bwp@ 41 - Dezember 2021

Führung und Management beruflicher Schulen

Hrsg.: Karl Wilbers, Nicole Naeve-Stoß, Cornelia Wagner-Herrbach & Franz Gramlinger

Führung in Zeiten der digitalen Transformation – Schulleitungen als Treiber des Wandels?

Beitrag von Deborah Glassey-Previdoli & Serge Imboden
bwp@-Format: Forschungsbeiträge
Schlüsselwörter: Digitale Transformation, Schulentwicklung, Schulleitung, Führungsverhalten

Der digitale Wandel bewegt die Schweizer Berufsfachschulen und stellt eine tiefgehende Entwicklung der Bildungsstätten dar, die sowohl die Unterrichts- als auch die Organisationsebene der Schule betreffen. Die erfolgreiche Steuerung dieses Wandels liegt in erster Linie im Verantwortungsbereich der Schulleitungen. Mit Hilfe von zwei quantitativen Erhebungen bei Schulleitungsmitgliedern (n = 306) wurde der digitale Entwicklungsstand der Schweizer Berufsfachschulen unmittelbar vor dem Ausbruch der Corona-Krise (11/2019 – 01/2020) und im Frühjahr 2021 erfasst. Darüber hinaus wird untersucht, inwieweit der Führungsstil der Proband*innen mit dieser Entwicklung zusammenhängt. Die Ergebnisse zeigen eine verbesserte Wahrnehmung des digitalen Entwicklungsstands (d = .420) im zeitlichen Verlauf der Pandemie. Bei den digitalen Hürden kann zugleich ein Rückgang festgestellt werden. Wie erwartet, konnten während dieses kurzen Zeitabschnitts nur geringfügige Zusammenhänge mit dem Schulleitungshandeln beobachtet werden. Die geplante dritte Erhebung im Jahr 2022 wird diesbezüglich Klarheit schaffen.

Leadership in times of digital transformation - school leaders as drivers of change?

English Abstract

The digital transformation is moving Swiss VET schools and represents a profound development of educational institutions, affecting both the teaching and organisational levels of the school. The successful management of this change is primarily the responsibility of school management. With the help of two quantitative surveys of school management members (n = 306), the digital development status of Swiss VET schools was recorded immediately before the outbreak of the Corona crisis (11/2019 - 01/2020) and in spring 2021. In addition, the extent to which the leadership style of the test persons is related to this development is investigated. The results show an improved perception of the level of digital development (d = .420) over the course of the pandemic. At the same time, a decrease in digital barriers can be observed. As expected, only minor correlations with school leadership actions could be observed during this short time period. The planned third survey in 2022 will provide clarity in this regard.

1 Einführung

Die Begriffe der „digitalen Transformation“ oder des „digitalen Wandels“ dienen als sogenanntes Buzzword, dem oftmals eine unterschiedliche Definition zu Grunde liegt (Kagermann/Lukas/Wahlster 2011; Genner et al. 2017). In dieser Studie wird die digitale Transformation als ein fortlaufender, in digitalen Technologien (wie z. B. Computer, Mobile, Cloud, Internet der Dinge, virtuelle Realität, künstliche Intelligenz, Big Data oder Robotik) begründeter Veränderungsprozess, der alle Lebensbereiche durchdringt und beeinflusst, verwendet (vgl. Genner 2017).

Erwartungsgemäß hat dieser digitale Wandel während der Corona-Krise an Bedeutung und Geschwindigkeit gewonnen, nachdem das öffentliche System auf das Wesentliche eingeschränkt wurde und viele alltägliche Tätigkeiten digitalisiert wurden (Kersting/Graubner 2020; Bock-Schappelwein et al. 2021). Mit der Pandemie und den angeordneten Schulschließungen wurde der Einsatz digital unterstützter Lehr- und Lernmethoden für Schüler*innen und Lehrpersonen zum Alltag. Dies stellte nicht nur die Infrastruktur, sondern auch die Strukturen und Prozesse von Schulen vor große Herausforderungen (König/Jäger-Biela/Glutsch 2020; Reintjes/Porsch/im Brahm 2021).

Nichtsdestotrotz stand die digitale Transformation bereits vor der Gesundheitskrise im Fokus des Bildungsdiskurses (Aeschlimann/Hänni/Kriesi 2020). In der Strategie des Schweizer Bundesrates (2018) sind Leitlinien und Maßnahmen für Schweizer Schulen enthalten, die sich mit der digitalen Entwicklung in Schulen auseinandersetzen. Vor dem Hintergrund des allgemeinen Bildungsauftrags wird in diesem Zusammenhang die Bedeutung digitaler Kompetenzen von Schüler*innen besonders hervorgehoben. Gemäß des Umsetzungsplans wird die Erarbeitung geeigneter Rahmenbedingungen, die es erlauben, die Chancen der Digitalisierung im Bildungsbereich zu nutzen, als zentrales Ziel dieses Vorhabens definiert (Bundeskanzlei 2021).

Studien, die sich dem übergeordneten Thema der digitalen Transformation widmen, beziehen sich meist auf den Einsatz digitaler Medien im Unterricht bzw. die Akquisition digitaler Kompetenzen der Lernenden und lassen sich somit auf der Unterrichtsebene verorten (z.B. Tamim et al. 2011; Breiter 2019; Gerick/Eickelmann 2019). Die digitale Transformation stellt allerdings eine tiefgreifende Veränderung auf allen Entwicklungsebenen einer Schule dar.  Ein Modell, das diese gesamtheitliche Betrachtungsweise zu Grunde legt, ist das Maturity Model for Educational Organizations (MMEO) (Ifenthaler/Egloffstein 2020). Es umfasst sechs inhaltliche Dimensionen, wobei «Führung und Strategie» einen zentralen Bereich darstellt.  Dies vor dem Hintergrund, dass die Schulleitung eine wichtige Rolle im Schulentwicklungsprozess einnimmt (z.B. Leithwood et al. 2004; Bonsen 2016; Pietsch/Tulowitzki 2017).

Zu erwähnen ist, dass im Vergleich zu Deutschland Schulleitungen in der Schweiz ein höheres Maß an Autonomie genießen. Dies spiegelt sich beispielsweise in einem zum Teil frei verfügbaren kantonalen Betriebsbudget wider (Bundesgesetz über die Berufsbildung 2002).

Im theoretischen Teil dieses Beitrags wird zunächst die digitale Transformation in den Kontext der Schulentwicklung eingebettet. Im Anschluss an die Fragestellungen werden alsdann das methodische Vorgehen sowie die Ergebnisse dargestellt und diskutiert.

2 Theoretisches Modell und Fragestellung

In der Arbeitswelt verändern neue Technologien sowohl die Art und Weise wie bestimmte Tätigkeiten ausgeführt werden, als auch das Umfeld, in dem sie stattfinden (Barley 2015; Parker/Wall/Cordery 2001). In Schulen hat die digitale Transformation Auswirkungen auf den Unterricht, die Organisation und die Handlungsprozesse der Schulleitung (Heinen/Kerres 2017; Breiter 2019). Ifenthaler und Egloffstein (2020) haben diesbezüglich ein Reifegradmodell entwickelt, das auf sechs Referenzmodellen im Bereich der „digitalen Reife“ von Unternehmensorganisationen fußt. Die Autoren haben die inhaltlichen Aspekte dieser Modelle auf den Kontext von Bildungsorganisationen übertragen und insgesamt sechs Dimensionen definiert, die wiederum mit mehreren Beispiel-Indikatoren operationalisiert werden (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1:     Dimension des Reifegradmodells gemäß Ifenthaler und Egloffstein (2020, 35)

 

Dimension

Beispiel-Indikatoren / Inhalte

(1)

Ausstattung und Technik

· Ausstattung mit digitalen Geräten, Software

· Aktualität der Infrastruktur

· Einheitliche Technik, Standards

(2)

Strategie und Führung

· Existenz und Umsetzung einer digitalen Strategie

· Führungskräfte treiben Digitalisierung priorisiert voran

· Evaluation von neuen Technologien

· Demokratischer Führungsstil, Gewährung von Gestaltungsfreiräumen

(3)

Mitarbeitende

· Wissen/Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Technologien

· Nutzung von Geräten und Diensten

· Einstellungen

· Weiterbildungsbereitschaft

(4)

Organisation

· Ausreichende finanzielle Ressourcen

· Technischer Support (intern vs. Externe Dienstleister)

· Zentrale Beschaffung und Wartung

· Pädagogische Unterstützung

(5)

Kultur

· Offenheit für neue Technologien

· Bereitschaft für Veränderungen

· Offene Kommunikation, gegenseitige Unterstützung

(6)

Digitales Lehren und Lernen

· Digitale Plattform, e-learning-Angebote

· Arbeit mit Tablets/digitalen Geräten im Unterricht

· Digitale Bildung als Unterrichtsziel

· Nutzung von Learning Analytics


Auch hier zeigen die Beispiel-Indikatoren, dass der digitale Wandel alle Bereiche der Schulentwicklung, d.h. die Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung betreffen (Gerick/Eickelmann 2019).

Wie bereits erwähnt ist die Schulleitung für die erfolgreiche Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen von wesentlicher Bedeutung (Hallinger/Heck 1996; Harris 2001; Leithwood/Riehl 2003; Gerick/Eickelmann 2019); sie ist der „driver for change“ (Bryk 2010) und kann hierbei auch als Change Agent bezeichnet werden (Harris 2001). Sie muss zum Beispiel Ziele setzen und messen, Maßnahmen einführen und die Lehrpersonen fördern und motivieren (Malik 2001). Dabei beeinflussen sich sowohl das Führungsverhalten und die Schulentwicklung als auch das Umfeld und das Führungsverhalten gegenseitig (Hallinger/Heck 2010; Woods et al. 2004; Muijs 2011). Um diese Komplexität zu reduzieren und gewisse Phänomene erklären zu können wird seid jeher versucht “Führungsstile“ zu definieren (Muijs 2011; Brauckmann/Eder 2019). Im vorliegenden Beitrag werden zwei davon betrachtet: das transformationale und das transaktionale Führungsverhalten.

Das «transformational leadership» ist durch die Vorbildfunktion der Führungsperson geprägt (Pelz 2014). Diese teilt mit den Mitarbeitenden eine Vision und gemeinsame Werte, damit die Motivation der Mitarbeitenden gestärkt wird (Bass 1985). Leithwood (1994) definiert sieben Dimensionen für diesen Führungsstil, unter anderem der Aufbau einer produktiven Schulkultur, die Entwicklung einer Vision, die innovative Grundhaltung, das Anstossen von Prozessen sowie eine hohe Erwartungshaltung der Führungspersonen. Zur Messung der innovativen Grundhaltung wurden 5 Items verwendet (Diel/Steffens 2010).

Beim «transactional leadership» geht es insbesondere darum Leistung der Mitarbeitenden zu messen und Anreizsysteme bereitzustellen (House/Woycke/Fodor 1988). Avolio et al. (2009) definieren diesen Führungsstil als den Austausch von Belohnungen in Abhängigkeit von der erbrachten Leistung. Es werden klare Ziele oder Erwartungen definiert und gemessen.

Fragestellung

Schulentwicklung, zu der auch die digitale Transformation zählt, ist eine Aufgabe der Schulleitung (Hallinger/Heck 1996; Leithwood/Riehl 2003; Gerick/Eickelmann 2019). Das Reifegradmodell von Ifenthaler und Egloffstein (2020) bietet einen Referenzrahmen für die Einschätzung der digitalen Reife von Schulen. Vor diesem Hintergrund soll zunächst untersucht werden, wie sich der digitale Reifegrad in Schweizer Berufsfachschulen im Zuge der Corona-Krise verändert hat. Es interessiert zudem, welchen Einfluss das Leitungshandeln insbesondere der „transformational leader“, der „transactional leader“ sowie die innovative Grundhaltung und die Fähigkeit Prozesse anzustoßen, auf diese Entwicklung hat.

3 Methodisches Vorgehen

Die hier zugrundeliegenden Daten wurden im Rahmen des Forschungsprojekts „Digitaler Wandel in der Schweizer Berufsbildung und die Rolle der Schulleitung“ erhoben. Ziel dieses Projektes ist es, den digitalen Entwicklungsstand der Schweizer Berufsfachschulen zu erfassen und in diesem Kontext die Bedeutung des Schulleitungshandelns zu untersuchen. Bis dato wurden zwei von drei Online-Befragungen in allen vier Sprachregionen der Schweiz (Messzeitpunkt 1: November 2019 und Messzeitpunkt 2: April 2021). Im ersten Erhebungszeitraum haben insgesamt n = 581 Schulleitungsmitglieder aus n = 171 beruflichen Schulen teilgenommen. Gemäß dem Schweizer Bundesamt für Statistik umfasst die Grundgesamtheit N = 382 Institutionen im Schuljahr 2019/2020, die auf der Ebene der beruflichen Grundbildung verortet werden können. Somit haben Schulleitungsmitglieder aus 44,8 % der Schweizer Berufsfachschulen an der ersten Befragung teilgenommen.

Bei der zweiten Befragung im Frühjahr 2021 beläuft sich die Stichprobe auf n = 466 Schulleitungsmitglieder aus n = 147 Berufsfachschulen. Die Daten beider Erhebungen wurden in einen längsschnittlichen Datensatz zusammengeführt, um die Entwicklung innerhalb der Schulen aufzuzeigen zu können. Der zu Grunde liegende Datensatz umfasst somit n=306 Schulleitungsmitgliedern aus n=130 Schulen (Tabelle 2).

Tabelle 2:     Stichprobenbeschreibung

   

Sprachregion

 
   

Deutsch1

Französisch2

Italienisch3

Gesamt

Anzahl

n

221

79

5

305

Geschlecht

weiblich

54 (24.4%)

11 (13.9%)

0 (0%)

65 (21.3 %)

männlich

161 (73%)

65 (82.3%)

5 (100%)

231 (75.7 %)

Altera

M (SD)

4,24 (.764)

4,09 (.788)

4,20 (.837)

4,20 (.771)

% Tätigkeit als Schulleitungb

M (SD)

70,65 (29,20)

81,28 (24,018)

86 (21,909)

73,87 (28.186)

           

Anzahl Jahre als Schulleitungc

M (SD)

2,46 (1.309)

2,15 (1.227)

2,20 (1.304)

2,37 (1.292)

 

 

       

    M = Mittelwert, SD = Standardabweichung

1 Aargau, Basel-Land, Basel-Stadt, Bern, Glarus, Graubünden, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz,     Solothurn, St. Gallen, Thurgau, Uri, Zug, Zürich

2 Freiburg, Genf, Jura, Neuenburg, Waadt, Wallis

3 Tessin

a 1 ‵unter 25 Jahre′ 2 ‵25 – 35 Jahre′ 3 ‵36 – 45 Jahre′ 4 ‵46 – 55 Jahre′ 5 ‵56 – 65 Jahre′ 6 ‵über 65 Jahre′

b Wie viel Prozent Ihrer Arbeitszeit verbringen Sie mit Schulleitungsaufgaben?

c 1 ‵unter 5 Jahre′ 2 ‵5 – 10 Jahre′ 3 ‵11 – 15 Jahre′ 4 ‵16 – 20 Jahre′ 5 ‵21 – 25 Jahre′ 6 ‵26 – 30 Jahre′      7 ‵31 – 35 Jahre′ 8 ‵über 35 Jahre′

Die Bewertung des digitalen Entwicklungsstands der Schweizer Berufsfachschulen stützt sich auf das Maturity Model for educational organizations (MMEO) (Ifenthaler/Egloffstein 2020), das in Kapitel 2 erörtert wurde. Die Operationalisierung des Modells ist herausfordernd, weil von Ifenthaler/Egloffstein nur Beispiel-Indikatoren angegeben werden. Die Dimensionen des Reifegradmodells wurden mit Hilfe von einzelnen Items und/oder Skalen erfasst. Alle aufgeführten Variablen wurden zu beiden Messzeitpunkten erhoben. Die gebildeten Skalen weisen gute Reliabilitätswerte auf. Tabelle 3 zeigt Beispiele der verwendeten Variablen für die jeweilige Dimension.

Tabelle 3:     Beispiele der verwendeten Variablen für jede Dimension

 

Dimension

(Beispiel-)Item*

*für Skalen (Anzahl Variablen, sowie Cronbach’s alpha) sowie (Beispiel-)Item

(1)

Ausstattung und Technik

Wie zufrieden sind Sie mit der digitalen Infrastruktur und Ausstattung in Ihrer Schule?

(2)

Strategie und Führung

Die Mitarbeitenden kennen diese Vision und Strategie.

Skala Rahmenbedingungen (3, MZP1: .725 und MZP2: .769):

- Schaffung neuer Funktionen bzw. Positionen in der Schulorganisation im Hinblick auf den „Digitalen Wandel“ (strukturelle Maßnahmen)

(3)

Mitarbeitende

Die Mitarbeitenden haben die erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten, den «Digitalen Wandel» umzusetzen.

Skala Einstellung Angst von der Schulleitung (3, MZP1: .857, MZP2: .895)

- Ich mache mir oft Sorgen darüber, dass mich die zunehmende Digitalisierung überfordern kann.

Skala Einschätzung der Lehrpersonen durch die Schulleitung (3, MZP1: .788, MZP2: .839)

- Die Lehrerschaft sieht den Nutzen digital unterstützter Lehr- und Lernmethoden für ihren Unterricht.

(4)

Organisation

Wie bewerten Sie die Ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen in Bezug auf den "Digitalen Wandel" in Ihrer Schule?

Skala Technischer IT-Support (4, MZP1: .811, MZP2: .841)

- Bei technischen Problemen im Unterricht steht den Lehrkräften zeitnah (innerhalb von 10 Minuten) technischer IT-Support zur Verfügung.

(5)

Kultur

Der «Digitale Wandel» ist in unserer Schulkultur verankert.

Skala Kooperation der Lehrpersonen (3, MZP1: .728, MZP2: .854)

- Die Lehrkräfte führen bei uns häufig gemeinsame Projekte durch.

(6)

Digitales Lehren und Lernen

Skala Priorität Einsatz digital unterstützte Lehr- und Lernmethoden (4, MZP1: .811, MZP2: .814)

- Maßnahmen zur Personalentwicklung/ zu Fortbildungen im Kontext des Einsatzes digital unterstützter Lehr- und Lernmethoden im Unterricht

 

Die zwei analysierten Führungsverhalten wurden mithilfe der untenstehenden Skalen zum ersten Messzeitpunkt erfasst. Zwei zentrale Aspekte des Schulleitungshandelns, die innovative Grundhaltung sowie die Fähigkeit, Prozesse anzustoßen, wurden ebenfalls mit zwei Skalen erhoben (Tabelle 4).

Tabelle 4:     Reliabilitätsanalyse Führungsstile und Schulleitungshandeln

Konstrukt (Itemanzahl)

M (SD)

α

Beispielitem

Quelle

Transformational Leadership; gesamt (20)

4,80 (.43)

.849

Ich helfe Anderen dabei, ihre Stärken zu entwickeln.

Bass/Avolio 1995

Transactional Leadership; gesamt (8)

3,97 (.61)

.729

Ich konzentriere mich ganz auf das Bearbeiten von Fehlern, Beschwerden und Misserfolgen.

Bass/Avolio 1995

Innovative Grundhaltung (4)

5,03 (.65)

.870

Wir als Schulleitung sorgen dafür, dass bei der Entwicklung der schulischen Leitziele alle Interessengruppen der Schule miteinbezogen werden.

Diel/Steffens 2010

Prozesse anstossen (7)

4,70 (.54)

.820

Wir als Schulleitung nutzen die Freiräume der rechtlichen Rahmenbedingungen für die schulische Entwicklung.

Diel/Steffens 2010

      M Mittelwert, SD Standardabweichung, α Cronbach’s Alpha

      Skala von 1 „Trifft überhaupt nicht zu“ bis 6 „Trifft voll und ganz zu“

 
           

Die Analyse potenzieller Veränderungen hinsichtlich des digitalen Entwicklungsstands wurde mithilfe von T-Tests für verbundene Stichproben durchgeführt. Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage wurden die zwei Führungsstile und zwei Skalen des Schulleitungshandelns als Moderatorvariablen genutzt und Interaktionseffekte mit ausgewählten Variablen der digitalen Transformation berechnet.

4 Ergebnisse

4.1 Digitalisierungsbezogene Entwicklungsstand der Schweizer Berufsfachschulen

Die erste Forschungsfrage bezieht sich auf den digitalen Entwicklungsstand der Schweizer Berufsfachschulen und wie sich dieser im zeitlichen Verlauf der Corona-Pandemie verändert hat. In der nachstehenden Tabelle sind die Ergebnisse der T-Tests aufgeführt.

Tabelle 5:     Ergebnisse der T-Tests

Bereich MMEO

Abhängige Variable

MZP1

M (SD)

MZP2

M (SD)

T

p

d

Infrastruktur und Ausstattung

Wie zufrieden sind Sie mit der digitalen Infrastruktur und Ausstattung in Ihrer Schule?

4,34  (1,06)

4,67  (0,98)

5,63

.000

.34

Strategie und Führung

Wie schätzen Sie den Entwicklungsstand des "Digitalen Wandels" in Ihrer Schule ein?

3,97 (0,97)

4,34 (0,78)

-7.28

.000

0.42

Skala Rahmenbedingungen

3,81 (1,18)

3,83 (1,16)

-

.700

-

Es gibt eine Vision (Leitbild) und Strategie, die als Orientierungs- und Entscheidungshilfe beim «Digitalen Wandel» dienen.

4,59 (1,42)

4,59 (1,20)

-

.96

-

Die Mitarbeitenden kennen diese Vision und Strategie.

4,26 (1,34)

4,20 (1,18)

-

.46

-

Mitarbeitende

Die Mitarbeitenden haben die erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten, den «Digitalen Wandel» umzusetzen.

3,89 (0,91)

4,34 (0,78)

8.53

.000

.50

Anwendungskompetenz der Lehrpersonen (z.B. Nutzung von Microsoft Office-Programmen, Kommunikation per E-Mail, Umgang mit dem Smartphone, etc.)

4,32 (0,74)

4,49 (0,72)

3,46

.001

.210

Weitergehende informatische Kompetenzen der Lehrpersonen (z.B. Programmierung, Funktionsweise von Algorithmen, etc.)

2,32 (0,97)

2,50 (0,96)

3,31

.001

.20

Skala Einstellung Computer Anxiety

2,33 (0,93)

2,27 (0,95)

-

.143

-

Skala Einschätzung der Lehrpersonen durch die Schulleitung

3,99 (.69)

4,17 (.70)

4,94

.000

.29

Organisation

Wie bewerten Sie die Ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen in Bezug auf den "Digitalen Wandel" in Ihrer Schule?

3,80 (1,23)

4,04 (1,14)

3,28

.001

.208

Skala Technischer IT-Support

3,927 (1,11)

4,09 (1,03)

2,69

.007

.160

Kultur

Der «Digitale Wandel» ist in unserer Schulkultur verankert.

4,33 (1,15)

4,56 (1,06)

3.79

.000

.22

Skala Kooperation der Lehrpersonen

4,50 (.69)

4,16 (.64)

8,09

.000

.48

Digitales Lehren und Lernen

Skala Priorität Einsatz digital unterstützte Lehr- und Lernmethoden

4,82 (.75)

4,60 (.69)

5,20

.000

.30

 

MZP1 = Messzeitpunkt 1; MZP2 = Messzeitpunkt 2; M = Mittelwert; SD = Standardabweichung

Likert-Skala von 1 bis 6

                                 

Gemäß Einschätzung der Schulleitungsmitglieder ist der allgemeine digitale Entwicklungsstand, der mit einer Likert-Skala von 1 sehr tief bis 6 sehr hoch evaluiert worden ist, mit einem Mittelwert von 3.97 (SD 0,97) zum ersten Messzeitpunkt recht hoch. Dieser hat sich während der Pandemie noch verbessert. Das Cohens d bestätigt diese Entwicklung mit einer kleinen bis mittleren Effektstärke (0.42) gemäß der Ellis‘ Interpretation (2010). Dieser Trend zeigt sich nicht nur in der allgemeinen Einschätzung des Entwicklungsstands, sondern bestätigt sich auch in den einzelnen Dimensionen des MMEO.

Die höchsten Effekte zeigen sich im Bereich der Mitarbeitenden. Die Schulleitungsmitglieder schätzen die Kompetenzen und Fähigkeiten der Lehrpersonen zum zweiten Messzeitpunkt höher ein (d = .50). Items, die sich spezifisch auf die Kompetenzen der Mitarbeitenden fokussieren, wie zum Beispiel die Nutzung von Microsoft-Office Programme, zeigen geringfügige positive Veränderungen (d = .210). Die Probanden*innen schätzen zudem die Einstellungen der Lehrpersonen bezüglich des Einsatzes von digital unterstützten Lehr- und Lernmethoden positiver ein als zum ersten Messzeitpunkt (d = .29). Die Skala zu der Kooperation zwischen den Lehrpersonen erhielt einen signifikanten Unterschied mit einer Effektstärke von d = 0.48 und zeigt einen tieferen Mittelwert auf.

In den Dimensionen Infrastruktur und Ausstattung sowie Organisation zeigen sich signifikante Entwicklungen mittlerer Effektstärke (Cohens d zwischen .16 und .34). Die Schulleitungsmitglieder zeigen eine geringfügig höhere Zufriedenheit mit der digitalen Infrastruktur und Ausstattung in deren Schulen. Diese Zufriedenheit war vor der Pandemie (MZP1) bereits recht hoch. Der IT-Support (Wartung, technische Unterstützung, usw.) wurde ein Jahr nach Beginn der Pandemie leicht höher eingeschätzt.

Die gebildete Skala über die Priorisierung des Einsatzes von digital unterstützten Lehr- und Lernmethoden nimmt im zeitlichen Verlauf der Pandemie ab, und zeigt eine kleine Effektstärke (d = .30).

Auch wenn der Einsatz von digital unterstützten Lehr- und Lernmethoden eine tiefere Priorisierung erhielt, beschreiben die Probanden*innen eine höhere Verankerung des „digitalen Wandels“ in der Schulkultur. Die Skala über die Rahmenbedingungen sowie die Konstrukte in Zusammenhang mit einer „digitalen“ Vision und Strategie weisen keine signifikanten Veränderungen zwischen den zwei Messzeitpunkten auf.

4.2 Einfluss des Schulleitungshandelns und des Führungsverhaltens auf die digitale Schulentwicklung

Die zweite Fragestellung setzt sich mit dem Einfluss des Führungsstils bzw. des Schulleitungshandelns auf die Entwicklung ausgewählter Aspekte der digitalen Transformation auseinander.

Der transformational leadership und eine innovative Grundhaltung zeigen die meisten Moderationseffekten auf. Im Bereich „Strategie und Führung“ hat der transformational leadership ein Moderationseffekt auf drei der vier dazugehörigen Variablen. Bei den Rahmenbedingungen führt eine höhere Ausprägung des Leadership auf einen höheren Mittelwert. Zudem erklärt das partiale Eta Quadrat 30.2% der Varianz dieser Skala. Die zwei Konstrukte bezüglich der Vision (Vorhanden einer Vision und Mitarbeitenden kennen diese) zeigen interessante Moderationseffekte auf. Für diese zwei Konstrukte erbringt eine hohe Ausprägung des tansformational leadership einen tieferen Mittelwert im zweiten Messzeitpunkt, dieser bleibt aber trotzdem höher als der Mittelwert bei den Befragten mit einer niedrigen Ausprägung des Führungsstils. Ein letzter Moderationseffekt dieses Führungsstils zeigt sich bei der Befähigung der Mitarbeitenden den „digitalen Wandel“ voranzutreiben. 27.8% der Varianz kann mit transformational leadership erklärt werden.

Tabelle 6: Moderationsanalyse des transformational leadership

Zeit*Transformational Leadership

F

Hypothese df

Fehler df

Sig.

Partielles Eta-Quadrat

Skala Rahmenbedingungen

1.578

56.00

204.00

.012

.302

Es gibt eine Vision (Leitbild) und Strategie, die als Orientierungs- und Entscheidungshilfe beim «Digitalen Wandel» dienen.

1.408

55.00

199.00

.047

.280

Die Mitarbeitenden kennen diese Vision und Strategie.

1.607

54.00

192.00

.011

.311

Die Mitarbeitenden haben die erforderlichen Kompetenzen und Fähigkeiten, den «Digitalen Wandel» umzusetzen.

1.399

56.00

203.00

.049

.278


Die innovative Grundhaltung steht im Zusammenhang mit Konstrukten, die in vier Bereichen des MMEO sind. Lediglich die Dimensionen „Infrastruktur und Ausstattung“ und „Digitales Lehren und Lernen“ sind nicht davon betroffen. Eine höhere Ausprägung dieses Aspektes des Schulleitungshandelns führt zu einer stärkeren Entwicklung des allgemeinen, digitalen Entwicklungsstands der Schulen. Das Vorhandensein einer digitalen Vision ist auch von dieser Moderationsvariablen betroffen. In diesem Fall zeigt eine niedrige Ausprägung der beschriebenen Grundhaltung eine geringfügige Verbesserung des Mittelwerts. In der Dimension „Mitarbeitende“ wird die Einschätzung der Fähigkeiten durch die Moderationsvariable beeinflusst. Eine niedrige Ausprägung des Schulleitungshandelns führt zu einer stärkeren Entwicklung der betrachteten Variablen. Das gleiche Muster ist auch bei den Anwendungskompetenzen der Lehrpersonen ersichtlich. Die letzte gemessene Dimension ist der Organisationsbereich mit dem technischer IT-Support. Eine höhere innovative Grundhaltung weist eine höhere Effektstärke auf.

Tabelle 7:     Moderationsanalyse der innovativen Grundhaltung

Zeit*Innovative Grundhaltung

F

Hypothese df

Fehler df

Sig.

Partielles Eta-Quadrat

Wie schätzen Sie den Entwicklungsstand des "Digitalen Wandels" in Ihrer Schule ein?

24.29

1

266

.00

.084

Es gibt eine Vision (Leitbild) und Strategie, die als Orientierungs- und Entscheidungshilfe beim «Digitalen Wandel» dienen.

1.98

14

249

.020

.100

Skala Einschätzung der Lehrpersonen durch die Schulleitung

1.89

14

260

.028

.092

Anwendungskompetenz der Lehrpersonen (z.B. Nutzung von Microsoft Office-Programmen, Kommunikation per E-Mail, Umgang mit dem Smartphone, etc.)

2.75

14

251

.001

.133

Skala IT-Support

2.939

14

261

.000

.136

Der «Digitale Wandel» ist in unserer Schulkultur verankert.

2.302

14

257

.005

.111

Der transactional leadership sowie das Schulleitungshandeln bezüglich innovativer Prozesse anzustossen, zeigen keine signifikante Moderationseffekte auf.

5 Diskussion

Die erhobenen Daten zeigten bereits vor Beginn der Corona-Krise, dass Schweizer Berufsfachschulen bereits einen guten digitalen Entwicklungsstand (M = 3,97, SD = 0,97) aufweisen. Diese Einschätzung wird bei der zweiten Erhebung mit einem Mittelwert von 4,34 noch deutlicher. Zwei Bereiche, die Infrastruktur und Ausstattung sowie die Dimension Mitarbeitende, weisen signifikante kleine bis mittlere Effekte zwischen den zwei Messpunkten auf.

Die befragten Schulleitungsmitglieder sind zufriedener mit der vorhandenen Infrastruktur und Ausstattung als beim ersten Messzeitpunkt. Mit der Verlagerung von Präsenz- auf Fernunterricht während der Pandemie wurde deutlich, dass die vorhandene Infrastruktur für den digitalen Wandel wichtig und in einem guten Zustand ist. 85 % der befragten Schulleitungsmitglieder gaben in der zweiten Befragung an, dass die Pandemie den digitalen Wandel beschleunigt hat. Lediglich 25 % der Befragten meinen, dass die Infrastruktur während der Pandemie unzureichend war. Bei den zur Verfügung gestellten Ressource zeigen sich auch kleine signifikante Effekt. Wahrscheinlich wurden von den Behörden während der Coronakrise zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt. Dies zeigt auch eine Studie der eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung. Während der Pandemie wurde keine Versorgungslücke im Bereich der Infrastruktur (Aeschlimann/Hänni/Kriesi 2020) festgestellt. Die Lehrpersonen geben aber trotzdem einen Entwicklungsbedarf in diesem Bereich an (ebd.). In internationalen Studien bezüglich des digitalen Entwicklungsstands von allgemeinbildenden Schulen zeigt sich ein Unterschied zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz (Huber et al. 2020). Einigkeit besteht jedoch darin, dass eine angemessene Infrastruktur und Ausstattung nötig ist, um ein qualitativer Fern- oder digital unterstützter Unterricht anzubieten (Bock-Schappelwein et al. 2021).

Die Dimension Mitarbeitende zeigt mehrere signifikante Unterschiede zwischen den zwei Messpunkten auf. Die Schulleitungsmitglieder schätzen mit einem Mittelwert von 4.34 (MZP2), dass die Lehrpersonen die erforderlichen allgemeinen Kompetenzen besitzen, den digitalen Wandel mitzugestalten. Diese Effektstärke liegt im mittleren Bereich mit einem Cohens d von .501. Die Anwendungskompetenzen und die weitergehenden IT-Kompetenzen der Lehrpersonen werden auch in einem kleinen signifikanten Ausmaß von den Schulleitungsmitgliedern besser eingeschätzt. Zudem werden Lehrpersonen in der zweiten Erhebung weniger als eine Hürde für den digitalen Wandel gesehen. Die Pandemie hat den Lehrpersonen grundsätzlich erlaubt, sich neue digitale Kompetenzen anzueignen und/oder ihre digitalen Fähigkeiten den Schulleitungen sichtbar zu machen (Aeschlimann/Hänni/Kriesi 2020). 75 % der befragten Leitungspersonen haben zudem eine erhöhte Akzeptanz für digital unterstützte Lehr- und Lernmethoden bei den Lehrpersonen angegeben. Dies wurde auch von den Lehrpersonen in der Studie von Aeschlimann, Hänni und Kriesi (2020) bestätigt. Der gezwungene Fernunterricht hat ihnen erlaubt die digitalen Lehr- und Lernmethoden konkret anzuwenden und viele möchten auch in Zukunft diese gebrauchen (ebd.).

Erwartungsgemäss moderiert transformational leadership die Konstrukte des Bereichs «Strategie und Führung» des MMEO am meisten. Dabei ist zu beachten, dass die Schulschließung infolge von Corona eine allgemeine Krise auslöste (Reintjes/Porsch/im Brahm 2021) und Schulleitungen zusätzliche Führungsaufgaben im Bereich des Krisen-Managements, übernehmen mussten (Zehrer/Mössenlechner 2010). Beispielsweise berichtet ein Schuldirektor in Österreich, dass grosse Schulentwicklungsprojekte während dieser Zeit auf Eis gelegt wurden und wenig Zeit für strategische Tätigkeiten übrig blieb (Reichebner 2021). Schulleitungspersonen mit einer innovativen Grundhaltung hatten es wahrscheinlich einfacher in dieser Situation kreative Lösungen zu finden. Dies könnte erklären, dass 4 von 6 Bereiche des MMEO in Zusammenhang mit dem transformational Leadership steht. In Summe kann festgestellt werden, dass eine höhere Ausprägung der Kompetenzen des transformationalen Schulleitungshandelns zu einer wirksameren Entwicklung des allgemeinen, digitalen Entwicklungsstands der Schulen führt.

6 Limitationen

Bei den Führungsstilen wurden gekürzte Skalen verwendet. Zudem wurden lediglich zwei Führungsverhalten (transformational und transaktional) betrachtet. Dies sollte bei der Interpretation der Resultate berücksichtigt werden. Da die Auswahl der Schulen, auf freiwilliger Basis geschehen ist, ist es zudem möglich, dass besonders digitale affine Schulen an der Befragung teilgenommen haben.

In diesem Beitrag wurden die Auswirkungen von ausgewählten Führungsverhalten auf die verschiedenen Dimensionen des digitalen Entwicklungsstandes analysiert. Zu beachten ist, dass Änderungen bei der Führung eher längerfristig greifen. Die dritte Erhebung im Jahr 2022 wird zusätzliche Informationen liefern.

Schließlich kann die Corona-Pandemie als ein Bias gesehen werden. Im Forschungsdesign wurde keine Kontrollgruppe vorgesehen. Dadurch kann der Einfluss der Pandemie nicht abschließend erklärt werden.

7 Fazit und Handlungsempfehlungen

Vorliegender Beitrag gibt einen Einblick in den digitalen Stand der Schweizer Berufsfachschulen und deren Entwicklung während der Pandemie. Die zwei Erhebungen (die erste kurz vor Corona und die zweite ein Jahr danach) zeigen, dass sich der digitale Entwicklungsstand während der Pandemie auf gutem Niveau weiterentwickelt hat. Die Infrastruktur und Ausstattung sowie die Mitarbeitenden weisen die größte Entwicklung auf. Pont und dessen Co-Autoren erläuterten, dass die Professionalisierung der Lehrpersonen der Erfolgsfaktor für die Schuleffektivität ist (Pont et al. 2008). Somit werden wahrscheinlich die verbesserten digitalen Kompetenzen der Lehrpersonen sowie die verbesserten Rahmenbedingungen, zu denen auch die Ausstattung und Infrastruktur gehören einen positiven Effekt auf die Unterrichtsqualität und schließlich den Lernerfolg der Lernenden haben (Leithwood et al. 2004). Der Zusammenhang zwischen Leadership und Schuleffektivität, der in zahlreichen Studien aufgezeigt werden konnte (z.B (Hattie 2009; Leithwood et al. 2006; OECD 2005; Pont/Nusche/Moorman 2008; Ross/Gray 2006, Imboden 2017), kann in vorliegender Studie noch nicht abschließend bestätigt werden. Da es sich beim Führungsverhalten um eher langfristige Prozesse handelt, könnte die dritte Erhebung im Frühling 2022 weitere Erkenntnisse liefern. Die Schulleitungen waren während der Pandemie vorwiegend mit Krisen-Management beschäftigt. Eine geleitete Schulentwicklung wurde als weniger prioritär eingestuft.

Im aktuellen Forschungsstand bezüglich Corona gibt es einige Studien bezüglich der Erfahrung der Lehrpersonen und deren Wahrnehmung des Schulentwicklungsstand (Aeschlimann/Hänni/Kriesi 2020; Huber et al. 2020). Deren Ergebnisse zeigen einige Diskrepanzen, unter anderem im Bereich Infrastruktur & Ausstattung, zwischen der Wahrnehmung der Mitarbeitenden und der Schulleitungen auf. In naher Zukunft wäre es sinnvoll dies genauer in einer Studie zu analysieren, um bessere Maßnahmen für den langfristigere digitalen Wandel zu formulieren und zu implementieren.

Implikationen und Handlungsfelder für Schulen

Die Ergebnisse dieses Beitrages zeigen, dass es sich lohnt, den digitalen Wandel aktiv anzugehen. Angesichts der Tatsache, dass die Pandemie die Akzeptanz und die digitalen Kompetenzen sowohl bei Lehrpersonen wie auch bei Führungskräften verbessert hat, ist der Zeitpunkt für nächste Schulentwicklungsprojekte ideal. Obwohl vorliegende Studie lediglich kleine Effekte zum Führungshandeln aufzeigen konnte, lassen Befunde zur Effektivität der Schulleitung unmissverständlich erkennen, dass Schulleitende einen bedeutenden indirekten Einfluss auf die Qualität ihrer Schule und damit auf die Lernergebnisse der Lernenden haben (z.B. Dubs 2016, 2019; Leithwood/Jantzi 2008; Wissinger 2014). In Anbetracht dieser Tatsachen ist es wichtiger denn je, dass Schulleitungspersonen den digitalen Wandel und die damit einhergehenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen nicht unterbewerten, sondern proaktiv mitgestalten. Das Leitungshandeln soll dabei als Katalysator für die Entfaltung der bereits in der Institution vorhandenen Potenziale wirken (Leithwood et al. 2008). Folgende ausgewählte Handlungsoptionen können helfen, die digitale Transformation mitzugestalten:

  1. Eine digitale Strategie definieren: Schulen, die eine digitale Strategie besitzen, treiben den digitalen Wandel effizienter und effektiver voran. Jede Schulleitung sollte daher aus der von allen getragenen Schulvision die entsprechenden digitalen Strategien ableiten und konsequent umsetzen.
  2. Innovationsbereitschaft stimulieren: Besonders im Kontext des digitalen Wandels, wo die Halbwertszeit des technischen Fortschritts immer kleiner wird, sind Innovationen in der Führung, in der Pädagogik und in der Administration zwingend notwendig. Zudem wird aus Sicht der Lehrpersonen die Innovations- oder Veränderungsbereitschaft der Schulleitung als einer der stärksten Prädiktoren schulischer Qualität gesehen (Bonsen et al. 2002; Imboden 2017). Das Führungsteam tut daher gut daran, ein stimulierendes Innovationssystem aufzubauen, dass die Mitarbeitenden anhält, Neues auszuprobieren und festgefahrene Muster zu durchbrechen.
  3. Digitale Kompetenzen der Schulleitung fördern: Schulen, deren Leitungspersonen überdurchschnittliche digitale Kompetenzen besitzen, treiben den digitalen Wandel nicht nur schneller, sondern auch effektiver voran (z.B. Breiter et al. 2012; Eickelmann et al. 2019) Mit gutem Beispiel voran, sollte die Schulleitung ihre digitalen Kompetenzen stetig aktualisieren und verbessern.
  4. Die pädagogisch-didaktische Methodenvielfalt der Lehrpersonen erweitern: Durch Aus- und Weiterbildungen oder "digitale" Best-Practice Beispiele soll die mediale Methodenvielfalt der Lehrpersonen erhöht werden ein Gütemerkmal von „gutem“ Unterricht.
  5. Zeitgemäße und funktionierende Infrastruktur zur Verfügung stellen: Nichtfunktionierende Infrastruktur ist einer der gewichtigsten Demotivationsgründe beim Einsatz von digitalen Medien im Unterricht. Obschon Neuanschaffungen und Unterhalt von Infrastruktur kostspielig sein können, ist die Schulleitung gut beraten, wenn sie eine Infrastrukturstrategie entwickelt und die erforderliche Finanzierung sicherstellt.
  6. Den technischen Support professionalisieren: Es braucht eine professionelle Helpline mit einem Ticketingsystem, die den First- und Second-Level Support sicherstellt. Dies kann nicht nebenbei von einer Lehrperson verantwortet werden.

Literatur

Aeschlimann, B./Hänni, M./Kriesi, I. (2020): Fernunterricht in der Berufsbildung: Herausforderungen und Potenziale digitaler Lehrmethoden, Trend im Fokus. Online: https://www.iffp.swiss/sites/default/files/fernunterricht_waehrend_corona_de_final.pdf (24.09.2021).

Avolio, B. J./Walumbwa, F. O./Weber, T. J. (2009): ‘Leadership: Current theories, research, and future directions’. In: Annual Review of Psychology, 60(1), 421-449. doi: 10.1146/annurev.psych.60.110707.163621.

Barley, S. R. (2015): Why the internet makes buying a car less loathsome: How technologies change role relations. In: Academy of Management Discoveries, 1(1), 5-35.

Bass, B. M. (1985): Leadership and performance beyond expectations. New York.

Bock-Schappelwein, J./ Firgo, M./Kügler, A. (2021): ‘Digitalisierung in Österreich: Fortschritt, digitale Skills und Infrastrukturausstattung in Zeiten von COVID-19’. In: WIFO-Monatsberichte, 6, 451-459.

Bonsen, M. (2016): ‘Schulleitung und Führung in der Schule’. In: Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem. Wiesbaden, 301-323. doi: 10.1007/978-3-531-18942-0_11.

Brauckmann, S./Eder, F. (2019): ‘Führungsforschung im Bildungsbereich: Schulleitung im Spannungsfeld erweiterter Rechte und Pflichten’. In: Zeitschrift für Bildungsforschung, 9(1), 5-15. doi: 10.1007/s35834-019-00242-6.

Breiter, A. (2019): ‘1 . Educational Technology Governance und die Rolle der Schulleitung im Zuge der digitalen Transformation’. In: Huber, S. G. (ed.) Jahrbuch Schulleitung 2019, Befunde und Impulse zu den Handlungsfeldern des Schulmanagements 245-258.

Bryk, A. S. (2010): ‘Organizing Schools for Improvement’. In: Phi Delta Kappan, 91(7), 23-30. doi: 10.1177/003172171009100705.

Diel, E./Steffens, U. (2010): Fragebogen zum Schulleitungshandeln: hessischer Referenzrahmen Schulqualität (HRS), Qualitätsbereich III “Führung und Management.”.

Dubs, R. (2016): Führung. In H. Buchen & H.‐G. Rolff (Eds.), Professionswissen Schulleitung (4th ed., 103-173).

Eickelmann, B./Bos, W./Gerick, J./Goldhammer, F./Schaumburg, H./ Schwippert, K./Senkbeil, M./Vahrenhold, J. (2019): ‘ICILS 2018# Deutschland: Computer-und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im zweiten internationalen Vergleich und’. Online: https://elibrary.utb.de/doi/pdf/10.31244/9783830990000 (08.09.2021)

Ellis, P. (2010): ‘The essential guide to effect sizes: Statistical power, meta-analysis, and the interpretation of research results’. Online: https://books.google.com/books?hl=fr&lr=&id=UUcgAwAAQBAJ&oi=fnd&pg=PR13&dq=Ellis,+2010&ots=-d4appaseM&sig=k6emuQOUsC3eD_PmG305DTCIuPY.

Genner, S./Huber, R./Werkmann-Karcher, B./Gundrum, E./Majkovic, A.-L. (2017): ‘IAP Studie 2017. Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0.’, 0-52. Online: https://digitalcollection.zhaw.ch/handle/11475/1861.

Genner, S. (2017): Digitale Transformation: Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche in der Schweiz - Ausbildung, Bildung, Arbeit, Freizeit.

Gerick, J./Eickelmann, B. (2019): ‘Schulentwicklungsprozesse mit digitalen Medien – Pädagogisches Leitungshandeln im Kontext der Digitalisierung’. In Huber, S. G. (ed.) Jahrbuch Schulleitung 2019, Befunde und Impulse zu den Handlungsfeldern des Schulmanagements, 259-278.

Hallinger, P./Heck, R. H. (1996): ‘The Principal’s Role in School Effectiveness: An Assessment of Methodological Progress, 1980–1995’. In International Handbook of Educational Leadership and Administration, 723-783. doi: 10.1007/978-94-009-1573-2_22.

Harris, A. (2001): ‘Building the capacity for school improvement’. School Leadership and Management, 261-270. doi: 10.1080/13632430120074419.

Hattie, J. (2009): Visible Learning: A Synthesis of Over 800 Meta-Analyses Relating to Achievement.

Heinen, R./Kerres, M. (2017): ‘„Bildung in der digitalen Welt" als Herausforderung für Schule’. DDS - Die Deutsche Schule, (2), 128-145.

House, R. J./Woycke, J./ Fodor, E. (1988): ‘Charismatic and noncharismatic leaders: Differences in behavior and effectivness’. In: Charismatic leadership: The elusive factor in organizational effectiveness, 98-121.

Huber, S./Günther, P.S./Schneider, N./Helm, C./Schwander, M./Schneider, J.A./Pruitt, J. (2020): ‘COVID-19 und aktuelle Herausforderungen in Schule und Bildung. Erste Befunde des Schul-Barometers in Deutschland, Österreich und der Schweiz’. Online: https://www.pedocs.de/frontdoor.php?source_opus=20579.

Huber, S. G./Helm, C./Günther, P.S/Schneider, N./Schwander, M./Pruitt, J./Schneider, J.A. (2020): ‘COVID-19 : Fernunterricht aus Sicht der Mitarbeitenden von Schulen in Deutschland , Österreich und der Schweiz’. In: Praxis Forschung Lehrer*innen Bildung, 2(6), 27-44. Online: https://www.pflb-journal.de/index.php/pflb/article/view/3967 (10.05.2021).

Ifenthaler, D./Egloffstein, M. (2020): ‘Development and Implementation of a Maturity Model of Digital Transformation’. In: TechTrends, 64(2), 302-309. doi: 10.1007/s11528-019-00457-4.

Imboden, S. (2017): Leadership in der Berufsbildung: eine Interventionsstudie zur Stärkung der Führungskompetenzen.

Kagermann, H./Lukas, W.-D./Wahlster, W. (2011):‘Industrie 4.0: Mit dem Internet der Dinge auf dem Weg zur 4. industriellen Revolution’. In: VDI Nachrichten, (13), 3-4. Online: https://www.dfki.de/fileadmin/user_upload/DFKI/Medien/News_Media/Presse/Presse-Highlights/vdinach2011a13-ind4.0-Internet-Dinge.pdf (2.10.2021).

Kersting, N./Graubner, D. (2020): ‘Die digitale Transformation der deutschen Verwaltung Analysen zu Marktversagen und Daseinsvorsorge in Zeiten der Covid-19-Pandemie’. In: Zukunft denken und verantworten, 231-252. doi: 10.1007/978-3-658-31703-4_16.

König, J./Jäger-Biela, D. J./Glutsch, N. (2020): ‘Adapting to online teaching during COVID-19 school closure: teacher education and teacher competence effects among early career teachers in Germany’. In: European Journal of Teacher Education, 43(4), 608-622. doi: 10.1080/02619768.2020.1809650.

Leithwood, K. (1994): Leadership for School Restructuring. In: Educational Administration Quarterly, 30(4), 498-518.

Leithwood, K./Louis, K.S./Anderson, S./Wahlstrom, K. (2004): ‘Review of research: How leadership influences student learning’. Online: https://conservancy.umn.edu/handle/11299/2035 (12.05.2021).

Leithwood, K./Day, C./Sammons, P. (2006): Successful School Leadership: What It Is and How It Influences Pupil Learning. Nottingham.

Leithwood, K./Jantzi, D. (2008): Linking Leadership to Student Learning: The Contributions of Leader Efficacy. In: Educational Administration Quarterly, 44(4), 496-528.

Leithwood, K. A./Riehl, C. (2003): What we know about successful school leadership, Leadership.

Malik, F. (2001): Führen, Leisten, Leben-wirksames Management für eine neue Zeit.

Muijs, D. (2011): ‘Leadership and organisational performance: From research to prescription?’. In: International Journal of Educational Management, 45-60. doi: 10.1108/09513541111100116.

OECD (2005): Teachers Matter: Attracting, Developing And Reteining Effective Teachers, Learning.

OECD (2008): Improving School Leadership: Policy And Practice.

Parker, S. K./Wall, T. D./Cordery, J. L. (2001): ‘Future work design research and practice: Towards an elaborated model of work design’. In: Journal of Occupational and Organizational Psychology, 74(4), 413-440. doi: 10.1348/096317901167460.

Pelz, W. (2014): Transformationale Führung: Das Gießener Inventar der Transformationalen Führungskompetenz (GITF).

Pietsch, M./Tulowitzki, P. (2017): ‘Disentangling school leadership and its ties to instructional practices–an empirical comparison of various leadership styles’. In: School Effectiveness and School Improvement, 28(4), 629-649. doi: 10.1080/09243453.2017.1363787.

Pont, B./Moorman, H./Nusche, D. (2008): Improving school leadership. In: Vol. 1, 1-199.

Reichebner, A. (2021): ‘Eine Schule führen in Zeiten der Krise’. In: Schule Verantworten | Führungskultur_Innovation_Autonomie, A0, 89-92. doi: 10.53349/sv.2021.ia0.a29.

Reintjes, C./Porsch, R./im Brahm, G. (2021): ‘Lehren aus der Corona-Krise für Schule und Hochschule’. In: Journal für LehrerInnenbildung, 21(2), 16-25. Online: https://elibrary.utb.de/doi/pdf/10.35468/jlb-02-2021-01.

Ross, J. A./Gray, P. (2006): ‘School Leadership and Student Achievement: The Mediating Effects of Teacher Beliefs’. In: Canadian Journal of Education, 29(3), 798-822.

Schweizerischen Eidgenossenschaft (2002): Bundesgesetz über die Berufsbildung. Online: https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2003/674/de (15.09.2021).

Tamim, R. M./Bernard, R.M./Borokhovski, E./Abrami, P.C./Schmid, R.F. (2011): ‘What forty years of research says about the impact of technology on learning: A second-order meta-analysis and validation study’. In: Review of Educational Research, 4-28. doi: 10.3102/0034654310393361.

Wissinger, J. (2014): Schulleitung und Schulleitungshandeln. In Terhart, E./Bennewitz, H./Rothland, M. (Hrsg.): Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf. 2. Aufl. 145-176.

Woods, P. A./Bennett, N./Harvey, J. A./Wise, C. (2004): Variabilities and dualities in distributed leadership: Findings from a systematic literature review. In: Educational Management Administration & Leadership, 32(4), 439-457.

Zehrer, A./Mössenlechner, C. (2010): ‘Leadership-Kompetenzen in Krisensituationen’. In: Change Leadership, 181-209. doi: 10.1007/978-3-8349-8681-8_8.  

Zitieren des Beitrags

Glassey-Previdoli, D./Imboden, S. (2021): Führung in Zeiten der digitalen Transformation – Schulleitungen als Treiber des Wandels? In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 41, 1-18. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe41/glassey-previdoli_imboden_bwpat41.pdf (20.12.2021).