bwp@ 30 - Juni 2016

Inklusion in der beruflichen Bildung

Hrsg.: H.-Hugo Kremer, Karin Büchter & Ulrike Buchmann

Bedeutung inklusiver Berufsbildung für Care Work

Das Leitbild der inklusiven Berufsbildung weist in Segmenten der Ausbildung für Care Work in den personenbezogenen Berufsfeldern Erziehung und Soziales, Hauswirtschaft und Ernährung sowie Pflege und Gesundheit relevante Bezugspunkte auf. 1) Das betrifft spezifische Ausbildungsformen personenbezogener Berufe in schulischen Ausbildungsgängen außerhalb des dualen Systems. 2) Findet die Qualifizierung für personenbezogene Berufsfelder zwar auf allen Niveaustufen der beruflichen Aus- und Weiterbildung statt, sind spezifische Segmente jedoch auch im Feld der beruflichen Rehabilitation und Benachteiligten- sowie Integrationsförderung angesiedelt. 3) Somit bestehen starke Bezüge zur pädagogischen Gestaltung des Übergangssystems im Umgang mit sehr heterogenen Zielgruppen und biografisch orientierten sowie fallgruppenbezogenen methodischen Ansätzen. 4) Ein weiterer Bezugspunkt lässt sich auf der curricularen Ebene mit Blick auf Kompetenzanforderungen an Schnittstellen zwischen institutionellen und lebensweltlichen Gegenständen herstellen. 5) Einen fünften Bezugspunkt bildet schließlich der für personenbezogene Berufsstrukturen charakteristische Status von „Semi-Professionalität“. Diese Spezifika haben bis in die Gegenwart eher zur Exklusion personenbezogener Fachrichtungen denn zu Inklusion und gerechter Teilhabe an Ausbildung und Beschäftigung geführt.

Gegenüber diesem Modernisierungsrückstand eröffnen sich gegenwärtig im Zuge von demografischem Wandel und Expansion der Dienstleistungsgesellschaft gleichwohl aussichtsreiche berufspädagogische Modernisierungsoptionen. Der folgende Beitrag zielt darauf, die Bedeutung von Inklusion im Feld personenbezogener Dienstleistungsberufe aufzuzeigen. Dazu werden erstens Schnittmengen zwischen beruflicher Benachteiligten-/Integrationsförderung und Inklusion aufgezeigt. Es werden zweitens historische und aktuelle Eckpunkte personenbezogener Arbeit im Spannungsfeld von Teilhabe und Exklusion dargestellt sowie drittens Professionsansätze im Bereich der beruflichen Ausbildung. Eine abschließende Perspektive wendet sich den Kompetenz- und Professionsanforderungen in der akademischen Ausbildung zu.

Significance of inclusive vocational education for care work

English Abstract

The guiding principle of inclusive vocational education provides relevant points of reference in certain segments of care work training in the person-to-person occupations in education and social work, home economics, nutrition, nursing and healthcare. 1) This applies to specific types of training for person-to-person occupations in school-based job training courses outside the dual system. 2) Even if qualifications-based training for person-to-person occupations takes place at all levels of vocational basic and further training, there will, however, also be specific training segments in the field of vocational rehabilitation and the advancement of disadvantaged persons and integration. 3) Hence, there are strong links with the pedagogical design of the transition system for working with very heterogeneous target groups and methodological approaches that are biography-oriented and based on case groups. 4) At the curricular level, the competence requirements at the interfaces between institutional and real-world objects form a further point of reference. 5) Finally, the "semi-professional" status characteristic of person-to-person occupational structures constitutes a fifth point of reference. Until today, these specific features have led to exclusion from person-to-person specialisms rather than inclusion and equitable participation in training and employment.

At the same time, in contrast to this modernisation backlog, promising options for modernising vocational pedagogy are currently opening up in the course of demographic change and the expansion of the service economy. This paper aims to demonstrate the importance of inclusion in the field of person-to-person service-sector occupations. To this end, intersections between the vocational advancement of disadvantaged groups /integration and inclusion will be illustrated first of all. Secondly, past and present key elements of person-to-person work in the field of tension between participation and exclusion are portrayed as are, thirdly, approaches to professionalisation in the field of vocational training. Finally, the competence and professional requirements in academic training are addressed.

1 Inklusion und berufspädagogische Integrationsförderung: Schnittmengen im Feld von Care Berufen

Fragen der Benachteiligten- und Integrationsförderung haben mit der Entwicklung des Übergangssystems eine beachtliche Aufmerksamkeit erhalten. Gleichwohl zeigt die historische Betrachtung, dass die spezifische Förderung bildungsbenachteiligter Gruppen in der Berufsbildung keineswegs neu ist. Die Unterstützung junger Menschen für gelingende Übergänge von der Schule in den Beruf war bereits Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Schulung von „Ungelernten“, in den 1960er Jahren mit Maßnahmen der außerbetrieblichen und außerschulischen „Jungarbeiterqualifikation“ sowie seit den 1970er Jahren mit Instrumenten zur Förderung von „Benachteiligten“ ein relevanter Gegenstand der beruflichen Bildung und Berufsorientierung. Galten diese Maßnahmen zunächst als „Notinstrument“ für Risikogruppen des Arbeitsmarktes, kristallisierte sich seit den 1990er Jahren mit dem Blick auf „Jugendliche mit besonderem Förderbedarf“ ein Leitbildwandel heraus, der auf die Integration spezifischer Ansätze und Zielgruppen in das Regelsystem der beruflichen Bildung zielte (vgl. Friese 2012).

Parallele Entwicklungen vollzogen sich im Werdegang schulischer Inklusion. Bereits mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht Ende des 18. Jahrhunderts begann der Ausschluss von Kindern mit Behinderungen, der in der Folgezeit im Rahmen der Ausdifferenzierung des Schulwesens zu einem zunehmend segregierenden Schulsystem mit Förder- und Sonderschulen und speziell ausgebildeten Lehrkräften führte. Angeregt durch skandinavische Leitbilder geriet dieses „Schutzprinzip“ in den 1970er Jahren kritisch in den Blick, so dass auf Empfehlung des Deutschen Bildungsrates (1973) erste Schritte zu einem integrativ ausgerichteten Schulsystem mit gemeinsamer Beschulung von behinderten und nichtbehinderten jungen Menschen vollzogen wurden. Nachdem mit der Salamanca-Erklärung der UNESCO im Jahre 1994 bereits ein wichtiger Meilenstein für eine inklusive Bildung zugrunde gelegt war, wurde in Deutschland erst mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Februar 2009 und mit dem im Juni 2011 verabschiedeten nationalen Aktionsplan (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2011) ein grundlegender Paradigmenwechsel zu einer inklusiven Bildung vollzogen. Dabei zielt der Begriff der Inklusion darauf, zum einen allen Menschen unabhängig von Geschlecht, religiösen und ethnischen Zugehörigkeiten, sozialen, kulturellen und ökonomischen Voraussetzungen sowie besonderen Lernbedürfnissen die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung zu ermöglichen und zum anderen Vielfalt und Heterogenität der Lernenden als Chance und Entwicklungspotential für Lern- und Bildungsprozesse zu verstehen.

Mit diesem weiten Verständnis von inklusiver Bildung und dem Blick auf vielfältige Zielgruppen (vgl. Enggruber et al. 2014, 2) sind Schnittmengen zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung sowie Bezugspunkte zu personenbezogenen Dienstleistungsberufen hergestellt. Anschlüsse bestehen erstens in der moralisch-ethischen sowie der politischen Verpflichtung zur Realisierung des Menschenrechts auf Bildung, auf Chancengleichheit und der gesellschaftlichen Teilhabe für Alle. Diese Leitlinien treffen auf zentrale Anliegen zur Professionalisierung der Care Berufe, die aufgrund historisch bedingter semi-professioneller Strukturen des Ausbildungs- und Beschäftigungssystems durch geschlechtlich bedingte Exklusion und Ungleichheit in Ausbildung, Beschäftigung sowie Akademisierung gekennzeichnet sind.

Schnittmengen zwischen Inklusion und Ansätzen der beruflichen Integrationsförderung bestehen zweitens in dem methodisch-didaktischen Umgang mit Differenz und Heterogenität als Potential für Lehr-/Lernprozesse. Diese Perspektiven sind originäre Leitlinien in personenbezogenen Ausbildungsfeldern. So bestehen zum einen insbesondere im Feld der hauswirtschaftlichen Ausbildung umfängliche Erfahrungen mit der Ausbildung für Rehabilitationsberufe. Zwar werden personenbezogene Ausbildungen mehrheitlich von Personen mit mittlerer und höherer Schulbildung absolviert und die vollzeitschulischen Curricula zeichnen sich durch hohe Qualitätsniveaus aus. Jedoch existieren auch bedeutsame Anteile an Helferinnen- und Assistenzberufen, die spezifische Konzepte niedrigschwelliger Qualifizierung und vielfältige Ansätze zum pädagogischen Umgang mit äußerst heterogenen Zielgruppen erzeugt haben. Nicht zuletzt die Vielfalt der Bildungsgänge auf allen Niveaustufen, von der vorberuflichen über die fachberufliche Ebene und die der Weiterbildung bis zur akademischen Ausbildung, beinhaltet sehr differenzierte, curriculare und methodisch-didaktische Konzepte. Aus dieser Perspektive haben personenbezogene Ausbildungen die für inklusive Bildung geforderte „Pädagogik der Vielfalt“ (Prengel 1993) vorweggenommen.

Ein dritter Bezugspunkt stellt sich durch den mehrdimensionalen Ansatz des Inklusionskonzepts her, der über die Bereiche von formaler Bildung und Berufsbildung hinausgehend auf die Inklusion aller Lebensbereiche zielt (vgl. Lippegaus-Grünau 2011, 19). Genau diese Lebenslagendimensionen mit der ganzheitlichen Sicht auf Familien- und Berufssphären sowie auf Alltags- und Lebensweltkompetenzen sind ebenso curriculare Bestandteile personenbezogener Ausbildungsgänge wie auch der Fokus auf biografie- und subjektorientierte pädagogisch-didaktische Konzepte. Gründe hierfür liegen in dem für personenbezogene Dienstleistungsberufe charakteristischen Lebensweltbezug, der für spezifische Ansätze der Inklusion verwendet werden kann.

Eine vierte Perspektive berührt schließlich auch das ökonomische und gesellschaftspolitische Anliegen, vor dem Hintergrund des demografischen und wirtschaftsstrukturellen Wandels sowie den hohen Bedarfen an qualifizierten Fachkräften alle gesellschaftlichen Potentiale für Ausbildung und Qualifizierung auszuschöpfen. Diese Dimension, die gleichermaßen für inklusive (vgl. Sicking 2012, 5) wie für personenbezogene Berufsbildung (vgl. Friese 2010) gilt, trifft auf höchst ambivalente Entwicklungsprozesse: Den dynamisch wachsenden Fachkräftebedarfen im Feld sozialer und pflegerischer sowie haushaltsnaher Dienstleistungsarbeit steht eine Beschäftigungs- und Ausbildungsstruktur gegenüber, die den Qualitäts- und Professionsanforderungen nicht angemessen gerecht werden kann. Berufspädagogische Herausforderungen bestehen darin, umfassende strukturelle und curriculare Zukunftskonzepte zur Modernisierung personenbezogener Dienstleistungsberufe und zur Inklusion der Ausbildung für Care Berufe in das Regelsystem der beruflichen Bildung zu entwickeln.

2 Care Berufe im Spannungsfeld von Teilhabe und Exklusion: Historische und aktuelle Entwicklungen

2.1 Historische Markierungen personenbezogener Berufsstrukturen

Personenbezogene Dienstleistungsberufe sind systematisch in einem höchst ambivalenten Spannungsverhältnis von Teilhabe und Exklusion positioniert (vgl. Friese 2015). So ermöglichte die Konstitution von „Frauenberufen“ im 19. Jahrhundert neue Wege der Qualifizierung und Partizipation an Ausbildung und Erwerbsarbeit. Die damit verbundene geschlechtliche Segmentierung von Ausbildung und Beschäftigung führte zugleich zu einer Schließung männlich dominierter Berufssphären. Historisch folgenreich ist, dass diese Berufsstrukturen auf Basis einer naturalistisch begründeten Konstruktion von Mütterlichkeit und Zuweisung für private und berufliche Sorgearbeit im Feld haushälterischer, pflegerischer und sozialer Arbeit konstituiert wurden und bis in die Gegenwart auf allen Ebenen der beruflichen und akademischen Ausbildung als Stolperstein der Professionalisierung von Care Work wirksam sind.

Die normative Grundlage dieser Entwicklung schließt zunächst an das mit der Aufklärungspädagogik naturalistisch begründete Konzept der Geschlechterdifferenz an und fließt in frühe erziehungswissenschaftliche Konzepte der „Allgemeinbildung“ und „besonderen Frauenbildung“ ein. Zugleich entsteht das differenztheoretische Paradigma der polaren Geschlechtscharaktere auf Basis der „Kulturaufgabe der Frau“, das prominent in die im 18. Jahrhundert vollzogene Begründung des modernen Berufsbegriffs einfließt. Dabei werden mit der Hierarchie von „allgemeiner“ (höherer) und „spezieller“ (beruflicher) Bildung durch die Industriepädagogik zwei grundlegende Konflikte der beruflichen Bildung konstituiert: zum einen geschlechtlich codierte Linien, die analog zu den staatsbürgerlichen Pflichten und zur technischen Arbeitserziehung des Mannes die häuslichen und pflegerischen Aufgaben der Frau explizit zum berufsförmig ausgestalteten Faktor konzipieren; zum anderen soziale Differenzen, die im utilitaristischen Konzept der Bildung zur Brauchbarkeit zum berufspädagogischen Programm erhoben werden.

Dieses theoretische Gebilde des pädagogischen Jahrhunderts wird in der Folgezeit an jene Bildungsaufgabe gebunden, die im soziologischen Dialog von Georg Simmel und Marianne Weber schon mit dem Begriff der „subjektiven Kultur des Hauses“ gewürdigt wird (Wobbe 1995). Eine Folge ist die differenztheoretisch begründete Konstitution der „Frauenberufe“, die nicht zuletzt durch die Frauenbewegung Ende des 19. Jahrhunderts selbst initiiert wird. Mit der Institutionalisierung des Berufsbildungssystems schließen sich Anfang des 20. Jahrhunderts berufspädagogische Konzepte auf Basis des Leitbildes „Differenz und Mütterlichkeit“ an.

Kerschensteiner knüpft Anfang des 20. Jahrhunderts an diese Modelle an. Er entwickelt Konzepte für das Berufsschulwesen und für die staatsbürgerliche Erziehung der Jugend, die sowohl deutliche Geschlechtscodierungen als auch Konzepte der Integration am Übergang Schule-Beruf-Haushalt begründen. Während die gewerblich orientierten Fortbildungsschulen die staatsbürgerliche Erziehung der schulentlassenen Jungen bezwecken, zielen die hauswirtschaftlichen Berufsschulen darauf, ungelernte Fabrikarbeiterinnen aus der Textilindustrie auf den „natürlichen“ Beruf der Hausfrau und Mutter wie auch Bürgertöchter auf ihre Tätigkeit als Haushaltungsvorstand vorzubereiten. Fließt das Leitbild der „Erziehung zum Weibe“ (Kerschensteiner 1902, 12) in die Zweiteilung des deutschen Berufsbildungssystems ein, wird nicht nur ein Sonderberufsschulsystem für Mädchen begründet und eine Trennung zwischen der betrieblichen Ausbildung für gewerblich-technische und der vollzeitschulischen Ausbildung für personenbezogene Berufe vorgenommen. Es wird auch eine geschlechtlich geprägte Übergangsfunktion zwischen Schule und Heeresdienst für junge Männer einerseits sowie zwischen Schule und Familienberuf für junge Frauen andererseits konstituiert. Diese Konstruktion nimmt bemerkenswerte Parallelen zum heutigen Übergangssystem als Puffer zwischen Bildung und Beschäftigung vorweg. Konstituiert sind zudem geschlechtlich geprägte Berufsstrukturen mit einem geringen Grad an Professionalisierung, Standardisierung und gesellschaftlicher Wertschätzung. Eine historische Last liegt darin, dass diese Berufsstrukturen auf Basis einer naturalistisch begründeten Konstruktion von Mütterlichkeit und Zuweisung für private und berufliche Sorgearbeit im Feld haushälterischer, pflegerischer und sozialer Arbeit konstituiert werden und sich bis in die Gegenwart auf allen Ebenen der beruflichen und akademischen Ausbildung als Stolperstein der Professionalisierung von Care Work erwiesen.

2.2 Aktuelle Entwicklungen in Ausbildung und Beschäftigung

Gegenüber diesen historischen Lasten deuten sich gegenwärtig mit Beschäftigungswachstum und neuen Kompetenzanforderungen im Feld personenbezogener Dienstleistungsberufe Modernisierungsoptionen an. Die strukturellen Veränderungen der Wirtschaftssektoren und der demografische Wandel haben zu einer deutlichen Ausdehnung des personenbezogenen Dienstleistungssektors geführt. Kennzeichnend für personenbezogene Segmente sind hohe Fachkräftebedarfe, gestiegene Qualifikationsanforderungen sowie veränderte Tätigkeitsprofile in öffentlichen und privaten Beschäftigungsfeldern von Pflege, Gesundheit, haushaltsnaher Dienstleistung sowie sozialer Arbeit, Erziehung und Kinderbetreuung, wobei das größte Beschäftigungswachstum in den Gesundheits- und Sozialberufen einschließlich Körperpflege zu verzeichnen ist. Dieser Trend ist keineswegs lediglich als konjunkturelle Entwicklung zu sehen. Beschäftigungspolitischen Prognosen zufolge wird bis 2030 das größte Beschäftigungswachstum in den Gesundheits- und Sozialberufen einschließlich Körperpflege zu verzeichnen sein (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012, 202; Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2013, 22).

Gegenüber diesem ökonomischen Bedeutungswachstum stellt sich die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation in personenbezogenen Berufen äußerst instabil dar. Aus international vergleichender Perspektive erweisen sich die geschlechtsspezifischen Segmentierungen der Berufsstrukturen in Deutschland als beharrlich:  Gültigkeit hat bis in die Gegenwart die historisch gewachsene Spaltung der „Männerberufe“ im Segment technischer und verarbeitender Arbeitsfelder und der „Frauenberufe“ in den Beschäftigungsbereichen der Pflege, Erziehung, Reinigung sowie in einfachen Büro-, Schreib- und Verkaufstätigkeiten (vgl. Hausmann/Kleinert 2014, 3). Ebenso beständig ist demzufolge auch der signifikant hohe Frauenanteil von ca. 80% in den personenbezogenen Dienstleistungsberufen (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2012, 18; Bundesinstitut für Berufsbildung 2014, 228).

Nicht überwunden sind ebenfalls die für Frauenberufe typischen prekären Beschäftigungsformen. Charakteristisch sind hohe Anteile an atypischer Beschäftigung, Mini-Jobs und Teilzeitarbeit, eine deutliche Überrepräsentanz von Frauen in niedrigen Einkommensgruppen, eine steigende Zahl von arbeitslos gemeldeten Frauen in personenbezogenen und pflegerischen Berufen sowie die Zunahme von illegaler Beschäftigung insbesondere in den Privathaushalten (vgl. Hausmann/Kleinert 2014, 16).

Wachstum und Geschlechtersegmentierung kennzeichnen auch die Ausbildungslandschaft. In den vier beruflichen Fachrichtungen „Gesundheit und Körperpflege“, „Ernährung und Hauswirtschaft“, „Erziehung und Soziales“ sowie „Pflege“ können von den 327 einheitlich nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) geordneten Ausbildungsberufen ca. 90 als personenbezogene Berufe identifiziert werden, wobei sich der Berufsbereich „Gesundheit“ und „Pflege“ als größte Domäne erweist (vgl. Friese 2010, 318; Bundesinstitut für Berufsbildung 2015, 129ff.). Diese Entwicklung spiegelt sich auch in dem seit den 1990er Jahren begonnenen Wachstum der für den Großteil personenbezogener Bildungsgänge zuständigen Berufsfachschulen wider. Zwar ist der Anstieg in den letzten Jahren aufgrund demografischer Entwicklung und Entspannung auf dem dualen Ausbildungsmarkt leicht rückläufig. Der Rückgang betrifft vornehmlich hauswirtschaftliche Ausbildungen und Assistentenberufe, während in den Schulen des Gesundheitswesens ein kontinuierlicher Anstieg des Schülerinnenbestandes zu verzeichnen ist. Historisch unverändert ist der hohe Anteil von jungen Frauen mit ca. 70% an den Berufsfachschulen sowie im Ausbildungsbereich Dienstleistungsberufe (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012, 213ff; Bundesinstitut für Berufsbildung 2012, 214ff; Bundesinstitut für Berufsbildung 2015, 17ff).

Diese Ausbildungs- und Beschäftigungssituation wird weder den wachsenden Bedarfen an hohen Qualifikationen noch den komplexen neuen Kompetenzanforderungen in personenbezogenen Berufen gerecht. Zum einen entstehen an Nahtstellen personenbezogener Arbeit neue Qualifikations- und Tätigkeitsprofile zwischen den Berufsfeldern und Organisationsformen wie beispielsweise zwischen ambulanten und häuslichen Gesundheits-, Pflege- und Haushaltsdienstleistungen. Zum anderen steigt die Nachfrage nach hoher Qualifizierung von Fachkräften wie auch von fachlich qualifiziertem Service- und Assistenzpersonal. Mit dieser Entwicklung folgen personenbezogene Dienstleistungsberufe dem allgemeinen Trend der Wirtschaft, der insbesondere Arbeitskräftemangel auf dem mittleren Qualifikationsniveau ausweist, während der Bedarf an Arbeitskräften ohne abgeschlossene Berufsausbildung weiter sinkt (vgl. Hausmann/Kleinert 2014, 7).

3 Professionalisierung im Spannungsfeld von Fürsorge und Ökonomie

3.1 Professionstheoretische und curriculare Reformen

Care Berufe stehen in einem spezifischen Spannungsverhältnis zwischen historisch gewachsener „Semi-Professionalität“ in der Industriegesellschaft und wachsenden Professionsbedarfen in der aktuellen Dienstleistungsgesellschaft. Diesen Modernisierungsrückstand zugunsten gendersensibler Professionalisierung aufzuholen erfordert neue professionstheoretische, professionspolitische sowie curriculare und ordnungsrechtliche Reformen. Professionstheoretische und curriculare Neubestimmungen sind auf der Basis von relevanten Arbeits- und Geschäftsprozessen, der Ableitung von Qualifikationsanforderungen und der Beschreibung von Kompetenzen zu begründen. Dabei muss Professionalisierung gegenüber dem Etikett von Laientätigkeit, Diffusität und fehlender Standardisierung an präzisen Tätigkeitsbeschreibungen der beruflichen Handlungsfelder ansetzen, die sowohl merkmals- und sachbezogene Zuschreibungen als auch interaktionistische und strukturlogische Konzepte berücksichtigen. Hier liegen Chancen, die Etikettierung personenbezogener Arbeit als „Jede-Frau-Tätigkeit“ und die damit verbundene fehlende Wertschätzung weiblicher Sorgearbeit zu überwinden zugunsten eines durch Rationalität und Emotionalität fundierten Curriculums von Care Work.

In dieser Perspektive sind systematische und curriculare Neubestimmungen personenbezogener Sorgearbeit mit Blick auf ihre spezifische Lagerung im Spannungsfeld von ökonomischen und sozialen Bedingungsfaktoren vorzunehmen. Dazu sind erstens Faktoren der Wertschöpfung im Kontext entlohnter und marktförmig erbrachter Arbeit im Systemzusammenhang von Berufsbildung und Arbeitsmarkt zu bestimmen. Es ist zweitens der Prozesscharakter personenbezogener Arbeit mit sozialen, kommunikativen und interaktiven Leistungen zu berücksichtigen. Zum dritten sind die Dimensionen von beruflicher Handlungskompetenz im komplexen Gefüge von fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen für spezifische Tätigkeitsfelder von Sorgearbeit zu präzisieren. Subjekt- und prozessbezogene Fähigkeiten wie Sozialkompetenz, emotionale und interaktive Kompetenzen sowie die Eignung, Arbeit in „Ungewissheitsstrukturen“ zu bewältigen, fungieren in personenbezogenen Segmenten auch als Fachkompetenz, die in Tätigkeitsprofilen und in Fachcurricula abzubilden und mit Fragen des moralischen Handelns im Beruf zu verbinden sind. Zwar hat diese Komponente für alle Berufe Gültigkeit, doch ist sie genuin an personenbezogene „Sorgearbeit am und mit Menschen“ gebunden. Mit dieser Lesart von Kompetenz kann die für personenbezogene Arbeit charakteristische Konfliktlinie zwischen (Für)Sorge und Vermarktung verringert werden (vgl. Conradi 2001). Zugleich können die Parameter in die Implementierung kompetenzbasierter Curricula im Kontext des Deutschen und des Europäischen Qualifikationsrahmens (DQR, EQR) einfließen (vgl. Funk 2013).

Aus professionstheoretischer Perspektive setzen personenbezogene Tätigkeiten ein „Arbeitsbündnis“ (Oevermann 1996, 148) zwischen Leistungserbringern und Nutzern voraus. Die für Professionen allgemein geltenden Störpotentiale und Paradoxien (vgl. Schütze 1996) zeigen sich in sozialen und pflegebezogenen Berufen in doppelter Weise. Sie begründen sich zum einen durch ein höchst ambivalentes Gefüge von Fürsorge und Macht, zum anderen durch ein gravierendes Spannungsverhältnis zwischen den subjektiven Bedürfnissen der Nutzer und den objektiven Systemanforderungen. Wenngleich diese Unstimmigkeit nicht gänzlich aufzuheben ist, kann professionelles Handeln auf der Basis von Expertise und Autonomie zur Minderung der spezifischen Antinomien beitragen und professionelle Normierungen einer Fürsorgerationalität (vgl. Waerness 2000) befördern.

3.2 Ordnungsrechtliche Reformen und neue Ausbildungsformate

Ein weiterer Schritt für gendersensible Professionalisierung erfordert ordnungsrechtliche Reformen und Neuzuschnitte der Ausbildungsformate. Vor dem Hintergrund des Bedarfswachstums und der Entstehung neuer Qualifikations- und Berufsprofile an Schnittstellen zwischen personenbezogenen Berufen sowie an Nahtstellen innerhalb der Fachberufe sind neue Curricula notwendig, die fachrichtungsübergreifende Kompetenzen und spezifische Qualifikationen zu den Alleinstellungsmerkmalen der jeweiligen Fachberufe beschreiben. Diese sollten horizontale Durchlässigkeit zwischen den Ausbildungsberufen und vertikale Differenzierung für fachliche Spezialisierungen sowie Weiterbildung und Akademisierung ermöglichen. In dieser Perspektive kann für personenbezogene Berufsfelder eine curriculare Gleichzeitigkeit von Basis- und Teilkompetenzen sowie die Strukturierung von „Berufsfamilien“ in gemeinsame Kernqualifikationen und Spezialisierungsmöglichkeiten professionswirksam sein. Die Realisierung einer solchen Perspektive bedarf jedoch differenzierter Analysen der Früherkennung von Qualifikationen und Fachkräftebedarfen, die sich in den einzelnen Berufsfeldern der Care Berufe durchaus deutlich unterscheiden.

Zu korrigieren sind des Weiteren spezifische Schwachpunkte der vollzeitschulischen Ausbildungen wie fehlende Praxisorte und unzureichende Lernortkooperationen sowie schwache Vernetzungsstrukturen der Berufsverbände und der Akteure der beruflichen Bildung. Vor dem Hintergrund der heterogenen Beteiligungsstrukturen an personenbezogener Ausbildung wie auch an inklusiver Berufsbildung besitzen Kooperation und Netzwerkbildung zwischen Personen und Institutionen wesentliche Schüsselfunktionen. Weiter zu entwickeln sind die im Kontext europäischer Reformdebatten begonnenen Ansätze zur Anerkennung und Zertifizierung von erworbenen Abschlüssen, von vorberuflichen Qualifikationen und modularisierten Elementen für Fachausbildungen sowie zur Durchlässigkeit zwischen Aus- und Weiterbildung sowie akademischer Ausbildung (vgl. Freitag 2009).

Wesentliche Weichenstellungen für diese Öffnungen wurden bereits seit den 1990er Jahren mit Reformen des deutschen Ordnungsrechts gesetzt. Insbesondere die Einbeziehung vollzeitschulischer Ausbildung in die Novellierung des Berufsbildungsgesetzes von 2005 und die Zulassung von Berufsfachschulabsolventen durch Kammerorganisationen schufen zentrale Voraussetzungen für Verschränkungen zwischen dualen und vollzeitschulischen Ausbildungsprinzipien ebenso wie berufsbiografische Durchlässigkeit. Wurde schon zuvor mit dem Lernfeldkonzept der KMK von 1996 konzeptionell auch die „Bewältigung privater Lebenssituationen“ in den Auftrag der beruflichen Bildung einbezogen, entstanden historisch erstmals ordnungsrechtliche Verankerungen zur Berücksichtigung lebensweltlicher Bezüge an der Schnittstelle zum Ausbildungs- und Berufssystem. Damit wurden neue berufsbiografische Optionen der Durchlässigkeit einer „Bildung im Lebenslauf“ sowie Voraussetzungen für theoretische Weiterungen des Arbeits- und Berufsbegriffs an den Schnittstellen von öffentlicher und privater Sphäre sowie Berufs- und Lebenswelt eröffnet.

Neben der Verankerung von Professionsstandards auf einem hohen fachberuflichen Niveau sind vor dem Hintergrund der Arbeitsmarktnachfrage nach qualifiziertem Assistenzpersonal einerseits und den konzeptionellen Forderungen inklusiver Berufsbildung andererseits auch Konzepte niedrigschwelliger Qualifizierung für geringer qualifizierte Personengruppen und Instrumente für Einstiege und Rückkehr in formale Ausbildungs- und Erwerbsfelder zu schaffen. Dieser Aspekt ist in der berufspädagogischen Fachdebatte zwar umstritten, da die Minderung von Ausbildungsqualität befürchtet wird. Um der realen Vielfalt menschlicher Lebenslagen sowie den heterogenen Fähigkeiten und Bedürfnissen von Individuen entsprechen zu können, kann jedoch auch auf den Handlungshorizont eines inklusiven Berufsbildungssystems mit Öffnung und Veränderung unterschiedlicher Systemebenen verwiesen werden (vgl. Biermann/Bonz 2011). Aus dieser Perspektive ist neben der vollqualifizierenden Berufsausbildung auch die Erlangung von Beschäftigungsfähigkeit, die eine Inklusion in Qualifizierung und Arbeitsmarkt ermöglicht, ein Aufgabenfeld des Übergangssystems.

Als wirksame Instrumente der Berufsvorbereitung und Nachqualifizierung im Feld haushaltsnaher Segmente haben sich zertifizierte Qualifizierungsbausteine erwiesen (vgl. Friese/Brutzer 2008). Trotz Skepsis hinsichtlich der erneuten Zementierung von Helfer-/innenberufen sind gleichwohl auch Vorteile einer besseren Durchlässigkeit in Ausbildungs- und Wiedereinstiegsverläufen zu sehen, die den häufig durch Familienpflichten entstehenden biografischen Brüchen von Frauen entgegenkommen. Diese Perspektiven modularisierter und niedrigschwelliger Qualifikationsformate berühren zentrale Fragen der inklusiven Berufsbildung hinsichtlich Qualitätsverbesserungen im Rahmen und Umfeld des dualen Systems, wobei gegenwärtig insbesondere Formate der assistierten Ausbildung auf dem Prüfstand stehen (vgl. Enggruber et al. 2014, 21).

4 Berufliche Lehramtsausbildung für personenbezogene Fachrichtungen und Inklusion

4.1 Studiengangprofile und curriculare Neuerungen

Die Schnittmengen zwischen personenbezogener und inklusiver Berufsbildung bedingen auch die Notwendigkeit, entsprechende neue Curricula und Kompetenzprofile für Studiengänge der beruflichen Lehramtsausbildung zu entwickeln. Die seit den 1970er Jahren geführte Debatte um die Akademisierung personenbezogener Domänen erhielt durch den Professionalisierungsdruck und die Neustrukturierung der Hochschullandschaft nach Bologna neuen Schwung. Gegenwärtig existieren bundesweit gegenüber den ca. 45 universitären Standorten für berufliche Fachrichtungen im Bereich gewerblich-technischer sowie kaufmännisch-verwaltender Ausbildung etwa 15 Standorte der Lehramtsausbildung mit personenbezogenen Fachrichtungen an Universitäten. Werden mit diesen Einrichtungen gegenwärtig zwar Modernisierungsrückstände aufgeholt, bestehen gleichwohl noch erhebliche Professionsbedarfe hinsichtlich des quantitativen Ausbaus und der Qualitätsentwicklung der lehramtsbezogenen wie auch außerschulischen Studiengänge. Diese Einschätzung gilt nicht weniger für die noch fehlende curriculare Profilbildung und Implementierung von Inhalten inklusiver Berufsbildung in Lehramtsstudiengängen.

Wie auch in Studiengängen für personenbezogene Fachrichtungen steht das aktuelle Studienangebot der inklusiven Berufsbildung und berufspädagogischen Integrationsförderung im starken Gegensatz zu den Anforderungen des Schulalltags und den Aufgaben der beruflichen Bildungspraxis. Im Monitor Lehrerbildung (2015) werden im Anschluss an die Gemeinsamen Empfehlungen der Hochschulrektorenkonferenz und Kultusministerkonferenz von 2015 vier Modelle für Strukturveränderungen einer inklusiven Lehrerbildung diskutiert. Die dargestellten Ansätze von additiven Lehrveranstaltungen, der Integration von Inklusion als Querschnittsthema, der Umstrukturierung von Studiengänge sowie Umgestaltung der Lehrerbildung ohne Differenzierung nach Fächern zeigen, dass die Lehrerbildung einen umfassenden Leitbildwandel zu vollziehen hat. Offensichtlich sind die Parallelen zur Debatte um die Positionierung der Kategorie Gender in Strukturen, Curricula, Methoden und Lernarrangements, die im Zuge des Gender Mainstreaming seit den 1990er Jahren und gegenwärtig verstärkt auch in der Lehramtsausbildung geführt werden (vgl. Friese 2012).

Der hohe Bedarf an pädagogischem Personal und die Anforderungen an komplexe interdisziplinäre Kompetenzen sowie multiprofessionellen Lehrformen in der inklusiven wie auch personenbezogenen Lehramtsausbildung legt es nahe, ausgewählte curriculare Inhalte und Methoden des Faches Arbeitslehre mit dem Kernpunkt Berufsorientierung mit Curricula der beruflichen Lehramtsausbildung sowie mit Studiengängen der außerschulischen Bildung und Sozialpädagogik zu vernetzen. Dabei ist zu bedenken, dass sowohl hohe Anforderungen an fachlicher Spezialisierung wie auch an interdisziplinären Kompetenzen bestehen. Eine Professionalisierungsstrategie kann darin bestehen, auf der Bachelorebene primärqualifizierende und generalistische Curricula mit interdisziplinären Bezügen einzurichten, während für Masterstudiengänge oder berufsbegleitende Studiengänge fachwissenschaftliche Spezialisierungen für spezifische Tätigkeitsfelder sinnvoll erscheinen. Diese Strategie der gleichzeitigen Generalisierung und Spezialisierung ermöglicht es, Querschnittskategorien wie Inklusion und Gender in horizontaler und vertikaler Durchlässigkeit der Module und Studiengänge zu verankern.

4.2 Kompetenzanforderungen an das pädagogische Personal

Kompetenzentwicklung und Professionalisierung des pädagogischen Personals werden durch die Befähigung charakterisiert, gesellschaftliche Transformationsprozesse und individuelle Entwicklungsstände in ihrer Relevanz für curriculare Fragen erfassen zu können, sie bildungswissenschaftlich zu reflektieren und mit Bezug zur Wissenschafts- und Berufsfeldorientierung angemessen legitimierte pädagogische Interventionen zu realisieren. Aufgrund der großen Heterogenität der Zielgruppen im Feld der beruflichen Integrationsförderung und inklusiven Berufsbildung ist eine spezifische inklusionssensible Professionalisierung des pädagogischen Personals auf verschiedenen Ebenen umzusetzen. So benötigen Studierende auf der Wissensebene Kenntnisse zur Diversität der Berufsbereiche, zu Sozialisations- und Lebenswelterfahrungen der sehr heterogenen Zielgruppen sowie zum Wandel von Berufswahlverhalten und veränderten Leitbildern von jungen Frauen und Männern. Zu berücksichtigen in Hochschulcurricula sind auch die spezifischen Determinanten von Sozial-, Fach-, Methoden- und Individualkompetenz wie auch der hohe Stellenwert selbstreflexiver, moralisch-ethischer und kommunikativer Kompetenzen. In den Fokus zu rücken sind die spezifischen Kompetenzen für Theorie-Praxis-Transfer und Berufsfeldorientierung. Die Theorie-Praxis-Relation im Lehramtsstudium bezieht sich dabei in doppelter Weise auf die eigene berufsbiografisch erworbene berufliche Praxis einerseits sowie auf zukünftige wissenschaftlich reflektierte Praxis des pädagogischen Handelns in Schule und Ausbildung andererseits.

Curricular zu verankern sind Kooperationskompetenzen, die den Aufbau von Netzwerken mit Blick auf Verbände und berufsständische Vertretungen professionswirksam voranbringen. Die in Care Berufen erforderlichen bereichsübergreifenden Vernetzungen von Kindertageseinrichtungen bis zur Altenbildung über Schule, Jugendbildung, betriebliche Bildung und Hochschule haben Anknüpfungspunkte im Index für Inklusion (vgl. Boban/Hinz 2012). Dabei wird zum einen auf regionale Vernetzung mit Vereinen, Initiativen, öffentlichen Trägern und Wirtschaft verwiesen, zum anderen auf Schul- und Unterrichtsentwicklung, flexiblere Organisationsabläufe sowie Bedarfe eines multiprofessionell kooperierenden Teams, bestehend aus Lehrkräften, Sozial- und Sonderpädagogen. Um bei der Realisierung dieser komplexen Struktur- und Kompetenzanforderungen der in der Fachdebatte zurecht befürchteten Überforderung von Personal und Institutionen (vgl. Enggruber et al. 2014, 26) entgegen zu wirken, sind allerdings umfassende Fort- und Weiterbildungen des pädagogischen Personals sowie ausreichende materielle und personelle Ressourcen an den beteiligten Lernorten bereitzustellen.

Ein hohes Gewicht für personenbezogene und inklusive Curriculumgestaltung hat die Fundierung von spezifischen fachdidaktischen und diagnostischen Kenntnissen sowie die Bereitstellung eines breiten Methodenrepertoires. Lehrkräfte müssen komplexe Lehr-Lernarrangements gestalten können, die sich an den breit gefächerten Voraussetzungen und Kompetenzen der Lernenden orientieren und die unterschiedlichen Lernniveaus auf Ebene der Lernprozesse als auch die Unterdifferenzierung der formalen Qualifikationsprofile der Lernenden berücksichtigen (vgl. Bylinski/Rützel 2011). Gegenwärtig bestehen für diese curricularen und methodischen Anforderungen noch keine ausreichend forschungsbasierten fachdidaktischen Konzepte. Jedoch kann an didaktische Ansätze in personenbezogenen Fachrichtungen angeknüpft werden, die subjektorientierte Perspektiven und ein breites Spektrum handlungsorientierter Methoden in den Fokus rücken (vgl. Darmann-Finck 2010, 348ff.; vgl. Ertl-Schmuck/Greb 2013). Hier vereinen sich Ansätze der berufspädagogischen Integrationsförderung sowie der inklusiven und personenbezogenen Berufsbildung, die vertiefter fachdidaktischer Forschung und nachhaltiger Implementierung in Hochschulcurricula bedürfen.

5 Fazit

Der Beitrag hat vielschichtige Problemlagen und Entwicklungsperspektiven der Bedeutung von Inklusion für Care Work aufgezeigt. Deutlich geworden sind zum einen historische und aktuelle Schnittmengen von beruflicher Integrationsförderung, Inklusion und Ausbildung für personenbezogene Dienstleistungsberufe. Offenkundig ist zum anderen, dass die Realisierung einer inklusiven, sozialen und geschlechtergerechten Berufsbildung umfassende institutionelle und curriculare Reformen im System der beruflichen Bildung sowie in der Lehramtsausbildung erfordern. Die Zusammenführung von Konzepten der Inklusion, der berufspädagogischen Integrationsförderung und Ausbildung für Care Work kann für eine Positionierung randständiger Bereiche in die Mitte des Berufsbildungssystems förderlich sein.

Literatur

Autorengruppe Bildungsberichtserstattung (2012) (Hrsg.): Bildung in Deutschland 2012. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf. Bielefeld

Biermann, H./Bonz, B. (2011): Inklusive Berufsbildung: Didaktik beruflicher Teilhabe trotz Behinderung und Benachteiligung. Baltmannsweiler.

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Zitieren des Beitrags

Friese, M. (2016): Bedeutung inklusiver Berufsbildung für Care Work. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 30, 1-13. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe30/friese_bwpat30.pdf (18-10-2016).