bwp@ 41 - Dezember 2021

Führung und Management beruflicher Schulen

Hrsg.: Karl Wilbers, Nicole Naeve-Stoß, Cornelia Wagner-Herrbach & Franz Gramlinger

Qualitätsmanagement in Zeiten der Krise: Umgang der Schulleitung mit den Veränderungen infolge der Corona-Pandemie an berufsbildenden Schulen

Beitrag von Martin Keller & Stephanie Ledergerber
bwp@-Format: Forschungsbeiträge
Schlüsselwörter: Berufliche Schulen, Qualitätsmanagement, Schulleitung, Krisenmanagement

Die Corona-Pandemie und die dadurch verursachten Schulschließungen im März 2020 stellte die Schulen vor eine große Herausforderung. Die Schulleitung mit ihrer Führungsaufgabe war besonders intensiv gefordert, da die Qualitätsverantwortung in ihren Aufgabenbereich fällt.

Der Beitrag untersucht die Fragestellung, wie die Schulleitungen an berufsbildenden Schulen mit der Krise umgegangen sind. Dabei wird zunächst das subjektive Krisenempfinden der Schulleitungen untersucht, da die Wahrnehmung der Situation einen direkten Einfluss auf die Handlungsweise einnimmt. Der Fokus wird auf Prozess-Qualitäten gelegt, welche die Schulleitungen im Hinblick auf das Qualitätsmanagement realisiert haben. Dabei werden Fragen zum Führungsansatz, der Kommunikation sowie der Unterrichtsgestaltung aufgenommen. Schließlich werden Faktoren erörtert, welche im Umgang mit der Bewältigung der Krise als erfolgreich wahrgenommen wurden.

Quality management in times of crisis: school management’s handling of changes resulting from the pandemic in vocational schools

English Abstract

The Corona pandemic and the resulting school closure in March 2020 presented a major challenge to the schools. The school management with its leadership task was particularly intensively challenged, since the responsibility for quality falls within the scope of responsibility.

The article identifies how the school management at vocational schools dealt with the crisis. First, the subjective perception of the crisis of the school management is examined, since the perception of a situation has a direct influence on the way of acting. Second, the focus is placed on process qualities that the school management has stimulated with regards to quality management. Issues related to leadership approach, communication, or instructional design and management are included. Finally, factors are discussed which were perceived as successful in dealing with the crisis.  

1 Steuerung des Qualitätsmanagements durch die Schulleitung

Die Mitte März 2020 angeordneten Schulschließungen und die sich darauffolgend stetig verändernden Richtlinien verlangten von den Schulleitungen immediates Handeln und schnelle Beschlüsse. Sie waren direkte Ansprechpersonen bei Fragen und Unklarheiten über die Schulausbildung und ihnen oblag die Reorganisation vom Präsenz- zum Fernunterricht (Bremm/Jesacher-Rößler/Klein/Rachenbäumer 2021, 118). Zur Bewältigung der Krisensituation benötigt es nach Töpfer (2014, 241) „die bewusste Gestaltung, Führung und Steuerung einer Situation [...], um die Krisensituation möglichst schnell und nachhaltig zu überwinden“. Den Schulleitenden wird im Umgang mit Krisensituationen und damit einhergehendem Qualitätsmanagement eine steuernde Wirkung zugeschrieben (Blöchinger et al. o.D, 50; Landwehr/Steiner 2008, 4). Die Schulleitung stellt in ihrem Tätigkeitsfeld eine Führungskraft dar und die Empirie führt aus, dass der Zusammenhang zwischen einer guten Führung und der Qualität der Schule bzw. des Unterrichts belegt sei (Erhard 2009; Bonsen 2010, 281ff.; Huber 2008, 99f.). Ihr Handeln, vor dem Hintergrund des bestehenden Qualitätsmanagements und der Pandemie, umfasst die schnelle Adaption der Prozesse (Schatz et al., 2016). Diese Erkenntnisse bestätigen auch Jesacher-Rößler & Klein (2020, 11), die insbesondere die Kommunikation sowie die Aufrechterhaltung von Prozessabläufen als zentrale Elemente darlegen. Die hohe Korrelation der Rolle der Schulleitung im Zusammenhang mit der Qualität der Schule wird durch zahlreiche internationale Studien aus den letzten Jahrzehnten gestützt (exemplarisch Reynolds 1976; Scheerens/Bosker 1997; Fend 1998).

Das nach Deming (1982) charakterisierte Total Quality Management (TQM) umfasst den Grundgedanken, eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung durch vollumfassende und stetige Qualitätskontrollen zu erreichen. Diese finden dabei während der gesamten Produktionskette und unter Einbezug aller beteiligten Parteien statt. Capaul, Seitz & Keller (2020, 534) übertragen die Charakteristika des TQM-Konzeptes auf die Schule. Im Hinblick auf den Schulkontext ist ebenfalls ein vollumfassendes Qualitätsmanagement anzustreben, dessen Verbesserungsbestrebungen fortlaufend erfolgen. Qualitätsbestrebungen sind auf schulinterne und -externe Anspruchsgruppen auszurichten, wobei das Hauptaugenmerk auf den Lernenden liegt. Um das Ziel einer merklichen Qualitätssteigerung zu erreichen, ist der Einbezug und das Engagement sämtlicher Mitarbeitenden essentiell.

Anlehnend an diese Auffassung des Qualitätsmanagements in der Schule hat sich das Input-Prozess-Produkt-Modell behauptet (Hoy/Miskel 2013), dessen Grundgedanken es auch ist, die Prozesse gesamtheitlich zu erfassen.

Das folgende Modell (siehe Abbildung 1) zur Erfassung der Schulqualität, bildet durch die drei Ebenen – Input, Prozess und Output - den gesamten Leistungserstellungsprozess auf der Schulebene dar und dient als Grundlage der vorliegenden Forschung.  

Abbildung 1: Modell zur Erfassung der Schulqualität (in Anlehnung an Scheerens 1992, 66 & Dubs 1998, 20ff.)Abbildung 1: Modell zur Erfassung der Schulqualität (in Anlehnung an Scheerens 1992, 66 & Dubs 1998, 20ff.)

Unter den Input-Qualitäten werden Faktoren verstanden „welche in die Schule hineinwirken“ (Capaul/Seitz/Keller 2020, 535). Unter Dubs (1998, 27) und Scheerens (1992, 66) stehen im Mittelpunkt der Betrachtung die Prozess-Qualitäten, die zum einen die diversen Arbeitsabläufe und zum anderen den Unterricht beinhalten. Diese Ebene wird im vorliegenden Modell durch die individuelle Ebene, z. B. durch die Personalentwicklung ergänzt (Capaul/Seitz/Keller 2020, 535). Als dritte Determinante werden die Produkt-Qualitäten aufgeführt, deren Inhalte in die beiden Variablen „Output“ und „Outcome“ unterteilt werden. Dabei wird durch den Output, die „schulindividuell gesetzte Vision bzw. ihre Ziele“ in Form ihrer Effizienz gemessen, während der Outcome untersucht, ob die „gesellschaftlichen Erwartungen“ erfüllt sind (Dubs 1998, 21).

Die vorliegende Forschungsarbeit untersucht ausgewählte Elemente des Input-Prozess-Output-Modells. Wenn davon ausgegangen wird, dass die schnelle Adaption der Prozesse in Krisensituationen im Zentrum steht, richtet sich der Fokus in der zeitlichen Dimension auf Merkmale, welche in der kurzen Frist überhaupt adaptierbar sind. Aus dieser Perspektive verlieren zahlreiche Variablen an Bedeutung. Weiter stehen in einer Krisensituation mitunter die Aufrechterhaltung und Qualitätssicherung des Kernprozesses im Zentrum. Die durchgeführte Studie fokussiert folglich auf die Prozess-Qualitäten in den Schwerpunkten Führungsprozesse sowie Kernprozess der Schule (Unterricht). Damit einher rücken die intervenierenden Variablen auf der schulischen und unterrichtlichen Ebene ins Zentrum der Betrachtung. In diesem Kontext wird folglich angenommen, dass die durch die Schulleitung zu prägende Oberflächenstruktur, die nötigen Rahmenbedingungen und Richtlinien schafft. Ergänzend sind direkten Eingriffen in die Subsysteme der Schulen denkbar. Zudem wird vermutet, dass zum einen der gewählte Führungsansatz eine wichtige Rolle spielt, um mit den Unsicherheiten der Krise umzugehen. Zum anderen wird erwartet, dass die Zusammenarbeit eine wesentliche Rolle spielt, um den Übergang vom Präsenz- zum Fernunterricht zu gewährleisten und qualitativ hochstehenden Unterricht anzubieten. In diesem Kontext werden der Schulkultur und dem Berufsethos der Lehrenden als Rahmenfaktoren einen hohen Wert zugesprochen, da bestehende Offenheit, Motivation und Hilfsbereitschaft als essentielle Faktoren bei der Bewältigung der Pandemie angesehen werden. Da die zur Verfügung stehende Infrastruktur einen wesentlichen Faktor in der Reorganisation des Präsenz- auf den Fernunterricht darstellte, wurde die Ausstattung als Input-Qualität als weiterer Rahmenfaktor in die Ermittlung der Schulqualität einbezogen.

2 Forschungsdesign

Das Forschungsdesign basiert auf einem zweistufigen Verfahren und verzahnt qualitative und quantitative Forschung miteinander. Im ersten Teil wurden die Schulleitungen aus der gesamten Deutschschweiz schriftlich mit einem standardisierten Instrument zum Krisenempfinden befragt. Um die Erkenntnisse aus der quantitativen Befragung zu vertiefen, wurden mit ausgewählten Personen Interviews geführt.  

Die folgenden Unterkapitel geben einen Einblick über die Auswahl der Probanden (Kapitel 2.1), die der Studie zugrundeliegenden Forschungsfragen (Kapitel 2.2) sowie die Vorgehensweise zur Erhebung der Forschungsfragen (Kapitel 2.3).

2.1 Stichprobenauswahl

Bei der ersten Erhebung lag der Fokus auf Schulleitungen der Sekundarstufe II. Um die von ihnen getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen möglichst vergleichbar einordnen zu können, wurden Schulleitungsmitglieder ausgewählt, welche die gleiche Schulleitungsausbildung (CAS IWP-HSG) vorweisen können. Dabei wurden insgesamt 140 Personen kontaktiert und zur Teilnahme an der Studie animiert. Es konnte schließlich ein Rücklauf von 50 Personen verzeichnet werden, was einer Teilnahmequote von rund 36% entspricht. Die Geschlechterverteilung zeigte 16 weibliche und 34 männliche Partizipantinnen und Partizipanten. Die Befragung umfasste die ganze Ebene der Sekundarstufe II. Dabei entfielen 17 Teilnehmende auf den Schultyp Gymnasium. 22 weitere Teilnehmende sind in der Schulleitung einer Berufsfachschule, wobei je eine Person an einer Wirtschaftsmittelschule (WMS) bzw. einer Fachmittelschule (FMS) arbeitet. Weitere 11 Teilnehmende arbeiten an einer Schule, die sowohl den Typus des Gymnasiums als auch einer WMS oder FMS vertreten. Für die vorliegende Studie werden Aussagen der Teilnehmenden, die an einer berufsbildenden Schule arbeiten vordergründig dargelegt. Ergebnisse, die den Schultypus Gymnasium betreffen, werden dabei lediglich vergleichend herangezogen.

Basierend auf der quantitativen Vermessung wurde eine zielgerichtete Stichprobe (purposive sampling) für die Interviews gebildet (Lawrence et al. 2013, 534). Die Stichprobenbildung berücksichtigte dabei mehrere Dimensionen. Basierend auf den Angaben in der quantitativen Vorstudie galt es, die gesamte Breite bezüglich Schulgröße, Schultyp (Gymnasium, FMS/WMS, Berufsfachschule) und Schulform (wie z.B. Internat) abzubilden. Insgesamt wurden 17 Interviews geführt, wobei acht auf den Typus Gymnasium und sieben auf den Typus Berufsfachschule fallen. Zwei weitere Interviews können beiden Kategorien zugeteilt werden, da diese Schulen sowohl ein Gymnasium als auch eine integrierte Fachmittelschule besitzen.

Das zweite Merkmal betrifft die Ausprägung des subjektiven Krisenempfindens. Es wird davon ausgegangen, dass das erlebte Krisenempfinden einen Einfluss auf das Handeln der Schulleitungen hat (siehe Kapitel 2.2). Folglich wurden Schulleitungen ausgewählt, welche Vielschichtigkeit bezüglich Krisenempfinden repräsentieren. Ergänzend wurden Schulleitende angefragt, welche an ihrer Schule besonders differenzierte Maßnahmen umgesetzt hatten. Letztlich wurden spezielle Auffälligkeiten berücksichtigt wie zum Beispiel das Vorhandensein eines bestehenden Krisenkonzeptes oder den Besuch einer chinesischen Delegation in dem untersuchten Zeitraum.

Für die vorliegende Fokussierung auf das Qualitätsmanagement an Berufsfachschulen werden die Inhalte der Schulleitungen des Schultypus Berufsfachschule sowie jene, die an einer Schule mit einem gemischten Schultyp arbeiten, herangezogen. Die Interviews wurden transkribiert und unter Verwendung der Software MAXQDA ausgewertet. Die qualitative Inhaltsanalyse orientiert sich an Kuckartz (2018), wobei eine induktive Kategorienbildung vorgenommen wurde.

2.2 Forschungsfragen

Am Freitagnachmittag des 13. März 2020 kommunizierte der Bundesrat, dass der Präsenzunterricht an den Schulen in der gesamten Schweiz aufgrund der Corona-Pandemie ab darauffolgendem Montag vorübergehend eingestellt wird. Damit blieb den Schulen ein Zeitfenster von rund drei Tagen, um den Unterricht als Kernprozess an berufsbildenden Schulen aufrechtzuerhalten und auf Fernunterricht umzustellen. Die Schulschließung als Ausgangslage war für alle Schulen gleichermaßen gültig. Nun benötigte es entsprechende Anstrengungen und Adaption, um die Qualität der beruflichen Schulen während der Pandemie aufrechtzuhalten. Die vorliegende Forschung basiert auf dem Input-Prozess-Produkt-Modell, an dem sich auch die Forschungsfragen orientieren, wobei sich die vorliegende Studie ausschließlich auf die Input- und Prozessqualitäten fokussiert. Die Begründung hierfür ist darin zu sehen, dass in Krisensituationen die zeitnahe Adaption der Prozesse im Vordergrund steht (siehe hierzu Kapitel 1). Die gewählten Forschungsfragen intendieren - insbesondere vor dem Hintergrund der Krisensituation – die Veränderungen in den von der Schulleitung zu steuernden Prozesse der Oberflächenstruktur zu erheben. Die aus der Forschung gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, eine Transparenz zwischen den Schulen zu schaffen. Von grundlegendem Interesse ist dabei, welche Prozesse die Schulleitungen implementiert bzw. adaptiert haben, um den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten und welche Aspekte davon in Zukunft beibehalten werden sollen.

Die Ergebnisse aus der vorliegenden Studie dienen der Förderung des Diskurses einerseits zwischen den Schulen, sowie andererseits zwischen den Schulen und den übergeordneten Steuerungssystemen. Neben dem Diskurs auf der Makro- und Mesoebene, geht es insbesondere auch darum, dass Schulleitungen für ihre eigene Schule als System erkennen, wie in künftigen vergleichbaren außerordentlichen Lagen die Schulsteuerung optimal erfolgen kann, sodass die Qualität im Kernprozess erhalten bleibt. Darüber hinaus sollen die Erkenntnisse auf einer individuellen Ebene die Möglichkeit bieten, das eigene Handeln und Verhalten kritisch zu reflektieren. Als begleitende Maßnahme darüber hinaus ist angedacht, die Erkenntnisse in der künftigen Schulleitungsausbildung (CAS IWP-HSG) einfließen zu lassen.

Das Empfinden einer Situation und die sich daraus ergebenden Entscheidungen und abgeleiteten Maßnahmen sind subjektiv geprägt. Dies wird ergänzend berücksichtigt. Der Bericht gibt Antworten auf die folgenden Forschungsfragen:

Forschungsfrage I      

Wie intensiv ist das Krisenempfinden zu gegebenen Eckpunkten im Verlaufe der Corona-Pandemie?

Hypothese: Der Schultypus der Berufsfachschule reagiert am stärksten auf die Krise, da die Berufsfachschulen durch die Dualität der Ausbildung mit vergleichsweise vielen Lern- und Arbeitsorten vernetzt sind.

Input-Qualitäten

Forschungsfrage II      

Wie gut waren die Berufsfachschulen im Hinblick auf die Infrastruktur für den Fernunterricht vorbereitet?  

Prozess-Qualitäten

Forschungsfrage III      

Welche Veränderungsprozesse im Hinblick auf die Schulführung hat die Schulleitung vor dem Hintergrund des Qualitätsmanagements angestoßen? 

Teilfrage IIIa

Gab es während der Krise Adaptionen im Führungsstil der Schulleitenden?

Teilfrage IIIb

Gab es ein bestehendes Krisenkonzept, das für die Krisenbewältigung herangezogen werden konnte?

Teilfrage IIIc

Wurde aufgrund der Situation ein Krisenstab gegründet?

Teilfrage IIId

Wie wurde während der Krisenzeit kommuniziert?

Teilfrage IIIe

Blieben die Lehrpersonen engagiert und motiviert?

Forschungsfrage IV      

Welche Veränderungsprozesse im Hinblick auf den Unterricht hat die Schulleitung vor dem Hintergrund des Qualitätsmanagements angestoßen? 

2.3 Erhebungsinstrument

Für die Erhebung der Forschungsfragen (siehe Kapitel 2.2) wurden die ehemaligen und gegenwärtigen Teilnehmenden des CAS IWP-HSG für Schulleitungen der Sekundarstufe II und der Tertiärstufe kontaktiert. Die Kontaktaufnahme fand per E-Mail statt und enthielt nebst den Forschungszielen auch ein Dokument, welches aus zwei Teilen bestand: Der erste Teil umfasste einen Zeitstrahl, der Eckpunkte der Corona-Pandemie enthielt. Dieser ist in der folgenden Abbildung 2 dargelegt.

Abbildung 2: Eckdaten der Corona-Pandemie im ZeitverlaufAbbildung 2: Eckdaten der Corona-Pandemie im Zeitverlauf

Die Schulleitungen haben auf einer Skala von 1-10, ihr persönliches Krisenempfinden ausgedrückt. Die Endpunkte der Skalen wurden verbalisiert. Der zweite Teil der Untersuchung bestand aus einer Tabelle. Bei der ersten Spalte haben die Teilnehmenden schulinterne Maßnahmen im Umgang mit der Pandemie notiert. Bei der zweiten Spalte wurde der Zeitpunkt bzw. der Zeitraum dieser Maßnahmen angegeben und in der dritten Spalte konnte der auszulösende Faktor aufgenommen werden (ein exemplarischer Auszug kann stellt die Abbildung 3 dar). Nebst diesen inhaltlichen Elementen wurden von allen Teilnehmenden weitere Randvariablen wie Schultyp, Schulgröße sowie der jeweilige Kanton erfasst.

Abbildung 3: Auszug aus der quantitativen Umfrage (exemplarisch)Abbildung 3: Auszug aus der quantitativen Umfrage (exemplarisch)

Die inhaltlichen Auswertungen dienten zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage bezüglich des Krisenempfindens. Die genannten Maßnahmen wurden als Aspekte aufgefasst, welche in späteren Interviews vertieft werden konnten.

Die geführten Interviews mit den ausgewählten Teilnehmenden (siehe Kapitel 2.1) folgten einem halbstrukturierten Interviewleitfaden. Zusätzlich wurden die individuell genannten Maßnahmen aus der quantitativen Erhebung vertieft und präzisiert. Die Namen der Interviewpartnerinnen und -partner werden in Publikationen anonymisiert.  

3 Darlegung zentraler Ergebnisse

3.1 Krisenempfinden

Die an der quantitativen Teilstudie teilnehmenden Schulleitungen haben ihr Krisenempfinden anhand zeitlicher Eckdaten angegeben. Die Intensität des Empfindens wurde mit 10 Stufen skaliert, wobei 10 als höchstes Krisenempfinden und 1 als kein Krisenempfinden beschrieben wurde. Die folgende Abbildung 4 legt die Krisenkurven nach Schultypus dar und weist die Mittelwerte in Zahlenformat aus. Unter «Kombination Schultypen» sind die Aussagen jener Schulleitungen zusammengefasst, deren Schule sowohl ein Gymnasium als auch eine Wirtschaftsmittelschule und/oder Fachmittelschule vereint.  

Abbildung 4: Krisenempfinden nach Schultypen im ZeitverlaufAbbildung 4: Krisenempfinden nach Schultypen im Zeitverlauf

Bei der Bewertung des Krisenempfindens handelt es sich um die persönliche und demnach subjektive Wahrnehmung der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer. Zusätzlich wurden die Teilnehmenden befragt, welchen Referenzpunkt sie verwenden, wenn über das persönliche Krisenempfinden gesprochen wird. Als Referenzpunkt wurden beispielsweise die eigene Schule, Unternehmen, die Medien, oder auch private Erlebnisse herangezogen (Ke 2020, Abs. 12; Fo 2020, Abs. 21; Re 2020, Abs. 65). Als weiteren relevanten Einflussfaktor ist das persönliche Umfeld oder die individuelle Wahrnehmung zu nennen, wo unter anderem Risikogruppen im eigenen Familien- und Freundeskreis, der Austausch mit den exponierten Mitarbeitenden in einer Spitaleinrichtung oder auch die individuelle Auffassung der Medieninhalte Einfluss auf die Bewertung hatten (Et 2020, Abs. 59 & 3; St 2020, Abs. 33; By 2020, Abs. 34; Fe 2020, Abs. 14; Mü 2020, Abs. 11; Pr 2020, Abs. 13). Das Krisenempfinden der an der Umfrage beteiligten Schulleitungen ist weitgehend homogen. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass die Risikowahrnehmung einen Zusammenhang zu den jeweiligen Referenzpunkten hatte.

Die nach Schultyp dargelegte Krisenkurve zeigt, dass die Schulleitenden bis zum Schulschließungsbeschluss am 13. März 2020 ein relativ ähnliches Krisenempfinden hatten. Durch diesen Beschluss wurde die Wahrnehmung in Bezug zur Krise intensiver und erreichte ihren Höhepunkt bei der Schulschließung am 13. März 2020. Wider Erwarten zeigt sich zu Beginn der Pandemie kurzweilig ein höheres Krisenempfinden in den Gymnasien. Die Streuung zeigt jedoch, dass die Mittelwerte der Gymnasien aufgrund zweier Extremwerte zustande kamen, die auch als Ausreißer interpretiert werden können. Die Hypothese, dass die Berufsfachschulen stärker auf die Krise reagierten, weil durch die berufliche Einbindung der Lernenden die Schule auch stark mit der Arbeitgeberseite interagiert und die wirtschaftliche Herausforderung Rückwirkungen auf das Schulgeschäft hätten, konnte nicht belegt werden. Eine potenzielle Erklärung für das geringere Empfinden könnte sein, dass die Regelungen bei den Berufsfachschulen vermehrt zentralisiert getroffen wurden (z. B. im Hinblick auf die Abschlussprüfungen), wobei sich die Gymnasien verstärkt an kantonale oder schulinterne Richtlinien hielten. Diese Art der zentralen Steuerung lässt vermuten, dass diesbezüglich mehr Sicherheit im Sinne von Klarheit geschaffen werden konnte. Oder umgekehrt formuliert: Der größere Handlungsspielraum auf der gymnasialen Ebene führte zu mehr Unsicherheit darüber, wie, in welcher Form und mit welcher Verbindlichkeit der Kernprozess der Schule (Unterricht inklusive Prüfungsgestaltung) zu gestalten war.

Nach der Schulschließung zeigt sich über alle Schultypen hinweg ein leicht sinkendes Krisenempfinden. Weiter wird sichtbar, dass die Schultypen, die sowohl ein Gymnasium als auch eine Wirtschafts- bzw. Fachmittelschule unter einem Dach vereinen, die stärkste Wahrnehmung in Bezug auf die Krise aufweisen. Die Vermutung liegt nahe, dass dies aus dem sich ergebenden Mehraufwand aufgrund der individuellen Regelungen im Hinblick auf die Abschlussprüfungen oder durch die Koordination mit Ausbildungsbetrieben ergibt.

Der Eckpunkt «heutiges Datum» bezeichnet die Zeitspanne von Mitte April bis Ende Mai, als die Umfragen des Forschungsprojektes ausgefüllt wurden. Das Krisenempfinden findet sich mit den Werten von 6.4 und 6.69 in einem nahen Raum. Diese Werte sind jedoch vorsichtig zu interpretieren, denn es ist zu beachten, dass die rund eineinhalbmonatige Zeitspanne zu unterschiedlichen Informationsständen in Bezug zur Pandemie und getroffenen Beschlüsse und Maßnahmen führte.

Obschon in den Forschungsfragen nicht intendiert, gibt der nächste Abschnitt darüber Auskunft, welche Maßnahmen von den Schulleitungen aufgrund bestimmter auslösender Faktoren getroffen wurden. Es ist zu vermuten, dass neben den genannten auslösenden Faktoren das subjektive Krisenempfinden der Schulleitung selbst zusätzlich intervenierend auf die getroffenen Maßnahmen wirkte. Dies stellt eine Vermutung dar, welche näher untersucht werden müsste.

In der folgenden Tabelle werden die häufigsten Maßnahmen zusammenfassend dargestellt, welche aufgrund der quantitativen Teilbefragung genannt wurden.

Tabelle 1:       Schulintern getroffene Maßnahmen

Auslösender Faktor

Getroffene Maßnahmen

Zunehmende Berichtserstattung über die Pandemie und Einschränkungen in Nachbarländern

Nachfragen von Lehrpersonen und Lernenden nehmen zu (ab Februar 2020)

Veranstaltungen werden mehrmals abgesagt, verschoben oder mit Kontrollen (Datenerhebung des Publikums) durchgeführt

Schulschließung zeichnet sich ab (Informationen von Kantonen; medizinischem Personal; März 2020)

  • Einberufung außerordentlicher Sitzungen
  • Aufbau Krisenstab
  • Vorkehrungen für Fernunterricht treffen (Konzepte erstellen, Information und Auseinandersetzung mit Tools, Überprüfen von Mailadressen, etc.)
  • Weiterbildung für Lehrpersonen für Fernunterricht

Beschluss Schulschließungen (13.3.2020)

  • Festsetzung der Kommunikationsstrategie
  • Informationen an Lehrpersonen und Lernende (Vorgehen, Tools, etc.)
  • Erhöhung Sitzungsrythmus
  • Bildung/Aktivierung Krisenstab

Zunehmender Bedarf an gut funktionierender IT (wenige Tage nach Schulschließung)

  • Update der Infrastruktur (Laptops, Headsets, Ausbau der WLAN-Kapazität, etc.)
  • Support im Umgang mit Tools

Fernunterricht an der Schule gestartet (wenige Tage nach Schulschließung)

Wiederkehrende Informationen und Dank an Lehrpersonen, Lernende und teilweise Eltern

Information, Weisungen und Empfehlungen von zahlreichen übergeordneten Stellen (SBFI, EDK, Regierungsrat, Berufsbildungsamt etc.; April 2020)

  • Kommunikative und emotionale Bewältigung von heterogenen und widersprüchlichen Informationen
  • Diskutieren, abwägen und entscheiden in Zeiten der Unsicherheit über Promotionen, Semester- und Abschlussprüfungen etc.
  • Informationen und Weisungen an die Lehrpersonen und Lernenden kommunizieren und durchsetzen

3.2 Prozess-Qualitäten

Dieses Kapitel fokussiert sich auf die Prozessqualitäten, welche im Kontext des Schullebens stehen (vgl. Abbildung 1). Dabei werden im ersten Teil (Kapitel 3.2.1) Fragestellungen im Zusammenhang mit der Schulführung und -management beleuchtet. Der zweite Teil (Kapitel 3.2.2) zeigt den Umgang der Schulleitung im Hinblick auf die Unterrichtsgestaltung und -führung auf.

Die Führung und Steuerung einer Schule hat einen Zusammenhang mit der Unterrichtsqualität (Fleischmann 2020, 3). Im Hinblick auf die Kontextsteuerung nehmen sich Schulleitende mit direkten Führungseingriffen zurück und vertrauen auf die Umsetzung ihrer Mitarbeitenden im Rahmen ihrer Professionalisierung (Fleischmann 2020, 7). Im Zuge der Kontextsteuerung ist es der Schulleitung möglich, einen klaren Rahmen an Regelungen und Normen zu setzen, den Lehrpersonen aber dennoch die Autonomie in Teildisziplinen zuzugestehen (Fleischmann 2020, 3). Die autonom und eigenverantwortlich handelnden Lehrpersonen müssen über fundierte Fähigkeiten in der Selbstreflexion verfügen als auch die Pflicht wahrnehmen, Auskünfte über den Stand zu geben (Fleischmann 2020, 4). Diese Handlungen sind essentiell, damit die Qualität der Schule als Gesamtsystem gewährleistet werden kann (Fleischmann 2020, 4). Die klaren Strukturen und Regelungen sind neben der zu gewährenden Autonomie der Teilsysteme - wie Lehrpersonen und andere Teams eines darstellen - essentiell, damit die individuellen Prozesse in das Gesamtsystem überführt und integriert werden können. Die Weiterentwicklung der Schule hängt elementar von den Lehrpersonen und ihrem Willen ab, die Schule voranzutreiben (Gramlinger/Jonach/Wagner-Herrbach 2018, 327ff.). Die Schulleitung fokussiert sich derweil auf das «Schnittstellenmanagement, sowie auf die Pflege des schulinternen Kontextes und der Schulkultur» und stellt auch den für die Selbststeuerung notwendigen Reflexionsprozess sicher (Fleischmann 2020, 7f.).

Die Schulleitung besitzt die Aufgabe eine hohe Schulqualität anzustreben, in der auch dem Unterricht eine hohe Güteklasse zugeschrieben wird (Fleischmann 2020, 3). Die pädagogische Eigenständigkeit der Lehrpersonen im Klassenzimmer, hat in der Zeit, in der die Schulen aufgrund der Corona-Pandemie schließen und auf Fernunterricht umgestellt werden mussten, an Bedeutung gewonnen (Fleischmann 2020, 7).

Das Qualitätsmanagement wird in den folgenden Kapiteln im Hinblick auf die schulische (Kapitel 3.2.1) als auch auf die unterrichtliche Ebene (Kapitel 3.2.2) dargelegt. Es handelt sich dabei um Aussagen von Schulleitungen, die im Rahmen der qualitativen Interviews erhoben wurden.

3.2.1 Intervenierende Variable: Schulische Ebene

Führungsansatz

Die Pandemie hatte Auswirkungen auf die Führung und das Management der Schulen. Diskussionen über Richtungsentscheide und Prozessabläufe fanden während der Krisenzeit verstärkt innerhalb der Schulleitung statt (Pr 2020, Abs. 220ff.; Re 2020, Abs. 159). Die Unsicherheit, aber auch die neuen Richtlinien führten dazu, dass Entscheidungen innert kurzer Zeit getroffen werden mussten. Dies hatte zur Folge, dass die Schulleitungen auf den Austausch mit der Lehrerschaft verzichteten und die Weisungen vermehrt Top-down anordneten (Bö 2020, Abs. 158ff.; Mü 2020, Abs. 50f.; Pr 2020, Abs. 220ff.; Re 2020, Abs, 157; Bi 2020, Abs. 45). Diese Veränderung von einem eher integrativen Führungsansatz hin zu einem direktiven Führungsstil empfand man jedoch im Interesse der Lehrpersonen (Bö 2020, Abs. 158ff.; Ke 2020, Abs. 55f.). Dies aus dem Grund, da durch die neuen Umstände eine große Unsicherheit herrschte und man sich durch die verstärkt hierarchische Führungslinie präzise Auskunft erhoffte (Bö 2020, Abs. 158ff.; Ke 2020, Abs. 55f.). Andere Schulen haben sich weiterhin für die bislang genutzten Führungsansätze entschieden (Bö 2020, Abs. 91; Bi 2020, Abs. 55), indem sie gezielt Standpunkte der Lehrerschaft eingeholt und auch teilweise Entscheidungen delegiert haben (Bö 2020, Abs. 109). Diese Entscheidung wurde von Schulleitenden damit begründet, dass durchaus genügend Zeit zur Verfügung stand, um Maßnahmen zu erwägen und Entscheidungen zu fällen (Bö 2020, Abs. 91). 

Zusammenarbeit und Kommunikation

Schulleitungen sind in Krisenfällen besonders gefordert, da sie unter großem Druck stehen und unter Einbezug der emotionalen Intensität der Lage schnelle Entscheidungen treffen müssen (Capaul/Seitz/Keller, 2020, 482f.). Im bestmöglichen Fall besitzt die Schule ein Krisenkonzept, auf welches sie im Notfall zugreifen und sich daran orientieren kann (Capaul/Seitz/Keller, 2020, 482f.). Ein solches Konzept war an den Schulen überwiegend vorhanden. Diese Dokumentation wurde jedoch als wenig nützlich erachtet, da die Ausarbeitung aufgrund einer Pandemie oder einer ähnlichen Situation, die eine Schulschließung in Betracht zog, nicht stattgefunden hat (Bö 2020, Abs. 156f.; Fe 2020, Abs. 3; Mü 2020, Abs. 25; Fo 2020, Abs. 36ff.; Pr 2020, Abs. 212ff.; Re 2020, Abs. 148f.).

Die präventive Sicherstellung einer «interdisziplinäre[n] Kriseninterventionsgruppe», die eine klare Zusammensetzung der Führung sowie Verantwortlichkeiten definiert, wird als essentieller Aspekt im Hinblick auf die Kommunikation in Krisenzeiten betrachtet und hilft in Zeiten der Unsicherheit effizient zu handeln (Capaul/Seitz/Keller, 2020, 483). Viele Schulen setzten im Rahmen der Pandemiebewältigung auf einen Krisenstab. Je nach Schule hat man bereits vor der Schulschließung eine Task Force gegründet (Ke 2020, Abs. 159ff.) oder die Pressekonferenz des Bundesrates abgewartet, welche die Schulschließung offiziell bestätigte (Mü 2020, Abs. 27). Bei allen Schulen ist die gesamte Schulleitung in der Task Force involviert. Die Schulleitungen achteten darauf, jene Erfahrungen und Kompetenzen durch weitere Personen in das Team einzubringen, welche die Schulleitung selbst nicht oder nur ungenügend zur Verfügung hatten (Ke, 2020, Abs. 22ff.).

Die Zusammenarbeit und Kommunikation wurden intensiviert. Von organisatorischer Seite veränderte sich die Zusammenarbeit bei einigen Schulen dahin, dass die Frequenz der Besprechungen erhöht wurde (Bi 2020, Abs. 41; Pr 2020, Abs. 215ff.). An anderer Stelle gab es keine Neuerungen in der gemeinschaftlichen Kooperation, weil man bereits im Vorfeld einen „offenen, guten und konstruktiven Austausch“ pflegte (Fe 2020, Abs. 121f.). Die Kommunikation hatte im Umgang der Pandemie eine zentrale Steuerungsfunktion. Im Gegensatz zum Schulführungsalltag, in welchem die gesamte Schulleitung kommunikative Aufgaben übernimmt, wurde die Kommunikation in dieser Krisenzeit zentralisiert. Vermehrt wurden die Inhalte ausschließlich über die Schulleiterin oder den Schulleiter versandt (Fo 2020, Abs. 79; Bö 2020, Abs. 195; Re 2020, Abs. 91; Pr 2020, Abs. 144f.).

Je nach Berufsfachschulen variiert die strategische Vorgehensweise im Umgang mit der Kommunikation. So haben die einen Schulen einen möglichst schnellen und transparenten Informationsaustausch angestrebt, um dem Verlangen nach Antworten und Informationen von Seiten der Anspruchsgruppen nachzukommen (Ke 2020, Abs. 32 & 58).  Andere Schulen haben sich bewusst mit Mitteilungen zurückgehalten und Inhalte erst kommuniziert, wenn diese auch festgesetzt waren (Fe 2020, Abs. 49ff.). Damit wollte man zum einen potenziellem Gemunkel entgegenwirken, zum anderen diente es als Schutzmaßnahme, damit die betroffenen Personengruppen nicht mit zu vielen Informationen überhäuft wurden. An dieser Stelle wird ein typisches Spannungsfeld sichtbar, welches man auch aus der Alltagskommunikation kennt. Die Kommunikationsfrequenz und zeitliche Nähe steht im Spannungsfeld zur Kommunikationsqualität.

Schulkultur

Die Pandemie und die dadurch folgende Reorganisation des Schulsystems von Präsenz- auf Fernunterricht hatte auch kulturelle Auswirkungen. Die Schulleitungen attestieren der Krise einen sich verstärkenden Einfluss auf die kulturellen Gegebenheiten (Mü 2020, Abs. 53ff.; Bö 2020, Abs. 164f.; Pr 2020, Abs. 241; Re 2020, Abs. 279). Die Pandemie kann als Trigger bezeichnet werden, welcher bereits bestehende Phänomene an der Schule verstärkt. Diese bestehenden Phänomene können auf individueller, zwischenmenschlicher oder sachlicher Ebene sein. Die persönlichen Eigenschaften der Lehrerschaft aber auch der Lernenden manifestieren sich vermehrt, wodurch die negativen als auch positiven Charakterzüge sichtbarer werden. So erlebte man Lehrpersonen, die sich im Fernunterricht komplett zurückzogen und die Unterrichtstätigkeit als auch den Kontakt zu den Lernenden extrem einschränkten, sodass sich Schülerinnen und Schüler über die mangelnde Unterstützung beschwert hatten (Pr 2020, Abs. 241). Eine Schulleitung sagt aus, dass es sich um «faule Eier» handelt, die auch in regulären Zeiten negativ auffallen würden, das Verhalten durch die Umstände jedoch transparenter wird (Pr 2020, Abs. 245). Im positiven Sinne zeigte sich in der Umstellung auf den Fernunterricht eine große Hilfsbereitschaft und intensivere Zusammenarbeit sowohl unter den Lehrpersonen als auch der Schulleitung (Pr 2020, Abs. 245). 

Schulethos der Lehrkräfte

Die Lehrpersonen haben die Reorganisation des Präsenz- zum Fernunterricht und die dadurch entstandenen Aufgaben mit hohem Engagement und Antrieb bewältigt (Bö 2020, Abs. 247ff.). Die Bereitschaft, Zeit in neue Unterrichtsmaterialien oder in das Erlernen neuer Methoden zu investieren war gegeben (Pr 2020, Abs. 245f. & 257). Die teils hohen Anforderungen an sich selbst und die Umstände der Umstellung auf den Fernunterricht führten zu einer höheren Arbeitsbelastung und Müdigkeit (Bö 2020, Abs. 247; Fe 2020 Abs. 87; Fo 2020. Abs. 39).

«[...] und wir haben vor allem gemerkt, dass das Distance-Learning enorm absorbiert, sprich die Lehrpersonen sind eigentlich alle, also wirklich durch das Band, alle welche mir eine Rückmeldung geben, sagen, dass sie eigentlich noch mehr dran sind, als wenn sie physisch normal Unterricht geben und diese Omnipräsenz und die Videocalls, sind so ermüdend [...]» (Fo 2020, Abs. 39).

Durch den Transfer in die neue Arbeitsweise sowie die Unklarheiten, beispielsweise im Umgang mit der Prüfungsregelung und der Notengebung (Bö 2020, Abs. 161; Pr 2020, Abs. 241), zeigte sich ein steigender Wunsch der Lehrerschaft nach dem Unterricht in Präsenz (Fo 2020, Abs. 35 & 57ff.).

3.2.2 Intervenierende Variable: Unterrichtliche Ebene

Folgend wird die Unterrichtsgestaltung und -führung im Rahmen der Prozessqualitäten betrachtet. Dabei werden Eckpunkte beleuchtet, die durch die außerordentliche Situation der Pandemie adaptiert wurden. Darunter fallen Regelungen und Maßnahmen zum Unterrichtsgeschehen, die Nutzung digitaler Medien, die auszuführende Unterrichtsform sowie die Prüfungsgestaltung.

Die Kontextsteuerung zeigt, dass die Lehrenden im Rahmen ihrer Professionalisierung den Unterricht autonom gestalten und durch die Schulleitung Eckpunkte gesetzt werden, die zur Qualität des Gesamtsystems beitragen. Bei der Umstellung auf den Fernunterricht, haben die meisten Schulen am bestehenden Stundenplan festgehalten (Bö 2020, Abs. 127; Re 2020, Abs. 33). Es wurde vermehrt über diverse Kanäle kommuniziert und gearbeitet, sodass es bei den Schulleitenden Rückmeldungen von Lernenden gab, die darum baten, eine einheitliche Regelung in Bezug auf die Kommunikations- und Arbeitsplattformen herauszugeben (Mü 2020, Abs. 37).

Der Beginn sowie die nachfolgende Realisierung des Fernunterrichts waren je nach Schule individuell gestaltet und hing auch von der verfügbaren Infrastruktur ab. Der Entscheid der Schulschließung fiel am 13. März 2020. Das Wochenende wurde intensiv genutzt, um den Fernunterricht vorzubereiten, indem Materialien erstellt oder Kanäle aufgesetzt wurden (Bö 2020, Abs. 85ff.; Mü 2020, Abs. 27). Je nach Schule wurde der Unterricht direkt am folgenden Montag im Fernunterricht weitergeführt (Ha 2020, Abs. 72ff.) oder einige Tage zur Umstellung gewährt, sodass der Unterricht erst in der Wochenmitte begann. Mit den ersten Öffnungsschritten im Juni wurden dann auch Phasen des Präsenzunterrichts angestrebt. So wurden gewisse Jahrgänge, z. B. die ersten Klassen oder Halbklassen vor Ort unterrichtet (Pr 2020, Abs. 69; Re 2020, Abs. 27ff.).

Der Fernunterricht wurde in den Schulen mit Hilfe von digitalen Medien durchgeführt. Viele Schulen haben in dieser Zeit das Tool MS Teams beansprucht (Ha 2020, Abs. 71; Pr 2020, Abs. 271; Re 2020, Abs. 111). Die Unterrichtsgestaltung fand in den meisten Fällen in einer Mischung von asynchronem und synchronem Unterricht statt. Ein Schulleitungsmitglied (Bö 2020, Abs. 133 & 185) leitet aus der Erfahrung der ersten Wochen ab, dass eine gute Mischordnung aus beiden Unterrichtsformen zum Ziel führt. An einer anderen Schule hat man vorwiegend im asynchronen Unterricht gestartet, nach den Frühlingsferien jedoch komplett auf Synchronunterricht umgestellt (Pr 2020, Abs. 101 & 118ff.). Die Begründung lag vordergründig darin, dass man den Lehrpersonen Zeit gewähren wollte sich mit einem Tool vertraut zu machen, bevor man alle Lektionen virtuell unterrichten musste. Auf der anderen Seite gab es Arbeitsbetriebe, wie jene im Recyclingsegment, welche eine riesige Arbeitsbelastung hatten und die Lernenden zum Arbeiten beanspruchten. Diese Vorgehensweise hat man durch den Synchronunterricht unterbunden (Pr 2020, Abs. 101). Schulleitungen mussten im Rahmen des Fernunterrichts stärker mit den Lehrenden kommunizieren und Weisungen erlassen. So gab es z. B. basierend auf Rückmeldungen von Lernenden, klare Hinweise wie die Präzisierung von Aufgaben gestaltet, dass Unterrichtseinheiten im selbstorganisierten Lernen stattfinden sollten oder welche Kanäle im Unterricht genutzt werden sollten (Pr 2020, Abs. 241ff.; Ha 2020, Abs. 65; Gr 2020, Abs. 113ff.). Zudem wurde auch darüber informiert, wie man sich hinsichtlich disziplinarischer Regelungen, also z. B., wenn die Lernenden die Kameras nicht einschalten oder nicht am Unterricht teilnehmen, verhalten sollte (Re 2020, Abs. 177).

Im Rahmen der Prüfungsgestaltung gab es einige Richtlinien, die von Seiten der Schulleitung bzw. auf nationaler Ebene entschieden wurden. Die Lehrpersonen standen nebst den Veränderungen des Fernunterrichts unter Anspannung in einem neuen Setting Noten machen zu müssen (Pr 2020, Abs. 240f.). Ein Schulleiter (Pr 2020, Abs. 113 & 223ff.) zeigte auf, dass daher in den ersten Wochen keine Prüfungen durchgeführt wurden und er danach auch den Begriff der Prüfung durch „Leistungsbeurteilung“ und „notengebundene Elemente“ ersetzte und unterschiedliche Arten von Prüfungsformen aufgezeigt hat. Die größere Unsicherheit bestand allerdings im Hinblick auf die Abschlussprüfungen, die in der schweizerischen Berufsbildung Qualifikationsverfahren genannt werden. Der Entscheid, ob ein solches Verfahren stattfinden sollte, fand bei den Berufsfachschulen zentralisiert statt (Fe 2020, Abs. 94ff.). Teilweise wehrte sich die Schulleitung gegen eine Durchführung im Hinblick auf eine potenzielle Rekursflut (Fe 2020, Abs. 99ff.). Aber auch die andere Sichtweise wurde vertreten (Ha 2020, Abs. 168ff.; Ge 2020, Abs. 271ff.), da der mündliche Prüfungsteil, z. B. in Form eines Fachgespräches, durchaus als durchführbar beurteilt wurde. Der Umgang mit dem Qualifikationsverfahren zeigt, dass die Sichtweisen der Schulleitungen auseinandergehen. Es ergibt sich ein Spannungsfeld, wo die Vorteile einer Durchführung mit den situationsbedingten Umständen abgeglichen werden müssen. Während einige Schulleitende einen klaren Mehrwert in einer Abschlussprüfung sehen und durch eine abschließende Qualitätsprüfung die Motivation und die Teilnahme am Unterricht hochhalten wollen, gibt es je nach Schule auch Umstände, die eine Durchführung erschweren. Die Raumkapazität und das zusätzlich benötigte Aufsichtspersonal aber auch die außergewöhnlichen Umstände der Inhaltsvermittlung während des Semesters sind Gründe, die gegen ein Qualifikationsverfahren sprechen.

3.3 Input-Qualitäten

In Anbetracht der Schulschließungen und der folgenden Umstellung auf Fernunterricht wirkte sich, nach Aussagen der Interviewpartner, die bereits vorhandene Ausstattung auf die Ausgestaltung des Fernunterrichts und somit auch auf die Schulqualität aus.

Die Digitalisierung hat bei allen Schulen Einzug gehalten, war jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt (Ke 2020, Abs. 103ff.). Dadurch gab es Schulen, wo bereits die gesamte Lehrerschaft eigene digitale Geräte besaß (Bö 2020, Abs. 126ff.). Wie der Stand in Bezug auf Infrastruktur, zeigte auch der Umgang mit den Medien und digitalen Instrumenten starke Divergenzen (Fe 2020, Abs. 27). Schulindividuell wurden vor der Krise Programme für den alltäglichen Schulgebrauch festgelegt (z. B. MS Team, Moodle oder One Note) und teilweise auch durch Schulungen implementiert (Fe 2020, Abs. 25; Bö 2020, Abs. 113ff.; Bi 2020, Abs. 27). Die Nutzung im Unterricht erfolgte nach Lehrperson unterschiedlich, wobei auch die individuelle Weiterbildung einen Einfluss auf die Häufigkeit der Mediennutzung zeigte (Pr 2020, Abs. 107 & 281; Bö 2020, Abs. 117; Fe 2020, Abs. 37; Ke 2020, Abs. 26; Pr 2020, Abs. 107). Entsprechend gab es große Anstrengungen, die Lehrpersonen bei der Umstellung auf den Fernunterricht zu unterstützen (Bi 2020, Abs. 53; Mü 2020, Abs. 35ff.; Fe 2020, Abs. 33 & 45ff.; Pr 2020, Abs. 65 & 163ff.; Fo 2020, Abs. 65ff.; Pr 2020, Abs. 65).

Die größere Problematik zeigte sich jedoch nicht in der Ausstattung der Lehrpersonen, sondern, dass nicht alle Lernenden Zugriff zu einem eigenen digitalen Gerät hatten, um den Unterricht mitverfolgen zu können. Die meisten Jugendlichen besitzen ein Mobiltelefon aber je nach Hintergrund, z. B. bei Jugendlichen in Brückenangeboten oder bei Familien mit mehreren Kindern, zeigten sich Schwierigkeiten, den Zugang zum Computer sicherzustellen (Ke 2020, Abs. 103ff.; Bö 2020, Abs. 117ff.; Mü 2020, Abs. 72f.). An dieser Stelle lässt sich vergleichend zwischen den Schultypen der Berufsfachschule und des Gymnasiums ein wesentliches Differenzierungsmerkmal erkennen. Die Schwierigkeit des Zugangs zu digitalen Geräten zeigt sich insbesondere an berufsbildenden Schulen, während an Gymnasien eine Mehrheit der Schulleitenden angab, dass die Lernenden vollumfassend mit einem persönlichen digitalen Gerät ausgestattet seien. Bei vielen Gymnasien werden Tablet- oder Computerklassen geführt, wodurch die Lernenden bei Schulantritt ein eigenes Gerät benötigen.

4 Erfolgsfaktoren und Handlungsempfehlungen zur Krisenbewältigung

Die Corona-Pandemie stellte die Schulleitenden vor eine außergewöhnliche Herausforderung. Gerade in Zeiten der Krise hilft das bestehende Qualitätsmanagementsystem, indem etablierte Prozesse, Kanäle und Dokumentationen vom Krisenstab und den Lehrpersonen genutzt werden können. Die Schulleitenden müssen diese Inhalte arrangieren, gegebenenfalls auch delegieren und Ressourcen zuteilen (Von Schachtmeyer 2020, 50ff.).  Basierend auf den Erkenntnissen der vorliegenden Studie beschreibt das folgende Kapitel zentrale Handlungsempfehlungen zur Krisenbewältigung.

Instandhalten sowie bewusste Nutzung der Infrastruktur

Die zum Zeitpunkt der Schulschließungen zur Verfügung stehende Infrastruktur wurde als Erfolgsfaktor bezeichnet. Die Ausstattung von Lehrenden und Lernenden aber auch die bestehenden Fähigkeiten im Umgang damit waren zentrale Voraussetzungen für einen reibungslosen Übergang in den Fernunterricht. Erstens ist es vorstellbar, dass künftig Fernunterricht schneller realisiert wird, um einzelne Unterrichtseinheiten auf Distanz durchzuführen. Die Umstellung auf den Fernunterricht wird folglich nicht mehr als große Herausforderung wahrgenommen. Zweitens können die Schulen künftig den Kernprozess bewusst in Form von Präsenz- und Fernunterricht etablieren. Um diese Möglichkeiten zu erschließen, gilt es die Infrastruktur kontinuierlich auf dem aktuellen Stand zu halten. Zudem wird empfohlen, die im Fernunterricht gewonnenen positiven Effekte - so zum Beispiel die erweiterten Fähigkeiten im Umgang mit der Digitalität - mit dem Präsenzunterricht bewusst zu verknüpfen. Es wird vorgeschlagen, mit den Lehrpersonen die Unterrichtsinhalte didaktisch reflektiv aufzuarbeiten, sodass positive Elemente dieses Lernfortschritts im Schulalltag etabliert werden können. Dabei ist der Entwicklungsstand der Schule zentral, um die geeigneten Schritte hinsichtlich des Qualitätsmanagements abzuleiten. Die kontinuierliche Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung gewinnt im Kernprozess an Bedeutung.

Suspendierung der Selbststeuerung der teilautonomen Systeme

Die Art der Steuerung der Schulleitung hängt stark von der wahrgenommenen Intensität des Krisenverlaufs ab. Das Bewahren des integrativen Führungsstils wird dann gewählt, wenn die Schulleitungen die Pandemie als Situation bezeichnet haben, die sich angekündigt hat. In diesen Fällen wurde damit einhergehend die Krise und deren Intensitätsverlauf als antizipierbar erlebt. Dadurch hatte man meistens genügend Zeit, um Maßnahmen zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen. Wird der Druck des immediaten Handelns jedoch als hoch wahrgenommen, zeichnet sich ein direktiverer Führungsstil ab, bei dem klare Regeln festgelegt werden. Entgegen der Theorie der Kontextsteuerung (siehe Kapitel 3.2) sehen sich diese Schulleitenden veranlasst, die sonst übliche Selbststeuerung der teilautonomen Systeme zu suspendieren. Sie beeinflussten die Qualität durch direktive Interventionen in der Prozessgestaltung. Dies bedeutet, dass die selbstbestimmte Praxisgestaltung der Lehrperson vorübergehend reduziert wird. Die Schulleitung nimmt dabei in Absprache mit dem Krisenstab direkte Eingriffe in die Subsysteme der Schule vor. Solche Interventionen widersprechen dem Selbststeuerungspostulat der Kontextsteuerung. Gleichzeitig sind sie wohl unverzichtbar, wenn die Erfüllung des Leistungsauftrags ohne deutliche Qualitätseinbuße gefährdet ist. Dieser Eingriff in die Autonomie kann deshalb während Krisenzeiten vertretbar und unabdingbar sein.

Direkte Interventionen legitimieren und zeitlich befristen

Direkte Interventionen, in welchen die selbstbestimmte Praxisgestaltung der Mitarbeitenden an der Schule reduziert werden, gilt es gut begründet zu rechtfertigen.  Zum einen sind diese in einer befristeten Zeitspanne auszuführen und zum andern sollen die Eingriffe legitimiert werden. Die temporär direktivere Führung der Schule ist gegenüber den internen Anspruchsgruppen - insbesondere den Lehrpersonen und dem nicht unterrichtenden Personal - rechtfertigungsbedürftig. Es ist anhand transparenter Kriterien zu begründen, weshalb diese Art der Schulführung im Interesse aller Beteiligter stattfinden muss. Gleichzeitig gilt es weiterhin, die Grundgedanken der Kontextsteuerung soweit als möglich zu berücksichtigen. Auch in Krisenzeiten müssen Schulleitungen hierzu achtsam sein. Sie müssen in der Lage sein, bekannte und funktionierende Strukturen aufrechtzuerhalten und lediglich Prozesse zu adaptieren und in Subsysteme einzugreifen, die eine zeitnahe Veränderung verlangen. Es wird davon abgeraten in Zeiten der Unsicherheit experimentelle Prozesse zu testen, die nicht zwingend notwendig sind.

Interdisziplinären Krisenstab aufbauen

Damit in Krisensituationen zeitnah und effektiv agiert werden kann, sollte sich die Schulleitung Verstärkung holen. In diesem Zusammenhang wird empfohlen, einen Krisenstab zu errichten. Dieser ist interdisziplinär zusammengesetzt, um die Schulleitung mit Kompetenzen zu stärken, welche die Schulleitung selbst nicht genügend abdecken kann und zugleich in Krisenzeiten besonders relevant sind. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden insbesondere Personen mit medizinischem Hintergrund, Kommunikationsexperten und Personen aus dem IT-Bereich hinzugezogen. Nicht selten finden sich solche Kompetenzen auch unter den Lehrpersonen.

Der Krisenstab selbst sollte in sich klar organisiert werden. Es gilt darauf zu achten, dass die Funktionen und Verantwortlichkeiten definiert sind. Die Führung der Schule obliegt auch während Krisensituationen der Schulleitung, während der Krisenstab eine beratende Funktion einnimmt.

Kommunikation als zentrale Steuerungsfunktion gestalten

Die Kommunikationsgestaltung wird in einer Krise zu einem zentralen Steuerungsmoment. Zum einen hat die Untersuchung gezeigt, dass eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit und damit verbunden eine zeitnahe Kommunikation positiv aufgenommen wurde. Gleichzeitig sollen die Informationen verlässlich und präzise aufgearbeitet sein. Zu schnelle, spekulative Informationen führen zu Unsicherheiten; eine ausbleibende Kommunikation ebenfalls. Damit wurde ein Spannungsfeld deutlich, welches es gut auszuloten gilt.

Um diese Aufgabe zu bewältigen benötigt die Schule eine klare schulinterne Strategie zur Informationsaufbereitung und -weitergabe. Weiter gilt als unterstützende Maßnahme einen intensivierten, transparenten und stetigen Austausch im Krisenstab. In Krisenzeiten übernimmt nicht mehr die gesamte Schulleitung kommunikative Aufgaben, sondern es gilt klare Ansprechpersonen zu definieren, wer für die interne und externe Kommunikation zuständig ist (Capaul/Seitz/Keller, 2020, 483). Es zeigte sich, dass in Krisensituationen eine hierarchischere Struktur angestrebt wird. Aufgrund der Führungs- und Repräsentationstätigkeit wird empfohlen, dass die Kommunikation nach Außen von der Rektorin oder dem Rektor bzw. Abteilungsleitenden vorgenommen wird.

Erfahrungen reflektieren und für die Schulentwicklung nutzen

Der Umgang mit der Krise hat Adaptionen von Prozessen und Führungshandlungen verlangt, welche von den Schulen verarbeitet werden müssen.

Die gemachten Erfahrungen sollten von der Schulleitung gemeinsam mit den Lehrpersonen und dem nichtunterrichtenden Personal im Rahmen einer nachhaltigen Qualitätssicherung reflektiert und aufgearbeitet werden. Die gemachten Erfahrungen auf unterschiedlichen Ebenen sollten darüber hinaus der nachhaltigen Qualitätsentwicklung zugänglich gemacht werden.

Die Studie zeigte ferner, dass die Krise einen verstärkenden Einfluss auf kulturspezifische Merkmale der Schule hatte. So wurde beispielsweise deutlich, dass weniger gut funktionierende Fachgruppen in der Krise noch weniger gut funktionierten. Solche Phänomene führten bis hin zu einem kompletten Rückzug von Lehrpersonen. Auf der anderen Seite erlebten Fachgruppen oder Schulleitungen mit einem starken Zusammenhalt ihre Zusammenarbeit noch stärker und gewinnbringender. Man rückte noch näher zusammen und unterstützte sich gegenseitig. Solche soziokulturellen Phänomene sollten sichtbar und damit bearbeitbar gemacht werden. Die Schulleitung tut gut daran, sich diesen Themen auf individueller, zwischenmenschlicher und sachlicher Ebene anzunehmen.

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Zitieren des Beitrags

Keller, M./Ledergerber, S. (2021): Qualitätsmanagement in Zeiten der Krise: Umgang der Schulleitung mit den Veränderungen infolge der Corona-Pandemie an berufsbildenden Schulen. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 41, 1-22. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe41/keller_ledergerber_bwpat41.pdf (20.12.2021).