bwp@ 41 - Dezember 2021

Führung und Management beruflicher Schulen

Hrsg.: Karl Wilbers, Nicole Naeve-Stoß, Cornelia Wagner-Herrbach & Franz Gramlinger

Shared Leadership – Ein Führungsmodell in Zeiten der Schulautonomie

Beitrag von Maria Ettl & Ulrike Zwinger
bwp@-Format: Aus der Praxis
Schlüsselwörter: Shared Leadership, Schulkultur, Führung, Schulmanagement

Die Verantwortlichkeit der Schulleiter_innen wurde mit der Umsetzung des Schulautonomiepaketes in wesentlichen Punkten erweitert. Um eine qualitätsvolle Entwicklung des Schulstandortes zu ermöglichen, müssen Direktor_innen ein neues, adäquates Führungsverständnis entwickeln, das die Delegation von Verantwortung an Mitglieder einer mittleren Managementebene enthält. Dies kann nur innerhalb einer gefestigten Organisationsstruktur und einer gut etablierten Schulkultur funktionieren. Am Beispiel der Hertha Firnberg Schulen für Wirtschaft und Tourismus (HLW/T 22) wird gezeigt, wie ein Modell von Shared Leadership in einer berufsbildenden mittleren und höheren Schule (BMHS) funktionieren kann.

1 Einleitung

Gut gerüstet für die Schulautonomie? Die österreichischen Bildungsreformen der letzten Jahre versprechen „maximale pädagogische Gestaltungsfreiheit am einzelnen Schulstandort zur Erstellung innovativer Bildungsangebote bei gleichzeitiger Planungs- und Ressourcensicherung“ (BMBWF o. J.). Um die Chancen der Bildungsreform nutzen zu können, bedarf es effizienter Leitungsstrukturen, die geeignet sind, den Bildungsauftrag öffentlicher Schulen unter den neuen Rahmenbedingungen umzusetzen.

Aber auch nach der Implementierung des Bildungsreformpaketes bleiben die offiziellen Führungsstrukturen an den österreichischen Schulen weitgehend erhalten – die Etablierung eines schulischen mittleren Management-Teams ist derzeit gesetzlich nicht vorgesehen.

Die Hertha Firnberg Schulen für Wirtschaft und Tourismus haben vom ersten Tag ihrer Gründung vor fast 40 Jahren autonome Freiräume für die Profilbildung als innovativer Schulstandort genützt. Die Schule setzt nunmehr seit 20 Jahren ein Shared-Leadership-Führungskonzept um, das die Management-Expertise eines möglichst großen Personenkreises einschließt. Die visionäre Idee der Implementierung eines Leitungsteams auf der mittleren Managementebene ist bis heute wesentlich für die kontinuierliche Weiterentwicklung und Umsetzung des attraktiven, breit gefächerten Bildungsangebots verantwortlich.

Die Einbindung in die Qualitätsmanagementstrategie des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) hilft, die Ziele der Organisation in strukturierter Weise zu planen, umzusetzen und zu evaluieren sowie die Chancen, die sich durch die Schulautonomie bieten, für die Weiterentwicklung der Schule zu nutzen. Diese systematische Herangehensweise der Schule zeigt sich auf der normativen, strategischen und operativen Managementebene und soll im Folgenden als Beispiel guter Praxis für die Professionalisierung von Schulleitung in Zeiten der Schulautonomie dargestellt werden.

2 Gesellschaftspolitische Überzeugung als Treiber für Innovation

Im Leitbild der Hertha Firnberg Schulen werden die normativen Ziele festgehalten, die am Standort entwickelt wurden und das Fundament für alle weiteren Überlegungen bilden. Diese gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen sind der Treiber für Innovation und wesentlicher Bestandteil der Schulkultur.

Sie beruhen im Wesentlichen auf dem Commitment aller zu einem exzellenten und vielfältigen Bildungsprogramm, das jungen Frauen und Männern zu einem erfolgreichen Eintritt ins Berufsleben verhilft und sie ermächtigt, mittels kultureller, wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Bildung eine eigene politische Haltung zu entwickeln und so als mündige Bürger_innen an der Gesellschaft teilzunehmen. Die Förderung von Internationalität und interkulturellen sowie von Gender- und Diversitätskompetenzen spielt bei allen Überlegungen eine tragende Rolle.

Der folgende Auszug aus dem Schulleitbild illustriert diese Überzeugung:

Hertha Firnberg Schulen: Der Name ist Programm. Ganz im Sinne des Lebenswerks von Hertha Firnberg ist unser vorrangiger Anspruch Chancengleichheit; das heißt wir fördern junge Menschen aus allen sozialen Schichten und achten auf Gleichstellung von jungen Frauen und Männern“ (Schulleitbild der Hertha Firnberg Schulen 2015/16, 1).

Gerade bei großen organisatorischen Veränderungen im Bildungssystem, die in der Regel mit zahlreichen neuen operativen Aufgaben für das gesamte Team verbunden sind, gilt es, die Bedeutung der Schulkultur nicht aus den Augen zu verlieren.

An den Hertha Firnberg Schulen finden daher jedes Jahr schulinterne Fortbildungen, Podiumsdiskussionen und mindestens eine pädagogische Konferenz statt, die aktuelle gesellschaftspolitische, volkswirtschaftliche oder grundlegende pädagogische Fragestellungen aufgreifen. In diesem Rahmen nutzte die Schule die Expertise renommierter Expert_innen, die zu folgenden Themen referierten: Heiko Heinisch (Das Projekt Aufklärung), Alexandra Weiss (Geschlechteregalität unter Druck: Zwischen neoliberaler Eingemeindung und antifeministischer Gegenbewegung), Vortragsreihe von Necla Kelek, Ahmed Mansour u. a. zum Thema „Menschenrechte im Spannungsfeld von kultureller und religiöser Identität“, Stephan Schulmeister (Von der Prosperität in die Krise und wieder retour) oder Michaela Jonach (Schulkultur).

Das Einladen von externen Keynote-Speakern bei Konferenzen wird von den Lehrkräften als Qualitätsmerkmal der Schule gesehen – die anschließenden Workshops bieten Gelegenheit zum fachgruppenübergreifenden und fachgruppeninternen Austausch. Auch die Expertise der Lehrkräfte am Standort wird bei schulinternen Fortbildungen (SchiLF) und Konferenzen gerne genutzt, um individuelles Wissen Einzelner für die gesamte Schulcommunity verfügbar zu machen. An den Vorträgen nehmen regelmäßig auch einige interessierte Schüler_innen und in einigen Fällen sogar Elternvertreter_innen und das Verwaltungsteam teil.

Die Veranstaltungen ermöglichen die Auseinandersetzung mit neuen gesellschaftspolitischen Herausforderungen außerhalb des regulären Schulbetriebs und geben Raum für intellektuelle Diskussion innerhalb der Schulcommunity. Diese Prägung der Schulkultur über öffentliche Debatten hat auch Auswirkungen auf den Schulalltag: Die Themen der pädagogischen Konferenzen finden Eingang in Unterrichtsprojekte und Diplomarbeiten; sie ermutigen und ermächtigen vor allem Lehrkräfte, den eigenen Unterricht aktuell zu gestalten und weiterführende Fortbildungen zu besuchen. Wenn gesellschaftspolitische Überzeugungen und Wertvorstellungen der Treiber für Innovation sein sollen und die normativen Ziele am Standort auch wirklich gelebt werden sollen, ist die Weiterentwicklung der Schulkultur und ihre Festigung in der Schulcommunity eine wesentliche Managementaufgabe, die am besten im Zusammenspiel mit der Direktion und dem mittlerem Management-Team erfüllt werden kann.

3 Strategisches und operatives Schulmanagement: „First do the right things, then do those things right”

Das strategische Schulmanagement hat an den Hertha Firnberg Schulen große Bedeutung. Das mittlere Management der Schule wird am Standort auch als strategisch-pädagogisches Leitungsteam bezeichnet: die Arbeit des Leitungsteams umfasst auch eine Konkretisierung und Operationalisierung der Schulziele.

Im Rahmen des strategischen Managements wurden an den Hertha Firnberg Schulen drei wesentliche Erfolgsfaktoren definiert, die auch als USPs der Schule bezeichnet werden können: erstens das Konzept von „Shared Leadership“ als Führungsprinzip der Schule, zweitens die Festlegung von „Gender-Mainstreaming“ als Querschnittsmaterie für alle Bereiche der Schulentwicklung und drittens die Positionierung der Schule als Exzellenzstandort mit Fokus auf Potenzialförderung und sozialer Mobilität.

4 Warum Shared Leadership und ein mittleres Management?

Die Rolle und Aufgaben von Schulleiter_innen haben sich mit der Umsetzung des neuen Schulautonomiepakets vervielfacht und sind von einer Person alleine auch bei höchstem Organisationsgrad und Engagement nicht zu bewältigen. Es braucht also einen gangbaren, innovativen Weg, um gut gerüstet an die neuen Aufgaben heranzugehen. Das mittlere Management wurde von Viktoria Kriehebauer, die bis 2009 die Schule leitete, schulautonom eingeführt und hatte zunächst in der offiziellen Organisation der Schule keine klar definierte Stellung. Mit der Einführung von QIBB, dem Qualitätsmanagementsystem der österreichischen Berufsbildung (ab 2004), bekam das mittlere Management einen offiziellen Rahmen: Damit ging auch eine geringe finanzielle Abgeltung für die SchulQualitätsProzessManager (SQPM) einher.

Mit der Übernahme der Direktion durch Maria Ettl im Jahr 2011 wurden die Aufgaben und die Zusammensetzung des mittleren Management-Teams im Sinne einer Professionalisierung der Schule neu definiert und den aktuellen Herausforderungen angepasst. Diese Neuorientierung des Management-Teams war auch eine wichtige Voraussetzung für laufende Change-Management-Prozesse bedingt durch bildungspolitische Reformen und kontinuierlich sich ändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen.

Aktuell besteht das mittlere Management der Schule aus einem strategisch-pädagogischen Leitungsteam mit vier Mitgliedern (darunter auch die beiden SQPM und die Genderbeauftragten der Schule) sowie aus der Administration und den beiden Fachvorstehungen (Praxisbereich Tourismus und Wirtschaft). Die Aufgaben des strategisch-pädagogischen Leitungsteams konzentrieren sich vor allem auf den Bereich der Schul- und Ausbildungsentwicklung, Prozessmanagement, Change-Management, interne und externe Kommunikation und sie decken auch einzelne Bereiche des operativen Schulmanagements ab.

Eine der Gelingensbedingungen des mittleren Managements der Schule ist dessen gewachsene Struktur und das gegenseitige Vertrauen seiner langjährigen Mitglieder. Es braucht ein gemeinsames Führungsverständnis von Schulleitung und Leitungsteam und gemeinsame, konsistente Ziele auf der Basis einer gemeinsamen strategischen Ausrichtung der Schule, die die Schulleitung vorgibt. Die unterschiedlichen Ausbildungs- und Karrierewege der Mitglieder des Leitungsteams wirken sich auf die Qualität der Arbeit sehr positiv aus: Unterrichtstätigkeit an der Universität, Auslandsstudien bzw. berufliche Auslandserfahrungen sowie Managementtätigkeit in der Privatwirtschaft sind Assets, die zur Professionalisierung der Arbeit im Leitungsteam entscheidend beitragen. Um die zusätzliche Arbeit neben einer vollen Lehrverpflichtung bewältigen zu können, haben die Mitglieder des strategisch-pädagogischen Teams einen zusätzlichen freien Tag pro Woche und sind von Supplierverpflichtungen befreit.

Das strategisch-pädagogische Team arbeitet sehr eng mit der Direktion, der Administration und der Fachvorstehung zusammen. Dieser rege und manchmal auch kontroversielle Austausch innerhalb, aber auch außerhalb der wöchentlich stattfindenden „Leitungssitzungen“ ermöglicht allen Mitgliedern des mittleren Managements und auch der Direktion einen erweiterten Blick auf die aktuellen Herausforderungen.

Die Einführung eines mittleren Management-Teams ist nicht konfliktfrei: Die anfängliche Verunsicherung der Lehrer_innen angesichts einer mittleren Führungsebene ist verständlich und muss konsequent bearbeitet werden. Auch an den Hertha Firnberg Schulen dauerte es Jahre, bis dieser Prozess und das Leitungsteam allgemein akzeptiert wurden – nach wie vor ist die Beschäftigung mit den Managementstrukturen an der Schule ein regelmäßiger Bestandteil von Konferenzen. Die Überzeugungsarbeit gelingt generell gut, vor allem bei jungen Lehrkräften und Lehrkräften, die Erfahrungen aus der Privatwirtschaft mitbringen. Eine Gelingensbedingung für die Etablierung des Teams ist, dass für den Lehrkörper ein Mehrwert erkennbar ist. Das heißt, dass bei administrativen Tätigkeiten, bei pädagogischen oder fachlichen Problemen sowie bei Fortbildungsinitiativen seitens des Leitungsteams Unterstützung angeboten wird. Der Kontakt zur Direktion kann hier über dessen Vermittlung (Brückenfunktion) verbessert werden.

Eine weitere Führungsebene an der Schule sind die Fachgruppen. Alle Lehrkräfte der Schule, auch die Mitglieder des mittleren Managements, sind in ihre Fachgruppen eingebunden. Wie an vielen Standorten sind die Fachgruppenkoordinator_innen das ausbildungsübergreifende Bindeglied zwischen den Lehrkräften und der Schulleitung und leisten bei der Umsetzung von strategischen Zielvorgaben (wie z.B. der Schulreform) einen wesentlichen Beitrag. Es muss vermieden werden, dass die Fachgruppenleitungen in Konkurrenz mit dem pädagogisch-strategischen Leitungsteam geraten – wichtig ist, die beiden Managementebenen komplementär zu denken und Fachgruppenkoordinator_innen regelmäßig zu Leitungssitzungen einzuladen.

Die Fachgruppen stellen sicher, dass die Ergebnisse von pädagogischen Konferenzen im täglichen Unterrichtsgeschehen ankommen. Sie führen als didaktische und pädagogische Expert_innen neue Kolleg_innen in den Unterricht ein und sind zusätzlich für die Direktion wertvolle Impulsgeber_innen für die laufende Qualitätsverbesserung des Unterrichts. Auch hier wäre eine finanzielle Abgeltung des zusätzlichen Arbeitsaufwands wünschenswert – dies würde auch eine stärkere offizielle Anerkennung der Tätigkeit bedeuten und zu einer Attraktivierung dieser wichtigen Führungsposition führen. Zusätzlich zur aktiven Arbeit in den Fachgruppen ist ein Großteil der Lehrkräfte auch in Steuergruppen oder Projektgruppen beteiligt, die das Rückgrat für alle neuen Qualitätsinitiativen am Standort bilden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Einführung eines strategisch-pädagogischen Leitungsteams in Ergänzung zu den offiziell etablierten Führungspositionen (Administration, Fachvorstehung und auch den Fachgruppenkoordinator_innen) einen nachhaltig positiven Einfluss auf das Schulmanagement hat und auch den Schulreformprozess der letzten Jahre erfolgreich gesteuert hat. Die unterschiedlichen Stärken und Interessen der vier Mitglieder des Leitungsteams ermöglichen im Sinne von Shared Leadership einen ganzheitlichen und vielfältigen Blick auf das strategische und operative Management der Schule und sie tragen wesentlich dazu bei, dass die Umsetzung des Bildungsreformpakets am Standort gelingen kann.

5 Gender-Mainstreaming als Teil der Schulkultur

Die „Förderung der Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit und der Bedarfsorientierung“ ist als eines der zentralen Wirkungsziele für das österreichische Bildungswesen festgelegt. Im aktuellen Leitfaden für Schulleiter_innen wird die neue Schulautonomie wie folgt definiert: Schulen haben „die Möglichkeit, selbstverantwortlich und eigenständig pädagogische Konzepte und Organisationsformen zu definieren, die soziale Zu- und Festschreibungen überwinden und zur Verbesserung der Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit beitragen. Die standortbezogene Schul- und Unterrichtsentwicklung bekommt dadurch einen hohen Stellenwert“ (BMBWF 2019, 3).

In diesem Sinne ist die Gender-Mainstreaming-Strategie der Schule ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung der Prinzipien, die im oben genannten Leitfaden beschrieben werden. Das Besondere an den Hertha Firnberg Schulen ist die Verankerung von Gender-Mainstreaming in der Schulkultur und im strategischen Management der Schule. Im Übrigen bildet sie auch eine gute Basis für die Umsetzung des Grundsatzerlasses „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“ (BMBWF-Rundschreiben Nr. 21/2018).

Die nachhaltig etablierten Strukturen der Schule ermöglichen die erfolgreiche Delegation von Verantwortung an die Lehrkräfte und auch an die Schüler_innen. Auch hier gilt der Grundsatz von Shared Leadership: Verantwortung kann nur innerhalb gut funktionierender Strukturen delegiert werden. Aus diesem Grund wurden zwei Gender-Mainstreaming-Steuergruppen an der Schule eingeführt (eine Steuergruppe der Lehrenden und eine der Lernenden), über die alle Gleichstellungsaktivitäten koordiniert werden.

Entscheidend für den Erfolg ist die konsequente strategische Top-Down-Umsetzung von Gender-Mainstreaming durch die Schulleitung (sie unterstützt den Prozess nicht nur, sondern geht ihm voran) und die fundierte Genderkompetenz der Lehrenden und des Leitungsteams. Das anhaltend hohe Niveau einer Genderkompetenz-Schule (GeKoS-Siegel des BMBWF, Schulpreis in der Kategorie „Geschlechtergerechtigkeit“ 2015) konnte vor allem durch gezielte Personalpolitik (Einstellung neuer Lehrkräfte und kontinuierliche Fortbildung des Kollegiums) erreicht werden.

Im aktuellen politischen und pädagogischen Diskurs sind Geschlechtergleichstellungsfragen häufig durch das Diversitätsthema überlagert, denn die veränderten sozio-demographischen Herausforderungen im Bildungswesen verlangen neue Strategien, um die Integration von Schüler_innen mit Migrationshintergrund und aus schwachen sozialen Milieus bestmöglich zu unterstützen.

Die Schulleitung hat nach Abwägung aller Vor- und Nachteile beschlossen, an der bewährten Gender-Mainstreaming-Strategie (Managing Gender) der Schule festzuhalten und diese durch die Integration diversitätsspezifischer Aspekte weiterzuentwickeln. Sie hat sich, nicht zuletzt in der Auseinandersetzung mit der Diversitätsperspektive (Managing Diversity), professionalisiert und deckt aufgrund ihrer weitläufigen politisch-historischen Fundiertheit die für Schule geltenden Anforderungen ab.

In vielen Fällen ist das Integrationsthema auch und vor allem ein Genderthema: Rigide, geschlechterstereotype Zu- und Festschreibungen können die Integration behindern und die soziale Mobilität junger Männer und Frauen erschweren. Das Thema Chancengleichheit im Kontext der Gender-Mainstreaming-Strategie bietet einen neutralen Bezugspunkt, um Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Geschlechts in die gemeinsame Schulkultur zu integrieren und sie bei der Erreichung der Bildungsziele zu unterstützen. Als praktisches Beispiel könnte hierfür die Habitusschulung an den Hertha Firnberg Schulen angeführt werden: Angestrebt wird (v.a. bei Präsentationen und offiziellen Anlässen) ein „genderneutraler Dresscode“ und professionelles Auftreten, das sowohl für Burschen als auch für Mädchen gilt. Alle Klassenfunktionen (Klassensprecher_innen, Genderbeauftragte, Medienbeauftragte) werden nach Möglichkeit mit je einem Mädchen und einem Burschen besetzt – auch hier ist Genderneutralität gefragt.

Weiters wird eine Problematisierung der Integrationsfrage, die in den Massenmedien derzeit stark befördert wird, an der Schule durch die Priorisierung des Geschlechtergleichstellungsfokus vermieden. Die unterschiedliche Herkunft der Schüler_innen am Standort wird einerseits im Sinne der Internationalisierung als Vorteil verstanden, andererseits als Impuls für Schulentwicklung, wenn durch ein umfassendes Förderprogramm (Potenzialanalyse, Übergangsstufe, Individualisierung des Unterrichts etc.) Leistungsdefizite der Schüler_innen ausgeglichen werden und die Lernhaltung der Schüler_innen verbessert werden kann. Entscheidend für das Gelingen dieser Maßnahmen ist die soziale Durchmischung am Schulstandort.

Die Gender-Mainstreaming-Strategie der Schule ist ein sehr gutes Beispiel für den Benefit von Shared-Leadership-Konzepten, denn das Know-how von vielen wird – dank der gut etablierten Strukturen – zum Gesamtnutzen der Schulcommunity eingesetzt.

6 Etablierung als Exzellenzstandort mit dem Ziel der Potenzialförderung und der sozialen Mobilität

Eine weitere strategische Entscheidung der Schulleitung war es, die Hertha Firnberg Schulen als Exzellenzstandort zu positionieren, dessen oberstes Ziel die Potenzialförderung aller Schüler und Schülerinnen ist. Ganz im Sinne von Hertha Firnberg wird der Begriff „Exzellenz“ nicht im Sinne von „Elitenförderung“ verstanden, sondern mit dem Fokus auf Potenzialförderung in einer öffentlichen Schule. Gemäß dem Leitbild ist die Schule eine „öffentlich-rechtliche Schule, die viel bietet und auch viel verlangt“ (Schulleitbild der Hertha Firnberg Schulen 2015/16, 6).

Die Hertha Firnberg Schulen bieten insgesamt sechs Ausbildungsprogramme (und eine Übergangsstufe) an, die zwar für unterschiedliche Zielgruppen konzipiert wurden, aber alle vom Gedanken der Inklusion getragen werden. An den Hertha Firnberg Schulen bedeutet dies einerseits die Förderung und Motivation von bildungsfernen jungen Menschen, aber andererseits auch die Förderung besonders ambitionierter Schüler_innen.

Das ICP-Programm (International Career Promotion) richtet sich zum Beispiel an leistungsstarke Schüler_innen, die sich für ein arbeitsintensives, bilinguales Ausbildungsprogramm mit Arbeitssprache Englisch und teilweise Französisch (CLIL) interessieren.

Schüler_innen, die sich für die MINT-Fächer interessieren, können im Ausbildungszweig „Kommunikations- und Mediendesign“ (KOMD) von einer Bildungskooperation der Schule mit der FH Technikum Wien profitieren. Um naturwissenschaftliche Exzellenz zu fördern und den jungen Frauen und Männern einen Einstieg in eine naturwissenschaftlich-technische Ausbildung zu erleichtern, werden die Schüler_innen dieses Zweiges fünf Jahre lang von den Lehrkräften der Fachhochschule unterrichtet. Für die KOMD Schüler_innen findet daher einmal pro Woche an der FH Technikum dislozierter Unterricht in Programmieren, Foto, Film und Naturwissenschaften statt.

Zusätzlich hat es sich die Schule zum Ziel gesetzt, die Mobilität der Schüler_innen zu erhöhen: Sie können ein freiwilliges Auslandssemester bzw. -jahr absolvieren und danach wieder in ihren Klassenverband einsteigen. Abgesehen von diesem kostenpflichtigen Aufenthalt mit Schulbesuch haben die meisten Schüler_innen die Möglichkeit, ein dreimonatiges Auslandspraktikum in den Ferien zu absolvieren, das durch die Erasmus Plus Förderung der EU zumindest kostenneutral ist. Somit machen jährlich ca. 80−90 Schüler_innen der Hertha Firnberg Schulen die Erfahrung, im Ausland zu leben und zu arbeiten und dadurch sowohl ihre Selbstständigkeit als auch ihre interkulturellen Kompetenzen und Sprachkenntnisse zu stärken. Die Auslandsaufenthalte werden durch eine ausführliche Vor- und Nachbereitung begleitet, bei der auch der „Genderaspekt“ nicht zu kurz kommt.

Die hohe Vielfalt der Ausbildungsprogramme (Sprachen, Wirtschaft, Tourismus, Kommunikations- und Mediendesign, Gastronomie, Kultur- und Eventmanagement, Marketing…) und der außercurricularen Zusatzangebote machen es unmöglich, dass die Direktion alleine an der Umsetzung und Weiterentwicklung aller Programme arbeitet. Die Positionierung als Exzellenzstandort ist angesichts dieser hohen Vielfalt nur möglich, wenn die Verantwortung für Schulentwicklung auf mehrere „Köpfe“ verteilt wird. Das heißt, es braucht Lehrkräfte, die die Kernfächer in den jeweiligen Ausbildungsprogrammen unterrichten und gleichzeitig auch Managementaufgaben erfüllen möchten. Die Rolle der Direktion besteht darin, als Impulsgeberin und Koordinatorin zu fungieren und sicherzustellen, dass innovative Ideen eines Ausbildungsprogramms auch Schüler_innen der anderen Ausbildungsprogramme zur Verfügung stehen (Mobilitätsprogramme, Förderprogramme, Sprachzertifikate, Native Speaker Teacher, e-learning u. v. m.).

Auch im operativen Bereich („do the things right“) ist Shared Leadership das Gebot der Stunde, insbesondere angesichts der zahlreichen Herausforderungen, die in den letzten Jahren auf die Schulen zugekommen sind (neue Lehrpläne und Prüfungsordnungen durch die Schulreform, Schnittstellenfrage etc.).

7 Ausblick und Resümee: Wie kommt das Gute ins System?

Wir wissen, wie Qualität erzeugt wird. Aber ohne permanente Kontrolle, Feedback und Weiterentwicklung gibt es keine nachhaltige Qualität – weder in der Schulentwicklung noch im Klassenzimmer. Die äußerst flachen schulischen Hierarchien sind ein Hindernis für effizientes Qualitätsmanagement: Um dem entgegenzuwirken, braucht es die Implementierung eines mittleren Managements an allen mittleren und großen Schulen. Im Vorfeld und auch während der Führungstätigkeit ist die Absolvierung eines Schulmanagement-Lehrgangs anzuraten, auch wenn die Mehrfachqualifikation von Lehrkräften an der BMHS üblich ist. Um solche Lehrkräfte zu motivieren, muss ein Finanzierungsmodell gefunden werden, das die zusätzliche Arbeit (eine fünfstündige Leitungssitzung pro Woche) einigermaßen abdeckt und eine Reduktion der Unterrichtstätigkeit ohne finanziellen Verlust ermöglicht. Es braucht eine gesetzliche Vorgabe, sie würde helfen, diesen Prozess schneller und effizienter zu gestalten. Die Rechtssicherheit gäbe auch dem Leitungsteam mehr Autorität, die wiederum die Direktion noch besser unterstützen könnte.

Die nunmehr fast zehnjährige Schulleitungserfahrung der Direktorin zeigt, dass ein gemeinsames Führungsverständnis von Schulleitung und Leitungsteam und gemeinsame, konsistente Ziele auf der Basis einer gemeinsamen strategischen Ausrichtung der Schule, die von der Schulleitung kommen muss, am besten dazu geeignet sind, das komplexe System Schule erfolgreich in die gewünschte Richtung zu bringen und unter Kontrolle zu halten.

Das an den Hertha Firnberg Schulen gelebte Führungsmodell hat sich bewährt und der Schule die besondere Stabilität einer guten, weil gut geführten Schule, die zu guten Ergebnissen im Sinne unseres gesetzlichen Bildungsauftrags führt, beschert. Wir sind gut gerüstet für kommende Aufgaben.

Literatur

BMBWF (2019): Schulleitungsprofil. Eine praxisbezogene Orientierung für effektives Schulleitungshandeln. Wien. Online: https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:1ed495ba-5df0-4b57-b0fb-54cd121143f6/schulleitungsprofil_a4_bf.pdf (02.05.2022).

Schulleitbild der Hertha Firnberg Schulen (2015/16). Online: http://www.firnbergschulen.at/wp-content/uploads/2016/10/Schulleitbild-5-Beliefs-min.pdf (08.11.2021).

BMBWF (o. J.): Bildungsreform 2017. Online: https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/autonomie/index.html ( 01.03.2022).

Zitieren des Beitrags

Ettl, M./Zwinger, U. (2022): Shared Leadership – Ein Führungsmodell in Zeiten der Schulautonomie. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 41, 1-9. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe41/ettl_zwinger_bwpat41.pdf (24.06.2022).