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bwp@ 41 - Dezember 2021
Führung und Management beruflicher Schulen
Hrsg.:
, , &Editorial bwp@41
EDITORIAL zur Ausgabe 41:
Führung und Management beruflicher Schulen
Berufliche Schulen stehen – nicht erst seit der und durch die Corona-Pandemie – angesichts gesellschaftlicher, (bildungs-)politischer und technologischer Umwälzungen vor großen Herausforderungen, die aktuell eine deutliche Dynamik bekommen haben. Motoren dieser Entwicklungen sind unter anderem die schnelle und umfassende Zugänglichkeit von Informationen sowie die Veränderung von Kommunikations- und Interaktionsformen z. B. durch das Internet und soziale Medien. Durch technologischen Fortschritt werden Innovationszyklen verkürzt und Entwicklungsprozesse beschleunigt. Im Zuge dieser Veränderungen wird von den Schulen nicht nur eine Flexibilisierung von Strukturen, Prozessen und Organisationsformen schulischen Lernens eingefordert, sondern vor allem ein Überdenken der Leitbilder, an denen sich gelungenes Lehren, Lernen und Prüfen orientieren sollte. In der dualen Berufsausbildung adressiert dies zudem die Frage nach der Bedeutung, der Funktion und der Gestaltung der Lernortkooperation in besonderer Weise. Neben der Reaktion auf Veränderungen im Zuge der Digitalisierung fordert das sich verändernde Nachfrageverhalten nach beruflicher Bildung sowie die Diskussion um Inklusion und Integration nach einer verstärkten Fokussierung der pädagogischen Aufgaben von Schule, welche sich durch Lehrkräftemangel, vor allem in den beruflichen Fachrichtungen, als besondere schulische Herausforderung darstellt.
In diesem Zusammenhang rücken Schulentwicklungsbemühungen in den Einzelschulen bzw. in schulischen Netzwerken in das Zentrum der Betrachtung. Damit einhergehend erfolgte in den letzten Jahren zunehmend eine Fokussierung auf das Handeln von Schulleitungen und auf das Management von Schulen, da diesen eine besondere Rolle bei der Initiierung, Planung und Gestaltung schulischer Entwicklungsprozesse zugeschrieben wird. Die Tätigkeit von Schulleitungen und das Management beruflicher Schulen sind weniger gekennzeichnet durch routinierte Management- und Verwaltungsaufgaben; Schulleitungen kommt im Zuge der Schulentwicklung viel eher die Rolle von Impulsgeber*innen, Initiatoren*innen und Ermöglicher*innen zu.
Die Frage, wer adressiert wird, wenn über die Führung und das Management einer Schule gesprochen wird, wird zuallererst und traditionell damit beantwortet, dass die Schulleiterin bzw. der Schulleiter eine Schule leitet und führt. Berufliche Schulen sind und waren jedoch immer schon große und komplexe Schulen, so dass mit Blick auf die Schulführung ein erweiterter Personenkreis und unterschiedliche Ebenen der Organisation in den Blick genommen werden müssen. Dabei kann konstatiert werden, dass sich sowohl die Aufgaben in den letzten Jahren gewandelt und erweitert haben, als auch die Art und Weise der Schulführung sich verändert hat.
Mit dieser Ausgabe von bwp@ haben wir Beiträge versammelt, die aus unterschiedlichen Perspektiven den Gegenstandsbereich betrachten. Dabei war es uns mit dieser Ausgabe ein besonderes Anliegen, neben wissenschaftlichen Beiträgen in den bewährten bwp@-Formaten Akteure aus der Praxis einzuladen, um mit Praxisbeiträgen den Blick auf das Thema der Ausgabe zu erweitern.
Die Beiträge haben wir den folgenden Schwerpunkten zugeordnet:
Teil 1: Distributive Führung an beruflichen Schulen
In der Wissenschaft werden als Ansatz zur Bewältigung dieser komplexen Aufgaben Konzepte der distributiven Führung beforscht: Dies bedeutet, berufliche Schulen werden in Teams geführt, die Aufgaben und Verantwortlichkeiten werden geteilt, partizipativ und kollaborativ bewältigt. Die distributive bzw. verteilte Führung sieht Führung nicht als Aufgabe der Schulleiterin bzw. des Schulleiters allein.
Der Beitrag von Roman Capaul von der Universität St. Gallen in der Schweiz fragt, wie Schulleitungsverantwortung in beruflichen Schulen breiter abgestützt werden kann. Dabei wird auf das Konzept der Teacher Leadership zurückgegriffen und das Zusammenspiel von Schulleitung, Führungspersonen auf einer mittleren Ebene sowie Lehrkräften beruflicher Schulen beleuchtet.
Ulrike Horneber von der Stadt Nürnberg und Karl Wilbers (Universität Erlangen-Nürnberg) berichten über den Forschungsstand zur Führung auf einer mittleren Ebene an einer beruflichen Schule und zeichnen – mit einem Fokus auf das Aufgaben- bzw. Tätigkeitsprofil – die Entwicklung dieser Ebene in einem Modellversuch der Stadt Nürnberg nach. Aus diesem Modellversuch finden Sie in Teil 4 auch einen Praxisbeitrag.
Teil 2: Schulleitung als Agentin des Wandels beruflicher Schulen: Digitale Transformation und Pandemie bewältigen
Zunehmend erhalten Begrifflichkeiten wie agile Schulführung oder digital leadership Einzug in den Diskurs, die „moderne“ Elemente von Führung und Management in Schule repräsentieren sollen. Diese neuen Formen der Führung sind ein Instrument zur Erhöhung der Führungskapazität beruflicher Schulen, und zwar neben anderen Modellen wie der veränderten Zusammenarbeit mit Sachaufwandsträgern. Schulleitungen sind seit längerer Zeit Promotoren – oder eben auch Verhinderer – des Wandels. Die Beiträge in diesem Teil heben vor allem auf die Digitalisierung und die Bewältigung der Pandemie ab.
Philipp Hackstein, Monique Ratermann-Busse und Marina Ruth von der Universität Duisburg-Essen untersuchen – unter Rückgriff auf ein Promotorenmodell – die Frage, inwieweit Mitglieder der erweiterten Schulleitung an Berufskollegs Promotorenfunktionen für den digitalen Wandel der Schule in der Pandemie übernehmen.
Der Beitrag von Sönke Knutzen, Vanessa Kortegast und Ronny Rowört von der TU Hamburg beleuchtet die digitalisierungsbezogene Schulentwicklung als komplexe Aufgabe auf der Folie der Digital Leadership und der Digital Ownership. Das letzte Konzept zielt dabei darauf, die Verantwortung für die Weiterentwicklung der Schule als Aspekt der Professionalität der Führungskräfte aufzugreifen.
Martin Keller und Stephanie Ledergerber von der Universität St. Gallen zeichnen nicht nur das Krisenempfinden von Führungskräften an beruflichen Schulen zu Beginn der Pandemie nach, sondern sie zeigen in ihrem Beitrag auch, welche Veränderungsprozesse von Schulleitungen angestoßen wurden.
Deborah Glassey-Previdoli und Serge Imboden von der Fachhochschule Westschweiz HES-SO Valais-Wallis untersuchen den Zusammenhang zwischen dem Führungshandeln und dem digitalen Entwicklungsstand von Berufsfachschulen in der Schweiz in zwei Erhebungen.
Teil 3: Schulleitungen und Lehrkräfte an beruflichen Schulen: Ein komplexes Verhältnis
Der dritte Teil legt schließlich den Fokus auf die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen.
Silke Lange von der Universität Osnabrück untersucht, was Schulleitungen an beruflichen Schulen von ihren Lehrkräften erwarten. Es handelt sich bei diesem Beitrag um eine Replikationsstudie auf der Grundlage der Theorie des psychologischen Kontrakts. Dabei werden Inkongruenzen zwischen Erwartungen und Erfüllung dieser Erwartungen durch Lehrkräfte deutlich.
Mario Vötsch von der PH Tirol (Österreich) untersucht in seinem Beitrag, ob die Änderungen in der Ausbildung von Lehrkräften auch Änderungen im Selbstverständnis von Schulleitungen nach sich ziehen. Junge Lehrkräfte werden hier als Schnittstellen eines Wandlungsprozesses verstanden.
Teil 4: Beiträge aus der Praxis
Für Ausgabe 41 haben wir explizit Praktikerinnen und Praktiker aus Schulleitung, Schulleitungsteams, Landesinstituten, Regierungen, Kommunen, Fortbildungseinrichtungen, Ministerien und ähnlichen Institutionen eingeladen, sich in einem eigenständigen Format „Praxisbeiträge“ zu beteiligen. Diesen vierten Teil halten wir auch bewusst über das Erscheinungsdatum und damit über den Dezember 2021 offen, damit sich bis Ende April 2022 weitere Expertinnen und Experten aus der Praxis mit ihren Erfahrungen und Erkenntnissen, aber auch mit ihren Fragestellungen beteiligen und wir so einen weiterführenden Diskurs und Austausch starten können.
Mit dem Online-Datum Ende des Jahres 2021 finden sich die folgenden Praxisbeiträge:
Thomas Beutl, Hasan Gencel, Kai-Ulrich Hegmann und Karl Schumann von den Beruflichen Schulen 2 und 4 in Nürnberg behandeln die Frage, wie die Einbindung und Weiterentwicklung einer Mittleren Ebene als Instrument des Schulmanagements an zwei unterschiedlich aufgebauten städtischen Berufsschulen in Zeiten einer Pandemie gelingen kann. (Es empfiehlt sich, diesen Beitrag im Konnex mit dem von Horneber und Wilbers aus Teil 1 zu lesen.)
Reto Wegmüller vom Kaufmännischen Bildungszentrum Zug in der Schweiz berichtet, wie mit Hilfe agiler Schulentwicklung in Kombination mit geteilter Führung die Umsetzung von Bildungsreformen im Bereich des Detailhandels und der Kaufleute angegangen wird.
Im dritten, aber sicher nicht letzten Beitrag dieses Teils 4 analysiert Helmut Zumbrock (Bezirksregierung Detmold, im Ruhestand) aus organisations- und berufspädagogischer Sicht die spezifischen Anforderungen an das Schulleitungshandeln an berufsbildenden Schulen / Berufskollegs.
Wir sind gespannt auf das Wachsen dieses Teils und werden erst im Mai 2022 mit einem Update dieses Editorials ein endgültiges Resümee ziehen.
Nun wünschen wir den Leserinnen und Lesern eine interessante Lektüre. Und wir möchten uns auch diesmal besonders bei Laura Büker für die Redaktion und Sigrid Gramlinger-Moser für die Umsetzung auf www.bwpat.de bedanken. Es war wie immer eine Freude, diese Ausgabe zusammen zu gestalten.
Karl Wilbers, Nicole Naeve-Stoß, Cornelia Wagner-Herrbach & Franz Gramlinger
(im Dezember 2021)
Zitieren des Beitrags
Wilber, K./Naeve-Stoß, N./Wagner-Herrbach, C./Gramlinger, F. (2021): EDITORIAL zu Ausgabe 41: Führung und Management beruflicher Schulen. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 41, 1-4. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe41/editorial_bwpat41.pdf (20.12.2021).