bwp@ 32 - Juni 2017

Betrieblich-berufliche Bildung

Hrsg.: Karin Büchter, Martin Fischer & Tobias Schlömer

Digital unterstütztes arbeitsplatznahes Lernen für die Elektromobilität

Die aktuell zunehmende Digitalisierung und Vernetzung der Produkte und Produktionsprozesse sowie die Elektrifizierung des Antriebsstrangs (Elektromobilität) führen zu veränderten Anforderungen in der Automobilbranche. Beschäftigte benötigen zukünftig zum Beispiel zusätzliche fachliche und überfachliche Kompetenzen für den eigenverantwortlichen und sicheren Umgang mit der Hochvolttechnik im Fahrzeug, die ein wesentlich abstrakteres Aufgabengebiet darstellt, als es in der Vergangenheit in Kfz-Berufen angesichts vorwiegend mechanisch und visuell gesteuerter Tätigkeiten der Fall war. Darüber hinaus brauchen Beschäftigte vermehrt Kompetenzen, die ihnen den Umgang mit komplexen und abstrakten Zusammenhängen, intelligent vernetzten Maschinen und Produktionsabläufen ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund und den aktuellem Möglichkeiten digitaler Lernmedien gewinnt digital unterstütztes Lernen am Arbeitsplatz an Bedeutung für die betrieblich-berufliche Bildung, verbindet es doch bestenfalls Realitätsbezug, Arbeitsprozessnähe und nicht zuletzt gute Simulierbarkeit abstrakter, nicht haptisch erfahrbarer Lerninhalte (z. B. Hochvolttechnik).

Der Beitrag stellt ein ortsunabhängig und arbeitsplatznah einsetzbares digitales Lernkonzept zur Hochvolttechnik vor, das in Zusammenarbeit mit der AUDI AG für den Einsatz in der Aus- und Weiterbildung in der Automobilindustrie entwickelt und erprobt wurde. In Kapitel 1 werden zunächst zentrale Entwicklungstrends und Innovationstreiber in der Automobilindustrie beschrieben. Die daraus resultierenden Kompetenzanforderungen im Bereich der Entwicklung und Produktion von Hochvoltfahrzeugen und Konsequenzen für die berufliche Aus- und Weiterbildung sind Gegenstand des Kapitels 2. Darauf aufbauend wird im Kapitel 3 das Hybrid-Lernkonzept als Ansatz zur digital unterstützten arbeitsplatznahen Aus- und Weiterbildung für die Arbeit an Hochvoltfahrzeugen vorgestellt. Abschließend werden erste Umsetzungserfahrungen vorgestellt (Kapitel 4). 

1 Technologischer Wandel in der Automobilindustrie – Elektromobilität, Industrie 4.0 und Digitalisierung als Innovationstreiber

Die deutsche Automobilindustrie als einer der zentralen Wirtschaftsbereiche des Landes befindet sich in einer Phase des Umbruchs. Während das Produkt Automobil mit seiner auf fossile Brennstoffe ausgerichteten Antriebstechnik und auch die zugrundeliegenden Produktionsprozesse über viele Jahre und Jahrzehnte kontinuierlich weiterentwickelt wurden, haben die aktuellen Innovationstreiber Elektromobilität und Digitalisierung einerseits und gesellschaftliche Veränderungen (z. B. Umweltschutzanforderungen, Mobilitätsverhalten) andererseits disruptives Potenzial. Dieses erfasst alle Bereiche der Automobilbranche und führt zu veränderten Anforderungen an die Beschäftigten.

Angesichts des Ziels der Europäischen Union, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 gegenüber 1990 um 40 Prozent zu verringern, steht die Automobilbranche von einem tiefgreifenden Wandel und investiert massiv in neue Technologien, die im Kontext nachhaltiger Mobilität stehen. So sind die aktuellen Entwicklungen stark von Innovationen im Bereich der Elektrifizierung von Fahrzeugen geprägt – inzwischen entfallen 85 Prozent der Patente im Antriebsbereich auf alternative Antriebe und Hersteller arbeiten weltweit an elektrisch und hybrid angetriebenen Fahrzeugen (vgl. VDA 2017). Hierbei werden verschiedene neue technologische Konzepte ausdifferenziert, die u. a. veränderte Wertschöpfungsketten und Abläufe im industriellen Bereich zur Folge haben, und Unternehmensstrategien werden an die veränderten Entwicklungen angepasst. Neben den etablierten Akteuren treten auch neue Akteure als Hersteller (Tesla) oder Zulieferer der Automobilindustrie (Samsung) in den Markt ein und verschärfen den weltweiten Wettbewerb. Zeitgleich hält die moderne Informations- und Kommunikationstechnik Einzug in das Automobil und die Arbeitsbereiche der Branche. Insbesondere das vernetzte und automatisierte Fahren ist ein Innovationsschwerpunkt – hier hält die deutsche Automobilindustrie einen Anteil von 58 Prozent der weltweiten Patente und will in den nächsten drei bis vier Jahren weitere 16 bis 18 Mrd. Euro in Technologien der Digitalisierung investieren (vgl. ebd.). Fahrzeuge werden so für den Informationsaustausch mit anderen Fahrzeugen und der Verkehrsinfrastruktur gerüstet, darüber hinaus erfolgt auch die moderne Fahrzeugdiagnose computergestützt über digitale Softwaresysteme und das Produktionsumfeld wird flächendeckend intelligent vernetzt und weiter automatisiert (Industrie 4.0).

1.1 Innovationstreiber Elektromobilität

Gegenüber den Komponenten, die bisher in erster Linie das Automobil mit seinem Verbrennungsmotor als Kern ausmachten, gibt es durch die Elektrifizierung des Antriebsstrangs gravierende Veränderungen. Diese erfordern für die Produktions- und Arbeitsprozesse parallel zu den heute noch dominanten klassischen Formen zum Teil einen neuen Zuschnitt.

Die Bedeutung mechanischer Komponenten, deren Entwicklung und Produktion bisher zu den Kernkompetenzen der Hersteller oder Zulieferbetriebe zählt, nimmt ab. Dies betrifft zuvorderst den Verbrennungsmotor. Damit werden auch das Getriebe mit Schaltknüppel und -gestänge, die Antriebswellen, den Katalysator und die Auspuffanlage, die Bremshydraulik, Anlasser, Kühler und Kupplung in der bisherigen Form obsolet. Weiterhin werden Lichtmaschine, Ölwanne, Bleibatterie, Tank und Zündanlage, Pumpen und Luftfilter in der bisherigen Form nicht mehr benötigt. Neue Komponenten wie Elektromotoren und Hochvoltbatteriesysteme gewinnen dagegen erheblich an Bedeutung. Hierbei sind vor allem die fünf Fahrzeugkomponenten Zellen, Batterie, Leistungselektronik, Elektromotor und Karosserie zu nennen, dazu kommen Veränderungen im Rahmen der Fahrzeugmontage. Schlüsselkomponente des Antriebsstrangs sind neben dem Elektromotor die Batterie und die Leistungselektronik, die zentral für alle Steuerprozesse ist (Döring/Benzer/Vode 2012, 29ff.).

Bislang sind die Karosserien von Elektro- oder Hybridautomobilen vorrangig auf Basis herkömmlicher Bauteile konstruiert. Mit dem Ziel der Gewichtsreduzierung sind Veränderungen im Karosseriebau und ein vermehrter Einsatz carbonfaserverstärkten Kunststoffs (CFK) zu erwarten, da CFK-Komponenten gegenüber herkömmlichen Bauteilen Vorteile wie hohe Steifigkeit, Korrosionsbeständigkeit und beanspruchungsgerechte Auslegung bei geringem Gewicht bieten. Während CFK-Werkstoffe bisher Karosserieanteile von bis zu einem Drittel hatten, werden bis 2030 ca. zwei Drittel prognostiziert (ebd., 37).

Alle aufgezählten Komponenten sind im Vergleich zum konventionell angetriebenen Fahrzeug neu oder erheblich modifiziert, benötigen andere Herstellungs- und Verarbeitungsformen, zum Teil neue Sicherheitsbestimmungen und veränderte Produktionsabläufe und haben damit Auswirkungen auf die Kompetenzanforderungen an Beschäftigte in der Automobilindustrie.

1.2 Veränderte Produktionsprozesse durch Industrie 4.0

Neben der Fahrzeugtechnologie ist vor allem die Veränderung der branchenspezifischen Arbeitsprozesse und -aufgaben zentraler Innovationstreiber: Die von Politik und Wirtschaft gleichermaßen proklamierte vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0) beschreibt den „… flächendeckenden Einzug von Informations- und Kommunikationstechnik sowie deren Vernetzung zu einem Internet der Dinge, Dienste und Daten, das eine Echtzeitfähigkeit der Produktion ermöglicht“ (Spath 2013, 2). Diese Entwicklungen prägen nicht nur das Produktionsumfeld der Zukunft, sondern spielen bereits jetzt in der Fertigung und Montage eine immer größere Rolle. Während in den letzten Jahren die Produktion im Automobilbereich nach den Prinzipien der lean production gestaltet, die Flexibilität erhöht und so deutliche Produktivitätssteigerungen erzielt wurden, steht die Branche aktuell vor einem Umbruch. Durch den Einsatz von Cyber-Physischen Systemen (CPS) entstehen in allen Bereichen der Wertschöpfungskette neue Möglichkeiten dezentraler Steuerung, wirtschaftlicher Produktindividualisierung (hohe Variantenzahl bei geringen Losgrößen) und weiterer Flexibilisierung, weil durch Aktoren und Sensoren ergänzte, vernetzte und miteinander kommunizierende Objekte, Geräte, Produktionsanlagen, Logistikkomponenten etc. neue Möglichkeiten bis hin zur autonomen Fabriksteuerung durch intelligente, selbstlernende Maschinen bieten. Auch wenn die Studienergebnisse zur zukünftigen Bedeutung menschlicher Arbeit und den technikbedingten Substituierbarkeitspotenzialen in diesem Kontext weit auseinandergehen (vgl. z. B. Frey/Osborne 2013, Bonin et al. 2015, Wolter et al. 2015), wird aller Voraussicht nach auch zukünftig qualifiziertes Personal zur Steuerung, Überwachung, Problemlösung usw. benötigt. Diese Personen stehen vor der Herausforderung, dass sie in hochautomatisierten Arbeitsumgebungen Kontroll- und Steuerungsaufgaben übernehmen sollen, die Prozesse aufgrund von Automatisierung und Digitalisierung jedoch kaum noch kognitiv erfassbar und nachvollziehbar sind. Dies führt insgesamt voraussichtlich zu deutlich höheren Komplexitäts-, Abstraktions- und Problemlöseanforderungen an die Beschäftigten, was in Qualifizierungsansätzen angemessen berücksichtigt werden muss (vgl. Spöttl/Windelband 2017, 10ff.)

1.3 Digitalisierung – IT-getriebene Veränderungsprozesse

Neben den bereits in den Blick genommenen Veränderungen am Automobil und in dessen Produktionsprozessen, die sich direkt auf die Herstellung von Automobilen auswirken, führen Veränderungen an der Schnittstelle von Informationstechnologie und industrieller Produktion mittelfristig voraussichtlich dazu, dass sich das Automobil immer mehr zur IT-vernetzten Fahrgastzelle entwickelt und sich dabei vom Produkt zur Dienstleistung wandelt. Das klassische Automobil und das aktuell damit verbundene Geschäft könnten somit zu Auslaufmodellen werden: „Das vernetzte Fahrzeug entwickelt sich zu einem persönlichen Raum … Die Wertschöpfung der Automobilindustrie wird sich durch den Wandel des hardwarelastigen Automobils komplett ändern zu einer flexiblen, mobilen Dienstleistung Automobil … Insbesondere gewinnen datenorientierte Anwendungen eine immer größere Relevanz im personalisierten Konsum“, so Sebastian Wedeniwski, Leiter der technischen Strategie für datenzentrische Geschäftsmodelle und für das vernetzte Fahrzeug bei IBM (VDI 2016).

In diese Entwicklung, die die Geschäftsmodelle der Branche deutlich zu verändern droht, investieren nordamerikanische IT-Konzerne wie IBM, Google oder Start-ups wie Uber im großen Stil. Das Automobil könnte in einem solchen Szenario zunehmend zur reinen Hardware werden, die zwar immer noch von A nach B befördert, aber so vernetzt und mit Serviceangeboten verknüpft und gesteuert wird, dass die Software neben Batterie und Antriebsstrang wesentliche Aspekte der Wertschöpfung ausmacht und als solche auch dimensioniert wird.

2  Entwicklung und Produktion von Hochvoltfahrzeugen – veränderte Kompetenzanforderungen und Konsequenzen für die berufliche Aus- und Weiterbildung

Die Ausschöpfung der Potenziale in der technischen Entwicklung von Automobilen und ihren Produktionsbedingungen erfordert, dass genügend entsprechend qualifizierte und handlungsfähige Fachkräfte zur Verfügung stehen, die die innovativen Entwicklungen aktiv mitgestalten und nachhaltig mittragen können. Gegenüber dem Arbeiten an herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren und innerhalb traditioneller Produktionsprozesse ergeben sich durch die Elektrifizierung des Antriebsstrangs neue Anforderungen für alle Personen, die in ihrer beruflichen Tätigkeit mit rein elektrisch oder hybrid angetriebenen Fahrzeugen in Berührung kommen – sei es in der Forschung und Entwicklung, Produktion, Nutzung, dem Service (oder auch im Rettungsdienst) und beim Recycling.

Hierbei stellt vor allem der Umgang mit der Hochvolttechnologie ein neues Aufgabengebiet dar. Während in herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor in der Regel 12-Volt-Bordnetzspannungen eingesetzt werden, arbeiten elektrische Antriebe mit Spannungen von bis zu 1000 Volt (vgl. Enderlein/Krause/Spanner-Ulmer 2012, 24). Elektrische Gefährdung für den Menschen besteht bereits bei Wechselspannungen von über 25 Volt und Gleichspannungen von über 60 Volt. Besondere Anforderungen ergeben sich insbesondere in den industriellen Arbeitsbereichen der Vorserienentwicklung und -fertigung von Hochvoltfahrzeugen. Hier benötigen die Beschäftigten vertiefte sicherheits-, funktions- und messtechnische Kompetenzen, da die Fahrzeuge teilweise nicht eigensicher sind.

Speziell die Qualifizierung des an Hochvoltfahrzeugen einzusetzenden gewerblich-technischen Personals ohne elektrotechnische Ausbildung (z. B. Kfz-Mechaniker/innen) bzw. mit elektrotechnischer Ausbildung, aber ohne 1.000V-Berechtigung für das Arbeiten an Hochvoltsystemen (z. B. Kfz-Elektriker/innen, Kfz-Mechatroniker/innen, Ingenieure/innen mit elektrotechnischen Grundlagen), stellt die Unternehmen der Automobilbranche als Verantwortungsträger für den betrieblichen Arbeitsschutz vor besondere Herausforderungen. Denn das Thema Elektronik und die Hochvolttechnik stellen im Vergleich zu den in Kfz-Berufen in der Vergangenheit mehrheitlich anfallenden mechanischen und visuell gesteuerten Arbeiten ein inhaltlich wesentlich abstrakteres Aufgabengebiet dar, das aufgrund seines hohen Gefahrenpotenzials eine neue, besonders sicherheitsrelevante elektrotechnische Denk- und Arbeitsweise sowie Verantwortungsbereitschaft bei den Beschäftigten erfordert. Maßnahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung müssen dabei sowohl den sicherheitsrelevanten gesetzlichen bzw. betrieblichen Vorgaben Folge leisten, als auch den Lernvoraussetzungen und Qualifizierungsbedarfen der Beschäftigten in den entsprechenden Arbeitsbereichen der Automobilbranche gerecht werden.

Neben den neu aufzubauenden Fachkompetenzen für das Arbeiten an elektrisch angetriebenen Fahrzeugen benötigen Facharbeiter/innen in den intelligent und digital vernetzten Arbeitsumgebungen der Branche zukünftig Kenntnisse in der Bedienung und Nutzung von Smart Devices im Arbeitsprozess und müssen in der Lage sein, Zusammenhänge von Daten und Prozessketten zu erkennen und zu steuern. Problemlöse- und Prozesskompetenz sind insbesondere zur Regulierung und Überwachung abstrakter, weitgehend automatisierter Abläufe in modernen maschinellen Produktionszusammenhängen erforderlich, ebenso die Fähigkeit zur selbstgesteuerten Informationsbeschaffung (vgl. Spöttl 2016, 89f.).

Hersteller, Zulieferer und Servicewerkstätten benötigen dementsprechend qualifiziertes Personal, das in der Lage ist, die Arbeit an elektrifizierten Fahrzeugen sicher und kompetent durchzuführen, und das zukunftsfähige Qualifikationen für die digitalisierte und vernetzte Arbeitswelt 4.0 erworben hat.

2.1 Kompetenzprofil für das Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen in Entwicklung und Produktion

Um die für den Umgang mit der Hochvolttechnik relevanten Kompetenzen im industriellen Bereich zu identifizieren, wurden zunächst Untersuchungen curricularer Materialien (z. B. Ausbildungsrahmenplan und Rahmenlehrplan des 2013 neugeordneten Berufes Kfz-Mechatroniker/in) vorgenommen. Ferner wurden bei der AUDI AG Arbeitsplatzanalysen in verschiedenen Fachbereichen der Technischen Entwicklung und Produktion durchgeführt. In diesem Zusammenhang wurden mittels leitfadengestützter Interviews auch an Arbeitsplätzen mit Hochvoltbezug eingesetzte Fachkräfte (z. B. Kfz-Mechatroniker/innen, Kfz-Elektriker/innen) zu den hochvoltspezifischen Anforderungen ihres Arbeitsplatzes befragt. Aus den Analysen wurde schließlich ein Kompetenzprofil mit Mindestanforderungen für das Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen abgeleitet:

Abbildung 1:   Kompetenzprofil – Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen im industriellen Bereich (Müller/Kohl 2014, 32f., eigene Darstellung)Abbildung 1: Kompetenzprofil – Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen im industriellen Bereich (Müller/Kohl 2014, 32f., eigene Darstellung)

Das Kompetenzprofil verdeutlicht, dass der Umgang mit Hochvoltfahrzeugen vertiefte fachliche Kompetenzen erfordert, etwa die Kenntnis des vorhandenen Gefährdungspotenzials sowie die Kenntnis relevanter elektro- und messtechnischer Grundlagen und deren Anwendung (zum Beispiel bei der Fehlersuche am Fahrzeug). Ferner muss vor Beginn der Tätigkeiten am Hochvoltsystem sachgerecht ein spannungsfreier Zustand her- und für die Dauer der Arbeiten sichergestellt werden – auch das ist den Auszubildenden habituell zu vermitteln. Wegen der hohen Gefährdungslage (auch anderer) werden bei den Beschäftigten außerdem insbesondere sozial-kommunikative und personale Kompetenzen vorausgesetzt: Wichtig ist, dass die elektrotechnischen Sicherheitsregeln von ihnen eingehalten werden und der elektrotechnische Zustand des Hochvoltsystems allgemein sichtbar gekennzeichnet und dokumentiert ist. Nur so können weitere am Fahrzeug tätige Personen den Betriebszustand des Hochvoltfahrzeugs unmittelbar erkennen. Verantwortung übernehmen heißt hier: durch Einhalten der Schutzmaßnahmen gegen elektrischen Schlag, Kurzschlüsse und Lichtbögen sollen sich Mitarbeitende während der Arbeiten am Hochvoltfahrzeug stets so verhalten, dass nicht nur ihre eigene Sicherheit, sondern auch die ihrer Kollegen/innen im Fokus steht.

2.2 Konsequenzen für die berufliche Aus- und Weiterbildung

Die beschriebenen Veränderungen haben nicht nur Konsequenzen für die inhaltliche Ausrichtung von Berufsbildern. Sie betreffen auch die Qualifizierung des Berufsbildungspersonals und die Ausarbeitung geeigneter Lernmedien. Nicht zuletzt gilt es, die neuen Lerninhalte didaktisch-methodisch nachhaltig in die berufliche Aus- und Weiterbildungspraxis zu integrieren und das betriebliche und überbetriebliche Bildungspersonal sowie die Berufsschullehrer/innen hierfür zu qualifizieren und in der Umsetzung zu unterstützen.

In der Ausbildung bieten insbesondere die in den letzten Jahren neu geordneten Profile der Berufsbilder Kfz-Mechatroniker/in (2013), Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker/in (2014) und Zweiradmechatroniker/in (2014) eine gute Ausgangsbasis zur Integration der Anforderungen des technologischen Wandels, da sie bereits alternative Antriebssysteme wie Elektro- und Hybridtechnik, Hochvolttechnik, neue Leichtbaustoffe sowie die zunehmende Vernetzung von Bauteilen und Fahrzeugsystemen berücksichtigen. Die Berufsbilder lösen zunehmend die in den letzten Jahren bei den Automobilherstellern in Eigeninitiative entwickelten, mit IHK-Prüfung abschließenden Zusatzqualifikationen für den Umgang mit Hochvoltsystemen ab (z. B. Qualifizierung zur Elektrofachkraft Fahrzeugtechnik/Audi bzw. Elektrofachkraft/Daimler) und liefern auch den beruflichen Schulen die curriculare Grundlage für die bereits vorgenommene Integration von Inhalten zur Elektromobilität in den Regelunterricht (vgl. Becker/Spöttl 2012, 27).

Im Bereich der Fort- und Weiterbildung wurden sowohl von Automobilherstellern und -zulieferern als auch von Verbänden, Kammern und Bildungsdienstleistern Weiterbildungsmaßnahmen entwickelt, um die neuen Qualifikationsanforderungen abzudecken. Diese schließen mit einem Zertifikat ab, das den berufsgenossenschaftlichen Vorgaben Rechnung trägt: Die meisten Angebote qualifizieren hierbei für die Arbeit an hochvolteigensicheren Fahrzeugen nach Start der Serienproduktion und entsprechen damit dem Level „Fachkundiger für Arbeiten an HV-eigensicheren Systemen an Kraftfahrzeugen“ gemäß der DGUV Information 200-005 (vormals BGI/GUV-I 8686) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Dieses Qualifikationsniveau wird allerdings nicht den umfänglichen Anforderungen der Automobilindustrie gerecht, deren Beschäftigte in der Entwicklung und Produktion (Nacharbeit) auch an nicht zwangsläufig berührgeschützten Vorserienfahrzeugen bzw. Hochvoltsystemen tätig sind. Diese Beschäftigten benötigen Qualifizierungsangebote, die sie auch zum Umgang mit Hochleistungsbatteriesystemen und Hochvoltsystemen im Rahmen von Arbeiten an nicht eigensicheren Fahrzeugen befähigen.

Während die curricularen Grundlagen im Ausbildungsbereich durch entsprechende Modernisierungen von Ausbildungsberufen im Rahmen von Neuordnungsverfahren gelegt sind und sich auch im Weiterbildungsbereich mit den Vorgaben der DGUV curriculare Standards etabliert haben, sind qualifiziertes Bildungspersonal und geeignete didaktische Konzepte und Lernmedien zum Aufbau der neuen Kompetenzen häufig noch Mangelware: Ausbildende Betriebe, berufliche Schulen, überbetriebliche Ausbildungsstätten und Weiterbildungsdienstleister verfügen z. T. weder über entsprechend qualifiziertes Personal noch existieren geeignete Konzepte, um den Auszubildenden den Kompetenzaufbau in den neuen Themenfeldern zu ermöglichen bzw. Fachkräfte passgenau zu qualifizieren.

Es besteht damit akuter Handlungsbedarf, didaktisch-methodisch abgestimmte Konzepte und Lehr-/Lernmaterialien für die unterschiedlichen Zielgruppen zu entwickeln bzw. erfolgreiche Konzepte zu verbreiten, die eine Integration in die prozessorientierte Ausbildung genauso ermöglichen wie ein arbeitsplatznahes Lernen berufserfahrener Fachkräfte.

3  Das Hybrid-Lernkonzept – digital unterstützte arbeitsplatznahe Aus- und Weiterbildung für die Arbeit an Hochvoltfahrzeugen

Zur Entwicklung der im Kapitel 2 beschriebenen Kompetenzen für die Arbeit an Hochvoltfahrzeugen im Rahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung sind insbesondere Lernarrangements geeignet, die Arbeits- und Lernprozesse flexibel verknüpfen und Lernen als Bestandteil des beruflichen Handelns verankern. Digitale Medien und Blended-Learning-Ansätze bieten durch ihre vielseitigen Einsatz- und Gestaltungsmöglichkeiten einen adäquaten pädagogischen Handlungsrahmen für die notwendige Flexibilisierung und Integration von selbst- und fremdgesteuerten Lernprozessen im Arbeitskontext sowie die Veranschaulichung komplexer Sachverhalte.

In arbeitsplatznah gestalteten Lernarrangements können Lernende sich individuell und bedarfsorientiert mit den betrieblichen Herausforderungen in realen Arbeitssituationen auseinandersetzen. Das Problem „trägen Wissens“ und der Aufwand für den Transfer des Gelernten werden gemindert, da neben fachlichen Aspekten auch arbeitsorganisatorische und soziale Kontexte Teil des Lernprozesses sind. Mobil nutzbare digitale Medienangebote eignen sich beispielsweise dazu, die im gewerblich-technischen Bereich etablierte Praxis des prozess- und aufgabenorientierten Lernens im Rahmen von Lern- und Arbeitsaufgaben zu nutzen, das Verständnis komplexerer Sachverhalte (wie beispielsweise die Außerbetriebnahme eines Hochvoltfahrzeugs) kann durch Visualisierung oder Simulation erleichtert werden. Darüber hinaus können die Lernvoraussetzungen, der Lernfortschritt und das Lernergebnis individuell sichtbar gemacht und lernförderlich reflektiert werden (vgl. Howe 2013, 4ff.).

Beispielhaft wird der Mehrwert digitaler Lernkonzepte im Hinblick auf die Möglichkeiten der arbeitsplatznahen Verknüpfung und Kombination verschiedener Lehr-/Lernelemente sowie die Unterstützung der Lernprozessbegleitung in der beruflichen Ausbildungspraxis im Folgenden am „Hybrid-Lernkonzept“ aufgezeigt. Dieses ist im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung von 2013 bis 2016 geförderten Projekt „Standardisiertes Qualifizierungskonzept zur Integration der Hochvolttechnik in die duale Berufsausbildung“ – eines von rund 40 Projekten der Initiative „Schaufenster Elektromobilität Bayern-Sachsen ELEKTROMOBILITÄT VERBINDET“ – und dem vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie geförderten Projekt „Qualifizierung älterer Beschäftigter in der Automobilbranche für den Umgang mit Hochvoltfahrzeugen“ in Zusammenarbeit zwischen dem Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) und dem Bildungszentrum der AUDI AG Ingolstadt entstanden. Das Hybrid-Lernkonzept hat die Kompetenzanforderungen in der industriellen Entwicklung und Produktion von Hochvoltfahrzeugen zum Gegenstand und besteht aus verschiedenen Lehr-/Lernelementen (zum Beispiel digitalen Lernmodulen, Hochvolt-Workbooks, Materialienkoffer inkl. Hochvolt-Board), die sich zum schrittweisen Aufbau von Kompetenzen für das Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen in die gestaltungsoffene Ausbildung integrieren lassen. Alle entwickelten Materialien stehen auf www.hybrid-lernen.f-bb.de zur Verfügung (vgl. ausführlich Müller et al. 2016).

Nachfolgend wird nach einem kurzen Exkurs zum Lernen im Kontext von Arbeit (3.1) das dieses Hybrid-Lernkonzept vorgestellt, das die benannten Potenziale für die Qualifizierung von Auszubildenden und Beschäftigten der Automobilindustrie im Zukunftsfeld Elektromobilität nutzt und ortsunabhängig und arbeitsplatznah einsetzbar ist (vgl. ausführlich Müller et al. 2016). Dazu werden zunächst konzeptionelle Grundlagen und didaktische Prinzipien beschrieben (3.2) und anschließend wird die Integration in den Ausbildungsverlauf geschildert (3.3).

3.1 Exkurs: Lernen im Arbeitsprozess in der beruflichen Aus- und Weiterbildung

Lernen im Kontext von Arbeit ist historisch gesehen eine klassische Form beruflicher Qualifizierung – erfolgte berufliches Lernen doch in der vorindustriellen Gesellschaft in ständischen Handwerken vorrangig in Form der klassischen Beistelllehre, in der Arbeiten und Lernen nach dem Imitatio-Prinzip eng miteinander gekoppelt waren. Nachdem Lern- und Arbeitsprozesse im Zuge der industriellen Revolution und der zunehmend wissenschaftlichen Betriebsführung (Taylorisierung der Arbeitswelt) mit Beginn der industriellen Berufsausbildung Ende des 19. Jahrhunderts bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein zunehmend entkoppelt und vom Arbeitsplatz weg in (Aus-)Bildungseinrichtungen bzw. -abteilungen verlagert wurden, hat der immer schnellere gesellschaftliche, ökonomische und technologische Wandel wieder zu einer eine Aufwertung des Lernens in der Arbeit geführt (zu den Gründen vgl. zusammenfassend Kohl 2014, 33ff.).

Arbeitsumgebungen als Lernort sind jedoch primär betriebswirtschaftlichen Logiken unterworfen (vgl. Arnold 1997, 25) und nur selten unter pädagogischen Gesichtspunkten gestaltet, weshalb didaktisch-methodisch geplante Strukturen, eine angemessenen Lernunterstützung und nicht zuletzt angemessene Zeitkontingente notwendig sind, um Lernen am Arbeitsplatz und im Arbeitsprozess zu ermöglichen. Solchermaßen arbeitsplatznah gestaltete Lernarrangements bieten im Vergleich zu seminaristischem Lernen die Chance, sich individuell und bedarfsorientiert mit neuen betrieblichen Herausforderungen und Arbeitsaufgaben in realen Arbeitssituationen auseinanderzusetzen und dabei nicht nur fachliche Aspekte, sondern auch den arbeitsorganisatorischen und sozialen Kontext des Arbeitens in die Lernprozesse zu integrieren. Der Aufbau der umfassenden beruflichen Handlungsfähigkeit – als zentrales Ziel der beruflichen Aus- und Weiterbildung – wird damit gefördert (vgl. Kohl/Müller 2016, 2).

3.2 Konzeptionelle Grundlagen und Gestaltungsprinzipien digital unterstützter arbeitsplatznaher Aus- und Weiterbildung im Hybrid-Lernkonzept

Das Hybrid-Lernkonzept soll dazu beitragen, Hochvolttechnik für die Aus- und Weiterbildung im Kontext gewerblich-technischer Automobilberufen möglichst greifbar zu machen und dem Bildungspersonal die Integration der Thematik in die Aus- und Weiterbildungspraxis erleichtern. Das Hybrid-Lernkonzept zielt darauf ab, grundlegende Fachkenntnisse und Fertigkeiten im Bereich Hochvolttechnik (z. B. Elektro- und Messtechnik), aber auch überfachliche Kompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein und Selbständigkeit im Umgang mit dem Hochvoltsystem in den industriellen Arbeitsbereichen Entwicklung und Produktion zu entwickeln. Es unterstützt damit den Aufbau der Handlungskompetenz für ein sachgerechtes, sicheres und verantwortungsbewusstes Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen.

Das Hybrid-Lernkonzept wurde so angelegt, dass

  • neben dem Aufbau der benannten neuen fachlichen Kompetenzen bei den Lernenden auch die Förderung der überfachlichen Handlungsaspekte (z. B. Selbständigkeit und Verantwortungsbewusstsein) im Umgang mit der Hochvolttechnik gelingen kann.
  • die Entwicklung zukunftsfähiger Kompetenzen (z. B. Prozess- und Problemlösefähigkeit, Nutzung digitaler Medien zur Gestaltung von Arbeits- und Lernprozessen) durch die umgesetzten didaktischen Prinzipien begünstigt wird.

Wegen der Berührungspunkte der beiden zentralen Entwicklungstrends Elektromobilität und Digitalisierung wurde auf die enge Verknüpfung von physischen und virtuellen Lernanteilen geachtet und ein hybrides Lernszenario (Blended Learning) entwickelt, das den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien mit Präsenzelementen verknüpft (vgl. Reglin 2005, 3f., Arnold et al. 2015, 142) und so einen flexiblen Kompetenzerwerb unterstützt sowie arbeitsplatznahe Selbstlernprozesse ermöglicht. Das digital gestützte Lernen erfährt auf diese Weise sowohl durch den Einsatz weiterer Medien als auch durch eine zusätzliche personale Lernprozessbegleitung und -unterstützung eine lernförderliche Erweiterung. Hierzu wurden folgende Präsenz- und digitalen Elemente mit jeweils entsprechender methodisch-didaktischer Zielsetzung kombiniert:

Tabelle 1: Nutzenpotenziale der Komponenten im Hybrid-Lernkonzept (in Anlehnung an Reglin 2005, 5 und Reglin et al. 2006, 97)

Zeitliche Platzierung (pro Modul)

Präsenzlernen

 Digitales Lernen

Methodisch-didaktische Zielsetzung

Vorgelagert

· Einweisung in das Lernen am Hochvolt-Arbeitsplatz bzw. Hochvoltfahrzeug durch Ausbilder/in und Einrichtung der Lerngruppe

· Abbildung benötigter Arbeitsmaterialien auf jeder Modul-Startseite

· Beschreibung der angestrebten Lernergebnisse

· Erläuterungen zur Handhabung der Lernmodule

· Vorbereitung auf selbständige Erarbeitung der Lerninhalte

· Erläuterung des Zwecks: Lernzieldefinition

· Vermittlung technisch-medialer Kompetenzen

· Kennenlernen der Lernpartner

· Festlegung Bearbeitungszeit

· Auswertungsgespräch mit Ausbilder/in

· Einstiegsfragen zum Lernmodul (Multiple-Choice) inkl. Auswertung

· Ermittlung von Vorkenntnissen

· Identifikation ggf. bestehender Wissenslücken

· Entscheidung, ob Auszubildende mit Lernmodul starten können

Begleitend

· Bearbeiten von Lernaufgaben am Hochvolt-Arbeitsplatz mit Materialiensatz

· Bearbeiten der Lernmodule 1-5 mit Übungen und Anwendungen

· Handlungsorientiertes Lernen für nachhaltigen Praxistransfer

· Wissenserwerb (Grundlagen Elektrotechnik, Messtechnik, Arbeitssicherheit)

· Arbeiten am Hochvoltfahrzeug (unter Aufsicht des Ausbildungspersonals)

· Bearbeiten der Lernmodule 6-8 mit Übungen und Anwendungen

· Simulation der Außer- und Inbetriebnahme eines Hochvoltfahrzeugs

· Lernen am Realobjekt (zum Beispiel innerhalb eines Kundenauftrags am Hochvoltfahrzeug)

· Erwerb praktischer Handlungskompetenz

· Umsetzung einer vollständigen Arbeitshandlung

· Lernaufgaben in Workbooks; Lernauftrag (Printmedien)

· Entsprechende Verweise auf Workbooks (Download in Modulen)

· Dokumentation von Lernaufgaben

· Protokollieren ermittelter Prüf- und Messergebnisse

· Bearbeitung der Module in der Lerngruppe und Lernprozessbegleitung durch Ausbilder/in

· Individuelles Feedback durch Lernprogramm

· Reflexion und Diskussion von Problemstellungen

· Unterstützung des Praxistransfers

· Förderung des Lernerfolgs

· Ermittlung Stand des Kompetenzerwerbs

Abschließend/weiterführend

· Fachgespräch mit Ausbilder/in inkl. Praxisdemonstration nach jedem Lernmodul

· Aufforderung zur Kontaktaufnahme mit dem/der Ausbilder/in

· Beurteilung Lernergebnisse

· Überprüfung der erworbenen Fertigkeiten

· Klärung offener Fragen

· Festlegung, wie ggf. bestehende Wissenslücken geschlossen werden können (zum Beispiel Wiederholung von Modulen)

Die sowohl in Betrieben als auch überbetrieblichen Bildungszentren und Berufsschulen (unter der Voraussetzung einer entsprechenden Ausstattung) einsetzbaren Lernmodule lassen sich sowohl alleine als auch in Partnerarbeit erschließen. In kooperativen Lernprozessen können Problemstellungen von den Lernenden gemeinsam reflektiert und bearbeitet werden. Das Konzept verknüpft mit digitalen Medien das Lernen in einer laborähnlichen Lernumgebung (zum Beispiel am Hochvolt-Arbeitsplatz) mit der Arbeit am Hochvoltfahrzeug in der Werkstatt und wurde so konzipiert, dass neben dem Aufbau von neuen fachlichen Kompetenzen bei den Lernenden auch die Förderung der überfachlichen Handlungsaspekte, zum Beispiel Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein, im Umgang mit der Hochvolttechnik forciert werden. Auch die Entwicklung zukunftsfähiger Kompetenzen wie Prozess- und Problemlösefähigkeit und die Nutzung digitaler Medien zur Gestaltung von Arbeits- und Lernprozessen werden auf Grundlage der folgenden didaktischen Prinzipien gefördert:

  1. Berufliche Handlungsorientierung und Selbsttätigkeit: Das Hybrid-Lernkonzept beruht auf praktischem Handeln und Selbsttätigkeit im Einklang mit einer konstruktivistischen Auffassung des Lernens. Durch die weitgehend selbstständige Bearbeitung von handlungsorientierten Lernaufgaben, zunächst am Hochvolt-Arbeitsplatz, später direkt am Hochvoltfahrzeug, soll beim Lernen und Arbeiten die Eigenverantwortung nachhaltig gestärkt werden. Sie ist eine wichtige Grundlage für den verantwortungsbewussten Umgang mit dem Hochvoltsystem und seinen Gefahren. Die Lernaufgaben sind entlang des Hybrid-Lernpfades in die digitalen Lernmodule integriert und können von den Lernenden über PC oder mobile Endgeräte im Verlauf der Aus-/Weiterbildung schrittweise abgerufen und bearbeitet werden, wobei Lerntempo ebenso wie inhaltliche Schwerpunkte (Wiederholung, Zurückspringen oder Vertiefung von Lerninhalten) individualisierbar sind.
  2. Lernen in und an Realprozessen: Das Hybrid-Lernkonzept verzahnt Lern- und Arbeitsprozess. Für den Erwerb der Grundlagen (Lernmodule 1 bis 5) – dieser kann ohne eine unmittelbare Handlung am realen Hochvoltfahrzeug vollzogen werden – wurden Szenarien entwickelt, die an beruflichen Tätigkeiten orientiert den Lernenden eine modellhafte Abbildung und Simulation betrieblicher Arbeitsprozesse (zum Beispiel Prüfung des Potentialausgleichs) ermöglichen. In den späteren Phasen des Kompetenzerwerbs (Lernmodule 6 bis 8) können die Lernenden reale Arbeitsprozesse zunächst virtuell nachvollziehen (wie die Außerbetriebnahme eines Hochvoltfahrzeugs und die damit verbundenen Arbeitsschritte) und den gesamten Umfang der beruflichen Handlungssituation (eingebettet in Lehraufträge) anschließend am Hochvoltfahrzeug erfahren. Die HTML-5-basierten Lernmodule sind mobil (empfohlen: Tablets) und ortsunabhängig an Lernorten wie Betrieb, Berufsschule oder einem überbetrieblichen Bildungszentrum nutzbar und können auch in der Werkstatt direkt am Hochvoltfahrzeug abgerufen werden.
  3. Kooperatives Lernen: Kooperatives Lernen in Partnerschaft mit anderen Lernenden ist förderlich für Lernfortschritt und Motivation, vor allem wenn es darum geht, aufgabenspezifische Problemlagen und Fachfragen unmittelbar zu reflektieren und Lösungswege zu diskutieren. In der Partnerschaft bearbeiten zwei Personen an einem PC bzw. mobilen Endgerät und einem Hochvolt-Board bzw. Hochvoltfahrzeug die Lernmodule und lösen die dort integrierten Aufgaben gemeinsam. Kommunikation und Kooperation der Lernenden sowie das Einbringen ihrer Erfahrungen werden so angeregt und komplexe Sachverhalte einer gemeinsamen Reflektion zugeführt. Diese Elemente eines selbstständigen Lernprozesses werden in einer Lernprozessbegleitung durch das Bildungspersonal aufgegriffen und verstärkt.
  4. Lernprozessbegleitung: Das Hybrid-Lernkonzept verlangt vom Aus- und Weiterbildungspersonal einen Rollenwechsel vom Fachausbildenden zum Lernprozessbegleitenden, das den Lernenden Freiräume zur eigenständigen Erarbeitung der Lerninhalte gewährt, aber jederzeit für Rückfragen und Erklärungen zur Verfügung steht. Die Beurteilung der individuellen Lernfortschritte verlangt die aufmerksame Beobachtung der Lernprozesse sowie  bedarfsorientiert die Überprüfung von Zwischenergebnissen (wie Einträge in das Hochvolt-Workbook, Schaltungsaufbauten, Messergebnisse). Reflexionsfragen können zudem Hinweise liefern, inwieweit schrittweise Verständnis und Sensibilität im Umgang mit dem Hochvoltsystem aufgebaut wurden. Zusätzlich zur laufenden Lernprozessbegleitung kommen dem Bildungspersonal im Hybrid-Lernkonzept die Aufgaben der Ermittlung der Vorkenntnisse bei jedem einzelnen Lernmodul, der Beurteilung der erzielten Lernergebnisse und der Begleitung der praktischen Arbeit am Fahrzeug zu:
    • Zu Beginn der Module bearbeiten die Lernenden jeweils einen Multiple-Choice-Test, der sich auf relevantes Vorwissen bezieht. Anhand der Ergebnisse entscheidet sich im Auswertungsgespräch, ob das vorliegende Resultat für eine Bearbeitung des folgenden Lernmoduls ausreicht oder ggf. zunächst Wissenslücken zu schließen sind.
    • Nach der Bearbeitung jedes einzelnen Moduls ist ein abschließendes Fachgespräch zu führen. Dabei empfiehlt es sich, eine Praxisdemonstration der im jeweiligen Modul erworbenen Fertigkeiten (zum Beispiel Durchführung einer Isolationsmessung, Sicht- und Funktionsprüfung am Messgerät) vorzunehmen. Nur so lässt sich berufspraktische Handlungskompetenz und der verantwortungsbewusste Umgang mit dem Hochvoltsystem überprüfen.
    • Aus Sicherheitsgründen benötigt der Lernprozess am realen Hochvoltfahrzeug intensive Begleitung und Beaufsichtigung durch das Bildungspersonal. Das gilt vor allem für die Außer- und Inbetriebnahme des Hochvoltfahrzeugs. Die entsprechenden Hinweise finden sich im Lernauftrag „Außerbetriebnahme des Hochvoltfahrzeugs“.

Als Voraussetzung gilt: Aus- und Weiterbildungspersonal sollte in diesem Bereich auf eine vertiefte Handlungskompetenz im Bereich Hochvolttechnik sowie Kompetenzen im Umgang mit neuen Medien zurückgreifen können. Die Kenntnis der in den einzelnen Lernmodulen anvisierten Lernergebnisse sowie die Fähigkeit, beim Kompetenzerwerb lernförderlich zu unterstützen, erlauben eine adäquate Umsetzung der Lernprozessbegleitung.

3.3 Integration des Hybrid-Lernkonzepts in den Ausbildungsverlauf

Grundlage für das Lernen und die Umsetzung des Lernkonzepts sind die tabletoptimierten, mobil per Internetbrowser nutzbaren, in acht Module gegliederten digitalen Lernmedien auf der Lernplattform www.hybrid-lernen.f-bb.de:

  • Diese strukturieren den Selbstlernprozess entlang eines modularen Hybrid-Lernpfads (siehe Abbildung 2) und spiegeln ihren Lernfortschritt, sie helfen bei der Verknüpfung von Lernen und Arbeiten durch die in den jeweiligen Lernsettings (digitale Lernmodule, Hochvolt-Arbeitsplatz, Hochvoltfahrzeug) zu bearbeitenden Aufgaben und Arbeitsmaterialien.
  • Sie bilden die unterschiedlichen Aufgaben- und Übungstypen (zum Beispiel handlungsorientierte Aufgaben, Lernen im Kundenauftrag, Multiple-Choice-Fragen) ab und unterstützen das Bildungspersonal bei der Überprüfung des Lernfortschritts.
  • Sie erlauben die Darstellung abstrakter und in der Praxis aus Sicherheitsgründen nicht visualisierbarer Lerninhalte (z. B. Lichtbogen, Kabelbrand), ermöglichen ein orts- und zeitflexibles Lernen durch mobile Endgeräte.

Abbildung 2: Der Hybrid-Lernpfad im Ausbildungsverlauf (eigene Darstellung)Abbildung 2: Der Hybrid-Lernpfad im Ausbildungsverlauf (eigene Darstellung)

Dazu erfolgt in den Lernmodulen 1 bis 5 zunächst der Aufbau vertiefter Kenntnisse und Fertigkeiten in den Bereichen Elektrotechnik, Arbeitssicherheit und Hochvolt-Messtechnik. Damit werden die erforderlichen Voraussetzungen für das spätere praktische Arbeiten am Hochvoltfahrzeug geschaffen. Durch die Bearbeitung von Lernaufgaben erwerben die Lernenden schrittweise relevante Fachkenntnisse (zum Beispiel Reihen- und Parallelschaltung von Widerständen, Aufbau einer Hochvoltleitung, elektrische Schutzmaßnahme des Potentialausgleichs). Durch Anwendung des erworbenen Wissens an einem Hochvolt-Arbeitsplatz kann parallel der Aufbau praktischer Fertigkeiten gefördert werden. So werden beispielsweise – unterstützt durch Lehrvideos – das Vorgehen bei der Sicht- und Funktionsprüfung eines Messadapters oder der Einsatz von Hochvolt-Messgeräten bei der Isolationswiderstands- oder Potentialausgleichsmessung eingeübt. 

Im Anschluss daran steht die praktische Arbeit am Hochvoltfahrzeug im Mittelpunkt: Mit Hilfe der Lernmodule 6 bis 8 können die Lernenden die Bearbeitung konkreter Aufträge am echten Hochvoltfahrzeug einüben, dabei ist eine stärkere Einbindung des Bildungspersonals nötig. Das Erlernen und die selbstständige Umsetzung der notwendigen Arbeitsschritte zur Außer- und Inbetriebnahme eines Hochvoltfahrzeugs stehen im Fokus der Qualifizierung.

Alle Lernmodule lassen sich dabei in der Ausbildung unabhängig von der Schwerpunktwahl einsetzen. Sie können im Rahmen der Entwicklung der berufsprofilgebenden Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten des Ausbildungsrahmenplans (1. bis 18. Monat) eingesetzt werden, sie können aber auch – je nach betrieblichem Ausbildungsplan – noch im dritten Ausbildungsjahr genutzt werden. Zur Vertiefung und Wiederholung von Lerninhalten ist es sinnvoll, die Module (bei der Prüfungsvorbereitung) im weiteren Ausbildungsverlauf (19. bis 42. Monat) wiederaufzunehmen und erneut zu bearbeiten. Das gilt vor allem für den Schwerpunkt System- und Hochvolttechnik. Für eine einmalige Bearbeitung der acht Lernmodule ist ein Zeitraum von sieben bis acht Tagen einzukalkulieren, wobei die Erprobungserfahrungen bei der AUDI AG zeigen, dass es empfehlenswert ist, das Themenfeld Hochvolttechnik über die gesamte Ausbildungsdauer hinweg zu behandeln und nicht en bloc zu bearbeiten. So kann eine nachhaltige Kompetenzentwicklung und die regelmäßige Auseinandersetzung mit den Sicherheitsanforderungen gewährleistet werden.

In der Weiterbildung kann mit dem Hybrid-Lernkonzept der erfolgreiche Aufbau der beruflichen Handlungskompetenz für den sicheren Umgang mit Hochvolt-Fahrzeugen bei berufserfahrenen Fachkräften erfolgen, die gegenwärtig – und zukünftig in noch stärkerem Maße – an der Produktion von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben beteiligt sind. Weiterbildungen werden von dieser Personengruppe insbesondere dann positiv bewertet, wenn an die individuellen Voraussetzungen der Teilnehmenden angeknüpft wird, eine ausgewogene Mischung von Theorie- und Praxiseinheiten innerhalb der Weiterbildung gewährleistet wird und eine Anwendbarkeit der Lerninhalte im individuellen Arbeitsalltag möglich ist. Das Hybrid-Lernkonzept erfüllt diese Anforderungen, indem es den Beschäftigten ermöglicht, ihr Lerntempo selbst zu bestimmen und ihnen flexible Vertiefungs- und Wiederholungsschritte bietet, u. a. auch mit Hilfe von Printmaterialien (z. B. einer kompakten Faltbroschüre mit zentralen Sicherheitsregeln und Wissenskarten). Um den individuellen Lernbedürfnissen und unterschiedlichen Lernpräferenzen gerecht zu werden, integrieren die Lernmodule verschiedene mediale Elemente wie Audiosequenzen und Lernfilme sowie zahlreiche interaktive, praxisorientierte Übungen.

4  Umsetzungserfahrungen und Ausblick

Das Hybrid-Lernkonzept wurde zeitlich und inhaltlich gestaffelt mit drei Gruppen von Kfz-Mechatroniker-Auszubildenden der AUDI AG der Einstellungsjahrgänge 2013 bis 2015 an den Standorten Ingolstadt und Neckarsulm und darüber hinaus u. a. an drei Berufsschulen für Kfz-technische Berufe sowie in der Weiterbildung berufserfahrener Beschäftigter der AUDI AG erprobt sowie evaluiert und ist mittlerweile branchenweit in Unternehmen unterschiedlichster Größe sowie mehreren Berufsschulen im Einsatz.

Tabelle 2: Pilotierung

Jahr

Teilnehmende

Module

Standorte

2014

·   81 Kfz-Mechatroniker-Auszubildende der Audi AG (Ausbildungsbeginn 2013)

·   M3-M5 (Messtechnik Hochvolt)

·   Audi AG, Ingolstadt

2015

·   36 Kfz-Mechatroniker-Auszubildenden der Audi AG (Ausbildungsbeginn 2014)

·   M1 (Grundlagen Elektrotechnik)

·   M3 (Spannungsfrei schalten)

·   M4 (Potentialausgleichsmessung)

·   M5 (Isolationsmessung)

·   Audi AG, Ingolstadt

·   Audi AG, Neckarsulm

2016

·   48 Kfz-Mechatroniker -Auszubildende der Audi AG (Ausbildungsbeginn 2015)

·   M6 (Außerbetriebnahme HV-Kfz)

·   M7 (Inbetriebnahme HV-Kfz)

·   Audi AG, Neckarsulm

·   über 200 Teilnehmende (Auszubildende, Berufsschüler/innen, Berufsschullehrkräfte und betriebliches Ausbildungspersonal)

·   M1-M8 (alle Lernmodule nach Bedarf)

·   Oberstufenzentrum Kfz-Technik Berlin

·   Berufsschule Kfz-Technik München

·   Berufsschule Ingolstadt

·   MAN AG, München,

·   24 Weiterbildungsteilneh­mer/innen (berufserfahrene Fachkräfte) der Audi AG

·   M1-M8 (alle Lernmodule)

·   Audi AG, Ingolstadt

Die Evaluation zielte zum einen darauf ab, die Eignung der Inhalte, Methoden und Medien für die Umsetzung im Ausbildungsprozess zu bewerten. Zum anderen sollten erste Erkenntnisse zum Lernerfolg gewonnen werden, um zu klären, ob die Zielgruppen nach Bearbeitung der Lernmodule die angestrebten Kompetenzen erworben haben und fähig sind, das Gelernte im Arbeitsprozess (Auszubildende) bzw. im Ausbildungsprozess (Ausbildungspersonal) anzuwenden.

Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden die beteiligten Auszubildenden und Ausbildungsverantwortlichen nach jedem Pilotierungsblock zum Qualifizierungskonzept befragt. Dafür wurden sowohl Gesprächsleitfäden als auch schriftliche Fragebögen genutzt, die zielgruppenspezifisch angepasste Fragestellungen u. a. zum Selbstlernprozess, Verständnisaufbau und Lernerfolg, zu Methoden, Technik, optischer Gestaltung und Motivationseffekten beinhalteten. Kompetenzaufbau und Lerntransfer bei den Auszubildenden wurden jeweils unmittelbar im Anschluss an die Pilotierung der Lernmodule im Rahmen von Fachgesprächen mit Praxisdemonstrationen durch pilotierungsverantwortliches Ausbildungspersonal überprüft. Zusätzlich fanden während der Pilotierung teilnehmende Beobachtungen durch Projektmitarbeitende statt, die Anforderungen an die Begleitung des Lernprozesses und auftretende Schwierigkeiten während der Umsetzungsphase erfahrbar machten. Dabei wurden auch Rückschlüsse auf die erworbene Handlungskompetenz des Ausbildungspersonals zum adäquaten Einsatz der Lehr- und Lernmedien im Ausbildungsprozess gezogen, die wiederum in die Überarbeitung des zunächst Audi-intern erprobten Train-the-Trainer-Konzepts einflossen, das im ersten Quartal 2016 als Weiterbildung für Ausbildungspersonal von OEMs und Zulieferern sowie Berufsschullehrkräfte mit 24 Personen umgesetzt wurde. Ergänzend wurden leitfadengestützte Interviews mit beteiligten Umsetzungsakteuren durchgeführt.

Die bisher vorliegenden Evaluationsergebnisse weisen auf einen gelingenden Kompetenzaufbau hin: die Fähigkeit, verantwortungsbewusst und sicher an Hochvoltfahrzeugen zu arbeiten, kann durch digital unterstütztes arbeitsplatznahes Lernen unter Einbezug verschiedener Lehr-Lernmedien gut entwickelt werden. Insoweit stellen digitale Medien und deren Einsatz ein erfolgversprechendes Instrument bei der didaktischen Gestaltung von Lernarrangements im Bereich neuer Technologien dar. Vor allem wenn es darum geht, nah am Arbeitsprozess zu lernen und komplexe Zusammenhänge (zum Beispiel inhaltlich abstrakte Themen wie Strom, Leistungsverzweigung im Hybridfahrzeug, Steuerungselektronik) zu veranschaulichen, ist dieses Konzept zu empfehlen.

Die Lernenden bewerten den hohen Praxisbezug und das Erleben von Selbstwirksamkeit durch ihr weitgehend selbstständiges und eigenverantwortliches Erarbeiten der anspruchsvollen Lerninhalte im Hybrid-Lernkonzept als sehr positiv:

„Für mich ist besonders motivierend, wenn die Messung das erste Mal selbständig durchgeführt wird und funktioniert. Durch die kleinen Erfolgserlebnisse habe ich Selbstvertrauen und Interesse am Thema entwickelt.“ (Auszubildender im Beruf Kfz-Mechatroniker im 2. Ausbildungsjahr)

„Das Thema ist anspruchsvoll, da man sich den Stromfluss oder Potentialunterschiede vorstellen muss. Man kann Erlerntes, zum Beispiel Messungen, an realen Bauteilen eines HV-Systems durchführen und wird somit Schritt für Schritt an die Hochvolttechnik herangeführt. Es ist nicht so kompliziert wie ursprünglich gedacht.“ (Auszubildender im Beruf Kfz-Mechatroniker, 3. Ausbildungsjahr)

„In Partnerarbeit konnten wir uns gegenseitig helfen und zusätzlich aus den Fragen und Überlegungen des jeweils anderen etwas lernen. Außerdem hat die gemeinsame Arbeit Spaß gemacht.“ (Auszubildende im Beruf Kfz-Mechatroniker, 1. Ausbildungsjahr)

Abbildung 4: Ausgewählte Rückmeldungen der Auszubildenden aus der ErprobungAbbildung 4: Ausgewählte Rückmeldungen der Auszubildenden aus der Erprobung

Praxisorientierung und die Verknüpfung des Lernens mit realen Arbeitsprozessen am Hochvoltfahrzeug helfen dabei, dass bestehende Hemmungen vor der Arbeit am potenziell gefährlichen Hochvoltsystem frühzeitig abgebaut werden können. Außerdem werden so Motivation und Interesse für eine spätere berufliche Tätigkeit auf diesem Feld geweckt. Digital gestützte Lernprozesse können außerdem die Voraussetzungen für lebenslanges Lernen und die Nutzung moderner elektronischer Medien in den aktuellen Lern- und Arbeitskontexten verbessern.

Allerdings zeigte sich auch, dass die Integration digitaler Lernelemente in die Ausbildungspraxis einer fachlich sowie medienpädagogisch qualifizierten Lernprozessbegleitung bedarf (vgl. ausführlich Kretschmer/Kohl 2017). Damit unter Nutzung neuer Medien ein kontinuierlicher Aufbau der erforderlichen Kompetenzen für das Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen auch wirklich realisiert werden kann, sind Verständnisaufbau und Lernfortschritte bei den Lernenden regelmäßig im Fachgespräch (inkl. Praxisdemonstration) zu überprüfen und zu bewerten.

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Zitieren des Beitrags

Kohl, M. (2017): Digital unterstütztes arbeitsplatznahes Lernen für die Elektromobilität. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 32, 1-19. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe32/kohl_bwpat32.pdf  (15-10-2017).