bwp@ 34 - Juni 2018

Was berufliche und akademische Bildung trennt und verbindet.

Entgrenzungen an der Schnittstelle von Berufsschule, Betrieb, Hochschule und Universität

Hrsg.: Martin Fischer, H.-Hugo Kremer, Julia Gillen & Ines Langemeyer

Duales Studium vs. duale Ausbildung: Zur Diskussion um die Relevanz dualer Studienangebote unter Berücksichtigung der Unternehmensperspektive

Beitrag von Dina Kuhlee & Maike Irmscher
Schlüsselwörter: Akademisierung, duales Studium, Unternehmen, Interviewstudie

In der Nachfrage von Jugendlichen nach nicht-akademischen und akademischen beruflichen Bildungsangeboten wurden in Deutschland seit den 1960er Jahren deutliche Verschiebungen sichtbar. Das in den letzten Jahren merklich beschleunigte Voranschreiten dieser Entwicklung führt nicht nur zu einer Veränderung von gesellschaftlichen Qualifikationsstrukturen, sondern auch zu sichtbaren Veränderungen in den Angebotsstrukturen des Bildungsbereichs und damit im Verhältnis von nicht-akademischer und akademischer beruflicher Bildung. Zentrales Beispiel für die Annäherung von akademischen und nicht-akademischen beruflichen Ausbildungsprinzipien und die Zunahme des beruflich-akademischen Bildungstyps sind duale Studiengänge. Der Beitrag setzt sich mit dem Akademisierungstrend und mit dessen Effekten unter Berücksichtigung der Unternehmensperspektive auseinander und hier speziell mit der Rolle dualer Studienangebote im Verhältnis zur klassischen dualen Ausbildung. Er fragt u. a. nach den Gründen für das Angebot dualer Studiengänge, der Integration ihrer Absolvent(inn)en in den Arbeits- und Unternehmenskontext und diskutiert mögliche konkurrierende Effekte zu alternativen Qualifizierungsoptionen aus Sicht der anbietenden Unternehmen. Dies erfolgt unter Rückgriff auf Ergebnisse einer leitfadengestützten Interviewstudie mit 29 Personalverantwortlichen aus Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branche. Die Daten verweisen u. a. darauf, dass sich die wahrgenommenen Effekte des Akademisierungstrends in Abhängigkeit von traditionellen branchenspezifischen Berufsausbildungsnachfrage- und -angebotsstrukturen deutlich unterscheiden und sich hieraus unterschiedliche Perspektiven für das Angebot dualer Studiengänge und deren Wertigkeit im Qualifizierungsportfolio der Unternehmen ergeben.

Dual higher education study vs. vocational training in the dual system: The increasing relevance of dual study programs and the employment options of graduates from a business perspective

English Abstract

Since 1960s there are significant shifts in the demand of adolescents for non-academic and academic vocational training provision in Germany visible. The perceptible accelerated proceed of this development in last years has not only led to a change of social qualification structures, it also give rise to visible changes in the supply structures of education, and thus in the relationship between non-academic and academic vocational education and training. A central example for a convergence of academic and non-academic vocational training principles and for the increase of vocational-academic education types are dual study programs. The article deals with the effects of this academisation trend from a business perspective and, in this context, especially with the role of dual study programs in relation to classical vocational training in the dual system. It is particularly asked about the reasons for offering dual study programs, the employment options and the integration of their graduates into the work and company context. Also it discusses possible competing effects on alternative qualification options from the point of providing companies. The empirical foundation consists of 29 guided interviews with human resource managers from companies of different sizes and sectors. The data shows a. o. that the perceived effects of the academisation trend differ significantly depending on traditional sector-specific vocational training demand structures and vocational training supply structures. Out of this different perspectives for the offer of dual study programs and their value in the companies' qualification portfolio emerge.

1 Thematische Einordnung

Sowohl der Berufsbildungs- als auch der Hochschulsektor des deutschen Bildungssystems unterlagen in den letzten Jahren einer Reihe von zentralen Veränderungen. Vor dem Hintergrund bildungspolitischer Reforminitiativen sahen sich beispielsweise die Berufsschulen mit Instrumenten zur Rechenschaftslegung und Qualitätssicherung neoliberal geprägten Steuerungs- und Reformmaßnahmen gegenüber. Der Hochschulsektor wurde demgegenüber im Rahmen des Bologna-Reformprozesses in umfangreicher Weise strukturell reformiert. Neben diesen vornehmlich politisch gesteuerten Veränderungen unterliegen diese beiden Sektoren des Bildungswesens zudem zentralen langfristigen Entwicklungstrends. Diese wurden weniger politisch als vielmehr durch Nachfrageveränderungen umfangreich beeinflusst und tarieren das Verhältnis dieser beiden Bereiche des Bildungswesens derzeit neu aus. Die traditionell zentrale Rolle beruflicher Bildung insbesondere im Sinne der Ausbildung im dualen System gerät seit geraumer Zeit durch eine „Abstimmung mit den Füßen“ in Richtung akademischer Bildung und in Kombination beispielsweise mit demografischen Entwicklungen unter Druck. Tatsächlich glich im Jahr 2011 erstmals die Zahl der Neuverträge im dualen System der Zahl der Studienanfänger/-innen; im Jahr 2013 überstieg die Zahl der Studienanfänger/-innen mit 507.000 die Zahl derjenigen, die eine duale Berufsausbildung begonnen haben. Dies waren 467.000 Jugendliche (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2017a, 9; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 99). Baethge und Wieck (2015, 2) sprechen von einem „Wendepunkt in der deutschen Bildungsgeschichte“. In ihren langfristigen Wirkungen scheinen diese Entwicklungen einen tiefgreifenden Wandel von beruflicher und akademischer Bildung in ihrer jeweiligen Relevanz, ihrer Gestalt und in ihrer Beziehung zueinander einzuleiten.

Entsprechend intensiv und kontrovers werden diese Entwicklungen in den letzten Jahren unter dem Stichwort der Akademisierung diskutiert. Einerseits werden sie als „Akademisierungswahn“ (Nida-Rümelin 2014) oder „Akademisierungsfalle“ (Strahm 2014) bewertet und äußerst kritisch beurteilt. Die mit ihr verbundene Ausweitung des Hochschulsektors wird als eine Fehlentwicklung interpretiert. Unter der Annahme unterschiedlicher Begabungen von Jugendlichen wird argumentiert, dass eine Vielzahl an Studienanfänger(inne)n für ein Hochschulstudium nicht geeignet sei und zeitgleich der klassischen beruflichen Ausbildung die Basis entzogen würde. Zudem wird angenommen, dass die wachsende Zahl an Akademiker(inne)n durch den Arbeitsmarkt zukünftig nur bedingt aufgenommen werden könne; demgegenüber der Pool an beruflich qualifizierten Fachkräften als zentrale Stütze wirtschaftlicher Produktivität und Innovation in Deutschland langfristig ausgehöhlt werde. Den hier gesetzten Forderungen, die Akademisierungsentwicklungen bildungspolitisch zu bremsen, stehen andererseits Sichtweisen und Handlungsempfehlungen gegenüber, die die Konsolidierung und den Ausbau von Übergängen und der Durchlässigkeit zwischen den beiden traditionell stark segregierten Bildungssektoren nahe legen. Ziel wäre es hierbei, die Attraktivität der Berufsbildung über den durch sie eröffneten Zugang in die akademische Bildung zu erhöhen. Beispielsweise könne dies durch die Förderung des Eingangs von beruflich Qualifizierten in die Hochschulen, die Anrechnung beruflicher Qualifikationen auf akademische Bildungsgänge oder durch die Schaffung bedarfsgerechter hochschulischer Bildungsangebote für beruflich Qualifizierte ermöglicht werden (vgl. z. B. Euler/Severing 2015, 26ff.).

Neben diesen zwei diskussionswürdigen Positionen eines Gegensteuerns einerseits und einer weiteren Öffnung der Hochschulen andererseits jeweils unter Beibehaltung des traditionellen segregierten Grundmodells gewinnt eine dritte Position an Relevanz. Sie empfiehlt die Suche nach Möglichkeiten zur aktiven bildungspolitischen Gestaltung und Neujustierung des Verhältnisses von beruflicher und akademischer Bildung. Sie sollte die berufliche und akademische Bildung stärker zusammenführen und verzahnen und dabei insbesondere einer möglichen Schwächung der beruflichen Bildung entgegenwirken (vgl. z. B. Euler/Severing 2015, 30; Euler 2015). Empfehlungen zum expliziten Ausbau und zur gezielten Ausgestaltung und Nutzung hybrider Ausbildungsangebote lassen sich in diesen Diskurskontext einordnen (vgl. z. B. DIHK 2018; Euler 2015, 328ff.). Das duale Studium mit seiner Kombination aus theoretisch-praktischen und damit verbunden akademisch-beruflichen Ausbildungsbestandteilen lässt sich dieser Kategorie der hybriden Ausbildungsgänge zuordnen. Es kann als zentrales, bereits etabliertes Beispiel für solche Bildungsgänge im deutschen Bildungssystem angeführt werden. Dieses Studienangebot sieht sich seit geraumer Zeit einer wachsenden Nachfrage seitens der Studienberechtigten gegenüber. Wenn es auch letztlich mit drei bis vier Prozent der Studierenden keinen zentralen prozentualen Teil des akademischen Bildungsangebotes darstellt, hat es im Diskurs um die Akademisierung aufgrund seiner spezifischen Struktur und Gestalt eine besondere Bedeutung erlangt (z. B. Wolter 2016, 40ff.).

Kuda et al. (2012, 11) konstatieren innerhalb der so geführten Debatte ein weitgehendes Ausblenden der betrieblichen bzw. unternehmerischen Perspektive auf diese Entwicklungen: „Bislang wird die Thematik, welche Bedeutung eine wachsende Zahl von HochschulabsolventInnen für Rekrutierung und Auswahl, für Arbeitsteilung, Karrierewege, Kooperation und Konkurrenz in den Betrieben und Unternehmen hat, vernachlässigt.“ Dieser Perspektive dürfte aber gerade eine entscheidende Rolle in Bezug auf Prognosen der zukünftigen Entwicklungen zukommen. Denn Unternehmen bestimmen bekanntermaßen über ihre qualitativen und quantitativen Arbeitskräftebedarfe und damit über ihr Rekrutierungsverhalten die arbeitsmarktlichen Strukturen entscheidend. Es stellt sich die Frage, wie Unternehmen den Akademisierungstrend individuell wahrnehmen, mit welchen Maßnahmen und Strategien sie im Bereich der Aus- und Weiterbildung, der Rekrutierung und damit im Aufbau ihres Qualifikationsportfolios auf die von ihnen wahrgenommenen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt reagieren und diesen dadurch zeitgleich prägen.

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit den zentralen Merkmalen und Entwicklungsmustern der Akademisierung in Deutschland. Unter Rückgriff auf eine Untersuchung im Rahmen des Projektes „Effekte des deutschen Akademisierungstrends aus Unternehmensperspektive (AkaDEmUs)“ nimmt der Beitrag die in Bildungspolitik und Wissenschaft vieldiskutierten Akademisierungsentwicklungen unter einer besonderen Berücksichtigung der Perspektive von Unternehmen in den Blick. In diesem Zusammenhang wird vor dem Hintergrund zentraler Merkmale des Akademisierungstrends nach der Rolle dualer Studienangebote im Verhältnis zur klassischen dualen Ausbildung, nach den Gründen für das Angebot dualer Studienoptionen seitens der Unternehmen, den Beschäftigungsoptionen und der Integration der Absolvent(inn)en in den Arbeits- und Unternehmenskontext sowie nach möglichen konkurrierenden Effekten zu alternativen Qualifizierungsoptionen gefragt. Hierzu werden ausgewählte Ergebnisse einer qualitativen Studie basierend auf 29 leitfadengestützten Interviews mit Personalverantwortlichen aus Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branche herangezogen.

2 Akademisierung und Aufstiegsorientierung: Gestalt und Bestimmungsgründe

Der Begriff der Akademisierung hat in der bildungspolitischen, aber auch wissenschaftlichen Debatte eine deutliche Popularität erreicht, mit der jedoch nur bedingt eine klare begriffliche Ausdifferenzierung einhergeht; vielmehr lässt sich von einer „begrifflichen Konfusion“ (Wolter 2014b, 5) sprechen. Denn unter dem Begriff werden neben dem Wandel in der Bildungsbeteiligung und den damit verbundenen Verschiebungen zwischen dem beruflichen Bildungssektor und dem Hochschulsektor zudem unterschiedliche Entwicklungsaspekte subsummiert, die mit diesen Verschiebungen einhergehen bzw. mit diesen im Weiteren in Verbindung stehen. Hierzu zählen beispielsweise Fragen der Dequalifizierung im Sinne der Beschäftigung von Hochschulabsolvent(inn)en in Positionen, die vormals einen beruflichen Bildungsabschluss erforderten. Hierzu zählen auch Fragen der vertikalen Substitution im Sinne der Adaption und Neustrukturierung von Tätigkeitsbereichen und die damit verbundene Besetzung der entsprechenden Arbeitsplätze mit Hochschulabsolvent(inn)en. Zudem wird beispielsweise die formelle Akademisierung von Ausbildungs- und Berufsfeldern hierunter gefasst, die vormals verstärkt durch nicht-akademische Ausbildungsangebote abgedeckt wurden. Dies ist insbesondere in den Bereichen Erziehung und Gesundheit (z. B. Friedrichs/Schaub 2011) in den letzten Jahren erfolgt (vgl. Wolter 2014b, 5).

Letztlich bleibt der zentrale Ausgangspunkt für den Akademisierungsdiskurs die veränderte Bildungsbeteiligung und die entsprechende Verschiebung der Teilnahmestrukturen hinein in den akademischen Bereich. Hiermit folgt Deutschland, wenn auch häufig als Nachzügler angesehen, einem internationalen Trend. Denn weltweit sind seit den 1960er Jahren die Studienanfängerzahlen deutlich gestiegen. Dies gilt insbesondere in ökonomisch stabilen und fortgeschrittenen Volkswirtschaften (vgl. Schofer/Meyer 2005). Dabei stieg die Studienanfängerquote in Deutschland seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre von deutlich unter 10 % sukzessive an und lag im Jahr 2016 bei 56,7 %. Dieser Anstieg war zunächst ein eher moderater, in den letzten Jahren schließlich ein sehr rapider; so stieg die Studienanfängerquote von noch 40,3 % im Jahr 2008 auf 55,6 % im Jahr 2011 (Wolter 2016, 146; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, 339). Differenziert nach Fachrichtungen zeigen sich dabei merkliche Unterschiede in der Studiennachfrage. Deutlich gewonnen haben dabei in den letzten Jahren beispielsweise die Ingenieurswissenschaften. Hier hat der Anteil der Studienanfänger von 17 % im Jahr 2001 auf 22 % im Jahr 2011 zugenommen. Demgegenüber ist beispielsweise der Anteil in den Sprach- und Kulturwissenschaften von ca. 21 % im Jahr 2001 auf 17 % im Jahr 2011 gefallen (Wolter 2014a, 147).

Diese Entwicklungen werden im Wesentlichen durch den über die Jahre deutlich steigenden Anteil an Studienberechtigten getragen, d. h. die Expansion im Hochschulbereich nimmt ihren Ausgangspunkt in der Expansion der Hochschulzugangsberechtigungen und damit im Schulsystem. Die Studienberechtigtenquote lag im Jahr 2016 bei 52,1 %, nachdem sie im Jahr 2012 mit knapp 60 % und im Jahr 2013 mit knapp 58 % insbesondere in der Folge der Verkürzung der gymnasialen Schulzeit und damit verbundener doppelter Abiturientenjahrgänge einen besonderen Höhepunkt erreicht hatte (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, 338). Dabei hat die Rolle des beruflichen Schulsystems neben dem klassischen gymnasialen Bildungsweg an Bedeutung gewonnen. Denn 40 % der Hochschulzugangsberechtigungen werden mittlerweile, so Tenorth und Esser (2015, 6), in beruflichen Schulen der Sekundarstufe II erworben. Insgesamt führt diese ansteigende Studienberechtigtenquote in Kombination mit einer seit 2005 um 5 % gestiegenen Übergangsquote in den Hochschulbereich zur diskutierten Anteilsverlagerung vom berufsbildenden Sektor zum Hochschulsektor (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, 155).

Zentraler Hintergrund dieser Bildungsentscheidungen ist eine in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommene Aufstiegsorientierung; sozialer Aufstieg wird dabei im Wesentlichen als über Bildung vermittelt angesehen. Denn Bildung im Sinne von Qualifikationen und formalen Abschlüssen wird zunehmend als bedeutende Determinante für die gesellschaftliche Statusdistribuierung und Positionierung verstanden. Angestrebt wird dabei ein sozialer Status, der über jenem der Eltern liegt, mindestens jedoch ein Statuserhalt. Bildungsentscheidungen von Jugendlichen und ihren Eltern folgen damit dem Anspruch, eine möglichst günstige Ausgangsposition für den gesamten Bildungs- und Qualifikationsweg und damit für den Eintritt in den Arbeitsmarkt zu schaffen (z. B. Wolter/Kerst 2015, 514ff.). Dabei zeigt sich eine Art selbstverstärkender Effekt. Denn je größer der Anteil an Hochschulabsolvent(inn)en in der Elterngeneration, umso höher bei der nachfolgenden Generation der Anteil derer, die einen Hochschulabschluss anstreben (Wolter/Kerst 2015, 515). Diese Aufstiegsorientierung reflektiert sich jedoch nicht nur in der Orientierung hin zu akademischen Abschlüssen, sondern findet sich auch innerhalb der beruflichen Bildung. Sie zeigt sich in der deutlichen Präferenz von Berufen und Berufsgruppen, mit denen im Allgemeinen ein höherer Status verbunden wird, wie den Büroberufen gegenüber beispielsweise den Handwerks- oder Bauberufen (vgl. z. B. Matthes 2018), sowie damit verbunden in der seit den 1990er Jahren relativ stabilen Segregation der Berufe (vgl. nachfolgenden Abschnitt).

Letztlich ist diese Entwicklung eng verknüpft mit der wachsenden „Bedeutungsverschiebung des Bildungsbegriffs in Richtung auf gesellschaftlich relevante Aspekte von Bildung als Qualifikation“ (Hörner 2011, 129, Hervorhebungen im Original), die die Rolle von Bildung in ihrer elementaren Funktion für die Gesellschaft seit der Mitte des letzten Jahrhunderts vermehrt in den Fokus rückte. Dies gilt zum einen im Sinne der Befähigung der nachfolgenden Generation, die notwendigen Rollen und Aufgaben in einer sich entwickelnden Industrie- respektive Wissensgesellschaft auszufüllen, zum anderen im Sinne der Zuordnung von Lebens- und Sozialchancen (Hörner 2011, 129). Bildung in dieser gesellschaftlichen Funktion generierte damit verstärkt ökonomische Relevanz; sie wurde zu einer ökonomischen Ressource sowohl für Individuum als auch für Gesellschaft. Die Humankapitaltheorie versucht bekanntermaßen dieses Verständnis von Bildung analytisch abzubilden. Ausgehend davon, dass Produktivität im Wesentlichen an Wissen gebunden sei, folgt sie der Annahmestruktur, dass Bildungs- und Qualifizierungsprozesse, d. h. die Investition in Humankapital, das Leistungspotenzial erhöht. Ein erhöhtes Leistungspotenzial führt zu einer höheren Arbeitsproduktivität und diese bedingt wiederum ein erhöhtes Einkommen. Auf diese Weise generieren Investitionen in Humankapital, so die Argumentation, Renditen sowohl für den Einzelnen als auch für eine gesamte Volkswirtschaft und erklären Unterschiede sowohl im Einkommen von Individuen als auch im Wachstum von Volkswirtschaften (vgl. z. B. Becker 1964; Mincer 1958; Schultz 1962).

Unabhängig von den kritischen Aspekten dieses Theorieansatzes hat er zum einen die Bildungspolitik in den letzten 20 Jahren in besonderer Weise geprägt, insbesondere mit Blick auf internationale bildungspolitische Strategien, wie jener der OECD oder der Europäischen Union (vgl. z. B. Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates, Lissabon 23./24.03.2000; oder z. B. die Qualifizierungsinitiative des BMBF 2008). Die Überlegungen der Humankapitaltheorie sind aber zum anderen eben auch zentral für die individuellen Bildungsentscheidungen und für die damit verbundenen Aufstiegsaspirationen. Dies gilt, obwohl (oder gerade weil) der Aufstieg durch Bildung eben nur dann möglich ist, wenn er nicht für alle Nachfragenden gilt. Denn „Aufstieg ist rein logisch nur dort möglich, wo nicht alle aufsteigen“, wie Heid (2009, 12) aufzeigt. Von einer „opportunity trap“ spricht Brown (2003), wenn er darauf verweist, dass Bildungssysteme eben nur über eine begrenzte Wirkung hinsichtlich der quantitativen und qualitativen Dimensionen des Arbeitsangebots am Arbeitsmarkt verfügen und demnach die Möglichkeiten des Aufstiegs an äußere Rahmenbedingungen außerhalb des Bildungssystems gebunden bleiben.

Derzeit ist festzuhalten, dass der Arbeitsmarkt nach wie vor einen hohen Bedarf an Akademiker(inne)n signalisiert. Folgt man beispielsweise den BiBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen, kann dies auch in den nächsten Jahren weiter erwartet werden (vgl. u. a. BiBB 2016; auch Möller 2013; Storck 2013, 2). Der „akademische Arbeitsmarkt [hat sich bisher] trotz deutlich steigender Absolventenzahlen als absorptionsfähig erwiesen“, so Wolter (2014a, 162), auch wenn sich der Stellenfindungs- und Konsolidierungsprozess nach Studienabschluss zeitlich ausgedehnt hat. Auch die Frage nach der Adäquanz der Beschäftigung von Hochschulabsolvent(inn)en, so deuten die derzeit verfügbaren Studien an, verweist auf keine zentralen Problemlagen. Inadäquate Beschäftigung ist lediglich in geringem Ausmaß identifizierbar und verringert sich zudem über den Berufsverlauf. Allerdings deuten die HIS-Absolventenstudien an, dass Bachelors sich tendenziell eher als inadäquat beschäftigt sehen als Personen mit traditionellen Hochschulabschlüssen (Wolter 2014a, 156ff.). Akademisch Qualifizierte haben im Vergleich der Qualifikationsgruppen traditionell und auch derzeit mit knapp 2,5 % das geringste Arbeitslosigkeitsrisiko (vgl. Hausner et al. 2015, 2). Und schließlich zeigt die Lohnentwicklung seit den 1990er Jahren eine zunehmende Spreizung zwischen den unterschiedlichen Qualifikationsgruppen insbesondere im Vergleich zu den gering oder nicht Qualifizierten. Die relative Verdienstposition der Hochqualifizierten hat sich dabei gegenüber den Fachkräften mit dualer Ausbildung in diesem Betrachtungszeitraum nochmals „erheblich verbessert“ (Möller 2013, 13f.). Insgesamt spiegeln diese Daten zumindest für die bisherigen Entwicklungen die positiven Effekte akademischer Qualifizierungen für die Integration in den Arbeitsmarkt.

Diese Daten verweisen damit zeitgleich auf einen weiteren Treiber der Verschiebung der Teilnahmestrukturen von der beruflichen zur akademischen Bildung. Dies ist der Wandel in den geforderten Wissens- und Qualifikationsprofilen, die neben erfahrungsbasierten verstärkt wissensbasierte Qualifikationen in den Mittelpunkt rücken, und im Kontext eines Arbeitsmarktes mit veränderten Arbeitsteilungsmustern und wachsenden Dienstleistungsanteilen zudem Kompetenzen wie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, Problemlösefähigkeit, Fähigkeiten zur Reflexion, Selbststeuerung und Lernbereitschaft einfordern (vgl. z. B. Baethge 2015, 292). Damit werden am Arbeitsmarkt u. a. verstärkt fachübergreifende Fähigkeiten nachgefragt, die eher früh in formalen Lernprozessen zu fördern sind. Auf deren spätere Herausbildung und Verstärkung sind die traditionellen Ausbildungsstrukturen des dualen Systems nur bedingt angelegt (vgl. Baethge 2015, 292).

Dabei erscheinen diese Prozesse um die Akademisierung nur wenig politisch gesteuert respektive steuerbar. Auch wenn die bildungspolitischen Intentionen und Maßnahmen nicht zuletzt vor dem Hintergrund internationaler Einflüsse seit Beginn der 2000er Jahre auf die weitere Ausweitung des Hochschulsektors und die Steigerung der Studienanfängerquoten ausgerichtet waren, bleibt festzuhalten, dass die Realität der Akademisierungsentwicklungen ihre eigene Dynamik entwickelt hat (vgl. Wolter 2014a, 146). Dabei treffen diese Entwicklungslinien auf spezifische langfristige Trends im Bereich der beruflichen Bildung. Beide greifen ineinander und bestimmen in ihrer Kombination das Bild um die Akademisierung in Deutschland und ihre aktuell diskutierten Effekte (vgl. Baethge/Wieck 2015).

3 Berufliche Bildung: Sinkende Ausbildungsquoten und zunehmende Segregation

Die Abnahme der Zahl der Ausbildungsanfänger/-innen im dualen System folgt eigenen und durchaus langfristigen Entwicklungspfaden. Sie sind in starkem Maße angebotsverursacht und differenzierter als der aktuelle Diskurs um die nachfragebedingten Verschiebungen andeutet. Mit der zweiten Ausbildungsmarktkrise zwischen den 1990er Jahren und den 2010er Jahren zeigt sich ein langfristiger Rückgang in den Neuzugängen des dualen Systems, die Mitte der 1990er Jahre noch bei ca. 550.000 pro Jahr lagen. Die deutlich höheren, demografisch bedingten Nachfragen wurden durch das Angebotsverhalten der Unternehmen in diesem Zeitraum nicht abgedeckt. Die bildungspolitischen Aushandlungsprozesse im Kontext der korporatistischen Governance haben das Ausbildungsverhalten der Unternehmen kaum beeinflusst (vgl. z. B. Baethge 2015; Kuhlee 2015). Insbesondere in der Dekade zwischen 2000 und 2010 zeigt sich zudem eine besonders deutliche Verringerung des Ausbildungsplatzangebotes und damit der Neuzugänge. Die Differenzen zwischen Angebot und Nachfrage wurden bekanntermaßen durch den Ausbau des Übergangssystems ausgeglichen, welches sich damit als dritte Säule des Berufsbildungssystems etabliert hat (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012, 101). Diese Entwicklungen reflektieren sich in der über die Jahre deutlich gesunkenen Ausbildungsbetriebsquote, die derzeit lediglich bei knapp 20 % liegt. Bei einer wachsenden Zahl an Betrieben insgesamt hat dabei die Zahl der Ausbildungsbetriebe zeitgleich abgenommen. Diese Entwicklungen spiegeln sich zudem in der deutlich gesunkenen Ausbildungsquote, d. h. in der abnehmenden Zahl an Auszubildenden im Verhältnis zu den abhängig Beschäftigten (vgl. Baethge/Wieck 2015, 3; Euler 2015, 323). Im Jahr 2017 lag letztlich die Zahl der Neuzugänge in das duale System bei knapp 490.000 Auszubildenden (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, 128).

Zugleich liegt in 2017 die Zahl der Neuzugänge in das Übergangssystem bei 290.000 Jugendlichen, wobei hier seit 2014 wieder ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen ist (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, 128; Dionisius/Illiger 2017). Diese Zahlen scheinen den Diskurs um die fehlenden Nachfrager an beruflichen Bildungsangeboten zu relativieren. In bildungspolitischen Diskussionen wird demnach auch verstärkt auf die Jugendlichen im Übergangssystem als eine Ressource verwiesen, die es effizienter in die vollqualifizierenden beruflichen Bildungsgänge zu integrieren gilt (vgl. z.B. DIHK 2018; Storck 2013, 3; Wolter/Kerst 2015, 514f.). Mit der insgesamt steigenden Zahl an Hochschulzugangsberechtigten hat über die Jahre auch der Anteil der Jugendlichen zugenommen, die über eine Hochschulzugangsberechtigung verfügen und eine berufliche Ausbildung beginnen. Er liegt derzeit bei 27,7 %. Allerdings wächst der Anteil dieser Jugendlichen im dualen System deutlich weniger stark als ihr anteiliger Zuwachs bei den Schulabsolvent(inn)en insgesamt (vgl. z. B. Euler/Severing 2017, 11ff.).

Damit zeigt sich ein äußerst divergentes Bild für den beruflichen Bildungssektor. Die derzeit diskutierten problematischen Entwicklungen bei den Neuzugängen im dualen System und die Verschiebungen zulasten der beruflichen Bildung scheinen jedoch zunächst deutlich stärker ausbildungs- und beschäftigungsstrukturell über das Angebotsverhalten der Betriebe beeinflusst worden zu sein als über die bildungsexpansive Nachfragesituation. Dies gilt, auch wenn mit der nochmals stärkeren Nachfrageorientierung hin zu akademischen Ausbildungsangeboten in den letzten Jahren bei zeitgleich wirkendem demografischen Wandel die Nachfrageaspekte nunmehr verstärkt an Bedeutung gewonnen haben. Die Effekte dieser Entwicklungen differieren dabei deutlich nach Ausbildungs- und Berufsfeld, so dass das Gesamtbild nur durch Blick in die Ausbildungsteilmärkte aussagekräftig wird. Der Rückgang der Neuzugänge vollzog sich bisher primär im Handwerk und in den freien Berufen; in Industrie und Handel hat sich die Zahl der Neuzugänge noch bis 2007 um knapp 20 % erhöht (vgl. Baethge/Wieck 2015, 3f.). Dabei expandierten in diesem Ausbildungsbereich die Zahl der Neuzugänge bei kaufmännischen und IuK-Berufen; in den Fertigungsberufen nahmen sie dagegen ab (vgl. Baethge/Wieck 2015, 4).

Die Wirkungszusammenhänge dieser langfristigen Angebots- und Nachfragekonstellationen, d. h. zwischen dem Ausbildungsplatzangebot der Betriebe und der Ausbildungsbeteiligung bzw. -nachfrage der Jugendlichen zeigen sich in der deutlichen Segmentation der Berufe in ihrer Kopplung an das schulische Vorbildungsniveau, wie Baethge und Wieck (2015) aufzeigen (vgl. auch Baethge 2015, 280ff.). Dabei lassen sich vier zentrale Berufssegmente differenzieren: (1) Das erste, oberste dieser Segmente umfasst gehobene kaufmännische Berufe, Berufe des Finanzdienstleistungsbereichs, Industriekaufleute sowie IuK-Berufe. In diesen Ausbildungsberufen finden sich mit knapp 62 % primär Auszubildende mit Hochschulzugangsberechtigung sowie Auszubildende mit einem mittleren Schulabschluss (35 %). (2) Zum zweiten Segment zählen die Verwaltungsberufe und die qualifizierten gewerblich-industriellen Berufe, wie Chemielaborant(inn)en oder Elektroniker/-innen. 58 % der Auszubildenden in dieser Gruppe verfügen über einen mittleren Schulabschluss, knapp 26 % über eine Hochschulzugangsberechtigung. (3) Das dritte Segment und damit die untere Mitte bilden Berufe des Einzelhandels und gewerblich-technische Berufe des Handwerks und der Industrie. Hier sind zwar mit 50 % immer noch die Auszubildenden mit einem mittleren Schulabschluss dominant; allerdings findet sich hier mit 36 % auch ein deutlicher Anteil von Jugendlichen mit einem Hauptschulabschluss. (4) Lediglich im vierten, unteren Segment finden sich knapp 60 % Auszubildende mit einem Hauptschulabschluss und knapp 6 % ohne einen Schulabschluss. Der Anteil der Jugendlichen mit einem mittleren Schulabschluss liegt nur noch bei 30 %. Die Berufe dieses Segments sind solche im Ernährungshandwerk, im Verkauf des Lebensmittelhandwerks sowie im landwirtschaftlichen Bereich (vgl. Baethge/Wieck 2015, 5).

Da diese Segmentierung sich als über die Jahre weitgehend stabil gezeigt hat, dürfte eine sinkende Zahl von Abgänger(inne)n mit mittlerem Schulabschluss und Hauptschulabschluss zum einen bei spezifischen Berufsgruppen der unteren und mittleren Segmente langfristig besonders ausgeprägte Problemlagen in der Nachwuchskräftegewinnung mit sich bringen. Zeitgleich dürften zum anderen die nochmals verstärkten Bildungsnachfrageverschiebungen in Richtung akademische Bildung der letzten Jahre verstärkt die Berufe der oberen Segmente insbesondere mit Blick auf die langfristige Fachkräftebindung unter Druck setzen.

Die Segmentierung der Berufe spiegelt die deutlichen Begrenzungen an Ausbildungsoptionen für Jugendliche mit und ohne Hauptschulabschluss, die bisher weder der Akademisierungstrend noch der zunehmende demografische Wandel en passant auflösen konnten, wie das weiterhin stabile Übergangssystem indiziert. Dabei sind diese Segmentierungen nur bedingt durch sogenannte Upskilling-Prozesse getragen, d. h. durch einen Anstieg der Anforderungen insbesondere kognitiver Art in einem Ausbildungsberuf, die ein höheres Qualifikationsniveau rechtfertigen könnten. Protsch (2014a, 2014b) verweist hierauf in ihren Analysen zum Verhältnis von Anforderungsentwicklungen ausgewählter Berufe einerseits (Upskilling) und möglichen erhöhten Einstiegsvoraussetzungen für diese Berufe über die Zeit andererseits (Upgrading). Demnach existieren Berufe, wie im Fall der Bürokaufleute, die zwischen den 1950er und 2000er Jahren zwar ein deutliches Upgrading aufweisen, jedoch für diesen Zeitraum keine erhöhten Berufsanforderungen nachweisbar sind. Demgegenüber sind bei den Kaufleuten des Einzelhandels zwar erhöhte Berufsanforderungen über die Zeit nachweisbar, jedoch haben sich die verlangten Einstiegsqualifikationen kaum verändert. Upskilling-Prozesse sind demnach kein belastbares, übergreifendes Begründungmuster für die vorfindlichen Segmentierungen der Berufe.

Letztlich bleibt festzuhalten, der berufsbildende Sektor und der Hochschulsektor des deutschen Bildungssystems sind mit ihrer starken institutionellen Trennung traditionell eher nebeneinander verlaufende Welten. Sie zeichnen sich durch unterschiedliche curriculare Zielorientierungen, Instruktionsansätze, Steuerungs- und Governancemechanismen sowie Finanzierungsstrukturen aus (vgl. auch Graf 2012, 49). Das „Nebeneinander dieser getrennten Welten ist in der deutschen Sozialstruktur wie auch im wirtschaftlichen Produktionsmodell tief verwurzelt“, wie Graf (2012, 49) festhält. Die Bildungspolitik hat bisher keine für beide Felder übergreifenden Steuerungs- und Entwicklungsstrategien entwickelt. Dennoch zeichnen sich mit dem aktuellen Akademisierungstrend die gegenseitigen Abhängigkeits- und Bedingungsstrukturen dieser beiden Bildungssektoren nicht nur stärker ab, sondern nehmen darüber hinaus zu. Sie reflektieren sich an den aktuellen Diskussionen um eine mögliche Konkurrenz ihrer Bildungsangebote und möglicher Verdrängungs- und Substitutionseffekte. Hybride Ausbildungsstrukturen werden als institutionelle Formen der Annäherung akademischer und beruflicher Bildung vor dem Hintergrund veränderter Qualifikationsanforderungen und Bildungsnachfragestrukturen verstanden. Dabei wird ihre Herausbildung entweder als Effekt des Akademisierungstrends mit möglichen konkurrierenden Problemlagen für die duale Ausbildung einerseits und mit zentralen Veränderungen für das Selbstverständnis und die Gestalt hochschulischer Bildung andererseits interpretiert. Oder aber sie werden als ein Lösungsansatz für die Akademisierungsentwicklungen gesehen, der berufliche und akademische Bildung in entsprechenden Bildungstypen institutionell zusammenführt.

4 Duales Studium als hybrides Ausbildungsangebot im Kontext des Akademisierungstrends

Hybride Ausbildungsangebote haben in der Form des dualen Studiums in Deutschland eine gewisse Tradition. Die Einführung des dualen Studiums in den 1970er Jahren in Baden-Württemberg zielte bereits zu dieser Zeit durch die Verbindung von praktischer und akademischer Ausbildung auf die Entlastung des Hochschulsektors und die Stärkung beruflicher Bildung vor dem Hintergrund zunehmender Abiturientenzahlen. Das duale Studium sollte sich stärker an den Qualifikationsanforderungen der Unternehmen ausrichten. Durch eine enge Kooperation der Ausbildungsorte, vornehmlich der Unternehmen und der akademisch ausgerichteten Berufsakademien, sollte die Theorie-Praxis-Verzahnung gestärkt werden. Die Ausweitung des Konzeptes in den 1980er und 1990er Jahren hinein in die Fachhochschulen und eine zugleich wachsende Nachfrage war mit einem Angebotsanstieg insbesondere in einzelnen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen verbunden (vgl. z. B. Wolter 2016, 39ff.). Duale Studiengänge zielen darauf, über die synchrone Dualität von betrieblicher Praxis und akademisch-hochschulischen Lehr-Lernprozessen zeitgleich sowohl Berufsfähigkeit als auch akademische Wissensstrukturen aufzubauen und zu vernetzen. In diesem Sinne handelt es sich um einen sogenannten beruflich-akademischen Bildungstyp (vgl. Krone 2015, 79ff.).

In der öffentlichen Wahrnehmung ist das duale Studium als hybrides Ausbildungsangebot äußerst positiv konnotiert. Allerdings ist dieses positive Bild bisher im Wesentlichen durch die Darstellungen der anbietenden Hochschulen und Unternehmen geprägt und weniger durch empirisch belastbare Forschungsdaten und Statistiken (vgl. Weiß 2016, 23). Dennoch ist der Ausbau von dualen bzw. hybriden Studiengängen als Alternative zur klassischen Hochschulausbildung zu einer zentralen bildungspolitischen Forderung avanciert, um eine stärkere Verzahnung von beruflicher und akademischer Bildung zu ermöglichen und damit den Akademisierungstrend aktiv zu gestalten (vgl. z. B. Borgwardt 2014, 1; DIHK 2018; Hemkes/Wilbers/Zinke 2015, 37; Tenorth/Esser 2015, 7; Wissenschaftsrat 2014). Konzeptionell werden diese Überlegungen beispielweise getragen durch den Diskurs über eine sogenannte „erweiterte moderne Beruflichkeit“. Sie weitet die traditionelle Konzeption von Beruflichkeit auf das Studium und die wissenschaftliche Weiterbildung aus und soll damit als ein gemeinsames Leitbild für die berufliche und hochschulische Bildung fungieren (vgl. IG Metall Vorstand 2014; für eine ausführliche Auseinandersetzung Kutscha 2015).

Hochschulstatistisch liegen nur ungenügende Daten zu den dualen Studiengängen vor; dies nicht zuletzt, weil die Zuordnung der Studiengänge aufgrund der Partnerstruktur häufig nicht eindeutig ist. Eine amtliche Statistik mit Meldepflicht besteht nicht (Weiß 2016, 22). Eine Erfassung dualer Studiengänge auf freiwilliger Basis erfolgt durch die Datenbank AusbildungPlus des BiBB (BiBB 2017). Demnach hat sich die Zahl der Studiengänge von 500 im Jahr 2004 auf 1.592 im Jahr 2016 verdreifacht.[1] Die Studiengänge konzentrieren sich dabei auf eher wenige Fachrichtungen, jedoch mit vielfältigen Spezialisierungsmöglichkeiten. Dies sind vornehmlich die Ingenieurswissenschaften mit anteilig 38 %, die Wirtschaftswissenschaften mit 34 %, die Informatik mit 12 % und in den letzten Jahren besonders wachsend die Fachrichtungen Sozialwesen, Erziehung, Gesundheit und Pflege mit derzeit 10 % (BiBB 2017, 14). Die Zahl der dual Studierenden in Erstausbildungsstudiengängen hat sich von 41.000 im Jahr 2004 auf über 100.000 im Jahr 2016 erhöht. Für das Jahr 2016 verweisen die anbietenden Hochschulen auf 47.000 Praxispartner/-innen, mit denen sie zusammenarbeiten (BiBB 2017, 8f.). Dabei werden diese Studiengänge bis heute primär von den nicht-universitären, sowohl staatlichen wie privaten Anbieter(inne)n des Hochschulsektors vorgehalten. Dies sind hauptsächlich Fachhochschulen, die Duale Hochschule Baden-Württemberg und Akademien (vgl. Weiß 2016, 24). Die Hochschulen bzw. Akademien übernehmen im Zusammenspiel mit den unterschiedlichen Partner(inne)n häufig die zentrale Rolle bei der konkreten Ausgestaltung der Studiengänge (vgl. Ratermann 2015; Schütz 2015). Da ein Ausbildungs- oder Praktikantenvertrag[2] mit einem Unternehmen Voraussetzung für den Zugang zum dualen Studium ist, übernehmen die Unternehmen eine gatekeeper-Funktion (vgl. Krone 2015). Analog zur traditionellen dualen Ausbildung kommen auch bei der Auswahl der dual Studierenden demnach Selektions- und Auswahlkriterien sowie die Auswahlverfahren der Unternehmen zum Tragen. Damit wird ein wesentlicher Steuerungsmechanismus der klassischen dualen Berufsbildung auf den Hochschulsektor übertragen.

Mit dem Label „duales Studium“ werden häufig unterschiedlichste Ausbildungsformate versehen, die der dargestellten Grundidee jedoch nur bedingt folgen (vgl. z. B. Kupfer/Köhlmann-Eckel/Kolter 2014). Vor diesem Hintergrund hat der Wissenschaftsrat (2014) eine Klassifizierung dualer Studiengänge vorgenommen und zentrale Merkmale definiert, um langfristig eine verbindliche Abgrenzung, Systematik und Struktur für diese Bildungsangebote zu ermöglichen (vgl. BiBB 2017, 6; z. B. auch Wolter 2016, 42). Demnach ist zwischen Angeboten der Erstausbildung und der Weiterbildung zu unterscheiden, die jeweils in zwei Formaten umgesetzt werden können. Angebote der Erstausbildung können ausbildungsintegrierend, d. h. einen Hochschulabschluss und einen vollqualifizierenden beruflichen Ausbildungsabschluss beinhaltend, oder praxisintegrierend gestaltet sein, d. h. nur einen Hochschulabschluss beinhalten. Formate der Weiterbildung können berufsintegrierend oder praxisintegrierend umgesetzt werden (vgl. BiBB 2017, 6f.; Krone/Mill 2014, 53f.; Wolter 2016, 42). Die Mehrheit der angebotenen Studiengänge ist jedoch der Erstausbildung zuzuordnen (vgl. Krone/Mill 2014, 53). Seit 2011 zeigt sich dabei ein deutlicher Rückgang der ausbildungsintegrierenden Studienangebote von 50,9 % im Jahr 2011 auf 35,5 % im Jahr 2016 zugunsten der praxisintegrierenden Variante (vgl. BiBB 2017, 11; Wolter 2016, 43). Dies ist auf die nochmals höheren Anforderungen und Belastungen zurückzuführen, die mit dem ausbildungsintegrierenden Format verbunden sind. Denn hier ist nicht nur zwei unterschiedlichen Prüfungsmodalitäten zu folgen, der beruflichen und der hochschulischen, sondern es ist im Allgemeinen auch die Berufsschule als dritter Lernort einzubinden (vgl. Weiß 2016, 28ff.; Wolter 2016, 43). Die konkrete organisatorische Ausgestaltung der strukturellen und zeitlichen Verknüpfung der Lernorte zeigt sich insgesamt äußerst divergent (vgl. z. B. Ratermann 2015, 194ff.).

Der Wissenschaftsrat (2013, 2014) betont die zwei zentralen Merkmale dualer Studiengänge, die es durch verlässliche Qualitätssicherungsmaßnahmen auszubauen und zu sichern gilt. Dies ist der wissenschaftliche Anspruch des Studiums und die curricular systematische Verzahnung der beiden Lernorte Hochschule und Unternehmen bzw. Arbeitsplatz. Die wenigen bisher verfügbaren empirischen Untersuchungen verweisen denn auch auf Problemlagen insbesondere in diesen Feldern (vgl. z. B. Hesser/Langfeldt 2017; Kupfer/Köhlmann-Eckel/Kolter 2014). Eine häufig unzureichend strukturierte und institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den Lernorten scheint eine Vielzahl dualer Studienangebote zu prägen (z. B. Hesser/Langfeldt 2017, 65f.; Kupfer/Köhlmann-Eckel/Kolter 2014, 15ff.; Weiß 2016, 28ff.). So werden Eignungs- und Zulassungskriterien bei der Studienauswahl kaum zwischen Hochschulen und Unternehmen abgestimmt. Die Lernortkooperation und hiermit verbunden die strukturelle und inhaltliche Verzahnung der theoretischen und praktischen Ausbildungsbestandteile als zentraler Anspruch dualer Studiengänge bleiben bisher noch zu wenig entwickelt. Unternehmen und Hochschulen arbeiten insgesamt bei der Konzeptionierung und Umsetzung ihrer jeweiligen Ausbildungsbestandteile sowie bei der Betreuung der Studierenden nur bedingt zusammen. Letztlich obliegt es den einzelnen Studierenden, die unterschiedlichen Erfahrungen, Inhalte, Wissens- und Fähigkeitsstrukturen zusammenzufügen, zu vernetzen und in eine stimmige individuelle Kompetenzstruktur zu überführen (vgl. z. B. Kupfer 2013, 28; Weiß 2016, 29).

Trotz aufscheinender Problemlagen zeigen sich für das duale Studium relativ geringe Abbruchquoten und hohe Übernahmequoten nach erfolgreichem Abschluss. Kupfer (2013, 27f.) verweist auf der Basis ihrer Erhebungen auf 6,9 % für erstere und 89 % für letztere. Die Auswahl der Studierenden ist dabei aus Sicht der Unternehmen ein Qualitätssicherungsmittel. Die Unternehmen beschreiben ihre dual Studierenden tendenziell als belastbarer und leistungsfähiger als klassische Studierende (vgl. Kupfer 2013, 27). Wolter (2016, 45) spricht von einem sich etablierenden Mythos, dass das duale Studium primär die „Abiturientenelite“ an sich binde, die über diesen beruflichen Karriereweg hinein in die Führungsebenen aufsteigt. Mit Blick auf die verfügbaren empirischen Daten relativiert sich dieses Bild. Aus den wenigen Studien lässt sich eine gewisse Tendenz ableiten, wie Wolter (2016, 46ff.) aufzeigt: Zunächst lässt sich ein Selbstselektionsprozess „entlang der Leistungs- und Interessendimension“ identifizieren. Demnach scheinen Studienberechtigte mit sehr gutem Leistungsniveau stärker an einem Universitätsstudium interessiert, vergleichsweise wenige an einem dualen Studium. Die Interessenten an einem dualen Studium scheinen stärker aus dem guten und mittleren Leistungsniveau zu stammen. Ihre Studienwahlmotive sind zudem deutlich durch materiell-berufsbezogene Werte geprägt, inhaltliche und auch wissenschaftliche Interessen stehen demgegenüber weniger im Fokus. Sie zeigen des Weiteren ausgeprägte Präfenzen für eine hohe berufliche Sicherheit und hohe Karriereambitionen (Wolter 2016, 48f.). Der Fremdselektionsprozess auf der Basis der betrieblichen Auswahlverfahren führt zu einem „Creamingeffekt“ bei dieser so zu beschreibenden Interessentenklientel, „so dass sich die Mehrzahl für ein duales Studium angenommenen Bewerber/-innen aus dem oberen Leistungssegment rekrutiert“; das Zensurenspektrum der Durchschnittnoten liegt bei 2,3 und entsprechend darüber (Wolter 2016, 50).

Vor dem Hintergrund der Rückgänge bei den Neuzugängen in der klassischen dualen Ausbildung und den steigenden Teilnahmezahlen in den dualen Studiengängen wird seit geraumer Zeit diskutiert, ob und in welcher Weise die dualen Studiengänge sich als Konkurrenz zur dualen Ausbildung etablieren könnten. Bisher können hierzu noch keine belastbaren Aussagen getroffen werden. Folgt man den diskutierten Selbstselektionsprozessen seitens der Studieninteressierten, so präferieren die dual Studierenden im Zweifel eher alternative Hochschulangebote als eine klassische duale Ausbildung (vgl. Krone/Mill 2014, 55; Wolter 2016, 57f.). „Eine betriebliche Berufsausbildung wird [offenbar seitens der Studienberechtigten] als Ergänzung, aber nicht als Substitut eines Hochschulstudiums gesehen“ (Wolter 2016, 58). Das duale Studium ist demnach aus Sicht der Studierenden eine Alternative innerhalb des akademischen, nicht des berufsbildenden Feldes. Studien des BiBB deuten an, dass Betriebe in dualen Studiengängen eher eine alternative Rekrutierungs- und Bindungsmöglichkeit im Vergleich zu anderen Hochschulabsolvent(inn)en sehen und dass das Ausbildungsengagement dadurch nicht beeinflusst sei (Weiß 2016, 31).

Auch mit Blick auf die Bachelorabsolvent(inn)en insgesamt wird diskutiert, ob diese zunehmend Fachkräfte der mittleren Qualifikationsebene mit und ohne Aufstiegsfortbildung verdrängen könnten. Die Daten bleiben auch hier ungenügend und uneindeutig. Einige Studien scheinen Konkurrenzen zu bestätigen (vgl. Becker 2012; Krone 2015, 76ff.; Krone/Mill 2014); andere nicht (vgl. Bromberg/Haipeter/Kümmerling 2014; Werner/Schmidt/Hollmann 2008). Wieder andere deuten darauf, dass das Problem ein relatives sein könnte. Denn der Anteil an Doppelqualifikationen, d. h. die Kopplung von dualer Ausbildung und konsekutiv anschließender akademischer Ausbildung, liegt bei Führungskräften mit zwei Dritteln bereits heute sehr hoch (vgl. Franz/Voss-Dahm 2011).

Letztlich bleibt die Frage nach der Verortung der dualen Studienabschlüsse unter Berücksichtigung der angestrebten konkreten Einsatzfelder in den Betrieben und im Verhältnis zu den klassischen Abschlüssen der beruflichen und der akademischen Bildung empirisch weitgehend unbeantwortet. Die bestehenden Studien gehen nur bedingt auf branchenspezifische Differenzen ein und fokussieren verstärkt auf Großunternehmen. Die Besonderheiten der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sind derzeit noch kaum betrachtet. Es ist zu erwarten, dass sich die Wirkungen der sogenannten Akademisierung in Abhängigkeit von traditionellen branchenspezifischen Berufsausbildungsnachfrage- und -angebotsstrukturen deutlich unterscheiden und sich hieraus durchaus unterschiedliche Perspektiven für das Angebot dualer Studiengänge und deren Wertigkeit im Qualifizierungsportfolio der Unternehmen ergeben. Diese Überlegungen werden nachfolgend unter Berücksichtigung ausgewählter Studienergebnisse des Projektes „Effekte des deutschen Akademisierungstrends aus Unternehmensperspektive (AkaDEmUs)“ diskutiert.

5 Akademisierung aus Unternehmensperspektive: Duales Studium vs. duale Ausbildung?

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Akademisierungsentwicklungen wurden 29 problemzentrierte Interviews mit Personalverantwortlichen aus regional agierenden, ausbildenden Unternehmen des Einzelhandels (n = 9), des Groß- und Außenhandels (n = 6), aus der Industrie (n = 7) und der Bankenbranche (n = 7) geführt. Dabei wurden sowohl Großunternehmen (n = 14) sowie kleine und mittlere Unternehmen (n = 15) erfasst. Der Erhebungszeitraum lag zwischen Februar 2016 und November 2016, die Interviewdauer bei durchschnittlich einer Stunde. Die Fragen fokussierten auf die unternehmensspezifischen Wahrnehmungen des Akademisierungstrends, auf die Effekte für das Unternehmen und die Branche sowie auf die Maßnahmen und Strategien, mit denen die Unternehmen hierauf reagieren. Die Interviews wurden mittels inhaltlich strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse unter Anwendung des konsensuellen Codierens nach Hopf und Schmidt (1993) ausgewertet. Im Folgenden werden kurz die zentralen Ergebnisse zu den drei am stärksten kontrastierenden Branchen Industrie, Einzelhandel und Bank vorgestellt. Für die drei Branchen lässt sich folgendes Datenbild skizzieren:

Industrie (n = 7)

  • Die Nachfrage- Bewerbersituation stellt sich für die befragten Unternehmen je nach Berufsfeld sehr unterschiedlich dar. So wird für die handwerklichen und gewerblich-technischen Berufe auf deutlich rückläufige Bewerberzahlen (n = 7), teilweise auch auf zunehmend qualitative Problemlagen (n = 3) verwiesen. Vier der Befragten konstatieren in diesem Zusammenhang eine wahrnehmbare Abneigung gegenüber diesen Berufsfeldern seitens der Bewerber/-innen. Demgegenüber zeigen sich für die kaufmännischen Berufe stabile und zunehmend steigende Bewerberzahlen (n = 7). Die Qualifikationsanforderungen liegen primär bei Hauptschul- und mittleren Schulabschlüssen, wobei die Befragten in der Mehrheit der Berufe keine wesentlichen Veränderungen der inhaltlichen oder formalen Qualifikationsanforderungen in den letzten fünf bis zehn Jahren sehen. Die Befragten betonen die deutlich ausgeprägte Aufstiegsorientierung der Jugendlichen in den letzten Jahren; sie scheint das zentrale wahrgenommene Moment der aktuellen Bildungsnachfrageentwicklungen im Kontext der Akademisierung zu sein. Sie zeigt sich nicht nur in den wahrnehmbaren Interessenverschiebungen hin zu den kaufmännischen Berufen, sondern in der expliziten Nachfrage nach möglichen anschließenden Weiterbildungs- und Karriereoptionen. Aus Sicht der Befragten scheint sich eine Philosophie des „immer höher hinaus“ (A2, Z 236-237) herauszubilden, wobei gerade handwerkliche und gewerblich-technische Berufe nicht als gesellschaftliche Aufstiegswege interpretiert werden. Letztlich betonen die KMU eine aus ihrer Sicht merkliche Konkurrenz zu industriellen Großunternehmen im Kontext des Recruitings.
  • Die Relevanz der dualen Ausbildung sehen die Befragten als ungebrochen hoch. Vor dem Hintergrund eines wahrnehmbaren Fachkräftemangels (n = 7) insbesondere im operativ technischen und produzierenden Bereich wird die duale Ausbildung als Weg zur Fachkräftesicherung und -bindung gesehen („Dieses duale System ist einfach Gold wert.“ (A5, Z. 942); „nicht wegzudenken“ (A7, Z. 896)).
  • Das duale Studium wurde in der Vergangenheit von insgesamt fünf Unternehmen und in eher geringem Umfang angeboten. Dabei verweisen vier der Befragten explizit darauf, dass ein solches Angebot nur erfolgt, wenn absehbar entsprechende Positionen im mittleren und höheren Management zu besetzen sind. Das Angebot erfolgt demnach primär bedarfsorientiert, „da wir […]für neunzig Prozent der Arbeitsplätze diesen Bildungsstand hier auch gar nicht brauchen“ (A3, Z. 1044-1045), so einer der Befragten. Allerdings wird betont, dass die besagten Positionen prinzipiell auch ohne ein solches Studium erreicht werden könnten. Entsprechend sehen die Befragten auch zukünftig keine direkten Verdrängungstendenzen mit Blick auf die duale Ausbildung (n = 6); das duale Studium wird eher als ergänzender alternativer Qualifizierungsweg für strategische Tätigkeitsfelder beschrieben (n = 4).

Einzelhandel (n = 9)

  • Die Nachfrage- Bewerbersituation im Bereich der dualen Ausbildung ist scheinbar weniger durch eine quantitative, als durch eine qualitative Bewerberproblematik gekennzeichnet (n = 6). Die Qualifikationsanforderungen an potentielle Auszubildende haben sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert, so die Befragten. Der Fokus liege hier primär auf sogenannten soft skills und weniger stark auf formalen Bildungsabschlüssen, dies gilt insbesondere für die Ausbildung für „Tätigkeiten auf der Fläche“. Akademisierungsentwicklungen werden durch die Befragten kaum problematisiert, jedoch ein wahrgenommenes Imageproblem des Handels. Mit ihm wird ein geringes gesellschaftliches Ansehen verbunden (n = 3).
  • Die Relevanz der dualen Ausbildung wird als hoch eingestuft; sie stellt das zentrale Ausbildungsangebot für den operativen Bereich dar (n = 8). Einer der Befragten hält fest: „sehr hohe[r] Stellenwert, weil wir sämtliche Nachwuchskräfte aus diesem Bereich rekrutieren.“ (CR2, Z. 160-161). Obwohl Fachkräfteengpässe oder -mangel kaum explizit problematisiert werden, ist die Fachkräftesicherung ein zentrales Ziel (n = 6) mit der Orientierung, sich „unabhängig [zu] machen vom externen Arbeitsmarkt“ (CR6, Z. 183), so einer der Befragten.
  • Das duale Studium wird von der Mehrheit der befragten Unternehmen regelmäßig angeboten (n = 6), wenn auch in eher geringem Umfang. Auch hier zielt das Angebot auf die Besetzung spezifischer Positionen im mittleren oder höheren Management (n = 4). Allerdings scheint diese primär bedarfsorientierte Angebotsentscheidung einem zunehmenden Nachfragedruck ausgesetzt zu sein. Denn drei der Befragten verweisen darauf, dass sie das duale Studium zunehmend als Instrument der Imagepflege und der Gewinnung sehr guter Bewerber/-innen für spezifische Tätigkeitsbereiche sehen, die andernfalls in alternative akademische Ausbildungsangebote ausweichen würden. Die Befragten verweisen insgesamt auf eine sehr deutliche Differenzierung zwischen operativen und strategischen Tätigkeitsfeldern und jeweils vorgesehenen Ausbildungswegen. Direkte Verdrängungseffekte zwischen dualem Studium und dualer Ausbildung werden nicht gesehen oder problematisiert. Jedoch verweisen zwei der Befragten explizit auf wahrnehmbare Verdrängungseffekte seitens des dualen Studiums mit Blick auf die traditionelle Qualifizierungs- und Aufstiegsalternative, d. h. ausgehend von einer dualen Ausbildung über die traditionelle Weiterbildung.

Banken (n = 7)

  • Die Nachfrage- und Bewerbersituation in Bezug auf die duale Ausbildung wird als unproblematisch beschrieben. Ein Bewerbermangel scheint nicht erkennbar (n = 5). Zwei Befragte benennen einen solchen, der aufgrund sinkenden Personalbedarfs jedoch nicht negativ bewertet wird. Die Qualifikationsanforderungen haben sich nicht wesentlich verändert, der primäre Fokus liegt weiterhin auf den Abiturient(inn)en (n = 7). Die Befragten nehmen insgesamt eine deutliche Aufstiegsorientierung und eine Zunahme der Nachfrage nach akademischen Ausbildungsoptionen, insbesondere nach dualen Studienplätzen, wahr (n = 6): „Man muss ein duales Studium im Schaufenster liegen haben, um einfach auch sehr gute Bewerberinnen und Bewerber überhaupt auf sich aufmerksam zu machen.“ (M7, Z. 237-239).
  • Die Relevanz der dualen Ausbildung ist für die befragten Banken weiterhin sehr hoch, denn es gibt „viel zu viele Funktionen, wo ich ganz speziell berufsspezifische Anforderungen und Fähigkeiten haben muss“ (M3, Z. 410-413). Der Nachwuchs wird dabei nahezu vollständig über ein einziges Ausbildungsberufsbild rekrutiert. Dabei wird derzeit auch kein zukünftiger Fachkräftemangel aufgrund fehlender Ausbildungsbewerber/-innen befürchtet, so die Sicht der Befragten.
  • Das duale Studium wird regelmäßig mit der Ausrichtung auf mittlere und höhere Managementpositionen (n = 5) angeboten, für operative Tätigkeiten sind aus Sicht der Befragten keine akademischen Qualifikationen erforderlich (n = 6). Zeitgleich werden jedoch seitens der Banken organisationsinterne Weiterbildungen deutlich gegenüber einem dualen Studium bevorzugt (n = 7). Das Angebot des dualen Studiums erfolgt primär auf „Außendruck“ durch die Nachfrager/-innen und ist damit weitgehend nachfrageinduziert, tatsächlicher eigener Bedarf wird durch die Befragten weitgehend verneint. Das duale Studium wird mehrheitlich (n = 5) als Marketing- und Rekrutierungsinstrument für die duale Ausbildung beschrieben; eine Umorientierung der Nachfrager/-innen scheint in einigen Fällen eine durchaus intendierte Strategie: „Die allerwenigsten, die sich auf ein duales Studium bewerben, sind auch tatsächlich dafür geeignet, und deswegen gelingt es mir sehr häufig im Vorstellungsgespräch, die Bewerber auch noch in die reguläre Ausbildung zu überführen.“ (M7, Z. 245-248), so einer der Befragten. Direkte Verdrängungseffekte durch das duale Studium mit Blick auf die duale Ausbildung schätzen die Befragten überwiegend (n = 6) als nicht gegeben ein; jedoch etablieren sich diese Abschlüsse in Konkurrenz zu den traditionellen Weiterbildungsstrukturen, die auf einer vorhergehenden dualen Ausbildung aufbauen.

Insgesamt reflektiert sich in den vorliegenden Daten eine Reihe von unterschiedlichen wahrgenommenen Effekten, die mit einer zunehmenden Akademisierung für die Unternehmen einhergehen. Dabei wird deutlich, dass sich diese wahrgenommenen Effekte in Abhängigkeit von der Branchenzugehörigkeit und damit der Berufe, die die Unternehmen typischerweise primär nachfragen bzw. ausbilden, unterscheiden. Zeitgleich wird deutlich, dass diese Effekte insgesamt von einer ausgeprägten Aufstiegsorientierung, wie sie den Akademisierungsentwicklungen zugrunde liegt, getragen zu sein scheinen.

In den hier befragten Unternehmen des Bankensektors zeigt sich dabei eine Situation, die sich im Sinne des Akademisierungsdiskurses als klassisch beschreiben lässt. Denn die Ausbildungsberufe des Finanzdienstleistungssektors als Teil des oberen Berufssegments werden primär von Hochschulzugangsberechtigten besetzt. Die über die Jahre zugenommene Präferenz dieser Nachfragergruppe für eine akademische Ausbildung wird auch durch die hier Befragten des Bankensektors bestätigt; sie ist verbunden mit einer steigenden Nachfrage nach dualen Studiengängen. Da, wie Wolter (2016, 58) diskutiert, die Nachfragenden nach einem dualen Studium wiederum als Alternativen eher ein Hochschulstudium als eine duale Ausbildung in Betracht ziehen, entsteht hier ein deutlicher Nachfragedruck für die befragten Banken, duale Studiengänge vorzuhalten. Die traditionelle Alternative, über eine duale Ausbildung und bankenspezifische Weiterbildungswege Aufstieg umzusetzen, scheint für diese Nachfragenden weniger attraktiv, da sie eben nicht dem akademischen Feld zuzuordnen ist. Es bleibt somit fraglich, ob es langfristig gelingt, Nachfragende nach dualen Studienplätzen in eine duale Ausbildung „umzulenken“, wie das einige der Befragten in diesem Sektor als Handlungsstrategie angeben. Trotz dieser Problemlagen, sehen die Befragten vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl an Hochschulzugangsberechtigten keine Bewerberengpässe mit Blick auf die duale Ausbildung. Allerdings steht hier die Frage nach der möglichen langfristigen Bindung der so ausgebildeten Fachkräfte im Raum. Die Befragten der Industrieunternehmen beschreiben im Kontext der Nachwuchsrekrutierung demgegenüber einen für sie zunehmend deutlichen Bewerbermangel, getragen durch die problematische Nachfrageverschiebung hin zu den kaufmännischen bzw. Büroberufen. Die scheinbar mangelnde Attraktivität der für sie zentralen gewerblich-technischen Berufsfelder greift dabei sowohl für den Ausbildungs- als auch für den Fachkräftemarkt; sie bildet ein aus ihrer Sicht zentrales Problem in Rekrutierungsfragen. Die Aufstiegsoption für die hier relevante Klientel der guten Hauptschulabsolvent(inn)en und insbesondere der Absolvent(inn)en mit mittlerem Schulabschluss fokussiert auf die Wahl eines Berufes aus einem möglichst „hohen“ Berufssegment mit entsprechendem Nachfrageverlust für die benannten Berufe in den unteren mittleren Segmenten der Industriebranche. Dies führt letztlich im Kontext abnehmender Anteile an qualifizierten Hauptschul- und mittleren Schulabsolventen zu Lücken in der Bewerberdecke. Die befragten Unternehmen des Einzelhandels wiederum, die primär Berufe im dritten und vierten Berufssegment anbieten, und hinsichtlich der Einstiegsqualifizierungen weniger stark abschlussorientiert ausgerichtet zu sein scheinen, problematisieren im Zusammenhang mit ihrer Nachwuchsrekrutierung vornehmlich die sinkende Bewerberqualität. Auch sie scheinen durch die Abwanderung guter Hauptschul- und Realschulabsolventen betroffen, die durch das Aufrücken von Bewerbergruppen mit geringerer Einstiegsqualifizierung nicht aufgefangen werden kann. In diesem Sinne scheint die „Sogkraft“ der akademischen Bildung, wie Dräger (2013, 45ff.) sie beschreibt, bzw. – so ist zu erweitern – die „Sogkraft“ des Aufstiegs sich hier auf die unteren Berufssegmente auszuwirken. Die hier generierten Daten scheinen die vielfältig diskutieren Prognosen zu bestätigen, dass aufgrund der Orientierung auf die höheren Berufssegmente unter abnehmender Zahl von guten Hauptschul- und mittleren Schulabsolventen das Potential an qualifizierten Bewerber(inne)n für die unteren Segmente zunehmend schmaler wird. Ihre Ersetzung durch alternative Bewerber mit niedrigeren Einstiegsqualifizierungen scheint derzeit noch keine konkrete Handlungsoption. Durch die in den Interviews aufscheinende Konkurrenz zwischen Großunternehmen und KMU auf dem Bewerbermarkt, wie sie insbesondere durch einige KMU problematisiert wird, ist diese Situation für die befragten KMU der Industrie und des Einzelhandels vergleichsweise stärker ausgeprägt.

Mit Blick auf die dualen Studienangebote als alternative Qualifizierungswege zeigt sich analog zum Bankensektor auch in den Ausführungen der Befragten aus Industrie und Einzelhandel, dass das primäre Ziel die Gewinnung und Bindung qualifizierten Nachwuchses ist (vgl. analoge Ergebnisse z. B. bei Krone/Mill 2014, 55; Heinemann/Koch 2014, 54). Im Gegensatz zum Bankensektor verweisen die Befragten in der Industrie und des Einzelhandels jedoch auf eine deutlich stärkere bedarfsorientierte Ausrichtung ihres Angebots an dualen Studienplätzen. Dies obwohl auch die Befragten insbesondere des Einzelhandels einen hohen Nachfragedruck für diese Studiengänge dokumentieren. Diese Angebotsorientierung ist dabei gekoppelt an eine weitgehend klare Differenzierung zwischen den verschiedenen Ausbildungswegen und den späteren intendierten Einsatzfeldern. So verdeutlichen die Befragten die aus ihrer Sicht unterschiedliche Positionierung, Tätigkeitsübernahme und Integration der Absolvent(inn)en dualer Studiengänge zu jenen dualer Ausbildungsgänge. Letztlich werden duale Studienplätze explizit für spezifische Positionen der mittleren und höheren Führungsebene angeboten. Absolvent(inn)en eines dualen Studiums nehmen demnach primär strategische, Absolvent(inn)en dualer Ausbildungsgänge primär operative Aufgaben wahr. Entsprechend erscheint es durchaus folgerichtig und zu den Ergebnissen bei Kupfer (2013, 29) passfähig, dass insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen darauf verweisen, dass sie langfristig keinen weiteren Ausbau ihres Angebots an dualen Studiengängen anstreben, da die relevanten Positionen nur bedingt verfügbar sind. So kommentiert einer der Befragten eines KMU: „Dadurch, dass wir so klein sind, also wir können nicht von unseren vierzig, fünfzig Leuten irgendwie schon zehn oder zwanzig Leitungsmenschen haben. Wer soll denn dann noch ausführend tätig sein?“ (A3, Z. 1087-91)

Das duale Studium scheint vor diesem Hintergrund aus Perspektive der Angebotsseite keine unmittelbaren Verdrängungseffekte mit Blick auf die duale Ausbildung zu generieren; das Ausbildungsengagement der Unternehmen wird scheinbar nicht geschmälert, wie auch Weiß (2016, 31) mit Blick auf ausgewählte empirische Daten argumentiert. Auch mit Blick auf die Aufstiegserwartung der dual Studierenden wäre dies langfristig nur bedingt tragfähig, da deren Orientierung für die berufliche Positionierung eben nicht auf operative Tätigkeiten ohne größere Mitarbeiterverantwortung ausgerichtet ist, wie die bereits diskutierten Studienwahl- und Berufswahlmotive dieser Klientel zeigen. Wie die Untersuchungsergebnisse bei Hesser und Langfeldt (2017, 60) andeuten, scheinen bereits heute die letztlich realisierten beruflichen Positionen von dual Studierenden nicht notwendigerweise ihren gesetzten Erwartungen zu entsprechen und zu entsprechenden Wechsel- und Anpassungsreaktionen zu führen.

Dennoch, so deuten die Ergebnisse der Interviewstudie an, zeigen sich in den drei Branchen Hinweise auf ein Verdrängungs- bzw. Substitutionspotenzial insbesondere mit Blick auf die traditionellen Aufstiegswege ausgehend von einer dualen Ausbildung über nachfolgende Weiterqualifizierungen hinein in mittlere und höhere Führungspositionen. Dies obwohl in allen drei Branchen dieser Aufstiegsweg als gleichwertige Alternative benannt, mit Blick auf den Bankensektor sogar präferiert wird. Dies könnte darin begründet sein, dass aus Sicht der Unternehmen eben die hochkarätigen Bewerber nicht mehr für eine duale Ausbildung gewonnen werden können, die für diesen Qualifizierungsweg traditionell prädestiniert wären, so argumentieren Heinemann & Koch (2013, 58). Für die hier befragten Banken lässt sich jedenfalls eine Verdrängung in diesem Bereich vergleichsweise verstärkt und hier insbesondere nachfrageinduziert festhalten.

Es ist anzumerken, dass sich die Befragten sehr vorsichtig hinsichtlich der Prognose zukünftiger Herausforderungen in der Nachwuchsgewinnung und -sicherung zeigen. Einige der befragten Personalverantwortlichen insbesondere in der Industrie und im Einzelhandel verweisen darauf, dass die derzeitige Situation im Kontext zukünftiger verstärkter Digitalisierung und damit veränderter Tätigkeitsanforderungen deutlichen Veränderungen unterliegen könnte, die derzeit aus ihrer Sicht nur schlecht abschätzbar sind.

6 Fazit und Ausblick

Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Akademisierungstrend und die Nachfrageverschiebungen hin zu höheren und akademischen Qualifizierungsangeboten in Kopplung mit den tradierten Segmentierungsstrukturen in der beruflichen Bildung unterschiedliche Wirkungen und Effekte in Abhängigkeit von traditionellen branchenspezifischen Berufsausbildungsnachfrage- und -angebotsstrukturen, aber auch in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße zu generieren scheinen. Der zentrale gemeinsame Nenner sind dabei die Aufstiegsorientierungen unterschiedlicher Form seitens der verschiedenen Nachfragergruppen, nicht nur der Hochschulzugangsberechtigten. Zudem verweisen die Daten der hier diskutierten Interviewstudie darauf, dass sich vor diesem Hintergrund unterschiedliche Perspektiven für das Angebot dualer Studiengänge und deren Wertigkeit im Qualifizierungsportfolio der Unternehmen ergeben. Die weitere differenzierte und empirisch gesicherte Erfassung der Perspektiven der Unternehmen und ihres konkreten Qualifikations- und Rekrutierungshandelns in Abhängigkeit von Tätigkeitsfeld, Branche und Unternehmensgröße scheint demnach zentral für das Verständnis der Akademisierungsdynamiken und insbesondere ihrer langfristigen Effekte.

Zeitgleich scheint das Verständnis dualer Studiengänge hinsichtlich ihrer Verortung zwischen akademischer und beruflicher Bildung weniger Unterschiede bei den befragten Unternehmen aufzuweisen. Duale Studiengänge werden sowohl aus Sicht der nachfragenden Jugendlichen als auch aus Sicht der unterschiedlichen anbietenden Unternehmen, hier entlang des späteren Einsatzes der Absolvent(inn)en, primär als ein akademisches Ausbildungsangebot wahrgenommen. Eine unmittelbare Verdrängung der dualen Ausbildung deuten die hier vorliegenden Daten für die aktuelle Situation weniger an. Jedoch könnten durch die dualen Studiengänge als alternativer akademischer Zugang zu mittleren und höheren Führungspositionen Aufstiegswege über die duale Ausbildung mit anschließenden Weiterbildungsoptionen zunehmend unter Druck geraten. Damit würden sich Optionen für Aufstieg über die duale berufliche Ausbildung tendenziell weiter schließen und damit ihre Attraktivität langfristig weiter sinken. Da der Ausbau hybrider Ausbildungsangebote bildungspolitisch als Option zur aktiven Gestaltung des Akademisierungstrends gesehen wird, insbesondere mit dem Ziel der Stärkung der beruflichen Bildung, stellt sich die Frage nach der konkreten Gestalt solcher hybriden Ausbildungsangebote. Eine Gestalt, die die Verzahnung zwischen beruflicher und akademischer Bildung im Sinne der „Verbindung von gleichwertigen Teilen“ (Euler 2015, 329, Hervorhebungen d. V.) realisiert und damit zur geforderten Stärkung der beruflichen Bildung als gleichwertige Ausbildungskomponente neben der akademischen beiträgt. Trotz erster Ansätze (z. B. Bertelmann Stiftung 2015) bleiben diese Gestaltungsfragen beispielsweise mit Blick auf strukturelle, institutionelle, rechtliche oder inhaltliche Fragen bisher weitgehend unbearbeitet. Dies deutet, neben der Frage der empirisch gesicherten Beschreibung, einmal mehr auf die Vielfalt an derzeit offenen Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit den Akademisierungsentwicklungen und damit verbunden mit der zukünftigen Gestalt und Beziehung von beruflicher und akademischer Bildung ergeben.

Literatur

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2012): Bildung in Deutschland 2012. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf. Bielefeld.

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[1] Daten für das Jahr 2016 beziehen sich auf das Format der Erstausbildung.

[2] Zudem finden je nach Form auch Arbeits- oder Volontariatsverträge Anwendung.

Zitieren des Beitrags

Kuhlee, D./Irmscher, M. (2018): Duales Studium vs. duale Ausbildung: Zur Diskussion um die Relevanz dualer Studienangebote unter Berücksichtigung der Unternehmensperspektive. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 34, 1-24. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe34/kuhlee_irmscher_bwpat34.pdf (18.10.2018).