bwp@ Profil 3 - Mai 2014

Lehrerbildung und Unterrichts­entwicklung aus der Perspektive des lernenden Subjekts

Profil 3: Digitale Festschrift für TADE TRAMM zum 60. Geburtstag

Hrsg.: Nicole Naeve-Stoß, Susan Seeber & Willi Brand

EvaNet-EH – Die Entwicklung einer Lernfeld-Kompetenzmatrix für den Bildungsgang „Kaufleute im Einzelhandel“. Eine Projektbeschreibung und ein Blick auf die Nachhaltigkeit

Das Projekt EvaNet-EH wurde von Tade Tramm, Wiebke Hofmeister und Michaela Derner von Februar 2006 bis Juni 2009 wissenschaftlich begleitet. Ich beschreibe den Verlauf des Projektes EvaNet-EH. Im Vordergrund stehen die Notwendigkeit der Einführung des Planungsformates und der Entwicklungsprozess der Lernfeld-Kompetenzmatrix. Die Betrachtungen münden in eine subjektive Einschätzung zur Nachhaltigkeit dieses Projektes.

1 Beginn der kooperativen Curriculumarbeit der vier Hamburger Einzelhandelsschulen

2004 trat für den Bildungsgang Kaufleute im Einzelhandel die „Neuordnung“ in Kraft, nämlich ein in 14 Lernfelder strukturierter Lehrplan. Bis zum Schuljahreswechsel 2004/2005 musste vom fächerorientierten Unterricht auf den lernfeldorientierten Unterricht umgestellt werden, was die in Hamburg an vier Berufsschulen unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer drei Monate vor Beginn der Sommerferien mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis nahmen. Wohlwissend, dass die bisherige Arbeit erfolgreich war, stellte sich die Frage, welchen zusätzlichen Nutzen ein Lernfeldcurriculum bringen würde. Wenn dieser Nutzen denn plausibel erscheine, schließe sich die Frage an, wie die KMK-Vorgaben konkretisiert werden könnten, um zu ähnlich guten Unterrichtskonzepten und -materialien zu kommen, wie sie man bisher schon hatte.

Zu diesem Zeitpunkt, also im April 2004, wurde Tade TRAMM von den Leitern der vier Hamburger Einzelhandelsschulen gebeten, bei einer Auftaktveranstaltung den Sinn und Nutzen des von der KMK intendierten Lernfeldansatzes zu erläutern.

Unter anderem mit dieser Abbildung hat Tade TRAMM den Lehrerinnen und Lehrern klargemacht, dass sie nicht nur arbeits- und geschäftsprozessorientiert, also entlang der Lernfelder denken sollen, sondern dass es über alle Lernfelder hinweg verschiedene Kompetenzdimensionen gebe, die sich sukzessive entwickeln. Beispielsweise ist das Anwenden von Rechtsnormen nicht in allen Lernfeldern gleichermaßen gefordert, in einigen sogar überhaupt nicht. Das Kommunizieren mit Kunden steht in vielen Lernfeldern explizit im Vordergrund. Es ist offensichtlich, dass z. B. in Lernfeld 10 „Besondere Verkaufssituationen bewältigen“ deutlich differenziertere Verkaufs- bzw. Kommunikationsstrategien eingesetzt werden müssen, als in Lernfeld 2 „Verkaufsgespräche kundenorientiert führen“. In Hinblick auf die Lernziele lassen sich spiralcurriculare Strukturen identifizieren.

Abb. 1: Hamburger KompetenzmatrixAbb. 1: Hamburger Kompetenzmatrix

Die Herausforderung bestehe nun darin, Kompetenzdimensionen zu definieren und in Hinblick auf alle Lernfelder zu untersuchen, welchen spezifischen Beitrag die einzelnen Lernfelder zur Entwicklung dieser Kompetenzen leisten. Alle nickten verständig und die vier Schulen verabredeten diesen Prozess arbeitsteilig anzugehen. Jede Schule übernahm die Bearbeitung von 3 bzw. 4 Lernfeldern und erstellte … „Unterrichtsmaterial“.

2 Eine wissenschaftliche Begleitung des Projektes EvaNet-EH wird nötig

Zu Beginn des Jahres 2006, also nach gut einjähriger kooperativer Curriculumarbeit, kam der Hilferuf von den Schulleitern bzw. Lernfeldkoordinatoren und die Bitte, diesen curricularen Entwicklungs- und nunmehr auch Evaluationsprozess wissenschaftlich zu begleiten. Ich durfte Tade TRAMM bei diesem Projekt assistieren und wir verabredeten mit den vier Schulen, dass zunächst der Arbeitsstand und die Gemütslage erfasst und dann Ziele und Schritte für das weitere Vorgehen definiert werden, bevor es zur Begleitung der weiteren kooperativen curricularen Arbeit komme.

Das Ergebnis der arbeitsteiligen Arbeit bis zum Februar 2006 war eine Flut von Dateien, die im gemeinsamen Internetportal eingestellt und nach Lernfeldern sortiert waren, aber sonst keinen sortierenden Kriterien unterlagen. Zwar hatten die vier Schulen arbeitsteilig alle Lernfelder bearbeitet, das Ergebnis taugte aber nicht dazu, den eigenen Unterricht zu planen und zu organisieren. Die Lehrer beschwerten sich z. B. über langes Hochladen der Dateien, Dateinamen, die über ihren Inhalt hinwegtäuschten, das nicht Auseinanderhalten-können von Arbeitsblättern, Infotexten, Unterrichtsverlaufsquizzen, Klassenarbeiten sowie nicht kenntlich gemachte Überarbeitungen usw. Allerdings waren die Beteiligten auch unzufrieden mit der Kultur der Zusammenarbeit, also mit der Kommunikation und der Wertschätzung der Arbeit von Kollegen anderer Schulen. Weiterhin gab es in den vier Schulen jeweils unterschiedliche Probleme. In der einen mussten erst noch Teamstrukturen eingeführt werden, in der anderen mangelte aus Sicht der Kollegen an Räumen und technischer Ausstattung, in einer weiteren wurden mehr Lernfeldstunden „doppelt-besetzt“ als anderswo. Wir verbrachten einige Zeit damit, diese Probleme zu sortieren und Ziele für die Projektarbeit abzuleiten. Im ersten Schritt haben wir auf drei Ebenen (schulinterner und schulübergreifender Entwicklungsprozess, curriculare Produkte und Implementationsprozess) den Arbeitsstand erforscht und Projektziele definiert. Im Folgenden sind die Befunde und die daraus abgeleiteten Empfehlungen für die künftige Arbeit im Projekt wiedergegeben.

2.1 Befunde und Empfehlungen für die curriculare Entwicklungsarbeit

Bezogen auf die curriculare Entwicklungsarbeit von April 2004 bis Februar 2006 haben wir festgestellt, dass es an Kommunikationsstrukturen mangelte. Die erarbeiteten Ergebnisse wurden den Lernfeldkoordinatoren gegeben, die sie auf die gemeinsame Internetplattform einstellten. Die Lernfeldkoordinatoren waren nicht legitimiert, die Ergebnisse zu bewerten und Feedback zu geben. Somit hat es keinen curricularen Diskurs über die erarbeiteten Materialien gegeben. Es gab keine schulübergreifenden Treffen, bei denen die Materialien hätten erläutert werden können. Es gab keinen Austausch über die ersten Unterrichtserfahrungen und deswegen auch keinen koordinierten Evaluationsprozess.

Wir empfahlen also den Entwicklungsprozess zu revitalisieren, die bereits eingeführten Konzeptgruppen wieder ins Leben zu rufen, den Lernfeldkoordinatoren explizit die Aufgabe zu geben, die Arbeitsergebnisse zu kommentieren. Dazu musste allerdings eine „gemeinsame Sprache“, eine für alle verbindliche Arbeitsgrundlage geschaffen werden. Wir schlugen das Planungsformat vor, um den Kollegen eine Hilfestellung zu geben, curricular zu arbeiten und nicht bereits auf der Ebene von Unterrichtsmaterialien. Wichtig wäre auch, dass die Schulen einen Rückkoppelungsprozess institutionalisieren. Wir planten sogenannte Präsenztreffen, zu denen eine Vielzahl der involvierten Kollegen aller Schulen eingeladen wurde und an denen die Autoren der Planungsformate ihre Lernfelder zur Diskussion stellten.

2.2 Befunde und Empfehlungen in Hinblick auf die curricularen Produkte

In Hinblick auf die curricularen Produkte zeigte sich, wie bereits angedeutet, folgendes Bild: Die in der ersten Phase erarbeiteten Produkte waren von höchst unterschiedlichem Qualitätsniveau. Es handelte sich überwiegend um konkretes Unterrichtsmaterial, das aber ohne didaktische Begründungen, ohne Lernzielformulierungen (Kompetenzbeschreibungen) und ohne Hinweise auf die curriculare Verankerung nicht planvoll einzusetzen war. Entsprechend gering war die Akzeptanz dieser Produkte. Benötigt wurde eine Orientierung, was konkret mit den KMK-Vorgaben zu einem bestimmten Lernfeld gemeint war, wie dies im Gesamtzusammenhang aller Lernfelder zu bewerten war, welche Kompetenzen schwerpunktmäßig in einem bestimmten Lernfeld zu entwickeln waren und was das Ziel, also die am Ende der Ausbildung zu erwartende berufliche Handlungskompetenz, sein sollte.

Wir empfahlen nicht nur die Arbeit mit dem Planungsformat, also die lernfeldspezifische Ausarbeitung durch Planungsteams an den Schulen, sondern gleichzeitig auch die Einrichtung einer „Kompetenzgruppe“. Die sollte sich zunächst ausschließlich mit der Frage beschäftigen, in welche Kompetenzbereiche sich die berufliche Handlungskompetenz eines/einer Einzelhandelskaufmannes/-kauffrau ausbreitet und welche Lernziele für die einzelnen Lernfelder formuliert werden könnten. Das Zusammenführen dieser beiden Arbeitsstränge wurde vonseiten der wissenschaftlichen Begleitung koordiniert. Die angestrebten Ergebnisse, nämlich komplett ausformulierte Planungsformate zu jedem Lernfeld, sollten für alle Kollegen verbindlich eingeführt werden.

2.3 Befunde und Empfehlungen in Hinblick auf den Implementationsprozess

Die in WiBeS (Kommunikationsplattform in Internet für Hamburger Schulen) bis Anfang 2006 eingestellten Dokumente wurden immer seltener aufgerufen und genutzt. Die in der schulübergreifenden Kooperation erstellten curricularen Produkte waren längst nicht allen Kollegen bekannt. Es gab kein Konzept, ob und wie diese Vielzahl an sicherlich guten Unterrichtsmaterialien genutzt werden sollten und konnten. Immer wieder tauchte auch die Frage auf, ob die Unterlagen verbindlich seien. Ebenso unklar war, wer die Dokumente verändern und verbessern darf. Da es keine Regelungen gab, wurden die Produkte nicht weiterentwickelt, bestenfalls noch schulintern. Auf der Ebene von curricularen Analysen gab es überhaupt keine Verabredungen zu Implementationsprozessen.

Wir empfahlen daher, die während des Projektzeitraums entwickelten Arbeitsstrategien auch nach dem Projekt beizubehalten. Curriculare Entwicklungsarbeit ist ein kontinuierlicher Prozess, nicht nur, weil sich Themen und Inhalte verändern, sondern auch weil sich aufgrund wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen die beruflichen Anforderungen wandeln. Gerade bei Einzelhandelskaufleuten werden die Entwicklungen des Internethandels die Schwerpunkte einer beruflichen Handlungskompetenz verlagern.

Die schulübergreifende Kooperation kann über die jeweiligen Lernfeldkoordinatoren organisiert werden. In jeder Schule sollten für jedes Lernfeld „Lernfeldpaten“ benannt werden, die dafür zuständig sind, Rückmeldungen, Kritik und Änderungswünsche der Kollegen zu sammeln und in das Planungsformat einzuarbeiten. Dieser Lernfeldpate organisiert schulintern Treffen aller Kollegen, die gerade das Lernfeld unterrichtet haben, sodass möglichst zeitnah über die Erfahrungen und Stolpersteine diskutiert werden kann. Einmal pro Jahr wäre ein schulübergreifender Austausch über diese Änderungen nötig, um weiterhin zu gewährleisten, dass an allen vier Schulen ein einheitliches Curriculum gültig ist. Darüber hinaus bereichern die Rückmeldungen der anderen Schulen auch die Weiterentwicklungen der eigenen Schule. So umfangreiche Präsenztreffen, wie sie während des Projektzeitraums stattfanden, werden künftig nicht nötig sein. Aber curriculare Entwicklungsarbeit ist ein diskursiver Aushandlungsprozess. Deswegen müssen die Beteiligten Gelegenheiten haben, sich zu treffen, um über Erfahrungen und Wünsche zu reden.

3 Das Entstehen der Lernfeld-Kompetenzmatrix

Unter Punkt 2.2. habe ich bereits beschrieben, dass während des Projektes in zwei Arbeitssträngen gearbeitet wurde. Die Vorgaben der KMK wurden mit Hilfe des Planungsformates lernfeldspezifisch ausdifferenziert. Jede Schule benannte für jedes Lernfeld einen Ansprechpartner, sodass es für jedes Lernfeld eine Gruppe von vier Kollegen gab, die die Verantwortung für die Ausarbeitung trugen und Ansprechpartner für die wissenschaftlichen Mitarbeiter waren. Diese Gruppen nannten wir „Planungsteams“. Der andere Arbeitsstrang bezog sich auf die Kompetenzdimensionen. Diese sogenannten „Kompetenzgruppe“ bestand aus jeweils ein bis zwei Lehrern bzw. Lehrerinnen der vier Schulen.

3.1 Die Arbeit der Kompetenzgruppe

Die Kompetenzgruppe hatte die Aufgabe, die nach dreijähriger Ausbildung zu erwartende „berufliche Handlungskompetenz“ von Einzelhandlungskaufleuten genauer zu beschreiben. Folgende Kompetenzdimensionen nebst Subdimensionen konnte gefunden und voneinander abgegrenzt werden.

Tabelle 1: Kompetenzdimensionen und Subdimensionen aus EvaNet-EH für den Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau für den Einzelhandel

Betriebswirtschaftliche Problemebenen

- Beschaffung und Logistik

- Absatzmarkt- und Kundenbeziehungen

- Informationswirtschaft

- Personalwirtschaft

Das System der Unternehmung

Rechtliche Normierung

- Vertrags- und Gesellschaftsrecht

- Arbeits- und Schutzrecht

- Steuerrecht

Wertschöpfung und Controlling

- Liquiditätssicherung

- Kosten- und Leistungsrechnung

Lern- und Arbeitstechniken

- kaufmännisches Rechnen

- Arbeitshandeln organisieren, Probleme lösen

- Informationen gewinnen, verarbeiten, vermitteln

- Lernhandeln planen und optimieren

Kommunikation und Kooperation

Beruflichkeit

- Identität und Berufsrolle

- Berufsethos

- Gesundheitsförderung

- Berufsbildung und -perspektiven

Für jede Subdimension wurde im nächsten Schritt eine Leitidee formuliert. Im Folgenden ist aus dem Kompetenzbereich BWP (Betriebswirtschaftliche Problemebenen) die Zielformulierung der Subdimension „Absatzmarkt und Kundenbeziehungen“ gekürzt wiedergegeben:

Diese Kompetenzen sollen am Ende der Ausbildung erreicht sein. Deswegen musste nun in einem weiteren Arbeitsschritt definiert werden, welchen spezifischen Beitrag jedes der 14 Lernfelder leistet. In dieser Subdimension wurden nur bei zwei Lernfeldern keine Lernziele formuliert. Bei allen anderen Lernfeldern konnten konkrete Lernziele beschrieben und die dazugehörige Wissensbasis stichwortartig aufgelistet werden. Diese Informationen der Kompetenzgruppe hatte natürlich hohe Relevanz in Hinblick auf die Entwicklungsarbeit der lernfeldspezifisch arbeitenden Planungsteams. Warum? Das zeigt sich deutlich an den Planungsformaten, die ich hier ebenfalls kurz skizzieren möchte:

3.2 Die Arbeit der Planungsteams

Das Planungsformat besteht aus drei Teilen, nämlich der curricularen Analyse, der Strukturplanung und der Makroplanung.

Abb. 2: Planungsformat Curriculare AnalyseAbb. 2: Planungsformat Curriculare Analyse

Die curriculare Analyse ist die Interpretation der KMK-Vorgaben, deswegen steht dieser Text an erster Stelle. Es folgt eine konkretere Beschreibung dessen, was in diesem Lernfeld thematisiert wird, vor allem auch in Abgrenzung zu den anderen Lernfeldern. Welche Aufgabe hat dieses Lernfeld in Hinblick auf die berufliche Handlungskompetenz der Einzelhandelskaufleute? Es wird angegeben, an welche Inhalte von bisherigen Lernfeldern anzuknüpfen ist und welche Vertiefungen in späteren Lernfeldern folgen. Es werden Ähnlichkeiten, Berührungspunkte und Möglichkeiten für Lernspiralen benannt. Hier ist auch ein Ausschnitt der Gesamtmatrix dargestellt, um einen Überblick über die mit diesem Lernfeld angesprochenen Kompetenzdimensionen zu geben.

Dann erfolgte die Prozessanalyse. Das Planungsteam bearbeitete die Frage, welche idealtypischen Arbeits- und/oder Geschäftsprozesse in diesem Lernfeld thematisiert werden. Welche logischen Prozessschritte, welche Heuristiken und Algorithmen liegen hier zugrunde? In welchen Situationen kommen diese Prozesse vor? Mit Beantwortung dieser Frage wurden Schlüsselsituationen beschrieben. Beschreibungen von Prozessvarianten, Problemfällen und Störungen bieten späterhin Ausgangspunkte für erkenntnis- und problemorientierte Unterrichtskonzepte.

Im letzten Schritt der curricularen Analyse konnten nun, nach dieser ausführlichen Situations- und Sachanalyse, die dazugehörigen Lernziele formuliert werden. Welche Kompetenzen benötigt ein Einzelhandelskaufmann/eine Einzelhandelskauffrau, um in diesem (Lern-)Handlungsfeld erfolgreich agieren zu können? Diese Analyse erfolgte nun entlang der Kompetenzdimensionen und war der Schnittpunkt mit der Arbeit der Kompetenzgruppe. An dieser Stelle mussten sich die Kollegen der Planungsteams mit den Kollegen der Kompetenzgruppe austauschen und über die Kompetenzformulierungen, die sich den „Kreuzchen“ in den Zellen der Matrix verbergen, diskutieren.

Abb. 3: Kompetenzmatrix aus EvaNet-EHAbb. 3: Kompetenzmatrix aus EvaNet-EH

Dies ist die Lernfeld-Kompetenzmatrix. Die dunkelgrauen Kästchen geben an, dass diese Lernziele den Schwerpunkt bilden, sowohl in Hinblick auf die Kompetenzdimensionen (Spalten) als auch in den jeweiligen Lernfeldern (Zeilen). Hat man im Netz Zugriff auf diese Matrix und klickt z. B. in Lernfeld 3 auf die Kompetenzdimensionen „Absatzmarkt- und Kundenbeziehungen“, erscheinen folgende Kompetenzformulierungen:

Tabelle 2: Kompetenzdimension: Betriebswirtschaftliche Problemebenen (BWP) – Absatzmarkt- und Kundenbeziehungen

Kompetenzdimension: Betriebswirtschaftliche Problemebenen (BWP) – Absatzmarkt- und Kundenbeziehungen

Kompetenzen:

Die Schüler kennen die Tätigkeiten, die am Arbeitsplatz Kasse vor, während und nach den Öffnungszeiten zu erledigen sind sowie die mit dem Arbeitsprozess in Verbindung stehenden Themenkomplexe.

Die Schüler können in Abhängigkeit von Verkaufssystem, Betriebsform und Unternehmensphilosophie Möglichkeiten des Services und in Frage kommende Zusatzangebote an der Kasse erkennen und anbieten, um so den Absatz und die Kundenbindung zu fördern.

Die Schüler kennen die Bedeutung von Rabatten für den Absatz und können die Auswirkungen von Rabatten auf das Unternehmen beschreiben.

Die Schüler verstehen, warum unterschiedliche Zahlungsmöglichkeiten absatzfördernd wirken. Die Schüler kennen die möglichen Zahlungsarten und können die Vor- und Nachteile aus Sicht der Betriebe und aus Sicht der Kunden erläutern.

Wissensbasis:

  • Überblick der Tätigkeiten an der Kasse
  • Überblick über Hintergründe der Kassiertätigkeit
  • Ablauf eines Tages am Arbeitsplatz Kasse
  • Vorbereitende Tätigkeiten am Kassenarbeitspatz
  • Kasse einrichten/übernehmen
  • Ablauf des Kassiervorganges in bar (Falschgelderkennung (Bundesbankseminar)
  • Servicepolitik (Gutscheine, Schnellkassen etc.)
  • Zusatzangebote, evtl. Ergänzungsangebote
  • Rabatte/Preisnachlässe
  • Vor- und Nachteile der Zahlungsarten aus der Perspektive des Kunden und des Unternehmens
  • Auswirkung der Zahlungsmöglichkeiten auf den Absatz

Mit wenigen Klicks eröffnet sich der Blick auf die ganze Kompetenzdimension. Man bekommt Hinweise, welche Kompetenzen bereits entwickelt wurden und welche noch folgen. Auch kann zur besseren Orientierung noch einmal die Leitidee dieser Kompetenzdimension aufgerufen werden. In Hinblick auf die konkrete Unterrichtplanung gibt das Planungsformat zu Lernfeld 3 weitere Orientierung.

Im zweiten Teil des Planungsformates, in der sogenannte „Strukturplanung“ werden die in der curricularen Analyse beschriebenen Prozesse und Problemsituationen in Sequenzen aufgeteilt. Diese Sequenzen müssen nicht aufeinanderfolgende Prozessschritte sein, sondern die Sequenzierung folgt einer curricularen Begründung. In Lernfeld 3 wurden folgende Sequenzen gebildet:

  1. Teilsequenz: Im Lernfeld 3 orientieren und Lernziele kennenlernen
  2. Teilsequenz: Eine Kasse einrichten und dabei gesundheitliche Aspekte berücksichtigen
  3. Teilsequenz: Einen Kassiervorgang bar abwickeln und dabei Service anbieten
  4. Teilsequenz: Einfache kaufmännische Berechnungen durchführen, Steuern und Rabatte ermitteln (Sequenz kann auch ans Ende gestellt werden)
  5. Teilsequenz: Zahlungsvorgänge bargeldlos durchführen und Kunden hinsichtlich des Zahlungsart beraten
  6. Teilsequenz: Kaufverträge rechtswirksam abschließen (kann auch ans Ende gestellt werden)
  7. Teilsequenz: Eine Kasse abrechnen und Informationen für das und vom Warenwirtschaftssystem aufbereiten

Für jede Sequenz wurde jetzt wieder die curriculare Funktion in Abgrenzung zu den anderen Sequenzen definiert. Wieder werden Anknüpfungspunkte oder Möglichkeiten für Lernschleifen angegeben. Weiterhin werden die Kompetenzdimensionen genannt, die hier den Schwerpunkt bilden. Für die 3. Teilsequenz liest sich das so:

In dieser Teilsequenz sollen die Schüler den Standardfall der Barzahlung (ohne Thematisierung der Zahlungsart) durchspielen und Serviceleistungen, Zusatz- und Ergänzungsangebote einbeziehen, sofern die situative Gestaltung der Lernsituation dies nahe legt (Wiederholung: übliche Angebote wie Kundenkarten, Einpackservice, Reinigungsprodukte je nach Branche aus LF 2). Um Fehler am Arbeitsplatz Kasse zu vermeiden, erarbeiten sich die Schüler entsprechende Kassieranweisungen. Hierbei geht es vor allem um die richtige Bargeldannahme und die Herausgabe des Wechselgeldes. Die Schüler sollen Falschgeld erkennen können. Es bietet sich an zum Thema Falschgeld mit den Klassen ein Seminar bei der Bundesbank zu absolvieren. Die Schüler wissen, wie Waren eindeutig gekennzeichnet werden und wie Kassen Preise erfassen. Sie erarbeiten, welche Informationen der EAN-Code an das WWS gibt und welche Vorteile mit der Strichcodierung verbunden sind (vertiefend in TS 7). Die Schüler sollen dem Kunden Quittungen ausstellen (auch manuell). Der Kompetenzschwerpunkt liegt auf dem reibungslosen Ablauf von Kassiervorgängen sowie dem Verhalten des Verkaufspersonals an der Kasse, das den Absatz und die Kundenbindung fördern soll.

Kompetenzdimensionen: BE – Berufsethos, KOKO, BWP – Absatzmarkt- und Kundenbeziehungen

Im dritten Teil des Planungsformates, der sogenannten „Makroplanung“ soll ein zu diesem Lernfeld passendes Unterrichtsszenario oder eine komplexe Lernsituation beschrieben werden. Es sollen konkrete Lernhandlungen für die einzelnen Sequenzen beschrieben werden, die wieder mit den Lernzielen im Zusammenhang dargestellt werden. Der Hilfe suchende Lehrer findet in der Makroplanung weitere Hinweise zur Gestaltung von Lernsituationen sowie zu Unterrichtsmaterialien. Schließlich sollen Erfolgsindikatoren beschrieben werden, woran der Lernerfolg der Schüler bzw. der des eigenen Bemühens sichtbar wird. Aber das ist bisher nur punktuell geschehen.

Während des Projektes konnten die „Curricularen Analysen“ und die „Strukturplanungen“ für alle Lernfelder fertiggestellt werden. Damit ist natürlich auch verbunden, dass alle Kompetenzdimensionen vollständig beschrieben sind. Die ausgearbeiteten Planungsformate, sind nach Abstimmung und letzter Überarbeitung durch alle involvierten Kollegen der vier Schulen bei sogenannten Präsenztreffen zum verbindlichen „Lehrplan“ erklärt worden. Das Projekt endete im Mai 2009 mit einer Abschlussveranstaltung, in der u.a. versucht wurde, Ideen zur Aufrechterhaltung der curricularen Entwicklungsarbeit zu finden.

4 War das Projekt erfolgreich und wirkt es nachhaltig?

Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich unmittelbar der Erfolg des Projektes erkennen. Einerseits sind es die curricularen Analysen und Kompetenzbeschreibungen, die die KMK-Vorgaben in sehr differenzierter Form konkretisieren und die Planungsgrundlage für den Unterricht bilden. Das Planungsformat könnte in anderen Bildungsgängen ebenfalls als Hilfsmittel dienen, die Vorgaben der KMK auszudifferenzieren. Aktuell haben sich in Berlin mehrere Berufsschulzentren zusammengeschlossen, um für den Bildungsgang „Kaufmann für Büromanagement“ eine Lernfeld-Kompetenzmatrix zu erstellen.

In den vier Hamburger Einzelhandelsschulen sind Arbeits- und Kommunikationsstrukturen geschaffen worden, die sowohl schulintern als auch schulübergreifend einen dauerhaften curricularen Diskurs fördern. Viele Kollegen erkannten während des Projektes, dass curriculare Entwicklungsarbeit äußerst hilfreich und entlastend für die Unterrichtsvorbereitung ist.

Inzwischen bin ich selbst als Lehrerin an der Beruflichen Schule an der Alster tätig und unterrichte Einzelhandelskaufleute. Ich profitiere von den Planungsformaten und nutze das Unterrichtsmaterial regelmäßig. Dies ist in Hinblick auf die Unterrichtsvorbereitung sehr entlastend, da ich das Material nur noch bezogen auf meine spezifische Lerngruppe anpassen muss. Wenn neue Kollegen oder Referendare kommen, haben sie mit den Planungsformaten einen sehr detaillierten und orientierenden Lehrplan an der Hand. Wenn ich selbst mit einem neuen Lernfeld anfange, nehme ich das entsprechende Planungsformat und habe schnell den Überblick über die Lernziele der nächsten 80 Unterrichtsstunden.

Ich weiß nicht, wie der Evaluationsprozess in den anderen Schulen konkret abläuft, kann aber für meine Schule sagen, dass es nach wie vor „Lernfeldpaten“ gibt, die dafür Sorge tragen, Änderungswünsche in die Planungsformate aufzunehmen. An der Beruflichen Schule an der Alster stehen die Planungsformate jedem Kollegen zur Verfügung und zu jeder Sequenz ist eine Reihe von Unterrichtsmaterial erarbeitet und ins Intranet gestellt worden. Die Planungen sind verbindlich, sodass Vertretungen von Kollegen leicht organisierbar sind. Jeder kann sich schnell in den Arbeitsstand eines Kollegen einarbeiten und dessen Unterricht übernehmen.

In den ersten drei Jahren nach Abschluss des Projektes wurden alle Lernfelder evaluiert und überarbeitet. Die Lernfeldkoordinatoren haben schulübergreifend diese Überarbeitungen ausgetauscht. Die inzwischen weiterentwickelten und angepassten Unterrichtsmaterialen wurden wieder allen Schulen zur Verfügung gestellt.

In Hinblick auf die Makroplanungen, die während des Projektes nicht mehr ausgearbeitet werden konnten, bin ich skeptisch, dass dieses en passant geschehen könnte. Wichtig wäre, diese Arbeit beteiligten Kollegen zu übertragen, aber auch Zeit dafür zur Verfügung zu stellen. Ein schulübergreifender Austausch belebt und bereichert das Geschäft, wie das EvaNet-Projekt hinreichend zeigen konnte. Vielleicht könntest Du, lieber Tade, uns bei so einem Projekt wissenschaftlich beraten und uns erklären, wie wir die Erfolgsindikatoren fassen und wie wir feststellen können, dass die Schüler tatsächlich die intendierten Kompetenzen erworben haben.

Lieber Tade, du wirst erst 60 Jahre alt - es ist also noch Zeit genug, diesen Fragen nachzusinnen. Ich bin gespannt und hoffe, dass ich hin und wieder helfend oder inspirierend mitwirken kann. Das EvaNet-Projekt war richtig gut und hat sehr viel Spaß gemacht. Herzlichen Dank für die angenehme und aufregende Zusammenarbeit. Ich wünsche Dir alles Liebe und Gute zum Geburtstag und freue mich auf jedes Wiedersehen!

Zitieren des Beitrags

HOFMEISTER, W. (2014): EvaNet-EH – Die Entwicklung einer Lernfeld-Kompetenzmatrix für den Bildungsgang „Kaufleute im Einzelhandel“. Eine Projektbeschreibung und ein Blick auf die Nachhaltigkeit. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Profil 3, 1-12. Online: http://www.bwpat.de/profil3/hofmeister_profil3.pdf  (23-05-2014).