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Hrsg.:

Meine Auszubildenden verstehen die Fachsprache im Fachunterricht einfach nicht!? Mikro- und Makromethoden zur Bildungs- und Berufssprachenvermittlung im dualen Ausbildungssystem in Österreich

Beitrag von Sandra Menner
Schlüsselwörter: Berufsbildung – sprachaufmerksamer Fachunterricht – Methoden zur Umsetzung im Fachunterricht

Die Heterogenität in der sprachlichen Zusammensetzung an österreichischen Schulen steigt weiter an. Lehrkräfte sind gefordert, diese Herausforderungen durch geeignete Unterrichtsplanungen und fachdidaktische Kenntnisse der Sprachförderung auszugleichen. Dieser Beitrag zeigt unterschiedliche Mikro- und Makrokonzepte (Basis-Werkzeuge und umfassendere Designs von Sprachhandlungen im Fachunterricht) für einen sprachaufmerksamen Unterricht auf, die sich im Bereich der Berufsschule in allen Fächern umsetzen lassen. Welche Maßnahmen für Schüler*innen und Lehrpersonen notwendig sind, um die Bildungs- und Berufssprachenvermittlung im Berufsschulbereich zu forcieren, wird in diesem Beitrag dargelegt.

Micro and macro methods for teaching educational and professional languages in the dual training system in Austria

English Abstract

The heterogeneity in the linguistic composition at Austrian schools continues to increase. Teachers are called to balance these challenges with appropriate lesson planning and didactic knowledge of language support. This article shows different micro- and macro-concepts for language-aware teaching that can be implemented in all subjects in the field of vocational schools. This contribution explains which measures are necessary for pupils and teachers in order to promote educational and professional language teaching in the vocational school area.

1 Problemstellung: Warum scheitern immer mehr Auszubildende an für Lehrpersonen einfachen Begriffen?

„Ich bin für mein Fach als Fachlehrer*in ausgebildet und nicht Deutschlehrer*in“, solche Einstellungen sind in Lehrer*innen-Zimmern anzutreffen. Dabei geht es nicht darum, „Deutsch als Unterrichtsgegenstand“ zu unterrichten, sondern über fachdidaktische Kenntnisse der Sprachförderung zu verfügen und diese gezielt einzusetzen.

Es ist heute im beruflichen Ausbildungsbereich nicht mehr möglich, Inhalte mit dem Buch zu erarbeiten und davon ausgehen zu können, dass die Schüler*innen damit zurechtkommen und die verwendeten Begriffe verstehen. Lehrpersonen setzen bildungssprachliche Kenntnisse bei ihren Auszubildenden voraus und wundern sich, warum Leistungen schlechter werden und die Motivation nachlässt. Viel zu selten holen Lehrkräfte ihre Schüler*innen dort ab, wo sie sprachlich stehen. Sie setzen Sprach- und Lesefertigkeiten voraus, die in aktuellen Klassenkonstellationen nicht mehr vorhanden sind. (Die Begriffe Schüler*innen und Auszubildende werden in diesem Artikel synonym verwendet.)

Vielfach sind die bildungssprachlichen Kenntnisse der Schüler*innen zu gering, um Fachsprache überhaupt aufbauen zu können. Untersuchungen zeigen, dass Schulerfolg auch davon abhängig ist, inwieweit die Bildungssprache beherrscht wird (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 14). Die gezielte Sprachförderung in allen Unterrichtsfächern ist nicht nur bei Schüler*innen mit Deutsch als Zweit-/Drittsprache notwendig, sondern auch bei Auszubildenden, die Deutsch als Erstsprache haben. Immer mehr Lehrlinge schaffen es nicht, fachliche Inhalte aus Texten sinnerfassend zu entnehmen. Hier liegen die Probleme klar im Bereich der mangelnden Lesekompetenz und der fehlenden bildungssprachlichen Fertigkeiten, die gefördert werden müssen, um Fortschritte im Fachlernen erzielen zu können (vgl. Miesera/Sander 2015, 59).

16 % der Lehrlinge (das sind 37.835 Auszubildende) haben im Jahr 2016 ihre Lehrzeit in Österreich ohne Abschluss vorzeitig beendet, ohne ein weiteres Lehrverhältnis einzugehen und die Lehrabschlussprüfung abzuschließen. Obwohl die Statistik keine wesentlichen Änderungen zu den vorangegangenen Jahren aufweist, zeigt sie, dass unter anderem fehlende fachliche und sprachliche Kenntnisse als Ursachen dafür gesehen werden können (vgl. Dornmayer/Nowak 2018, 56). Der Anteil an Lehrabbrecher*innen ist im Bereich der überbetrieblichen Lehrausbildung mit 43,7 % besonders hoch, da hier vor allem Jugendliche aus benachteiligten Zielgruppen integriert werden (vgl. Dornmayer/Nowak 2018, 56, 57). Auch die PISA-Erhebung aus dem Jahr 2018 führt explizit vor Augen, dass im Bereich „Lesefertigkeiten“ nahezu ein Viertel der österreichischen Jugendlichen (24 %) im Alter zwischen 15 und 16 Jahren massive Defizite im sinnerfassenden Lesen aufweist (Suchán/Höller/Wallner-Paschon 2019, 96). Untersuchungen der OECD zeigen, dass sich die Lesefähigkeiten direkt auf Beschäftigungsverhältnisse und den Gesundheitsstatus von Personen auswirken (vgl. Kirsch/De Long 2002, 15).

Diese Tatsachen/Erfahrungen aus dem Bildungsbereich verweisen darauf, dass die sprachlichen Fertigkeiten Einfluss auf Schulerfolg bzw. -misserfolg haben und sich auch, auf das zukünftige Leben unserer Auszubildenden auswirken (vgl. Becker-Mrotzek/Roth 2017, 7). Wer die vorherrschende Sprache nicht beherrscht, hat umgangssprachlich gesagt mit der gesellschaftlichen/sozialen/beruflichen Integration „ein Problem“. Nun ist dies im allgemeinen Kontext nachvollziehbar, wird aber zu selten auf den schulischen Alltag in der beruflichen Bildung bezogen. Was lässt sich aus diesen Erkenntnissen auf den schulischen Alltag ableiten?

Der vorliegende Beitrag soll praxisnahe Impulse zur Sprachförderung im Fachunterricht geben, die von allen Lehrkräften im Berufsschulbereich umgesetzt werden können. Nachdem empirische Untersuchungen zur Effektivität von Mikro- und Makromethoden in einem sprachbewussten Unterricht bis dato fehlen, wird von der These ausgegangen, dass sich die angeführten Methoden in jedem Unterrichtsfach umsetzen lassen und damit zur nachhaltigen Verbesserung und Steigerung von sprachlichen Fertigkeiten beitragen können, was sich wiederum förderlich auf das Fachlernen auswirken kann.

1.1 Forschungsfrage

Wie bereits erwähnt, fehlen trotz zahlreicher Artikel über die Notwendigkeit eines sprachbewussten Unterrichts, belastbare Studien. Der vorliegende Beitrag geht von der Annahme aus, dass im Fachunterricht der Berufsschule auf bildungssprachliche Fertigkeiten und die fehlende Lesekompetenz vieler Jugendlicher zu wenig Rücksicht genommen wird und Strategien im Umgang damit fehlen. Folgende Forschungsfrage ergibt sich in diesem Zusammenhang: „Wie können Lehrpersonen in der beruflichen Bildung dazu beitragen, dass die sprachlichen Fertigkeiten der Schüler*innen gefördert werden?“

Dieser Beitrag reflektiert das Spannungsfeld zwischen Spracherwerb und Förderung der Bildungs- und Berufssprache im Rahmen der Berufsbildung und versucht konkrete Anwendungsbeispiele für den Unterrichtsalltag abzuleiten.

1.2 Methodik

Für die Bearbeitung der genannten Forschungsfrage, wurde der hermeneutische Zugang gewählt. Dies bedeutet, dass bereits vorhandene didaktische Konzepte aus der beruflichen Bildung (Berufssprache Deutsch) und anderen wissenschaftlichen Bereichen (Sprachdidaktik) zur weiteren Bearbeitung herangezogen wurden, um Ableitungen für den schulischen Alltag in der Berufsschule vornehmen zu können.

Um die Forschungsfrage fundiert bearbeiten zu können, werden in Folge Begriffe erläutert, die für die weitere Auseinandersetzung mit sprachlichen Fertigkeiten notwendig sind.

2 Sprachformen in Alltag und Beruf

In bildungswissenschaftlichen Fachgesprächen, die sich mit sprachlichen Fertigkeiten auseinandersetzen, ist die Unterscheidung von folgenden Begrifflichkeiten wichtig:

Unter „Alltagssprache“ kann Kommunikation in vertrauten Situationen des täglichen Lebens verstanden werden. Es geht hier um den Austausch von Erfahrungen und die Konversation mit sozialen Kontakten im privaten und öffentlichen Bereich. Die Anforderungen, die sich in Bezug auf Wortschatz und Grammatik ergeben, sind bekannt (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 43). Um sich alltagssprachlich ausdrücken zu können, sind die nach Cummins benannten BICS (basic interpersonal communication skills) notwendig. Der Erwerb dieser grundlegenden Kommunikationsfähigkeiten geht sowohl in der Erst- als auch Zweitsprache schnell (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 16f.).

Unter „Bildungssprache“ wird die Kommunikation in „Bildungskontexten“ wie z. B. der Schule, Hochschule verstanden. Bereits Habermas hat der Bildungssprache 1977 eine Vermittlungsposition zugeordnet, die zwischen der Alltagssprache und der Fachsprache agiert (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 43). Die Bildungssprache unterscheidet sich von der Alltagssprache indem der Wortschatz differenzierter wird, die Schriftsprachlichkeit an Bedeutung gewinnt und sich Personen anhand von Sprache von der sozialen Ebene auf die kognitive Ebene begeben. Von der Fachsprache grenzt sich die Bildungssprache ab, da sie „allen“ Menschen den Zugang und die Entwicklung von Überblickswissen mit Fremdwörtern und komplexer Satzlehre ermöglicht (vgl. Ahrenholz/Hövelbrinks/Schmellentin 2017, 268). Um Bildungssprache verwenden zu können, sind die sogenannten CALP (cognitive academic language proficiency – siehe Cummins) notwendig. Die Entwicklung dieser schulbezogenen Kenntnisse nimmt auch für Auszubildende mit Erstsprache Deutsch mehrere Jahre in Anspruch (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 51). Sprachliche Kenntnisse in Bezug auf die CALP-Kompetenzen nach Cummins sind Voraussetzung dafür, dass es zur Entwicklung von beruflicher Handlungsfähigkeit kommen kann und die Fachsprache weiterentwickelt wird (vgl. Leisen 2011, 13).

Den bildungssprachlichen Kenntnissen kommt eine zentrale Rolle in Bezug auf Schulerfolg bzw. -misserfolg zu (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 14). Aus dieser Tatsache sollte das Ziel abgeleitet werden, Bildungssprache in allen Fächern zu forcieren, denn Fachlernen kann ohne Sprachlernen nicht funktionieren (vgl. Leisen 2011, 5). Auch im Alltag treffen wir auf bildungssprachliche Texte bspw. Bedienungsanleitungen, Kaufverträge, Packungsbeilagen von Medikamenten. Personen, die nicht im Stande sind, diese zu lesen und zu verstehen, werden Schwierigkeiten bei der Integration im gesellschaftlichen Leben haben (vgl. Carnevale/Wojnesitz 2014, 8).

Die Kommunikation im jeweiligen Fachgebiet (Wissenschaft, Technik) wird als „Fachsprache“ bezeichnet. Hier geht es um den Wissensaustausch innerhalb von Disziplinen und Diskursen in Fachkreisen (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 55). Kennzeichnend für die Fachsprache ist, dass diese viele Fachbegriffe verwendet und komplexe Text- und Satzkonstellationen hervorbringt, die nur bei bereits vorhandenem Wissen verstanden werden können (vgl. Leisen 2011, 6).

Nachdem in diesem Artikel von der These ausgegangen wird, dass der Erwerb der Fachsprache im Berufsschulbereich zunehmend schwierig ist, da der Sprachförderbedarf sowohl bei Schüler*innen mit und ohne Migrationshintergrund zunimmt, wird auf den Ansatz von Jörg Roche, Claudia Riehl, Alfred Riedl und Elisabetta Terrasi-Haufe, eingegangen. Die Forscher*innen fügen zwischen die Bildungssprache und die Fachsprache die sogenannte Berufssprache. Die Berufssprache grenzt sich von der Fachsprache ab, indem diese auf jene Gefüge eingeht, die mit den spezifischen kommunikativen Aufgabenbereichen des Ausbildungsbereiches zu tun haben (vgl. Terrasi-Haufe/Börsel 2017, 195). Da es in diesem Ansatz aus Deutschland zu einer Verbindung von Sprachlernen mit der realen beruflichen Praxis kommt, bietet sich der Einsatz besonders an Berufsschulen an, da die Auszubildenden durch ihre Arbeit in den Lehrbetrieben im Berufsalltag verankert sind und das Fachlernen mit der Berufssprache kombiniert werden kann.

Die genannten Ausführungen zeigen, dass eine zentrale Aufgabe von Lehrkräften darin besteht, sprachliche Fertigkeiten im Unterrichtsprozess zu fördern. Um Anregungen zu geben, wie dies im schulischen Alltag gelingen kann, werden in Folge Methoden für einen sprachaufmerksamen Unterricht vorgestellt und Maßnahmen für den schulischen Alltag abgeleitet. Dieser Beitrag konzentriert sich auf Methoden zur Verbesserung der bildungs- und berufssprachlichen Kenntnisse, da diese als Grundlage für die Entwicklung von beruflicher Handlungsfähigkeit gesehen werden können und für einen kompetenzorientierten Unterricht unabdingbar sind.

3 Konzepte und Umsetzungsmöglichkeiten

Das Unterrichten von sprachlich heterogenen Klassen prägt den Schulalltag von immer mehr Lehrkräften auch in Österreich. Im Unterricht solcher Klassen sind Lehrkräfte besonders gefordert, auf die Möglichkeiten und Grenzen der Schüler*innen einzugehen, um sie bestmöglich fördern zu können. Im Fachunterricht finden Auszubildende mit Migrationshintergrund bspw. aufgrund des Drucks der Lehrperson den Lehrstoff durchzubringen, zu wenig Beachtung und werden in ihrem Spracherwerbsprozess nicht entsprechend gefördert. Werden Schüler*innen mit Sprach- und Leseproblemen nicht unterstützt, bleiben sie sprichwörtlich auf der Strecke (vgl. Budde 2012, 49).

Um die bildungs-/berufssprachlichen Kenntnisse und Lesefertigkeiten der Auszubildenden im Berufsschulbereich zu verbessern, erscheint es notwendig, dass das Bewusstsein der gesamten Lehrer*innenschaft hinsichtlich einer gemeinsamen Sprachförderung geschärft wird und eine Kooperation zwischen den Lehrkräften, Direktionen und Hochschulen forciert wird. Nachdem Fachlernen und Sprachlernen nicht voneinander getrennt werden kann, diese einander bedingen, gilt es als Aufgabe aller Lehrpersonen, an der Verbesserung der Sprach- und Lesekompetenzen der Schüler*innen in der Berufsschule zu arbeiten (vgl. ÖSZ 2019).

Bevor nun auf die einzelnen Konzepte sprachbewussten Lernens eingegangen wird, werden allgemeine didaktische Prinzipien angeführt, die in jedem Unterricht Berücksichtigung finden sollten.

3.1 Didaktische Spezifika beruflichen Lernens

Seit einigen Jahren wird an Berufsschulen in Österreich kompetenzorientiert unterrichtet. Im Sinne von Franz Weinert geht es in der Kompetenzorientierung um eine Verbindung des geistigen Wissens mit „motivationalen, volitionalen und sozialen Aspekten und Fähigkeiten“ der Schüler*innen (Weinert, 2001).

Im kompetenzorientierten Unterricht liegt der Schwerpunkt auf der sogenannten Handlungs- und Anwendungsorientierung. Es geht somit nicht um eine reine Wissensvermittlung, sondern um die Entwicklung von Fähigkeiten, die die Lernenden in ihrer privaten und beruflichen Lebensrealität anwenden und umsetzen können. Dabei arbeiten die Auszubildenden an bestimmten Lernsituationen aus der Praxis und versuchen eigenständig Lösungsvorschläge zu erarbeiten (vgl. BMUKK 2012, 11).

In einem kompetenzorientierten Unterricht wird auf unterschiedliche didaktische Prinzipien eingegangen. Beispielsweise wird auf Individualisierung durch Förderung der Interessen und Begabungen geachtet. Weiters kommt der Methodenvielfalt eine zentrale Bedeutung zu, in dem darauf geachtet wird, dass verstärkt handlungsorientierte Methoden eingesetzt werden, die die Aktivität der Schüler*innen fördern. Außerdem ändert sich der Weg von der Lehrer*innen-Zentrierung zu einer Lernbegleitung im Sinne des selbstgesteuerten Lernens der Schüler*innen. Die Lehrperson wird zunehmend als Coach gesehen. Durch das Bearbeiten von praxisnahen Aufgabenstellungen wird im Sinne des Problem Based Learnings agiert und zum Aufbau von Kompetenzen beigetragen (vgl. BMUKK 2012, 24ff.).

Diese allgemeinen Prinzipien finden im Berufsschulbereich in recht einfacher Weise Anwendung, da durch die Arbeit in den Lehrbetrieben konkrete Handlungssituationen hergestellt werden können und den Auszubildenden die Möglichkeit der Identifikation gegeben wird. Natürlich sind diese Spezifika auch für einen sprachbewussten Unterricht bedeutend und spiegeln sich in den später angeführten Ansätzen wider.

In Folge werden allgemeine didaktische Aspekte für die Planung und Umsetzung von sprachbewussten Unterrichtseinheiten in Form einer Checkliste zusammengeführt, die dazu dienen, bei der Umsetzung unterstützend einzuwirken.

3.2 Checkliste für die Planung und Durchführung von sprachaufmerksamen Unterrichtseinheiten (in Anlehnung an SIOP + FÖRMIG)

Um Unterrichtseinheiten im Fachunterricht in Hinblick auf Sprachbewusstsein aufzubauen, ist es notwendig, die bereits genannten Prinzipien (Individualisierung, Methodenvielfalt etc.) auf dem Weg von der Unterrichtsvorbereitung bis zur Umsetzung zu berücksichtigen. Die in Folge vorgestellte Checkliste greift diese Merkmale auf und orientiert sich am „Sheltered Instruction Operation Protocol“ (kurz SIOP genannt) und an den Qualitätskriterien nach FörMig (Programm zur Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund).

Der SIOP-Kriterienraster enthält 30 Merkmale von der Unterrichtsvorbereitung bis zur Wiederholung und Leistungsbeurteilung, die von Lehrkräften in ihre Überlegungen für ein integriertes Fach- und Sprachenlernen miteinbezogen werden sollten (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 110). Gogolin, Lange, Hawighorst et al. entwickelten mit ihrem FörMig-Material Qualitätsmerkmale für den Unterricht, in der die durchgängige Sprachbildung im gesamten schulischen Ausbildungsbereich in den Mittelpunkt gestellt wird (vgl. Gogolin et al. 2011, 13ff.).

In diesem Artikel wird von der These ausgegangen, dass die Verwendung der nun angeführten Checkliste in der Planung, Durchführung und Evaluation von Unterrichtseinheiten sich insbesondere für Zweitsprachenlernende eignet (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 113). Die Schüler*innen werden durch diese Kerngedanken/Merkmale im Fachunterricht unterstützt bildungs- und berufssprachliche Fertigkeiten weiterzuentwickeln, wenn Lehrpersonen diese mitdenken (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 113).

Unterrichtsplanung:

  • Im Vorfeld des eigenen Unterrichts müssen Überlegungen über die inhaltlichen und sprachlichen Lernziele, die mit dem Unterricht erreicht werden sollen, angestellt werden. Der Fahrplan für die Unterrichtseinheit wird am Beginn dargelegt, um den Auszubildenden Klarheit zu geben. Dieser Schritt kann auch schriftlich erfolgen, um den sogenannten roten Faden für Lernende und Lehrende vor Augen zu führen (vgl. Meyer 2016, 26). Nach erfolgter Lernstandsanalyse werden mit den einzelnen Auszubildenden inhaltliche und sprachliche Ziele für das Schuljahr festgelegt (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 111).
  • Die detaillierte Analyse der Eingangsvoraussetzungen der Schüler*innen scheint auch im Hinblick auf die Formulierung der sprachlichen Lernziele notwendig. Nur wenn im Vorfeld überlegt wird, wo die Auszubildenden fachlich und sprachlich stehen, können sie am vorhandenen Lernstand abgeholt und der weitere Unterrichtsverlauf geplant werden. Hier wird auf das didaktische Modell des „Makro-Scaffoldings“ nach Gibbons Bezug genommen, welches die Planung des Unterrichtsgeschehens durch eine Bedarfs- und Lernstandsanalyse und die konkrete Unterrichtsplanung im Vorfeld in den Mittelpunkt stellt (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 115).
  • Die Unterrichtsvorbereitung muss auf das jeweilige Niveau der Schüler*innen abgestimmt sein und lösbare Aufgabenstellungen in einem mittleren Schwierigkeitsgrad beinhalten (vgl. Leisen 2017, 22f.). Hierbei ist es wichtig, die Planung nicht zu detailreich zu erstellen, sondern einen gewissen Spielraum für etwaige unvorhersehbare Einflüsse und Wendungen zuzulassen.
  • Das Unterrichtsmaterial muss adaptiert werden, um auf die jeweiligen Stärken und Schwächen von Schüler*innen eingehen zu können und eine größtmögliche Binnendifferenzierung zu ermöglichen. Die Aufgabenstellungen sind je nach Sprach- und Lesekompetenz differenziert (vgl. Gogolin/Lange/Hawighorst 2011, 24). Auch Zusatzmaterialien können vorbereitet werden, um schwächeren Auszubildenden Hilfsgerüste zu bieten, die eine Bearbeitung von Aufgabenstellungen erleichtern (z. B. Textbausteine). Sogenannte Scaffolding-Techniken werden kontinuierlich im Unterricht eingesetzt (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 114).
  • Die Vorerfahrungen und Lebenswelten der Schüler*innen werden in den Aufgabenstellungen berücksichtigt, indem z. B. Fallbeispiele aus beruflichen Situationen angeführt werden. Wie Tilman Grammes zeigt, eignen sich Fallbeispiele sowohl für einen motivierenden Einstieg als auch für Übungsphasen (vgl. Grammes 2014, 93). Unterschiedliche Formen der Aufgabenstellungen, wie bspw. Zuordnungsaufgaben oder Rollenspiele, werden im Unterricht eingesetzt.
  • In der Formulierung von Aufgabenstellungen muss auf Klarheit geachtet werden. Die formulierten Lernaufgaben werden möglichst eindeutig dargestellt (vgl. ÖSZ 2019). Bei der Beschreibung von Aufgabenstellungen kommt den sogenannten „Operatoren“ eine zentrale Rolle zu. Als Operatoren werden Verben bezeichnet, die den Arbeitsauftrag der Aufgabenstellung beschreiben und Handlungsaufforderungen auf sprachlicher Ebene konkreter machen (z. B. aufzeigen, beschreiben, kennzeichnen) (vgl. Schlögl 2012, 325). Die Sprachhandlungen der Auszubildenden müssen glaubwürdig sein und Problemstellungen aus den Interessens- und Berufsfeldern der Jugendlichen aufweisen. Den Schüler*innen wird weiters klar verständlich gemacht, was von ihnen sprachlich verlangt wird. So sollten Aufgaben, die einfache Ja/Nein-Antworten erfordern, vermieden werden und in der Formulierung der Aufgabenstellung auf vielschichtigere sprachliche Mittel, unter Verwendung konkreter Operatoren, zurückgegriffen werden. Die fachlichen und sprachlichen Lernziele werden zumindest zu Beginn des Schuljahres bekanntgegeben und am Ende des Schuljahres gemeinsam reflektiert (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 41ff.).
  • Weiters werden Aufgabenstellungen eingeplant, in denen Fachinhalte und sprachliche Handlungen kombiniert werden (z. B. Rollenspiele, Interviews) (vgl. Gogolin et al. 2011, 13ff.).

Unterrichtsdurchführung:

  • Werden Unterrichtsinhalte nicht klar verständlich dargestellt, können vor allem lernschwache Schüler*innen beziehungsweise Auszubildende, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, dem Unterrichtsverlauf schwer bis gar nicht folgen. Lehrpersonen achten im Unterricht auf ihre eigene, klare (Sprech-)Sprache und formulieren Aufgabenstellungen präzise (vgl. Meyer 2016, 30ff.).
  • Lehrpersonen müssen nicht nur auf ihren eigenen Sprachgebrauch achten, sondern auch jenen der Schüler*innen beobachten und reflektieren. Im Fachunterricht werden komplexe Inhalte vermittelt, was eine sprachliche Herausforderung mit sich bringt. Die Auseinandersetzung mit Fachbegriffen soll nicht vermieden werden, sondern durch Methoden wie bspw. der literalen Didaktik (Konzept zur Förderung der Textkompetenz bei Lernenden; siehe Kapitel Makromethoden) forciert werden. Im genannten Konzept wird an die vorhandene Textkompetenz der Schüler*innen angeknüpft, darauf werden Unterrichtsinhalte aufgebaut und wichtige Strategien im Umgang mit Texten geschult. Der Verschriftlichung kommt eine zentrale Rolle zu, da im Schreibprozess mehr Genauigkeit gefordert wird als in der mündlichen Kommunikation (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 31). Im Berufsschulbereich kommen anspruchsvollere schriftliche Aufgabenstellungen minimal zum Einsatz, da den Schüler*innen selten zugetraut wird, diese bearbeiten zu können. Dabei sind schriftliche Aufgabenstellungen für schwächere Schüler*innen besonders bedeutsam. Die Auszubildenden müssten hierfür längerfristig angeleitet werden (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 30).
  • Es ist notwendig, dass Lehrpersonen bei der Formulierung von Lernaufgaben auf deren Klarheit achten, denn die Art wie Aufgabenstellungen gestellt werden, hat einen starken Einfluss auf die Lernleistung der Schüler*innen (vgl. Meyer 2010, 55). Wie bereits erwähnt kommt dem genauen Einsatz von sogenannten Operatoren – Verben, die den Arbeitsauftrag beschreiben – eine zentrale Rolle zu (vgl. Schlögl 2012, 325). Die Lehrperson muss sich darüber selbst im Klaren sein, ob Schüler*innen in den Aufgabenstellungen bspw. benennen, erklären oder begründen sollen.
  • Den Auszubildenden wird im Fachunterricht die Möglichkeit gegeben, sich aktiv in das Unterrichtsgeschehen einbringen zu können. Haben Schüler*innen die Möglichkeit sich sprachlich oder schriftlich zu artikulieren, können sie in einem ersten Schritt selbst besser erkennen, wo sie Kenntnisse bzw. Lücken in den vorhandenen Stoffgebieten haben. Authentische Aufgabenstellungen, mit denen sich die Lernenden identifizieren, da sie etwas mit deren Lebensrealität zu tun haben, wirken sich lernförderlich aus (vgl. Schlögl 2012, 32ff.).
  • Durch die Aufgabenstellungen werden die Jugendlichen aktiviert, fachliche und sprachliche Inhalte zu kombinieren. Die Aufgabenstellungen dürfen weder zu leicht noch zu schwer gestellt sein. Leisen spricht in diesem Zusammenhang von einer „kalkulierten sprachlichen Herausforderung“, welche einen optimalen Lernertrag möglich macht (vgl. Leisen 2016, 22).
  • Methodische Vielfalt macht den Unterricht für Schüler*innen interessanter (vgl. Riedl 2011, 134). Die vier Fertigkeiten Lesen, Schreiben, Hören und Sprechen werden daher in jeden Unterricht integriert. Bei der Auswahl der Unterrichtsform wird darauf geachtet, dass die Aktivität der Auszubildenden hoch ist und nicht von der Lehrperson dominiert wird. Weiters erhalten die Auszubildenden ausreichend Möglichkeiten, sich sprachlich aktiv einzubringen (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 32).
  • Die Bereitstellung einer Vielzahl an Lernmaterialien und -hilfen, die unterschiedliche Zugänge aufweisen, wirkt sich positiv auf die verschiedenen Lernarten der Schüler*innen aus und geht entsprechend auf die Interessen der Auszubildenden ein (vgl. Miesera/Sander 2015, 61). Bei Schüler*innen mit mangelhafter Lesekompetenz kann mit Aufgabenstellungen gearbeitet werden, die auf diese Gegebenheit eingehen und eine einfache Sprache verwenden.
  • Die von den Auszubildenden benötigte Arbeitszeit muss ihnen zugesprochen werden. Schüler*innen, die beim Lösen der Aufgabenstellungen schnell sind, können durch Zusatzaufgaben beschäftigt werden oder als Unterstützung den schwächeren Auszubildenden zur Seite gestellt werden. Lernende, die bei der Erarbeitung mehr Zeit brauchen, werden mit spezifischen Strategien, um mit sprachlichen Herausforderungen umzugehen, unterstützt (vgl. Meyer 2010, 45f.).
  • Neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Lernen vor allem dort gut möglich ist, wo Inputs regelmäßig wiederholt werden, da in unseren Köpfen die sogenannten „neuronalen Landkarten“ entstehen, durch die es möglich wird, auf bereits vorhandenes Wissen zuzugreifen und Kenntnisse auszubauen (vgl. Schirp 2006, 103). Fachbegriffe werden daher regelmäßig wiederholt.

Unterrichtsreflexion:

  • In regelmäßigen Abständen gibt es für die Auszubildenden Feedbacks, um ihnen zu zeigen, wie sich der Lernweg und die sprachliche Entwicklung vollziehen. Fragebögen könnten als Quelle zur Verbesserung der Unterrichtsqualität herangezogen werden. Hier erscheint qibb (Qualitätsinitiative Berufsbildung) als mögliches Instrument zur Durchführung.
  • Bei regelmäßig stattfindenden Gesprächen mit Auszubildenden, Lehrbetrieben und Erziehungsberechtigten werden bereits erreichte inhaltliche/sprachliche Ziele und Erfolge aufgezeigt, aber auch über die weitere Vorgehensweise im Umgang mit Defiziten gesprochen.

Diese Checkliste ermöglicht Lehrpersonen, einen klar strukturierten Unterricht zu planen und durchzuführen, sowie ihren eigenen Unterricht in Hinblick auf Sprachbewusstsein zu reflektieren.

Die im Folgenden angeführten methodischen Konzepte (Mikro- und Makromethoden) eignen sich für den Unterricht in der Berufsschule, da sie Sprache als Schlüssel zum Fachlernen sehen. Makromethoden bezeichnen in diesem Beitrag umfassendere Designs von sprachbewussten Handlungen im Unterricht, die regelmäßig und über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden (z. B. Berufssprache Deutsch, Ansatz der literalen Didaktik). Mikromethoden hingegen können als Basis – erster Einstieg – in einen sprachbewussten Unterricht gesehen werden, indem sie zur Gestaltung von einzelnen Unterrichtsabschnitten verwendet werden und einfache kurze Möglichkeiten bieten, um Fach- und Sprachlernen zu kombinieren (z. B. Methodenwerkzeuge Leisen). Die unterschiedlichen Mikro- und Makro-Konzepte werden in den folgenden Kapiteln ausführlicher erklärt.

3.3 Mikromethoden und deren Umsetzung in einem sprachbewussten Unterricht

Schüler*innen treffen im Fachunterricht durch den Einsatz von Fachinhalten und Fachvokabular auf Sprachhürden, die von ihrem individuellen Kenntnisstand oft weit entfernt sind. Die Sprachanforderungen liegen hier nicht mehr knapp über dem individuellen Sprachvermögen der Auszubildenden, sondern überfordern diese häufig, was dazu beiträgt, dass diese die Aufmerksamkeit am Unterricht verlieren und dem Unterrichtsverlauf nicht mehr folgen können (vgl. Leisen 2017, 22f.).

Wenn Lehrpersonen nicht auf diesen Umstand eingehen, verlieren sie Schüler*innen und werden i. d. Regel mit der Zeit durch mangelnde Unterrichtsfortschritte frustriert sein. Lehrpersonen können den Auszubildenden und sich selbst das Leben mit einfachen Hilfsmitteln (Mikromethoden) in Bezug auf die Förderung von sprachlichen Kompetenzen erleichtern.

Die theoretisch-didaktische Literatur im deutschsprachigen Raum verweist darauf, dass ein erster Schritt in Richtung Förderung der Sprachbildung passiert ist, wenn die in Folge präsentierten Hilfsmittel regelmäßig im Unterricht eingesetzt und die Schüler*innen an deren Verwendung schrittweise herangeführt werden. Für die Anwendung dieser Mikromethoden bedarf es keiner Vorkenntnis im sprachwissenschaftlichen Bereich.

Der auch in Österreich sehr bekannte deutsche Professor für Didaktik Josef Leisen entwickelte mit seinen Methodenwerkzeugen für den sprachsensiblen Fachunterricht 40 Hilfsmittel, die Auszubildende beim fachlichen und sprachlichen Lernen unterstützen können. Durch den Einsatz dieser Werkzeuge werden Lernprozesse schüler*innen aktiv gefördert. Diese Hilfsmittel, die größtenteils das spielerische Lernen in den Vordergrund stellen, können in Form von Dominos, Bildgeschichten, Lückentexten, Rätseln, Wortgittern etc., regelmäßig in recht einfacher Weise in den Unterricht integriert werden und leisten einen Beitrag zur Förderung der sprachlichen Entwicklung. Der methodische Zugang richtet sich vor allem an Lehrkräfte der Sekundarstufe I, kann aber auch im dualen Ausbildungssystem ohne Vorkenntnisse der Lehrperson hinsichtlich sprachlicher Bildung eingesetzt werden. So können bspw. durch den Einsatz eines Dominos zu den Unregelmäßigkeiten im Kaufvertrag Begriffe spielerisch wiederholt und verdeutlicht werden. Durch die Verwendung von Bildgeschichten werden Bilder mit Texten kombiniert. Lerninhalte bleiben so länger in Erinnerung.

Im Sinne des Mikro-Scaffoldings nach Gibbons werden sprachliche Hilfen und kompetente Lernpartner*innen (Schüler*in, Lehrperson) zur Verfügung gestellt, um den Trennungsbereich zwischen Kenntnis und Unkenntnis der Sprache zu minimieren und die Schüler*innen schrittweise an die Bewältigung von Aufgaben heranzuführen (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 114). Die Kenntnis von Fachbegriffen in Angewandter Wirtschaftslehre (AWL) ist für die weitere Bearbeitung im Unterricht unerlässlich. Um diese Fachtermini zu erschließen und im Sprachgebrauch anzuwenden, benötigen Auszubildende Übungsmöglichkeiten. Eine Möglichkeit ist das Erstellen von Glossaren (Wörterverzeichnissen). Bei der Erstellung von Glossaren erhalten die Schüler*innen die Aufgabe, Fremdwörter und Fachbegriffe zu sammeln und diese mit eigenen Worten bildungs- bzw. berufssprachlich zu erklären. Glossare können um die Übersetzung in die Erst- bzw. Muttersprache, Artikelbenennung und Mehrzahlform ergänzt werden (vgl. Carnevale/Wojnesitz 2014, 28). Ziel dieser Methode ist es, den Wortschatz der Auszubildenden zu erweitern und damit die Berufs- und Bildungssprache zu fördern. Mit dieser Methode sollte zu Beginn eines Ausbildungsjahres begonnen werden. Es ergibt sich dadurch die Möglichkeit, das Glossar über ein gesamtes Schuljahr zu führen und jene Schüler*innen mit den meisten gesammelten Begriffen zu belohnen (vgl. Carnevale/Wojnesitz 2014, 28). Als sprachliche Hilfe im Sinne des Scaffoldings könnten auch Textbausteine dienen, die den Schüler*innen bei der Erstellung von Geschäftsbriefen zur Bearbeitung bereitgestellt werden, damit diese mit der Formulierung entsprechender Sätze nicht überfordert sind. Weiters könnten Lerntagebücher oder Portfolios geführt werden, um die Förderung von Schriftsprachkenntnissen aufzubauen. Besonders im Berufsschulbereich ist die Schriftsprachkompetenz vieler Schüler*innen besonders niedrig und führt dazu, dass Lehrpersonen dem Verfassen von Beiträgen der Lernenden weniger Raum geben und die Negativspirale damit noch mehr vertiefen.

Nachdem die Auseinandersetzung mit Sach- und Fachtexten im Unterricht immense Sprach- und Lesedefizite bei Schüler*innen zeigt, gehört auch die Vermittlung von Lesestrategien zu den Aufgaben aller Lehrkräfte. Hier könnte auf das Instrument des Leselotsen zurückgegriffen werden, das heißt auf eine Lesestrategie, die zum Verstehen von Texten beitragen soll (vgl. Lisum 2012, 35ff.). Durch eine genau festgelegte Schrittfolge begleitet der Leselotse die Schüler*innen beim Erlernen von geeigneten Lesestrategien. Diese Vorgehensweise eignet sich ab der 3. Klasse der Primarstufe und findet seine Anwendung bis an das Ende der Sekundarstufe II (vgl. Lisum 2012, 36). Ein weiteres Programm, welches sich für den Einsatz in der Berufsschule eignet, da praktische Beispiele aus dem Fach/Sachunterricht verwendet werden, ist die „Concept-Oriented Reading Instruction (CORI)“ von John Guthrie. Dieses Programm zur Leseförderung ist durch unterschiedliche Studien evaluiert worden und setzt an der Lesemotivation, Leseflüssigkeit, Lesestrategie und der Selbstwirksamkeitsüberprüfung im naturwissenschaftlichen Bereich an, welches für die Berufsschule durch den Fachbereich ersetzt werden könnte. Durch die Berücksichtigung der genannten vier Bereiche in der Auseinandersetzung mit fachlichen Texten, wird der Schwerpunkt nicht nur auf die Vermittlung von Lesestrategien gelegt, sondern ganzheitlicher gedacht, da auch Leseziele abgeleitet und motivationale/soziale Aspekte angesprochen werden. Weiters werden in diesem Ansatz Lesetätigkeiten mit schriftlichen Aufgabenstellungen verknüpft, somit werden unterschiedliche Sprachdomänen angesprochen (vgl. Becker-Mrotzek/Schneider 2013, 100f.). Die Unterrichtseinheiten im Sinne des CORI-Konzepts sind für Lehrpersonen herausfordernd, da fachliche Texte in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen bereitzustellen sind und die Förderung der Lesekompetenz mit dem Fachunterricht zu verbinden ist.

Diese Mikromethoden und Leitgedanken sind kleine Schritte zu einer langfristigen, durchgängigen Sprachbildung, die in jedem Unterricht recht schnell und einfach eingesetzt werden können und keinerlei linguistische Vorkenntnisse der Lehrkraft voraussetzen. Wenn Sprachförderung langfristig und fächerübergreifend forciert wird, zeigen sich in Folge auch positive Auswirkungen auf den Lernfortschritt. Zusätzlich wirkt sich dies auf die Motivation der Schüler*innen aus (vgl. Becker-Mrotzek/Schneider et al. 2013, 81ff.).

In der Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld zwischen Spracherwerb und Förderung der unterschiedlichen Spracharten kann kein Weg an den Makromethoden für einen sprachbewussten Unterricht vorbeiführen. In Folge werden sprachwissenschaftliche und berufspädagogische Konzepte vorgestellt, die Möglichkeiten für eine langfristige Umsetzung im Unterricht bieten.

3.4 Makromethoden und deren Umsetzung in einem sprachbewussten Unterricht

Der Einsatz von Makromethoden setzt vielfältige Lehr- und Lern-Abfolgen voraus, die über eine längere Lernzeit beibehalten werden müssen, um nachhaltige Erfolge erzielen zu können.

So setzt der Ansatz der literalen Didaktik von Sabine Schmölzer-Eibinger an der Förderung der Textkompetenz von Schüler*innen an. Die Auszubildenden werden durch dieses Verfahren dabei unterstützt, Fachtexte besser zu verstehen und Texte als Möglichkeit des Lernens zu sehen. Hierbei werden Texte nicht vereinfacht dargestellt, sondern die Lernenden durch die vier Elemente Lesen, Sprechen, Schreiben und Reflektieren befähigt, anspruchsvollere Texte zu verstehen (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 45ff.). Den Kern dieses Ansatzes bildet das 3-Phasen-Modell zur Förderung der Textkompetenz (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 45ff). In der ersten Phase wird das fachliche Wissen zu aktivieren versucht, indem die Schüler*innen ihre Ideen zum Thema sprachlich spontan kundtun. Die Sprache kann als Vehikel dargestellt werden, welches Inhalte braucht, um sich zu entfalten. Dies kann durch inhaltliche Aufgabenstellungen zum assoziativen Schreiben oder Sprechen erfolgen und folgendermaßen aussehen: Ihre Arbeitskollegin war am letzten Berufsschultag krank. Beschreiben Sie Ihrem Kollegen*Ihrer Kollegin innerhalb von fünf Minuten, was Sie in der letzten Einheit zum Thema „Kaufvertrag“ besprochen haben. Die Schüler*innen haben durch diese Aufgabenstellung keine Chance sich aus der Sprechsituation zu entfernen, sie müssen sprachlich handeln. Die Lehrperson soll im Sprech- und Schreibfluss weder unterbrechen, noch korrigieren (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 55f.). In der zweiten Phase geht es um die Bearbeitung von Texten mittels unterschiedlicher Strategien wie bspw. der Textkonstruktion, -rekonstruktion. In der Textkonstruktion müssen die Lernenden fehlende Textpassagen ergänzen und vervollständigen (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015 2015, 55f.). Die Bearbeitung erfordert von den Lernenden, Inhalt und Sprache in Verbindung zu bringen. Dafür muss der vorhandene Text immer wieder gelesen werden und eine Abstimmung mit den selbst produzierten Passagen erfolgen (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015 2015, 56f.). In der Textrekonstruktion versuchen die Schüler*innen, den Inhalt von Texten aus unterschiedlichen Perspektiven nachzubilden. Dies bedeutet, dass Schüler*innen den Fachtext lesen und in Folge möglichst exakt rekonstruieren. In der dritten Phase des Modells zur Förderung der Textkompetenz geht es um die sogenannte Texttransformation, das heißt um die Verknüpfung mit größeren Textmengen und zusammengehörigen Informationen, durch Verschriftlichung eigener Statements und Zielsetzungen. Diese drei Phasen bauen aufeinander auf und werden nicht isoliert voneinander betrachtet, sondern ergänzen einander. Die Schüler*innen werden hierbei Schritt-für-Schritt angeleitet, Texte eigenständig zu bearbeiten. Der individuelle fachliche und sprachliche Kenntnisstand der Auszubildenden findet in den jeweiligen Aufgabenstellungen Berücksichtigung (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 56f.). Um mit dem Konzept der literalen Didaktik arbeiten zu können, sind sprachwissenschaftliches Knowledge und Kenntnisse der Sprachförderung von Vorteil.

Eine weitere Makromethode, die seit Jahrzehnten in der Fremdsprachenvermittlung verwendet wird, ist bspw. CLIL (content and language integrated learning). In diesem Ansatz wird die Fremdsprache (meist Englisch) zur Förderung von fachlichen und sprachlichen Kompetenzen verwendet. Da die Vermittlung von Fachwissen Lehrende vor große Herausforderungen stellt, wurden in den 1990er Jahren Instrumente für die Unterrichtsplanung und -umsetzung auch für den Fachunterricht in deutscher Sprache entwickelt (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 106f.). Der deutschsprachige Fachunterricht (DFU) wurde für den Fachunterricht in deutschen Auslandsschulen entwickelt, in welcher Schüler*innen Deutsch als Fremdsprache sprechen. Das Ziel dieses Konzepts ist es nicht Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten, sondern das Fachwissen der Lernenden zu erhöhen (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 109f.). Gemeinsam ist den Konzepten CLIL und DFU, dass sie Sprach- und Fachlernen kombinieren. Diese Modelle, deren Ursprung vorwiegend im Fremd- und Zweitsprachenunterricht liegt, liefern die Basis, wie das Spannungsfeld zwischen Spracherwerb und Förderung der unterschiedlichen Spracharten (Alltagssprache, Bildungssprache, Fachsprache) überwunden werden kann, nämlich durch die Kombination von Sprachen- und Fachlernen.

Ein Makro-Konzept, welches in der beruflichen Bildung in Österreich noch wenig Berücksichtigung findet, ist die „Berufssprache Deutsch“ (vgl. Terrasi-Haufe/Miesera 2016, 19f.). Dieser Ansatz von Jörg Roche, Claudia Riehl, Alfred Riedl und Elisabetta Terrasi-Haufe zeigt, wie Fach- und Berufssprache im Rahmen der Ausbildung vermittelt und gefördert werden können (vgl. Terrasi-Haufe/Roche/Riehl 2017, 157ff.). Hierfür wurden zunächst Lehrpläne herangezogen und überprüft, welche Sprachfähigkeiten notwendig sind, um entsprechende schulische Lernfelder bearbeiten zu können. (In deutschen Lehrplänen wird anhand von Lernfeldern gearbeitet. In Österreich werden im Lehrplan Kompetenzbereiche angeführt) Im nächsten Schritt wurden den Lernfeldern konkrete Handlungssituationen entnommen und problembasierte Aufgabenstellungen abgeleitet. Die Didaktisierung erfolgte nach dem ganzheitlichen Prinzip der „Phasen der vollständigen Handlung“ von Winfried Hacker und Walter Volpert (weiterentwickelt von Pfahler, Stahl, Stöttner und Weiß), indem davon ausgegangen wird, dass Handlungskompetenzen erworben werden, die sich auf den Berufsalltag übertragen lassen (vgl. Terrasi-Haufe/Miesera 2018, 23f.). Nachdem Fachsprachen für das berufliche Handeln unabdingbar sind und sich die Auszubildenden mit deren Einsatz/Verwendung immer schwerer tun, wird die Berufssprache zwischen die Bildungs- und Fachsprache eingefügt. Diese grenzt sich von der bereits beschriebenen Fachsprache ab, indem sie vor allem in der einschlägigen Kommunikation des Berufsalltages, mit den dazugehörigen Adressat*innen (z. B. Vorgesetze, Kund*innen), verwendet wird (vgl. Terrasi-Haufe/Miesera 2016, 19ff.). Als Ausgangspunkt für die Unterrichtsplanung wird im beschriebenen Ansatz eine „problembasierte Handlungssituation“ geschaffen. Eine handlungsorientierte Didaktik hat in Deutschland inzwischen eine große Tradition und auch Dominanz in berufspädagogischen Diskursen. Zusätzlich wird im Sinne der bereits beschriebenen didaktischen Prinzipien darauf geachtet, dass überzeugende Unterrichtsmaterialien eingesetzt werden, die an die Lebens-/Berufswelt der Jugendlichen anknüpfen und die Selbständigkeit fördern. Unterrichtsmaterialen werden in unterschiedlichen Niveaus zur Verfügung gestellt und durch sprachliche Hilfen im Sinne des Scaffoldings ergänzt. Dies ermöglicht eine Binnendifferenzierung, die den Lernfortschritt möglichst vieler Schüler*innen berücksichtigt. In der Unterrichtsdurchführung unterstützt die Lehrperson bei Bedarf und gibt den Auszubildenden Rückmeldung. Bei der Formulierung von Aufgabenstellungen wird darauf geachtet, dass die Anweisungen im Sinne eines sprachbewussten Unterrichts klar formuliert sind (vgl. Terrasi-Haufe/Miesera 2018, 22ff.).

Vor allem im dualen Ausbildungssystem, in dem die Schüler*innen in den Lehrbetrieben praktisch handeln, könnte die Berufssprache zwischen die Bildungs- und Fachsprache ergänzend eingeführt werden, um als Zwischenschritt zur besseren Aneignung der Fachsprache zu fungieren. Wie bereits angeführt, gestaltet sich die Übernahme von bildungssprachlichen Fertigkeiten schwierig. Der Weg zur Fachsprache scheint unüberwindbar. Wird diesen beiden Bereichen jedoch die Berufssprache dazwischen gestellt, wie ein Zwischenschritt, kann sprachliches und fachliches Lernen besser vernetzt werden und der Übergang zur Fachsprache leichter erfolgen, da den Schüler*innen ein kleinerer Lernschritt vorgegeben wird, der etwas über dem individuellen Kenntnisstand der Auszubildenden liegt und mit ihrer alltäglichen Berufskommunikation zu tun hat (vgl. Niederhaus 2008, 9f.). Im bayrischen Lehrplan an Berufsschulen und Berufsfachschulen wurde die „Berufssprache Deutsch“ bereits 2016/17 als Unterrichtsprinzip verankert, welches den Fokus auf die Vermittlung von fach- und berufssprachlichen Kompetenzen sowohl im Fachunterricht als auch in den allgemeinbildenden Fächern legt (vgl. Hoffmann 2017, 301f.). Dieses Konzept findet in der beruflichen Bildung in Österreich bis dato keinerlei Berücksichtigung, obwohl dessen Anwendung im Berufsschulbereich durch die Handlungsorientierung in Bezug auf die berufliche Praxis und die Einführung der Berufssprache, in der es um die Anwendung der spezifischen Kommunikation im Ausbildungsbereich geht, umsetzbar wäre.

Die eben beschriebenen Makromethoden lassen sich nicht immer vollkommen voneinander abgrenzen (DFU, Berufssprache Deutsch), sondern weisen vor allem in Hinblick auf didaktische Prinzipien starke Parallelen auf. Es wird von der Annahme ausgegangen, dass diese Konzepte nur zur Verbesserung der sprachlichen Fertigkeiten beitragen können, wenn sie verwurzelt und durchgängig im Unterricht aller Fächer eingesetzt werden. Empirische Belege für die Wirksamkeit der Mikro- und Makromethoden im österreichischen Berufsschulbereich fehlen. Die Expertise des Mercator Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache, die im Auftrag der Bildungsdirektion des Kantons Zürich entstanden ist, zeigt jedoch, dass eine koordinierte und durchgängige Sprachförderung im gesamten Schulbereich zu empfehlen ist (vgl. Becker-Mrotzek/Schneider et al. 2013, 81f.).

4 Conclusio

Dieser Beitrag setzte sich mit der Frage auseinander, wie Lehrpersonen in der beruflichen Bildung dazu beitragen können, die sprachlichen Fertigkeiten der Schüler*innen zu fördern. Nachdem zur Beantwortung dieser Fragestellung kaum empirische Forschungsresultate im deutschsprachigen Raum vorliegen, stützen sich die angeführten Maßnahmen zur Förderung der Bildungs-/Berufssprache und Lesekompetenz auf theoretisch-didaktische Literatur. Um auf Daten zu wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen für den Berufsschulbereich in Österreich zugreifen zu können, erscheint es in Zukunft sinnvoll, über eine Evaluationsstudie zur „Effektivität des Einsatzes von Mikro- und Makromethoden zur Förderung der berufs- und bildungssprachlichen Fertigkeiten im dualen Ausbildungssystem“ nachzudenken. Folgende Maßnahmen für den Einsatz im Berufsschulbereich konnten aus der theoretischen Literatur abgeleitet werden:

Im Fachunterricht geht es vielen Lehrpersonen um die bestmögliche Vermittlung von Fachkenntnissen. Der Alltag an den Schulen zeigt jedoch, dass Lehrpersonen zunehmend auf Klassenkonstellationen treffen, wo die Vermittlung von Fachkenntnissen erst funktionieren kann, wenn die bildungs- und berufssprachlichen Fertigkeiten ausgebaut werden (vgl. Kniffka/Roelcke 2016, 43f.). Wie Lehrpersonen mit der sprachlichen Heterogenität umgehen ist entscheidend dafür, ob Schüler*innen die Chance auf eine langfristige berufliche Integration erhalten. Um die Sprach- und Lesekenntnisse der Auszubildenden im Berufsschulbereich zu verbessern, erscheint es notwendig, dass die gesamte Lehrer*innenschaft auf die Bedeutung einer gemeinsamen Sprachförderung aufmerksam gemacht wird und eine Kooperation zwischen den Lehrkräften forciert wird. Organisatorisch wäre es sinnvoll im „team-teaching“ mit Fach- und Sprachlehrer*innen zu arbeiten. Es gilt als Herausforderung aller Lehrkräfte, die bildungs- und berufssprachlichen Fertigkeiten der Schüler*innen zu erhöhen, um in einem weiteren Schritt an der Erweiterung der Fachsprache arbeiten zu können (vgl. ÖSZ 2018).

Lehrpersonen muss bewusst werden, dass auf die Weiterentwicklung der bildungs-/berufssprachlichen Fertigkeiten und auch Lesefähigkeiten in jedem Fach zu achten ist. Dies bedeutet in einem weiteren Schritt auch, dass eine Auseinandersetzung mit sprachwissenschaftlichen Grundlagen, Sprachfördermodellen und methodischen Vorgehensweisen unumgänglich ist. Weiters erscheint es wichtig, dass Lehrpersonen sich darüber Gedanken machen, mit welcher Art von Sprache (Alltagssprache, Bildungssprache, Berufssprache, Fachsprache) sie in der Schule zu tun haben, um entsprechend auf die Bedürfnisse der Schüler*innen eingehen zu können (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 14f.).

Bis dato werden Lehrer*innen im Rahmen ihrer Ausbildung auf die sprachlichen Herausforderungen innerhalb der Klassen wenig vorbereitet. Im Mittelpunkt ihrer Ausbildung steht das gewählte Unterrichtsfach. Auf die Bedeutung eines sprachbewussten Unterrichts wird zwar in Seminaren des Studiums zur dualen Berufsausbildung hingewiesen (z. B. Seminare zur Heterogenität; Methoden im Unterrichtsprozess) und Mikro-Ansätze wie die Methodenwerkzeuge, das Mikro-Scaffolding angeführt. Wie aber fehlende bildungs- und berufssprachliche Kenntnisse identifiziert werden oder der mangelnden Lesekompetenz entgegengetreten werden kann, findet m. E. noch zu wenig Berücksichtigung. Es werden Mikromethoden vorgestellt, kontinuierlich einsetzbare Makromethoden (z. B. Berufssprache Deutsch) werden vernachlässigt. Sprachbildung kann somit nur dann effektiv sein, wenn sie langfristig und mit Makromethoden als fester Säule im Unterricht verankert ist. Der Einsatz von Makromethoden setzt jedoch sprachwissenschaftliche Basiskenntnisse voraus, die sich Lehrpersonen aller Fachgruppen aneignen müssten. Hier sind Universitäten und Pädagogische Hochschulen gefordert, entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen in ihr Fortbildungsangebot aufzunehmen, die nicht nur auf Mikromethoden (z. B. Methodenwerkzeuge) eingehen, sondern auch auf fundierte Konzepte aus dem fremd-/zweitsprachlichen Bereich (CLIL; DFU) bzw. dem berufsbildenden Bereich in Deutschland verweisen (Berufssprache Deutsch).

Nachdem die bildungssprachlichen Kenntnisse von Schüler*innen in der beruflichen Bildung oft zu gering sind, kann die Fachsprache nicht aufgebaut werden. Die Integration der Berufssprache Deutsch in den Fachunterricht der Berufsschule könnte die Verbindung zwischen Bildungs- und Fachsprache darstellen und deren unüberwindbar scheinende Kluft miteinander verbinden (vgl. Terrasi-Haufe/Miesera 2016, 21f.). Durch die Integration der Berufssprache in konkrete Handlungssituationen der Lehrberufe von Lehrlingen, könnten sich Auszubildende mit den vermittelten Inhalten in größerem Maße identifizieren, da die Vernetzung zwischen schulischen Inhalten und der Umsetzung im Lehrbetrieb deutlicher wird. Sprachliche Hürden der Fachsprache könnten durch den Einsatz der Berufssprache überwunden werden und so zur Verringerung der sprachlichen Frustration auf beiden Seiten beitragen. Das Konzept der Berufssprache Deutsch findet bis dato in den Berufsschulen in Österreich keinerlei Berücksichtigung, obwohl die Anwendung durch den handlungsorientierten Ansatz der Sprachdidaktik, im Berufsschulbereich besonders anwendbar wäre. Wenn an Berufsschulen in Österreich sprachbewusst gearbeitet wird, wird vor allem auf die Methodenwerkzeuge und Scaffolding-Techniken zurückgegriffen. Die Berufssprache Deutsch wurde bisher nicht implementiert. Für die Zukunft des sprachbewussten Unterrichts in der Berufsschule gilt es als Herausforderung an Konzepten zu arbeiten, die den Ansatz der Berufssprache Deutsch in den Lehrplänen integrieren.

Der kompetenzorientierte Unterricht, der in großem Maße selbstorganisiertes Lernen vorsieht, setzt auch Fähigkeiten an Lesekompetenz voraus. Weiters fordern teilweise neu adaptierte Prüfungsverfahren der Lehrabschlussprüfung in Österreich die Auszubildenden zunehmend sprachlich, da diese sich nicht nur mündlich präsentieren und Konzepte des Berufsfeldes vorstellen müssen, sondern auch die schriftsprachlichen Kenntnisse in manchen Lehrberufen (z. B. Bürokaufleute – Geschäftsbriefe) geprüft werden. Die Vorbereitung auf berufliche Handlungssituationen kann nur gelingen, wenn sprachdidaktische Grundsätze und die Förderung der Lesekompetenz langfristig in die Unterrichtsplanung aller Fächer integriert werden. Im Berufsschulbereich sind Lehrpersonen in der glücklichen Lage, dass ihre Auszubildenden in ihren Lehrbetrieben real arbeiten und sich somit praktische Anknüpfungspunkte für berufliche Handlungssituationen bieten und realitätsnahe, authentische Unterrichtsbeispiele relativ einfach ableiten lassen. Nachdem Schüler*innen im Berufsschulbereich Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit Texten brauchen, müssten diese schrittweise angeleitet werden, Texte zu bearbeiten. Hierfür könnte bspw. das 3-Phasen-Modell zur Förderung der Textkompetenz von Schmölzer-Eibinger herangezogen werden. Die Auseinandersetzung mit Fachtexten bringt Schüler*innen mit und ohne Migrationshintergrund an ihre Grenzen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass der Umgang mit Texten kontinuierlich geübt wird, um den Erwerb der beruflichen Handlungskompetenz zu forcieren (vgl. Wunram/Miesera 2018, 20f.). Um den Aufbau der Textkompetenz zu unterstützen könnten Lesetechniken (z. B. Leselotse, CORI) ergänzend eingesetzt werden. Auch die Schriftsprachkenntnisse müssen bei vielen Schüler*innen der Berufsschule erst aufgebaut werden. Dies muss mit selbständigen Schreibaufgaben kontinuierlich geübt werden. Hier erscheint es wichtig, die Auszubildenden vor selbständigen Schreibarbeiten nicht zu schonen, sondern diese zu forcieren (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2015, 32f.).

Wie in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben, können Erfolge in der sprachlichen Entwicklung der Auszubildenden nur erreicht werden, wenn Mikro- und Makromethoden für einen sprachbewussten Unterricht regelmäßig in den Unterricht integriert werden und nicht nur im Bedarfsfall angewendet werden. Werden diese Konzepte langfristig ins Unterrichtsgeschehen integriert, so kann die Sprachbildung unserer Schüler*innen bestmöglich gefördert werden und positive Auswirkungen auf das Fachlernen spürbar werden.

Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Plattformen über Sprachsensibilität zeigt, dass in den letzten Jahren der sprachsensible Fachunterricht auch in Österreich in unterschiedlichen Schultypen Berücksichtigung gefunden hat. Beispielsweise bietet das Österreichische-Sprachen-Kompetenz-Zentrum (ÖSZ) fundierte Arbeitsmaterialien zur weiteren Verwendung und fokussiert die Implementierung dieses Schwerpunkts im schulischen Bereich. Das Fachdidaktikzentrum „Deutsch als Zweitsprache und Sprachliche Bildung“ unter der Leitung von Sabine Schmölzer-Eibinger an der Universität Graz forscht im Bereich der sprachwissenschaftlichen Makromethoden und bringt wissenschaftliche Publikationen in diesem Bereich hervor. Die Auseinandersetzung und Umsetzung der Makromethoden im Berufsschulbereich ist bisher jedoch vernachlässigt und dies trotz der vielen Schüler*innen, denen mit dem Einsatz von sprachbewussten Unterrichtsmaßnahmen beträchtlich geholfen werden könnte. Für das Schuljahr 2020/21 setzt das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung den sprachsensiblen Unterricht als zentralen Schwerpunkt für alle Schultypen. Pädagogische Hochschulen in Österreich entwickelten für das Sommersemester 2021 Fortbildungsmaßnahmen, um Lehrkräfte in allen Schulstufen in Bezug auf Sprachsensibilität fit zu machen. An der PH Wien findet bspw. im Jänner 2021 ein Symposium zum Thema: „Sprachsensibler Unterricht. Aufbau der Bildungssprache in allen Fächern unter besonderer Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit“ statt. Mit diesem Symposium wird das Ziel verfolgt, Lehrer*innen für das Thema zu sensibilisieren und einen Multiplikator*innen-Effekt an den Schulstandorten anzuregen. Dies sind erste Schritte, die zeigen, dass der Weg in Richtung sprachbewussten Unterrichtens in Österreich zwar begonnen hat, das Ziel in Richtung durchgängige Sprachbildung mit Makromethoden im Berufsschulbereich aber noch weit entfernt ist. Wir können gespannt darauf blicken, wie die Umsetzung dieses Kernthemas im Berufsschulbereich in Zukunft erfolgen wird.

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Zitieren des Beitrags

Menner, S. (2020): Meine Auszubildenden verstehen die Fachsprache im Fachunterricht einfach nicht!? Mikro- und Makromethoden zur Bildungs- und Berufssprachenvermittlung im dualen Ausbildungssystem in Österreich. In: bwp@ Spezial PH-AT1: Österreichs Berufsbildung im Fokus der Diver­sität – Berufspädagogische Forschung an Pädagogischen Hochschulen – Status quo, Heraus­forderungen und Implikationen, hrsg. v. Heinrichs, K./Albert, S./Christa, J./Jäger, N./Uhl, R., 1-20. Online: https://www.bwpat.de/spezial-ph-at1/menner_bwpat-ph-at1.pdf (18.11.2020).