktikum auf zwei Praktikumsbetreuungspersonen aufzuteilen, kann diskutiert werden. Dies wäre insofern positiv, da es eine Erleichterung und Flexibilität im Hinblick auf das eigene Tun und das zu absolvierende Arbeitspaket zulässt. Für die BLuE-Studierenden könnte ein ganzer Tag Job Shadowing als zu belastend und überfordernd wahrgenommen werden. Die befragten Betreuungspersonen weisen darauf hin, dass die Zeit, die für das Job Shadowing aufgewendet wird, im Arbeitsalltag fehlt. Das zeitliche Ausmaß des Praktikums(halb)tages wird von einer Praktikumsbetreuungsperson als ausreichend empfunden, um ins Tun zu kommen. Außerdem ist ein halber Tag als zusätzliche Arbeitsbelastung kompensierbar. Für die BLuE-Studierenden ist ein ganzer Praktikumstag durchaus vorstellbar. Auch vorgeschlagen wurde eine Aufteilung auf zwei Praktikumsbetreuungspersonen.

Unterstützend empfindet eine Praktikumsbetreuungsperson die strukturellen Vorbereitungen in Form von Organisationsstrukturen und Begleitmaterialen (das Praxistagebuch, die BLuE ARGE und der fachliche Austausch im Rahmen des BLuE Café im Sinne einer Dialogschiene): „Es hat Vorgespräche gegeben, es hat eine Kontaktaufnahme gegeben, also man ist nicht irgendwie überfahren worden ... und ich habe auch immer das Gefühl gehabt, ich hätte auch, wenn es was gegeben hätte, sicher auch nachfragen können.“ (Interview PBP 3, Absatz 85)

3.3.9 Unterstützungsbedarf durch Gesamtpraktikumsverantwortliche

Die Betreuung durch die Gesamtverantwortlichen wird seitens der BLuE-Studierenden als ausreichend empfunden. Eine Person erwähnt auch, dass sie so flexibel sei, sich auf neue Praktikumsverantwortliche einstellen zu können und sie nicht gleich bei jedem Problem zu einer übergeordneten Person gehen würde. Es sei eine weitere Lernerfahrung, sich auf neue Personen einzustellen. Wenn Probleme aufgetreten seien, die man selbst am Praktikumsort nicht habe lösen können, habe man sich an die Gesamtpraktikumsverantwortlichen gewendet, so eine Aussage: „Aber ich glaube, dass es auch eine wichtige Lernerfahrung ist, dass man sagt, ok, man kann jetzt nicht nur irgendwie jetzt so klemmen, aber ich bin grundsätzlich so einer, der gut mit neuen Situationen umgehen kann.“ (Interview BLuE 3, Absatz 149)

Durch die regelmäßigen Sitzungen des Kernteams, die zu diesem Zeitpunkt stattgefunden haben und zu der auch eine der befragte Praktikumsbetreuungspersonen gehört, wurden ausreichend Informationen ausgetauscht. Ein zusätzliches Nachfragen bei den Gesamtpraktikumsverantwortlichen war daher somit nicht notwendig. Empathie im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung und Erfahrungen dahingehend werden als wichtiger Gelingensfaktor gesehen. Fehlt dies, so sollte es eine entsprechende Unterstützung durch den Gesamtpraktikumsverantwortlichen geben: „Es braucht auch Kolleginnen und Kollegen, die das vielleicht auch spüren. Also, wenn sie es nicht wissen, vom Erfahrungshintergrund vielleicht einfach auch spüren, ok da ist jetzt jemand, der funktioniert anders. Der ist vielleicht in mancherlei Hinsicht unangepasster und jetzt gar nicht wertend, sondern da braucht es vielleicht ein Stück weit Unterstützung.“ (Interview PBP 3, Absatz 23)

3.3.10     Vorstellungen zur Überleitung ins Erwerbsleben

Ein BLuE-Studierender kann sich im zukünftigen Erwerbsleben die Berufe Tourismusassistent und pädagogischer Assistent vorstellen: „Ich kann gut mit Kindern umgehen.“ (Interview BLuE 2, Absatz 78) „Plan C ist dann, dass ich nachher dann Schwimmtrainer“ bin (Interview BLuE 2, Absatz 84), wenn es mit den beiden zuvor genannten Assistenzberufen nicht klappen sollte und begründet die Tätigkeit mit seinen zahlreichen Erfolgen bei Wettkämpfen. Ein Programmteilnehmer wird das BLuE Hochschulprogramm nach zwei Semestern beenden und orientiert sich beruflich neu in Richtung Pflegehelferausbildung: „Dann beginne ich jetzt dann im September die SOB [Schule für Sozialbetreuungsberufe, Anm.], die Sozialberufe, Berufsarten irgendwie in Glasenbach, ja halt so für Pflege, da habe ich mich zuerst beworben, aber dann bin ich umgeschwungen auf den Beeinträchtigten-Pfleger und Familienhelfer.“ (Interview BLuE 3, Absatz 13) Als Berufsziel nennt er die Arbeit in einer Beeinträchtigten-WG, in der er nach dem SOB Abschluss arbeiten kann. Eine Betreuerinnen- und Betreuertätigkeit in einer WG nach Abschluss des BLuE Hochschulprogramms im Bereich der “Pädagogischen Assistenz“ scheint keine Alternative.

Eine Betreuungsperson sieht in einfacheren und nach Möglichkeiten routineähnlichen Tätigkeiten gute Chancen für die berufliche Überleitung in ein kontinuierliches Erwerbsleben: „Einfache Tätigkeiten sind sicher kein Problem, wobei eine gewisse Monotonie der Tätigkeit eventuell von Vorteil ist.“ (Interview PBP 1, Absatz 86) Die besonderen Kompetenzen, die BLuE-Studierende durch ihr ,Anderssein‘ mitbringen, sollten seitens zukünftiger Arbeitgeber als Chance gesehen werden: „Das künftige Berufsleben von Praktikantinnen stelle ich mir so vor, ... ich hoffe, dass man ihnen viel zutraut, ja. Also, dass man sich nicht irgendwo hinsetzt und dass sie da so alleine sind, dass man sie mitnimmt, dass man ihnen zutraut, dass man auch das, was sie eigentlich als vermeintliche Schwäche [sieht], nämlich, dass sie langsamer sind, oder dass man das als Vorteil ... in gewissen Situationen, also, dass man ihre, ihr Anderssein nämlich wirklich als Vorteil sehen kann für Teams. ... Sie bringen Erfahrungen ein, die wertvoll sind für Unternehmen.“ (Interview PBP 2, Absatz 45)

4 Forschungserkenntnisse zum Job Shadowing im Rahmen des BLuE-Hochschulprogramms

Nachtstehend werden im Sinne des Kreislaufes von Reflexion und Aktion (Altrichter/Posch/Spann 2018, 14ff.) im Hinblick auf die zuvor angeführten Forschungsfragen Konsequenzen, Aktionsideen und Handlungsstrategien abgeleitet. Bei der Einordnung der Relevanz der Interviewergebnisse und daraus zu schließenden Konsequenzen für die Weiterentwicklung des Ansatzes der Trialen Berufsfeldvorbereitung ist zu berücksichtigen, dass Ausführungen sehr stark von den Bedürfnissen der einzelnen Interviewpartner_innen geprägt sind und diese, zumindest was die BLuE-Studierenden betrifft, nochmals besondere Bedürfnisse aufweisen:

  1. Welche Gelingensbedingungen wie Raum, Zeit und Betreuungsdichte, werden aus Sicht der BLuE-Studierenden und Praktikumsbetreuungspersonen im Rahmen des Job Shadowing erkannt?

Seitens der Praktikumsbetreuungspersonen wird das Thema Zeit angesprochen: Der Tag verläuft anders. Es können nicht alle Dinge erledigt werden, da vieles langsamer läuft. Als wesentliche Unterstützung wird von einer Praktikumsbetreuungsperson die direkte Hilfe bei der Zeiteinteilung samt Pausengestaltung gesehen. Eine andere Praktikumsbetreuungsperson spricht das Thema Mobilität an, das als Herausforderung gesehen wird (3.3.2).

Die BLuE-Studierenden benennen Erfahrungen wie „Lift fahren können“ oder „Schreiben“ als wichtige Gelingensbedingung, die sie näher an ihre beruflichen Ziele bringen. Praktikumsbetreuungspersonen benennen Erfahrungen wie sich auf jemanden einlassen können“ als wichtigen Faktor (3.3.5).

BLuE-Studierende wie auch Praktikumsbetreuungspersonen benennen kleine Lerneffekte als bedeutsam (Umgang miteinander, Arbeitszeit strukturieren können und selbstständig Pausen einlegen, Ansprechen von Problemen usw.). Hier kann die 1:1-Betreuung und das dadurch entstandene Vertrauen sowie die Dauer des Praktikums über ein Semester und die damit verbundene Kontinuität der Zusammenarbeit als mögliche Gründe für das Gelingen gesehen werden (3.3.7).

Neben Empathiefähigkeit seitens der Praktikumsbetreuungsperson wird als Gelingensbedingung auch die räumliche Ressource gesehen. Es wird klar nach einem eigenen Arbeitsplatz (idealerweise mit eigener EDV-Ausstattung) und der Möglichkeit von Ablagemöglichkeiten für persönliche Utensilien und Kleidung verlangt. Dabei geht es um einen Platz, an dem das Praktikumstagebuch ausgefüllt werden kann, einfache Tätigkeiten verrichtet werden oder BLuE-Studierende sich auch einfach mal zurückziehen können. Darüber hinaus wird angemerkt, dass Störungen (z. B. in Großraumbüros o.ä.) negative Auswirkungen auf die Konzentration haben. Weiters merken die Praktikumsbetreuungspersonen an, dass ein halber oder ein ganzer Betreuungstag zwar als passend erlebt wird, aber Inhalte teilweise von Woche zu Woche wiederholt erklärt werden müssen. Außerdem sei an diesen Tagen eine reguläre akademische Tätigkeit nicht (immer) in gewohnter Weise möglich. Hilfreich seien Unterstützungsstrukturen, wie die gemeinsame BLuE-ARGE zum fachlichen Austausch oder das Praxistagebuch (3.3.8).

Wesentlich zum Gelingen beitragen können neben anderen Kolleg_innen des BLuE-Teams auch die Praktikumsverantwortlichen, die bei Bedarf und Fragen zum Praktikum jederzeit kontaktiert werden können (3.3.9).

  1. Welche Erwartungshaltungen an das Job Shadowing werden von den BLuE-Studierenden und den Praktikumsbetreuungspersonen formuliert und wie wurden und werden diese in der Praxis umgesetzt?

BLuE-Studierenden begründen ihre Entscheidung für die Teilnahme am Hochschulprogramm dahingehend, dass auch Geschwister studieren (3.3.1).

Ein BLuE-Teilnehmer spricht davon, dass er sämtliche Tätigkeiten seiner Meinung nach eigenständig hätte erledigen können und er daher die Phase des Job Shadowing als sehr anstrengend empfunden hat. Hier muss zukünftig der Spagat zwischen Erläuterung des Praktikumszwecks sowie Über- bzw. Unterforderung in den Blick genommen werden (3.3.3).

Seitens der Praktikumsbetreuungspersonen werden unterschiedliche Erwartungshaltungen, die an sie herangetragen werden, genannt. Neben der Rolle der Motivatorin bzw. des Motivators wird die Rolle der Bezugsperson als wesentlich erachtet. Außerdem sollen die Betreuungspersonen (versteckte) Potentiale erkennen und fördern, ohne entsprechende berufsfachliche Kompetenzen in Bezug auf die Assistenzberufe zu haben. Das wird als hoher Anspruch an die eigene Person empfunden (3.3.4).

  1. Welche Konsequenzen lassen sich daraus für eine künftige Ausrichtung und Gestaltung der Trialen Berufsfeldvorbereitung ableiten?

Das Thema Mobilität ist im Rahmen des BLuE-Hochschulprogramms wichtig. Gerade bei Praktika außer Haus, also dem Orientierungspraktikum und der Wirtschaftsintegrativen Berufsvorbereitung, ist hier im Vorfeld Augenmerk darauf zu legen (3.3.2).

Seitens der Praktikumsbetreuungspersonen wird erwähnt, dass es herausfordernd ist, wenn jemand im Rahmen des Job Shadowing nur beobachtet. Andererseits ist es notwendig, jene Tätigkeiten herauszusuchen, die die BLuE-Teilnehmenden weder über- noch unterfordern. Auch die BLuE-Studierenden erleben es positiv, wenn sie selbst etwas tun dürfen. Hier muss die Definition des ursprünglichen Job Shadowing im Sinne „als Schatten über die Schultern schauen“ überdacht werden (3.3.6).

Die Praktikumsbetreuungspersonen sehen es durchaus als Vorteil, wenn BLuE-Studierende berufsbezogene Erfahrungen sammeln können, um Routinetätigkeiten abarbeiten zu können. Dies sei für die Überleitung in das Erwerbsleben durchaus positiv. Allerdings wird gehofft, dass den BLuE-Teilnehmenden im zukünftigen Berufsleben etwas zugetraut wird und sie nicht nur in einem Eck sitzen (3.3.10).

5 Fazit

Aus den Befunden der vorliegenden Arbeit und den Auswertungen der Interviews zum Job Shadowing konnten erste Erkenntnisse gewonnen werden, wo es Veränderungen bedarf, Innovationen notwendig sind sowie Gelingensbedingungen identifiziert worden sind. Diese sollen nachstehend skizziert werden:

Praktikumsorte, wie die Praxisschulen, die zwar Teil der Pädagogischen Hochschule sind, jedoch im Rahmen des Job Shadowing als örtlich getrennte Praktikumsplätze wahrgenommen werden, stellen für BLuE-Studierende eine Herausforderung dar, geben aber dennoch, da Teil des Systems Hochschule, ein Gefühl der Sicherheit. Praxisschulen könnten gleichzeitig als zukünftige Arbeitgeber_innen gesehen werden.

Ein ganzer Tag Job Shadowing wird je nach Aufgabenstellung und Möglichkeit der Eigeninitiative seitens der Betreuungspersonen für die BLuE-Teilnehmer_innen als belastend und überfordernd wahrgenommen. Die Zeit, die für das Job Shadowing aufgewendet wird, fehlt im Arbeitsalltag der Betreuungspersonen, ein halber Tag als zusätzliche Arbeitsbelastung kompensierbar. Das zeitliche Ausmaß des Praktikums(halb)tages wird als ausreichend empfunden, damit die BLuE-Studierenden ins Tun kommen zu können. Die BLuE-Studierenden empfinden einen ganzen Praktikumstag durchaus passend. Ein unmittelbarer Veränderungsbedarf lässt sich aus den erhobenen Daten nicht ableiten.

In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass alle interviewten Personen die Betreuung durch die Gesamtpraktikumsverantwortlichen als ausreichend empfunden haben. Auch wenn darauf hinzuweisen ist, dass nur wenige Personen interviewt wurden, zeigt die Untersuchung, dass hier kein wesentlicher Änderungsbedarf des Jobs Shadowings vorliegt.

Aus den ausgewerteten Interviews wurden von allen Untersuchungspersonen der Kompetenzzuwachs gesehen, wobei nicht nur spezielle berufsfachliche, sondern auch personale und soziale Kompetenzen gefördert und gestärkt wurden. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Praktikumsbetreuungspersonen die von den BLuE-Studierenden mitgebrachten Kompetenzen oftmals unterschätzen. Die für die Aufnahme in das BLuE-Hochschulprogramm notwendige Kompetenz, Computer bedienen zu können, wird nicht immer als solche wahrgenommen. Dies mag der Grund sein, warum sich BLuE-Studierende phasenweise unterfordert fühlen. Manche erleben das Zusehen als eher langweilig, da sie ja auch einfache digitale Kommunikationskompetenzen gerne selbstständig einsetzen würden. Implizites Lernen, was das Job Shadowing ursprünglich vorsieht, dürften BLuE-Studierende als nicht explizite Lernerfahrung wahrnehmen. Hier stellen die Studienautoren auf Grund der ausgewerteten Interviews fest, dass die Praktikumsbetreuungspersonen das selbstständige Arbeiten ermöglichen und fördern. Hier gilt es daher zu überlegen, ob die Dauer des Job Shadowings verkürzt oder die Definition verändert werden muss, wenngleich einfache Arbeitsaufträge bereits inkludiert sind, jedoch umfangreichere Tätigkeiten durchgeführt und daher mit als Teil der Beschreibung der ersten Praktikumsphase aufgenommen werden soll. Als ein weiteres Ergebnis der Untersuchung und gleichzeitig als Indiz für das Gelingen des Job Shadowings, wird die Empathiefähigkeit und das Erkennen, wo sich BLuE-Studierende emotional und fachlich befinden und wo Unterstützung notwendig ist, festgestellt. BLuE-Studierende fordern nahezu ein, zeitnah Rückmeldung über ihr Tun zu erhalten, damit Lernen im Job Shadowing gut möglich ist. Für einen wesentlichen Gelingensaspekt für das Job Shadowing wird das freundliche, familiäre und in jeder Hinsicht als stark unterstützend wahrgenommene Umfeld empfunden.

Der Einsatz von Lehrpersonen mit außerschulischer beruflicher Vorerfahrung, die das Handeln als Praktikumsbetreuungspersonen in fachlicher und fachdidaktischer Hinsicht unterstützen und die im Rahmen des Job Shadowings ausgeführten Tätigkeiten im Kontext der Assistenzberufe und deren Berufsfelder einordnen, wurde als ein Verbesserungsvorschlag genannt. Für den weiteren Schritt, nämlich der gelingenden Überleitung ins Erwerbsleben ­­– die nicht primär im Fokus der Untersuchung stand ­– bedarf es, neben einer guten Planung und berufspädagogischen Begleitung, Personen mit berufsfachlicher Kompetenz, die für das Überleitungsmanagement Verantwortung tragen. Hier sind erste Erfahrungswerte wie die Versicherungsregelung, das Organisieren von Unterstützungssystemen am Arbeitsplatz und ein Mobilitätskonzept bereits seitens der Gesamtpraktikumsverantwortlichen des BLuE-Hochschulprogramms an der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig vorhanden.

Aus den Gesprächen haben sich vier Kernelemente, die das Job Shadowing bereichern, ergeben: Verknüpfung von digitalem und analogen Tun als wichtige Lernerfahrung neben manuellen Tätigkeiten, die Berücksichtigung und Förderung des Faktors Konzentrationsfähigkeit, die direkte, unmittelbare und empathische Fehlerrückmeldung als gelingende Maßnahme sowie aus Sicht der Praktikumsbetreuungspersonen Wege finden, die Frustrationstoleranz bei den Praktikumsteilnehmer_innen zu erhöhen. Als bemerkenswert wurde von den Praktikumsbetreuungspersonen das Miteinander von Arbeit und Begegnung erlebt und als ein wechselseitiger Lerneffekt empfunden.

Der sonderpädagogische Fokus auf Arbeit und Beruf ist noch immer ein wenig beachtetes und erforschtes Thema innerhalb der Berufs- und Inklusionspädagogik. „Zwar bestehen vereinzelt spezialisierte Lehrstühle, aber ein umfassenderer wissenschaftlicher Diskurs über das Lebensfeld des Arbeits- und Berufslebens und seine Vorbereitung darauf wäre wünschenswert.“ (Burda-Zoyke/Kranert & Stein 2018, 302) Darüber hinaus ist folgender Anforderung nachzukommen: „Auf dem Weg zu einer inklusiven Berufsbildung ist die Ausgestaltung in allen Handlungsfeldern der beruflichen Bildung (Berufsausbildungsvorbereitung, Berufsausbildung, Fort- und Weiterbildung) genauso erforderlich wie die konzeptionelle Weiterentwicklung bewährter Unterstützungs- und Förderangebote.“ (Bylinski et.al 2018, 108)

Das Hintersichlassen einer tradierten Defizitorientierung wird zugunsten einer Chancenorientierung mit Blick auf die Berufsbildung als gesellschaftliches Ziel gesehen. Dieser Herausforderung stellt sich die Pädagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig mit der Weiterentwicklung des BLuE-Hochschulprogramms schwerpunktmäßig. Die dargestellte Untersuchung kann dazu einen ersten Beitrag leisten.

Literatur

Altrichter, H./Posch, P./Spann, H. (2018): Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht. 5. überarb. Aufl. Bad Heilbrunn.

Bauer, J./Lehrer, J./Wohlmuth, G. (2018): Triale Berufsfeldvorbereitung – Anschlussmöglichkeiten an den Arbeitsmarkt. In: Harter-Reiter, S./Plaute, W./Schneider-Reisinger, R. (Hrsg.): Inklusive Hochschule: Diskursbausteine offener Hochschulbildung aus Theorie, Praxis und Forschung. Innsbruck, 103-114.

BMSG (2003): RIS – Richtlinie zur Förderung der Berufsausbildungsassistenz nach § 8b Berufsausbildungsgesetz (BAG) GZ 44.101/45-6/03 – Erlässe der Bundesministerien. Gleichstellung und Inklusion. Online: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40011155/NOR40011155.html (26.06.2020).

Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen – Sozialministeriumservice: Berufsausbildungsassistenz. Online: https://www.sozialministeriumservice.at/Arbeitsmarktprojekte/NEBA/Berufsausbildungsassistenz/Berufsausbildungsassistenz.de.html (19.5.2020).

Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen – Sozialministeriumservice: Berufsausbildungsassistenz. Online: https://www.sozialministeriumservice.at/Arbeitsmarktprojekte/NEBA/Jobcoaching/Jobcoaching.de.html (19.5.2020).

Burda-Zoyke, A./Kranert, H.-W./Stein, R. (2018): Inklusion an beruflichen Schulen – Berufs- und Wirtschaftspädagogik meets Sonderpädagogik. In: Langner, A. (Hrsg.): Inklusion im Dialog: Fachdidaktik – Erziehungswissenschaft – Sonderpädagogik. Bad Heilbrunn, 301-308.

Bylinski, U./Heinrichs, K./Niethammer, M./Weyland, U. (2018): Inklusion in der beruflichen Bildung - Hochschuldidaktische Initiativen im Rahmen der beruflichen Lehramtsausbildung. In: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg.): Perspektiven für eine gelingende Inklusion. Beiträge der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ für Forschung und Praxis. Berlin, 107-119.

Gerland, J./Niediek, I. (2018): Potenziale Kultureller Bildung in der Hochschullehre im Feld inklusionsorientierter Pädagogik. In: Langner, A. (Hrsg.): Inklusion im Dialog: Fachdidaktik – Erziehungswissenschaft – Sonderpädagogik. Bad Heilbrunn, 294-300.

Debrunner, A. (2017): Soziales Engagement gehört dazu: Arbeitsintegration in Schweizer Unternehmen. Zürich.

Debrunner, A. (2016): Supported Employment. In: Hedderich, I./Biewer, G./Hollenweger, J./Markowetz, R. (Hrsg.): Handbuch Inklusion und Sonderpädagogik. Bad Heilbrunn, 544-551.

Doose, S. (2016): Arbeit. In: Hedderich, I./Biewer, G./Hollenweger, J./Markowetz, R. (Hrsg.): Handbuch Inklusion und Sonderpädagogik. Bad Heilbrunn, 448-453.

Heinrichs, K./Reinke, H./Ziegler, S. (2018): Soziale, emotionale und motivationale Problemlagen von Schülerinnen und Schülern als pädagogische Herausforderung für Lehrkräfte in beruflichen Schulen – Entwicklung von Fallvignetten für die evidenzbasierte Lehrerbildung zum Umgang mit Heterogenität. In: Zinn, B. (Hrsg.): Inklusion und Umgang mit Heterogenität in der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung: Eine Bestandsaufnahme im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Stuttgart, 221-239.

Hinz, A./Boban, I. (2001): Integrative Berufsvorbereitung: Unterstütztes Arbeitstraining für Menschen mit Behinderung. Neuwied.

Lamnek, S./Krell, C. (2016): Qualitative Sozialforschung. 6., überarb. Aufl. Weinheim u. a.

Niehaus, M./Baumann, A. (2016): Arbeit, Beruf. In: Dederich, M./Beck, I./Antor, G./Bleidick, U. (Hrsg.): Handlexikon der Behindertenpädagogik: Schlüsselbegriffe aus Theorie und Praxis. 3. Aufl. Stuttgart, 234-237.

Pädagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig (2020): BLuE Hochschulprogramm. PH Salzburg. Online: https://www.phsalzburg.at/studium/studienangebot/blue-hochschulprogramm/ (12.02.2020).

Platte, A./Werner, M./Vogt, S./Fiebig, H. (2018): „Einleitung“. In: Platte, A./Werner, M./Vogt, S./Fiebig, H. (Hrsg.): Praxishandbuch Inklusive Hochschuldidaktik. Weinheim u. a., 13-19.

RIS (2017): RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Berufsausbildungsgesetz – Bundesrecht konsolidiert. Online: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10006276 (26.06.2020).

Rüst, T./Debrunner, A. (2005): Supported employment: Modelle unterstützter Beschäftigung bei psychischer Beeinträchtigung. Zürich.

RWTH Aachen (2020): Job Shadowing - RWTH AACHEN UNIVERSITY - Deutsch. Online: https://www.rwth-aachen.de/cms/root/Studium/Nach-dem-Studium/Karriere/Unternehmen-finden/~ctlh/Job-Shadowing/ (12.02.2020).

Schellenberg, C./Studer, M./Hofmann, C. (2016): Transition Übergang Schule-Beruf. In: Hedderich, I./Biewer, G./Hollenweger, J./Markowetz, R. (Hrsg.): Handbuch Inklusion und Sonderpädagogik. Bad Heilbrunn, 485-490.

Schneider-Reisinger, R./Bachmann, L./Bauer, J./Fischinger, L./Harter-Reiter, S./Plaute, W./Schober, C. (2018): Das Hochschulprogramm BLuE – Inklusive tertiäre Bildung für Studierende mit kognitiver Beeinträchtigung. In: Harter-Reiter, S./Plaute, W./Schneider-Reisinger, R. (Hrsg.): Inklusive Hochschule: Diskursbausteine offener Hochschulbildung aus Theorie, Praxis und Forschung. Innsbruck, 329-342.

Schneider-Reisinger, R./Harter-Reiter, S./Schober, C./Kreilinger, M./Bauer, J./Plaute, W. (2020): BLuE – Bildung als Teilhabepraxis in einer dialogisch-strukturierten Aufgabengemeinschaft. In: Boban, I./Hinz, A. (Hrsg.): Inklusion und Partizipation – Herausforderungen für Schule. Weinheim u. a., 297-303.

Theunissen, G./Plaute, W. (2002): Handbuch Empowerment und Heilpädagogik. Freiburg.

Theunissen, G. (2013): Inklusion – Entwicklung und Diskussionsstand eines praxisgestaltenden Paradigmas in Europa. In: Schwalb, H./Theunissen, G. (Hrsg.): Unbehindert arbeiten, unbehindert leben: Inklusion von Menschen mit Lernschwierigkeiten im Arbeitsleben. Stuttgart, 9-23.

Zitieren des Beitrags

Bauer, J./Lehrer, J./Wohlmuth, G. (2020): Job Shadowing – ein erster Schritt im Rahmen der Trialen Berufsfeldvorbereitung. Erkenntnisse der Berufsvorbereitung im Rahmen des BLuE-Hochschulprogramms. In: bwp@ Spezial PH-AT1: Österreichs Berufsbildung im Fokus der Diversität – Berufspädagogische Forschung an Pädagogischen Hochschulen – Status quo, Herausforderungen und Implikationen, hrsg. v. Heinrichs, K./Albert, S./Christa, J./Jäger, N./Uhl, R., 1-26. Online: https://www.bwpat.de/spezial-ph-at1/bauer_etal_bwpat-ph-at1.pdf (18.11.2020).