bwp@ 34 - Juni 2018

Was berufliche und akademische Bildung trennt und verbindet.

Entgrenzungen an der Schnittstelle von Berufsschule, Betrieb, Hochschule und Universität

Hrsg.: Martin Fischer, H.-Hugo Kremer, Julia Gillen & Ines Langemeyer

Die Berufsrelevanz des Pflegestudiums – Erwartungen, Anforderungen und Perspektiven aus Sicht von Studierenden und Schlüsselpersonen der Versorgungspraxis

Beitrag von Karin Reiber & Maik H.-J. Winter
bwp@-Format: Forschungsbeiträge
Schlüsselwörter: Pflegestudium, Akademisierung der Pflegeberufe, Fachkräftebedarf in der Pflege

Das neue Pflegeberufegesetz sieht vor, dass es ab 2020 – ergänzend zur beruflichen Pflegeausbildung – regelhaft ein beruflich qualifizierendes Pflegestudium geben wird. Damit wird eine schon lange vorgetragene Forderung verschiedener Fachverbände umgesetzt. Diese hochschulische Form der Pflegeausbildung wird bereits seit 2003/2004 unter Nutzung der sog. Modellklausel der bisherigen Pflegeberufegesetze in Form von Pilotprojekten praktiziert. Für die Umsetzung der bevorstehenden Reform ist es von Interesse, die Erfahrungen aus diesen Modellversuchen zu integrieren. Mit dieser Intention wurden im Rahmen einer von der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH in Auftrag gegebenen Studie die Berufsmotivation, der Berufseinstieg und -verbleib sowie die Anschlusspläne (zukünftiger) Absolventinnen und Absolventen eines berufsqualifizierenden Pflegestudiums erhoben und in Beziehung gesetzt zu den Erwartungen des Beschäftigungssystems an diese neue Ausbildungsform.

Sicht der Studierenden für ihren Berufseinstieg und ihre beruflichen Anschlusspläne. Diese Daten werden im Spiegel der Experten-Aussagen zu den Anforderungen der Versorgungspraxis diskutiert. Dabei wird die individuelle Perspektive auf die eigene berufsbiographische Entwicklung in Beziehung zu der systemischen Sichtweise des Versorgungssystems gesetzt.

The career relevance of nursing studies – expectations, requirements and prospects from the perspective of students and expert practitioners

English Abstract

In 2020 the new law for nursing professions intends, in addition to vocational nursing training, to make a nursing degree which carries a professional qualification generally available. This is a change long demanded by various professional associations. Nursing training at the level of higher education has been available since 2003/2004 in the form of pilot projects, under what is known as the “model clause” of existing laws governing the nursing professions. It will be beneficial to use experience gained from these pilot projects in implementing the upcoming reform. With this in mind, a study commissioned by the foundation Baden-Württemberg Stiftung gGmbH recorded data on the career motivation, career entry and retention, and future plans of (future) graduates of a nursing degree course which carries a professional qualification. This data was analysed in relation to the expectations of experts in the employment system regarding this new type of education/training.

The research design included an online survey of nursing professionals who had a degree which included vocational training (N=76), as well as 11 interviews with experts in key positions in the nursing-care sector in the federal state of Baden-Württemberg concerning the new forms of nursing educatio. This paper presents findings from both parts of the study about nursing degrees that carry a professional qualification. It focuses on the students’ assessment of how relevant the degree course is to their career entry and future career plans. This data is discussed in relation to the experts’ statements on the requirements of nursing in practice. And the students’ own perspectives on their career development are assessed from the point of view of the health-care system as a whole.

1 Hintergrund und Ausgangssituation: Die zweite Phase der Akademisierung in der Pflege

In ihrer ersten Denkschrift mit dem programmatischen Titel „Pflege braucht Eliten“ hat die Robert Bosch Stiftung (1992) auf ein großes Desiderat hingewiesen und zugleich Vorschläge ausgewiesener Expertinnen und Experten zu dessen Überwindung vorgelegt. Dabei wurde, u. a. mit Blick auf internationale Standards, insbesondere dafür plädiert, die bis dato vorherrschende Weiterbildung für Lehr- und Leitungsfunktionen in der Pflege durch eine Akademisierung abzulösen. Dies war zugleich der Auftakt einer ersten großen Akademisierungswelle im Berufsfeld Pflege, die bereits wenige Jahre später als einmalig in der wiedervereinigten deutschen Hochschullandschaft bewertet wurde, da sie binnen kurzer Zeit nicht nur einen unerwartet schnellen, sondern zugleich auch curricular breit gefächerten Verlauf nahm (vgl. Schaeffer/Bartholomeyczik 1999, 40). Allerdings zielten die Studiengänge mehrheitlich insbesondere auf das Pflegemanagement und die Pflegepädagogik ab (vgl. Moses 2015, 59ff.) und verlangten eine abgeschlossene Pflegeberufsausbildung als Zulassungsvoraussetzung (vgl. Reiber 2011, 55). Infolgedessen profitierte die direkte Pflege in Deutschland zunächst nur indirekt von den Effekten der Akademisierung bzw. stand sie nicht im Mittelpunkt der hochschulischen Initiativen (vgl. Kälble 2017, 44).

Da die steigende Komplexität pflegerischer Versorgung in sich ausdifferenzierenden Settings jedoch nicht allein gut ausgebildete Lehr- und Leitungskräfte erfordert, sondern ebenso hoch qualifizierte Pflegepraktikerinnen und -praktiker, sind in der Folge auch Studienangebote entstanden, die für Tätigkeiten in der direkten Pflege qualifizieren. Dabei handelt es sich um Studiengänge, die in der Regel den Erwerb eines ersten akademischen Abschlusses (Bachelor) mit der staatlichen Berufszulassung kombinieren. Die Organisation und Integration von Berufsqualifizierung und Hochschulstudium kann unterschiedlich geregelt sein – je nachdem, wie die Ausbildungsanteile mit dem Studium verzahnt und die Zuständigkeiten der beteiligten Bildungsinstitutionen geregelt sind (vgl. Moers/Schöniger/Böggemann 2012, 232ff.). Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, dass es sich hierbei um eine hochschulische Form der Berufsausbildung handelt. Da diese zweite Generation pflegebezogener Studiengänge keine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, werden sie auch als „grundständige“ Pflegestudiengänge bezeichnet (vgl. Reiber 2011, 55).

Diese Studiengänge, die zwar für die praktische Tätigkeit in der pflegerischen Versorgung qualifizieren sollen, dies aber auf einem wissenschaftlichen Niveau, sind mit vielfältigen Erwartungen verknüpft. In einer Situation, in der immer mehr Menschen in komplexen Versorgungslagen pflegerische Unterstützung benötigen, verbindet sich mit wissenschaftlich qualifizierten professionals die Hoffnung auf eine Qualitäts-, Qualifizierungs- und Professionalisierungsoffensive in der direkten Pflege sowie auf eine Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs insgesamt (vgl. Moers/Schöniger/Böggemann 2012, 232ff.; BMBF 2016, 105).

Die neuen Studienangebote werden insbesondere von den Bundesländern befördert (vgl. Kälble 2017, 46) und zielen insgesamt darauf ab, reflektierte Praktikerinnen und Praktiker auszubilden, die in der Lage sind, ihr berufliches Handeln evidenzbasiert sowie kritisch zu hinterfragen, ggf. anzupassen und weiterzuentwickeln (vgl. Wissenschaftsrat 2012, 8). Demzufolge verfügen die Absolventinnen und Absolventen zum einen über die gleichen Kompetenzen wie traditionell ausgebildete Pflegekräfte, sind zum anderen und darüber hinaus jedoch vor allem qualifiziert für die Bedarfserhebung, Pflegeplanung, -durchführung und -evaluation in (hoch-)komplexen Pflegesituationen (vgl. DPR /DGP 2014).

Auf Basis der sogenannten Modellklauseln der beiden Berufsgesetze (Gesundheits- und Krankenpflege- sowie Altenpflegegesetze) können diese grundständigen Studiengänge seit 2004 erprobt werden (vgl. Reiber 2017, 11). Mit dem neuen Pflegeberufereformgesetz werden solche Studiengänge – ergänzend zum Regelangebot der generalistischen Pflegeausbildung – zum festen Bestandteil der pflegeberuflichen Bildung. Diese neue, zweite und hochschulische Form der Pflegeausbildung hat zum Ziel, den „Transfer des stetig fortschreitenden pflegewissenschaftlichen Wissens in die Pflegepraxis und die Innovationsfähigkeit der Pflege, aufbauend auf dem neuesten Stand der Wissenschaft und des technischen Fortschritts“ (Bundesgesetzblatt 2017) zu fördern. Gemäß der Empfehlung des Wissenschaftsrats (2012, 8) sollen zehn bis 20 Prozent der Personen eines Ausbildungsjahrgangs diese hochschulische Ausbildung absolvieren.

In engem Zusammenhang mit den ambitionierten Erwartungen an die Studiengänge steht die grundsätzliche Frage, welche Auswirkungen auf die pflegerische Versorgung dadurch zu erwarten sind. Von besonderem Interesse wäre hier die Frage, ob das mit den grundständigen Studiengängen korrespondierende neue und akademische Kompetenzprofil zu einer Qualitätssteigerung in der pflegerischen Versorgung führt – vulgo: Was kommt von der Akademisierung bei der Patientin und dem Bewohner an? Diese Auswirkungen zu untersuchen ist aus nachvollziehbaren Gründen nicht eben trivial (vgl. Schubert/Hermann/Spichiger 2018). Doch auch die Positionierung der neuen Abschlüsse in einer bestehenden Qualifikationsstruktur steht zur Debatte. An dieser Stelle geht es nicht um die „Verdrängungsprozesse im Zuge des Hinzutretens eines höheren Qualifikationsniveaus in ein bestehendes Berufsfeld“ (Sander 2017, 12), sondern darum, wie sich diese Pflegefachkräfte selbst beruflich verorten und wie sie vom Beschäftigungssystem aufgenommen und integriert werden. Positive Auswirkungen auf die Versorgungsqualität werden schließlich davon abhängen, dass die hochschulisch Ausgebildeten in der direkten pflegerischen Versorgung tätig und hier sinnvoll eingesetzt werden.

Dies war der Anlass für ein Forschungsprojekt (im Auftrag der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH), in dem die Auswirkungen der neuen Ausbildungsformen auf die Berufsorientierung der Absolventinnen und Absolventen und die Planungsstrategien von Personalverantwortlichen in der Pflege untersucht wurde. Dafür wurde im Zeitraum von 2014 bis 2016 eine Verbleibstudie durchgeführt, die die in Form von Modellprojekten realisierten neuen Ausbildungsformen in Baden-Württemberg in den Blick nahm. Mithilfe einer quantitativen Online-Befragung konnten Pflegekräfte befragt werden, die entweder eine generalistische bzw. integrative Pflegeausbildung (n=100) oder ein grundständiges Pflegestudium (n=76) bis Ende 2016 abgeschlossen hatten. Ergänzend dazu fanden Expert*innen-Interviews mit Schlüsselpersonen der Versorgungspraxis – d.h. Führungskräfte mit strategischer Personalverantwortung – zu ihrer Einschätzung der und Erwartungen an die neuen Ausbildungsformen statt. Ein besonderer Focus lag bei den Interviews auf den Auswirkungen für die Altenhilfe, konkret auf die langzeitstationäre pflegerische Versorgung.

Die Triangulation beider Erhebungsteile erfolgte in der Weise, dass die beruflichen Orientierungen der hochschulisch und generalistisch ausgebildeten Pflegefachkräfte mit den qualifikationsbezogenen Personal-Strategien der Schlüsselpersonen kontextuiert wurden. Mit Blick auf den Themenschwerpunkt dieser Ausgabe werden nachfolgend ausgewählte Ergebnisse ausschließlich zu Fragen der hochschulischen Pflegeausbildung präsentiert und diskutiert. Der Erhebungsteil, der sich auf integrative/generalistische Modellprojekte bezog, wird an anderer Stelle referiert und diskutiert.

2 Das Pflegestudium aus Absolvent*innen- und Expert*innensicht

2.1 Anlage und Design der Studie

Das Projekt „Pflegerische Versorgung in Baden-Württemberg von Morgen – sicher, flächen-deckend, kompetent!? Analyse der neuen Pflegeausbildungsstrukturen im Spiegel des Qualifikationsbedarfes in der Versorgungspraxis“ nahm dezidiert die Einschätzungen der hochschulisch ausgebildeten Pflegefachkräfte in den Blick. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden empirische Daten zum beruflichen Verbleib sowie zu Arbeitsmarktperspektiven generalistisch und akademisch ausgebildeter Pflegekräfte erhoben, aus denen Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Ausbildungen in den Pflegeberufen abgeleitet werden konnten. Die beiden Ausbildungsformen, die nun auf der Basis des neuen Pflegeberufegesetzes (Bundesgesetzblatt 2017) zum Regelangebot werden, wurden im Rahmen dieses Projekts am Beispiel der in Baden-Württemberg angesiedelten Ausbildungsmodelle auf ihre Passung mit dem Arbeitsmarkt untersucht. Dazu wurde ein Forschungsdesign gewählt, das unterschiedliche methodologische Ansätze (qualitativ/quantitativ) und verschiedene Methoden miteinander kombiniert. Diese Methodenkombination korrespondiert mit einer Mehrperspektivität, die unterschiedliche Blickwinkel und Akteure integriert.

Um die Perspektive der Absolventinnen und Absolventen der beiden neuen Ausbildungsformen empirisch zu untersuchen, wurden Pflegefachkräfte befragt, die entweder eine generalistische bzw. integrative Pflegeausbildung oder ein grundständiges Pflegestudium abgeschlossen hatten. Dazu wurde eine weitgehend standardisierte Online-Befragung durchgeführt. Einschlusskriterium war die – geplante – Beendigung der Ausbildung bzw. des Studiums bis zum Jahr 2016. Als Sample konnten neun generalistische bzw. integrative Ausbildungsgänge in Modellprojekten an Pflegeschulen und sechs berufsqualifizierende Pflegestudiengänge in Baden-Württemberg identifiziert werden. Nachfolgend wird in Übereinstimmung mit der Fragestellung dieses Beitrags und im Rahmen des Schwerpunkts dieser Ausgabe der Focus auf die Ergebnisse aus dem Erhebungsteil zur hochschulischen Pflegeausbildung gesetzt.

Eine systematische Befragung von Studiengangleitungen dieser Studienprogramme inkl. eigener Recherchen ergab eine Grundgesamtheit von 425 Absolventinnen und Absolventen grundständiger Pflegestudiengänge. Von dieser Grundgesamtheit konnten 76 Bachelorabsolventinnen und -absolventen (Rücklauf von 17,4 Prozent) zur Teilnahme an der Online-Befragung gewonnen werden, die von April bis Juli 2015 stattfand.

Die Perspektive potenzieller Arbeitgeber wurde mittels elf qualitativer Expertinnen- und Experten-Interviews erhoben. Das Sample umfasste Personen, die Schlüsselpositionen in Vertreterverbänden der Arbeitgeber sowie in Wohlfahrtsverbänden innehaben. Die Datenerhebung fand in Form von Face-to-Face-Interviews am Arbeitsplatz der Expertinnen und Experten zwischen Oktober 2014 und Januar 2015 statt. Die Befragten verfügten überwiegend über einen pflegerischen bzw. kaufmännischen Berufshintergrund. Die Interviews dauerten im Mittel 60 Minuten und wurden anhand der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2014) unter Nutzung von MAXQDA 12 ausgewertet.

Alle befragten Personen wurden im Vorfeld über die Studie sowie zu Datenschutz und Anonymisierung informiert und stimmten der Erhebung mittels eines Informed Consent zu. Alle erhobenen Daten wurden vor der Auswertung anonymisiert.

Mit Bezug zum Schwerpunkt dieser Ausgabe wird nachfolgend auf die Erwartungen der Studierenden, ihre Ausgangsmotivation, die Einmündung in das Beschäftigungssystem, die rückblickende Einschätzung des Studiums im Spiegel der ersten beruflichen Praxiserfahrungen sowie auf die beruflichen Anschlusspläne fokussiert. Korrespondierend dazu werden Befunde aus den Interviews mit Schlüsselpersonen der Versorgungspraxis präsentiert, die einen Einblick geben in die Erwartungen, aber auch Befürchtungen potenzieller Arbeitgeber hinsichtlich einer Teilakademisierung der pflegebezogenen Berufsbildung, Einschätzungen zu den grundständigen Pflegestudiengängen mit Blick auf die Versorgungspraxis und ihren Anforderungen sowie den Beitrag dieser Entwicklung zu einer weiteren Professionalisierung des Pflegeberufs.

2.2 Die rückblickende Einschätzung der Absolventinnen und Absolventen

2.2.1 Die Ausgangsmotivation der Befragten

Die Befragten aus dem Pflegestudium wurden zu ihrer Motivation bzgl. der Aufnahme des Studiums gefragt. Hierfür wurden unterschiedliche Motive vorgegeben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten auf einer fünfstufigen Skala angeben, inwiefern die ihnen in Form von Items vorgegebenen Motive auf sie zutreffen. Wie bei allen weiteren im Verlauf der Datenanalyse analysierten Skalen wird je Item das arithmetische Mittel angegeben.

Abbildung 1: Motive zur Aufnahme des StudiumsAbbildung 1: Motive zur Aufnahme des Studiums

Die meisten Items haben bei den Befragten aus dem Pflegestudium eine bedeutende Rolle bei der Aufnahme des Studiums gespielt. Insbesondere die persönliche Weiterentwicklung und das Motiv, anderen helfen zu wollen, stehen im Vordergrund. Die akademische Laufbahn steht an vierter Stelle – die drei wichtigsten Motive wären prinzipiell auch mit einer konventionellen Pflegeausbildung in Einklang zu bringen. Führungsposition und Aufstiegsmöglichkeiten, beides Punkte, die mit diesem Pflegestudium angestrebt werden können, spielen als Motive eine untergeordnete Rolle. Abgeschlagen als relativ unwichtig sind pragmatische Gründe. Bei der Wahl des Studiums handelt es sich folglich um eine eher intrinsisch motivierte Entscheidung für diese besondere Form der hochschulischen Ausbildung mit ihren erweiterten Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie der größeren beruflichen Optionen.

2.2.2 Die beruflichen Anschlusspläne der Absolventinnen und Absolventen

Pro Item konnte mit Zustimmung oder Ablehnung bewertet werden. Die Prozentangaben beziehen sich auf die Zustimmung zu einer der genannten beruflichen Anschlussoptionen, wobei Mehrfachantworten möglich waren.

Abbildung 2: Berufliche AnschlusspläneAbbildung 2: Berufliche Anschlusspläne

Bezüglich ihrer weiteren beruflichen Pläne geben zwei Drittel der Absolventinnen und Absolventen an, in der direkten pflegerischen Versorgung arbeiten zu wollen. Gleichwohl kommt für die hier Befragten perspektivisch auch ein weiterführender Studiengang in Betracht. Interessant an den Antworten ist, dass sich daran ein Berufsverständnis nachzeichnen lässt, das Beratungs- und Anleitungsaufgaben, aber auch steuernde und koordinierende Tätigkeiten stärker in den Blick nimmt. Immerhin bedenklich ist hingegen die Anzahl derer, die einen anderen beruflichen Weg einschlagen möchten. Dies sind 16 Prozent der Befragten.

2.2.3 Die Berufseinmündung der Absolventinnen und Absolventen

Im Kontext des Themenfelds „Berufseinmündung“ wurden die Absolventinnen und Absolventen u. a. danach gefragt, welche Gründe für sie ausschlaggebend sind bzw. wären, ein Stellenangebot näher in Betracht zu ziehen. An erster Stelle steht diesbezüglich die Art der Tätigkeit. Hervorzuheben ist weiterhin, dass die Berücksichtigung der eigenen spezifischen Qualifikationen eine große Rolle spielt.

Abbildung 3: Gründe für Auswahl von StellenangebotenAbbildung 3: Gründe für Auswahl von Stellenangeboten

2.2.4 Das eigene Studium in rückblickender Bewertung

Die rückblickende Einschätzung des Studiums fällt insgesamt moderat positiv aus. Spitzenreiter ist hier die Erfüllung der Ausgangsmotivation zur persönlichen Weiterentwicklung. Wichtig sind auch die beruflichen Optionen, die sich mit diesem Studium erschließen („zukunftssicher“, „interessant“). Einzig die Frage, ob das Studium die für die Berufsausübung erforderlichen Kenntnisse vermittel hat, wurde etwas zurückhaltender bewertet.

Abbildung 4: Rückblickende Bedeutung des StudiumsAbbildung 4: Rückblickende Bedeutung des Studiums

Im Vergleich zu den Absolventinnen und Absolventen einer generalistischen Pflegeausbildung zeigen sich die akademisch ausgebildeten Pflegefachkräfte deutlich skeptischer in Bezug darauf, inwieweit das Studium die für den Berufsalltag notwendigen Kompetenzen vermittelt. Bei der Interpretation dieser Befunde ist allerdings zu bedenken, dass die Studiengänge noch neu sind und somit hinsichtlich der berufspraktischen Ausrichtung noch Entwicklungsbedarf aufweisen können.

2.2.5 Die drei wichtigsten Vorteile des Pflegestudiums

Schließlich wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Befragung gebeten, die drei wichtigsten Vorteile ihrer besonderen Form der hochschulischen Ausbildung zu nennen. Die offenen Antworten wurden folgendermaßen kategorisiert:

  • Antworten, die sich auf das Erlernen von wissenschaftlichen Fähigkeiten im Bereich der Pflege beziehen, befinden sich in der Kategorie „wissenschaftliches Arbeiten erlernen“.
  • Die beiden Kategorien „bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ und „erweiterte Wissensgrundlage für pflegerische Tätigkeiten“ sind selbsterklärend.
  • Die Kategorie „kritisches Denken“ umfasst Antworten, die das kritische Hinterfragen in pflegerischen Kontexten thematisieren.
  • Antworten von Befragten aus dem Pflegestudium, die einen bedeutenden Vorteil des Studiums in dem Erwerb sowohl eines ersten akademischen Grades als auch eines berufsqualifizierenden Abschlusses innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens sehen, sind in der Kategorie „Zeitersparnis“ vereint.
  • Die Kategorie „Theorie-Praxis-Transfer“ beinhaltet Antworten, die dem Pflegestudium eine gute bzw. bessere Verknüpfung von Theorie und Praxis zuschreiben.
  • Antworten, die erweiterte Handlungskompetenzen sowie eine bessere Versorgungsqualität benennen, befinden sich in der Kategorie „Handlungskompetenz/Versorgungsqualität“.
  • Antworten der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer, die sich auf den Vorteil der Aufwertung der Pflege beziehen, die mit der Akademisierung einhergeht und damit auch die Professionalisierung der Pflege befördern, sind in der Kategorie „Aufwertung der Pflege“ subsummiert.
  • Einige der Befragten aus dem Pflegestudium sehen einen Vorteil in der persönlichen Horizonterweiterung bzw. der persönlichen Weiterentwicklung. Die entsprechenden Antworten befinden sich in der Kategorie „Persönlichkeitsentwicklung“.
  • In der Kategorie „evidenzbasiertes Arbeiten“ sind Antworten gebündelt, die die wissenschaftliche Fundierung der Pflegepraxis benennen.
  • Antworten, die sich auf die erweiterten Möglichkeiten nach dem Abschluss des Studiums beziehen, sind in der Kategorie „Flexibilität“ vereint.
  • Der Titel der letzten Kategorie – „Finanzierbarkeit des Studiums“ – ist selbsterklärend.

Abbildung 5: Wichtigste Vorteile des PflegestudiumsAbbildung 5: Wichtigste Vorteile des Pflegestudiums

Bei den Befragten aus dem Pflegestudium entsprechen die vordersten Kategorien den Grundgedanken der grundständigen Studiengänge. Die Flexibilität ist für sie ein viel geringerer Vorteil als für die Befragten aus der Pflegeausbildung. Dass die Finanzierbarkeit des Studiums nicht als wichtiger Vorteil erachtet wird, passt zu den Aussagen der Befragten aus dem Pflegestudium bzgl. der Motive für die Studienwahl: Pragmatische Gründe spielen eine untergeordnete Rolle.

2.3 Die neuen Pflegestudiengänge aus Sicht von Schlüsselpersonen des Versorgungssystems

2.3.1 Erwartungen der Expertinnen und Experten an die neuen Pflegestudiengänge

Analog zu den Motiven für die Aufnahme eines Pflegestudiums wurden die Expertinnen und Experten zu ihren Erwartungen an diese neue Ausbildungsform befragt. In den Interviews lassen sich weit überwiegend positive Bewertungen zur geplanten Einrichtung grundständiger Studiengänge als Regelangebot identifizieren. Demnach stehen nur wenige Expertinnen und Experten dieser Entwicklung generell kritisch gegenüber. Die positiven Einschätzungen beziehen sich 1. auf die erwarteten Kompetenzen und den Wissensstand der Absolventinnen und Absolventen, 2. auf Möglichkeiten der Personalgewinnung, 3. auf Veränderungen des Berufsbildes und 4. auf die bessere Vergleichbarkeit der Abschlüsse innerhalb der Europäischen Union. Insbesondere pflegewissenschaftliche Kenntnisse werden nicht nur von den Absolventinnen und Absolventen erwartet, sondern als notwendig für die pflegerische Versorgung erachtet.

Einen hohen Stellenwert nehmen laut der Interviewergebnisse Erwartungen ein, die Attraktivität des Berufsfeldes Pflege durch die Studiengänge steigern zu können – insbesondere für Abiturientinnen und Abiturienten. Demzufolge entspricht die Etablierung hochschulischer Ausbildungsmöglichkeiten auch in der Pflege eher ihren Vorstellungen und eröffnet ihnen zudem diverse Karrieremöglichkeiten. Insofern gelten die Studiengänge aus Sicht der Expertinnen und Experten auch als wichtiges Instrument einer erweiterten Personalgewinnung, als eine neue Zielgruppe für eine hochschulische Pflegeausbildung erschlossen werden kann:

„ (…) dann ist es gut, wenn man solchen Personen einen Abschluss anbieten kann und sie damit für die Pflege gewinnen kann, die sonst sagen würden, ja nein, eine dreijährige Ausbildung, ich möchte lieber etwas studieren.“ (IP XII, 55)

Gleichwohl haben die Pflegestudiengänge aus Sicht der Expertinnen und Experten nicht die Funktion, den bestehenden Personalmangel in der Pflege grundlegend zu beheben. Vielmehr ist die arbeitgeberseitige Akzeptanz hochschulischer Pflegeausbildung offensichtlich eng verbunden mit tragfähigen Konzepten zur Bewältigung des grundsätzlich bestehenden Fachkräftemangels.

Der insgesamt positiven Erwartungshaltung der meisten Interviewpartnerinnen und -partner stehen einige wenige Vorbehalte gegenüber. Diese beziehen sich vor allem auf vermutete Schwierigkeiten der Arbeitgeber, die Absolventinnen und Absolventen der grundständigen Pflegestudiengänge in der direkten Pflege adäquat einzusetzen. Dabei werden zum einen zu geringe pflegepraktische Erfahrungen der akademisch qualifizierten Fachkräfte befürchtet sowie Spannungen in Pflegeteams, deren Mitglieder über unterschiedliche Kompetenzniveaus verfügen. Zum anderen wird vermutet, die Absolventinnen und Absolventen würden sich aufgrund ihres Studiums per se weniger für die direkte Pflege interessieren.

2.3.2 Vorstellungen der Arbeitgeber bezüglich der Anstellung und Beschäftigung von hochschulisch ausgebildeten Pflegefachkräften

Interessant sind die Befunde aus den Interviews von Schlüsselpersonen der Versorgungspraxis, die gleichsam ein Pendant zu den beruflichen Anschlussplänen der Absolventinnen und Absolventen sind. Hier äußern die Expertinnen und Experten mehrfach Bedenken hinsichtlich spezifischer Einsatzfelder. Einerseits vermuten die Arbeitgeber, dass die von ihnen vorgesehenen Tätigkeitsprofile nicht den Wünschen der akademisch ausgebildeten Fachkräfte entsprechen, oder aber sie meinen, ihnen keine adäquaten Beschäftigungen anbieten zu können. Andererseits existieren derzeit noch grundsätzliche Unsicherheiten hinsichtlich der Verwendbarkeit akademischer Ausbildungsprofile am Pflegearbeitsmarkt, da es sich hierbei um eine grundlegende Innovation in der deutschen Pflege handelt und bislang wenige Erfahrungen vorliegen:

„Wer sich bessere Aussichten oder ein anderes Profil verspricht durch die Akademisierung, der ist noch zu früh. Das gibt es noch nicht.“ (IP X, 57)

In diesen Aussagen deutet sich wiederum an, dass die Entstehung neuer, akademischer Ausbildungsprofile in der Pflege mit spezifischen Herausforderungen für potenzielle Arbeitgeber einhergeht, die sie offensichtlich erst bei einem größeren Aufkommen der entsprechenden Absolventinnen und Absolventen angehen werden.

2.3.3 Gründe aus Sicht der Schlüsselpersonen für den Einsatz hochschulisch ausgebildeter Pflegefachkräfte

Komplementär zu den Fragen an die Absolventinnen und Absolventen wurden die Expertinnen und Experten nach Gründen für die Einstellung hochschulisch ausgebildeter Pflegefachkräfte interviewt. Aus Sicht der Befragten steht die Bewertung der Studiengänge sowie der Berufsaussichten der Absolventinnen und Absolventen in engem Zusammenhang zu der Identifikation möglicher Einsatzfelder für die neuen Fachkräfte. Dabei formulieren die Schlüsselpersonen der Versorgungspraxis sowohl Vorteile als auch Herausforderungen, die sich für sie durch hochschulisch qualifizierte Pflegekräfte ergeben.

Insgesamt betrachtet ist – nach Meinung der Expertinnen und Experten – ein Vorteil beim Einsatz der Absolventinnen und Absolventen grundständiger Pflegestudiengänge der fundiertere Theoriebezug im Vergleich zur berufsfachschulischen Ausbildung. Hierbei werden eine größere pflegewissenschaftliche Expertise sowie umfassendere Lösungsstrategien von hochschulisch qualifizierten Pflegekräften erwartet:

„Es ist einfach so, dass, wenn man Pflege studiert hat, einfach noch mal einen ganz anderen Wissenshintergrund hat und auch eine andere Form der Lösungsstrategien parat hat.“ (IP V, 56)

Darüber hinaus spricht die zunehmende Komplexität pflegerischer Arbeitsabläufe offensichtlich für den Einsatz akademisch qualifizierter Fachkräfte, da sie – so die Experteninnen und Experten – über höhere analytische Kompetenzen verfügen, Zusammenhänge besser verstehen und Prioritäten setzen können:

„Also, wir brauchen Leute, die das Ganze noch verstehen, die ganzen Zusammenhänge noch verstehen und entsprechende Prioritäten setzen können und nicht einfach sagen: ,Jetzt machen wir halt eins nach dem anderen.‘ Das geht nicht. Man muss auswählen, sich entscheiden: was macht man, was lässt man weg. Weil, alles zu machen, geht gar nicht. Und das können nur Leute, die das richtig gut verstanden haben, machen und deswegen werden wir auch solche Leute dafür brauchen.“ (IP VIII, 54)

Obwohl die befragten Expertinnen und Experten eine Reihe möglicher Einsatzfelder für die Absolventinnen und Absolventen benennen, besteht weiterhin diesbezüglicher Entwicklungsbedarf, denn vielfach sind die Einsatzfelder noch nicht etabliert. Infolgedessen werden den hochschulisch qualifizierten Pflegekräften nicht selten ähnliche Aufgaben zugeschrieben wie den berufsfachschulisch ausgebildeten, wenn auch mit höherem Anspruchsniveau. Immer wieder fragen sich die Expertinnen und Experten auch, inwieweit hochschulisch qualifizierte Pflegekräfte überhaupt eine berufliche Tätigkeit in der direkten Pflege in Betracht ziehen:

„Das ist ja immer so was, was die Versorgungslandschaft beschäftigt: Was machen wir dann mit diesen ganzen Akademikern? Wollen die denn überhaupt noch praktisch arbeiten? Und, also jetzt von meinem Gefühl her, wer jetzt bislang Pflege studiert hat und noch in der Pflege ist, ist das natürlich verschwindend wenig. Und da muss man natürlich der Praxis auch Recht geben; ja, stimmt, wir haben dann lauter Akademiker, die dann sagen: ,Ja, aber ich will nicht mehr in der Pflege arbeiten.‘“ (IP V, 56)

2.3.4 Übergreifende Erwartungen der Expertinnen und Experten für das Berufsfeld Pflege

Insgesamt lassen die Experten-Interviews überwiegend die Einschätzung erkennen, dass die Einführung der Pflegestudiengänge zu einer positiveren Wahrnehmung und höheren Wertschätzung des Berufsbildes beitragen wird. Die Befragten begründen dies mit höheren Kompetenzen der Absolventinnen und Absolventen im Bereich Kommunikation, Entscheidungsfindung sowie Reflexionsfähigkeit. Zudem wird vermutet, dass die Ergebnisse und Effekte pflegerischer Arbeit adäquater als bislang dargestellt werden durch die hochschulisch qualifizierten Pflegekräfte.

Die befragten Expertinnen und Experten erwarten in der pflegerischen Versorgung positive Veränderungen durch den Einsatz hochschulisch qualifizierter Pflegekräfte. Demnach könnte es zu einem wirkungsvolleren Theorie-Praxis-Transfer und damit zu einer qualitativen Verbesserung der pflegerischen Versorgung kommen. Laut Meinung der Expertinnen und Experten kann der Theorie-Praxis-Transfer durch die Anwendung gesicherter Pflegepraktiken, die durch evidenzbasiertes pflegerisches Fachwissen begründet werden, gelingen. Dies würde dann wiederum ineffektive pflegerische Maßnahmen reduzieren. Daneben trägt der ausgeprägtere Theorie- und Wissenschaftsbezug dazu bei, dass Absolventinnen und Absolventen grundständiger Pflegestudiengänge passgenaue und evidenzbasierte Problemlösungen entwickeln. Weiterhin werden positive Auswirkungen für die Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Pflege erwartet, wobei den hochschulisch qualifizierten Pflegekräften eine besondere Bedeutung bei der Evaluation und Outcomeorientierung pflegerischer Versorgungsprozesse zugeschrieben wird. Aus Sicht der Expertinnen und Experten verfügen sie nicht nur über das dazu notwendige organisationale, pflegewissenschaftliche und -praktische Wissen, sondern sind auch in der Lage, pflegerische Leistungen aus einem erweiterten Blickwinkel heraus zu reflektieren.

Allerdings werde die Akademisierung in der Pflege bislang nicht mit der direkten Pflege in Verbindung gebracht, und spezifische Aufgabenfelder für Absolventinnen und Absolventen grundständiger Pflegestudiengänge seien bisher nicht vorhanden. Aufgrund der größer werdenden Anzahl dieser neuen Fachkräfte müssten die Einrichtungen daher zeitnah neue Strukturen und Konzepte entwickeln, um die Bachelorabsolventinnen und -absolventen für die pflegerische Praxis gewinnen zu können.

3 Zu Chancen, Risiken und Nebenwirkungen der Akademisierung - Zusammenschau und Diskussion

3.1 Die zweite Phase der Akademisierung

Nach der Einrichtung von Studiengängen für die Übernahme von Lehr- und Leitungsfunktionen in der Pflege Mitte der 1990er Jahre, rückt in einer zweiten Phase nunmehr die direkte pflegerische Versorgung auch hierzulande in den Focus des Akademisierungsprozesses im Berufsfeld Pflege. Diese Entwicklung setzt, mit Blick auf europäische sowie internationale Gegebenheiten, zwar vergleichsweise spät ein (vgl. Kälble 2017, 46), verbindet sich jedoch, unter Umständen gerade auch deshalb, mit vielfältigen, ambitionierten Erwartungen an eine Innovation und Optimierung der Pflegepraxis. Infolgedessen wird die Etablierung grundständiger Pflegestudiengänge von zahlreichen Befürwortungen – unter anderem aus Pflegeverbänden, -wissenschaft (vgl. DPR/DGP 2014, 2), dem Wissenschaftsrat (vgl. 2012, 8) sowie der Landes- und Bundespolitik – begleitet und erfährt angesichts kontinuierlich wachsender Angebote aktuell geradezu einen Boom (vgl. Reiber/Linde 2014, 37).

Zentrales Kennzeichen der neuen Studiengangprofile ist die Kombination eines akademischen Abschlusses mit der staatlichen Berufszulassung, die bereits aus anderen Heilberufen – wie der Medizin – bekannt ist, in den Pflegestudiengänge jedoch auf jeweils unterschiedliche Art und Weise realisiert wird. Nichtsdestotrotz weisen die Studiengänge formal zunächst eine rechte starke Verbindung zum Beschäftigungssystem auf. Dies wird auch daran ersichtlich, dass die Absolventinnen und Absolventen als akademisch qualifizierte Pflegefachkräfte bezeichnet werden (vgl. DPR/DGP 2014, 1).

Allerdings zielt die zweite Akademisierungswelle in der Pflege derzeit keineswegs auf eine Ablösung der (nicht-akademischen) Pflegeberufsausbildung ab, sondern versteht sich als Ergänzung dazu, die bislang jedoch wenig konturiert ist (vgl. Gerlach 2013, 42f). Daraus erwächst der Umstand, dass hochschulisch und berufsfachschulisch ausgebildete Pflegefachkräfte über eine Reihe gleichartiger Kompetenzen verfügen (müssten), wobei den Studiengangabsolventinnen und -absolventen zugeschrieben wird, dass sie „(…) aufgrund ihres wissenschaftlichen Hintergrundes die Aufgaben anders und weitergehend (…)“ wahrnehmen (DPR/DGP 2014, 3). Diesen Vorstellungen zufolge handelt es sich hierbei vorrangig um die forschungs- sowie wissenschaftsbasierte und konzeptionelle Weiterentwicklung der Pflege, die Übertragung empirischer Pflegeforschung in die Pflegepraxis, die Evaluation pflegerischen Handelns und die Beratung zu aktuellen Fragen der pflegerischen Versorgung (vgl. DPR/DGP 2014, 3).

3.2 Konsequenzen für das Beschäftigungssystem

Für das Beschäftigungssystem, d. h. das Gesundheits- und Pflegewesen, resultieren daraus zahlreiche Herausforderungen (vgl. Reiber 2017, 15), denn es wird mit einer neuen Qualifikationsart konfrontiert, ohne dass bislang hinreichende, empirische Belege zum realen Kompetenzprofil akademischer Pflegefachpersonen vorliegen (vgl. DPR/DGP 2014, 2). Dies wiederum kann die Umsetzung einer – für die pflegerische Versorgung – effektiven Kombination unterschiedlicher Qualifikationsarten und -stufen erschweren. Darüber hinaus weisen die beständig zunehmenden Studiengangkonzeptionen – neben grundsätzlichen Gemeinsamkeiten (wie der Kombination des akademischen Abschlusses mit der Berufszulassung) – auch zahlreiche Unterschiede auf, welche bspw. die Studiendauer, -organisation, das Studiengangprofil sowie die Art des Bachelorabschlusses betreffen (vgl. Reiber/Linde 2014, 37f.), so dass eine umfassende Einschätzung der Abschlüsse, selbst für ausgewiesene Expertinnen und Experten, deutlich erschwert wird (vgl. Reiber 2011, 56).

Hinzu kommt, dass, im Gegensatz zur Medizin, eine Kopplung der Studiengänge an definierte Tätigkeitsfelder bislang hauptsächlich theoretisch existiert. Demnach stellt sich arbeitgeberseitig die Frage, wo, zu welchem Zweck und wie die – im Vergleich zu den bisher professionell Pflegenden – formal höher qualifizierten, akademisch ausgebildeten Fachkräfte tatsächlich eingesetzt werden sollen und können. Bislang zumindest waren bzw. sind akademische Ausbildungsprofile im deutschen Pflegewesen weder vorgesehen noch vorgeschrieben (da bis vor kurzem nicht vorhanden), und die Pflegepraxis tritt eher verhalten als Befürworterin entsprechender Entwicklungen auf. Dies ist insofern nachvollziehbar, als dass Forderungen nach akademisch ausgebildetem Pflegepersonal immer auch als Selbsteingeständnis einer mangelhaften Pflegepraxis (miss-)verstanden werden kann sowie als Abwertung der bisherigen (nicht-akademischen) Pflegeberufsausbildung. Ferner evoziert die Einrichtung grundständiger Pflegestudiengänge prinzipielle Fragen danach, inwieweit Pflegeeinrichtungen sich angesichts begrenzter finanzieller Mittel überhaupt in der Lage sehen, die – den neuen Fachkräften zugeschriebenen – Aufgaben zu verwirklichen und zudem entsprechend der akademischen Ausbildung auch vergüten zu können. Bislang jedenfalls sind kaum pflegepolitische Tendenzen identifizierbar, die Finanzierung pflegerischer Leistungen entlang der neu entstehenden pflegefachlichen Kompetenzprofile zu erhöhen.

Schließlich gilt es, die Perspektive der akademisch ausgebildeten Pflegefachkräfte selbst zu berücksichtigen und ihre beruflichen Vorstellungen – etwa zu präferierten Aufgaben- und Tätigkeitsfeldern, bevorzugten Pflegesettings sowie zu weiterführenden Berufsplänen – mit denen möglicher Arbeitgeber in Einklang zu bringen. Nur wenn dies hinreichend gelingt, dürfen letztlich jetzige sowie zukünftige Nutzerinnen und Nutzer pflegerischer Leistungen darauf hoffen, dass das zentrale, übergeordnete Ziel der Studiengänge in Form der nachweisbaren Optimierung direkter pflegerischer Versorgungsprozesse erreicht wird und sie so davon profitieren. Hier sind Heilberufe angesichts ihrer spezifischen Berufsethik besonders gefordert, bei Ausbildungsreformen einen nachvollziehbaren Ausgleich herzustellen zwischen eigenen, berufsständischen Interessen und denjenigen ihrer Klientinnen und Klienten.

3.3 Passung von beruflicher Orientierung und Versorgungsbedarf

Bei einer integrativen Betrachtung der Auswirkungen grundständiger Pflegestudiengänge auf das Versorgungssystem aus Sicht von Expertinnen und Experten und beruflicher Orientierungen sowie rückblickender Einschätzungen der neuen, akademisch qualifizierten Fachkräfte, zeigen die dargestellten Befunde zunächst mehrfache Übereinstimmungen. Diese beziehen sich auf die Vorstellungen der Absolventinnen und Absolventen sowie potenzieller Arbeitgeber, die mit der übergreifenden Leitidee der Studiengänge, die direkte Pflege weiterzuentwickeln, korrespondieren. So antizipieren die hochschulisch ausgebildeten Pflegefachkräfte offensichtlich, dass die neuen Studiengangangebote primär keine Qualifikation für das Pflegemanagement darstellen, denn die Übernahme von Führungspositionen ist kein zentrales Motiv für die Aufnahme des Studiums, und weniger als ein Fünftel (17 Prozent) der Absolventinnen und Absolventen strebt eine leitende Tätigkeit im direkten Anschluss an das Studium an. Im Vordergrund steht bei ihnen vielmehr das Bedürfnis nach persönlicher Weiterentwicklung und danach, anderen Menschen helfen zu wollen, womit sich wiederum eine hohe, grundsätzliche Bereitschaft verbindet, in der direkten pflegerischen Versorgung tätig zu werden (63 Prozent). In Abgrenzung zu Pflegefachkräften mit dreijähriger Berufsausbildung favorisieren die akademisch Qualifizierten hier stärker beratende, steuernde sowie koordinierende Pflegetätigkeiten. In solchen beruflichen Anschlussplänen deutet sich bei ihnen ein tendenziell verändertes Pflegeberufsverständnis an, das mit ihrer Einschätzung der wichtigsten Vorteile des Pflegestudiums korrespondiert, denn dazu zählen mehrheitlich das Erlenen wissenschaftlichen Arbeitens sowie die Bereitstellung erweiterter Wissensgrundlagen für pflegerische Tätigkeiten. Die Expertinnen und Experten wiederum äußern sich bezüglich der möglichen Arbeitsfelder und Einsatzmöglichkeiten von Absolventinnen und Absolventen grundständiger Pflegestudiengänge mehrdeutig. Sie verbinden mit ihnen zwar die Hoffnung auf eine Qualitätsentwicklung in der direkten pflegerischen Versorgung, insb. im Hinblick auf komplexer werdende Pflegesituationen. In der Konkretion dessen weisen sie ihnen in den Interviews jedoch Stabstellen oder Leitungsaufgaben zu – berufliche Positionen also, die nicht mehr unbedingt in der unmittelbaren Pflegepraxis angesiedelt sind.

Einerseits ist davon auszugehen, dass die genannten Vorstellungen mit zentralen Grundzügen der Studienprogramme übereinstimmen (vgl. Reiber/Linde 2014, 38); andererseits muss an dieser Stelle im Sinne einer kritischen Forschungsreflexion angemerkt werden, dass innerhalb des Forschungsprojektes keine expliziten Zusammenhängen zwischen den Aussagen der Absolventinnen und Absolventen und denjenigen der Schlüsselpersonen aus der Versorgungspraxis mit den einzelnen Studiengängen hergestellt werden konnten und sollten, da deren Konzeptionen in ihrer Gesamtheit zu unterschiedlich sind (vgl. Reiber/Linde 2014, 40f). Darüber hinaus könnte die Untersuchung solcher Kontexte, bei aller Sinnhaftigkeit, von den betreffenden Hochschulen als externe Evaluation ausgefasst werden, worunter mit großer Wahrscheinlichkeit die Akzeptanz der Studie gelitten hätte. Dies gilt umso mehr, als dass der Zugang zu den Absolventinnen und Absolventen wesentlich auch über die Hochschulen erfolgte.

Unabhängig davon erweisen sich jedoch die Äußerungen der interviewten Schlüsselpersonen des Versorgungssystems an mehreren Stellen als kompatibel zu den Vorstellungen der neuen Pflegefachkräfte. Demzufolge erwarten die Vertreterinnen und Vertreter des Arbeitsmarktes von den Absolventinnen und Absolventen vor allem wissenschaftliche, analytische, reflexive sowie evaluatorische Kompetenzen, die den Theorie-Praxis-Transfer in der Pflege befördern und die Qualität der pflegerischen Versorgung steigern. Die befragten Absolventinnen und Absolventen sehen u.a. hier die Stärken und Besonderheiten ihrer neuen Form der hochschulischen Ausbildung.

Stärkere Verunsicherungen existieren hingegen mit Blick auf den erfolgreichen Übergang der neuen Fachkräfte von der Hochschule in die Arbeitswelt bzw. ihren konkreten dortigen Einsatz. Dies lässt sich, wenngleich mit unterschiedlichen Schwerpunkten, sowohl auf Seiten der Versorgungspraxis als auch der Absolventinnen und Absolventen selbst nachweisen. Für die interviewten Personalverantwortlichen leisten die Studiengänge unter anderem zwar einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung des Personalnotstandes, indem sie bspw. stärker als die Berufsausbildung Abiturientinnen und Abiturienten ansprechen und das Berufsimage insgesamt erhöhen; eine grundsätzliche Lösung für das Problem der knappen personellen Ressourcen stellen sie aus ihrer Sicht hingegen nicht dar. Hinzu kommt eine gewisse Skepsis, inwieweit das Pflegestudium, auch im Vergleich zur traditionellen nicht-akademischen Ausbildung, die notwendigen pflegefachlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten vermitteln kann. Angesichts der Tatsache, dass ein pflegespezifischer Studienabschluss bis vor kurzem in erster Linie für Lehr-, Leitungs- und wissenschaftliche Tätigkeiten qualifizierte, treffen die hochschulisch ausgebildeten Pflegefachkräfte erwartungsgemäß auf Unsicherheiten bezüglich ihrer spezifischen Aufgaben seitens ihrer potenziellen Arbeitgeber, wie anhand der Expert*innen-Interviews aufgezeigt werden konnte.

Auffallend daran ist eine quasi zweifache Besorgnis von strategischen Personalverantwortlichen des Arbeitsmarktes, denn zum einen wird immer wieder bezweifelt, dass die neuen Fachkräfte mit ihrer formal höheren Qualifikation überhaupt so wie die berufsfachschulisch ausgebildeten Pflegepersonen in der direkten Pflege arbeiten wollen. Zum anderen besteht die Befürchtung, ihnen dafür keine adäquaten Beschäftigungsangebote unterbreiten zu können, die ihren erweiterten Kompetenzen entsprechen – ganz zu schweigen von einer angemessenen Vergütung. Diese Zweifel sind offensichtlich nicht ganz unberechtigt, denn aus Sicht der Absolventinnen und Absolventen spielen bei der Entscheidung für bzw. gegen ein Stellenangebot – neben allgemeinen Arbeitsbedingungen sowie der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben – die Art der offerierten Tätigkeit, die Bezahlung und die Berücksichtigung der eigenen Qualifikation eine entscheidende Rolle. Zugleich bewerten sie die Vermittlung der für eine spätere Berufstätigkeit notwendigen Kenntnisse innerhalb des Studiums in Relation zu ihrer persönlichen Weiterentwicklung sowie der Zukunftssicherheit ihres Berufes rückblickend vergleichsweise kritisch. Diese Einschätzung ist jedoch verständlich, weil Vorstellungen zu ihrem möglichen Einsatz sowie den dafür notwendigen Kompetenzen bislang vorrangig theoretisch bestehen und der Arbeitsmarkt sich hierbei noch in einem Entwicklungsprozess befindet – wie die Befragung der entsprechenden Expertinnen und Experten zeigt. Weitere Divergenzen zu arbeitgeberseitigen Erwartungen werden daran ersichtlich, dass aus Sicht der akademisch ausgebildeten Pflegefachkräfte insbesondere die Befähigung zu evidenzbasiertem Arbeiten sowie die Aufwertung des Berufsfeldes Pflege durch die neu einsetzende Akademisierung keine zentralen Vorteile des Pflegestudiums darstellen: (vgl. Abb. 5). Die Arbeitsmarktexpertinnen und -experten erhoffen sich, neben vielfachen Unsicherheiten, weit überwiegend jedoch eine grundsätzliche Attraktivitätssteigerung des Berufsbildes Pflege durch die Studiengänge sowie eine Qualitätssteigerung pflegerischer Arbeit. Die Absolventinnen und Absolventen hingegen halten diese beiden Aspekte offensichtlich für weniger bedeutsam (Abb. 5).

Immerhin 16 Prozent der Antworten von generalistisch ausgebildeten Pflegenden hinsichtlich der weiteren Berufsplanung entfallen auf das Item nicht im Berufsfeld Pflege tätig zu werden, und acht Prozent darauf, alternative berufliche Pläne verwirklichen zu wollen. Insofern ist, ähnlich wie in der Medizin, auch für das Berufsfeld Pflege von einer nicht unerheblich großen Personengruppe auszugehen, die trotz entsprechender (und im Fall der Pflege als innovativ geltender, neuer) Qualifikationen nach Abschluss ihres Studiums nicht oder nur bedingt für die direkte Versorgung von Patientinnen und Patienten zur Verfügung steht. Für die hochschulisch ausgebildeten Pflegefachkräfte gibt es vielfältige Karriereoptionen, die sich u.a. durch die kontinuierlich steigende Zahl pflegespezifischer Masterprogramme sowie Promotionsmöglichkeiten eröffnen (vgl. Winter 2017, 302f.). Der Befund, dass die Aufnahme eines weiterführenden Studiums an zweiter Stelle der beruflichen Anschlusspläne der Absolventinnen und Absolventen rangiert – nach dem Wunsch, einer Beschäftigung in der direkten Pflege nachgehen zu wollen, unterstreicht diese Annahme. In den Vorstellungen sowie Erwartungen der Expertinnen und Experten kommen solche Möglichkeiten interessanter Weise derzeit kaum vor, da für sie bereits der Bachelorabschluss eine große Herausforderung darzustellen scheint hinsichtlich deren Einsatzes in der Pflegepraxis (vgl. Darmann-Finck et al. 2015.

Berufssoziologisch betrachtet, fällt weiterhin auf, dass die Identifikation mit der personalsuchenden Pflegeeinrichtung für akademisch ausgebildete Fachkräfte nahezu unbedeutend scheint bei der Stellenauswahl. Dies ist insofern bemerkenswert, weil die zumeist christlich bzw. wohlfahrtsverbandlich orientierten Pflegeinstitutionen in der nicht-akademischen Pflegeausbildung in Deutschland nach wie vor hohe Sozialisationskraft besitzen, da sie nicht selten auch als Träger der Pflegeschulen in Erscheinung treten (vgl. Winter 2011, 41). Dieser Umstand wird arbeitgeberseitig bislang wenig reflektiert; müsste jedoch bei der Personalakquise akademisch ausgebildeter Fachkräfte unbedingt bedacht werden,.

Außerdem erscheint bemerkenswert, dass hochschulisch ausgebildete Pflegefachkräfte überproportional häufig den Krankenaussektor als berufliches Einsatzfeld präferieren. Die Ausprägung dieses Wunsches fällt sogar noch stärker aus als in der Gruppe der Pflegefachpersonen mit generalistischer Berufsausbildung (83 Prozent vs. 77 Prozent) (vgl. Reiber 2017, 14). Infolgedessen führt auch die zweite Akademisierungswelle in der Pflege kaum zur Ablösung eines Trends, der bereits seit Beginn der Etablierung der ersten pflegespezifischen Studiengänge beobachtbar ist und demzufolge epidemiologisch immer bedeutsamer werdende Felder wie die ambulante, vor allem aber die langzeitstationäre Pflegepraxis auch zwei Jahrzehnte später auffallend wenig von dieser Entwicklung profitieren (vgl. Winter 2017, 304). Parallel dazu und obgleich die Expertinnen und Experten die Bedeutung dieser beiden Pflegesektoren betonen, fällt es auch ihnen schwer, hier konkrete Einsatzmöglichkeiten für akademisch qualifizierte Fachkräfte zu identifizieren. Insofern besteht an dieser Stelle weiterer Entwicklungsbedarf, denn das Profil der Studiengänge ist weitaus weniger auf die akutstationäre Pflege fokussiert als es die Präferenzen der Absolventinnen und Absolventen sowie die Vorstellungen des Arbeitsmarktes vermuten lassen.

4 Fazit und Ausblick

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass grundständige Pflegestudiengänge ambitionierte Ziele verfolgen sowie zugleich in sinnvoller Weise Bedarfe adressieren, die ebenso aus Sicht der Versorgungspraxis existieren. Weitgehender Konsens besteht daher über die Notwendigkeit einer qualitativen Weiterentwicklung der direkten Pflege, die komplexere Kompetenzprofile erfordert, so wie sie die Studienprogramme – bei aller Unterschiedlichkeit – insgesamt anstreben (vgl. Reiber/Linde 2014, 56f.). Insofern weisen die neuen Bildungsangebote einen starken Bezug zum Beschäftigungssystem auf, so dass Erwartungen und Vorstellungen der beteiligten Akteurinnen und Akteure in weiten Teilen übereinstimmen.

Da die Pflegestudiengänge einen Berufsabschluss mit einer akademischen Ausbildung kombinieren eröffnen sich einerseits breitere Karriereoptionen als mit einer berufsfachschulischen Pflegeausbildung. Andererseits gelingt den Absolventinnen und Absolventen der Übergang von der Hochschule ins Beschäftigungssystem durch den den akademischen Grad ergänzenden berufsqualifizierenden Abschluss möglicherweise schneller als etwa für Personen, die ausschließlich einen Bachelor-Grad erworben haben. Das kann von Studieninteressentinnen und -interessenten als doppelter Vorteil wahrgenommen werden.

Erwartungsgemäß wird die jüngste Akademisierungsphase im Berufsfeld Pflege allerdings auch von mehreren Herausforderungen begleitet, deren Bewältigung wiederum mitentscheidend ist dafür, inwieweit die erhofften Effekte für die pflegerische Versorgung bzw. ihre Nutzerinnen und Nutzer eintreten (können). So verweisen die hier referierten Forschungsergebnisse unter anderem auf weiteren Klärungsbedarf hinsichtlich klar definierter, realer Tätigkeitsfelder akademisch qualifizierter Pflegefachkräfte und der Überwindung divergierender Erwartungshaltungen, die ebenfalls in den Befunden ersichtlich werden. Die Entstehung neuer, erstmals akademischer Kompetenzprofile für die direkte Pflege geht letztlich mit der Notwendigkeit einher, die pflegerische Personaleinsatzplanung zu rejustieren und konzeptionell weiterzuentwickeln, wobei unter Umständen auch eine Neuausrichtung und Reform bisheriger Realitäten der pflegerischen Versorgungspraxis notwendig wird. Angesichts der vielfältigen traditionellen Prägungen des Berufsfeldes Pflege (vgl. Winter 2011, 42) dürfte dies kein ganz einfaches Unterfangen werden.

Insgesamt ist folglich eine Diversifizierung pflegespezifischer Bildungs- und Sozialisationsstrukturen feststellbar, deren Zukunft nicht nur weitgehend offen scheint, sondern für alle Beteiligten auch eine Unübersichtlichkeit darstellt, die für andere Berufsfelder eher untypisch ist (vgl. Winter 2017, 288). Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich erstens die Implementierung eines systematischen Monitoring, um die pflegeberuflichen Veränderungen und die damit einhergehenden Auswirkungen auf das Versorgungssystem kontinuierlich beurteilen zu können sowie ggf. gegenzusteuern. Zweitens wird weiterer Forschungsbedarf zu den Effekten der Akademisierung in der direkten Pflege erkennbar, wobei die in diesem Beitrag vorgestellten Verfahren (Befragung von Absolventinnen und Absolventen sowie von Schlüsselpersonen des Beschäftigungssystems) geeignete methodische Zugänge sein können (vgl. Reiber/Linde 2014, 57).

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Zitieren des Beitrags

Reiber, K./Winter, M. H.-J. (2018): Die Berufsrelevanz des Pflegestudiums – Erwartungen, Anforderungen und Perspektiven aus Sicht von Studierenden und Schlüsselpersonen der Versorgungspraxis. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 34, 1-20. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe34/reiber_winter_bwpat34.pdf (30.06.2018).