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bwp@ 34 - Juni 2018
Was berufliche und akademische Bildung trennt und verbindet.
Entgrenzungen an der Schnittstelle von Berufsschule, Betrieb, Hochschule und Universität
Hrsg.:
, , &Die Gestaltung des Übergangs Beruflich Qualifizierter ins Studium – Reflexion eines Forschungs- und Entwicklungsprojekts
Beruflich Qualifizierte bevorzugen bei der Wahl ihres Studiums flexible Angebote des Distance- und/oder Blended Learning. Die FernUniversität in Hagen, die seit ihrer Gründung nicht-traditionelle Studierende adressiert, ist durch die Öffnung der Hochschulen besonders gefordert hinsichtlich der Gestaltung von Übergängen für Studierende des Dritten Bildungswegs. Dieser Aufgabe widmete sich ein dreijähriges fakultätsübergreifendes Forschungs- und Entwicklungsprojekt der FernUniversität. Darin wurden einerseits fachspezifische Unterstützungsangebote konzipiert und andererseits fachübergreifende didaktische Leitlinien zur Verbesserung des Übergangs entwickelt. Der Beitrag wirft einen Blick auf die erreichten Ergebnisse des Projekts insbesondere im Hinblick auf die Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen beruflichem und akademischem Lernen. Trotz hochschulweit als erfolgreich eingeschätzter Projektergebnisse konnte einzig die Berücksichtigung beruflichen Vorwissens Studierender nicht verbessert werden. Aufgrund der Erfahrungen und Ergebnisse des Projekts werden Potenziale und Grenzen der Verbindung von beruflicher und akademischer Bildung reflektiert und schließlich Folgerungen für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik diskutiert.
Shaping the transition of qualified professionals into higher education – reflections on a research and development project
When choosing a degree course, qualified professionals prefer flexible programmes such as distance or blended learning. FernUniversität in Hagen (a university specialised in distance learning) has always attracted non-traditional students, and is now playing a key role in helping qualified professionals to take degrees, as universities open up to new target groups. A three-year interdisciplinary research and development project at FernUniversität in Hagen focused specifically on this role. Interdisciplinary teaching guidelines to help professionals make the transition to academic study were developed in line with target-group-specific support designed for particular subjects. This paper looks at the results of the project in terms of improving permeability between vocational and academic learning. While the results were considered successful throughout the university, the one area it failed to improve was that of taking into account students’ previous professional experience. The experiences and results from the project laid the groundwork for reflecting on the potential and limitations of linking vocational and academic education, including implications for teaching methods in vocational and business education.
1 Einleitung
„Kein Bildungsgang darf in einer Sackgasse enden. Das Bildungswesen muß so eingerichtet sein, daß der Lernende früher gefällte Entscheidungen für dieses oder jenes Bildungsziel korrigieren kann“, so der Deutsche Bildungsrat (1970, 38).
Genau in dieser Sackgasse haben sich aber Absolventinnen und Absolventen beruflicher Bildungsgänge lange Zeit befunden, wenn sie im Sinne eines lebensbegleitenden Lernens nach dem Berufseintritt noch ein Hochschulstudium angestrebt haben. Ein Übergang von der beruflichen in die akademische Bildung war schlicht im Bildungssystem nicht vorgesehen. Martin Baethge hat diese institutionelle Segmentierung des Bildungssystems mit der Bezeichnung „deutsches Bildungs-Schisma“ versehen (Baethge 2006). Die geringe Durchlässigkeit im deutschen Bildungssystem gilt als ein wesentlicher Grund dafür, dass sich soziale Ungleichheit im Lebensverlauf kaum ausgleichen lässt. Der Bildungsweg über das Gymnasium hat sich mit nur äußerst geringen Ausnahmen als Königsweg ins Studium etabliert. Wolter hat in seiner Untersuchung über die Funktionsweise des Abiturs treffend heraus gearbeitet: „Das Berechtigungswesen verwandelte sich in eine Barriere zum Ausschluss derjenigen Bevölkerungsteile und Sozialgruppen, die mit Volks- oder Realschulbildung in die Institutionen der praktischen Berufsbildung eintraten“ (Wolter 1987, S. 294f.). Dies blieb auch bis in die jüngste Vergangenheit weitgehend der Fall.
Nachdem sich der bildungspolitische Konsens in den Nuller Jahren verändert hat (vgl. Bernhard 2017) wurde allerdings mit der Öffnung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte durch die Kultusministerkonferenz (KMK) im Jahr 2009 ein wichtiger Schritt zur Erhöhung von Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung getan. Fortan gab es in vielen Bundesländern die Möglichkeit, auch ohne Abitur, aber mit Berufsausbildung nebst mehrjähriger adäquater Berufserfahrung ein Hochschulstudium aufzunehmen. Eine nicht fachaffine Studienwahl war ebenfalls möglich, hier führte der Weg allerdings über ein Probestudium und/oder einen Eignungstest (KMK 2009). Seit dem Öffnungsbeschluss 2009 wurden in den letzten Jahren in den meisten Ländern die Hochschulgesetze entsprechend modifiziert. Zudem wurden Studierbedingungen geschaffen, die insbesondere heterogene Studier- und Lebensbedingungen berücksichtigen. So sollen Beruflich Qualifizierte durch Fern- und Verbundstudienangebote, aber auch durch den Einsatz von virtuellen Lernangeboten bei der Vereinbarkeit von Familie, Studium und Beruf unterstützt werden (Nickel/Schulz 2017).
Auf die in der Literatur nicht trennscharfe Bezeichnung beruflich Qualifizierter oder nichttraditionell Qualifizierter weisen u.a. Wolter et al. (2014) hin. Im Rahmen dieses Aufsatzes wird die Definition der KMK zugrunde gelegt und durch die besondere Schreibweise ‚Beruflich Qualifizierter‘ genau diese Gruppe der Studierenden ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung bezeichnet (bei der auch der Begriff ‚Dritter Bildungsweg‘ Verwendung findet). Die nach dem Bildungsbericht ebenfalls als „beruflich Qualifiziert“ bezeichnete Gruppe derjenigen, die mit Abitur zunächst eine Berufsausbildung absolvieren und anschließend studieren werden mit dem dargestellten Projekt nicht adressiert.
Für die FernUniversität mit Sitz in Hagen (und damit landesrechtlich Nordrhein-Westfalens Hochschulgesetz unterworfen) bringt diese stärkere Öffnung der Hochschulen eine noch größere Gruppe an beruflich qualifizierten Studierenden mit sich. Nichttraditionelle Studierende sind allerdings seit der Gründung 1975 ein Charakteristikum der Fernuniversität, wie im Folgenden zweitem Kapitel zur besseren Einordnung beschrieben wird. Das Ziel, zur weiteren Verbesserung des Übergangs Beruflich Qualifizierter ins Studium beizutragen, wurde in einem Projekt verfolgt, welches im dritten Kapitel vorgestellt wird. Es schließt sich eine – auf Aspekte der Durchlässigkeit – fokussierte Bewertung der Projektergebnisse an. Dass hierbei nicht alle Ziele erreicht werden konnten und wo noch Handlungsbedarf intern, aber auch in der Hochschullandschaft grundsätzlich besteht, thematisiert der vierte Abschnitt. Der Aufsatz endet mit Überlegungen zur Bedeutung der Projektergebnisse für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik.
2 Die Besonderheiten der FernUniversität in Hagen
2.1 Zur Geschichte und heutigen Ausrichtung
Mit ihrer Gründung im Jahr 1974 und der Aufnahme des Studienbetriebs im Folgejahr schaffte die FernUniversität Hagen für viele Interessierte erstmals die Möglichkeit, den Wunsch nach akademischer Bildung mit persönlichen und beruflichen Belangen zu verbinden. Wenngleich die Errichtung der Institution auch zum Ziel hatte, die drohende Überlast der Präsenzhochschulen in den 1970er Jahren aufzufangen und ein wissenschaftlich gleichwertiges Studienangebot zu offerieren, so stand dennoch die folgenden Jahre im Fokus, gerade denjenigen ein Studium zu ermöglichen, die sich nach dem Schulabschluss zunächst gegen ein solches entschieden hatten. Studierende der FernUniversität waren demnach in Regel Abiturienten mit beruflicher Vorbildung, die sich erst später – und nicht traditionell nach der Erlangung der Hochschulreife – für ein Studium entschieden; die Aufnahme des Hochschulstudiums erhielt somit den Charakter einer bildungsbiographischen Korrektur (Peters 1981).
Studierende an der Fernuni waren auch schon 1980 in der Mehrzahl (~80 Prozent) berufstätig und sind dies bis heute. Zudem erweist sich auch die Herkunft aus überwiegend nichtakademischem Elternhaus als erstaunlich konstant (Peters 1981, Schmidtmann/Preusse 2015). Im Vergleich zu Studierenden anderer Hochschulen fällt zudem das Alter auf - sie sind an der FernUniversität im Schnitt 32 Jahre alt - und die Studierenden kommen in der Regel stärker Familienpflichten nach (Schmidtmann/Preusse 2015).
Bereits zu Gründungszeiten war die FernUniversität damit erste Wahl für Studieninteressierte, die sich aus persönlichen und/oder beruflichen Gründen nicht an einer Präsenzhochschule einschreiben konnten. Nicht zuletzt zur Gewährleistung von Flexibilität ist die Verpflichtung für Studierende, auch persönlich Kurse an der FernUniversität vor Ort (oder in bundesweit eingerichteten Studienzentren) wahrzunehmen, deshalb recht gering. So basiert auch die Lehre auf einer Didaktik und Methodik, die die Distanz zu den Studierenden berücksichtigt. Die FernUniversität muss sich also traditionell mit alternativen und zumeist auch neuen Lernmedien auseinanderzusetzen. Aufgrund der Distanz zu den Studierenden, aber auch hinsichtlich der Schaffung von flexibilisierten Studienangeboten musste eine Alternative zu Seminar und Vorlesung geschaffen werden. Wenngleich Studienbriefe, Kassetten und Telekolleg heute vielfach in virtuelle Medien überführt wurden und mit Lernmanagementsystemen wie Moodle und Portfolio-Tools wie Mahara ergänzt werden, hat sich an der grundsätzlichen Idee, ein Studium möglichst unabhängig von Ort und Zeit nicht nur in Voll-, sondern auch in Teilzeit zu absolvieren, nicht allzu viel geändert (Brückner/Elsholz 2017).
2.2 Aus Tradition: nichttraditionelle Studierende an der FernUniversität
Auch wenn bereits wenige Jahre nach der Gründung der FernUniversität die Öffnung von Studiengängen für Studieninteressierte ohne traditionelle Hochschulzugangsberechtigung thematisiert wurde (Peters 1981), blieb es bis zum Öffnungsbeschluss durch die KMK 2009 auch in Hagen bei der relativ stringenten Bindung des Hochschulzugangs an das Abitur. Lediglich die sogenannten Akademiestudiengänge waren auch für Interessierte ohne traditionelle Hochschulzugangsberechtigung geöffnet, führten indes aber nicht zu einem akademischen Grad. Seit dem Wintersemester 2010/11 besteht jedoch auch für Beruflich Qualifizierte ohne Abitur die Möglichkeit, ein Studium an der FernUniversität aufzunehmen – und von dieser Möglichkeit wird seitdem rege Gebrauch gemacht. Mit Öffnung der Bachelorstudiengänge schrieben sich im ersten möglichen Semester 2.435 Studierende ohne traditionelle Hochschulzugangsberechtigung an der FernUniversität in Hagen ein; dies entsprach einer Quote von 41 Prozent.
Insgesamt nimmt die FernUniversität in der deutschen Universitätslandschaft damit eine Sonderrolle ein. Aktuell werden ca. 50.000 Studierende ohne traditionelle Hochschulzugangsberechtigung an den Hochschulen gezählt. Dies entspricht bezogen auf alle Studierenden in Deutschland allerdings nur einer Quote von unter drei Prozent aller Studierenden, die nach leicht aufstrebenden Tendenzen seit der Öffnung der Hochschulen für Beruflich Qualifizierte im zurückliegenden Jahr sogar wieder leicht rückläufig war. Festzuhalten ist allerdings, dass die Zahl der Absolventen unter den Beruflich Qualifizierten mittlerweile steigt (CHE 2017).
Die FernUniversität in Hagen kann dabei 15 Prozent aller Studienanfänger aus der Gruppe der Beruflich Qualifizierten überhaupt für sich verbuchen und bildet im Rahmen des Bildungsberichts 2016 eine eigene Kategorie ab. In den Vorjahren war der Anteil der Fernuniversität sogar noch etwas größer. Als wesentlicher Grund für diese Entwicklung wird genannt, dass Studierende des Dritten Bildungsweges im Gegensatz zu ihren Kommilitonen mit Abitur in größerem Maße private Studienangebote sowie Fernstudienformate bevorzugen (AK Bildungsberichterstattung 2016).
Während die Gruppe Beruflich Qualifizierter an den meisten Hochschulen nur einen sehr kleinen Teil der Studierendenschaft darstellt, ist an der FernUniversität hingegen ein vergleichsweise hoher Anteil an beruflich qualifizierten Studienanfängern zu verzeichnen.
Die obige Grafik beschreibt die Immatrikulationsquote Beruflich Qualifizierter in die grundständigen Bachelor-Studiengänge der FernUniversität in Hagen (ohne Einschreibungen in die Master- sowie Weiterbildungsstudiengänge). Es zeigt sich, dass der Anteil nichttraditionell Studierender ohne Abitur im Zeitverlauf relativ konstant sowie im Vergleich zu Präsenzuniversitäten verhältnismäßig hoch ist. So kann bspw. im Sommersemester 2016 ein Anteil von 46 Prozent Beruflich Qualifizierter unter allen Studienanfängern festgestellt werden und näherte sich damit erstmals einer ausgeglichenen Verteilung zwischen traditionell und nichttraditionell qualifizierten Studierenden im ersten Semester an. Im zurückliegenden Wintersemester 2016/17 waren von insgesamt 2.501 Studienanfänger knapp 38 Prozent (=940 Studierende) den Beruflich Qualifizierten zuzuordnen. Aktuell befinden sich damit rund 7.500 Beruflich Qualifizierte in den Bachelorstudiengängen, was innerhalb der gesamten Studierendenschaft der FernUniversität einen Anteil von 14 Prozent ausmacht.
Hinsichtlich des Zugangsweges zeigt sich eine Dreiteilung: 28 Prozent der Beruflich Qualifizierten können einen beruflichen Fortbildungsabschluss wie Meister oder Techniker vorweisen und sind somit der Allgemeinen Hochschulreife gleichgestellt. Ein weiteres Drittel (31 Prozent) hat über eine anerkannte Berufserfahrung nebst einschlägiger Berufserfahrung die Hochschulzugangsberechtigung erlangt und sich darüber hinaus für einen fachaffinen Studiengang an der FernUniversität entschieden. 38 Prozent der Beruflich Qualifizierten befinden sich aufgrund der gleichen Voraussetzungen, aber einer nicht-fachaffinen Studienwahl noch in einem Probestudium von zwei Semestern. Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt erwähnt, bleiben Fernstudierende häufig berufstätig, so auch die Beruflich Qualifizierten: mit 86 Prozent liegt ihr Anteil leicht über denen der traditionell qualifizierten Mitstudierenden. Nur jeder Vierte (23 Prozent) kommt aus einem akademisch vorgebildeten Elternhaus. Als vorrangige Gründe für die Aufnahme des Studiums geben die Beruflich Qualifizierten insbesondere den Wunsch nach Wissenserweiterung, auch und vor allem im theoretischen Bereich an. Nach der ‚persönlichen Entfaltung‘ rangieren Karriereabsichten bzw. Aussichten erst an dritter Stelle (Schmidtmann/Preusse 2015).
3 Das Projekt „BQ“ zur Verbesserung der Studieneingangsphase für Beruflich Qualifizierte
3.1 Zielsetzungen des Projekts
Die besondere Studierendenstruktur, aber auch die konstant hohen Einschreibequoten Studierender des Dritten Bildungswegs waren Anlass zur Initiierung eines dreijährigen, fakultätsübergreifenden Forschungs- und Entwicklungsprojekts an der FernUniversität Hagen mit dem Ziel, eine Verbesserung der Studieneingangsphase für Beruflich Qualifizierte durch (a) wissenschaftlich fundierte didaktische Leitlinien und (b) deren Verankerung in zielgruppenspezifischen Unterstützungskonzepten zu erzielen.
Neben den zuvor benannten bildungspolitischen Kontext sowie der Historie und den besonderen Bedingungen an der FernUniversität waren didaktische Überlegungen im Hinblick auf den gewählten Projektansatz leitend. So monierten Dittmann et al. (2014) die mangelnde Entwicklung didaktischer Ansätze angesichts der formalen Öffnung der Hochschulen: „Die Öffnung der Hochschulen setzt die Entwicklung und Implementierung geeigneter didaktischer Modelle für berufserfahrene Studierende voraus“ (Dittmann et al. 2014, 12). Darüber hinaus stellten Gerholz/Sloane (2011) in einer Analyse fest, dass eine rein fachsystematische Orientierung in der hochschulischen Lehre die Regel ist. In ähnlicher Weise kritisierte später auch der Wissenschaftsrat (2015) die einseitige Ausrichtung hochschulischer Curricula. Studierende werden also – ungeachtet der durch die Bologna-Reform in Bachelor-Studiengängen vorgesehenen Berufsqualifizierung im Rahmen eines Studiums – in der Studieneingangsphase mit theoriebasierten Wissenskonzepten konfrontiert, die einer fachlichen Systematik folgen. Diese stark abstrahierten und theoretischen Modelle sind für Beruflich Qualifizierte vielfach gedanklich wenig anschlussfähig, da sie aufgrund ihrer biografischen Erfahrungen mit anderen Denkgewohnheiten und einer anderen Handlungslogik ausgestattet sind. Das berufliche Lernen findet zudem überwiegend situiert am konkreten Fall statt. Die folgende Tabelle verdeutlicht diese Diskrepanzen zwischen den unterschiedlichen Arten von Wissen und Prinzipien.
Tabelle 1: Dichotomie zwischen beruflichem und wissenschaftlichem Wissen (in Anlehnung an Meyer/Kreutz 2015, 195)
Auch wenn diese Gegenüberstellung als idealtypische Darstellung zu verstehen ist, so verdeutlicht sie die Herausforderung, in einem konstruktivistischen Lernverständnis Ansätze zu entwickeln, um Beruflich Qualifizierte darin zu unterstützen, an ihre Denkgewohnheiten anzuschließen. Ein Ziel des Projekts war es dabei, entsprechende Ansätze zu identifizieren, um die Studierenden in die Lage zu versetzen, beide Wissensarten und Handlungslogiken als solche zu erkennen und Wege zu finden, diese Kenntnis für eigene Lernstrategien nutzbar zu machen.
Projektbeteiligte waren alle damals an der FernUniversität befindlichen vier Fakultäten, vertreten durch das jeweilige Lehrgebiet, welches das Einstiegsmodul der betreffenden Studiengänge verantwortet; auf diese Weise konnte eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der Rechts-, der Bildungs- und der Wirtschaftswissenschaft sowie der Mathematik/Informatik erreicht werden. In einem ersten Schritt wurde für die fachübergreifende Zusammenarbeit eine Arbeits- und Kommunikationsstruktur zwischen den einzelnen Lehrgebieten unter Einschluss der wissenschaftlichen Begleitung (in koordinierender Funktion) aufgebaut. Darüber hinaus wurde mittels Sichtung einschlägiger Studien und aktuellen Publikationen im Themenbereich Dritter Bildungsweg eine theoretische Grundlage für die didaktischen Leitlinien entwickelt (vgl. Abschnitt 3.2). Um diese Leitlinien als Reflexionsmaßstab für die vier beteiligten Fächer fruchtbar zu machen, wurde eine Projektstruktur gewählt, die einerseits den permanenten Austausch untereinander gewährleistet, andererseits aber den Fächern ihre Eigenlogik bei der Entwicklung fachspezifischer Konzepte lässt.
Die didaktischen Leitlinien (s. nächster Abschnitt) bildeten nicht nur die konzeptionelle Gestaltungsgrundlage für die fachspezifischen Konzepte, sie fungierten auch als verbindendes Element und gemeinsame Reflexionsfläche innerhalb des Projekts. Wenngleich die Beruflich Qualifizierten unter den Studierenden die anvisierte Zielgruppe für die zukünftigen zusätzlichen Unterstützungsangebote in der Studieneingangsphase darstellten, so sollten dennoch auch die übrigen Studierenden, die aufgrund der dargestellten Studienstruktur an der FernUniversität ebenfalls vielfach berufstätig sind, gleichfalls von den neuen Zusatzkursen/Materialien/Medien profitieren.
3.2 Projektergebnis: Didaktische Leitlinien für die Studieneingangsphase
Die leitende Idee bei der Grundausrichtung des Projekts war dabei die Überwindung der Diskrepanzen in Bezug auf akademische und beruflich geprägte Lernsozialisation. Während berufliches Lernen i. d. R. die Problemlösung in einem situierten Handlungsfeld zum Ziel gesetzt hat, will akademisches Lernen in erster Linie wissenschaftsbasiert einen Erkenntniszuwachs gewinnen. Studierende, die vormals einen beruflichen Aus- und ggf. auch Weiterbildungswerdegang durchliefen, sehen sich oftmals hinsichtlich der hochschulischen Lernsettings mit einer „kulturellen Barriere“ (Euler/Severing 2015, 18) konfrontiert, die es in den ersten Semestern zu bewältigen gilt. Nicht zuletzt besitzt nicht nur die Universität eine eigene Lehr-Lernkultur, auch die einzelnen Fächer unterscheiden sich betreffend der gewünschten Kompetenzentwicklung ihrer Studierenden. Während bspw. in den Rechtswissenschaften der juristische Sprachgebrauch und die Beherrschung des Gutachtensstils von elementarer Bedeutung sind, erfordern Eingangsmodule der Mathematik ein umfassendes Fachwissen über deren Grundlagen, wie er zumeist in der gymnasialen Oberstufe vermittelt wird. Um diesen domänenspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen, haben die didaktischen Leitlinien einen allgemeinen (hochschuldidaktischen) Ansatz, um innerhalb der jeweiligen Fächer lehrgebietsspezifisch konkretisiert und angewendet werden zu können (Elsholz/Brückner 2015).
Vor diesen Hintergrund wurden folgende didaktischen Leitlinien entwickelt, deren Herleitung und Ausdifferenzierung andernorts dargestellt sind (Elsholz/Brückner 2015):
- Förderung einer diversitätssensiblen Methodik
- Förderung flexibilisierter Studienformate
- Förderung der Enkulturation in die Fachkulturen
- Förderung von Selbstwirksamkeit
- Förderung der Anschlussfähigkeit beruflichen Vorwissens
Die didaktischen Leitlinien hatten den Anspruch, als überfachliches Gestaltungsmoment innerhalb der Lehre der beteiligten Domänen jeweils individuell ausdifferenziert und im Rahmen der Unterstützungskonzepte Eingang zu finden. Für die Bewertung und Einordnung der fachübergreifenden Evaluationsergebnisse war es daher nicht relevant, welche konkreten studienspezifischen Inhalte gelehrt und bestenfalls durch die Studierenden auch gelernt wurden. Letzteres war Gegenstand facheigener Evaluationen.
4 Umsetzung und Evaluation der didaktischen Leitlinien
In den vier beteiligten Fächern sind vor dem Hintergrund und in Reflexion der genannten Leitlinien Konzepte und Unterstützungsangebote entwickelt worden, die den Übergang der Beruflich Qualifizierten in den Studienbetrieb befördern sollten. So wurde bspw. in der Rechtswissenschaft ein sogenannter Schriftkurs entwickelt, der anhand von 13 praxisnahen Rechtsfällen aus persönlichen und beruflichen Situationen die Studierenden anleitet, diese im Sinne der juristischen Herangehensweise schrittweise zu lösen um den Sprachgebrauch, aber auch den Umgang mit Gesetzestexten einzuüben. In der Wirtschaftswissenschaft wurde durch die Einführung des Lernmanagementsystems Moodle eine Plattform für Austausch, Übung und Rückmeldung zu betriebswirtschaftlichen Aufgabenstellungen bereitgestellt und tutoriell betreut. Ein interaktives pdf-Dokument, welches neben automatisch erzeugten Lösungen und eingepflegten Videos insbesondere Grundlagenwissen auffrischen und erweitern will, war Inhalt des neu entwickelten Brückenkurses der Fakultät Mathematik/Informatik. Neben der (Wieder-)Einübung ‚handwerklicher‘ Kenntnisse stand ebenfalls im Fokus, die Studierenden heranzuführen auch über Mathematik wissenschaftlich adäquat sprechen zu lernen, um Aufgaben wie die Beweisführung zukünftig auf universitärem Niveau bewältigen zu können. Die Bildungswissenschaft führte im Rahmen des Lernmanagementsystems Moodle eine Umgebung ein, die gerade Studienanfängerinnen und Studienanfängern als Leitfaden die ersten Schritte an der FernUniversität erleichtern sollte. In mehreren Unterabschnitten werden Themen wie virtuelle Lern- und Prüfungsumgebungen, Ansprechpartner, universitäre Einrichtung, Vernetzung mit anderen Studierenden und Methoden zum Zeit- und Selbstmanagement vorgestellt. Ergänzend zu diesem Angebot wurde eine App für die Studieneingangsphase entwickelt und getestet (mehr hierzu auch bei Brückner/Karolyi 2016, Brückner/Elsholz 2017).
4.1 Ausgewählte Evaluationsergebnisse
Die hier nachfolgend beschriebenen Evaluationsergebnisse beziehen sich auf die Umsetzung der didaktischen Leitlinien in den verschiedenen lehrgebietsspezifischen Konzepten der vier beteiligten Projektpartner. Dafür wurden im Sommersemester 2016 sowie im Wintersemester 2016/17 diejenigen Studierenden zu einer Beteiligung an der Umfrage eingeladen, die mindestens ein Studienmodul der Studieneingangsphase belegt hatten. Die Rücklaufquoten lagen bei vier bzw. drei Prozent. Insgesamt wurden 15 Evaluationsfragen gestellt, von denen exemplarisch fünf hier dargestellt werden. Es wurden alle Antworten gewertet, die vollständig abgegeben wurden, auch wenn die Bearbeitung des Frageborgens später abgebrochen wurde; aus diesem Grund ist eine unterschiedliche Grundgesamtheit je Evaluationsfrage möglich, so dass diese hier jeweils individuell angegeben wird.
Es sei darauf hingewiesen, dass die Studierenden eine subjektive Beurteilung bzw. Wertung mithilfe der nachfolgenden Evaluationsfragen vornahmen. Es ging um die Sichtbarmachung der persönlichen Wahrnehmung der vorgefundenen akademischen Lernumgebung sowie die Einschätzung der individuellen Passung in die selbige, nicht um eine objektivierte Messung etwaiger Kompetenzen oder Lernzuwächse. Zu Fragen der inhaltlichen Adäquanz bzw. Lernzielerreichung waren die beteiligten Fächer aufgefordert, entsprechend ihren Bedarfen eigene Evaluationen durchzuführen.
Nachfolgend werden daher ausgewählte Fragen und deren Ergebnisse dargestellt, an die sich eine übergreifende Bewertung der Evaluation anschließt.
Die eingesetzte Methodik (z. B. Schriftkurs, Moodle, Videosequenzen etc.) war hilfreich für den Lernprozess (SoSe 2016: n=294; WiSe 16/17: n=291).
Zur ersten didaktischen Leitlinie im Hinblick auf die Methodik konnten rund ein Viertel aller traditionell qualifizierten sowie etwa ein Fünftel der beruflich qualifizierten Studierenden der Aussage voll und ganz zustimmen, jeweils ein Drittel der beiden Studierendengruppen stimmte den Ausführungen im weitesten Sinne zu. Etwa 25 Prozent der traditionell Qualifizierten und rund 30 Prozent der Beruflich Qualifizierten konnten der Aussage noch teilweise zustimmen. Insgesamt zeigen sich so nicht nur eine grundsätzliche Zufriedenheit in der medialen Bereitstellung der Unterstützungsangebote, sondern auch lediglich kleinere Unterschiede bzw. Abweichungen in den jeweiligen Einschätzungen der Studierenden mit und ohne traditionelle Hochschulzugangsberechtigung.
Die gewählte Form des Kurses erleichterte das zeitlich und räumlich flexible Studieren (SoSe 16: n=292; WiSe 16/17: n=298).
Mehr als die Hälfte der befragten beruflich qualifizierten Studierenden nahm eine persönlich flexible und unabhängige Bearbeitung des zusätzlichen Kursangebotes wahr; die traditionell Qualifizierten konnten dieser Aussage nur zu etwa 40 Prozent vollumfänglich zustimmen. Etwa je ein Drittel der beiden Studierendengruppen nahm diese zeitlich und räumliche Ungebundenheit noch weitestgehend wahr, zum Teil konnten dies noch rund jeder fünfte Studierende mit Abitur sowie jeder elfte Studierende des Dritten Bildungswegs. Im unteren einstelligen Prozentbereich verbleiben die Studierenden, die das jeweilige Unterstützungsangebot als wenig bis gar nicht flexibel in ihrem Lern- und Arbeitsalltag empfanden.
Ich kann nun besser einschätzen was mein Studienfach hinsichtlich der Fachkultur ausmacht (z.B. der wissenschaftliche Sprachgebrauch) (n=297; n=295).
Im Rahmen der Frage nach der Enkulturation in die Fachkulturen zeigen die Beruflich und traditionell Qualifizierten insbesondere in der Einschätzung, dass dies „eher“ durch die Absolvierung des Unterstützungsangebotes gelungen sei, signifikante Unterschiede. Knapp über 20 Prozent aller Beruflich Qualifizierten konnten der Aussage demnach vollumfänglich zustimmen, allerdings rund 60 Prozent in weiten Teilen. Damit sind vier von fünf Beruflich Qualifizierten durch das zusätzliche Angebot angesprochen worden. Die traditionell Qualifizierten zeigen zwar leicht höhere Quoten im höchsten Zustimmungsgrad (ca. ein Viertel), jedoch konnten nur 40 Prozent nun besser abschätzen, was das gewählte Studienfach hinsichtlich der Fachkultur ausmacht. Rund jeder fünfte traditionell Qualifizierte und etwa 15 Prozent der Beruflich Qualifizierten stimmten der Aussage noch teilweise zu.
Durch die Absolvierung des Kurses fühle ich mich darin bestärkt, das Studium fortzuführen (n=287; n=287).
Sowohl jeder Dritte der Beruflich als auch die traditionell Qualifizierten sieht durch die Nutzung/Absolvierung des Unterstützungsangebots für sich einen Vorteil, will das begonnene Studium nun umso mehr fortführen, vergleichbare Prozentwerte zeigen auch die Zustimmung zweiten Grades. Immerhin etwa jeder vierte nichttraditionell Studierender konnte der Aussage noch teilweise zustimmen, unter den traditionell Qualifizierten noch jeder fünfte. Grundsätzlich konnte so in diesem Falle unabhängig vom Status BQ/nicht-BQ eine breite Studierendengruppe in ihrem Studienwunsch und Durchhaltevermögen gestärkt werden.
Mein berufliches Vorwissen konnte ich in den Kurs mit einbringen (n=295; n=295).
Es zeigt sich, dass im Semestervergleich insbesondere die Beruflich Qualifizierten zunehmend weniger Möglichkeiten für sich fanden, ihr berufliches Vorwissen aktiv in die Lehre einzubringen. Waren im Sommersemester 2016 noch rund einem Viertel der nichttraditionell Studierenden dies voll und ganz gelungen, reduzierte sich dieser Wert auf rund 15 Prozent. Zuwächse verzeichneten hingegen die Items „eher nicht“ als auch „trifft gar nicht zu“. Hier sind es gerade die traditionell Qualifizierten, wo rund jeder Dritte sein berufliches Vorwissen überhaupt nicht zur Anwendung bringen konnte; unter den Beruflich Qualifizierten stieg der Wert um rund sechs Prozentpunkte auf 20 Prozent. Wenngleich es den Beruflich Qualifizierten im Vergleich zu ihren traditionell qualifizierten Kommilitonen insgesamt besser gelang, berufliches Vorwissen als Ressource für den Studieneinstieg zu nutzen, fallen die Ergebnisse dennoch ernüchternd aus.
4.2 Interpretation der Evaluationsergebnisse
Der Fokus dieser überfachlichen Evaluation bedingt einen relativ hohen Abstraktionsgrad der Fragestellungen. Dennoch lässt sich mit Blick auf die Evaluationsergebnisse festhalten, dass viele Ziele des geschilderten Vorhabens als erreicht gelten können. Insbesondere der Aspekt der Enkulturation der neuen Studierenden in die jeweilige Fachkultur wurde als Zielsetzung von allen beteiligten Lehrgebieten aufgegriffen und hat sich in den jeweils entwickelten Lehrkonzepten niederschlagen (vgl. Abb. 6).
Interessant und relevant aus einer berufs- und wirtschaftspädagogischen Perspektive sowie mit Blick auf das Thema Durchlässigkeit sind insbesondere die Unterschiede in der Einschätzung der Studierenden. Relativ erfolgreich ist danach die Umsetzung der ersten beiden Leitlinien zur Förderung einer diversitätssensiblen Methodik sowie zur Förderung flexibilisierter Studienformate. Während die Erhöhung der Selbstwirksamkeit nicht in ganz so großem Umfang gelungen zu sein scheint, sind vor allem die Unterschiede bezüglich der Enkulturation sowie hinsichtlich der Berücksichtigung beruflichen Vorwissens in Hinblick auf die Durchlässigkeit von besonderem Interesse.
Hier zeigt sich einerseits, dass die Enkulturation in die Fachkultur durchaus erfolgreich mittels der eingesetzten Konzepte gefördert wurde. Dabei ging es in der Rechtswissenschaft bspw. um den gezielten und spezifischen Gebrauch der Sprache im sog. Gutachtenstil, in der Mathematik aber eher um das Einüben des Beweisens. Solche Anstrengungen, die Spezifika des jeweiligen Fachs zu explizieren, zu üben und darüber die Enkulturation zu befördern, lagen und liegen – so unsere Interpretation – durchaus im Interesse der am Projekt beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Befördert wird dies auch dadurch, dass nicht nur eine bestimmte Gruppe, sondern ganz offenbar alle Studierenden von dieser Form der Gestaltung der Studieneingangsphase profitieren.
Etwas anders stellt sich die Situation allerdings im Hinblick auf die stärkere Berücksichtigung beruflichen Vorwissens dar. Hier gibt es einerseits strukturelle Hindernisse, denn in nicht-professionsorientierten Fächern wie der Mathematik kann kaum auf berufliches Vorwissen zurückgegriffen werden, da der hohe Abstraktionsgrad mathematischer Fragestellungen in der akademischen Lehre vergleichsweise selten im Rahmen beruflicher Praxis gefordert wird. Andererseits aber – und dies ist eine Erfahrung aus dem Projekt - mag aus einer berufs- und wirtschaftspädagogischen Perspektive die Anknüpfung an berufliches Vorwissen sehr naheliegen. Diese Position wird auch aus lerntheoretischer Sicht vielfältig gestützt, gleichwohl ist die (Projekt-)Realität eine andere. An (berufliches) Vorwissen wird kaum angeknüpft in universitären Studiengängen. Wesentlicher Grund dafür mag in der Tatsache liegen, dass Universitätsprofessoren eben selten außeruniversitäre Berufserfahrung und mithin auch nur ein bedingtes Verständnis dafür besitzen, was denn das berufliche Vorwissen sein kann und wie daran anzuknüpfen wäre. Einer größeren Durchlässigkeit stehen daher auch die Strukturen – und auch weiter vorherrschende Selbstverständnis – deutscher Universitäten entgegen. Dies gilt ebenso für die rein fachsystematische und disziplinäre Orientierung von Studienangeboten. Diskussionen, wie sie in der beruflichen Bildung zwischen Fach- und Handlungssystematik quasi konstitutiv sind und sich seit einem Jahrhundert nachzeichnen lassen (Fischer/Gerds 2000), sind in der Hochschulbildung kaum existent.
5 Schlussfolgerungen für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik
„Hochschullehrende sollten qualifiziert werden, an Vorerfahrungen der Studierenden anzuknüpfen und diese für die Lehre fruchtbar zu machen.“, heißt es im aktuellen Hochschulbildungsreport des Stifterverbandes (2017, 36). Dies erscheint ebenso richtig wie vermutlich folgenlos. Auch die Erfahrungen und Evaluationsergebnisse des dargestellten Projekts deuten darauf hin, dass die Bereitschaft (und auch die Anreize) für eine solche Weiterbildung eher gering ausgeprägt sind. Lehrende an Universitäten haben – jenseits der Berufs- und Wirtschaftspädagogik – in der Regel keine berufliche Ausbildung und auch wenig berufliche Erfahrungen abseits der Universität. Es mag sein, dass an Fachhochschulen die Bereitschaft und auch die Voraussetzungen der Lehrenden aufgrund der notwendigen Praxiserfahrung der Professorinnen und Professoren besser sind für das Anliegen, die Vorerfahrungen von Studierenden stärker in die hochschulische Lehre einzubeziehen – für Universitäten bleibt dies aber absehbar nicht sehr wahrscheinlich.
Doch geht das angeführte Zitat noch weiter und weist einen durchaus bedenkenswerten Weg: „Zudem sollten die Stärken und Schwächen bestimmter Bildungswege für bestimmte Personen(gruppen) noch stärker herausgearbeitet werden und durch Beratung zu besserer Passung beigetragen werden“ (ebd.). Hier nun kann eine berufs- und wirtschaftspädagogisch informierte weitergehende Bearbeitung ansetzen, denn diese Disziplin kann im Hinblick auf berufliche Bildungswege am besten solche Stärken und Schwächen herausarbeiten und dieses eben für Beratung, aber auch für didaktische Konzepte fruchtbar machen. Vorarbeiten aus der Disziplin liegen dazu durchaus vor (Meyer/Kreutz 2015; Elsholz/Brückner 2015 sowie Wiesner 2015 für Beratung). Anzuknüpfen ist darüber hinaus auch an Arbeiten im Hinblick auf die Verbindung von fach- und handlungssystematischen Denkweisen in Hochschulcurricula (Gerholz/Sloane 2011). Für die Medizin hat der Wissenschaftsrat 2014 gar eine Abkehr von starrer Fachsystematik empfohlen: „An die Stelle der traditionellen Orientierung an Fächern sollte eine an den ärztlichen Rollen und ihren Kompetenzen orientierte Ausbildung treten“ (Wissenschaftsrat 2014, 7). Für Berufserfahrene aus den Gesundheitsberufen würde bei einer Umsetzung dieser Empfehlung der Studieneinstieg dadurch erleichtert.
Insbesondere für Studiengänge, die professionsorientiert sind oder auf berufliche Tätigkeiten vorbereiten (Schubarth/Speck 2014, 33) (neben Medizin bspw. die Informatik, BWL oder die Ingenieurwissenschaften) bieten sich an, entsprechende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten anzugehen, die anders als ANKOM (Freitag 2015) weniger auf formale Anrechnung, sondern auf inhaltliche Anschlussfähigkeit angelegt sind. Dahinter steht der Anspruch auf ein erweitertes Verständnis von Durchlässigkeit: „Eine Erweiterung des Konzepts der Durchlässigkeit über Fragen der Zulassung und des Zugangs hinaus auf Studienorganisation, Studienbedingungen und begleitende Unterstützung ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Öffnung von Hochschulen bzw. eine größere Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung“ (Wolter et al. 2014, 8).
Es geht damit darum, Durchlässigkeit nicht bloß zu fordern, sondern diese durch eigene Gestaltungsforschung zu fördern. Zugleich öffnet sich damit für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik ein Forschungsfeld, eigene Expertise einzubringen und auch auszubauen.
Literatur
Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016): Bildung in Deutschland 2016. Bielefeld.
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Zitieren des Beitrags
Elsholz, U./Brückner, D. (2018): Die Gestaltung des Übergangs Beruflich Qualifizierter ins Studium – Reflexion eines Forschungs- und Entwicklungsprojekts. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 34, 1-19. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe34/elsholz_brueckner_bwpat34.pdf (30.06.2018).