bwp@ Spezial 16 - November 2019

Berufsfelddidaktik in der Schweiz: internationale Einbettung, Ausdifferenzierung und konkrete Umsetzung

Hrsg.: Antje Barabasch & Carmen Baumeler

Konstituierende Elemente der Berufsfelddidaktik – spezifische Charakteristika und Unterschiede

Beitrag von Daniel Degen, Seraina Leumann, Anna Keller & Janine Gut

Die Schweizerische Berufsbildung zeichnet sich durch ihre Orientierung an Handlungskompetenzen im zu erlernenden Beruf aus. Die Ausbildungsinstitutionen von Berufsbildungsverantwortlichen haben deshalb ein großes Interesse daran, berufsspezifische Anforderungen in ihre Lehre zu integrieren. Der Ansatz einer Berufsfelddidaktik kann hier mit seinem Fokus auf den Kompetenzerwerb in einem Berufsfeld anhand von berufs(feld)spezifischen Situationen Chancen und neue Möglichkeiten bieten. Die Frage stellt sich jedoch, ob ein gemeinsames Verständnis einer Berufsfelddidaktik besteht und woraus sich dieses zusammensetzt. Anhand von qualitativen Interviews mit Dozierenden und Studiengangleitenden verschiedener Schweizer Ausbildungsinstitutionen für Berufskundelehrpersonen ließen sich drei konstituierende Elemente einer Berufsfelddidaktik feststellen: Fachwissenschaften als Zugang mit fachspezifischen Methoden und Konzepten, Situationsprinzip mit einer Orientierung an berufsspezifischer Praxis und Allgemeindidaktik als Zugang basierend auf grundlegenden, lehr-lerntheoretischen Methoden und Konzepten. In der Zusammensetzung und Gewichtung dieser drei Elemente zur Konstitution einer Berufsfelddidaktik konnten spezifische Charakteristika und Unterschiede festgemacht werden. Im vorliegenden Beitrag werden diese vor dem Hintergrund unterschiedlicher Organisationsformen und Rahmenbedingungen vertieft dargestellt und diskutiert.

1 Einführung

Die Schweizerische Berufsbildung weist eine lange Tradition auf. Ihre Wurzeln reichen bis in das Mittelalter zurück, als noch die Zünfte für die Ausbildung von Nachwuchskräften zuständig waren. Mit der Einführung der Handels- und Gewerbefreiheit und der Aufhebung der zünftischen Regelungen im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Berufsbildung ähnlich wie in Deutschland und Österreich nach dem dual-korporatistischen Ausbildungsmodell weiter. Neben der praktischen Ausbildung in den Betrieben bedeutete dies eine Institutionalisierung von theoretischen Lerninhalten in Berufsschulen und eine Steuerung durch Staat und Wirtschaft (Ebner 2013). Heute unterliegt die Schweizerische Berufsbildung einem national geltenden Berufsbildungsgesetz (BBG). Es regelt die Berufsbildung der Schweiz sowohl auf Sekundarstufe II als auch im Tertiär B Bereich. Mit der letzten Revision des Berufsbildungsgesetzes im Jahr 2002 wurden überbetriebliche Kurse (üK) als dritter Lernort in allen beruflichen Grundbildungen institutionalisiert. Die Lernenden[1] erwerben dort die grundlegenden praktischen Fertigkeiten ihres Ausbildungsberufs (SBFI 2018).

Gleichzeitig wurde das Paradigma des Handlungskompetenzansatzes in das Schweizerische Berufsbildungssystem aufgenommen. Neuere Bildungspläne orientieren sich seitdem bei der Definition von Lerninhalten an beruflichen Handlungssituationen. Damit wird sichergestellt, dass auch das schulische Lernen in Berufsschulen und überbetrieblichen Kursen immer in einem berufsrelevanten Kontext steht und Kompetenzen aufgebaut werden, die vom Arbeitsmarkt gefordert werden. In der Ausbildung von Berufskundelehrpersonen hat die Verbindung zwischen Praxis und Lehre deshalb an Bedeutung gewonnen. Sie müssen befähigt werden, die berufliche Realität für ihren Unterricht nutzbar zu machen. Dies verlangt von den Lehrpersonen, dass sie sich an den Anforderungen eines spezifischen Berufsfelds orientieren und diese mit den in den Bildungsplänen verlangten Kompetenzen in Verbindung bringen.

Eine Berufsfelddidaktik könnte den Ansprüchen einer didaktischen Verbindung von schulischem und betrieblichem Lernen gerecht werden, indem sie sich gemäß Schubiger und Rosen (2013) auf konkrete berufliche Anforderungen, Situationen und Bedingungen sowie auf zielgruppenspezifische Voraussetzungen bezieht. Ein von swissuniversities teilfinanziertes Kooperationsprojekt verschiedener Schweizer Hochschulen widmet sich dem Konzept einer Berufsfelddidaktik. In diesem Zusammenhang ist unter anderem von Interesse, was Studiengangleitende und Dozierende von Berufskundelehrpersonen unterschiedlicher Ausbildungsinstitutionen unter dem Konstrukt einer Berufsfelddidaktik verstehen und inwiefern bezüglich ihres Verständnisses institutionsspezifische Merkmale bestehen.

Diesem Forschungsinteresse geht der vorliegende Artikel nach und legt dabei ein besonderes Augenmerk auf institutionelle und sprachregionale Rahmenbedingungen. Zunächst wird als Ausgangslage der Schweizerische Kontext erläutert, bevor die theoretische Herleitung und der Forschungsstand der Berufsfelddidaktik näher in das Thema einführen. Der anschließende Methodenteil zeigt das konkrete Vorgehen hinsichtlich der Datenerhebung und -auswertung auf. Im Ergebnisteil werden die Auswertungen der Interviews exemplarisch dargestellt, diskutiert und letztlich mit der Theorie und dem Forschungsstand in Verbindung gebracht.

2 Kontext des Schweizerischen Bildungssystems

In der föderalistisch organisierten Schweiz liegt die Verantwortung des obligatorischen Teils des Bildungswesens bei den Kantonen. Dieser gliedert sich in den meisten der 26 Kantone in die drei Zyklen Kindergarten bis 2. Primarklasse, 3. bis 6. Primarklasse und 7. bis 9. Sekundarklasse. Die nachobligatorische Bildung auf Sekundarstufe II umfasst die gymnasiale Maturität, die Fachmittelschulen und die berufliche Grundbildung. Ungefähr zwei Drittel der Jugendlichen in der Schweiz absolvieren nach der obligatorischen Schule eine Ausbildung in einem der rund 230 unterschiedlichen Berufsangeboten (SBFI 2018, 4).

Die Ausbildung zur Berufskundelehrperson kann in der Schweiz an einer Pädagogischen Hochschule oder am Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB) absolviert werden. Zugelassen werden Personen, die einen Tertiär B Abschluss im entsprechenden Ausbildungsberuf oder einen Tertiär A Abschluss in einem dem Beruf verwandten Fachbereich vorweisen können. Die Ausbildung umfasst 10 ECTS-Punkte für Lehrpersonen im Nebenberuf (bis maximal 49% Pensum), respektive 60 ECTS-Punkte für Lehrpersonen im Hauptberuf (ab 50% Pensum) (SBFI 2014).

Der vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) definierte Rahmenlehrplan für Berufsbildungsverantwortliche legt die konkreten Bildungsziele für die Ausbildung von Berufskundelehrpersonen fest (SBFI 2015, 26ff). Der Ausbildung von Berufskundelehrpersonen im Hauptberuf sind lediglich sieben Bildungsziele gewidmet. Diese wiederum dienen den Ausbildungsinstitutionen als Vorgabe für die Entwicklung der entsprechenden Curricula. Der relativ tiefe Detailierungsgrad ermöglicht einen großen Interpretationsspielraum in der Umsetzung. So verlangt das Bildungsziel 7 beispielsweise eine fachdidaktische Aufbereitung der Inhalte des Lehrfaches, dies obwohl eine berufsbezogene Fachdidaktik mangels Anzahl Studierender oftmals nicht umsetzbar und wenig etabliert ist. Das Bildungsziel 2 macht eher einen allgemeindidaktischen, situationsbezogenen Zugang erforderlich, indem die Lehrpersonen Unterrichtsziele auch ausgehend von der beruflichen Erfahrung der Lernenden festlegen sollen.

Die Studiengangleitenden und Dozierenden in der Ausbildung von Berufskundelehrpersonen genießen in der entsprechenden Befähigung der angehenden Lehrkräfte somit eine gewisse Freiheit. Als Ziel des Berufskundeunterrichts legt der Rahmenlehrplan die Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis fest (SBFI 2015). Gemäß Schubiger und Rosen (2013) kann eine Berufsfelddidaktik diesem Anspruch gerecht werden. Im folgenden Kapitel wird das Konstrukt einer Berufsfelddidaktik daher von der Theorie ausgehend näher beleuchtet.  

3 Didaktische Zugänge in der Qualifizierung von Berufskunde­lehrpersonen

3.1 Pädagogisch-didaktischer Zugang

Die Unterrichtstätigkeit stellt eine Hauptaufgabe einer Lehrperson dar. Die Pädagogik und Didaktik gelten bei dieser Aufgabe als unverzichtbare Bezugswissenschaften (Coriand 2015). Die Pädagogik, beziehungsweise die häufig als Synonym bezeichnete Erziehungswissenschaft beobachtet, interpretiert und erklärt gemäß Stein (2013) die Prozesse der Erziehung, der Bildung, des Lernens und der Sozialisation. Sie unterstützt die Lehrperson daher mit Handlungswissen in der Bildung von Lernenden. Als integrierende Teildisziplin der Erziehungswissenschaften definiert Peterssen (2001) die Didaktik als eine handlungsorientierte Wissenschaft vom Lehren und Lernen. Coriand (2015, 14) stellt insbesondere die Wechselseitigkeit der Didaktik ins Zentrum, indem sie sie als „Theorie über das Verhältnis von lehren und lernen definiert“. Die Definition beruht somit auf der Einsicht, dass dem Lehren auch immer ein Lernen gegenüberstehen muss, soll die Übertragung der Bildungsinhalte erfolgreich vonstattengehen. Das didaktische Dreieck stellt dieses Verständnis grafisch dar, indem es neben der vermittelnden Rolle der Lehrenden auch diejenige der Aneignung auf Seite der Lernenden und des Unterrichtsgegenstands enthält (Kansanen/Meri 1999, 114). Es wurde im Verlaufe seines Bestehens vielfach überarbeitet und neu strukturiert und bildet damit auch den gesellschaftlichen Diskurs des Lehr-Lernverständnisses ab (Bönsch 2006). Zu Zeiten der lehrerzentrierten Unterrichtsgestaltung bildete noch die Lehrperson die Spitze des Dreiecks. Heute präsentieren sich die Pole interdependent. Reusser et al. (2013, 122) verstehen Unterricht dadurch „als gemeinsames Produkt der ko-konstruktiven Tätigkeit von Lehrperson sowie Schülerinnen und Schülern“. Grammes (2012, 346) bezeichnet das didaktische Dreieck jedoch gleichzeitig als „schlichte schematische Darstellung, die der Kompliziertheit der Vorgänge nicht gerecht werde“. Zudem stellen neue technologische Möglichkeiten die Rolle des Lehrens zunehmend in Frage (Terhart 2009). Trotzdem bildet das didaktische Dreieck gemäß Reusser (2008) mit den drei Polen die strukturelle Grundsituation des didaktischen Handelns ab, wodurch er darin eine gemeinsame Grundlage der allgemeinen Didaktik sowie der Fachdidaktik sieht. Reinmann (2012, 327) pflichtet ihm bei und stellt fest, dass „trotz der wissenschaftsinternen Berührungsängste […] sich sowohl die allgemeine Didaktik als auch die Fachdidaktiken als einen gemeinsamen Kern in der Regel auf das didaktische Dreieck (berufen)“. So geht es in allen Lernsituationen darum, angeleitet durch eine Lehrperson ein Spannungsverhältnis zwischen den Lernenden und dem Lerngegenstand aufzubauen (Bönsch 2006). Obwohl sich in der Literatur weder zu der allgemeinen Didaktik noch zu der Fachdidaktik Konsens bezüglich einer Definition finden lässt, sind zumindest im jeweiligen Zugang doch Unterschiede feststellbar.

Die Allgemeindidaktik oder auch allgemeine Didaktik als bildungstheoretische Disziplin wurde von Wolfgang Klafki stark mitgeprägt. In seinem Verständnis einer bildungstheoretischen Didaktik steht die Auswahl, Anordnung und Explikation der Lerninhalte im Zentrum des Unterrichts (Terhart 2009). Hericks (2008) identifiziert die Ziele, Inhalte und Methoden des Unterrichts sowie die entsprechenden Voraussetzungen und institutionellen Rahmenbedingungen als Gegenstand der allgemeinen Didaktik. Da der Vermittlungsgegenstand variabel ist, muss die entsprechende Didaktik eine hohe Flexibilität beweisen. Dadurch ergibt sich gemäß Reusser (2008) ein doppelter Anspruch an die allgemeine Didaktik, der nicht nur die Reflexion von Methoden und Steuerungsprozessen, sondern zuvor auch jene von Bildungsinhalten und Lehrplanentscheidungen voraussetzt. Coriand (2015) unterteilt diese Anforderungen in drei Grundfragen. (1) Zunächst gehören der allgemeinen Didaktik Prinzipien und Resultate der Stoffauswahl zu. (2) Anschließend ist der Stoff in eine sachlogische Strukturierung und pädagogische Abfolge zu bringen. (3) Letztlich geht es um die Umsetzung von adäquaten Unterrichtsmethoden mit geeigneten Medien. Heute steht die Allgemeindidaktik angesichts einer sich spezialisierenden Erziehungswissenschaft sowie der konkurrierenden Disziplinen aus der Lern- und Unterrichtspsychologie oder den Neurowissenschaften zunehmend unter Druck (Terhart 2009). 

Die Fachdidaktik beschäftigt sich ebenfalls mit den Inhalten und Methoden des Lehrens und Lernens, versucht diese jedoch domänenspezifisch zu begründen und zu verankern (Reinmann 2012). Sie bewegt sich innerhalb eines bestimmten Fachs, beziehungsweise einer konkreten Fachwissenschaft (Terhart 2009). Der Vermittlungsgegenstand kann hier also anders als bei der allgemeinen Didaktik als inhärentes Prinzip betrachtet werden. Statt einer Kooperation zwischen den Fachdidaktiken mit der allgemeinen Didaktik, zeichnet sich in zunehmendem Masse eine Verbindung mit der psychologischen Lehr-Lernforschung ab. So konstatiert Reinmann (2012, 327), „dass sich der Fokus (der Fachdidaktiken) tendenziell […] zur Suche nach allgemein gültigen Gesetzmäßigkeiten für die Beschreibung und Erklärung von domänenspezifischen Lern- und Wissenserwerbsprozessen hin bewegt“.

In der Ausbildung von Berufskundelehrpersonen haben sowohl allgemeindidaktische als auch fachdidaktische Zugänge ihre Berechtigung. Im Unterschied zu der Allgemeindidaktik stellt sich in der Anwendung des fachdidaktischen Konzepts in der Berufsbildung jedoch die Frage des Ausgangsfachs, respektive des domänenspezifischen Bezugs. Unter diesem Gesichtspunkt wird im folgenden Kapitel das Konzept einer Berufsfelddidaktik näher eingeführt. 

3.2 Berufsfelddidaktischer Zugang

In der Schweiz kann in rund 230 unterschiedlichen Berufen eine berufliche Grundbildung absolviert werden. Aufgrund dieser hohen Anzahl vorhandener Ausbildungsberufe bestehen mehrere Ansätze in Bezug auf eine Systematisierung der Berufe nach Berufsfeldern. Nach Pahl (2001, 18) stellt ein Berufsfeld „die Gesamtheit der in ihm vereinigten Berufe dar, wobei es durch die involvierten und in diesem Bereich arbeitenden Personen […], durch die erforderlichen Tätigkeiten und die technischen Gegebenheiten […] repräsentiert wird“. Während bei dieser Definition die berufliche Praxis im Zentrum liegt, fokussiert diejenige einer Expertengruppe des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie (BBT 2002, 5) auf pädagogisch-didaktische Überlegungen: „Ein Berufsfeld ist eine pädagogisch-didaktisch begründete Organisationseinheit, welche mehrere Berufe zusammenfasst“.

Wenn sich die entsprechende Didaktik am Berufsfeld orientiert, bleibt offen, ob der Fokus eher bei einer sich überschneidenden, beruflichen Praxis oder Unterrichtsmethodik liegt. In Anlehnung an die (Fach-)Didaktik müssten beide Zugänge Gegenstand der Berufsfelddidaktik sein, indem sie sich mit der Aufbereitung von Zielen und berufsfeldbezogenen Inhalten sowie der Gestaltung von Methoden und Medien des Unterrichts auseinandersetzt (Hericks 2008, Reinmann 2012). So identifiziert Pahl (2001, 28-29) die Berufs(feld)wissenschaft als Orientierungsrahmen der Berufsfelddidaktik. Sie schließt neben pädagogisch-didaktischem und organisatorischem Fachwissen auch Sach- und Methodenwissen der Facharbeit des Berufsfeldes sowie Fachwissenschaften, die für die entsprechende Berufsbildung von Bedeutung sind, mit ein.

Auch Fegebank (1998, 160f) nennt in ihrer Definition der Berufsfelddidaktik unterschiedliche theoretische Bezugspunkte, fokussiert aber insbesondere auf die Anforderungen der beruflichen Praxis: „Einerseits baut sie auf den Erkenntnissen der allgemeinen Erziehungswissenschaft, der speziellen Berufs- und Arbeitspädagogiken, eventuell verwandten‚ Fachdidaktiken und fachwissenschaftlichen Grundlagen korrespondierender Wissenschaften auf; andererseits gewinnt sie Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen (theoretischen, analytischen, empirischen) Auseinandersetzung mit den Qualifikationsanforderungen der Berufe des Feldes, den dazugehörigen Lehr- und Ausbildungsplänen, den schulischen und betrieblichen Rahmenbedingungen. Dabei kann sich die Lehre nicht auf die Wiedergabe von Theorien, Tatbeständen und Bedingungen beschränken, sondern muss kritische Betrachtungen anstellen, Bestehendes unter Umständen in Frage stellen, Alternativen und Weiterentwicklungen aufzeigen“. Die Bezugs-, respektive Fachwissenschaften sind in dieser Definition den Bezügen in die berufliche Realität klar untergeordnet.

4 Forschungsstand zu Berufsfelddidaktik

Während sich der Unterricht in der Primar- und Sekundarstufe I sowie in den Gymnasien und Fachmittelschulen neben pädagogischen und allgemeindidaktischen Bezügen vorwiegend an fachdidaktischen Kriterien orientiert, verunmöglicht in der Berufsbildung die hohe Anzahl an Ausbildungen eine fachspezifische Berufsdidaktik. Ein Lösungsansatz versucht deshalb, verschiedene Berufe in einem Berufsfeld zusammenzufassen und eine adäquate Didaktik zu betreiben.

Der Begriff «Berufsfelddidaktik» findet in der Literatur seit den 1990er Jahren im Zusammenhang mit der deutschen Lernfeldkonzeption Verwendung. Die Kultusministerkonferenz (KMK) in Deutschland beschloss im Jahr 1996, die Berufsbildung am Lernfeldkonzept auszurichten. Dieses bricht die traditionelle Fächertrennung auf und orientiert sich an beruflichen Handlungsfeldern. Ziel der Implementierung des Lernfeldkonzepts war die verstärkte Einführung des handlungsorientierten Unterrichts in die Curricula der beruflichen Bildung (Riedl 2015, 129). Die damit verbundene Neustrukturierung des Unterrichts führte dazu, dass die Fachdidaktik nicht mehr als die passende Ausrichtung gelten konnte. Der fehlende Bezug zu beruflichen Handlungssituationen förderte gemäß Baabe-Meijer (2003, 7) die Diskussion, „den Begriff Fachdidaktik in der beruflichen Bildung durch Berufsfelddidaktik zu ersetzen“.

Auch in der Schweiz wurde das Paradigma der Handlungsorientierung mit dem revidierten Berufsbildungsgesetz im Jahr 2002 in die berufliche Bildung implementiert (BBG 2002). Dies bedeutete, dass immer weniger das Fach, sondern vielmehr die Berufspraxis Ausgangs- und Bezugspunkt der beruflichen Bildung einnehmen musste. Die Berufs(feld)didaktik gewann deshalb in der Schweiz ebenfalls zunehmend an Bedeutung.

Im Rahmen eines international besetzten Expertinnen- und Expertenseminars am Schweizerischen Institut für Berufspädagogik (SIBP) im Jahr 2000 versuchte man sich dem Thema Berufsfelddidaktik aus verschiedenen Perspektiven zu nähern. In der Folge entstand ein Sammelband mit dem Titel „Berufsfelddidaktik – zwischen Fachsystematik und Handlungsorientierung“. Es diskutiert in den Berufsfeldern Informatik, Holz und Gesundheits- und Körperpflege verschiedene Ansätze für eine Berufsfelddidaktik. Pahl (2001) liefert darin einen allgemeinen Einstieg in die Thematik. Er sieht in der Berufsfelddidaktik hinsichtlich der zunehmenden Flexibilisierung und Mobilisierung der Berufe beispielsweise eine Chance, „die auf einzelne Berufe gerichteten bisherigen Konzepte beruflichen Lernens zu erweitern“ (17) und damit eine Entspezialisierung einzuläuten. Schürch (2001) konstatiert weiter, dass eine Fachdidaktik im Kontext von Berufsfeldern ihre epistemologische Verankerung verliert. Auch Pahl (2001) stellt hierzu fest, dass die Bezugswissenschaft in der Berufsbildung häufig nicht eindeutig ist oder mehrere beigezogen werden müssten. Zudem korrespondieren die Inhalte des Wissenschaftsgebietes nur mehr oder weniger mit jenen des entsprechenden Berufs. Hägele (2001) betont daher, dass sich die Berufsfelddidaktik vorwiegend an ihren inhärenten Arbeitsprozessen orientieren und daraus Handlungsfelder generieren muss, die eine berufliche und allgemeine Handlungsfähigkeit garantieren.

Euler und Hahn nehmen in ihrer im Jahr 2007 erschienenen Publikation „Wirtschaftsdidaktik“ das Gedankengut der Berufsfelddidaktik auf. Sie gehen darin auf die Vorteile einer ganzheitlicheren Ausrichtung der Berufsbildung ein. So trägt ihrer Ansicht nach „ein disziplinübergreifendes Vorgehen […] zur Aufklärung und Bewältigung beruflicher Lebenssituationen bei“ (Euler/Hahn 2007, 130). Neben der Wirtschaftsdidaktik hat sich auch die Pflegedidaktik als eigenständige Disziplin konstituiert. Ertl-Schmuck und Fichtmüller (2009, 30) sehen die entsprechende Didaktik im Spannungsfeld pluraler Wissenschafts- und Praxisbezüge bestehend aus Erziehungswissenschaft, Pflegewissenschaft, Bezugswissenschaften, beruflicher Pflegepraxis und Pflegebildungspraxis. Daneben kann im Bereich der Metall- und Elektrotechnik noch von einer eigens ausgearbeiteten Fachdidaktik die Rede sein (z. B. Schütte 2006).  

Schubiger und Rosen (2013) vertiefen die Frage nach der Bezugsquelle der Berufsfelddidaktik in ihrer Publikation „Berufsfelddidaktik der höheren Berufsbildung“. Sie identifizieren „berufliche Praxis“, „schulische Praxis“, „Fach- und Bezugswissenschaften“ und „Bildungstheorie“ als Kernkomponenten der Berufsfelddidaktik in der höheren Berufsbildung. Die Integration dieser Komponenten soll helfen, die Berufswirklichkeit als Ganzes zu erfassen und dazu beizutragen, die Lernenden zu derer Bewältigung zu befähigen. In Anlehnung an das von Robinsohn (1974) begründete Situationsprinzip sehen sie die Generierung der entsprechenden Lerninhalte vorwiegend aus der Beschreibung und der Analyse von relevanten Handlungssituationen. Weiter betrachten sie die Distanzierung der Auflistung reiner Fachinhalte als ein Ziel der Berufsfelddidaktik.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass empirische Versuche zur Konstitution des Konstrukts einer Berufsfelddidaktik bisher nur exemplarisch in einzelnen Berufsfeldern oder der höheren Berufsbildung vorhanden sind. Im Folgenden gilt es, das Verständnis einer Berufsfelddidaktik und deren Bestandteile von Studiengangleitenden und Dozierenden in Schweizer Ausbildungsinstitutionen für Berufskundelehrpersonen der beruflichen Grundbildung zu eruieren. Damit der Weg der entsprechenden Wissensproduktion intersubjektiv nachvollziehbar ist, werden im folgenden Kapitel sowohl die genaue Fragestellung ausgearbeitet als auch die verwendeten Methoden in der Datenerhebung und -auswertung dargestellt.

5 Methodik

5.1 Kontext und Ziele des Forschungsprojekts

In der Schweiz bieten verschiedene Institutionen Aus- und Weiterbildungen für Berufskundelehrpersonen an. Fachdidaktiken für die rund 230 erlernbaren beruflichen Grundbildungen anzubieten, ist mit Herausforderungen und offenen Fragen verbunden. Eine allgemeine berufliche Fachdidaktik, die die Anforderungen aller Berufe, respektive Berufsfelder, erfüllt, konnte sich bisher nicht durchsetzen. Für die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften in der Berufskunde kommen derzeit unterschiedliche Vorgehensweisen zur Anwendung.

Im Rahmen eines gesamtschweizerischen Kooperationsprojekts erarbeiten deshalb das Eidgenössische Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB), die Pädagogischen Hochschulen Luzern, St. Gallen und Zürich sowie die Universität Zürich gemeinsam als „Leading House“ wissenschaftliche Kompetenzen für die Berufsfelddidaktik in der Schweiz. Dabei werden vorhandene Lösungsansätze in der Aus- und Weiterbildung von Berufskundelehrpersonen der beruflichen Grundbildung analysiert und die Erkenntnisse publiziert. Ziel ist es, ein gemeinsames Verständnis der Berufsfelddidaktik in der Schweiz aufzubauen und das entsprechende Konzept für die Aus- und Weiterbildung von Berufskundelehrpersonen nutzbar zu machen.

5.2 Fragestellung

In der pädagogischen Ausbildung von Lehrkräften in der Schweiz genießen fach-, resp. allgemeindidaktische Ansätze einen hohen Status. Das Verhältnis zwischen Allgemeindidaktik und Fachdidaktik sorgt aber immer wieder für Debatten, deren Bandbreite von einer gegenseitigen Abhängigkeit bis zu Abschottungsaktionen reicht (Arnold/Rossa 2012). Auch in der Berufsbildung ist die Frage der Beziehung dieser unterschiedlichen Ansätze nicht abschließend geklärt. Dies führt dazu, dass die Ausbildungsinstitutionen für Berufskundelehrpersonen verschiedene Umsetzungsformen realisieren. Während eine strikt fachdidaktische Herangehensweise aufgrund der großen Diversität der Berufe und der teilweise kleinen Anzahl Lernenden kaum umsetzbar ist, fordert der Rahmenlehrplan eine fachdidaktische Aufbereitung der Inhalte des Lehrfaches. Zudem verlangt das derzeit in der Schweizer Berufsbildung geltende Paradigma der Handlungskompetenzorientierung nach einer engen Verbindung zwischen Theorie und Praxis.

Umso dringlicher stellt sich die Frage nach einer Berufsfelddidaktik, die den Anforderungen des Rahmenlehrplans und der beruflichen Praxis gerecht wird. Um sich dem Verständnis der Zusammensetzung einer Berufsfelddidaktik für Berufskundelehrpersonen in der Schweiz anzunähern, sollen folgende Forschungsfragen beantwortet werden:

  • Welche konstituierenden Elemente schreiben Studiengangleitende und Dozierende unterschiedlicher Schweizer Ausbildungsinstitutionen für Berufskundelehrpersonen der Berufsfelddidaktik zu?
  • Lassen sich institutionsspezifische Merkmale identifizieren, welche das Verständnis einer Berufsfelddidaktik beeinflussen?

5.3 Datenerhebung

Da bis heute in der Schweiz kein gemeinsames Verständnis des Begriffs Berufsfelddidaktik vorhanden ist, orientiert sich die Bearbeitung des Untersuchungsgegenstands an der qualitativen Sozialforschung. Mit dem Blick „von innen heraus“ ermöglicht sie es, die Sichtweise der Befragten zu identifizieren und abzubilden (Flick 2016). Die Daten wurden anhand von Leitfadeninterviews an den Pädagogischen Hochschulen Luzern, St. Gallen und Zürich sowie am EHB in Zollikofen, Lausanne und Lugano erhoben. Die Fragen des Leitfadens orientieren sich an den Forschungsfragen und sind in die folgenden Themenblöcke aufgeteilt:

  1. Soziodemographischer Hintergrund der Interviewten
  2. Ziele des Unterrichts
  3. Planung, Umsetzung, Evaluation des Unterrichts
  4. Lernbegleitung, Unterstützung der Lernenden, Unterrichtskultur
  5. Verständnis Berufsfelddidaktik, berufsfeldspezifische Didaktik, Zusammenhang zu Fachdidaktik und allgemeiner Didaktik
  6. Subjektive Ergänzungen zur Fragestellung

Dieser Aufbau ermöglichte einen narrativ-offenen Zugang, wodurch dem Prinzip der Offenheit Rechnung getragen werden konnte (Helfferich 2011, 24). Die Interviewdauer lag bei 45 bis 60 Minuten. Die Interviews wurden mit Studiengangleitenden und Dozierenden von Berufskundelehrpersonen durchgeführt, die den Bereich der beruflichen Didaktik verantworten oder umsetzen. Die Befragten sind für die kritische Verknüpfung zwischen den Berufsfeldern der Studierenden und der entsprechenden Didaktik zuständig. Daher kultivieren sie das Verständnis einer Berufsfelddidaktik bei den Studierenden und tragen damit maßgeblich zu deren Umsetzungsformen bei. Alle Interviewten arbeiten somit direkt oder indirekt in der Ausbildung von Berufskundelehrpersonen und vertreten mit den Standorten Lausanne und Lugano neben der deutsch- auch die französisch- und italienischsprachige Schweiz.

Die Gesamtstichprobe setzt sich wie folgt zusammen:

Tabelle 1: Stichprobenbeschreibung

Nr.

Institution

Fachlicher Hintergrund

Berufsbezeichnung

1

EHB, Zollikofen

Pädagogisch-didaktischer Hintergrund

Studiengangleitende/r

2

EHB, Zollikofen

Pädagogisch-didaktischer Hintergrund

Dozierende/r

3

EHB, Zollikofen

Berufsbildung und fachwissenschaftlicher Hintergrund

Dozierende/r

4

EHB, Zollikofen

Berufsbildung und fachwissenschaftlicher Hintergrund

Dozierende/r

5

EHB, Lausanne

Pädagogisch-didaktischer Hintergrund

Studiengangleitende/r

6

EHB, Lausanne

Berufsbildungshintergrund

Dozierende/r

7

EHB, Lausanne

Pädagogisch-didaktischer Hintergrund

Dozierende/r

8

EHB, Lugano

Pädagogisch-didaktischer Hintergrund

Studiengangleitende/r

9

EHB, Lugano

Fachwissenschaftlicher Hintergrund

Dozierende/r

10

PH Luzern

Fachwissenschaftlicher Hintergrund

Studiengangleitende/r

11

PH Luzern

Berufsbildungshintergrund

Studiengangleitende/r

12

PH Luzern

Fachwissenschaftlicher Hintergrund

Studiengangleitende/r

13

PH Luzern

Pädagogisch-didaktischer Hintergrund

Studiengangleitende/r

14

PH Luzern

Fachwissenschaftlicher Hintergrund

Dozierende/r

15

PH St. Gallen

Pädagogisch-didaktischer Hintergrund

Studiengangleitende/r

16

PH St. Gallen

Berufsbildungshintergrund

Dozierende/r

17

PH Zürich

Berufsbildungshintergrund

Studiengangleitende/r

5.4 Datenauswertung

Für die Auswertung der transkribierten Interviews bot sich ein inhaltsanalytisches Vorgehen an. Es ermöglicht eine regelgeleitete Strukturierung, indem das Material unter Verwendung eines Kategoriensystems untersucht wird (Kuckartz 2016, 49). Im Rahmen eines induktiven Vorgehens wurden nach einer ersten Durchsicht der Transkripte provisorische Kategorien gebildet, die nach der anschließenden Erstellung von auf die Fragestellung rekurrierten Fallzusammenfassungen für jedes Interview ergänzt werden konnten (Case Summary, Kuckartz 2016, 58). Im Auswertungsprozess wurden zunächst ganze Transkripte gemeinsam im Team codiert, damit die Vergleichbarkeit gewährleistet war. Anschließend wurden die Interviews von den einzelnen Codierenden unter Einhaltung von zuvor festgelegten Codierregeln ausgewertet. Tabelle 2 zeigt die für die Beantwortung der Forschungsfragen zentralsten Kategorien und Unterkategorien.

Tabelle 2: Kategorien und Unterkategorien

Kategorie

Unterkategorie

Fachwissenschaftlicher Bezug / Fachdidaktik

 

Situationsbezug / aktuelle berufliche Praxis

- Veränderung (sich verändernde berufliche Praxis)

- Motivation für den Situationsbezug

Allgemeindidaktik

- Kognitivismus
- Konstruktivismus
- überfachliche Kompetenzen

Konzept Berufsfelddidaktik

- Konzeptuelles Verständnis
- Unterricht (Modulziel, Lerninhalte, Methoden, Hilfsmittel, Evaluation)

6 Ergebnisse

6.1 Konstituierende Elemente der Berufsfelddidaktik

Fachwissenschaften

Anhand verschiedener Interviewaussagen werden in einem ersten Schritt die konstituierenden Elemente des Verständnisses einer Berufsfelddidaktik herausgearbeitet.

Eine Reihe von Interviewten betont das zentrale Ziel der beruflichen Grundbildung, die Lernenden dazu zu befähigen, ihre Berufstätigkeit kompetent und sicher auszuüben. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Berufsfelddidaktik den Aussagen einer Gruppe von Befragten zufolge vorwiegend Fachwissen vermitteln. Ein Hauptargument für diese Positionierung lautet, dass die Lernenden insbesondere die fachlichen Grundlagen hinter ihren beruflichen Handlungen verstehen müssen.

Bei den grünen Berufen müsste eine Grundlage wahrscheinlich Biologie sein. Es kann ja nicht sein, dass die Lernenden keine Ahnung haben über das Wachstum, die Entwicklung von Pflanzen, und sich nur damit auseinandersetzen, wie man diesen Blumenstrauß schön arrangiert. (Int. 1, Z. 600-603)

In mehreren Aussagen bestätigt sich das Verständnis, dass das Fachwissen eine zentrale Voraussetzung einnimmt, damit Lernende ihren Beruf professionell ausüben können. Die Aussagen skizzieren das Fachwissen als wichtige Basis für ein Verständnis des eigenen Handelns und als eine Grundlage für den Aufbau von Handlungskompetenz.

Der Koch muss etwas von Chemie und Biologie wissen, sonst weiß er nicht, wie ein Garprozess funktioniert, zum Beispiel. Oder was der Unterschied ist ob du etwas im Ofen machst oder in der Pfanne. Das Können ist das eine, aber verstehen tust du es nur, wenn du in der Chemie und in der Biologie etwas verstanden hast. (Int. 2, Z. 471-475)

Das Fachwissen fördert nicht nur das Verständnis für das berufliche Handeln der Lernenden, sondern bietet den vorliegenden Daten zufolge auch einen Orientierungsrahmen für die zu betreibende Didaktik der späteren Lehrpersonen (hier Studierende).

Also wenn man eine Berufsfelddidaktik entwickelt, muss man unbedingt berücksichtigen, dass die Studierenden inhaltliche Orientierungsrahmen brauchen. Was ist denn das, aus welchen Fächern kommen diese Inhalte und wie muss ich die didaktisch durchdringen? Da muss man ihnen helfen, das können sie nicht selber. (Int. 4, Z. 845-849)

Die jeweiligen Bezugswissenschaften und die aktuelle Forschung liefern das notwendige Wissen, damit die Studierenden den zu unterrichtenden Beruf verstehen und mit Lerninhalten verknüpfen können.

Eine Berufsfelddidaktik aus fachwissenschaftlicher Optik ergibt sich diesen Interviewten zufolge immer dann, wenn einzelne Fachdisziplinen für eine Gruppe von Berufen bedeutend sind. Als Beispiel hierfür nennen die Befragten die Berufsfeld-, bzw. Fachdidaktik Naturwissenschaft, die sich durch die Arbeit mit Experimenten auszeichnet und somit für eine breite Palette von Berufen relevant ist.

Es lässt sich somit festhalten, dass aus den vorliegenden Daten die Fachwissenschaften als ein konstituierendes Element einer Berufsfelddidaktik identifiziert werden können, indem sie maßgeblich zum Verständnis des beruflichen Handelns beitragen.

Von den Fachwissenschaften zum Situationsprinzip

Inhaltlich an den fachwissenschaftlichen Zugang anknüpfende Aussagen betonen den Nutzen oder gar die Notwendigkeit, von den Fachwissenschaften ausgehend den Bezug in die berufliche Lebenswelt der Lernenden herzustellen.

Für eine Berufs(feld)didaktik müssen Fachwissenschaften mit dem Handlungsfeld und der Lebenswelt der Lernenden verbunden werden. […]. Ich denke Berufsfelddidaktik ist wirklich die Einbettung von dem was in einem Fach geschehen sollte in eine Realität, die der mutmaßlichen Berufswelt nahekommt. (Int. 14, Z. 681-686)

Der fachwissenschaftliche Zugang orientiert sich diesen Aussagen zufolge an der beruflichen Realität der Lernenden. Die Fachdidaktik muss sich an die Anforderungen und Spezifika der Zielgruppe anlehnen, damit die Lernenden das notwendige Verständnis aufbauen können.

Für mich ist eigentlich Berufsfelddidaktik Fachdidaktik, aber sie orientiert sich am Bedarf, den der Beruf gibt. Wenn ich jetzt, sag ich mal Anatomieunterricht habe, bin ich ganz stark auf der naturwissenschaftlichen Fachdidaktik. Wenn ich aber Pflegefachpersonen Anatomie vermittle, dann muss ich mir noch dazu überlegen, und wie brauchen sie das Wissen in der Praxis? (Int. 3, Z. 914-919)

Auch andere Interviewte betonen, dass die berufliche Handlungssituation als wichtiger Baustein einer Berufsfelddidaktik gilt, damit die Lernenden Fachliches mit Alltäglichem verbinden können. Gemäß diesem Verständnis wird versucht, die relevanten Situationen des jeweiligen Berufes zu bestimmen und für den Unterricht aufzubereiten, damit die Lernenden die für die Berufsausübung notwendigen Handlungskompetenzen aufbauen können. Dabei verdeutlichen die vorliegenden Daten eine klare Nähe der didaktischen Gestaltung des Unterrichts zur beruflichen Praxis.

Ich denke, das ist ein wichtiger Teil eben von der Berufsfelddidaktik, dass man in das Berufsfeld hineingeht, zum Teil simuliert. (Int. 14, Z. 906-907)

Daneben wird auch darauf hingewiesen, dass die praktischen Erfahrungen der Lernenden eine wichtige Ressource für den Unterricht darstellen und genutzt werden sollen.

Und dann natürlich situiertes Lernen, dass sie wirklich auch die Ressourcen nutzen, die die Lernenden mitbringen. Dass sie auch da etwas sicherer werden und merken, das ist wirklich eine Ressource, die ich für meinen Unterricht brauchen kann und die mir hilft. (Int. 4, Z. 144-147)

Die Interviewten nennen mehrere Vorteile eines auf realen Berufssituationen basierenden Unterrichts wie gesteigerte Motivation der Lernenden oder auch eine erhöhte Nachhaltigkeit des Lernens.

Situationsorientierung erhöht die Motivation der Lernenden. Man weiß immer, wofür man das, was man lernt, brauchen kann. […]. Die Studierenden und später auch die Lernenden lernen besser, wenn sie die Lerninhalte mit ihren Erfahrungen direkt verknüpfen können. (Int. 8, Z. 296-303)

Das Situationsprinzip erleichtert den Lernenden den Wissenstransfer zwischen dem schulischen und betrieblichen Lernort. Neben dem direkten Einbezug von beruflichen Erfahrungen der Lernenden sollen die späteren Lehrpersonen auch Praxisbeispiele nutzen, um theoretische Konzepte mit einem Anwendungsfokus zu vermitteln.

Wenn ich das gleiche Beispiel an einem Praxisbeispiel oder als mathematische Übung mache, da ändert sich eine Welt. Deshalb verwende ich das Praxisbeispiel in meiner Arbeit. Schlussendlich ist es die gleiche Rechnung. (Int. 8, Z. 288-291)

Aus den Daten lässt sich nicht zuletzt auch ableiten, dass die Lerninhalte aufgrund des Situationsbezugs an aktuelle Berufssituationen anknüpfen und die Dynamik in den Arbeitsmärkten daher optimal widerspiegeln. Dadurch minimiert sich die Gefahr von veralteten Curricula.

Es kann festgehalten werden, dass das Situationsprinzip ein weiteres konstituierendes Element einer Berufsfelddidaktik ausmacht, in dem es den Transfer von beruflichen Handlungssituationen in den Unterricht sicherstellt und die Verbindung in die berufliche Praxis fördert. Es widerspiegelt damit auch eine von der Berufsfelddidaktik geforderte Integration von beruflichen Anforderungen in den Unterricht zum Aufbau von Handlungskompetenzen (Renkl/Nückles 2006).

Vom Situationsprinzip zur Allgemeindidaktik

Einige Aussagen zur Bedeutung des Situationsprinzips bedienen sich Begrifflichkeiten und Konzepten, welche der Allgemeindidaktik zugeordnet werden können. Sie ist nicht nur für die Festlegung der Bildungsinhalte und Lernziele, sondern auch für jene der Methodenwahl und Steuerungsprozesse verantwortlich (Hericks 2008, Reusser 2008). Dementsprechend konstatieren einige Aussagen denn auch, dass die von der Berufsfelddidaktik intendierten Beweggründe bereits von der Allgemeindidaktik getragen würden.

Allgemeindidaktik leistet den Bezug zum Berufsfeld. Wenn Allgemeindidaktik richtig betrieben wird, braucht es keine zusätzliche Berufsfelddidaktik, denn es gehört ja zur Allgemeindidaktik, dass ich mir überlege, was mache ich, warum, wie, für wen, mit wem, wie gestalte ich das? (Int. 13, Z. 775-780)

Mit einer soliden, allgemeindidaktischen Unterrichtsplanung, die neben inhaltlichen und methodischen Aspekten auch eine Zielgruppenanalyse beinhaltet, können die berufsfelddidaktischen Anforderungen erfüllt werden. Auf der methodischen Ebene tragen den Interviewten zufolge Instrumente wie Blended Learning, Projektarbeit oder Werkstattunterricht dazu bei, die berufliche Realität in den Unterricht mit den Lernenden zu integrieren. Zudem unterstützen Lehr- und Lernformen wie Tandemunterricht, Coaching oder Gruppenarbeit den Transfer zwischen schulischem und praktischem Lernen.

Insgesamt wird hier die Position vertreten, dass auch die allgemeine Didaktik den Bezug in die berufliche Realität gewährleistet und damit als ein konstituierendes Element der Berufsfelddidaktik bezeichnet werden kann.

Allgemeindidaktik und Fachwissenschaften

Zur Umsetzung des durch methodische Instrumente sichergestellten Bezugs in die berufliche Realität sprechen die Interviewten auch die Qualität einer fachdidaktischen Fundierung an. Die Studierenden erhalten beispielsweise innerhalb eines allgemeindidaktischen Lernsettings Fachinhalte als Vertiefungsmaterialien.

Dann gibt es schon Fachartikel, die ich ihnen bringe. Die sie vertiefen, wo sie zum Teil dann sagen: "Ah, das haben wir zwar in der Allgemeindidaktik schon angeschaut, aber wir hatten noch keine Zeit, wirklich zu vertiefen", und das machen wir dann noch. Da haben sich so ein paar Themen rauskristallisiert, von denen ich finde, dass sie gut auch in die Berufsfelddidaktik passen, wie didaktische Reduktion, Inhaltsreduktion zum Beispiel, von dem ich finde, dass es auch ein fachdidaktisches Problem ist, an dem sie wirklich häufig scheitern. (Int. 4, Z. 436-442)

Eine klare Abgrenzung zwischen allgemeindidaktischen und fachdidaktischen Zugängen scheint dabei oftmals schwierig vorzunehmen.

Häufig passiert folgendes: irgendeine Branche steigt auf ein eigentlich allgemeindidaktisches Konzept ein, wendet dieses bei sich an und hat dann das Gefühl, sie hätten das erfunden. (Int. 2, Z. 157-159)

Während ein Teil der Befragten somit die Position vertritt, dass eines der geschilderten Hauptelemente alleine den berufsfelddidaktischen Zugang leistet, weisen andere darauf hin, dass die Berufsfelddidaktik aus einer Synthese verschiedener Elemente besteht. Einige Interviewte verweisen dabei auf die Anwendung von Methoden aus der Fachdidaktik oder der Allgemeindidaktik, um fachwissenschaftliche Lerninhalte mit der Praxis zu verbinden und zu unterrichten. Allen gemeinsam ist die als wichtig eingestufte Verknüpfung der in der Schule behandelten Arbeitskonzepte mit der beruflichen Praxis.

Die Lernenden erleben in der Regel eine gewisse Trennung zwischen dem, was in der Schule gemacht wird, was am Arbeitsplatz gemacht wird und was in den überbetrieblichen Kursen gemacht wird. Es liegt somit in der Verantwortung der Lehrperson, von Arbeitssituationen auszugehen und den Lernenden dadurch zu zeigen, wie die in der Schule behandelten Konzepte mit der Arbeit zusammenhängen oder wie sie erklären, warum die Arbeit auf die eine oder andere Weise erledigt werden muss. (Int. 8, Z. 461-465)

Die Berufskundelehrpersonen fungieren hier gewissermaßen als Bindeglied zwischen den Lernorten, indem sie die Lerninhalte aus den Betrieben und überbetrieblichen Kursen für ihren Unterricht nutzen und aufbereiten. Dazu müssen sie gut informiert sein, welche Lerninhalte die Lernenden in den anderen Lernorten wann lernen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich in den konstituierenden Elementen der Berufsfelddidaktik über die gesamten Interviewdaten kein einheitliches Bild ergibt. Im Folgenden werden die Interviews deshalb getrennt nach Ursprungsinstitution und -region gruppiert analysiert.

6.2 Institutionsspezifische und regionale Unterschiede

Werden die jeweiligen Interviewaussagen vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen institutionellen Rahmenbedingungen untersucht, lassen sich bestimmte Verbindungen erkennen. Im Folgenden werden diese Verbindungen bezüglich institutionsinternen Rahmenbedingungen und sprachregionalen Unterschieden dargestellt.

Auffallend ist, dass sich innerhalb der Institutionen häufig Gemeinsamkeiten im konstituierenden Verständnis der Berufsfelddidaktik erkennen lassen. So scheint als ein Aspekt die interne Organisation der Ausbildungsangebote für das konstituierende Verständnis der Berufsfelddidaktik relevant zu sein. Über ein gemeinsames Definieren von Berufsfeldern sowie einen gewählten Fokus auf bestimmte Berufsfelder lassen sich gewisse Angebotsprofile von Institutionen erkennen, welche sich dann sowohl in einem gemeinsamen didaktischen Zugang, der Benennung und Abfolge bestimmter Module als auch den inhaltlichen Ausrichtungen und Schwerpunkten zeigen.

Weil wir auch über eine äußere Differenzierung die Ausbildung so organisiert haben, dass wir einfach die Berufsfelder definiert haben, und dass wir dann halt je nachdem wirklich auch noch einzelne Berufe genauer angeschaut haben, sind die jetzt eher medizinisch orientiert, oder ist das jetzt eher ein technischer Zugang. (Int. 1, Z. 81-85)

Es sei daran erinnert, dass die Module 9 und 10 einen Teil der Berufsfelddidaktik enthalten. Aber ein Teil davon, den ich hielt, war eine halbtägige Sequenz, die wir Situationsdidaktik nennen. (Int. 8, Z. 448-450)

Auch der Werdegang und die Ausbildung der Dozierendenschaft lassen mit spezifischen Aussagen auf Zusammenhänge zur Konstitution der Berufsfelddidaktik schließen. Dabei wird insbesondere der persönliche Bezug zur Berufsbildung und die damit verbundene Nutzung des Berufswissens mit dem Situationsprinzip im Unterricht assoziiert und ergänzend eine fachwissenschaftliche Fundierung als wünschenswert betrachtet.

Idealerweise hätten wir auch noch jemanden mit einem physikalischen, also mit Physikdidaktik- Hintergrund, und dann eben, dann stellt sich die Frage: müsste man so Tandems bilden, dass sie wenigstens bedeutsame Bereiche der technischen Berufsleute abdecken können. (Int. 1, Z. 165-168)

Es wird dann gerade wieder schwierig, wenn die Leute eigentlich in einem Fach ausgebildet sind und eine fachdidaktische Ausbildung haben, und dann aber trotzdem in der Berufslehre, in der beruflichen Bildung als Lehrpersonen zu arbeiten beginnen. Ihnen fehlt ja dann bedeutsamer Weise das Berufswissen und die Berufssozialisation. (Int. 1, Z. 315-319)

Nebst institutionsinternen erscheinen auch standortspezifische Unterschiede in der Konstitution einer Berufsfelddidaktik. Die Relevanz von Allgemeindidaktik, dem Situationsprinzip und der Fachwissenschaften wird in den verschiedenen Sprachregionen unterschiedlich gewichtet und die Positionen entsprechend verfochten. Dabei scheint sich in französischen und italienischen Sprachregionen der Schweiz ein durchgehend deutlicherer Situationsbezug mit einer starken konstituierenden Kraft für die Berufsfelddidaktik durchzusetzen.

Wir arbeiten von einer Situation aus. Dann sind die Methoden, um mit einer Praxisanalyse mit Situationen zu arbeiten, die gleichen. Weil wir der Meinung sind, dass die Lehrpersonen wirklich den Beruf in den Unterricht bringen müssen, um Verbindungen herzustellen. Also nicht sie, sondern die Lernenden sollen Verbindungen herstellen. Die Lernenden müssen in der Lage sein, Verbindungen herzustellen. Und es ist gut, wenn die Lehrperson Beispiele aus dem eigenen Leben liefert. Aber das ist nicht das Beste. Am besten wäre es, wenn der Lernende Beispiele aus seinen eigenen Erfahrungen mitbringt – ausgehend von realen Situationen. (Int. 9, Z. 85-91)

Die wichtigste Kompetenz ist es, Dinge, die geschehen, als Außenstehender in eine Ausbildungsmöglichkeit zu verwandeln. Ich denke dabei auch an die Situationsdidaktik. In der Tat, sie hilft um eine Bedeutung aufzubauen. Die Lernenden müssen die Bedeutung ihres Handelns von Anfang an verstehen. (Int. 8, Z. 150-153)

Mit der Situationsdidaktik lässt sich die Bedeutung des Gelernten konstruieren. (Int. 6, Z. 264-265)

In der Deutschschweiz zeigt sich verglichen zu den anderen Sprachregionen ein uneinheitlicheres Bild bezüglich des Zugangs zu einer Berufsfelddidaktik. Allgemeindidaktische und fachdidaktische Elemente werden jedoch durchwegs stärker gewichtet.

7 Diskussion

7.1 Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich im Hinblick auf die Forschungsfrage zur Konstitution einer Berufsfelddidaktik festhalten, dass die Daten kein einheitliches Bild vermitteln. Obwohl der Bezug zu der beruflichen Realität für die meisten Befragten eine zentrale Rolle zu spielen scheint, divergieren die genannten Positionen hinsichtlich eines Verständnisses der Berufsfelddidaktik. Jedoch lassen sich aus den Interviews die Fachwissenschaften, das Situationsprinzip und die Allgemeindidaktik als konstituierende Elemente für das Verständnis der Berufsfelddidaktik ableiten. Die Zusammensetzung dieser Komponenten erfährt je nach Positionierung der Interviewpartner eine unterschiedliche Gewichtung. Daneben scheinen auch die institutionsspezifischen Rahmenbedingungen und Organisationsformen der Studiengänge die Ausgestaltung der Berufsfelddidaktik zu beeinflussen und wirken sich deshalb auf die einzelnen, konstituierenden Elemente und deren Bezug zueinander aus.

Abbildung 1: Konstituierende Elemente der BerufsfelddidaktikAbbildung 1: Konstituierende Elemente der Berufsfelddidaktik

Während die Berufsfelddidaktik für manche Interviewte eine Synthese mehrerer Elemente darstellt, weisen andere darauf hin, dass ein Element den berufsfelddidaktischen Zugang alleine leistet.

Ein Teil der Befragten subsumiert unter einer Berufsfelddidaktik Methoden, Konzepte sowie Wissen und Kenntnisse aus den Fachwissenschaften. Die Interviewten konstatieren, dass ein fachwissenschaftlicher Zugang nötig sei, damit die künftigen Lehrpersonen einen Orientierungsrahmen haben und die Lernenden mit einer entsprechenden Fachdidaktik, beziehungsweise Berufsfelddidaktik, darin unterstützen können, den Beruf und die damit verbundenen Handlungen und Situationen zu verstehen. Die Berufskundelehrpersonen müssen demzufolge über entsprechendes Fachwissen verfügen, damit sie den Lernenden das nötige Wissen für eine professionelle Berufsausübung vermitteln können.

Für eine andere Gruppe von Interviewten steht in erster Linie weniger das Fachwissen, sondern vielmehr die konkrete Anbindung an Situationen im Fokus, die einen direkten (Handlungs-)Bezug zur aktuellen beruflichen Realität der Lernenden ermöglicht. Die Berufskundelehrpersonen müssen den Befragten zufolge dazu befähigt werden, berufliche Situationen sowie die Erfahrungen der Lernenden als Lernfelder in den Unterricht aufzunehmen. Hägele (2001) erkennt darin eine Voraussetzung, damit die Lernenden eine berufliche und allgemeine Handlungsfähigkeit erreichen. Die Interviewten sehen in dieser Herangehensweise ebenfalls mehrere Vorteile. So fördert der Unterricht mit berufsrelevanten Situationen die Motivation der Lernenden, erleichtert den Transfer zwischen dem schulisch Gelernten und der Berufspraxis und unterstützt damit den Aufbau von Handlungskompetenzen. Renkl und Nückles (2006) pflichten dem bei, indem sie das Üben an berufstypischen Problemsituationen als förderliche Methode im Handlungskompetenzaufbau einstufen.

Eine weitere Gruppe von Interviewten vertritt die Meinung, dass der Bezug zu der beruflichen Praxis der Lernenden durch Methoden der Allgemeindidaktik getragen wird. Die Befragten berufen sich hierbei auf Klafkis Verständnis einer allgemeinen Didaktik als bildungstheoretische Disziplin, die sowohl die Auswahl von Bildungsinhalten als auch jene von adäquaten Methoden und Steuerungsprozessen beinhaltet (Hericks 2008, Reusser 2008, Terhart 2009). Weiter beziehen sie sich auf methodische Konzepte, die dem Konstruktivismus und Kognitivismus entstammen. So werden Instrumente wie die Projektarbeit oder der Werkstattunterricht genannt, die sowohl nach konstruktivistischen als auch kognitivistischen Handlungs-, beziehungsweise Verarbeitungsprozessen verlangen (Traub 2012). Betreibt die Lehrperson sowohl in der Auswahl, Anordnung als auch in der Explikation der Lerninhalte eine geeignete Didaktik, ist der entsprechende Unterricht automatisch auf die Lebenswelt der Lernenden zugeschnitten und berufsfelddidaktische Anforderungen sind den Befragten zufolge erfüllt.

Konstituierende Überschneidungen ergeben sich sowohl aus dem Hauptelement der Fachwissenschaften als auch der Allgemeindidaktik überwiegend mit jenem des Situationsprinzips. Aufgrund der Handlungskompetenzorientierung in der Schweizerischen Berufsbildung verlangen die Bildungspläne nach einem Bezug zu der beruflichen Realität. Das Situationsprinzip ist explizit für die Verbindung in die Praxis zuständig und leistet daher diese Anforderung. Der Zugang über berufliche Situationen kommt insbesondere in Kombination mit dem Hauptelement Fachwissenschaften zur Sprache. Die Allgemeindidaktik hingegen wird nur selten in Verbindung mit anderen Elementen genannt. Grundsätzlich äußert sie sich häufiger als alleinige Konstitution der Berufsfelddidaktik. Wird Klafkis Verständnis einer bildungstheoretischen Didaktik beigezogen, dem auch die Auswahl der Lerninhalte zugehört, minimiert sich die Relevanz des Situationsprinzips für die Erfüllung der Handlungskompetenzorientierung. Eine Zweierkombination zwischen den Hauptelementen Fachwissenschaften und Allgemeindidaktik kommt in den geführten Interviews wenig zur Sprache. Dies erstaunt angesichts des kritischen Verhältnisses zwischen der allgemeinen Didaktik und der Fachdidaktik kaum (Plöger 2009, Arnold/Rossa 2012). Als eigentliche Fachdidaktik wird die Wahl der Unterrichtsinhalte und -methodik bereits als inhärenter Bestandteil der Berufsfelddidaktik zugeschrieben. Auch ein Dreieck aus allen konstituierenden Hauptelementen ist nicht Gegenstand der Interviewdaten.

Im Hinblick auf die zweite Forschungsfrage zeigt sich weiter, dass das Verständnis einer Berufsfelddidaktik mit institutionsspezifischen Merkmalen zusammenzuhängen scheint. Im Zusammenhang mit einem einheitlicheren Verständnis zur Konstitution einer Berufsfelddidaktik aus den oben genannten Elementen stehen einerseits institutionsinterne Merkmale wie Ausbildungsstrukturen, inhaltliche Schwerpunkte, Modulbezeichnungen und Ausbildungs-/Hintergründe der Dozierendenschaft. Andererseits lassen sich sprachregionale Zusammenhänge erkennen, so dass sich in französisch- und italienischsprachigen Regionen der Schweiz ein homogeneres Verständnis mit einer klaren Gewichtung des Situationsprinzips wiederspiegelt, während sich in der Deutschschweiz größere Unterschiede und eine stärkere Überschneidung mit allgemeindidaktischen und fachwissenschaftlichen Elementen zeigen. Mögliche Erklärungen für diese Zusammenhänge lassen sich in unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen, Angebotsprofilen sowie regionalen Vernetzungen der Institutionen finden. Es bleibt jedoch zu betonen, dass sich auch innerhalb der gleichen Institution und Sprachregion Unterschiede in der Konstitution einer Berufsfelddidaktik erkennen lassen, was dafür spricht, dass noch kein einheitliches Konzept besteht.

7.2 Schlussfolgerungen

Die Definition einer Berufsfelddidaktik geht auf unterschiedliche Ursprünge zurück. In Deutschland gewann sie aufgrund der Etablierung des Lernfeldkonzepts schon in den 1990er Jahren an Bedeutung, konnte sich aber nur in vereinzelten Berufsfeldern durchsetzen. In der Schweiz stellt sich die Situation ähnlich dar. Eine berufsfeldspezifische Didaktik kennen höchstens die Gesundheitsberufe (z. B. Ertl-Schmuck/Fichtmüller 2009), die Metalltechnik (z. B. Schütte 2006) sowie die Wirtschaft & Verwaltung (z. B. Euler/Hahn 2007). In anderen Berufsfeldern konnten sich berufs- und fachspezifische Didaktiken noch kaum etablieren, sei es aufgrund der mangelnden Anzahl Lernenden in einem Berufsfeld, der kaum entwickelten Theoriebildung oder der fehlenden Dringlichkeit für einen Wandel.

In Folge des im aktuellen Berufsbildungsgesetz festgeschriebenen Handlungskompetenzansatzes ist die Relevanz einer auf die berufliche Realität fokussierten Didaktik in allen Berufsfeldern deutlich gestiegen. Dies zeigte sich auch in der Auswertung der diesem Forschungsprojekt angehörenden Interviewdaten. Alle Befragten suchten – zwar mit unterschiedlichen Ansätzen – nach Möglichkeiten, die Berufspraxis in ihren Unterricht zu integrieren.

Vergleicht man die identifizierten konstituierenden Elemente einer Berufsfelddidaktik mit jenen aus anderen Studien, zeigen sich deutliche Parallelen. Schon Fegebank (1998) stellte in ihrer Definition der Berufsfelddidaktik in Deutschland eine Verbindung zu den Fachwissenschaften und beruflichen Anforderungen aus der Praxis her. Zudem identifizierte sie die allgemeinen Erziehungswissenschaften als ein weiteres konstituierendes Element der Berufsfelddidaktik, die sich der Allgemeindidaktik gemäß Terhart (2009) in einer spezialisierten Form angleichen. Auch erkannte sie die schulischen und betrieblichen Rahmenbedingungen ebenfalls als Einflussfaktoren der Berufsfelddidaktik an.

Der von Pahl (2001) festgestellten Problematik von nicht eindeutigen Bezugswissenschaften in der Berufsbildung begegnen die Befragten mit einer multiplen Konstitution von berufsfelddidaktischen Zugängen. Zum einen sind für die Interviewten je nach Berufsfeld Zugänge aus mehreren Fachwissenschaften denkbar. Zum anderen wird das Fachwissen aus den korrespondierenden Wissenschaftsgebieten zugunsten des Verstehens mit Bezügen aus dem Berufsfeld verbunden.

Schubiger und Rosen (2013) fokussieren in ihrer Definition einer Berufsfelddidaktik ebenfalls auf die Praxis, indem sich Lerninhalte ihnen zufolge aus berufsrelevanten Handlungssituationen generieren. Für die wissenschaftliche Fundierung sehen auch sie die Fachwissenschaften als eine weitere Kernkomponente der Berufsfelddidaktik. Daneben beziehen sie sich auf die Bildungstheorie und damit auf das derzeit in der Berufsbildung geltende Paradigma der Kompetenzorientierung. Der Kompetenzansatz spielt zweifelsohne eine gewichtige Rolle, wird von den Befragten der vorliegenden Studie aber eher als Grundlage statt als Komponente der Berufsfelddidaktik betrachtet. 

Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich die Definitionen von konstituierenden Elementen der Berufsfelddidaktik nur marginal unterscheiden. Der Bezug in die berufliche Praxis spielt immer eine Hauptrolle. Auch ist man sich im Wesentlichen einig, dass Fachwissen eine nicht zu vernachlässigende Komponente der Berufsfelddidaktik einnimmt.

Hinsichtlich einer Theoriebildung der Berufsfelddidaktik bieten die Ergebnisse aus dem vorliegenden Forschungsprojekt trotz der methodischen Basis auf subjektiven Theorien der Befragten neue Erkenntnisse. Im Gegensatz zu bisherigen Studien ergibt die Auswertung der Daten eine unterschiedliche Gewichtung und Zusammensetzung der einzelnen konstituierenden Elemente der Berufsfelddidaktik, die sich je nach Organisationsform, Rahmenbedingungen und subjektbezogenen Hintergründen unterscheidet. Auch lassen sich Unterschiede in den verschiedenen Sprachregionen der Schweiz erkennen. Diese festgestellte Heterogenität zeigt, dass sich im schweizerischen Kontext bisher kein einheitliches Konzept einer Berufsfelddidaktik durchsetzen konnte.

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[1] Lernende werden in diesem Artikel mit Lehrlingen gleichgesetzt.

Zitieren des Beitrags

Degen, D./Leumann, S./Keller, A./Gut, J. (2019): Konstituierende Elemente der Berufsfelddidaktik – spezifische Charakteristika und Unterschied. In bwp@ Spezial 16: Berufsfelddidaktik in der Schweiz, hrsg. v. Barabasch, A./Baumeler, C., 1-23. Online: https://www.bwpat.de/spezial16/degen_etal_spezial16.pdf (18.11.2019).