bwp@ 41 - Dezember 2021

Führung und Management beruflicher Schulen

Hrsg.: Karl Wilbers, Nicole Naeve-Stoß, Cornelia Wagner-Herrbach & Franz Gramlinger

Was erwarten Schulleitungen von ihren Lehrkräften? Eine Replikationsstudie an berufsbildenden Schulen

Beitrag von Silke Lange
bwp@-Format: Forschungsbeiträge
Schlüsselwörter: Schulleitung-Lehrkräfte-Erwartungen, psychologischer Kontrakt, Schulleiterrolle

Die Erwartungen, die Führungskräfte berufsbildender Schulen an ihre Lehrkräfte stellen, werden überwiegend nicht vollumfänglich erfüllt, das belegen die Daten der Replikationsstudie. Auf der Grundlage der Theorie der Psychologischen Kontrakte wird die Replikation der Studie von Schmitz/Voreck (2008) dargestellt, die auf der Grundlage von Datenerhebungen unter Führungskräften an berufsbildenden Schulen in Deutschland durchgeführt wurde. Die Befunde zeigen das Ausmaß der Inkongruenzen zwischen Erwartungen und Erfüllung und ihre Folgen. Eine Clusteranalyse ergab zwei Gruppen von Führungskräften, die sich in der Ausprägung der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen deutlich unterscheiden. Die Ergebnisse von Schmitz/Voreck (2008) ließen sich jedoch nicht vollständig replizieren, weshalb es weiterer Untersuchungen der Verpflichtungserwartungen und der Wahrnehmung ihrer Erfüllung bedarf.

What do school principals expect from their teachers? A Replication Study at Vocational Schools

English Abstract

The expectations that school principals of vocational schools have of their teachers are predominantly not fully met, as the data of the replication study show. Based on the theory of psychological contracts, the replication of the study by Schmitz/Voreck (2008) is presented, which was conducted on the basis of data collection among school principals at vocational schools in Germany. The findings show the extent of mismatches between expectations and fulfilment and their consequences. A cluster analysis revealed two groups of school principals who differ significantly in the extent of expectation-fulfilment discrepancies. However, the results of Schmitz/Voreck (2008) could not be fully replicated, which is why further research on commitment expectations and the perception of their fulfilment is needed.

1 Einleitung

Dass Schulleitungen eine zentrale Rolle in der (Weiter-)Entwicklung von Schulqualität einnehmen, ist unumstritten (vgl. u.a. Brauckmann et al. 2019). Dennoch sind Führungskräfte an Schulen in der deutschsprachigen Bildungsforschung lange Zeit vernachlässigt worden (vgl. Warwas 2012, 1). Und auch die Bildungspolitik hat die Bedeutung der Schulleitung für die Schulqualität lange Zeit unterschätzt und in ihr eher eine Verwaltungs- als eine Führungsposition gesehen (vgl. Greubel 2017, 34 ff.). Nach dem schlechten Abschneiden in den internationalen Schulleistungsstudien und im Zuge veränderter gesellschaftlicher Erwartungen von Schule und Bildung hat sich das Bild auf Schule und Schulleitung in den letzten Jahren verändert (vgl. Brauckmann et al. 2019; Brauckmann/Hermann 2013; Greubel 2017, 34 ff.). Für das Schulleitungspersonal gehen diese Veränderung mit einer Reorganisation ihres Handlungsrahmens und ihrer Aufgaben einher. „Um Lehrer dazu zu bringen, sich explizit und dauerhaft mit der Qualität ihrer Schule und insbesondere ihres Unterrichts auseinanderzusetzen galt, dass Schulleitung – über deren bisherige Verwaltungs- und Organisationsaufgaben hinaus – nunmehr auch Personalführung umzusetzen“ hat (Tenberg/Pfister 2012, 34).

Als ein zentrales Instrument kann in diesem Zusammenhang die Gestaltung der Beziehung zwischen Schulleitung und Lehrkräften gelten (vgl. Schmitz/Voreck 2008; 2011), die aufgrund der Rolle der Schulleitungen im schulischen Gefüge von Besonderheiten geprägt ist. Denn Schulleiterinnen und Schulleiter sind zugleich Vorgesetzte und Kollegen, was ihnen eine „merkwürdige ‚Doppelposition‘“ (Schmitz/Voreck 2008, S. 414) im schulischen Miteinander einbringt. In Lehrerkollegien gelten sie traditionell als „gleich“, also primus oder prima inter parem (vgl. Buchen/Rolff 2016, 3). Dennoch ist zumindest zu erwarten, dass die Schulleitungstätigkeit im Vergleich zu den „normalen“ Lehrkräften mit höheren Anforderungen an das persönliche Engagement und den Zeitaufwand geknüpft ist. „Diese Konstellation dürfte unter Vorgesetzten in Organisationen ziemlich einmalig sein“ (Schmitz/Voreck 2008, S. 414).

Die deutschsprachige empirische Schulleitungsforschung konnte bisher ein breites Variationsspektrum des schulischen Leitungshandels nachzeichnen. Als Einflussfaktoren des Schulleitungshandelns gelten neben dem Geschlecht berufsbiografische Merkmale, sozial- und bildungspolitische Einstellungen sowie die professionellen Wissensbestände und organisationsbezogenen Aufmerksamkeitsschwerpunkte. Zudem scheint das Schulleitungshandeln „schularttypische Akzentuierungen aufzuweisen“ (Warwas 2014, 274).

Die Schulleitung an berufsbildenden Schulen ist durch die Vielfalt der Bildungsgänge der berufsbildenden Schulen und eine besondere Akteurskonstellation geprägt. Neben der Schuladministration und den Eltern erhebt die Wirtschaft als Stakeholder entsprechende Erwartungen an berufsbildende Schulen. „Die Führung an beruflichen Schulen richtet sich vor allem auf das Bildungspersonal“ (Aktionsrat Bildung 2021, 145), das eine hohe Heterogenität aufweist (vgl. Lange 2019) und deshalb „für die Führung eine erhebliche Herausforderung“ darstellt (Aktionsrat Bildung 2021, 145). Eine zentrale Rolle bei der Führung an berufsbildenden Schulen wird den sogenannten Bereichsleitungen zugeschrieben (vgl. ebd., 149 f.). Insgesamt gilt die „Herausforderungen in den Bereichen Personaleinsatz, -beurteilung und -honorierung für Schulleitungen an beruflichen Schulen“ als „ein so gut wie unerforschtes Feld“ (ebd, 147).

In diesem Beitrag wird die Beziehung zwischen der Schulleitung und den Lehrkräften an berufsbildenden Schulen fokussiert, die durch verpflichtende Erwartungen von Schulleitungen an Lehrkräfte im Sinne des Konzeptes des Psychologischen Kontrakts (Rousseau 1995) konstituiert wird. Eine entsprechende Studie haben erstmals Schmitz/Voreck im Jahr 2008 vorgelegt. Präsentiert wird eine Replikation dieser Studie mit Blick auf die Erwartungen von Schulleitungen berufsbildender Schulen in Deutschland.

2 Theoretische und empirische Perspektive auf die Erwartungen der Schulleitungen

Dass die Erwartungen, die Schulleitungen an Lehrkräfte stellen, vielfältig sind, ist unumstritten. Wissenschaftliche Auseinandersetzungen zum Thema gibt es in der deutschen Schulleitungsforschung bisher kaum. Eine zentrale Studie legten Schmitz/Voreck (2008) vor, die auf die Theorie der Psychologischen Kontrakte aufbaut. Der Ansatz des Psychologischen Kontrakts kommt eigentlich aus der Personalforschung und richtet sich auf die arbeitsvertraglich nicht geregelten, informellen Anforderungen im Arbeitsumfeld (vgl. Hornung 2005, 37 ff.). Ausgangspunkt ist die Annahme, dass „sowohl das Individuum als auch die Organisation sich gegenseitig mit vielfältigen Erwartungen gegenüberstehen, die vertraglich nicht fixiert sind und auch rechtlich nicht gesichert werden können“ (Faller 1991, zit. n. Richter 1999, 118). Diese vertraglich nicht fixierten, impliziten, d. h. unausgesprochenen und möglicherweise auch unbewussten beiderseitigen Erwartungen sind Bestandteil des psychologischen Kontrakts. Rousseau (1989, 123) definiert den psychologischen Kontrakt als „an individual’s beliefs regarding the terms and conditions of a reciprocal exchange agreement between that focal person and another party.” Die individuellen Annahmen über Inhalte und Konditionen des Vertrags „begründen sich auf subjektiv erlebte – und damit von eigenen Prädispositionen, Erfahrungen sowie dem Anspruchsniveau und der eigenen Leistungsbereitschaft nicht unabhängige – Leistungsversprechen und Leistungsanforderungen der Organisation“ (Hornung 2005, 38).  

In der empirischen Studie entwickelten Schmitz/Voreck (2008, 418) auf der Grundlage qualitativer Interviews und Gruppendiskussionen mit Schulleiterinnen und Schulleitern ein Instrument aus 26 Items zu den Verpflichtungs-Erwartungen der Schulleitungen an ihre Lehrkräfte. Mit diesem Instrument, wurden 240 Schulleiterinnen und Schulleiter und deren ständige Stellvertretungen von Grund- und Haupt- (66,4%) sowie Berufsschulen (50,4%) in Bayern zu (a) ihren Verpflichtungs-Erwartungen an die Lehrkräfte und (b) zum Grad der erlebten Erfüllung bzw. Nichterfüllung erfragt (ebd., 417). Die 26 Verpflichtungserwartungen wurden auf dieser Grundlage zu sechs den Erwartungskomponenten Motivation, Methoden- und Fachkompetenz, Mitarbeit Selbstständigkeit und Disziplin der Lehrkräfte sowie Schülerdisziplin verdichtet (vgl. ebd., 419), die schulartübergreifend gelten. Schmitz/Voreck (2008, 425) sprechen diesen „eine gut belegte statistische Repräsentativität für Grund-, Haupt- und Berufsschulen“ zu.

Aus der Höhe der Diskrepanz zwischen Erwartung und (Nicht-)Erfüllung wurde auf den Grad der Störung der Reziprozität bzw. des Bruchs des Psychologischen Kontrakts geschlossen. Anhand der Inhaltskategorien der Diskrepanzen von Erwartung und Erwartungserfüllung identifizieren sie mittels Clusteranalyse zwei Schulleitertypen: Schulleiterinnen und Schulleiter des eher administrativ orientierten Typus gelingt es, ihre Erwartungen hinsichtlich der Disziplin von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften am stärksten durchzusetzen, woraus Schmitz/Voreck (vgl. ebd., 421) schlussfolgern, dass diese Führungskräfte eher „rational-ökonomischen Denkmustern folgen“. Insgesamt ist die Diskrepanz zwischen den Erwartungen dieser Schulleiterinnen und Schulleiter und der erlebten Erwartungserfüllung ungünstiger als in der zweiten Gruppe. Die zweite Gruppe setzt sich zusammen aus Schulleiterinnen und Schulleitern, „die eher pädagogisch orientiert sind und sich einem Wertekanon von Kollegialität, Bindung, Einsatz für Schüler etc. verbunden fühlen“ (ebd., 421 f.). Diese Führungskräfte erleben bei den vorwiegend beziehungsbezogenen Erwartungen die höchste Erfüllung (ebd., 426).

Die Kontrakttheorie geht davon aus, dass (andauernde) Inkongruenz von kontraktuellen Verpflichtungen und deren Erfüllung zum Konraktbruch („contract violation“) führen kann. „A violation occurs when one party in a relationship precives another to have failed to fulfil promised obligation(s)” (Robinson/Rousseau 1994, zit. n. Hornung 2005, 50). Erlebte Inkongruenzen und Kontaktbrüche rufen demnach negative affektive und verhaltensmäßige Reaktionen hervor, etwa Unzufriedenheit, Nachlassen organisationaler Bindung und Steigerung von Fluktuationsabsicht. Das Ausmaß der negativen Reaktionen wird dabei durch das ursprüngliche Verhältnis zur Organisation moderiert (vgl. Hornung 2005, 52).

Schmitz/Voreck (2008) können zeigen, dass dies auch für Schulleitungen gilt. Inkongruenzen zwischen den reziprok erwarteten Verpflichtungen und Leistungen der beiden Parteien führen zu Dysfunktionalitäten in der Arbeitsbeziehung zwischen den Führungskräften und Lehrkräften. Vor allem die administrativ eingestellten Schulleiterinnen und Schulleitern unterstellen „ihren Mitarbeitern hoch signifikant mehr implizite Verpflichtungs-Erwartungen gegenüber der Schulleitung als die pädagogische Schulleiter-Gruppe“ (ebd.). Sie sehen sich also eher einem „unberechtigten Erwartungsdruck ihrer Lehrer ausgesetzt, den sie für irrational halten“ (ebd.). Außerdem haben sie eher den Eindruck, mehr zu investieren, als sie zurückerhalten und sind häufiger von den Lehrkräften enttäuscht. „Diese Wahrnehmung der Inkongruenz von Erwartungen und Leistung führt zu weiteren negativen emotionalen Reaktionen […], hier zu Tendenz der Inneren Kündigung“ (ebd., 427).

Seit den Untersuchungen von Schmitz/Voreck (2008) haben sich die Rolle und das Aufgabenprofil sowie die Ausgestaltung der Schulleitung weiter verändert; die Schulleitungsforschung hat in Deutschland deutlich zugenommen (vgl. u. a. Warwas 2012,149 ff.). Im Rahmen einer Replikationsstudie soll untersucht werden, inwieweit sich die Ergebnisse von Schmitz/Voreck (2008) heute noch replizieren lassen. Im Fokus der Replikationsstudie, die im Folgenden präsentiert wird, stehen Führungspersonen an berufsbildenden Schulen in Deutschland.

3 Methode

3.1 Methodisches Vorgehen

Die Datengrundlage der nachfolgenden Analysen bilden die Ergebnisse einer Replikation (vgl. Lange 2021) der Fragebogenerhebung von Schmitz/Voreck (2008), die Abweichungen von der Originalstudie enthält, die im Folgenden dargestellt und begründet werden.

In der vorliegenden Replikationsstudie wurde ein direkter Replikationsansatz (vgl. Bienefeld 2017; Schmidt 2009) umgesetzt, der in den wesentlichen Elementen die Originalstudie repliziert, jedoch mit dem Schulleitungspersonal an berufsbildenden nur eine Personengruppe der Originalstudie fokussiert. Repliziert wurde der quantitative Studienstrang von Schmitz/Voreck (2008), der sich auf Schulleiterinnen und Schulleiter sowie deren ständige Vertretungen fokussierte. Mit der Replikationsstudie wurden die veränderten Rahmenbedingungen der Schulleitung an berufsbildenden Schulen in der Stichprobenauswahl berücksichtigt und in Anlehnung an das Konzept der erweiterten Schulleitung (vgl. Greubel 2017; Dubs 2011) alle Personen mit Personalführungsaufgaben an den berufsbildenden Schulen befragt. Die Befragung im Rahmen der Replikationsstudie fand über einen Online-Fragebogen mittels des Umfragetools Limesurvey im Zeitraum vom 18. Juli bis 13. September 2021 statt. Die Stichprobenziehung erfolgte unter pragmatischen Gesichtspunkten durch selbstrekrutierte Teilnahme. Potenzielle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden über Lehrkräfte- und Schulleitungsverbände zur Beteiligung an der Befragung eingeladen. Dabei wurden Verbände aller Bundesländer angeschrieben, sodass potenzielle Teilnehmende aus allen Bundesländern stammten. Eine gesonderte Abfrage des Bundeslandes erfolgte im Rahmen der Studie nicht, um den Befragten größtmögliche Anonymität zu gewährleisten.

Zur Replikation der Auswertung der Daten wurden diese – wie in der Originalstudie – in mehreren Schritten analysiert:

  1. Über eine explorative Faktorenanalyse der Erwartungen wurden die gewonnenen Daten so reduziert, dass sich Hinweise auf Erwartungspräferenzen des Schulleitungspersonals ableiten lassen. Mit diesem Schritt wurde darüber hinaus untersucht, inwiefern sich die von Schmitz/Voreck (2008, 418 f.) identifizierten sechs Komponenten der Erwartungen replizieren lassen.[1]
  2. Über eine weitere explorative Faktorenanalyse wurden Muster der Diskrepanzen von Erwartungen und Erwartungserfüllung (Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen) untersucht, mit denen Hinweise auf die Störung der Reziprozität und auf Vertragsbrüche gewonnen werden. Auch in diesem Schritt war zu prüfen, inwieweit die von Schmitz/Voreck (2008, 420 f.) identifizierten vier Komponenten der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen sich replizieren lassen.
  3. Über eine Clusteranalyse der Muster der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen wurden Schulleitungs-Gruppen identifiziert und die Replikationsmöglichkeit der von Schmitz/Voreck (2008, 421 ff.) identifizierten zwei Gruppen überprüft.
  4. Im letzten Schritt wurden die identifizierten Gruppen hinsichtlich emotionaler und behavioraler Reaktionen beschrieben. Da die dazu im Originalinstrument eingesetzte Skala lediglich vier Items umfasst, die nur einen begrenzten Einblick in die emotionalen Folgen der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen ermöglichen, wurde das von Schmitz/Voreck (2008) eingesetzte Instrument um Skalen zu Belastungserleben und Zufriedenheit von Schulleitungspersonal (in Anlehnung an Warwas 2012, vgl. Kapitel 4.2) ergänzt, da zumindest anzunehmen ist, dass Belastungserleben und Zufriedenheit mit der Erfüllung von Verpflichtungserwartungen im Zusammenhang stehen (vgl. Abschnitt 4.4).

In allen Schritten wurden die Befunde der Replikationsstudie mit denen der Originalstudie auf der Grundlage der verfügbaren Auswertungen (vgl. Schmitz/Voreck 2008, 418 ff.; 2011, 305 ff.) verglichen. Integrative Analysen waren nicht möglich, da die Originaldaten nicht zur Verfügung stehen.

3.2 Erhebungsinstrument

Für das Erhebungsinstrument wurde im Wesentlichen auf das Instrument der Originalstudie zurückgegriffen (Schmitz/Voreck 2011, 307). Den Kern des Fragebogens bildete die Skala zur Erfassung der Verpflichtungs-Erwartungen des Schulleitungspersonals gegenüber den Lehrkräften (eine Übersicht über die Items ist der Tabelle 1 in Abschnitt 4.1 zu entnehmen). Über eine sogenannte Dual-Matrix wurden die Befragten aufgefordert, einzuschätzen wie hoch ihre Erwartungen in Bezug auf die einzelnen Punkte an die Lehrkräfte sind und wie viele Personen des Lehrkörpers diesen Erwartungen entsprechen. Die Items wurden sprachlich teilweise leicht angepasst. Das Antwortformat der fünfstufigen Likert-Skala von 1 = „erwarte ich nicht“ bis 5 = „erwarte ich voll und ganz“ für die Verpflichtungs-Erwartungen und von 1 = „wird von keinem erfüllt“ bis 5 = „wird von allen erfüllt“ für die Erwartungserfüllung wurden ebenfalls mit leichten sprachlichen Anpassungen übernommen.

Zur Operationalisierung der emotionalen und behavioralen Folgen der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanz wurde im Original-Instrument danach gefragt, „ob die Schulleiter annehmen, dass die Lehrer (1) unberechtigte Erwartungen an sie hegen, (2) ob sie, die Schulleiter, den Eindruck haben, an persönlichem Aufwand mehr zu investieren, als sie zurückerhalten, (3) ob sie von ihren Mitarbeitern enttäuscht sind und (4) ob sie kündigen würden, wenn sie könnten“ (Schmitz/Voreck 2008, 424). Um an dieser Stelle zu differenzierten Aussagen zu den emotionalen und behavioralen Folgen der erlebten Reziprozitätsstörungen zu kommen, kam in der Replikationsstudie zusätzlich das umfassendere Instrumentarium zur Zufriedenheit und dem Belastungserleben des Schulleitungspersonals von Warwas (2012, 201 ff.) zum Einsatz.

3.3 Stichprobe

Die Stichprobe umfasst 103 Personen aus der Schulleitung in ganz Deutschland, darunter 58 Schulleiterinnen und Schulleiter sowie deren ständige Vertretungen (56,3 %) und 45 Personen aus anderen Führungs- und Funktionsstellen. Die klassische Schulleitung bestehend aus einer Leitungsperson und einer Stellvertretung (Schulleitung im engen Sinne) gibt es seit Jahrzehnten nicht mehr, an den Schulen haben sich mehr oder weniger kooperative Führungsmodelle etabliert. Ohne die Diskussion um die Führungskonzepte an den Schulen aufgreifen zu wollen, sollten in der Replikationsstudie alle Personen angesprochen werden, die an den berufsbildenden Schulen Führungsaufgaben übernehmen. Neben den Schulleitungen und ihren ständigen Vertretungen nahmen daher Koordinatorinnen und Koordinatoren, Abteilungsleitungen, Bildungsgangleitungen und Geschäftsführungen[2] teil. In Anlehnung an Wilbers (2015) sollen die Personen, die nicht der klassischen Schulleitung angehören als Personen der mittleren (Führungs-)Ebene bezeichnet werden. Repräsentativität kann für die Stichprobe insgesamt und in den beiden Teilgruppen der Schulleitung im engen Sinne und der mittleren Ebene nicht beansprucht werden.

Unter den Befragten sind 53 Frauen (51,5 %) und 49 Männer (47,6 %). Gegenüber der Originalstudie, in der nur 22,5 % der Befragten und nur 11,6 % der befragten Führungspersonen an berufsbildenden Schulen weiblich waren (vgl. Schmitz/Voreck 2008, 418), konnte in der vorliegenden Replikationsstudie ein höherer Frauenanteil in der Stichprobe erzielt werden. Die Mehrheit der Befragten in der Replikationsstichprobe ist zwischen 50 und 59 Jahre alt (55,3 %), 26,5 Prozent der Befragten sind zwischen 30 und 49 Jahre alt und 16,7 Prozent der Befragten sind 60 Jahre und älter. Signifikante geschlechtsspezifische Altersunterschiede, wie sie sich in der Originalstudie zeigten (vgl. ebd), liegen nicht vor ( ).

Die Befragten verfügen überwiegend über einen lehramtsbezogenen Studienabschluss (64,1 %) oder einen Studienabschluss in der (Berufs-)Pädagogik (24,3 %). Nur 10,7 % der Befragten haben einen Studienabschluss in einem anderen Fach und nur eine Person der Stichprobe verfügt über keinen Studienabschluss. Eine formale Qualifizierung für die Schulleitungs- bzw. Funktionsstelle an der Schule hat etwa die Hälfte der Befragten (50,5 %) durchlaufen. Die Mehrheit fühlt sich für die Aufgaben in der Schulleitung ausreichend (52,0 %) oder eher ausreichend (39,2 %) qualifiziert. Darauf bezogen zeigt sich in den Daten kein signifikanter Unterschied zwischen den Personen, die eine formale Qualifizierung für Schulleitungs- und Funktionsstellen durchlaufen haben, und jenen, die keine formale Qualifizierung für die Schulleitungsaufgaben aufweisen ( ).[3]

Durchschnittlich sind die befragten Personen in der Replikationsstichprobe 22,54 Jahre ( ) als Lehrkraft und 7,16 Jahre ( ) in ihrer jetzigen Position in der Schulleitung tätig. In der Originalstudie lag das durchschnittliche Dienstalter mit 27 Jahren etwas über dem Dienstalter der Befragten in der Replikationsstudie. Wie in der Originalstudie kann mit den Daten der Replikationsstudie ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Alter und der Dienstzeit als Lehrkraft ( ) und der Dienstzeit in der jetzigen Position in der Schulleitung ( ) nachgewiesen werden. Geschlechtsunterschiede sind nicht signifikant.

Die Mehrheit der Befragten ist an Schulen in staatlicher Trägerschaft beschäftigt, 14,9 % der Befragten sind an Schulen in privater und 4,0 % der Befragten an Schulen in kirchlicher Trägerschaft beschäftigt. Im Verantwortungsbereich der Befragten sind zwischen 2 und 180 Lehrkräften beschäftigt, für die Führungsaufgaben wahrgenommen werden. Im Durchschnitt leiten die Befragten 54,34 Lehrkräfte an ( ).

4 Ergebnisse

4.1 Erwartungen des Schulleitungspersonals

4.1.1 Präferenzen der Erwartungen

Ähnlich wie in der Originalstudie variieren die Verpflichtungserwartungen der Führungskräfte an ihre Lehrkräfte (vgl. Tabelle 1). Wie Schmitz/Voreck (2011, 308) beobachten konnten, steigt mit sinkender Intensität der Verpflichtungserwartung die Standardabweichung. Das deuten Schmitz/Voreck (ebd.) als Indiz dafür, dass die (Verpflichtungs-)Erwartungen mit steigendem Rangplatz zwar immer mehr an Bedeutung für die Führungskräfte verlieren, die Heterogenität der Bewertung der Relevanz jedoch zunimmt, sodass „einige Schulleiter diese Aussagen durchaus als wichtige Verpflichtungen der Lehrer annehmen“ (ebd.), was auf die Existenz unterschiedlicher Gruppen von Führungskräften hindeutet.

Tabelle 1:     Erwartungen und deren Realisierung nach der Rangfolge entlang der Mittelwerte absteigend (eigene Darstellung)

Item-Nr.

Item-Inhalt

Erwartet

Erfüllt

aES1

ES1 in %

Originalstudie*

M Diff.

Mittelwert

aES

 ES in %

ES in %

01

sich für schulische Belange voll einsetzen

4,48

3,68

0,78

15,70

1,05

21,0

-5,3

02

meinen Anordnungen voll nachkommen

4,38

3,91

0,46

9,23

0,71

14,2

-5,0

03

sich für die Schüler engagieren

4,76

3,85

0,89

17,80

1,0

20,0

-2,2

04

selbständig arbeiten

4,56

3,64

0,90

18,00

0,97

19,4

-1,4

06

mir über Vorkommnisse sofort Bericht erstatten

3,87

3,58

0,26

5,17

0,17

3,4

1,8

10

Verantwortung übernehmen

4,53

3,55

0,96

19,12

1,19

23,8

-4,7

11

mich fragen, bevor sie Neues einführen

3,58

3,66

-0,08

-1,56

-0,70

-14,0

12,4

12

meine Anordnungen nach außen vertreten

4,25

3,82

0,42

8,44

0,54

10,8

-2,4

13

kollegial (im Team) zusammen arbeiten

4,76

3,72

1,05

21,10

1,16

23,2

-2,1

14

Interesse an der Arbeit zeigen

4,65

3,87

0,78

15,60

0,95

19,0

-3,4

15

sich außerhalb des Unterrichts engagieren

3,57

3,24

0,35

6,81

0,51

10,2

-3,4

16

das Verstärkungsprinzip beherrschen

3,86

3,29

0,55

11,00

0,88

17,6

-6,6

17

Arbeit freiwillig übernehmen

3,62

3,24

0,37

7,42

0,87

17,4

-10,0

18

eine gewisse Belastungsfähigkeit mitbringen

4,25

3,46

0,77

15,33

0,93

18,6

-3,3

19

Disziplinverstöße der Schüler nicht tolerieren

4,18

3,64

0,52

10,33

0,67

13,4

3,1

20

vom Sinn ihrer Arbeit überzeugt sind

4,59

3,89

0,70

14,00

0,81

16,2

-2,2

21

verschiedene Unterrichtsmethoden beherrschen

4,56

3,81

0,76

15,16

1,24

24,8

-9,7

22

Schüler wirksam fördern können

4,51

3,55

0,94

18,88

1,18

23,6

-4,7

23

ihren Unterricht gründlich vorbereiten

4,56

3,65

0,90

18,02

0,96

19,2

-1,2

24

Verwaltungsaufgaben nicht scheuen

3,82

3,21

0,58

11,65

0,56

11,2

0,4

25

auf ihre äußere Erscheinung achten

4,09

3,98

0,09

1,74

-0,27

-5,4

7,1

26

bei Schülern strengstens auf Pünktlichkeit achten

3,99

3,59

0,37

7,47

0,41

8,2

-0,7

1 aES und ES werden in Abschnitt 4.2.1 erläutert.
* Quelle: Schmitz/Voreck 2011, 307

Zwischen den Schulleiterinnen und Schulleiter und ihre ständigen Vertretungen, also der Schulleitung im engen Sinne, und den Führungskräften der mittleren Ebene zeigen sich schwache signifikante Unterschiede in Bezug auf die (Verpflichtungs-) Erwartungen ( Dabei liegt die Ausprägung der Erwartungen der Führungskräfte der mittleren Führungsebene in fast allen Aussagen leicht unterhalb der Ausprägungen der Schulleiterinnen und Schulleiter und ihrer ständigen Vertretungen. Die Führungskräfte der Schulleitung im engen Sinne hegen demnach tendenziell leicht höhere Erwartungen an ihre Lehrkräfte als Personen der mittleren Ebene, was als Bestätigung dafür gedeutet werden könnte, dass die Schulleitungen auch bei kooperativen Führungsmodellen die Gesamtverantwortung tragen. Da die Unterschiede insgesamt gering und die Rangplätze der Item-Mittelwerte für beide Gruppen nahezu gleich sind, wird die weitere Analyse mit der Gesamtgruppe fortgeführt.

4.1.2 Faktorenstruktur der Erwartungen

Die Reliabilitätsanalyse der Skala der (Verpflichtungs-)Erwartungen ergab zwar in Bezug auf die Gesamtskala eine zufriedenstellende Konsistenz ( ), doch ein Blick auf die Statistiken der Einzelitems zeigte, dass die Items 05 („nicht auf Anweisungen warten“), 07 („nicht warten, von mir gelobt zu werden“), 08 („Entscheidungen mir überlassen“) und 09 („nicht überall reinreden wollen“) nur geringe Trennschärfen zwischen 0,09 und 0,21 aufweisen. Daher wurden die Items für die weiteren Analysen der Erwartungen ausgeschlossen.[4] Die Skala der (Verpflichtungs-)Erwartungen weist in der verkürzten Fassung eine hohe interne Konsistenz ( ) auf.

Um die unabhängigen Faktoren zu extrahieren wurde – wie in der Originalstudie – eine Hauptkomponentenanalyse[5] der (verkürzten Skala der) (Verpflichtungs-)Erwartungen über die gesamte Untersuchungsgruppe durchgeführt. Obwohl die Hauptkomponentenanalyse (Varimax-Rotation mit Kaiser-Normalisierung, 15 Iterationen) auf das Vorliegen von 7 Komponenten ( ) hinweist, wurde in Anlehnung an die Originalstudie eine Sechs-Faktor-Lösung (vgl. Tabelle 2) favorisiert, mit der 60,0 Prozent der Varianz erklärt werden können.

  • Komponente 1 ist aus 5 Items zusammengesetzt, die sich auf die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben beziehen: 02 „meinen Anforderungen voll nachkommen“, 10 „Verantwortung übernehmen“, 12 „meine Anordnungen nach außen vertreten“, 23 „ihren Unterricht gründlich vorbereiten“ und 25 „auf ihre äußere Erscheinung achten“. Für die weiterführenden Analysen wird diese Kategorie als Diensterfüllung
  • Komponente 2 setzt sich aus 5 Items zusammen, die die Erwartungen an allgemeine Schlüsselkompetenzen der Lehrkräfte betreffen: 13 „(kollegial) im Team zusammenarbeiten“, 14 „Interesse an der Arbeit zeigen“, 17 „Arbeit freiwillig übernehmen“, 18 „eine gewisse Belastungsfähigkeit mitbringen“, 20 „vom Sinn ihrer Arbeit überzeugt sind“. Diese Kategorie wird mit Schlüsselkompetenzen überschrieben.
  • Komponente 3 besteht aus 3 Items: 11 „mich fragen, bevor sie Neues einführen“, 16 „das Verstärkungsprinzip beherrschen“, 24 „Verwaltungsaufgaben nicht scheuen“. Diese Items scheinen inhaltlich keine Nähe aufzuweisen, weshalb die Kategorie für die weiteren Analysen als Sonstiges bezeichnet werden soll.
  • Komponente 4 umfasst 3 Items zu den Erwartungen an die selbstständige Unterrichtsarbeit: 04 „selbstständig arbeiten“, 21 „verschiedene Unterrichtsmethoden beherrschen“ und 22 „Schüler wirksam fördern können“. Die Kategorie wird für die weiterführenden Analysen als Unterrichtsarbeit
  • Komponente 5 ist aus 3 Items zusammengesetzt, die Erwartungen an das Engagement der Lehrkräfte beschreiben: 01 „sich für schulische Belange voll einsetzen“, 03 „sich für Schüler engagieren“ und 15 „sich außerhalb des Unterrichts engagieren“. Für die weiterführenden Analysen wird diese Kategorie mit Engagement überschrieben.
  • Komponente 6 setzt sich aus 3 Items zu solchen Erwartungen zusammen, mit denen die Disziplin der Schülerinnen und Schüler eingefordert und kontrolliert wird: 06 „mir über Vorkommnisse sofort Bericht erstatten“, 19 „Disziplinverstöße der Schüler nicht tolerieren“ und 26 „bei Schülern strengstens auf Pünktlichkeit achten“, die unter der Überschrift Disziplin zusammengefasst werden.

Tabelle 2:     Kennwerte der rotierten Komponentenlösung (eigene Darstellung in Anlehnung an Schmitz/Voreck 2008, 419)

 

K1

Dienst-erfüllung

K2

Schlüssel-kompetenzen

K3

Sonstiges

K4

Unterrichts-arbeit

K5

Engagement

K6

Disziplin

 
 

Anzahl der Items

5

5

3

3

3

3

 

Eigenwert

5,83

1,97

1,91

1,26

1,19

1,14

 

Varianzaufklärung

13,18 %

10,41 %

10,28 %

9,94 %

8,46 %

8,13 %

 

Ladungen

0,48-0,77

0,33-0,79

0,57-0,75

0,65-0,71

0,51-0,77

0,38-0,76

 

Mittelwert

4,36

4,39

3,75

4,55

4,27

4,02

 

Varianz

0,04

0,21

0,25

0,00

0,38

0,03

 

Cronbachs Alpha

0,67

0,73

0,51

0,56

0,56

0,62

 

Die höchsten Erwartungen der Replikationsstudie betreffen die Komponente „Unterrichtsarbeit“ ( ), gefolgt von den Komponenten „Schlüsselkompetenzen“ ( ) und „Diensterfüllung“ ( ). Die geringsten Erwartungen weist die Komponente Sonstiges ( ) auf. Unterschiede zwischen den beiden Teilstichproben der Schulleitung im engen Sinne (SL i.e.S.) und der mittleren Führungsebene zeigen sich nur in Bezug auf die Komponente „Diensterfüllung“ (vgl. Tabelle 3). Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass die Sicherstellung der Diensterfüllung eher in den Händen der Schulleiterinnen und Schulleiter und deren ständiger Vertretungen liegt und Führungskräfte der mittleren Führungsebene dafür nicht oder nur in einem geringen Umfang verantwortlich zeichnen.

Die sechs Komponenten der Replikationsstudie entsprechen nicht den von Schmitz/Voreck (2008, 419) in der Originalstudie identifizierten sechs Komponenten (vgl. Abschnitt 2). Ob dies auf schulformspezifische Besonderheiten zurückzuführen ist, lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Daten nicht analysieren. Denkbar ist jedoch, dass schulformspezifische Besonderheiten und insbesondere die unterschiedlichen Erwartungsträger, die Erwartungen an Schulleitungspersonen herantragen, einen Einfluss auf die Erwartungen der Schulleitungen an die Lehrkräfte haben. Gleichwohl zeigen die Ergebnisse, dass die Unterrichtsarbeit die Kernaufgabe der Lehrkräfte darstellt und die Führungskräfte unabhängig von Schulform und Führungsebene in Bezug auf unterrichtsbezogene Aspekte die höchsten Erwartungen an ihre Lehrkräfte hegen.

Tabelle 3:     Vergleich der Führungskräftegruppen in den Erwartungskomponenten (eigene Darstellung)

 

K1

Dienst-erfüllung

K2

Schlüssel-kompetenzen

K3

Sonstiges

K4

Unterrichts-arbeit

K5

Engagement

K6

Disziplin

 
 

SL i.e.S.

Mittelwert

4,48

4,43

3,81

4,60

4,38

4,12

 

Standardabweichung

0,43

0,44

0,76

0,40

0,40

0,64

 

mittlere Ebene

Mittelwert

4,22

4,29

3,63

4,47

4,15

3,88

 

Standardabweichung

0,61

0,51

0,55

0,42

0,58

0,65

 

Mann-Whitney-U

821,50

917,50

912,50

913,00

876,50

878,00

 

Teststatistik (Z)

-2,21

-1,49

-1,52

-1,55

-1,95

-1,78

 

Signifikanz (p)

0,03

0,14

0,13

0,12

0,05

0,08

 

4.2 Diskrepanzen von Erwartungen und deren Erfüllung

4.2.1 Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen

Die Erwartungspräferenzen lassen allein keine Aussagen zur Erfüllung bzw. Nicht-Erfüllung der Psychologischen Verträge zur. Vielmehr müssen die Erwartungspräferenzen in Zusammenhang mit den Intensitäten der Erwartungserfüllung betrachtet werden. Ein praktischer Handlungsbedarf besteht bei denjenigen Erwartungen, „die präferiert, aber nicht erfüllt werden, und somit den Psychologischen Kontrakt verletzen“ (Schmitz/Voreck 2008, 420). In der Überprüfung des Zusammenhangs zwischen Erwartungsintensität und der Intensität der Erwartungserfüllung stellten Schmitz/Voreck (2008, 420) in der Originalstudie eine mäßige, nicht-signifikante positive Korrelation über die Gesamtskala fest. Mit den Daten der Replikationsstudie ergibt sich für die verkürzte Skala eine mittlere signifikante Korrelation (Pearson, zweiseitig;

Der Grad der Vertragserfüllung bzw. des Vertragsbruchs wird in Anlehnung an die Originalstudie (Schmitz/Voreck 2011, 310) über die Differenz der Ausprägungen der Erwartungsintensität und der Intensität der Realisierung der Erwartungen operationalisiert. „Ein praktisches Maß für die Stärke des Vertragsbruchs ist die prozentuale Effektstärke“ (ebd.), die sich aus der Relation dieser Diskrepanz zur maximalen Intensitätsausprägung von 5 ergibt. „Mittels der relativen Effektstärke kann die Erfüllung bzw. Nicht-Erfüllung der Psychologischen Verträge ziemlich genau beziffert werden“ (ebd.). Für das Item 13 beispielsweise, das auf Rangplatz 1 der Effektstärken liegt (vgl. Tabelle 1), beträgt die absolute Diskrepanz oder absolute Effektstärke (aES) im Mittel 1,05. Das entspricht einer relativen Effektstärke (ES) von 21,20 Prozent, was bedeutet, dass der Psychologische Vertrag im Mittel mit 21,10 Prozent unerfüllt bleibt bzw. im Mittel 78,90 Prozent des Psychologischen Vertrags erfüllt wird.

Die Effektstärken sind für 21 der 22 Items positiv, nur für das Item 11 („mich fragen, bevor sie neues einführen“) ergibt sich eine negative Effektstärke. Führungspersonen erwarten zwar durchaus, dass die Lehrkräfte sie fragen, bevor sie Neues einführen, doch die Erwartungsausprägung ist eher nicht sehr hoch ( ). Die Erfüllung schätzen die Führungspersonen im Mittel leicht höher ein ( ), weshalb sich eine negative Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanz ergibt.

Für die Interpretation der relativen Effektstärken gehen Schmitz/Voreck (2011, 311) davon aus, dass relative Effektstärken ab 5 Prozent bedeutend und relative Effektstärken ab 10 Prozent sehr bedeutend sind. Für die Daten der Replikationsstudie bedeutet dies, dass für 20 von 22 Verpflichtungserwartungen bedeutende bis sehr bedeutende Effektstärken vorliegen (in der Originalstudie lagen für 19 aus 26 Items bedeutende bis sehr bedeutende Vertragsbrüche vor). Im Mittel beträgt die durchschnittliche Effektstärke 12,76 Prozent ( ), die befragten Personen nehmen also in einem sehr bedeutendem Maße Diskrepanzen zwischen Verpflichtungserwartungen und deren Erfüllung (Vertragsbruch) wahr. Nur knapp jeder sechste Befragte (16,00 %) weist mittlere Effektstärken von unter fünf Prozent auf.

Zwischen den Personen der Schulleitung im engen Sinne und jenen der mittleren Führungsebene zeigen sich keine signifikanten Unterschiede ( ). Unabhängig von der Führungsebene werden demnach in einem relativ hohen Maße bedeutende und sehr bedeutende Vertragsbrüche erlebt. Die Ergebnisse von Schmitz/Voreck (ebd.) deuten zudem darauf hin, dass das Erleben von Vertragsbrüchen auch unabhängig von der Schulform vergleichsweise hoch ist.

4.2.2 Faktorenstruktur der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen

Anders als in der Originalstudie wurde die Faktorenstruktur der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen (relative Effektstärke) nicht anhand aller Items, sondern auf der Grundlage der verkürzten Skala der Verpflichtungserwartungen untersucht, da davon ausgegangen wird, dass Items, die die Erwartungen der Führungskräfte nicht zuverlässig messen können, auch die Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen nicht zuverlässig abbilden. Die Reliabilitätsanalyse der verkürzten Skala der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanz ergab eine zufriedenstellende interne Konsistenz ( ).

Um die unabhängigen Faktoren zu extrahieren wurde – wie in der Originalstudie – eine Hauptkomponentenanalyse[6] der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen über die gesamte Untersuchungsgruppe durchgeführt. Für die relativen Effektstärken erbringt die Hauptkomponentenanalyse (Varimax-Rotation mit Kaiser-Normalisierung, 13 Iterationen) 6 Komponenten ( ). Aufgrund inhaltlicher Überlegungen und in Anlehnung an die Originalstudie wurde eine vier-Komponentenlösung (vgl. Tabelle 4) bevorzugt (Varianzaufklärung 53,26 %).

  • Komponente 1 ist aus 7 Items zusammengesetzt, die sich auf die Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen in Bezug auf die Anforderungserfüllung beziehen: 02 „meinen Anforderungen voll nachkommen“, 10 „Verantwortung übernehmen“, 12 „meine Anordnungen nach außen vertreten“, 13 „(kollegial) im Team zusammenarbeiten“,17 „Arbeit freiwillig übernehmen“, 18 „eine gewisse Belastungsfähigkeit mitbringen“ und 19 „Disziplinverstöße der Schüler nicht tolerieren“.
  • Komponente 2 setzt sich aus 5 Items zusammen, die die Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen in Bezug auf die Motivation der Lehrkräfte betreffen: 01 „sich für schulische Belange voll einsetzen“, 14 „Interesse an der Arbeit zeigen“, 15 „sich außerhalb des Unterrichts engagieren“, 20 „vom Sinn ihrer Arbeit überzeugt sind“ und 24 „Verwaltungsaufgaben nicht scheuen“.
  • Komponente 3 umfasst 5 Items zu den Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen in Bezug auf die Methodenkompetenz: 03 „sich für Schüler engagieren“, 04 „selbstständig arbeiten“, 21 „verschiedene Unterrichtsmethoden beherrschen“, 22 „Schüler wirksam fördern können“ und 23 „ihren Unterricht gründlich vorbereiten“.
  • Komponente 4 setzt sich zusammen aus 5 Items der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen zur Disziplin der Lehrkräfte in der Ausübung ihrer Unterrichtstätigkeit (Administrative Unterrichtsarbeit): 06 „mir über Vorkommnisse sofort Bericht erstatten“, 11 „mich fragen, bevor sie Neues einführen“, 16 „das Verstärkungsprinzip beherrschen“, 25 „auf ihre äußere Erscheinung achten“ und 26 „bei Schülern strengstens auf Pünktlichkeit achten“.

Diese vier Komponenten entsprechen nicht vollständig den von Schmitz/Voreck (2008, 419) in der Originalstudie identifizierten vier Komponenten (vgl. Abschnitt 2). Ähnlichkeiten zeigen sich in Bezug auf die Komponenten „Motivation“ (K2, entspricht der Komponente „Motivation“ der Originalstudie), „Methodenkompetenz“ (K3, entspricht der Komponente „Methodenkompetenz“ der Originalstudie) und „Administrative Unterrichtsarbeit“ (K4, entspricht den Komponenten „Disziplin der Lehrer/innen“ und „Schülerdisziplin“ der Originalstudie).

Tabelle 4:     Kennwerte der rotierten Komponentenlösung (eigene Darstellung in Anlehnung an Schmitz/Voreck 2008, 419)

 

K1

Anforderungs-erfüllung

K2

Motivation

K3

Methodenkompetenz

K4

Administrative Unterrichtsarbeit

 
 

Anzahl der Items

7

5

5

5

 

Eigenwert

6,88

1,81

1,63

1,40

 

Varianzaufklärung

14,64 %

14,51 %

12,32 %

11,80 %

 

Ladungen

0,44-0,76

0,44-0,77

0,51-0,80

0,40-0,72

 

Mittelwert

13,04

12,72

17,46

4,00

 

Varianz

30,47

13,09

1,82

27,57

 

Cronbachs Alpha

0,81

0,71

0,71

0,57

 

Die höchsten Diskrepanzen zwischen Erwartung und Erfüllung erleben die Befragten der Replikationsstudie in Bezug auf die Komponente „Methodenkompetenz“, für die im Durchschnitt 17,46 Prozent des Psychologischen Vertrags unerfüllt bleiben. Gleichzeitig zeigen sich die geringsten Diskrepanzen in Bezug auf die Komponente „Administrative Unterrichtsarbeit“ ( ). Es ist also vor allem die inhaltliche Unterrichtsarbeit, an die Führungskräfte hohe Erwartungen hegen und in denen sie von den Lehrkräften häufig enttäuscht werden. Wie die Ergebnisse von Schmitz/Voreck (2011, 310 ff.) zeigen, handelt es sich dabei nicht um ein schulformspezifisches Phänomen, sondern scheint für alle Schulformen eine Gültigkeit zu besitzen. Dieses Ergebnis verdeutlicht die Relevanz, der die Führungskräfte der unterrichtlichen Arbeit der Lehrkräfte beimessen, zeigt jedoch einen Handlungsbedarf in diesem Bereich auf.

Insgesamt sind für die Mehrheit der Komponenten der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen durchschnittlich sehr bedeutende Effekte zu verzeichnen. Signifikante Unterschiede zwischen den beiden Teilstichproben der Schulleitung im engen Sinne und der mittleren Führungsebene zeigen sich nicht (vgl. Tabelle 5). Verglichen mit den Ergebnissen der Originalstudie zeigen sich hier keine schulformspezifischen Besonderheiten, wie die Schulleitungen der Stichprobe von Schmitz/Voreck (ebd.) bleiben die Erwartungen der Führungskräfte der Stichprobe der Replikationsstudie überwiegend zu bedeutenden Teilen unerfüllt.

Tabelle 5:     Vergleich der Führungskräftetypen in den Komponenten der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen (eigene Darstellung)

 

K1

Anforderungs-erfüllung

K2

Motivation

K3

Methoden-kompetenz

K4

Administrative Unterrichtsarbeit

 
 

SL i.e.S.

Mittelwert

13,32

11,98

16,29

4,96

 

Standardabweichung

10,40

10,66

10,40

13,10

 

erw. SL

Mittelwert

12,62

14,93

19,25

5,23

 

Standardabweichung

15,40

13,80

10,96

10,04

 

Mann-Whitney-U

1008,00

917,50

845,50

1015,50

 

Teststatistik (Z)

-0,10

-0,89

-1,41

-0,194

 

Signifikanz (p)

0,92

0,37

0,16

0,846

 

4.3 Führungskräftetypen

4.3.1 Gruppenbildung anhand der Clusterstruktur der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen

Wie in der Originalstudie wurde aufbauend auf die im Abschnitt 4.2.2 identifizierten Komponenten eine Clusteranalyse (Ward-Methode, quadrierte euklidische Distanz) zur Identifikation von Mustern durchgeführt (vgl. Schmitz/Voreck 2008, 421), die zwei Cluster ergab. Cluster 1 besteht aus 65 Fällen, zu Cluster 2 gehören 26 Befragte. Zwischen den beiden Gruppen bestehen über alle Komponenten hinweg signifikante Unterschiede (vgl. Tabelle 6). Die Personen in Cluster 2 weisen in allen Komponenten höhere Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen auf als die Personen in Cluster 1.

Die von Schmitz/Voreck (2008, 421 f.) identifizierten Typen der (1) „eher administrativ orientierten Schulleiter“, die vor allem ihre Erwartungen in Bezug auf die Schüler- und Lehrerdisziplin durchsetzen können, und der (2) „eher pädagogisch orientiert[en]“ Führungskräfte, die sich „einem Wertekanon von Kollegialität, Bindung, Einsatz für Schüler etc. verbunden fühlen“, können auf der Grundlage der vorliegenden Daten nicht repliziert werden. Die zwei-Cluster-Lösung der Replikationsstudie legt nahe, dass es den Führungskräften beider Cluster in der eher administrativ-orientierten Komponente 4 (Administrative Unterrichtsarbeit) am besten gelingt, ihre Verpflichtungserwartungen durchzusetzen. Deutliche Unterschiede zwischen beiden Gruppen zeigen sich in Bezug auf die drei eher werteorientierten Komponenten: Die Führungskräfte des Clusters 1 erleben bedeutende Vertragsbrüche vor allem in Bezug auf die Methodenkompetenzen (Komponente 3), hinsichtlich der Anforderungserfüllung (Komponente 1) und Motivation (Komponente 2) gelingt es ihnen jedoch weitestgehend ihre Erwartungen zumindest insoweit durchzusetzen, dass im Mittel keine bedeutenden Vertragsbrüche zu beobachten sind. Ihnen gelingt es also, die nicht ausschließlich oder unmittelbar mit dem Unterricht verknüpften Erwartungen durchzusetzen, in der unterrichtsbezogenen Erwartungskomponente 3 erleben sie dagegen eine bedeutende Inkongruenz ihrer Erwartungen und deren Erfüllung.

Den Führungskräften des Clusters 2 gelingt es in keiner der vier Komponenten, ihre Erwartungen an die Lehrkräfte durchzusetzen. Sie erleben sowohl in Bezug auf die administrative Unterrichtsarbeit (Komponente 4) als auch in Bezug auf die Komponenten 1 „Anforderungserfüllung“, 2 „Motivation“ und 3 „Methodenkompetenzen“ bedeutende und sehr bedeutende Vertragsbrüche. Im Gegensatz zu den Führungspersonen des Clusters 1 zeigen sich gleich für drei Komponenten etwa gleich hohe Effektstärken, die auf sehr bedeutende Vertragsbrüche hinweisen: 1 „Anforderungserfüllung“, 2 „Motivation“ und 3 „Methodenkompetenz“.

Tabelle 6:     Vergleich der Cluster in den Komponenten der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen (eigene Darstellung)

 

K1

Anforderungs-erfüllung

K2

Motivation

K3

Methoden-kompetenz

K4

Administrative Unterrichtsarbeit

 
 

Cluster 1

N = 65

Mittelwert

8,08

7,57

14,40

0,94

 

Standardabweichung

10,73

8,19

10,07

8,77

 

Cluster 2

N = 26

Mittelwert

25,35

25,19

25,58

14,08

 

Standardabweichung

8,42

9,29

7,68

11,54

 

Mann-Whitney-U

111,50

83,00

315,50

287,50

 

Teststatistik (Z)

-6,47

-6,74

-4,68

-4,92

 

Signifikanz (p)

< 0,001

< 0,001

< 0,001

< 0,001

 
4.3.2 Vergleich der Gruppen

Wie in der Originalstudie fiel die Prüfung, ob den soziodemographischen Merkmalen der Führungskräfte irgendein Einfluss auf die Zugehörigkeit zu einem der beiden Cluster zuzuschreiben ist, negativ aus. Auch hinsichtlich schulbezogener Merkmale zeigen sich keine signifikanten Unterschiede beider Gruppen.

4.4 Mögliche Konsequenzen der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen

4.4.1 Zufriedenheit, Belastungserleben und Erwartungsdiskrepanzen

Mögliche (emotionale und behaviorale) Folgen der erlebten Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen wurden über Erwartungsdiskrepanzen und die Kündigungsabsicht sowie die Zufriedenheit und das Belastungserleben erfasst (vgl. Abschnitt 3.2).

Im Durchschnitt nehmen die Führungskräfte eher keine Erwartungsdiskrepanzen wahr ( vgl. Tabelle 7). Lediglich der Aussage, dass sie mehr an persönlichem Aufwand und Einsatz investieren, als sie zurückerhalten, stimmen sie im Durschnitt teils-teils zu ( ). Die Kündigungsabsicht fällt im Mittel gering aus ( ). Lediglich 8 Personen (7,8 %) haben sehr oft oder öfters darüber nachgedacht, ihre Stelle in der Schulleitung zu kündigen. Die Mehrheit (42,7 %) hat überhaupt nicht über eine Kündigung nachgedacht. Das deckt sich mit den Ergebnissen von Schmitz/Voreck (2011, 312). Die Zufriedenheit der Führungskräfte liegt mit einer durchschnittlichen Bewertung von ) deutlich über dem Mittelpunkt der Antwortskala. Das Belastungserleben liegt durchschnittlich in einem mittleren Bereich ( ). Unabhängig von den Diskrepanzen der Erwartungen und der Erwartungserfüllung und unabhängig von den Belastungen des Berufsalltags scheint die Schulleitung eine für die Führungskräfte ansprechende Tätigkeit zu sein, die sie nicht aufgeben wollen. Und das scheint für alle Personen der Schulleitung, unabhängig von der Schulform zu gelten.

Tabelle 7:     Kennwerte und Items der Skalen zur Erfassung der Zufriedenheit, des Belastungserlebens  (eigene Darstellung)

Skala (Itemzahl)

M

SD

 

Items der Skala

 
 

Erwartungsdiskrepanz und Kündigungsabsicht

 

Erwartungs-diskrepanz (3)1

2,39

0,84

0,74

Meine Lehrkräfte hegen unberechtigte Erwartungen an mich.

Ich investiere mehr an persönlichem Aufwand und Einsatz, als ich zurück erhalte.

Ich bin von meinen Lehrkräften enttäuscht.

 

Kündigungs-absicht (1)2

2,03

0,84

 

Haben Sie schon gedacht, Ihre Stelle in der Schulleitung zu kündigen?

 

Zufriedenheit

 

stabilisierte Zufriedenheit (2)3

4,07

1,35

0,78

Hoffentlich bleibt meine Arbeitssituation immer so gut wie jetzt. Ich bin richtig zufrieden!

Wenn ich noch einmal wählen könnte, würde ich mich ohne Zögern wieder für eine Stelle in der Schulleitung entscheiden.

 

resignative Zufriedenheit (2)3,4

3,03

1,28

0,77

Die Arbeit in der Schulleitung macht nur bedingt Spaß, aber man sollte auch nicht zu viel erwarten.

Meine beruflichen Ansprüche und Erwartungen habe ich im Laufe der Zeit zurückgeschraubt.

 

fixierte Unzufriedenheit (2)3,4

2,18

1,13

0,83

Ich bin froh, wenn ich die Schultüre hinter mir zumachen kann.

An manchen Tagen kostet es mich viel Überwindung, in die Schule zu gehen.

 

konstruktive

Unzufriedenheit (2) 3,4

1,81

1,13

0,85

Wenn sich bei meiner Arbeit nicht bald gewisse Dinge ändern, bewerbe ich mich auf eine neue Stelle.

Ich trage mich mit dem Gedanken, den Beruf zu wechseln.

 

globale Zufriedenheit (8)3

4,65

1,04

0,89

- Gesamtskala -

 

Belastungserleben

 

Befindens-beeinträchtigung (4)3

3,70

1,23

0,87

Ich habe gesundheitliche Probleme, die ich auf meinen Arbeitsalltag zurückführe.

Meine schulische Belastung schränkt meine Freizeitaktivitäten fühlbar ein.

Ich fühle mich wegen der beruflichen Belastung oft müde und abgespannt.

Der berufliche Stress wirkt sich negativ auf mein Privatleben aus.

 

Zeitstress (3)3

3,65

1,20

0,81

Ich habe das Gefühl, dass ich mit der zeitlichen Belastung meines Berufs nicht fertig werde.

Die Anforderungen der Öffentlichkeit an die Zeit des Schulleitungspersonals sind übermäßig hoch.

Ich bräuchte mehr Verschnaufpausen, um gut arbeiten zu können.

 

normativer Druck (2)3

2,84

1,11

0,72

Meine Verantwortung für andere Menschen belastet mich sehr.

Mich belasten die überhöhten Erwartungen vieler Menschen an die Gestaltungsmöglichkeiten der Schulleitung.

 

Feedbackdefizit (3)3

3,88

0,92

0,59

Für die meisten Außenstehenden ist das, was wir in Wirklichkeit leisten, nicht erkennbar.

Ich habe eine Tätigkeit, bei der eigentlich niemand entscheiden kann, ob sie gut oder schlecht ausgeführt worden ist.

Positive Rückmeldungen und Erfolgserlebnisse sind im Beruf der Schulleitung viel seltener als in dem der Lehrkräfte.

 

globale Belastung (12)3

3,59

0,91

0,88

- Gesamtskala -

 

1 Fünfstufiges Antwortformat von 1 = „stimme nicht zu“ bis 5 = „stimme voll und ganz zu“
2
Sechsstufiges Antwortformat von 1 = „nein, überhaupt nicht“ bis 6 = „ja, sehr oft“
3
Sechsstufiges Antwortformat von 1 = „stimmt gar nicht“ bis 6 = „stimmt voll und ganz“
4 Die Items der Subskala wurden für die Bildung der Gesamtskala invertiert.

Wie anzunehmen war (vgl. Warwas 2012, 297) korrelieren das Belastungserlebens und die Zufriedenheit sowie die Erwartungsdiskrepanzen und die Kündigungsabsicht signifikant miteinander (vgl. Tabelle 8). Dabei entwickeln sich die Zufriedenheit und das Belastungserleben gegenläufig, d.h. mit sinkender Zufriedenheit steigt das Belastungserleben. Gleiche Zusammenhänge zeigen sich für die globale Zufriedenheit und die Erwartungsdiskrepanz sowie die globale Zufriedenheit und die Kündigungsabsicht. Die globale Belastung weist dagegen eine positive Korrelation zur Erwartungsdiskrepanz und zur Kündigungsabsicht auf. Mit steigender Belastung nehmen Erwartungsdiskrepanz und Kündigungsgedanken zu. Erwartungsdiskrepanz und Kündigungsabsicht korrelieren ebenfalls positiv, d. h. mit steigenden Erwartungsdiskrepanzen nehmen die Kündigungsabsichten zu.

Tabelle 8:     Rangkorrelation (Spearmans Rho) zwischen Facetten des Belastungserlebens und der Zufriedenheit

 

globale Zufriedenheit

Erwar-tungs-diskrepanz

Kündigungs-absicht

Relative Effektstärke der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanz

globale Belastung

-0,66**

0,56**

0,50**

0,22*

Erwartungsdiskrepanz

-0,51**

1,00

0,32**

0,35**

Kündigungsabsicht

-0,67**

0,32**

1,00

0,14

Relative Effektstärke der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanz

-0,17

0,35**

0,14

1,00

** Die Korrelation ist auf einem 0,01-Niveau signifikant (zweiseitig).
* Die Korrelation ist auf einem 0,05-Niveau signifikant (zweiseitig).

Signifikante Zusammenhänge zur Ausprägung der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen (in der Gesamtskala als relativer Effekt) zeigen sich nur in Bezug auf das Belastungserleben und die Erwartungsdiskrepanz. Steigt demnach die relative Effektstärke der erlebten Diskrepanz von Verpflichtungserwartungen und Erfüllung, steigt auch die globale Belastung und die wahrgenommene Erwartungsdiskrepanz. Führungspersonen, die eine geringe Reziprozität zwischen Verpflichtungserwartungen und Erwartungserfüllung erleben, fühlen sich demnach eher durch ein Feedbackdefizit belastet, haben eher das Gefühl, dass die Lehrkräfte ungerechtfertigte Erwartungen ihnen gegenüber hegen und sie mehr investieren und sind eher von den Lehrkräften enttäuscht.

4.4.2 Gruppenunterschiede hinsichtlich der Folgen der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen

Unterschiede zwischen den aus der Clusteranalyse hervorgegangenen Führungskräftegruppen zeigen sich in Bezug auf die Zufriedenheit, das Belastungsempfinden (als Gesamtskala) und die Kündigungsabsicht der Führungskräfte nicht (vgl. Tabelle 9). Die Führungskräfte des Clusters 1 weisen jedoch in Bezug auf das erlebte Feedbackdefizit und die wahrgenommenen Erwartungsdiskrepanzen signifikant geringere Werte auf. Sie nehmen also signifikant seltener ein Feedbackdefizit wahr und erleben seltener Erwartungsdiskrepanzen. Die Unterschiede innerhalb der erlebten Erwartungsdiskrepanzen lassen sich vor allem zurückführen auf Unterschiede in Bezug auf die Enttäuschung über die Lehrkräfte ( ) und die unberechtigten Erwartungen, die Lehrkräfte an die Führungskräfte setzen ( ). Die Führungskräfte des Clusters 1 sind im Durchschnitt weniger von ihren Lehrkräften enttäuscht und haben eher nicht das Gefühl, dass die Lehrkräfte unberechtigte Erwartungen an sie hegen.

Tabelle 9:     Vergleich der Cluster hinsichtlich der Folgen der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen (eigene Darstellung)

 

Gruppenzugehörigkeit

Signifikanztest

Cluster 1

Cluster 2

Prüfgröße

Signifikanz (p)

Zufriedenheit (Mittelwerte)

stabilisierte Zufriedenheit

4,13 (SD=1,36)

3,81 (SD=1,24)

U = 690,00

 Z = –1,17

0,24

resignative Zufriedenheit

2,92 (SD=1,33)

3,35 (SD=1,01)

U = 642,00

 Z = –1,61

0,11

fixierte Unzufriedenheit

2,17 (SD=1,28)

2,31 (SD=1,29)

U = 756

 Z = –0,58

0,56

konstruktive Unzufriedenheit

1,77 (SD=1,11)

1,94 (SD=1,19)

U = 740,50

 Z = –0,77

0,44

Gesamtskala

4,56 (SD=1,10)

4,30 (SD=0,87)

U = 639,00

 Z = –1,63

0,10

Belastungsempfinden (Mittelwerte)

Befindens-beeinträchtigung

3,75 (SD=1,19)

3,71 (SD=1,34)

U = 816,50

 Z = –0,02

0,98

Zeitstress

3,65 (SD=1,18)

3,83 (SD=1,18)

U = 752,00

 Z = –0,61

0,54

normativer Druck

2,75 (SD=1,14)

3,04 (SD=1,09)

U = 706,50

 Z = –1,02

0,31

Feedbackdefizit

3,71 (SD=0,95)

4,23 (SD=0,78)

U = 568,50

 Z = –2,27

0,02

Gesamtskala

3,55 (SD=0,90)

3,76 (SD=0,91)

U = 700,50

 Z = –1,07

0,28

Erwartungsdiskrepanz (Mittelwert)

Gesamtskala

2,24 (SD=0,85)

2,76 (SD=0,75)

U = 525,50

 Z = –2,67

0,01

Kündigungsabsicht

Mittelwert

1,98 (SD=1,24)

2,19 (SD=1,33)

U = 756,00

 Z = –0,72

0,47

5 Zusammenfassung der Befunde und Diskussion

Die Verpflichtungserwartungen, die Führungskräfte an ihre Lehrkräfte hegen sind vielfältig. Die höchsten Erwartungen richten sich an die Unterrichtsarbeit der Lehrkräfte, dazu zählt u. a., dass Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler wirksam fördern und sie verschiedene Unterrichtsmethoden beherrschen. Darüber hinaus erwarten die Führungskräfte, dass die Lehrkräfte Schlüsselkompetenzen (Teamarbeit, Belastungsfähigkeit, Sinnhaftigkeit, Interesse, Freiwilligkeit) mit und in ihre Arbeit einbringen. Auch dass die Lehrkräfte den Anforderungen der Schulleitung nachkommen und Verantwortung übernehmen (Diensterfüllung), Engagement zeigen und Disziplin von den Schülerinnen und Schülern einfordern, zählt zu den Erwartungen der Führungskräfte. Die geringsten Erwartungen hegen die Führungskräfte in Bezug darauf, dass die Lehrkräfte fragen, bevor sie etwas Neues einführen, und sie Verwaltungsaufgaben nicht scheuen (Sonstiges). Die Ausprägungen der Verpflichtungserwartungen sind individuell unterschiedlich hoch, wie auch Schmitz/Voreck (2008, 425) feststellten. Signifikante Unterschiede zwischen den Schulleiterinnen und Schulleitern im engen Sinn und der Gruppe der mittleren Führungsebene zeigt sich nur in Bezug auf die Diensterfüllung, unter der Verpflichtungserwartungen zusammengefasst sind, die möglicherweise eher die Beziehung zwischen der Schulleitung im engeren Sinne und den Lehrkräften betreffen. Dieser Befund wäre in weiterführenden Untersuchungen zu bestätigen.

Die sechs identifizierten Erwartungsgruppen (Diensterfüllung, Schlüsselkompetenzen, Sonstiges, Unterrichtsarbeit, Engagement und Disziplin) entsprechen nicht den von Schmitz/Voreck (2008) identifizierten Gruppen. Zudem mussten vier Items aus den weiteren Analysen ausgeschlossen werden, da sie nur geringe Trennschärfen aufwiesen. Dieser Befund spricht dafür, dass die Verpflichtungserwartungen von schulischen Führungskräften an Lehrkräften weiterer Überprüfungen erfordern. Über tiefergreifende qualitative Untersuchungen könnten weitere Verpflichtungserwartungen identifiziert und die Skala zur Erhebung von Verpflichtungserwartungen überarbeitet werden. Möglicherweise zeigen sich hier doch schulartspezifische Akzentuierungen, die in der Replikationsstudie aufgrund der Anlage der Studie nicht identifiziert werden konnten. Für die berufsbildenden Schulen wäre etwa zu erwarten, dass Schulleitungen an berufsbildenden Schulen stärker durch die Erwartungen der Steakholder aus der Wirtschaft geprägt sind, die gerade in der dualen Berufsausbildung als Ausbildungspartner eine bedeutende Rolle einnehmen. Denkbar wäre zudem, dass ökonomische Denkmuster in der Erwartungshaltung der Führungskräfte an den berufsbildenden Schulen eine andere Bedeutung besitzen, wenn davon ausgegangen wird, dass die Führungskräfte – ebenso wie die Lehrkräfte – über betriebliche Berufserfahrungen verfügen, die sie sowie ihre Erwartungs- und Werthaltungen prägen.

Wie die Ausprägung der Verpflichtungserwartungen selbst ist auch das Maß der Erfüllung der Verpflichtungserwartungen individuell unterschiedlich ausgeprägt, zu dem Ergebnis kamen auch Schmitz/Voreck (2008, 425). Im Gegensatz zur Originalstudie konnte in der Replikationsstudie für die Ausprägung der Verpflichtungserwartungen und die Ausprägung der wahrgenommenen Erfüllung der Verpflichtungserwartungen jeweils in der Gesamtskala (für die verkürzte Skala) ein mittlerer signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden. Das bedeutet, dass mit steigenden Anforderungen auch die Erfüllung der Verpflichtungserwartungen steigt. Dieser Befund wäre über weitere Untersuchungen abzusichern.

Wie in der Originalstudie von Schmitz/Voreck (ebd.) wurde angenommen, dass sich Hinweise auf Störungen der Reziprozität des psychologischen Vertrages aus Diskrepanzen von Erwartungen und der erlebten Erwartungserfüllung ableiten lassen. Von bedeutenden Vertragsbrüchen wurde bei relativen Effektstärken ab fünf Prozent ausgegangen, relative Effektstärken ab zehn Prozent wurden als sehr bedeutende Vertragsbrüche interpretiert. Für 20 der 22 verbleibenden Verpflichtungserwartungen wurden im Mittel bedeutende bis sehr bedeutende Vertragsbrüche festgestellt. Nur 16 Prozent der Befragten wiesen im Mittel Diskrepanzeffekte von unter fünf Prozent auf. Zwischen den Führungskräften der Schulleitung im engen Sinne und denen der mittleren Ebene zeigen sich keine signifikanten Unterschiede.

Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen zeigen sich insbesondere in Bezug auf die Methodenkompetenzen der Lehrkräfte. Die Erwartungen der Führungskräfte, dass sich die Lehrkräfte für ihre Schülerinnen und Schüler engagieren und sie wirksam fördern, die Lehrkräfte selbstständig arbeiten, verschiedene Unterrichtsmethoden beherrschen und ihren Unterricht gründlich vorbereiten wurde im Mittel mit 17,46 Prozent nicht erfüllt. Auch in der Erfüllung von Anforderungen (u.a. Anforderungen nachkommen, im Team arbeiten, Arbeit freiwillig übernehmen) und der Motivation der Lehrkräfte (u.a. sich einsetzen, Interesse an der Arbeit zeugen) erleben die Führungskräfte im Mittel sehr bedeutende Vertragsbrüche. Bezogen auf die administrative Unterrichtsarbeit (u.a. über Vorkommnisse sofort Bericht erstatten, auf ihre äußere Erscheinung achten) ergeben sich dagegen im Mittel keine besonderen Effektstärken. Der Unterricht ist für die Führungskräfte das zentrale Aufgabengebiet der Lehrkräfte. Dabei stehen inhaltliche Aspekte deutlich mehr im Fokus als administrative Aufgaben im Unterricht. Das zeigt sich auch in den Ergebnissen von Schmitz/Voreck (2008, 2011).

Schmitz/Voreck (2008, 425) konnten zudem „anhand der Inhaltskategorien der Diskrepanzen von Erwartungen und Erwartungserfüllung mittels Clusteranalyse […] zwei statistisch deutlich unterscheidbare Gruppen trennen“, von denen sie eine als eher administrativ orientierte Gruppe bezeichneten und der anderen Gruppe eher kommunikative und pädagogische Leitbilder zusprachen. Dieser Befund konnte in der vorliegenden Studie nicht repliziert werden. Zwar konnten mittels Clusteranalyse ebenfalls zwei statisch unterscheidbare Gruppen getrennt werden, die sich jedoch vor allem hinsichtlich der Diskrepanzen der wertorientierten Verpflichtungserwartungen unterscheiden. Während es den Führungskräften des ersten Clusters gelingt, ihre Erwartungen in den administrativen Unterrichtserwartungen durchzusetzen, erleben sie sehr bedeutende Vertragsbrüche in Bezug auf die Methodenkompetenzen der Lehrkräfte. Die Führungskräfte des Clusters 2 erleben dagegen in allen vier Diskrepanz-Komponenten sehr bedeutende Vertragsbrüche, wenngleich die geringsten Vertragsbrüche ebenfalls in Bezug auf die administrative Unterrichtsarbeit erlebt werden. Die soziale Reziprozität zwischen Vorgesetzten und Lehrkräften ist dementsprechend in Cluster 1 bedeutsam harmonischer als in Cluster 2. Das Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass Schulleitungen an berufsbildenden Schulen weniger stark administrativ orientiert agieren, sondern eher – wenn auch in unterschiedlichem Maße – pädagogische Leitbilder verfolgen. Eine Ursache für diese Unterschiede zu anderen Schulformen könnte in der beruflichen Sozialisation der Führungskräfte an berufsbildenden Schulen liegen, die aufgrund der beruflichen Bezugspunkte i. d. R. über berufspraktische Erfahrungen verfügen (müssen, vgl. KMK 2018). Gleichwohl könnten andere Aspekte in den Orientierungen und Werthaltungen der Schulleitungen an berufsbildenden Schulen von Bedeutung sein, etwa wirtschaftlich orientierte Maßstäbe, die aus diesen berufspraktischen Erfahrungen resultieren. Um diese These zu überprüfen, bedarf es jedoch einer Anpassung bzw. Erweiterung des Messinstruments um ökonomisch bzw. ökonomisch-rationale Erwartungshaltungen.

Trotz der Unterschiede der Ergebnisse der Clusteranalysen der Replikationsstudie und der Originalstudie deutet sich an, dass Führungskräfte unterschiedlichen Gruppen angehören, denen es in einem unterschiedlichen Maße gelingt, ihre Erwartungen durchzusetzen. Die Zuordnung der Führungskräfte zu einem der beiden Cluster interpretieren Schmitz/Voreck (2008, 426) als Spiegel der Doppelposition der Lehrkräfte als Vorgesetzte und Kollegen: „Eine Gruppe scheint sich gemäß ihrer Leiterposition eher an der Rolle des Vorgesetzten zu orientieren, die andere entsprechend an ihrer Rolle als Kollegen.“ Diese Interpretation ließe sich auch auf der Grundlage des Befundes der Replikationsstudie aufrechterhalten: Den Führungskräften des Clusters 1 gelingt es demnach eher, ihre Interessen als Führungsperson zu verdeutlichen und durchzusetzen, sie orientieren sich also eher an der Rolle der/des Vorgesetzten. Die Führungskräfte des Clusters 2 weisen dagegen in allen Bereichen starke Diskrepanzeffekte zwischen Erwartungen und Erfüllung/ Nichterfüllung auf, möglicherweise weil es ihnen nicht gelingt, in der Rolle als Führungskraft ihre Erwartungen zu verdeutlichen. Sie orientieren sich möglicherweise weiterhin an der Rolle der Kollegin bzw. des Kollegen. Insofern kann die Replikationsstudie als weiterer Beleg dafür angesehen werden, „dass die […] Stellung von Vorgesetzten, hier die doppelte Position von Schulleitern, Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Grades der Erfüllung/ Nichterfüllung der Inhalte der im Psychologischen Kontrakt reziprok implizierten Verpflichtungserwartungen hat“ (Schmitz/Voreck ebd.). Nicht bestätigt werden kann hingegen die Annahme, dass die formale Stellung der Vorgesetzten diese Auswirkungen hat, denn die formale Stellung der Führungskraft (als Schulleitung im engen Sinne oder Führungsperson der mittleren Ebene) hat keinen Einfluss auf die Zuordnung einer Person zu einem der Cluster.

Die erlebten Vertragsbrüche führen zu Distress mit negativen emotionalen und behavioralen Reaktionen. Im Rahmen der Replikationsstudie konnte festgestellt werden, dass das Belastungserleben und die wahrgenommenen Erwartungsdiskrepanzen einen Zusammenhang zum Bruch des Psychologischen Kontrakts aufweisen. Führungspersonen mit hohe Diskrepanz-Effekten fühlen sich eher durch fehlendes Feedback belastet und haben eher das Gefühl, einem unberechtigten Erwartungsdruck ihrer Lehrkräfte ausgesetzt zu sein und mehr zu investieren, als ihre Lehrkräfte. Zur Zufriedenheit und Kündigungsabsicht konnten keine signifikanten Zusammenhänge nachgewiesen werden. Brüche des Psychologischen Kontrakts an berufsbildenden Schulen haben demnach keine Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Führungskräfte und keinen Einfluss auf die Kündigungsabsicht.

Die Replikation der Studie von Schmitz/Voreck (2008) hat gezeigt, dass die Theorie der Psychologischen Kontrakte einen fruchtbaren Ansatz zur Erforschung der Erwartungshaltungen von Schulleitungen bietet, die Inhalte und Strukturen der Verpflichtungserwartungen und der Erwartungs-Erfüllungs-Diskrepanzen sowie die Folgen von Inkongruenzen weiterer Analysen bedürfen. Zudem sind schulartspezifische Besonderheiten stärker in den Blick zu nehmen, die berufsbildenden Schulen dürften dafür aufgrund ihrer Nähe zur privaten Wirtschaft ein interessantes Forschungsfeld bieten. Interessante Befunde dürfte auch eine entsprechende Studie weiteren Perspektiven, etwa der Perspektive der Lehrkräfte oder der Perspektive außerschulischer Steakholder liefern.

Literatur

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[1]    Zwar wäre gerade für die Prüfung der theoretischen Annahmen zur Faktorenstruktur der Daten eine konfirmatorische Faktorenanalyse denkbar, doch können aus den publizierten Ergebnissen der Originalstudie keine vollständigen Zuordnungen der Items zu den sechs Faktoren rekonstruiert werden. Insofern liegen bisher keine einschlägigen empirischen Befunde zu den latenten Variablen der Erwartungshaltungen von Schulleiterinnen und Schulleitern vor, weshalb auf eine explorative Faktorenanalyse sowohl zur Untersuchung der Daten der Replikationsstudie als auch zur Hypothesenprüfung zurückgegriffen wurde (vgl. Rost 2013, 224 f.).

[2] Die Geschäftsführungen stammen allesamt aus Schulen in privater Trägerschaft.

[3] Entsprechende Daten zur Qualifikation der Führungspersonen liegen in der Originalstudie nicht vor.

[4]    In der Originalstudie wurden im Zuge der Faktorenanalyse zwei Items mit niedrigen Landungen und unpassenden Inhalten für die Faktorenbildung ausgeschlossen. Welche Items konkret ausgeschlossen wurden, erschließt sich aus den publizierten Ergebnissen (Schmitz/Voreck 2008; 2011) nicht.

[5]    Sowohl der Bartlett-Test ( ) als auch das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium ( ) weisen darauf hin, dass sich die Variablen für eine Faktorenanalyse eigenen.

[6] Dass sich die relativen Effektstärken für eine Faktorenanalyse eignen, wurde mittels Bartlett-Test ( ) und Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium ( ) geprüft.

Zitieren des Beitrags

Lange, S. (2021): Was erwarten Schulleitungen von ihren Lehrkräften? Eine Replikationsstudie an berufsbildenden Schulen. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 41, 1-23. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe41/lange_bwpat41.pdf (20.12.2021).