bwp@ Profil 9 - August 2024

Vernetzt mit Franz

Profil 9: Digitale Festschrift für Franz Gramlinger

Hrsg.: Karin Büchter, H.-Hugo Kremer, Nicole Naeve-Stoß, Karl Wilbers & Lars Windelband

Du wirst immer älter, aber auch immer schlauer – Happy Birthday, Franz!

Es gibt Menschen, die mit 15 so aussehen wie ihr Vater mit 60 – und es gibt Menschen, die mit 60 so aussehen wie ein ewiger Jugendlicher. Du ahnst, was nun kommt ... Nein, nicht aus Gefälligkeit zählst Du für mich klar zum zweiten Typ, sondern es ist Dein mit einem offenen Lachen verbundene, manchmal lausbubenhafte Erscheinung, die Dich in die Gefahr bringt, beim Kauf von Alkohol oder Zigaretten im Supermarkt noch Dein Alter per Ausweis belegen zu müssen.

Franz Gramlinger

Dein Lachen ist prägend (Ökonomen würden von einem USP sprechen), es hellt im Kontakt zu Dir die Stimmung auf und gibt dem Austausch schnell eine positive Grundierung. Bräuchte bwp@ ein Talkshowgesicht, dann wärst Du für mich der erste Kandidat...

Wir lernten uns zwar im Wissenschaftsbetrieb kennen, haben jedoch nach meiner Erinnerung kaum einmal ernsthaft über Wissenschaftliches geredet. Die Welt der Wirtschaftspädagogen in der DACHLI[1]-Welt ist bekanntlich überschaubar – klein genug, um alle zu kennen und groß genug, um jedem aus dem Weg gehen zu können! Aber trotz ihrer Übersichtlichkeit teilt sie sich in Gruppen (oder in wissenschaftlicher Vornehmheit: Schulen) auf. Man weiß nicht so recht, was genau die Kölner oder Göttinger Schule, die Schule der Empiriker oder Modellversuchsforscher, die Quantitativen oder Qualitativen ausmacht. Für mich warst Du aber in der gleichen Schule wie ich – einer von uns, wie immer die auch überschrieben war.

Als Deutscher in der Schweiz spielt unvermeidbar die Nationalität als Persönlichkeitsmerkmal eine Rolle. Noch mehr als an den Deutschen arbeiten sich so manche Schweizer an den Österreichern ab. Die Eidgenossen verlieren schnell ihre sprichwörtliche Höflichkeit, wenn sie auf charakteristische Merkmale der Österreicher zu sprechen kommen: Die Schweizer sparen, um noch reicher zu werden – die Österreicher, damit sie nicht verarmen... Oder auf die Anmerkung des Österreichers, dass schon die Nationalflaggen mit ihren Farben die Gemeinsamkeit der beiden Länder zeigen – darauf der Schweizer: Ja, das stimmt, aber wir haben ein Plus Schweiz und ihr habt ein Minus Österreich.

Du widerlegst alle Stereotypen und Vorurteile über den ‚typischen‘ Österreicher. Du bist nicht grantig, schon gar nicht humorlos und auch nicht langsam. Positives Denken und Lachen gehören zu Deiner DNA.

Aber dann gab es doch ein Ereignis, an das ich bis heute gerne zurückdenke. Wir trafen uns im Dezember 2015 zufällig auf einem Berufsbildungskongress in Vientiane/Laos.

Session Slide

Ich war in einer Plenary Session mit einem Vortrag engagiert, Du versuchtest in einer Panel Discussion die auf diesen Kongressen üblichen Buzzwords zu entschlüsseln und mit europäischen Erfahrungen zu verbinden. 

Und wie so häufig bestand ein wesentlicher Ertrag der Konferenz in dem Foto mit allen Speakern – wer hat da wohl das offensivste Lächeln?

Foto Euler

Woran ich mich aber noch genau erinnere, war unser gemeinsamer abendlicher Streifzug in das Zentrum von Vientiane. Es war zwar Dezember, aber die Temperaturen lagen dort auch abends noch bei mehr als 20 Grad. Es war ein beeindruckender Trip ..

(Fotos: Dieter Euler)(Fotos: Dieter Euler)

Wir staunten über gastronomische Improvisationen, über neonerhellte Restaurants, vor deren Eintreten wir die Schuhe ausziehen mussten, über entspannte Fußmassagen – und über einen großen Platz, auf dem hunderte junge und ältere Laoten ihre Abendgymnastik (oder war es mehr?) verrichteten.

Irgendwie liefen wir durch den Abend wie zwei Studienräte, die sich in eine Disco verirrt hatten. Wir zählten in dieser Welt zu den ganz wenigen Nichtheimischen, fühlten uns fremd und in der Zweiergruppe doch geschützt. Ansonsten durch Termine und Erledigungsdruck getrieben, konnten wir uns treiben lassen. Es gab kein WLAN und damit keine Möglichkeit der Ablenkung – wir mussten die Zeit zum Erkunden, Interpretieren und Ordnen der Sinne nutzen. Keine Gesten der Ungeduld! Sich etwas mitteilen über das Wahrgenommene war für uns im wahrsten Sinne des Wortes etwas mit dem anderen teilen.

Damals warst Du gerade 50, nun erreichst Du die nächste Altersdekade. Aber wenn man mit 81 noch als Präsident eines großen Landes kandidiert, erscheinen Deine 60 Jahre in der Tat fast als das Ende der Pubertät. In Deinem Alter hat man die Gelassenheit derer, die nichts mehr werden müssen, die ihren Platz gefunden haben.

Apropos Gelassenheit: Es gibt ein schönes Büchlein von Wilhelm Schmid („Gelassenheit“), das ich vor Jahren von einem Kollegen in St. Gallen geschenkt bekam. Ich halte eigentlich nichts von Ratgeberliteratur, doch dieses kleine Buch kann ich sehr empfehlen. Hier ein paar kurze Ausschnitte: „Im vollen Lauf überqueren Menschen zwischen 40 und 50 die Mitte des Tages, die Hälfte des Lebens. Das Wissen um die Begrenztheit des Lebens wächst – und bleibt doch weiterhin sehr theoretisch, denn praktisch liegt die Grenze meist noch in weiter Ferne. ... Mit 60 steht mir schlagartig vor Augen, dass der Lebensnachmittag in überschaubarer Zeit zu Ende geht und es wohl besser ist, nicht alles auf den Abend zu verschieben. Was ist mir wichtig, was sollte ich besser nicht länger aufschieben? Jetzt noch einmal das Leben von Grund auf durchrütteln? Wieviel Zeit bleibt mir noch? Welche Pläne lassen sich noch realisieren? ‚Sie sehen ja noch gut aus für Ihr Alter. Sie sind ja noch fit. Toll dass Sie das noch im Kopf rechnen können‘. Noch kann der Freund angerufen werden, um mit ihm zu plaudern. ... Gelassenheit heisst jetzt, sich mit dem unscheinbaren Wörtchen ‚noch‘ anzufreunden.“

Aber vielleicht passt ein Zitat von Gregor Gysi besser auf Dich: „Ich bin wild entschlossen, das Alter zu genießen. Ich weiß nur noch nicht genau, wann es beginnt!“

Lieber Franz, was immer Du vorhast oder vermeiden willst – ich wünsche Dir, dass es Dir gelingt.

Alles Gute,

Dieter

 

[1] DACHLI – Deutschland, Austria, Schweiz, Liechtenstein.

Zitieren des Beitrags

Euler, D. (2024). Du wirst immer älter, aber auch immer schlauer – Happy Birthday, Franz!. In K. Büchter, H.-H. Kremer, N. Naeve-Stoß, K. Wilbers & L. Windelband (Hrsg.), bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online. Profil 9 (S. 1–5). https://www.bwpat.de/profil9_gramlinger/euler_profil9.pdf (04.08.2024)