bwp@ 44 - Juni 2023

Berufliche Bildung und Regionalentwicklung

Hrsg.: Karin Büchter, Nicole Naeve-Stoß, Laura Büker & Marco Hjelm-Madsen

Berufliche Bildung als Handlungsfeld der Regionalentwicklung –Eine kommunale Steuerungsaufgabe?

Beitrag von Corinna Mühlig & Eva Schäfer
Schlüsselwörter: Berufliche Bildung, Regionalentwicklung, Kommunale Steuerung, Strategie, Kooperationsformen

Strukturen und Gestaltung (dualer) beruflicher Bildung stehen im Zusammenhang mit wirtschaftlicher wie auch lebensraumbezogener Attraktivität einer Region. Entsprechend scheinen eine gemeinsame Perspektive und Planung von beruflicher Bildung und Regionalentwicklung vor Ort naheliegend. Der vorliegende Beitrag gibt Einblicke in Kooperationsformen und die Bedeutung kommunaler Steuerungsstrukturen in beiden Feldern. Auf der Grundlage zweier Fallstudien wird eine Reflexion bestehender Kooperationsstrukturen und kommunaler Steuerungsaspekte gegeben und eine Explikation hemmender und förderlicher Aspekte strategischer Kooperation versucht.

Vocational education and training as a field of regional development - a municipal management task?

English Abstract

Structures and design of (dual) vocational education and training are related to the economic and living space attractiveness of a region. Accordingly, a joint perspective and planning of vocational education and training and regional development on site seems sensible. This article provides insights into forms of cooperation and the importance of municipal control structures in both fields. On the basis of two case studies, a reflection on existing cooperation structures and municipal control aspects is given and an attempt is made to explain inhibiting and beneficial aspects of strategic cooperation.

1 Einleitung

Im Diskurs um demografischen Wandel, Fachkräftesicherung und Abwanderung in ländlichen Regionen ist berufliche Bildung ein zentraler Faktor für eine attraktive Kreis- oder Regionalentwicklung. Gleichwohl scheinen Bildung und berufliche Bildung nur am Rande Einzug in regionale Entwicklungskonzepte zu finden – obwohl es doch naheliegend ist, Bereiche mit so zahlreichen Schnittstellen zusammen zu denken (Bildung, Arbeit, Wirtschaft, Fachkräftesicherung, Mobilität, Regionalmarketing etc.). Wie in anderen Bildungsbereichen auch, scheitert eine ganzheitlich gedachte, i. e. strategisch und regional abgestimmte berufliche Bildung häufig an Zuständigkeitsgrenzen. Darüber hinaus spielen auch landes- oder bundesweite Programme und Reformprozesse für abgestimmte Kooperationsprozesse eine Rolle. Im Beitrag soll der Frage nachgegangen werden, wie auf kommunaler Ebene Akteur*innen der Regional- oder Kreisentwicklung mit Akteur*innen der dualen beruflichen Bildung kooperieren und ob bzw. in welcher Form kommunale Koordinations- und Steuerungsstrukturen dabei zum Tragen kommen.

Nach einer kurzen Einordnung der zu betrachtenden Themenbereiche der beruflichen Bildung und Regionalentwicklung erfolgt eine Einbettung in den Kontext regionaler Steuerungsfragen in der Bildung. Anschließend geben zwei kommunale Fallbeispiele Einblicke in die praktische Gestaltung von Kooperations- und Kommunikationsstrukturen zwischen beruflicher Bildung und Regionalentwicklung. Darin wird beleuchtet, ob und wie eine gemeinsam abgestimmte Bearbeitung der beiden Bereiche auf kommunaler Ebene gelingt, wie sich diese kommunikativ und strukturell ausgestaltet und welche Rolle der Kommunalverwaltung als koordinativer Akteur dabei zukommt.

Die anschließende Zusammenführung der Ergebnisse erfolgt unter Einordnung in den weiteren Erfahrungsrahmen. Sie soll zentrale Erkenntnisse zur strategischen Verschränkung von beruflicher Bildung und Regionalentwicklung zusammenfassen und so Rückschlüsse auf oben genannte Aspekte ermöglichen. Damit soll ein Beitrag dazu geleistet werden, Rahmenbedingungen zu identifizieren, die eine Kooperation im Sinne einer integrierten Betrachtung von beruflicher Bildung und regionaler Entwicklung begünstigen und diese zur weiteren Diskussion zu stellen.

2 Berufliche Bildung und regionale Entwicklung – Eine Einordnung

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beschreibt „Berufliche Bildung [als] Grundpfeiler für eine nachhaltige und zukunftsfähige wirtschaftliche Entwicklung“ (BMZ 2023). Menschen die über eine gute (Aus-)Bildung verfügen, haben bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, kommen leichter in Beschäftigung, und können ihren Lebensunterhalt selbst aufbringen (vgl. Arndt et al. 2018). Dies hat generell Auswirkungen auf wirtschaftsbezogene Standortaspekte für das ganze Bundesgebiet. Wie sieht die Lage nun bundesweit aus?

Die berufliche Bildung steckt in der Krise und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Sie kämpft schon lange mit einem Imageproblem (vgl. Maier 2020). Auf der einen Seite fehlt der Nachwuchs, immer mehr junge Erwachsene entscheiden sich statt einer Ausbildung für ein Studium. Auf der anderen Seite werden Ausbildungsinhalte immer komplexer, die Anforderung an Auszubildende steigt und auch die Arbeitswelt verändert sich durch Digitalisierung oder neue Berufsbilder stetig. Das sind nur zwei von vielen Gründen, die Einfluss darauf haben, dass Ausbildungszahlen sinken, qualifizierte Auszubildende fehlen und viele Stellen in den Bertrieben unbesetzt bleiben.

Für 2022 wurden bundesweit insgesamt 475.100 neue Ausbildungsverträge in der dualen Berufsausbildung abgeschlossen. Damit ist die Zahl neuer Ausbildungsverträge weiter auf einem sehr niedrigen Niveau geblieben und hat sich bislang nicht den Zahlen des Vorkrisenjahres 2019 angeglichen. 2019 waren es immerhin noch 9,5% mehr an abgeschlossenen Ausbildungsverträgen als 2022. Das hat zur Folge, dass auch immer mehr Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben (vgl. Christ et al. 2023).

Der internationale Vergleich zeigt, dass die duale Ausbildung in Deutschland als Ausbildungsmodell immer noch ein Alleinstellungsmerkmal ist. Sie kombiniert theoretisches Wissen in der Berufsschule und praktisches Lernen im Betrieb und bietet mit über 300 anerkannten Ausbildungsberufen jungen Menschen vielfältige Chancen. Sie erreicht junge Erwachsene über eine lange Altersspanne hinweg. Jene, die frühzeitig die Schule verlassen, aber auch diejenigen, die sich zu einem späteren Zeitpunkt für eine duale Ausbildung entscheiden (vgl. Baethge 2017). Erstgenannten stellt sie auch im Übergangsbereich der Berufsorientierung schon Angebote zur Verfügung.

In der nationalen Diskussion bisher wenig Beachtung gefunden haben Vorschläge, so die Annahme, die die Planung und Betrachtung vor Ort, also kommunale und regionale Ansätze in den Blick nehmen. Das mag auch daran liegen, dass im Gegensatz zur allgemeinen Schulbildung, welche durch Länder und Kommunen öffentlich finanziert wird, der betriebliche Teil der dualen Ausbildung korporatistisch durch Interessenvertretungen der Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen unter Beteiligung des Bundes gestaltet wird. Konkret heißt das, dass Berufsausbildung sehr stark durch Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik gestaltet wird, und nur der berufsschulische Teil „klassisch“ föderal auf Ebene der Bundesländer im Kultusbereich, unter Beteiligung des Bundes verantwortet wird (vgl. Baethge 2017). Dadurch sind auch Finanzierung und Qualität der Ausbildung – zumindest des betrieblichen Teils – besonders stark von wirtschaftlichen Entwicklungen geprägt (weitere Bereiche der beruflichen Bildung, wie die der Fortbildung oder der Umschulung, stehen nicht im Augenmerk dieses Artikels). Die duale Ausbildung berührt sowohl politische, als auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Bereiche. Unbesetzte Ausbildungsplätze und Ausbildungsabbrüche bedrohen ebenjene.

Bund und Länder sind bisher nicht untätig gewesen und haben in verschiedenen Anläufen immer wieder Weichen gestellt, damit die berufliche Bildung auch in Zukunft eine attraktive Option bleibt. Dazu gehören u. a. die Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen, wie die Novelle des Berufsbildungsgesetz (BBiG), oder Kampagnen auf Bundes- und Landesebene, wie die bundesweite Fachkräftestrategie (vgl. BMBF 2022a), die die Teilzeitausbildung bewerben und sie für weitere Zielgruppen öffnen soll, um nur eine Auswahl zu nennen. Seit 2020 soll das neue Berufsbildungsgesetz die duale Berufsausbildung mit neuen Fortbildungsstufen zu Bachelor- und Masterstudiengängen, einer Mindestausbildungsvergütung und mehr Flexibilität der Ausbildung in Teilzeit ebenfalls attraktiver gestalten (vgl. BMBF 2022b).

Fragen, die sich für die Zukunft stellen, werden sein: Wie kann die duale Berufsausbildung mit ihren gesellschaftlich so bedeutsamen Berufsfeldern attraktiver werden? Welche Bereiche können oder müssen dafür (neu) zusammengedacht werden?

Ein Ansatzpunkt, der hier näher beleuchten werden soll, ist, wie die berufliche Bildung und die Kreis- und Regionalentwicklung strategisch enger zusammengedacht und vor Ort geplant werden können. Denn „in kaum einem Bildungsbereich sind die Chancen so von der regionalen Herkunft geprägt wie im Dualen System“ (Haase 2015, 24; nach Stender 2006). Die Attraktivität beruflicher Bildung hängt stark mit demografischen wie auch wirtschaftlichen und infrastrukturellen Aspekten dort, wo (junge) Menschen arbeiten und leben, zusammen. Sie zu steigern steht in engem Zusammenhang mit den Gegebenheiten vor Ort, also der Region, im Speziellen mit der Bewältigung gebietsspezifischer Passungsprobleme an die Ausbildungsmärkte, mit der lokalen Gewinnung von Auszubildenden, mit der Stärkung bestimmter Berufsfelder, mit der ortsbezogenen Verbesserung von Zugängen und Übergängen in der beruflichen Bildung sowie mit der Durchlässigkeit im Bildungswesen. Fachkräftesicherung ist demnach ein zentraler Aspekt für die berufliche Bildung, was sich in der politischen Strategie auf der kommunalen Ebene (i. e. Landkreise und kreisfreie Städte) niederschlägt (vgl. Hopf/Edelstein 2018).

Auch weitere regionale Aspekte spielen eine Rolle, die zwar nicht immer in kommunaler Hand liegen, jedoch ebenso einer integrierten und sinnvollen Abstimmung bedürften und auf die Angebote und Nutzung beruflicher Bildung einwirken: Das Vorhalten einer bezahlbaren und den regionalen Bedürfnissen angepassten Mobilitätsinfrastruktur (v. a. ÖPNV), Angebote sozialer und kultureller Infrastruktur, wertbringende touristische Angebote, eine abgestimmte Wirtschaftsförderung etc. Viele dieser Bereiche gehören, mit unterschiedlichem Zuschnitt und in unterschiedlicher Struktur, zu den Aufgaben einer Regional- oder Kreisentwicklung und sind, nicht selten in kommunaler Verantwortung, zunehmend auf das breite Aufgabenspektrum eines Querschnittsfeldes ausgelegt.

Während Regionalentwicklung als Begriff uneinheitlich in Bezug auf verschiedene politische wie administrative Ebenen und steuerungsbezogene Logiken verwendet wird, tragen sie doch ein gemeinsames Grundverständnis in sich: Die Vereinigung von Querschnittaufgaben, die verschiedene gesellschaftliche Bereiche betreffend aus unterschiedlichen Politikrichtungen und Fachplanungen im selben Raum kommen (vgl. Heintel 2018, 2008). Zudem wird immer das Ziel verfolgt, diese Bereiche „zur Verbesserung der Lebens- und Wirtschaftsbedingungen hinsichtlich anzustrebender Kohäsion“ (ebd., 2009) konstruktiv miteinander zu verbinden. Unterhalb der übergreifenden Regionalplanung finden sich im Mehrebenensystem entsprechende Organisationsformen als Abteilungen auch auf Kreis- und Stadtebene oder in weiteren intermediären Organisationsformen (vgl. ebd.).

In Steuerungsansätzen von Regionalplanung und Regionalentwicklung (und Teilkategorien davon) verbreiten sich zunehmend Konzepte, die geprägt sind durch stärkeren Wettbewerb, aber auch zunehmende Kooperation innerhalb und zwischen Regionen. In diesem Rahmen haben räumliche Interaktionen und Verflechtungszusammenhänge zugenommen und grenzen sich in ihrer Kooperation und Kommunikation von starren politisch-administrativen Grenzen und Top-Down-Steuerungsansprüche ab. Unter dem Begriff ‚Regional Governance‘ verbreiten sich Ansätze, die „sich primär an den strategischen Optionen einer regionalen Steuerung sowie der kollektiven Handlungsfähigkeit regionaler Akteurskonstellationen“ (Heintel 2023, 2012) orientieren und diese einbeziehen. Diese auf Governance-Aspekten basierende Idee einer Kreis- und Regionalentwicklung (vgl. auch Pollermann 2021) kann als Chance und Ressource gesehen werden: Ein Fachbereich in kommunaler Verantwortung, der in moderierender und koordinierender Rolle integrierte Planungsansätze sich gegenseitig beeinflussender Handlungsbereichen partizipativ gestalten kann.

Den aktuellen Ansätzen in der kommunalen Praxis scheint es hingegen nicht selten an Wirksamkeit zu mangeln, was u. a. darin begründet liegen mag, dass kommunale Regional- und Kreisentwicklungskonzepte häufig abstrakt und wenig handlungsleitend formuliert sind. Zudem selten verbindlich und mit Ressourcen hinterlegt, folgen daraus unter Umständen Konzepte ‚für die Schublade‘ oder eine ausufernde Abstimmungs- und Gremienstruktur, die schlimmstenfalls ergebnislos bleibt. Mit diesen Ansätzen können also Chancen wie auch Risiken verbunden sein; so beschreibt der Deutsche Landkreistag Kreisentwicklungskonzepte als „informelle, in sich kohärente räumliche Strategien im untechnischen Sinne […]. Sie haben mithin Leitbildcharakter und informieren über die in ihrem Zentrum stehenden räumlichen Entwicklungspotenziale und Ziele, [und] formulieren Handlungsmöglichkeiten“ (DLT 2011, 10). Auch berufliche Bildung und Fachkräftesicherung finden in den entsprechenden Entwicklungskonzepten meist einen Platz. Inwiefern diese jedoch einen strategischen und dann auch handlungsleitenden Maßstab bilden, muss im Einzelfall betrachtet werden.

Ebenfalls Governance-Aspekten folgend, finden seit über zwei Jahrzehnten Ansätze regionalisierter Bildungsplanung Verbreitung (vgl. Niedlich 2016, 23ff.). So gehen immer mehr Kommunen von der Wirksamkeit verknüpfter Planungsansätze für die Gestaltung der Bildung vor Ort aus. Zentrale Überzeugungen liegen dabei in der Notwendigkeit, Bildung als Querschnittsthema über verschiedene Zuständigkeitsgrenzen hinweg zu planen, sie in gemeinsamer Verantwortung und mit Beteiligung verschiedener Akteure vor Ort bedarfsgerecht ausgestalten zu können und dabei Bildung über den gesamten Lebenslauf einzubeziehen. Dadurch ergibt sich ein breites Aufgabenfeld, das unterschiedlichste Zuständigkeiten sowohl auf kommunaler Ebene als auch darüber hinaus berührt. Wichtig hier ist die Möglichkeit der Kommune, durch übergreifende Leitbilder, Netzwerkstrukturen, (auf Daten basierte) Information und Koordination verschiedenster Akteure auch jene Bereiche zu berühren, die formal in anderen Zuständigkeitsbereichen liegen (ebd., siehe auch Niedlich 2020).

Diese Entwicklungen sind Grundlage für die hier zugrundeliegende Fragestellung: Lassen sich die Problemlagen bzw. Anforderungen der beruflichen Bildung mit den Handlungsbereichen und Planungslogiken von Regionalentwicklung auf kommunaler Ebene sinnvoll miteinander verschränken und kooperativ und kommunal koordiniert steuern? Eine mit diesen Aufgaben versehene strategische Regionalentwicklung auf kommunaler Ebene (und auch drüber hinaus) als moderierender und verbindender Akteur auch in der Bildungsplanung könnte sich – so die These – als sinnvolle Ressource erweisen, die vor allem regional wirkenden Herausforderungen in der beruflichen Bildung integrativ anzugehen.

Um dies zu ergründen, folgt eine explorative Erschließung bestehender Kooperations- und Koordinationsstrukturen der beiden Bereiche in zwei Fallkommunen sowie die Einordnung in den o. g. Kontext und die versuchsweise Beleuchtung von Bedarfen für die Zukunft.

3 Berufliche Bildung und Regionalentwicklung in der kommunalen Praxis

Die Untersuchung fand im Rahmen der wissenschaftlichen Ausrichtung am Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik (involas) statt und wurde entlang der oben skizzierten Fragestellungen durchgeführt. Die interdisziplinäre Ausrichtung des Instituts umfasst v. a. Projektentwicklung und -umsetzung, Beratung, Studien, Evaluationen und wissenschaftliche Begleitung in den Themenfeldern berufliche Bildung, Arbeitsmarktintegration und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Diese werden gemeinsam mit Partnern aus Politik, Wissenschaft und Praxis erarbeitet, erprobt und verankert. Auf Basis einer Dokumentenanalyse zu kommunalen Strukturen und Kooperationen wurden im Kontext des vorliegenden Artikels zwei leitfadengestützte Experteninterviews geführt. Ausgewählt wurden Personen aus zwei Kommunen, die durch ihre eigene, langjährige Involviertheit als Mitarbeitende der mittleren Managementebene jeweils in die Themenbereiche der beruflichen Bildung und Regionalentwicklung auf kommunaler Ebene über manifestes Expertenwissen verfügen.

Bei beiden Kommunen handelt es sich um eher ländlich geprägte Landkreise, die mit entsprechenden Entwicklungen in den Bereichen Demografie, Wirtschaft, Fachkräftesicherung und öffentlicher Infrastruktur betroffen sind. Dabei ist eine Kommune durch die geografische Lage, Einwohnerzahl sowie soziale und wirtschaftliche Infrastruktur stärker ländlich strukturiert als die andere. In dieser besteht die örtliche Wirtschaft vornehmlich aus kleinen und mittleren Unternehmen in Industrie und Handwerk und die berufliche Bildung wird durch ein Berufsschulzentrum geprägt. Die kommunalen Entwicklungsthemen sind unter anderem durch Konkurrenzen zu angrenzenden größeren Städten bestimmt. Die andere Kommune ist einwohnerstärker und strukturell diverser ausgeprägt, auch durch ein im Kreisgebiet befindliches Oberzentrum. Wirtschaftlich herrscht ein breiter Branchenmix vor, entsprechend vielfältig sind die beruflichen Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten, unter anderem durch ein bereichsübergreifendes Bildungszentrum. Beide Kommunen haben den Anspruch, in wirtschaftlichen und kulturellen Fragestellungen aktiv und dynamisch auf allen Ebenen zusammenzuarbeiten. Entsprechend wurden beide Experteninterviews dahingehend analysiert, ob und wie die beiden Bereiche beruflicher Bildung und Regionalentwicklung miteinander verflochten sind, inwiefern formelle und informelle Kommunikations- und Kooperationsformen zwischen Akteur*innen gelungen und welche Aspekte dafür entscheidend sind. Insbesondere liegt der Fokus auf der Frage, welcher Einfluss den jeweiligen Strukturen kommunaler Koordinierung und Steuerung zuzuschreiben ist. Die sorgfältig ausgewählten (Leit-)Fragen wurden so formuliert, dass sie einen möglichst tiefen Einblick in die Expertensicht der Befragten bezüglich der Hauptfragestellung eröffnen. Geführt und vollständig transkribiert wurden beide Interviews im Februar 2023. Sie wurden anschließend entlang der angefertigten Transkripte interpretiert und anhand der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse in Anlehnung an Mayring (Mayring 2010) ausgewertet.

Die Analyseebenen gliedern sich entlang der thematischen Kategorien (1) Berufliche Bildung, (2) Regionalentwicklung, (3) Kooperation in der Kommune sowie 4) Allgemeines und Ausblicke. Neben der Beschreibung regionaler Rahmenbedingungen werden die Formen von Kooperation mit Hilfe weiterer Unterkategorien konkretisiert: Hier werden im Speziellen Institutionalisierung der Kooperationsstrukturen und die Kooperationskultur, Formalisierung der Kommunikation, das Vorliegen expliziter strategischer Ziele, die Bedeutung und Form der Abstimmung mit politischen Entscheidern sowie die Rolle der Kommunalverwaltung betrachtet. Abschließend wird der Blick auf Bedarfe und Möglichkeiten für die Zukunft gerichtet.

3.1 Fallbeispiel I: „Wir kennen uns halt“

(1) Berufliche Bildung in der Fallkommune
Die berufliche Bildung konzentriert sich im Wesentlichen auf ein Kreisberufsschulzentrum und die betriebliche Ausbildung in ortsansässigen Unternehmen. Das Angebot der beruflichen Schulbildung ist entsprechend auf die Bedarfe der örtlichen Ausbildungsbetriebe ausgelegt. Sie ist geprägt durch sinkende Ausbildungszahlen und Fachklassengrößen.

In Bezug auf aktuelle und künftige Herausforderungen sieht der befragte Experte vor allem die steigende Akademisierung sowie Spezialisierung und Zersplitterung des Ausbildungssystems kritisch. Dies trage erheblich zur sinkenden Attraktivität der dualen Ausbildung, dem Verlust von Fachklassen, sinkender Ausbildungsqualität und damit insgesamt zu sinkender regionaler Nachfrage nach Ausbildungsplätzen bei, was unmittelbar auf die Deckung des örtlichen Fachkräftebedarfes einwirke. Auch eine die Flächenlandkreise benachteiligende Planung von Fachklassenstandorten sowie eine mangelnde Durchlässigkeit zwischen den Ausbildungssystemen spielten eine Rolle. Insgesamt wäre eine Gleichwertigkeit beruflicher Bildungssysteme aus seiner Sicht elementar für bestehende Herausforderungen: „[…] wenn man die gleiche Aufmerksamkeit, Anerkennung und Ressource in die Werbung oder den Aufbau von Struktur in der dualen Ausbildung legen würde wie auf die Hochschullandschaft, dann müssten wir vielleicht nicht über die Menge sprechen, sondern über das Strukturproblem.“

Gleichzeitig entstehen regelmäßig neue Ideen und Ansätze, die ein weiteres Absinken der Klassengrößen und eine steigende Attraktivität von Ausbildung und Arbeit in der Region fördern sollen (z. B. Kooperationen mit umliegenden Hochschulen, Angebote der Berufsorientierung, gemeinsame Fachklassen, ortsunabhängige digitale Lernangebote, ganzheitliche Bildungs- und Weiterbildungsangebote etc.). Diese sind nicht immer erfolgreich. Auch hier wird ein starker Einfluss von Bundes- und Landespolitiken gesehen, vornehmlich in der Bürokratisierung wie auch in der fehlenden Verstetigung erfolgreicher Modellprojekte.

(2) Regionalentwicklung in der Fallkommune
Regional- und Kreisentwicklung wird in der Kommune als wichtiges Handlungsfeld angesehen und berufliche Bildung gilt als ein zentraler Standortfaktor. Die wesentlichen Aktivitäten finden über eine Regionalentwicklungsgesellschaft (GmbH) statt. Hier kommen die aus Sicht des Experten wichtigsten Akteure zusammen, die vor allem aus Industrie, Handel, Handwerk, beruflicher Bildung und politischer Spitze zusammengesetzt sind. Durch die GmbH und ihre Partner werden u. a. Maßnahmen zur Berufsorientierung umgesetzt. Zentrales Netzwerk ist ein Wirtschaftsbeirat, der aus den genannten Akteuren besteht.

Ebenso existiert in der Kommunalverwaltung ein Fachbereich Kreisentwicklung. In der Recherche und Dokumentenanalyse zeigt sich, dass dort (partizipativ) ein umfassendes Kreisentwicklungskonzept verfasst und regelmäßig erneuert wurde, in dem auch Bildung, berufliche Bildung und Fachkräftesicherung integriert und eine Vision für die Kreisentwicklung sowie zentrale Handlungsfelder formuliert werden.

(3) Kooperation in der Fallkommune
Im Interview wird angedeutet, dass die Kooperation mit dem Fachbereich für Kreisentwicklung und das Kreisentwicklungskonzept in der praktischen Arbeit der beruflichen Bildung und Regionalentwicklung eine eher geringe Rolle einnimmt. „Es ist, wie soll ich das formulieren, ich würde sagen, dass wir in allen anderen Fällen stärker eingebunden sind.“ Die Hauptimpulse für die Gestaltung der dualen Ausbildung in der Region werden in Kooperation zwischen Berufsschule und den o. g. zentralen Partnern aus Regionalgesellschaft, Politik und örtlicher Wirtschaft gegeben.

Hierfür bestehen einerseits institutionalisierte Strukturen, wie die des Wirtschaftsbeirats der Regionalgesellschaft. Durch diese Vernetzung werden wichtige Impulse, Innovationen und Kooperationen zwischen Wirtschaft und beruflicher Bildung initiiert: „Ich sage mal zehn, zwölf Leute mit dem Landrat und anderen, die in der Region einen ganz guten Überblick haben. […] wir sind dauernd im gegenseitigen Austausch und treiben Dinge voran.“ Andererseits entstehen Impulse und Entscheidungen eher in informellen Strukturen. Ideen werden immer wieder anlassbezogen durch einzelne Mitglieder dieses Netzwerkes entwickelt und schrittweise in die weitere Abstimmung gegeben. „Da sind so ein paar, die die Region bewegen wollen und dann machen wir eine Vorlage, laden die anderen dazu ein und dann sagen die, oh ja, machen wir mit […].“

Die Kooperationskultur wird entsprechend positiv und stark personenbezogen beschrieben. Das persönliche Kennen und Vertrauen sowie die starke Identifikation mit der Region spielen eine große Rolle. Man teilt die Überzeugung, die Region gemeinsam vorantreiben zu wollen und hat dadurch eine gemeinsame Haltung, einen Zusammenhalt und eine robuste und engagierte Arbeitsgrundlage entwickelt: „Was eine Stärke der regionalen Struktur ist, dass die Akteure bereit sind, gut zusammen zu arbeiten. Dass man sich gegenseitig vertraut, dass man auch gemeinsam an einem Strang zieht und dass man zu Vielem bereit ist, was man jetzt nicht unbedingt tun müsste. […] Es gibt auch viele Rückschläge […], trotzdem machen wir weiter, weil wir wissen, wir sind da nicht alleine und die anderen sind auch dabei“.

An verschiedenen Stellen wird deutlich, dass diese erfolgreichen Kooperationen vor allem auf informeller Kommunikation beruhen und sich die als wichtig erachteten Partner aus Regionalentwicklungsgesellschaft und beruflicher Bildung regelmäßig persönlich (z. B. telefonisch) abstimmen. Die informelle Ebene der Kommunikation wird insgesamt stark positiv hervorgehoben, ebenso die inhaltliche Offenheit: „Ich sehe das ja manchmal jetzt auch bei Nachbarkreisen […], das ist bei uns viel enger, viel offener, viel schneller. Bei anderen ist das viel formalisierter. Und so ein inhaltlich offener Austausch, da wird anders gesprochen. […] Bei den anderen wird das erst formalisiert, du musst das im Gremium ‑.“

Strategische Ziele haben sich mit der Zeit in Teilbereichen auf dieselbe Weise entwickelt. Die in dem Kreisentwicklungskonzept entwickelten Visionen und Teilziele werden von dem befragten Experten in Teilen als wichtig erachtet, jedoch eher übergeordnet als Einigung auf einen thematischen Fokus im Bereich Fachkräftesicherung und Standortmarketing in Bezug auf die örtlich dominanten Wirtschaftsbereiche eingeordnet. Stärker betont der Befragte hingegen Prozesse und Strukturen, die durch Initiative eines Einzelnen entstehen, wo anschließend schrittweise weitere Partner einbezogen werden, z. B. um eine Art öffentlichkeitswirksame Teilstrategie zur Fachkräftesicherung zu verfassen. Auch wurde ein übergreifendes Standortmarketing initiiert, in welchem Eigenschaften der Region als strategisch zu nutzender Stärke definiert wurden. Der Befragte sieht in jedem Fall ein Wachsen von gemeinsamem Denken und Strukturen von Politik, Wirtschaftsakteuren und Berufsschulwesen in den letzten Jahren, bedingt durch beständige Kooperation, Absprache und gemeinsame Strategieentwicklung.

Der eher informelle Charakter gilt auch für die Abstimmung mit der politischen Ebene, die auf Kreisebene durch den engen Bezug zur Wirtschaftsförderung in der Region als unterstützend eingeordnet wird: „[…] es ist jetzt für mich nicht schwierig, [die politische Spitze] anzurufen, wir kennen uns gut […].“ Weitere politische Unterstützung, auch auf Landesebene, wird ebenfalls über persönliche Verbindungen hergestellt: „[…] jetzt sage ich mal ganz pragmatisch, […] du bist doch derjenige, der die am besten kennt, kannst doch in unserem Namen mit denen sprechen.“

Bestehende Netzwerke in der Kommunalverwaltung werden hingegen scheinbar weniger intensiv oder zu bestimmten Zwecken wie der Informationsweitergabe genutzt. In diesem Kontext scheint aus Sicht des Experten die Rolle von in der Kommunalverwaltung verorteten koordinativen Akteuren eher gering zu sein: „Ja, da gibt es ein Netzwerk, in das wir auch eingebunden sind. Hat sich jetzt ein bisschen konsolidiert, um es mal vorsichtig zu sagen. […] Da ist das andere Netzwerk natürlich dynamischer, um es mal so zu beschreiben. […] wir machen das dann auch mal da vorbei. Und haben die natürlich dann informiert und eingebunden und auch das Netzwerk genutzt […]“ Kommunale Netzwerke und Gremien ebnen also ggf. den Weg für eine darüberhinausgehende, zum Teil informelle Abstimmung einzelner Ideen und Projekte. „Das entsteht ja nicht in einem Gremium. Im Gremium wird es dann am Ende abgestimmt oder nochmal verhandelt. Aber der Ideenaustausch, die Impulse entstehen ja in bilateralen Gesprächen oder in einer kleinen Gruppe […]. Das geht dann über die informellen Wege, sodass man die Impulse setzt.“
Auch bei Impulsen, die aus der Kreisverwaltung heraus kommen, scheint es häufig so zu sein, dass das weitere Vorgehen dann mit den aktiven Akteuren aus Berufsschule und örtlicher Wirtschaft unter Einbezug der politischen Entscheidungsebene besprochen wird.

(4) Allgemeines und Ausblick
Die größten Potentiale, um berufliche Bildung insgesamt, vor allem aber in ländlichen Regionen zu stärken, sieht der befragte Experte auf Ebene von bundes- und landespolitischen Vorgaben, die auf die Gestaltung vor Ort einwirken (Zersplitterung des Ausbildungswesens, Standortplanung und Fachklassengrößen, Verstetigung erfolgreicher Modellprojekte etc.). Von zentraler Bedeutung sei es, den Akteur*innen vor Ort mehr Handlungsspielraum für Innovationen und individuelle Gestaltung zu geben, auch durch einen Abbau bürokratischer Hürden. Projekte und weitere Ideen bestehen beispielsweise zu ortsungebundenen digitalen Lernangeboten, zu Kooperationen mit Hochschulen aus angrenzenden Zentren (z. B. Hochschulstandort im Kreis) sowie in der Wiederbelebung gemeinsamer Beschulung verschiedener Berufsbilder, um eine frühe und starke Spezialisierung in der Ausbildung zu vermeiden und Fachklassen zu erhalten.

Wichtig dafür sei auch insgesamt eine gesteigerte gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Anerkennung des Ausbildungswesens: „[…] in der Konsequenz hat berufliche Bildung nicht den Stellenwert. Der kommt vielleicht jetzt ein bisschen stärker durch das Thema Fachkräfteentwicklung, dass man die Bedeutung auch der Berufsorientierung über das berufliche System und deren Möglichkeiten [sieht, Anm.], die weit größer sind als das, was wir heute machen.“

Der Kommunalverwaltung im Speziellen schreibt der Befragte, neben der oben beschriebenen informellen Verbindung zur politischen Entscheidungsebene sowie der eher losen Kopplungen durch formale Netzwerke, keine signifikante Rolle zu. Zwar könnten einige Kooperationsstränge enger werden, z. B. zur Kreisentwicklung. Konkret lassen sich jedoch keine Aussagen identifizieren, die auf einen Bedarf für eine stärkere koordinative oder strategische Rolle der Kommunalverwaltung hinsichtlich einer Verbindung beider Themenbereiche hindeuten.

3.2 Fallbeispiel II: Kooperation „also das ist auf allen Ebenen eigentlich so ein bisschen gewachsen“

(1) Berufliche Bildung in der Fallkommune
Die duale Ausbildung ist in der Fallkommune mit vier Berufsschulen und vielen, unterschiedlich strukturierten, Ausbildungsbetrieben sehr stark vertreten. Angesiedelt sind die beruflichen Schulen vorwiegend im städtischen Gebiet und decken alle fachlichen Bereiche der beruflichen Bildung ab. Die Bereiche seien gleichermaßen „gut aufgestellt“. Das liege dem befragten Experten zufolge daran, dass in der Region permanent „feinjustiert“ wird. Sofern sich Gegebenheiten im Bildungssegment verändern, werden notwendige organisatorische Strukturen angepasst. So wurde beispielsweise ein angebotsumfassendes Bildungszentrum weiter ausgebaut, so dass dieses System auch für die duale Ausbildung gut funktioniert.

Dennoch hat die Region, resp. haben die Berufsschulen mit sinkenden Schülerzahlen und die Betriebe mit unbesetzten Ausbildungsstellen zu kämpfen. Auch die (zunehmende) Akademisierung im Bildungsbereich und die Spezialisierung der Ausbildungsberufe ist in der Fallkommune nicht ohne Folge geblieben. Um die duale Ausbildung zu stärken und attraktiv zu halten, steht die Region, so der befragte Experte, neuen Kooperationen daher sehr offen gegenüber. Nennenswert seien neue Kooperationen mit der Hochschule oder mit privaten Bildungsanbietern, die initiiert wurden, um die Region aktiv und in diesem Feld weiterhin gut zu positionieren. Bisher gestalten sich solche Kooperationen eher anlassbezogen als strategisch geplant: „Aber das ist keine regionale Strategie jetzt, die dann dahintersteht“. Die abgebenden Schulen (Gymnasien) müssten auch „stärker mit ins Boot genommen werden“ und eine Berufsorientierung geboten werden, die die Varianz der Möglichkeiten nach dem Schulabschluss stärker im Blick hat. Grundsätzlich aber sei es wesentlich, dass sich auch Rahmenbedingungen ändern, die neuen und innovativen Ideen offen gegenüberstehen und die von entsprechender Bundes- bzw. Landespolitik unterstützt werden können.

(2) Regionalentwicklung in der Fallkommune
Das Themenfeld der Regionalentwicklung ist auch in der zweiten Fallkommune innerhalb und außerhalb der Kreisverwaltung aufgegliedert verortet. Es existiert ein kommunaler Fachbereich der direkt beim Landkreis angesiedelt ist und „klassische“ strukturelle Themen der Regional- und Kreisentwicklung bearbeitet. Ebenfalls in kommunaler Verantwortung beschäftigt sich ein weiterer Fachbereich mit kommunaler Arbeitsmarktförderung und Wirtschaftsförderung. Ein dritter Akteur ist als GmbH ausgelagert und stärker auf Themen der kooperativen Wirtschaftsförderung und des Standortmarketings bezogen. Jeder der drei Teile, welche die Regionalentwicklung ausdefinieren, ist in eine kommunale Struktur integriert. Entweder direkt innerhalb der Verwaltung oder über verschiedene Fachdienste ausgegliedert.

Der Fachbereich Regionalentwicklung nimmt einzelne Initiativen und längerfristig angelegte Entwicklungshorizonte in den Blick. Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung arbeitet eher an praxisnahen Projekten mit kleineren bzw. überschaubaren Zeithorizonten zu Themen, die eben von diesen Abteilungen klassisch bearbeitet werden. Das hat zur Folge, dass sich die Themenschwerpunkte der einzelnen Bereiche je nach struktureller Zuordnung und kommunaler Interessen unterscheiden. Es gibt kein übergeordnetes Thema, welches innerhalb dieser Dreiteilung von allen Akteursgruppen gemeinsam bearbeitet wird. Es gibt viele kleinere Netzwerke und viele kleinere Einzelaktionen, jedoch ohne ein übergreifend thematisch ausgerichtetes Netzwerk. „Wir haben ein Problem mit der Fachkräftesituation, wenn sich nichts ändert […] Oder man kann wirklich das strategisch angehen und kann dann wirklich hier in der Region was bewegen“ Dennoch befruchten sich die Bereiche gegenseitig und tragen dazu bei, dass die eher strukturellen und theoretisch bearbeiteten Fragestellungen von dem Teil, der praxisnahe regionale Bedarfe bearbeitet, weiterentwickelt werden und in der Praxis Anwendung finden. Der kommunale Experte beschreibt das weitere Vorgehen sehr treffend und wird im Folgenden zitiert: „Die machen einen Teil, andere Teile machen wir. Und wie gesagt, es gibt da noch viele andere Akteure, die da mit eingebunden sind“. Zwar werden Ideen in unterschiedlichen Gremien, Ausschüssen oder Netzwerken weiterentwickelt und in die Praxis gebracht, ein zentrales Steuerungsgremium agiert hier dagegen anlassbezogen. Anlassbezogene Vernetzung findet beispielsweise bei Neu- und Umgestaltung von Angeboten bezüglich ausgewählter Bereiche der beruflichen Bildung und der Hinzunahme neuer Ausbildungsprojekte, Ausbildungsmodelle und -akteure statt. Aber auch bezüglich des Themas wie dem Standortmarketing als Teil der Identifikation mit der Region sind Vernetzungen sichtbar. Nicht nur der befragte kommunale Experte sieht seine Rolle darin, die Region voranzubringen, sondern auch den weiteren Akteuren, die in dem Arbeitskontext des kommunalen Experten explizit genannt werden, ordnet er eine hohe Identifikation mit der Region zu.

(3) Kooperation in der Fallkommune
Die Kooperationskultur in der Kommune wird als „traditionell […] recht hoch“ beschrieben und „ist auf allen Ebenen eigentlich so ein bisschen gewachsen“, so die Einschätzung des kommunalen Experten. Es wird sehr deutlich, dass Austausch und Vernetzung erstens gewollt und zweitens über alle Hierarchieebenen hinweg gefördert werden. Das mag sicherlich auch daran liegen, dass es sich laut dem Experten um eine „überschaubare Region“ handelt, die strukturell gut erfassbar ist. Ein weiteres Kriterium für die funktionierende Zusammenarbeit sei, dass die Akteur*innen vielfach auf gemeinsame Erfahrungen und Erfolge in den unterschiedlichsten Kontexten zurückgreifen könnten. „Jeder kennt jeden, mindestens über zwei Ecken. Aus Sicht des Experten funktioniert dieses Vorgehen für die Fallkommune gut, da alle relevanten Akteure stets motiviert in eine Zusammenarbeit einsteigen, vor allem dann, wenn neue Ideen und Projekt angestoßen werden. Auch Wettbewerb sei, neben den Erfahrungen aus der guten Zusammenarbeit in vorherigen Projekten, eine gute Motivation: „[…] wenn es der eine nicht macht, macht es halt der andere. Also, ein bisschen Wettbewerb ist dann halt schon noch da“. Der Wettbewerb zwischen den Akteuren, aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der Kommune als Ganze scheint ein großer Motivator für die Zusammenarbeit unter den Akteuren zu sein.

Strategische Ziele entwickeln sich hier oftmals aufbauend auf einer regionalen Bestands- und Bedarfsanalyse. So werden „alle erstmal zusammen an einen Tisch geholt […]“, woraus häufig neue Ideen, Kooperationen und Projekte entstehen. Grundlage der bestehenden Kommunikations- und Netzwerkstrukturen bilden meist informelle Gegebenheiten, geprägt durch rahmengebende institutionalisierte Strukturen. Formalisierte und strategisch untermauerte Kooperationsstrukturen entstehen dann ggf. über die Zeit, vorangetrieben insbesondere durch formulierte Bedarfe aus der Region.

Bei vielen der dargestellten Vorhaben und neuen Projekten ist der regionale Rückhalt von der politischen Spitze gegeben. „Also, da gibt es wirklich auf allen Ebenen Austauschformate, Und dann habe ich eigentlich noch nie erlebt, dass wenn wirklich etwas Sinnvolles vorangebracht werden soll, dass das [von der politischen Spitze, Anm.] dann abgelehnt wird“.

Bestehende formalisierte Kooperationsstrukturen stellen eine wichtige Rahmung, in dem alle relevanten Akteur*innen regelmäßig zusammenkommen können. Jedoch seien Arbeits- und Umsetzungsstrukturen, sehr komplex und wenig auf die praktische Arbeit zu übertragen, so dass das übergeordnete Ziel des Netzwerkes wenig Umsetzung findet. Aus dieser Perspektive tragen diese Strukturen gleichwohl dazu bei, dass die Akteur*innen regelmäßig zusammenkommen und neue Aktivitäten angestoßen werden. Das lang gewachsene Netzwerk fungiert hier als Initiator.

(4) Allgemeines und Ausblick
Die Auswertung des Interviews vermittelt ein gutes Bild der alltagsrelevanten Themen und Herausforderungen in der Region. Die größten Herausforderungen sieht der kommunale Experte darin, den Landkreis als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig zu halten. Große Herausforderungen, die sich stellen, sind der demografische Wandel, und die Digitalisierung, sowie das frühzeitige Reagieren auf gesellschaftliche Herausforderungen wie Migration und Integration, um nur einige zu nennen. Außerdem stellt eine wichtige Aufgabe dar, die berufliche Bildung, neue Kooperationen mit der Hochschule und die Einbeziehung internationaler Fachkräfte als Mittel zur Fachkräftesicherung weiter zu entwickeln. Einen großen Schwachpunkt in der Region sieht der Experte in der Infrastruktur, hier das Verkehrsnetz und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, sodass es Ziel sein sollte diese bedarfsgerecht zu gestalten.

Die Rolle der Regionalentwicklung wird mit der eines Querschnittsakteurs beschrieben, welcher Herausforderungen qua Auftrag systematisiert und die entsprechend von zugeteilten Akteur*innen bearbeitet werden.

Großes Potential in der Region sieht der Experte in der dynamisch, flexiblen und stets motivierten Zusammenarbeit unter den Akteur*innen, außerdem in der Vorgehens- und Arbeitsweise auf Grundlage gewachsener Zusammenarbeit. Selten steckt jedoch eine initiierende regionale Strategie dahinter. Die Zusammenarbeit mit weiteren Lehr- und Bildungsorten zur erhöhten Verzahnung der Bildungsbereiche, auch über die Ausbildung hinausgehend, scheint hier besonders nennenswert.

Die Kommunalverwaltung wird auf der Arbeitsebene des Experten als wünschenswerte begleitende Unterstützung bei bereits angestoßenen Projekten beschrieben. Einen weitaus größeren Einfluss scheint die Wirtschaftsförderung und deren Arbeitsbereiche zu haben.

4 Zusammenführung der Ergebnisse und Einordnung

Die beiden Interviews geben Einblicke in die Gestaltung von Kooperations- und Kommunikationsstrukturen zwischen beruflicher Bildung und Regionalentwicklung und beleuchten, wie sich eine gemeinsame Bearbeitung der beiden Bereiche auf kommunaler Ebene praktisch darstellt, wie sich diese Kooperationen kommunikativ und strukturell ausgestalten und welche Rolle der Kommunalverwaltung als möglichem koordinativem Akteur dabei zu Teil wird.

Die regional vorherrschenden Themen sind in beiden Fallkommunen, wenn auch mit unterschiedlicher Priorisierung, sehr ähnlich. Beide Akteure sprechen aktiv steigende gesellschaftliche Herausforderungen für Landkreise an (Abwanderung, Fachkräftemangel, Geflüchtete und Migration, Mobilität, Digitalisierung, Standortsicherung und -marketing). Dabei scheinen Wettbewerbsfähigkeit und eine hohe Identifikation mit der Region ein entscheidender Motivator für das Engagement in der gemeinsamen Bearbeitung vieler Themen zu sein.

In der Einschätzung von Herausforderungen für die berufliche Bildung äußern sich die Experten kritisch gegenüber der zunehmenden Akademisierung. Zwar ordnen beide die dadurch neu gewachsene Zusammenarbeit mit weiteren Bildungsanbietern (wie Hochschulen) positiv ein, dennoch solle eine Gleichwertigkeit von beruflicher und hochschulischer Bildung und eine Orientierung an regionalen Bedarfen stärker in den Blick genommen werden. Einer Verknüpfung beider Bereiche lasse sich besser begegnen, wenn bestehende Strukturen neu gedacht und Rahmenbedingungen flexibler gestaltet werden könnten.

Unterschiede zwischen beiden Kommunen bestehen, wie eingangs beschrieben, vor allem in der Sozial- und Infrastruktur (). Das könnte auch ein Grund dafür sein, dass die zunehmende Bedeutung von Formalisierungs- und Strategieprozessen in beiden Kommunen unterschiedlich stark zu wachsen scheint. Ebenso zeigen sich Unterschiede in den gestalterischen Rahmenbedingungen der beiden Themenfelder, sichtbar in den jeweiligen Organisationsformen von Regionalentwicklung, Wirtschaftsförderung und Akteur*innen aus beruflicher Bildung und Kreisverwaltung.

Regionalentwicklung wird in beiden Fallkommunen als wichtiges Handlungsfeld und die berufliche Bildung als ein zentraler Standortfaktor angesehen. Bei der Einordnung der Experteninterviews liegt es nahe, zunächst zu unterscheiden, was genau aus Sicht der Befragten unter dem Begriff ‚Regionalentwicklung‘ gefasst wird. In den Gesprächen wird Regionalentwicklung als diverses Handlungsfeld beschrieben, das schon qua Begriff verschiedenste Themenbereiche umfasst, die für eine infrastrukturell und wirtschaftlich zukunftsfähige Entwicklung einer (ländlich geprägten) Region von Bedeutung sind – sie wird also unbedingt auch in Bezug auf die örtliche Sicherung und Bindung von Fachkräften und damit zusammenhängend beruflicher Bildung verstanden.

Aus dieser Perspektive scheint sich ‚Regionalentwicklung‘ zumindest theoretisch als eine Art koordinatives und planerisches Dach anzubieten. Deutlich wird dies beispielsweise in Aussagen des Experten aus der Fallkommune II , die übergeordnete, aber miteinander in Beziehung stehende Themen (wie die Planung von einerseits Unterbringung und andererseits Beschulung von Geflüchteten im Landkreis) als „regionalentwicklerisches Thema“ beschreiben. Für die duale berufliche Bildung wird der Vernetzung und Kooperation mit regionalen Wirtschaftsakteuren und Wirtschaftsförderung besondere Bedeutung zugeschrieben.

Bei einer Gegenüberstellung der regionalen Strukturen und Organisationsformen der Regionalentwicklung wird deutlich, dass den in den betrachteten Kommunalverwaltungen verorteten Fachbereichen für Regional- oder Kreisentwicklung eine geringere Gestaltungsbedeutung zugeschrieben wird, als den Netzwerken aus Regionalentwicklungsgesellschaft, beruflicher Bildung und örtlicher Wirtschaft. Hier wird von dynamischeren Netzwerken und kleineren, informell verbundenen Personenkreisen gesprochen, die aus persönlicher Motivation und Engagement heraus Themen proaktiv angehen. Formalisierte Netzwerke und Gremien der Kreisverwaltung werden eher als begleitende Unterstützung oder Plattform für darüberhinausgehende Vernetzung genutzt.

Auch die Grundlage für bestehende Kommunikations- und Netzwerkstrukturen sind größtenteils informeller Natur und die Formalisierung von Kooperation und Kommunikation in der arbeitspraktischen Realität ist eher niedrig. Hier spielen informelle Kommunikation und Vernetzung durch persönliches Kennen, persönliche Motivation (durch Identifikation, bisherige Erfolge oder Wettbewerbsdruck) und ein dadurch gewachsenes Gemeinschaftsgefühl eine starke Rolle. Die Gestaltung von Kooperations- und Kommunikationsstrukturen ist, neben gewachsenen Netzwerkstrukturen, eng mit engagierten Personen in Schlüsselpositionen und politischer Rückendeckung verbunden.

Explizite Strategien (wie Leitbilder, Visionen, Entwicklungs- und Handlungskonzepte) scheinen in diesen Netzwerken über die Zeit aus informellen Strukturen und anlassbezogener Kooperation gewachsen zu sein und sich in mehr oder weniger gefestigte Routinen oder gar institutionalisierte Strategien hineinentwickelt zu haben. Vorangetrieben vermutlich durch wachsende Bedarfe mit dahinterliegendem Handlungsdruck (in diesem Fall Fachkräftesicherung in ländlich geprägten Kommunen), sind diese in öffentlichkeitswirksame Teilstrategien oder übergreifende Strategien kumuliert, aus denen regelmäßige Bestandsaufnahmen, Handlungsmaßnahmen und Steuerungsgremien hervorgegangen sind. Ein Beispiel dafür wäre eine Anbindung der Bedarfe und Akteur*innen der dualen Ausbildung an ‚regionalentwicklerische‘ Konzepte. Eine beidseitige Annäherung könnte helfen, Konzepte auf die jeweilige Arbeitspraxis übertragbar zu machen.

Im Hinblick auf die Verbindungen beider Themenbereiche zeigen die Interviews, dass Netzwerke örtlicher Wirtschaft die Zusammenarbeit mit den praktischen Arbeitsbereichen der dualen Ausbildung besonders prägen, getragen von informell verbundenen Personenkreisen vor Ort. Das bestätigt, dass informelle personenbezogene Vernetzung und ein durch persönliche Motivation geprägtes gemeinsames Verantwortungsgefühl von großer Bedeutung für funktionierende Kooperationen sind. Gleichwohl birgt diese Form der Vernetzung auch die Gefahr, dass bei Fehlen derselben oder personeller Fluktuation Themen und Vorhaben nicht weiterverfolgt werden oder versanden. Aus dieser Perspektive kann ein institutionalisierter gemeinsamer Handlungsrahmen mit übergreifenden Zielformulierungen und damit einhergehenden Handlungszielen stabilere (und weniger personengebundene) Kooperations- und Steuerungsstrukturen schaffen. Dieser kann sowohl persönliches Engagement und Motivation für eine gemeinsame Verantwortung stärken, als auch regelmäßige Arbeitsprozesse und Zuständigkeiten ausdefinieren (vgl. Kühl 2016, 86).

Eine umfassende Regional- oder Kreisentwicklungsplanung könnte durch eine leitbildgebende oder gar strukturelle und ressourcenbezogene Zusammenführung verschiedener Aufgaben einen Rahmen für übergreifende Zukunftsplanungen von Kommunen bilden und eine integrierte Perspektive gewährleisten. Der Deutsche Landkreistag beschreibt auf dieser Grundlage Kreisentwicklungskonzepte als wichtiges Instrument für kommunale Abstimmung: „Leitgedanke sollte die Zielvorstellung sein, eine Zukunftsvision zu entwickeln. Dieser Prozess ist damit eine abgestimmte Bündelung von Einzelkomponenten auf konzeptioneller Ebene, so dass einzelne Fachplanungen z. B. in den oben genannten Themenfeldern darauf aufbauen können“ (DLT 2011, 10).

Welche Chancen sich durch eine Integration auch von (beruflicher) Bildung mit Regional- oder Kreisentwicklung bieten kann, zeigen Beispiele aus der langjährigen kommunalen Praxis. In einigen Landkreisen werden Kreis- und Regionalentwicklung als ganzheitlicher und fachbereichsübergreifender Planungsansatz verstanden, in dem Bildung als ein zentrales Regionalentwicklungsfeld neben anderen in einem gemeinsamen Konzept festgeschrieben ist. Neben dieser leitbildgebenden Funktion finden sich davon ausgehende strukturelle Verankerungen, beispielsweise in einem Patenmodell, welches den ständigen fachlichen Austausch zwischen den zuständigen Fachbereichen für Regionalentwicklung und Bildung gewährleistet (vgl. Jürgens 2022, 27f.). Oder in einem umfassenden Kreisentwicklungsprogramm, das strategische und handlungsleitende Ziele festschreibt und das Zielsystem schrittweise in den Haushaltsplan und das Controlling übernimmt. Mit diesen Schritten dient ein solches Programm kontinuierlich als Leitbildgeber wie auch als Arbeitsgrundlage für die Praxis (vgl. Kreis Steinfurt 2023).

In diesen Fällen gestaltet die Kommune in abgestimmter planerischer Funktion Vorhaben im Bildungsbereich mit Partnern sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kreisverwaltung entscheidend mit.

5 Fazit und Ausblick

Regionalentwicklung und berufliche Bildung sind multidisziplinär. Auf der einen Seite ist Bildung in Form von Bildungseinrichtungen als Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, sozialer Infrastruktureinrichtungen zu sehen. Auf der anderen Seite tangiert das Thema Bildung im Zusammenhang mit Regionalentwicklung, Regionalplanung und Raumordnungspolitik Bereiche der öffentlichen Infrastruktur, der wirtschaftlichen regionalen Standortsicherung in Bezug auf die regionale Attraktivität für Wohnbevölkerung und Wirtschaftsbetriebe (vgl. Weishaupt 2002, 186).

Die Vernetzung und Verzahnung kommunaler Handlungsbereiche, die ggf. nicht originär zusammen gedacht werden, gewinnt an Bedeutung. Dabei spielen kooperative Mischformen, hier innerhalb der Kreisverwaltung, Regionalentwicklungsgesellschaft und weiteren Akteuren in der Kommune, eine entscheidende Rolle.

In der Praxis denken viele Akteur*innen ‚Regionalentwicklung‘ als breites Thema, unter welchem sich verschiedenste Zukunftsthemen integrieren lassen. Auf struktureller Ebene gestaltet sich das aber unterschiedlich. Es finden sich nicht immer strategisch ausgerichtete, verstetigte Strukturen in der Kommunalverwaltung, sondern häufig Netzwerke und informelle Verbindungen, die vor allem außerhalb der Kreisverwaltung wirksam sind, oder eine Verbindung mit anderen Akteuren, hier v. a. der Wirtschaft, darstellen. Diese Netzwerke fußen dann oft auf informeller Kommunikation und sowohl Qualität als auch Beständigkeit der Kooperation scheinen stark abhängig von Personen zu sein.

Um die damit verbundene Gefahr zu umgehen, lohnt ein Blick über den Tellerrand: Viele Kommunen haben Instrumente der Kreis- und Regionalentwicklung bereits als konzeptionelle Grundlage erkannt, um den immer komplexer miteinander verflochtenen Herausforderungen zu begegnen – so auch als sinnvolles Handlungskonzept zur Gestaltung (beruflicher) Bildung vor Ort.

Weiter zu verfolgende Fragen wären, ob jenen informellen und personenbezogenen Kooperationsformen in kleineren Gebietskörperschaften mit entsprechender räumlicher und sozialer Nähe mehr Bedeutung zukommt als in größeren Kontexten. Auch wäre interessant zu untersuchen, ob und wie stark sich diese Ausprägung auf die Entwicklung institutionalisierter Struktur- und Strategieprozesse auswirkt. Ebenso dürfte die kommunale Finanzlage bei der Betrachtung von (teilweise ressourcenintensiven) Struktur- und Strategieprozessen eine Rolle spielen.

Literatur

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Zitieren des Beitrags

Mühlig, C./Schäfer, E. (2023): Berufliche Bildung als Handlungsfeld der Regionalentwicklung – Eine kommunale Steuerungsaufgabe? In: bwp@ Berufs- und Wirtschafts­päda­gogik – online, Ausgabe 44, 1-18. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe44/muehlig_schaefer_bwpat44.pdf (22.06.2023).