bwp@ Spezial PH-AT2 - April 2023

Diversität in der Berufsbildung in Österreich, Deutschland und der Schweiz – Perspektiven aus Forschung, Entwicklung und Bildungspraxis

Hrsg.: Sabine Albert, Karin Heinrichs, Ingrid Hotarek & Sabine Zenz

Diagnostik in der beruflichen Bildung – Ergebnisse eines Literaturreviews

Beitrag von Maximilian Schöner & Silke Trumpa
Schlüsselwörter: Diagnostik, berufliche Bildung, Heterogenität, Literaturreview

Der Beitrag bietet einen Überblick über die Ergebnisse eines systematischen Literaturreviews zum Thema Diagnostik in der beruflichen Bildung aus den Jahren 2016 bis 2021. Diagnostische Kompetenzen ermöglichen Lehrkräften, individuelle Lernvoraussetzungen von Schüler*innen als Ausgangslage von Lernprozessen zu verstehen und bei der Planung und Durchführung von Unterricht zu berücksichtigen. Dies erscheint insbesondere vor dem Hintergrund einer zunehmend heterogenen Schülerschaft in den Schulformen der beruflichen Bildung und dem Anspruch auf inklusive Beschulung von besonderer Bedeutung. Über die Recherche in einschlägigen Datenbanken wurden zu dieser Thematik 13 Forschungsarbeiten aus Deutschland identifiziert. Diese werden im Beitrag mit ihren zentralen Ergebnissen vorgestellt und mit Bezug auf Diagnostikverständnis, Verortung des fokussierten beruflichen Fachbereichs und der Schulform sowie der gewählten forschungsmethodischen Zugänge ausgewertet. Es offenbaren sich dabei Desiderate, die Anknüpfungspunkte für die Forschung zur Diagnostik in der beruflichen Bildung und für die Lehrer*innenbildung aufzeigen sowie Impulse für einen professionellen Umgang mit Heterogenität und Diversität bieten.

Diagnostics in vocational education – Results of a literature review

English Abstract

The article provides an overview of the results of a systematic literature review on the topic of diagnostics in vocational education from 2016 to 2021. Diagnostic skills enable teachers to assess individual educational prerequisites as the starting point of individualized learning processes and to consider them in their planning and teaching. This seems to be particularly important given the increasing diversity of students in vocational education, as well as the legal requirement for inclusive schooling. A systematic search in the relevant databases resulted in the identification of thirteen research articles from Germany of interest to this review. Each paper is presented regarding its key findings, its respective understanding of diagnostics, the kind of vocational schooling as well as the research methodology. The review identifies several gaps in existing research, which point to further needs for research on diagnostics in vocational education and teacher education. It also gives impetus to further professionalization in dealing with diversity in vocational education.

Einleitung

Etwa ab der Jahrtausendwende lässt sich im bildungswissenschaftlichen Diskurs eine vermehrte Verwendung der Begriffe Heterogenität und Diversität beobachten. Gründe dafür werden in gesellschaftlichen Entwicklungen wie Globalisierung und Migration gesehen, aber auch in der Zunahme international vergleichender Bildungsstudien sowie der Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2006, durch die der Inklusionsbegriff an Präsenz gewann (vgl. Walgenbach 2017, 51).

Für den berufsbildenden Kontext lassen sich zwei spezifische Faktoren finden, die die Auseinandersetzung mit Heterogenitätsdimensionen besonders relevant erscheinen lassen: gesunkene Anforderungen an Auszubildende als Reaktion auf niedrige Bewerber*innenzahlen bei gleichzeitiger Diversifizierung von Bildungsbiografien und Lernausgangslagen durch eine gestiegene Anzahl an geflüchteten Menschen und Studienabbrecher*innen (vgl. Euler/Severing 2020, 8f.). Entsprechend bedeutsam ist die Frage nach dem Umgang mit Heterogenität in Unterricht und Betrieben für die Berufspädagogik. Erschwert wird dies jedoch dadurch, dass berufliche Bildung als Sammelbegriff für eine Vielzahl verschiedener Schulformen genutzt wird – enthalten sind u. a. berufliche Schule des Übergangs, berufliches Gymnasium, schulische Vollzeitausbildung und duale Ausbildung. Diese variieren im Einzelnen nicht nur zwischen den deutschsprachigen Ländern, sondern auch innerhalb des föderalen deutschen Bildungssystems und können sich sowohl in staatlicher wie auch in privater Trägerschaft befinden. Die deutsche Kultusministerkonferenz (KMK) setzt zur Bearbeitung dieser Frage auf individuelle Förderung als „Maxime für die Beschulung einer an Diversität zunehmenden Schülerschaft im beruflichen Bildungssystem” (KMK 2020, 2). Individuelle Förderung basiere dabei auf dem Anspruch auf Chancengerechtigkeit und der Wahrnehmung der Lernausgangslage jedes Individuums (vgl. ebd., 3).

Eine Ausrichtung des Unterrichts setzt eine geeignete Diagnostik voraus, durch die Lernprozesse adaptiv geplant und durchgeführt werden können (vgl. Burda-Zoyke/Naeve-Stoß 2019). Trotz dieses Zusammenhangs liegen aktuelle empirische Befunde zum Thema Diagnostik in der beruflichen Bildung nur begrenzt vor. Welche Erkenntnisse dazu aus den letzten fünf Jahren erfasst sind bzw. aus welchen Perspektiven das Thema beforscht wurde, fasst der vorliegende Beitrag in einem systematischen Literaturreview für die Jahre 2016 bis 2021 zusammen. Damit wird das Ziel verfolgt, einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand in Deutschland zu präsentieren, Forschungsdesiderate aufzuzeigen sowie Implikationen der wissenschaftlichen Betrachtungsperspektive und Anknüpfungspunkte für die Praxis und die Lehrer*innenbildung zur Diskussion zu stellen.

2    Theoretischer Hintergrund

2.1  Diagnostik

Diagnostik ist von unterschiedlichen, teils kontroversen Perspektiven beeinflusst und hat vor allem in den 1970er Jahren einen Wandel durchlaufen (vgl. Gloystein/Barth 2021, 238ff.; Ziemen 2016, 43; Kornmann 2018, 207ff.). Das ursprüngliche Verständnis von Diagnostik ist medizinisch und defizitorientiert geprägt und wurde durch subjektorientierte Modelle erweitert. Dadurch entwickelte sich die Förderdiagnostik als Grundstein pädagogischer Diagnostik, die erziehungswissenschaftliche Bezüge in das Zentrum diagnostischen Handelns stellt (vgl. Schiefele/Streit/Sturm 2019, 30). „Pädagogische Diagnostik umfasst alle diagnostischen Tätigkeiten, durch die bei einzelnen Lernenden und den in einer Gruppe Lernenden Voraussetzungen und Bedingungen planmäßiger Lehr- und Lernprozesse ermittelt, Lernprozesse analysiert und Lernergebnisse festgestellt werden, um individuelles Lernen zu optimieren” (Ingenkamp/Lissmann 2008, 13). Entsprechend handelt es sich heute um ein weites und facettenreiches Verständnis von Diagnostik in pädagogischen Zusammenhängen, das keiner einheitlichen Konzeption folgt.

Diagnostische Konzepte lassen sich je nach Ziel, Gegenstand und Methode in unterschiedliche Kategorien unterteilen (vgl. Aufschnaiter et al. 2015). So wird zum Beispiel zwischen Test- und Statusdiagnostik, Förder- und Lernverlaufsdiagnostik differenziert (vgl. Breitenbach 2020, 16). Testdiagnostik verfolgt primär das Ziel, Vergleichbarkeit herzustellen. Häufig ist dies mit Zuteilungsprozessen verbunden, wie beispielsweise der Empfehlung einer bestimmten Schulform oder einer Leistungsgruppe. Zu diesem Zweck werden nach standardisierten, wissenschaftlichen Gütekriterien Testverfahren entwickelt und eingesetzt. Beispiele sind die Hamburger Schreibprobe zur Erhebung der Rechtschreibkompetenz oder der Test TeMaTex zur Überprüfung des mathematischen Textverständnisses. In der Regel wird dabei, ähnlich wie bei einem Intelligenztest, eine bestimmte Kompetenz quantifiziert und mit Hilfe eines Messwertes, entsprechend den erreichten Punkten im Test, angegeben (vgl. Baudson 2014, 69ff.). Förderdiagnostik dagegen ist hinsichtlich der Zielperspektive auf die Erhebung von Förderbedarf sowie die Evaluation von Fördermaßnahmen ausgerichtet. Pädagogische Arbeit wird dabei mit Hilfe qualitativer und sensibler Instrumente begleitet, wie beispielsweise Portfolios oder Lerntagebücher. Im Zentrum stehen dabei nicht nur feststehende Merkmale oder Kompetenzen der einzelnen Lernenden, sondern auch das Lernumfeld, inklusive der Beziehung zwischen Schüler*in und Lehrer*in (vgl. Kornmann 2018, 219ff.). Bei der Lernverlaufs- oder Lernprozessdiagnostik finden Leistungsmessungen in der Regel in Form kürzerer Tests oder Lernaufgaben zu unterschiedlichen Zeitpunkten statt, um den Lernverlauf zu dokumentieren und Informationen über diesen zu gewinnen. Diese diagnostische Form ist im Gegensatz zur Förderdiagnostik noch nicht mit Maßnahmen der Förderung verbunden (vgl. Breitenbach 2020, 16; Hascher 2008, 75ff.). Die Übergänge können, vor allem zwischen Förder- und Lernverlaufsdiagnostik, fließend sein. Daher gibt es auch hier unterschiedliche Systematisierungsversuche (vgl. Hascher 2008; Schiefele/Streit/Sturm 2019), die konstituierend für die Komplexität des Diskurses zu Diagnostik sind.

2.2  Theoretische Konzepte zu Diagnostik in der Berufsbildung

Forderungen an eine förderbezogene Diagnostik finden sich implizit in theoretischen Konzepten zum Umgang mit Heterogenität oder inklusivem Unterricht, auch wenn die Begrifflichkeit dabei oft nicht verwendet wird. So betonen zum Beispiel Burda-Zoyke und Naeve-Stoß (2019, 116ff.), dass individuelle Lernausgangslagen sowohl bei der Planung von einzelnen Stunden, Unterrichtsreihen als auch bei der Curriculum-Arbeit berücksichtigt werden sollten. Zu diesem Zweck wird die Planung einer Unterrichtseinheit zu Beginn eines neuen Lernfeldes empfohlen, in der sich Vorwissen und Bezüge der Lernenden zeigen. In weiteren Unterrichtsstunden sollen die Rolle und Sozialisation der Lernenden im Betrieb reflektiert und Heterogenität selbst zum Thema gemacht werden (vgl. ebd.). Diese förderbezogene Perspektive findet sich auch in Konzepten der Subjekt- und Lebensweltorientierung. So wird beispielsweise die Frage gestellt, wie Lebenswelten der Schüler*innen in den Unterricht beruflicher Schulen eingebunden werden können, um die Beteiligung der Lernenden am Unterricht zu intensivieren (vgl. Spott/Burda-Zoyke 2020, 20ff.).

Neben diesen Konzepten, die auf individuelle Förderung und Subjektorientierung zielen, findet sich in der Berufspädagogik vorwiegend ein an Testdiagnostik orientiertes Verständnis. So wird im Handbuch berufspädagogische Diagnostik (Stegmann/Schwarz 2013, 23) der Prozess in drei Schritten erklärt: „(1) Die genaue Bestimmung dessen, was und wie gemessen werden soll, (2) die Messung selbst und (3) die Interpretation der Messwerte in Bezug auf eine Norm oder einen empirischen Vergleichswert”. Begrifflichkeiten wie „Messung”, „Norm” und „Vergleichswerte” deuten hier auf ein eher technisches, auf Testdiagnostik gerichtetes Verständnis hin. Die Möglichkeit, Diagnostik für die Erfassung von Förderbedarf zu nutzen, findet im Handbuch nur eine kurze Erwähnung (vgl. ebd.).

In der berufspädagogischen Diagnostik spielt die Messung von Kompetenzen eine zentrale Rolle. Eine häufig referierte Definition beschreibt diese als „die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, 27f.). Arbeitsorganisatorische Studien und zunehmend komplexere berufliche Aufgaben führten im Laufe der 1980er und -90er Jahre zur Entwicklung von Handlungskompetenz als Leitorientierung in der Berufsbildung (vgl. Nickolaus/Walker 2016, 8ff.). Dies kommt auch in der Einführung des Lernfeldkonzepts zum Ausdruck, das seit 1999 die Struktur der Rahmenlehrpläne der Berufsschule bestimmen soll (vgl. Deitmer 2007, 2). Dementsprechend entwickelte sich auch die Modellierung und Messung von beruflichen Kompetenzen zum Gegenstand von Forschungsprojekten. Die zentrale Problematik ist dabei, dass Kompetenzen nicht direkt beobachtbar, sondern nur über Performanz zu erschließen sind. Während die Teilkompetenz Fachlichkeit mit wissenschaftlichen Gütekriterien messbar erscheint, stellt die ganzheitliche Erfassung beruflicher Kompetenz sowie ihre Teilbereiche, Sozial-, Selbst- und Methodenkompetenz, forschungsmethodisch eine große Herausforderung dar (vgl. Nickolaus/Walker 2016, 12f.).

In diesen exemplarisch vorgestellten Perspektiven kommt das Spannungsfeld zum Ausdruck, in dem sich die Berufsbildung bewegt: Der Bildungsauftrag unterliegt den Einflüssen der Marktwirtschaft und ist mit der Aufgabe konfrontiert, möglichst kompetente Fachkräfte auszubilden. Dabei kommt (messbarer) Handlungskompetenz eine besondere Bedeutung zu, die in Betrieben ökonomisch verwertbar ist. Vertreter*innen einer stärker subjektorientierten Berufspädagogik kritisieren diese Verwobenheit von Markt und Bildung (vgl. Ertl-Schmuck 2010, 61). Denn der Erziehungs- und Bildungsauftrag, der auf Persönlichkeitsentwicklung und Sozialisation abzielt und über die Entwicklung fachlicher Kompetenzen hinausgehe, laufe dabei Gefahr, vernachlässigt zu werden (vgl. Heinrichs/Reinke 2019, 9). So wird in der Handreichung der KMK neben der Vermittlung (berufsfachlicher) Kompetenz auch die Förderung der Fähigkeit und Bereitschaft zum verantwortungsbewussten Handeln als Ziel der Berufsschule genannt (vgl. KMK 2007, 9). Vor dem Hintergrund dieser Widersprüche ist es interessant, wie das Thema in empirischen Forschungsarbeiten konzeptualisiert wird und welche Perspektiven auf Diagnostik darin zum Ausdruck kommen.

3    Fragestellungen & Methodisches Vorgehen

3.1  Forschungsfragen

Das Ziel des vorliegenden Literaturreviews ist es, einen Überblick über empirische Befunde der Jahre 2016 bis 2021 zu Diagnostik in der beruflichen Bildung zu bieten. Neben den konkreten Ergebnissen und ihren Implikationen interessieren dabei die zu Grunde liegenden Perspektiven auf Diagnostik sowie die gewählten methodischen Zugänge. Da das schulische Angebot der Berufsbildung an sich heterogen ist und verschiedene Organisationsformen umfasst, spielt auch die Frage nach der jeweiligen untersuchten Schulform bzw. dem beruflichen Fachbereich eine Rolle, um ggf. Schlüsse aus Repräsentationen ziehen zu können. Konkret liegen dem Review deutscher Studien folgende Forschungsfragen zu Grunde:

(1) Welche empirischen Erkenntnisse liegen in der Berufsbildung zu Diagnostik vor?

(2) Welche Formen von Diagnostik kommen in Studien der Berufsbildungsforschung zur Anwendung?

(3) Welche forschungsmethodischen Zugänge wurden gewählt?

(4) Welche Formen der beruflichen Bildung stehen im Fokus?

(5) Welche Forschungsdesiderate lassen sich aus der Zusammenschau ableiten?

Die Antworten auf diese Fragen bieten einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand in Deutschland und lassen Rückschlüsse auf den aktuellen Diskurs zum Thema Diagnostik in der Berufspädagogik zu.

3.2  Methodisches Vorgehen

Um die oben aufgeführten Fragen zu beantworten, erfolgte die Auswahl geeigneter Studien entlang der PEOD-Kriterien (Population, Exposition, Outcome und Design) (vgl. Khan et al. 2003, 199f.). Die systematische Recherche fand in den einschlägigen Datenbanken FIS Bildung, Eric sowie Bidok statt. Der Hauptsuchbegriff „Diagnostik” wurde dabei mit unterschiedlichen Termini kombiniert: Berufsbildung, Berufliche Bildung, Berufsschulen und Berufsfachschulen. Aufgenommen wurden empirische Studien, die Diagnostik im Kontext beruflicher Bildung untersuchen. Aufgrund der Besonderheiten des deutschen, komplexen Ausbildungssystems wurden ausschließlich Forschungsarbeiten aus Deutschland aufgenommen. Um einen möglichst aktuellen Forschungsstand abbilden zu können, bezieht sich der Review auf Publikationen der letzten sechs Jahre, also von 2016 bis 2021. Stichtag für den Abschluss der Recherche war der 30.11.2021. Auf diese Art und Weise konnten 90 Artikel nach dem Lesen von Titel und Abstract identifiziert werden. Mittels PRISMA-Richtlinien (vgl. Moher et al. 2009, 877ff.) wurden nach Sichtung der Abstracts und Volltexte letztendlich 13 Texte ausgewertet, die im Hinblick auf die Einschlusskriterien als geeignet beurteilt wurden. 15 weitere thematisch verwandte Studien konnten keine Antworten auf die Forschungsfragen liefern, da Diagnostik entweder nicht im Zentrum der Untersuchung stand oder kein expliziter Bezug zur beruflichen Bildung bestand.

4    Ergebnisse

Die folgende Tabelle zeigt einen Überblick über die analysierten Forschungsarbeiten:

Tabelle 1:     Studien

Quelle

Zentrale Forschungsfrage

Design

Zentrales Ergebnis

Balkenhol 2016

Wie kann Lesen im beruflichen Handlungskontext modelliert und erfasst werden? 

Eignet sich der entwickelte Test zur Messung der beruf­lichen Handlungskompetenz?

Quantitativ: Querschnittstudie mit 1.632 Schüler*innen verschiedener beruflicher Fachrichtungen (Gesundheit, Elektro/Technik, Verwaltung)

Entwickelte Testitems decken die berufliche Komponente der Lese­fähigkeit nicht auseichend ab; keine vollständige Validierung möglich

Burda-Zoyke/Joost 2018

Welche Einstellungen zu Inklusion haben Lehrer*innen an beruflichen Schulen?

Wie gehen Lehrer*innen an beruflichen Schulen mit Her­aus­forderungen in den Hand­lungsfeldern Diagnostik und individuelle Förderung um? 

Qualitativ: Inhaltsanalyse von Leitfadeninterviews mit 26 Lehrkräften verschiedener Schulformen und Fachrichtungen 

Überwiegend positive Einstellun­gen zu Inklusion; Diagnostik vor allem als Erfassung der Aus­gangs­lagen zu Beginn; Geäußerte Überforderung der Lehrer*innen in Bezug auf Diagnostik und Differenzierung 

Dietzen et al. 2016

Wie können sozial-kommunikative Kompetenzen bei auszubildenden Medizi­nischen Fachangestellten (MFA) modelliert und gemessen werden?

Qualitativ: inhaltsanalytische Auswertung von Gruppen­dis­kus­sionen mit MFA, ärztlichem Personal und Auszubildenden (insgesamt 13 Teilnehmer*in­nen) und Dokumentenanalysen von Rahmenlehrplänen und Prüfungsordnungen

Entwicklung eines Situational Judgement Tests, basierend auf videographisch dargestellten beruflichen Handlungssitua­tionen; keine Validierung durch­geführt

Döring et al. 2016

Wie kann Handlungskompe­tenz in der Pflege modelliert und technologiebasiert gemessen werden?

Eignet sich der entwickelte Computertest zur Messung beruflicher Handlungskompe­tenz in der Pflege?

Mixed Methods: 
Interviews mit Expert*innen aus der Pflegepädagogik sowie Curriculumanalysen;

Querschnittstudie an 402 Auszubildenden

Auf videografierten Handlungs­situationen basierender, neu entwickelter und validierter Test

Egloffstein et al. 2016

Wie kann die Problemlöse­kompetenz in der Ausbildung von Industriekaufleuten modelliert und gemessen werden?

Mixed Methods: Modellierung auf Basis von Dokumenten­analysen, Rahmenlehrplänen, Stellenbeschreibungen; Inter­views mit 17 Industriekauf­leuten; Online-Fragebögen von 777 Auszubildenden

Entwicklung eines auf Hand­lungssituationen basierenden Computertests (TeBaDoSLA) zur Messung der Problemlöse­kompetenz; keine Validierung durchgeführt

Geisler/Niet-hammer 2019

Welche Bedarfe, Herausfor­derungen, Professionsverständ­nisse und Handlungsstrategien im Umgang mit Heterogenität in berufsbildenden Schulen sind in der Schulpraxis bereits identifizierbar? 

Qualitativ: Inhaltsanalytische Auswertung von 49 Leitfadeninterviews mit Lehrkräften

Kaum systematische Vorgehens­weisen und Gefühl unzureichen­der Qualifikation zu Diagnostik und Differenzierung bei Lehrer*innen

Holtmann/Kra-nert/Stein 2020

Welche Items des Youth-Self-Report-Tests (YSR) eignen sich zur Erhebung von Belastungssituationen von Berufsschüler*innen? 

Quantitativ: Querschnittstudie und Faktorenanalyse an 238 Berufsschüler*innen in Bayern aus verschiedenen Fachrichtungen

Etwa die Hälfte der Items des YSR zur Erhebung von Belastungssituationen bei Berufsschüler*innen geeignet

Keimes/Re-xing/Drescher 2018

Inwiefern eignet sich das Modell der didaktischen Rekon­struktion um Vorstel­lungen von Schüler*innen zu einem bestimmten Thema sichtbar zu machen und Anknüpfungen für inklusiven Unterricht herzustellen? 

Qualitativ: Inhaltsanalyse von Interviews mit 35 Auszubilden­den der Dachdeckerausbildung

Modell der didaktischen Rekonstruktion als Zugang zu Vorstellungen von Schüler*innen geeignet; Anschlussfähigkeiten für Unterricht werden klarer

Knappich 2017

Eignet sich der entwickelte Test CareMaTex zur Messung von mathematischem Textverständnis von Altenpflegeschüler*innen? 

Quantitativ: Querschnittstudie mit 664 Altenpflege­schüler*innen 

Validierung des CareMaTex-Tests; Schüler*innen mit (Fach)Hochschulreife mit besseren Ergebnissen als Schüler*innen mit Haupt- oder Realschulabschluss

Ohlemann/Ittel 2018

Wie kann die Berufswahlkom­pe­tenz von Schüler*innen gemessen werden?

Quantitativ: Querschnittstudie an 1.056 Schüler*innen deutschlandweit aus verschiede­nen Schulformen

Test validiert; trennscharfe Unter­scheidung von drei Gruppen mit unterschiedlichen Mustern: geringe, mittlere und hohe Berufs­wahlkompetenz 

Schlömer 2017

Wie kann berufliche Kompetenz im Ausbildungsberuf Produktdesigner*in modelliert und gemessen werden? 

Qualitativ: Dokumenten-analysen von Rahmenlehrplänen und Prüfungsordnungen; Inhaltsanalyse von Interviews mit Produktdesigner*innen: Entwicklung eines Tests; Evaluation durch Berufsschullehrer*innen

Entwicklung eines Papiertests basierend auf den Ergebnissen; konsequentielle Validierung; Evaluation durch Interviews positiv

vier empirisch erhobene Kompe­tenzbereiche: (1) Ideen ent­wickeln, (2) Konstruktionen prüfen, (3) Ideen umsetzen, (4) Ergebnisse kommunizieren/ präsentieren 

Tschöpe 2020

Wie kann Beratungskompetenz im Ausbildungsberuf Bank­kauf­mann/-frau modelliert und gemessen werden?

Eignet sich der entwickelte Test zur Messung der Beratungskompetenz?

Mixed Methods: Qualitative Inhaltsanalyse der beruflichen Anforderungen (Dokumenten­analyse, 21 Expert*innen­interviews), Überprüfung des Tests an 300 Auszubildenden zum*zur Bankkaufmann*-frau am Ende der Ausbildung 

Entwicklung eines validierten Situational Judgement Tests

Vonken et al. 2020

Wie versuchen Lehrer*innen an beruflichen Schulen Zugang zu den Lebenswelten der Schüler*innen zu finden und an diese anzuknüpfen? 

Qualitativ: Inhaltsanalyse leitfadengestützter Interviews mit 24 Lehrer*innen an unter­schiedlichen beruflichen Schul­formen 

Zugänge über Gespräche mit Schüler*innen, Gespräche mit dritten Personen, Beobachtungen, Dokumente;

Lehrer*innen äußern zum Teil Überforderungen mit dem Zugang zu Lebenswelten 

Empirische Ergebnisse

In acht von 13 Studien wurde die Konzeption eines Testverfahrens zur Kompetenzdiagnostik angestrebt. Der Ablauf ist in diesen Forschungsarbeiten so gestaltet, dass zunächst die jeweilige Facette von Kompetenz modelliert wird. Dazu werden entweder Bezüge aus der Literatur (vgl. Balkenhol 2016) oder qualitative Daten in Form von Interviews mit Expert*innen (vgl. Dietzen et al. 2016; Döring et al. 2016), Dokumentenanalysen (vgl. Tschöpe 2020; Döring et al. 2016) oder Fokusgruppendiskussionen (vgl. Dietzen et al. 2016) als Vergleichsdimensionen herangezogen. Von den restlichen fünf Studien befassen sich drei mit den Perspektiven von Lehrer*innen und deren angewandter Diagnostik (vgl. Geisler/Niethammer 2019; Burda-Zoyke/Joost 2018; Vonken et al. 2020). Eine Forschungsarbeit nimmt die Vorstellungen von Schüler*innen in den Blick (vgl. Keimes/Rexing/Drescher 2018), eine andere die psychische Belastung von Lernenden an beruflichen Schulen (vgl. Holtmann/Kranert/Stein 2020). Die einzelnen Arbeiten werden im Folgenden skizziert.

Dietzen et al. (vgl. 2016, 99ff.) beschäftigen sich im Projekt CosMed mit der sozialen Kompetenz medizinischer Fachangestellter (MFA). Zentrales Element ist dabei die Entwicklung eines computergestützten Testverfahrens auf der Basis qualitativer Daten. Zu diesem Zweck wurde eine Gruppenfokusdiskussion zwischen 13 Teilnehmer*innen inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Gruppe bestand aus ärztlichem Personal, Medizinischen Fachangestellten (MFA) und Auszubildenden. Zusätzlich wurden Dokumentenanalysen von Rahmenlehrplänen, Prüfungsordnungen und Stellenanzeigen einbezogen. Auf der Basis der gewonnenen Daten entstand ein Modell zur sozialen Kompetenz von MFA. Es umfasst Emotionsregulation, Perspektivenkoordination und Kommunikationsstrategien als Teilkompetenzen. Mithilfe dieses Modells wurde ein sogenannter Situational Judgement Test entwickelt, in welchem kritische Situationen im Berufsalltag in Videos gezeigt, von Auszubildenden eingeschätzt und von einem Team aus Expert*innen bewertet wurden. Die Rückmeldungen der Schüler*innen zum Test fielen überwiegend positiv aus, besonders der hohe Praxisbezug wurde als sinnvoll beschrieben.

Auf ähnliche Art und Weise wurde im Projekt TEMA ein Modell für Handlungskompetenz in der Pflege entwickelt (vgl. Döring et al. 2016). Durch Interviews mit Expert*innen der Pflegepädagogik konnten qualitative Daten gewonnen werden, die ebenfalls die theoretische Basis eines Modells bildeten. Auch dieser Test basiert auf Handlungssituationen, die auf Video zu sehen sind und ausgewertet werden. Es erfolgt eine Unterscheidung in drei Kompetenzbereiche: Bewohner*innen-/Klient*innenbezogene, organisationsbezogene sowie selbstbezogene Kompetenz. Der Test umfasst drei Settings mit zwölf Lernsituationen. Das Verfahren wurde mit einer Querschnittstudie an 402 Auszubildenden des dritten Ausbildungsjahres der Altenpflege in den Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Die Beurteilung der bewohner*innen-/klient*innenbezogenen Kompetenz durch den Test wurde als hinreichend eingeschätzt. Allerdings konnte dieser Kompetenzbereich nicht vom organisationsbezogenen und selbstbezogenen Kompetenzbereich abgegrenzt werden, da die Schnittmenge an erforderlichen Teilaspekten zu hoch war (vgl. Döring et al. 2016, 117ff.).

Für die Berufsausbildung der Industriekaufleute wurde ebenfalls ein diagnostisches Instrument entwickelt. Dieser fokussiert die Problemlösungskompetenz im Fachbereich Controlling. Zur Ermittlung typischer Aufgaben wurden Dokumentenanalysen von Lehrplänen und Ausbildungsordnungen, eine Fragebogenstudie zu Anforderungen an Controller*innen, Tagebuchstudien zu Problemlösung am Arbeitsplatz sowie Interviews mit 17 Expert*innen erhoben und mit der Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Testaufgaben beziehen sich vor allem auf Informationsaufbereitung und Verarbeitung. Ähnlich wie in den bereits dargestellten Forschungsarbeiten wurden Problemszenarien entworfen, die am Computer in Textform bearbeitet werden (vgl. Egloffstein et al. 2016, 133ff.).

Schlömer (2017) entwickelte ein Testverfahren zur Erfassung der Beratungskompetenz in der Ausbildung zu Bankkauffrau/-mann mittels zweier Teilstudien. Die Modellierung geschah auf der Grundlage vorheriger Untersuchungen sowie qualitativer Daten. Diese umfassten die Auswertung beruflicher Prozesse durch Interviews mit Produktdesigner*innen und über eine qualitative Inhaltsanalyse des Ausbildungsrahmenlehrplans. Der aus dem Kompetenzmodell ausdifferenzierte Test wurde mit Hilfe von 17 Expert*inneninterviews positiv evaluiert. Sowohl das Modell als auch der Test gestalteten sich in vier Teilbereichen: Ideen entwickeln, Konstruktionen prüfen, Ideen umsetzen und Ergebnisse kommunizieren und präsentieren.

Auch Tschöpe (2020) nutzte zwei Teilstudien zur Entwicklung eines Tests, und zwar für die Beratungskompetenz von Bankkaufleuten in der Ausbildung. In der ersten Teilstudie wurden 21 Expert*inneninterviews mit Auszubildenden, Ausbildungsgangleiter*innen und Ausbilder*innen durchgeführt. Ergänzend erfolgten Dokumentenanalysen von Rahmenlehrplänen, Prüfungsordnungen und Stellenangeboten. Zweck dieser Studie war eine Anforderungsanalyse in Bezug auf die Aufgaben von Bankkaufleuten, auf deren Basis ein Situational Judgement Test entwickelt wurde. Eine Qualitätsprüfung bei 308 Auszubildenden entlang quantitativer Gütekriterien ergab ein zufriedenstellendes bis positives Ergebnis.

Im Gegensatz zu den bisher dargestellten Forschungsarbeiten lag bei Balkenhol (2016) der Fokus zwar ebenfalls auf Kompetenzdiagnostik, allerdings nicht auf einer konkreten beruflichen Fachkompetenz innerhalb eines bestimmten Berufs. Stattdessen wurde versucht, Lesekompetenz im beruflichen Handlungskontext zu konzeptualisieren und mit Hilfe eines Testinstruments zu messen. Dabei liegt die Annahme zu Grunde, dass sich Lesen im beruflichen Kontext von Lesen im Lernkontext unterscheidet. Das Lesen von Handlungsanweisungen, Formularen oder kurzen Gesetzestexten wurde diesbezüglich als zentral angesehen. Der auf Basis von Literatur entwickelte Test wurde mit 1.632 Schüler*innen verschiedener beruflicher Fachrichtungen (Gesundheit, Elektro/Technik, Verwaltung) in den Bundesländern Hessen, Thüringen und Niedersachsen durchgeführt. Insgesamt beurteilte die Forscher*innengruppe die Items des Tests in dieser Form noch nicht als zufriedenstellend, da eine trennscharfe Beurteilung von beruflicher Lesekompetenz in Abgrenzung zur allgemeinen Lesekompetenz nicht gelang. Dennoch bietet die Arbeit einen wichtigen Ausgangspunkt für eine auf den Berufsalltag zugeschnittene Lesediagnostik.

Das Testverfahren CareMaTex (vgl. Knappich 2017) verfolgt das Ziel, das mathematische Verständnis bei der Bearbeitung von Textaufgaben bei Altenpflegeschüler*innen zu messen. Zu diesem Zweck wurde der bereits existierende Test TeMaTex an die Zielgruppe angepasst und an 664 Altenpflegeschüler*innen zu Beginn der Ausbildung aus 17 bundesweiten Altenpflegeschulen geprüft. Der Test stellte sich als valide heraus. Dabei zeigte sich, dass Haupt- und Realschulschüler*innen im Vergleich zu den Schüler*innen mit Fachhochschulreife und Abitur mit einem geringeren Niveau in die Altenpflegeausbildung einsteigen. Die Empfehlung lautet, diesen angepassten Test als Grundlage für eine Bewerber*innenauswahl zu verwenden.

Die Forschungsarbeit von Ohlemann und Ittel (2018) aus dem Bereich der Kompetenzdiagnostik nahm die Berufswahlkompetenz von Schüler*innen an allgemein- und berufsbildenden Schulen in den Blick. Die Orientierung erfolgte dabei am Berufswahlkompetenz-Modell von Driesel-Lange et al. (2010). Im Konkreten definiert das Modell die drei Dimensionen Wissen, Motivation und Handlung mit zwölf Facetten der Berufswahlkompetenz, deren Entwicklung in einem individuellen Prozess anhand phasentypischer Herausforderungen verläuft. In Abhängigkeit der vier Phasen – Einstimmen, Erkunden, Entscheiden und Erreichen – tritt die Entwicklung unterschiedlicher Kompetenzen in den Vordergrund. Insgesamt wurden mit dem Test 1.056 Schüler*innen deutschlandweit untersucht. Es ließen sich zur Herstellung von Vergleichbarkeit trennscharf drei Gruppen mit unterschiedlichen Entwicklungsmustern identifizieren, die einer geringen, einer mittleren und einer hohen Berufswahlkompetenz entsprachen (vgl. Ohlemann/Ittel 2018, 111ff.).

Die Studie von Holtmann, Kranert und Stein (2020) befasst sich mit psychologischer Diagnostik im Kontext der Berufsbildung. Es wird ein bereits existierendes Instrument zur psychischen Belastung von Jugendlichen bei 238 Schüler*innen beruflicher Schulen in Bayern getestet. Obwohl sich etwa die Hälfte der ursprünglichen Faktoren nicht abbilden, werden dem Youth-Self-Report auch für die berufliche Bildung relevante Aspekte zur Einschätzung des Belastungserlebens zugesprochen.

In einer qualitativen Forschungsarbeit von Geisler und Niethammer (2019) standen die Handlungsstrategien im Umgang mit Heterogenität von Lehrkräften an beruflichen Schulen im Fokus. Die mit leitfadengestützten Interviews erhobenen und codierten Daten wurden in einem Kategoriensystem analysiert, das auf bildungstheoretischen Ansprüchen für die Gestaltung inklusiver Schulen basiert. Die ermittelten Handlungsstrategien wurden dabei den Kompetenzbereichen Unterrichten, Erziehen und Beurteilen zugeordnet. Im Bereich „Beurteilen“ ließen sich wenige konkrete Handlungsstrategien finden, woraus sich ein großer Entwicklungsbedarf für inklusive Diagnostik in der Berufsbildung ableitet (vgl. Geisler/Niethammer 2019, 135ff.).

Das Projekt „Heterogenität und Inklusion im Lehramt für berufsbildende Schulen“ nutzte ebenfalls einen qualitativen Forschungszugang (Burda-Zoyke/Joost 2018). Dieser erschloss neben den Einstellungen von Lehrkräften zu Inklusion auch die Herausforderungen von Diagnostik und Förderung. Es wurden leitfadengestützte Interviews mit 26 Lehrer*innen durchgeführt, die an verschiedenen beruflichen Schulformen und Fachrichtungen in Schleswig-Holstein tätig waren. Im Handlungsfeld Diagnostik lag der Fokus vor allem auf der Erfassung der Ausgangslagen zum Ausbildungsbeginn. Dort kommen Tests im Bewerbungsverfahren oder beim Ausbildungsbeginn als Ergänzung zu Aufnahmegesprächen zum Einsatz. Zweck dieser Verfahren ist eine Einschätzung zur Erreichbarkeit des angestrebten Schulabschlusses sowie eine Identifikation möglicher Förderbedarfe. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Lehrer*innen bei diesen Verfahren selbst oft nicht für ausreichend qualifiziert einschätzen, um Förderbedarfe festzustellen. Daher können sie auf Unterstützung durch Dritte, wie Beratungslehrer*innen und Personal aus Förderzentren, zurückgreifen. Dokumentationen finden nicht in allen Fällen statt, in einigen erfolgen Notizen zu mündlicher Mitarbeit und regelmäßige Gespräche ohne Dokumentation. Kompetenzraster, Portfolios und erstellte sowie übernommene Förderpläne finden allerdings auch Erwähnung. Bezüglich der Förderung werden vor allem Differenzierungsmaßnahmen hinsichtlich der gestellten Aufgaben genannt. Sowohl im Handlungsfeld Diagnostik als auch bei der individuellen Förderung wird auf zeitliche Restriktionen und Mangel an Qualifikation hingewiesen (vgl. Burda-Zoyke/Joost 2018, 13ff.).

Vonken et al. (vgl. 2020, 1ff.) beschäftigten sich in ihrer qualitativen Studie mit Lebensweltorientierung im Unterricht an beruflichen Schulen. Mit einer inhaltsanalytischen Auswertung von 24 leitfadengestützten Interviews wurde versucht herauszufinden, welche Zugänge Lehrkräfte zu den Lebenswelten der Schüler*innen nutzen. Diese Zugänge können als Diagnostik betrachtet werden, da es auch hier um Erkenntnisse über Voraussetzungen und Bedingungen der Lernenden geht (vgl. Ingenkamp/Lissmann 2008, 13). Folgende Zugänge konnten unterschieden werden: (1) Direkt-kommunikative Zugänge, die sich durch unmittelbare Gespräche definieren und mit einer großen Nähe zur Lebenswelt einhergehen, (2) indirekt-kommunikative Zugänge, bei denen das Gespräch mit dritten Personen gesucht wird, (3) Beobachtungen und (4) Dokumentensichtung, wie z. B. Lebenslauf, Förderpläne, bei denen die Distanz zur Lebenswelt höher ist als bei kommunikativen Zugängen. Bei einigen Lehrkräften wurde auch eine Vorgehensweise der Prokrastination beschrieben: Aus dem Gefühl heraus, nicht ausreichend qualifiziert für den Zugang zur Lebenswelt zu sein, wird dieser aufgeschoben und nicht angegangen.

Ebenfalls mit dem Unterrichtskontext beschäftigt sich die qualitative Arbeit von Keimes, Rexing und Drescher (2018). Im Zentrum stehen die Vorstellungen von 35 jungen Männern in der Ausbildung zum Dachdecker. Das Modell der didaktischen Rekonstruktion wurde hierbei genutzt, um die Vorstellungen der Lernenden zu einem bestimmten Thema vor der Unterrichtseinheit abzubilden. Ziel war es, diese auf Anschlussmöglichkeiten für inklusiven Unterricht zu überprüfen. Das Ergebnis zeigt grundsätzlich geeignete Anknüpfungspunkte. Allerdings fehlte eine konkrete Umsetzungsperspektive, um Vorstellungen von Lernenden im Unterrichtsalltag zu einem neuen Thema regelmäßig zu erfassen.

Formen von Diagnostik

Neun der 13 vorgestellten Forschungsarbeiten legen ihren Schwerpunkt auf eine Kompetenzmessung in Form von Testdiagnostik (vgl. Dietzen et al. 2016; Döring et al. 2016; Egloffstein et al. 2016; Schlömer 2017; Tschöpe 2020; Knappich 2017; Balkenhol 2016; Ohlemann/Ittel 2018; Holtmann/Kranert/Stein 2020). Ansätze einer förderbezogenen Diagnostik finden sich vor allem in den drei Arbeiten von Keimes, Rexing und Drescher (2018), Burda-Zoyke und Joost (2018) und Vonken et al. (2020). Zugänge der Lernverlaufsdiagnostik finden sich ebenfalls bei Burda-Zoyke und Joost (vgl. 2018, 25ff.) in Form von regelmäßigen Tests und Notizen zur mündlichen Mitarbeit im Unterricht.

Die folgende Tabelle zeigt die Verteilung der diagnostischen Zugänge im Überblick.

Tabelle 2:     Verteilung der diagnostischen Zugänge im Literaturreview Diagnostik und Berufsbildung 2016 bis 2021

Testdiagnostik (9)

Förderbezogene Diagnostik (3)

Lernverlaufsdiagnostik (1)

Testverfahren zur Erfassung beruflicher Fachkompetenzen (vgl. Dietzen et al. 2016; Döring et al. 2016; Egloffstein et al. 2016; Knappich 2017; Schlömer 2017; Tschöpe 2020)

Testverfahren zur Erfassung von allgemeineren Kompetenzen im Kontext beruflicher Bildung (vgl. Knappich 2017; Balkenhol 2016; Ohlemann/Ittel 2018)

Überprüfung eines Testverfahrens für die Belastungssituationen Jugendlicher auf Eignung für Schüler*innen an beruflichen Schulen (vgl. Holtmann/Kranert/Stein 2020)

Analyse von Schüler*innenvorstellungen als Ausgangspunkt für inklusiven Unterricht (vgl. Keimes/Rexing/Drescher 2018)

Förderpläne und Fördergespräche (vgl. Burda-Zoyke/Joost 2018)

Zugänge zu Lebenswelten (vgl. Vonken et al. 2020)

Notizen zu mündlicher Mitarbeit, regelmäßige Tests (vgl. Burda-Zoyke/Joost 2018)

Die Analyse von Schüler*innenvorstellungen wird explizit als Ausgangspunkt für einen inklusiven Unterricht an beruflichen Schulen untersucht. Bei der Studie von Burda-Zoyke und Joost (vgl. 2018, 25ff.) können in den qualitativen Interviews diagnostische Zugänge wie Fördergespräche und der Einsatz von Förderplänen identifiziert werden. Auch Lebensweltorientierung kann der förderbezogenen Diagnostik zugeordnet werden, da bei dieser Perspektive Anschlussmöglichkeiten an die Lebenswelten der Schüler*innen in den Blick geraten, um die Basis für ein gemeinsames Verständnis der Unterrichtssituation zu schaffen (vgl. Vonken et al. 2020, 16).

Forschungsmethodische Zugänge

Die Verteilung quantitativer und qualitativer Forschungsdesigns zeigt sich ausgeglichen. Von den 13 identifizierten Forschungsarbeiten wurden in jeweils fünf ein ausschließlich quantitatives oder qualitatives Design gewählt. Drei der Studien kombinieren qualitative und quantitative Zugänge. Bei den quantitativen Studien handelte es sich in allen Fällen um Querschnittsstudien zur Überprüfung eines diagnostischen Testinstruments. Bei den qualitativen Zugängen wurden Leitfadeninterviews und Dokumentenanalysen eingesetzt. In allen qualitativen Forschungsarbeiten wurde die Qualitative Inhaltsanalyse als Auswertungsmethode genutzt.

Formen beruflicher Bildung

Zehn von 13 Studien wurden an Berufsschulen durchgeführt, Berufsfachschulen für Pflege waren drei Mal vertreten, zwei Studien fanden in einem nicht näher definierten Übergangssystem der beruflichen Bildung statt und jeweils eine Forschungsarbeit bezieht sich auf die Fachoberschule oder das berufliche Gymnasium. Von den Fachrichtungen ist der Bereich Gesundheit mit den Berufsgruppen Pflege und Medizinische Fachangestellte mit fünf Forschungsarbeiten vertreten. Darauf folgt der Bereich Wirtschaft und Verwaltung mit vier Studien sowie Bauberufe und Technik mit jeweils drei Arbeiten. In einer Studie wird der Bereich Agrarwirtschaft mit einbezogen.

Forschungsdesiderata

Die deutschen Forschungsarbeiten zum Thema Diagnostik und berufliche Bildung der Jahre 2016 bis 2021 zeigen mögliche Trends und Desiderata auf. Anzumerken ist bei den nachfolgenden Aussagen jedoch, dass es sich nur um eine Betrachtung von sechs Jahren handelt und Forschungsarbeiten, die 2015 oder früher entstanden, nicht berücksichtigt. Dazu zählt beispielsweise das COMET-Projekt, in dem an die PISA-Studien angelehnte Testverfahren zur Messung beruflicher Kompetenzen entwickelt und erprobt wurden (vgl. Rauner et al. 2009, 9ff.). Zudem limitieren die definierten Schlagworte das Suchergebnis. Forschungsarbeiten, die sich mit Kompetenzmessung beschäftigen, aber nicht mit Diagnostik verschlagwortet wurden, sind nicht erfasst. Ebenso entfallen Studien, in der die berufliche Bildung nicht explizit als untersuchte Schulform exponiert benannt wurde.

Dennoch regen die Ergebnisse dieses Literatur-Reviews dazu an, folgende Forschungsdesiderata kritisch zu diskutieren:

(1) Insgesamt konnten 13 Studien identifiziert werden, die zum Thema Diagnostik und berufliche Bildung veröffentlicht wurden. Dies erscheint allein bezüglich der Anzahl ausbaufähig, wenn berücksichtigt wird, dass der Umgang mit Heterogenität in den beruflichen Schulen und den Betrieben eine zunehmende Herausforderung darstellt.

(2) Testdiagnostische Zugänge sind bei acht von 13 Studien vertreten. Diese Zugänge versuchen, soziale Kompetenz bei MFA, Handlungskompetenz in der Pflege, Problemlösekompetenz im Controlling, Beratungskompetenz bei Bankkaufleuten, mathematisches Verständnis in der Altenpflege, Lesekompetenz im beruflichen Handlungskontext, allgemeine Berufswahlkompetenz und psychische Belastung während der Phase der beruflichen Bildung messbar zu machen. Dabei handelt es sich um Tests, die jeweils Teilkompetenzen meist spezifischer Berufsgruppen zu fassen versuchen, die zwangsläufig nur kleine Ausschnitte abbilden können. Es bleiben die Herausforderung und das Desiderat, berufliche Handlungskompetenz ganzheitlich abbild- und erfassbar zu machen und zugleich berufsgruppenspezifische Aussagen treffen zu können.

(3) Von den 13 Forschungsarbeiten berücksichtigen drei Studien einen Zusammenhang zwischen Diagnostik und Unterricht. Dabei geraten Handlungsstrategien im Umgang mit Heterogenität von Lehrkräften, Lebensweltorientierung im Unterricht sowie Vorstellungen von Lernenden zu einem bestimmten Thema vor der Unterrichtseinheit in den Blick. Diagnostische Kompetenz von Lehrer*innen, eingesetzte Instrumente, Einstellungen, subjektive Theorien, schulische Konzepte zu Diagnostik und die Entwicklung diagnostischer Zugänge für den Unterricht sind hier u. a. als relevante und vakante Forschungsgegenstände zu nennen.

(4) Lernverlaufsdiagnostik wurde lediglich in einer Studie mitbearbeitet. Dies lässt vermuten, dass entweder die Lernverlaufsdiagnostik in der beruflichen Bildung nur selten Anwendung findet oder sie wohlmöglich aufgrund von forschungsmethodischen Herausforderungen nicht in den Blick gerät. Sie kann als Thema identifiziert werden, das in weiten Teilen als Desiderat der beruflichen Bildung einzuschätzen ist.

(5) Von den mehr als 320 verschiedenen Ausbildungsberufen nach dem Berufsbildungsgesetz (vgl. Statista 2020) kann in 13 Studien zwangsläufig nur ein Bruchteil berücksichtigt sein. Diese Bereiche sind Medizinische Fachangestellte, Wirtschaft und Verwaltung sowie Bauberufe und Technik, die in einigen Studien nicht näher spezifiziert sind, und Agrarwirtschaft. Von den Schulen des Gesundheitswesens ist die Pflege als einzige Sparte vertreten. Die Diversität des komplexen deutschen Berufsbildungssystems mit seinen verschiedenen Schulformen und dualen Qualifikationsmöglichkeiten sind daher unzureichend abgebildet. Zu sozial erzieherischen Berufen, Gastronomie, Hauswirtschaft und den Bereichen Verkehr und Logistik liegen beispielsweise keine Forschungsarbeiten vor. Bei den Schulformen sind vollzeitschulische Ausbildungsgänge und berufliche Schulen des Übergangs unberücksichtigt, die zu keinem qualifizierten Berufsabschluss führen.

(6) Forschungsmethodisch ist die Bandbreite eingeschränkt. Als Daten wurden Befragungen in Form von Tests, Einzel- und Gruppeninterviews sowie Dokumente (Rahmenlehrpläne, Prüfungsordnungen und Stellenangebote) genutzt. Neben statistischen Auswertungsmethoden zur Entwicklung und Validierung von Kompetenztests kam ausschließlich die Qualitative Inhaltsanalyse zum Einsatz. Mehrebenenanalysen, systematische Beobachtungen, rekonstruktive Methoden, video- oder ethnographische Zugänge zum Unterricht u. a. fehlen.

5    Fazit

In der Zusammenschau der deutschen Forschungsergebnisse aus den Jahren 2016 bis 2021 dokumentieren die Entwicklung und Validierung von acht Tests ein zugrunde gelegtes kompetenzorientiertes und messtheoretisches Verständnis von Diagnostik. Dabei findet die Orientierung an beruflicher Handlungskompetenz als Leitidee Berücksichtigung, die mittels Falleinschätzungen messbar gemacht werden soll (vgl. Dietzen et al. 2016; Egloffstein et al. 2016; Döring et al. 2016; Schlömer 2017; Tschöpe 2020). Bei der Konzeption der Instrumente kommen verschiedene Perspektiven zum Tragen. Einerseits werden zuteilende und selektierende Funktionen betont, wie bei dem Test für die soziale Kompetenz der Medizinischen Fachangestellten, der als Eignungsdiagnostik ausgewiesen ist (vgl. Dietzen et al. 2016, 102). Andererseits wird auch eine didaktische Perspektive konzeptionell berücksichtigt, indem bspw. die Ergebnisse zur Messung von Problemlösekompetenz in einer Lehr-Lern-Plattform didaktisch aufbereitet werden (vgl. Egloffstein et al. 2016, 144). Daneben sieht Schlömer (vgl. 2017, 21f.) den Nutzen der Kompetenzmessung vor allem für die Lernstandsdiagnostik im Unterricht. Und das Testverfahren für die Ausbildung von Produktdesigner*innen wird als Messinstrument für die Lehr-Lern-Forschung und die Überprüfung von Unterrichtskonzepten konzeptualisiert (vgl. Tschöpe 2020, 22). So zeigt sich, dass die Funktionen und Zielgrößen testtheoretischer Zugänge vielfältig sind.

Bezogen auf die unterrichtliche Herausforderung, Lehr-Lernsettings für eine heterogene Lerngruppe zu gestalten, erscheinen die Zugänge der förder- und lernverlaufsbezogenen Diagnostik konkretere Nutzungsperspektiven zu enthalten. Allerdings sind sie in den vorliegenden Studien eher vage skizziert. So wird zum Beispiel bei der Analyse der Schüler*innenvorstellungen nicht näher darauf eingegangen, wie diese im Unterrichtsalltag unter Berücksichtigung zeitlicher und personeller Ressourcen umgesetzt werden kann (vgl. Keimes/Rexing/Drescher 2018). Außerdem deuten die Ergebnisse der Studien mit Befragungen von Lehrkräften auf eine wahrgenommene Überforderung hin, die auf eine geringe Einschätzung der eigenen Qualifikation im Hinblick auf Diagnostik und einen Mangel an systematischen Verfahren verweisen (vgl. Geisler/Niethammer 2019; Burda-Zoyke/Joost 2018; Vonken et al. 2020).

Der Review zeigt, neben der Ausrichtung auf verschiedene Formen von Diagnostik, Leerstellen bezüglich forschungsmethodischer Zugänge auf. Die Bandbreite, die insbesondere die qualitative Forschung bietet, kommt nicht zum Einsatz und ist einseitig an der Qualitativen Inhaltsanalyse orientiert. Es stellt sich bei dieser Feststellung die Frage, inwiefern bzw. mit welchen Zugängen die Erhebung eines solch komplexen Vorgangs, wie Diagnostik in der beruflichen Bildung, möglich würde. Dies erfordert eine methodologische Diskussion, die an dieser Stelle nur angeregt werden kann.

Erschwerend kommt für die Entwicklung von Forschungsdesigns hinzu, dass es „die” berufliche Bildung nicht gibt. Zahlreiche Schulformen und fachliche Spezialisierungen führen zu einer nahezu unüberschaubaren Komplexität, die sich in einzelnen Studien nicht annährend abbilden lässt. Daher könnte (vorübergehend) ein Mehrwert darin liegen, sich über vorliegende Ergebnisse der Schulpädagogik den Herausforderungen für die Adaption von Unterricht auf individuelle Lernausgangslagen zu nähern. Zugleich könnte ein Vergleich internationaler Befunde in verschiedenen Bildungssystemen weiteren Aufschluss bieten.

6    Ausblick

Die Herausforderung, Lernausgangslagen zu erfassen und Unterricht für heterogene Lerngruppen zu gestalten, ist kein spezifisch berufspädagogisches Phänomen. Insbesondere seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention setzt sich das gesamte Schulsystem auf allen Ebenen mit dem Anspruch inklusiver Bildungsangebote auseinander. Dies bringt zahlreiche Versuche zur Neu- und Umgestaltung von Bildungsangeboten mit sich, die vielfältige Forschungsarbeiten nach sich zogen und ziehen. Dabei kristallisiert sich heraus, dass die Kompetenzen für die Durchführung förderbezogener Diagnostik und binnendifferenzierender Maßnahmen von den Lehrkräften selbst als meist gering eingeschätzt werden (vgl. Grausam 2018) und auch Planungsmodelle für Unterricht in heterogenen Lerngruppen sowie unterrichtsbezogene diagnostische Zugänge nur vereinzelt zur Verfügung stehen (vgl. Greiten/Reichert/Eßer 2022 i. D.)

Terhart (vgl. 2015, 79f.) nimmt bei dieser Diskussion die Wissenschaft in die Pflicht, konkrete Konzepte und Instrumente für den Umgang mit Heterogenität in der Praxis zu entwickeln. Dabei sieht er insbesondere in der Weiterbildung berufstätiger Lehrer*innen durch ihre jahrelangen Erfahrungswerte in der Institution Schule mit ihren systemischen Gegebenheiten und ihrer Nähe zur Unterrichtspraxis eine entscheidende Stellschraube.

An diesen Punkten setzt das vom BMBF geförderte Projekt DiaGU[1] der BMBF Förderlinie „Förderbezogene Diagnostik in der inklusiven Bildung“ an (Greiten/Trumpa/Veber 2023 i. D.). Ziel ist die Entwicklung eines Verfahrens zur Verbindung förderbezogener Diagnostik und Unterrichtsplanung an verschiedenen Schulformen, unter anderem an Berufsfachschulen. Im Rahmen des Projektes finden Netzwerktagungen statt, in denen Forscher*innen und Lehrer*innen gemeinsam an diagnostischen Zugängen arbeiten. Die entwickelten Verfahren werden anschließend im Unterricht eingesetzt und u. a. durch Unterrichtsbeobachtungen und Interviews begleitet. Auf diese Weise sollen praxistaugliche diagnostische Verfahren für den Unterricht entstehen, die auch in der Berufspädagogik als Impulse dienen können. So kann es lohnenswert sein, gezielt nach Schnittmengen zwischen schulpädagogischen Herangehensweisen und berufspädagogischen Perspektiven zu suchen und sie zum Ausgangspunkt für Veränderungen in der berufsschulischen Praxis sowie für forschende Zugänge zu machen.

Literatur

Aufschnaiter, C./Cappell, J./Dübbelde, G./Ennemoser, M./Mayer, J./Stiensmeier-Pelster, J./Sträßer, R./Wolgast, A. (2015): Diagnostische Kompetenz: Theoretische Überlegungen zu einem zentralen Konstrukt der Lehrerbildung. In: Zeitschrift für Pädagogik, 61, H. 5, 738-758.

Balkenhol, A. D. (2016): Lesen im beruflichen Handlungskontext. Anforderungen, Prozesse und Diagnostik. Darmstadt.

Baudson, T. G. (2014): Standardisierte Tests und individuelle Förderung: unversöhnliche Gegensätze oder unnötige Grabenkämpfe? In: Hackl, A./Imhof, C./Steenbuck, O./Weigand, G. (Hrsg.): Begabung und Traditionen. Frankfurt a. M., 66-75.

Breitenbach, E. (2020): Diagnostik. Eine Einführung. 5. Aufl. Wiesbaden.

Burda-Zoyke, A./Joost, J. (2018): Inklusionsbezogene Handlungsfelder und Kompetenzen des pädagogischen Personals an beruflichen Schulen. Ergebnisse einer leitfadengestützten Interviewstudie. In: Zinn, B. (Hrsg.): Inklusion und Umgang mit Heterogenität in der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung. Eine Bestandsaufnahme im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Stuttgart, 13-38.

Burda-Zoyke, A./Naeve-Stoß, N. (2019): Individuelle Förderung und Subjektorientierung in der Unterrichtsplanung von Lehrkräften in der kaufmännisch-verwaltenden Berufsausbildung. In: Heinrichs, K./Reinke, H. (Hrsg.): Heterogenität in der beruflichen Bildung. Im Spannungsfeld von Erziehung, Förderung und Fachausbildung. Bielefeld, 113-128.

Deitmer, S. (2007): Lernortkooperation im dualen System der Berufsausbildung. Eine Einführung. Münster, Fachhochsch., Diplomarbeit, 2005. Hamburg.

Dietzen, A./Monier, M./Srbeny, C./Tschöpe, T./Kleinhans, J. (2016): Entwicklung eines berufsspezifischen Ansatzes zur Modellierung und Messung sozial-kommunikativer Kompetenzen bei Medizinischen Fachangestellten. In: Dietzen, A./Nickolaus, R./Rammstedt, B./Weiß, R. (Hrsg.): Kompetenzorientierung. Berufliche Kompetenzen entwickeln, messen und anerkennen (Berichte zur beruflichen Bildung). Bielefeld, 99-116.

Döring, O./Weyland, U./Wittmann, E./Nauerth, A./Hartig, J./Kaspar, R./Möllers, M./Rechenbach, S./Simon, J./Worofka, I. (2016): Technologiebasierte Messung beruflicher Handlungskompetenz in der Pflege älterer Menschen: Kompetenzmodellierung und Testverfahrensentwicklung. In: Dietzen, A./Nickolaus, R./Rammstedt, B./Weiß, R. (Hrsg.): Kompetenzorientierung. Berufliche Kompetenzen entwickeln, messen und anerkennen (Berichte zur beruflichen Bildung). Bielefeld, 117-132.

Driesel-Lange, K./Hany, E./Kracke, B./Schindler, N. (2010): Berufs- und Studienorientierung. Erfolgreich zur Berufswahl. Ein Orientierungs- und Handlungsmodell für Thüringer Schulen. Online: https://http://www.schulportal-thueringen.de/web/ guest/media/detail?tspi=2049 (16.05.2022).

Egloffstein, M./Brandt, S./Eigenmann, R./Kögler, K./Küster, J./Martens, T./Rausch, A./Schley, T./Seifried, J./Sembill, D./Siegfried, C./Warwas, J./Wolf, K. D./Wuttke, E. (2016): Modellierung und Erfassung domänenspezifischer Problemlösekompetenz von Industriekaufleuten – Produkte und Entwicklungsperspektiven des Projekts DomPL-IK. In: Dietzen, A./Nickolaus, R./Rammstedt, B./Weiß, R. (Hrsg.): Kompetenzorientierung. Berufliche Kompetenzen entwickeln, messen und anerkennen (Berichte zur beruflichen Bildung). Bielefeld, 133-148.

Ertl-Schmuck, R. (2010): Subjektorientierte Pflegedidaktik. In: Ertl-Schmuck, R./Fichtmüller, F. (Hrsg.): Theorien und Modelle der Pflegedidaktik. Eine Einführung. 2. überarb. u. erw. Aufl. Weinheim, 55-78.

Euler, D./Severing, E. (2020): Heterogenität in der Berufsbildung – Vielfalt gestalten. Herausgegeben von: Bertelsmann-Stiftung. Bielefeld. Online: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/heterogenitaet-in-der-berufsbildung-vielfalt-gestalten-all (28.10.2022).

Geisler, T./Niethammer, M. (2019): Implikationen heterogener Lernvoraussetzungen für die Gestaltung des beruflichen Fachunterrichts. In: Heinrichs, K./Reinke, H. (Hrsg.): Heterogenität in der beruflichen Bildung. Bielefeld.

Gloystein, D./Barth, U. (2021): Divers denken und handeln! Theoretische Orientierungen und Handlungsperspektiven für die Lehrkräftebildung. In: Schimek, B./Kremsner, G./Proyer, M./Grubich, R./Paudel, F./Grubich-Müller, R. (Hrsg.): Grenzen. Gänge. Zwischen. Welten.: Kontroversen – Entwicklungen – Perspektiven der Inklusionsforschung. Bad Heilbrunn, 238-245.

Grausam, N. C. (2018): Diagnosekompetenz von Lehrpersonen als Voraussetzung individueller Förderung im Bereich „Texte schreiben“. Eine empirische Studie am Beispiel einer neu eingeführten integrierten Schulform. Münster.

Greiten, S./Reichert, M./Eßer, S. (2022 i. D.): Guter inklusiver (Fach-)Unterricht als Brückenschlag zwischen zentralen Entwicklungsbereichen und Bildungsstandards. Planungsmodelle zur Unterstützung professionellen Lehrkräftehandelns. In: Veber, M./Gollub, P./Odipo, T./Greiten, S. (Hrsg.): Umgang mit Heterogenität: Chancen und Herausforderungen für schulpraktische Professionalisierung. Bad Heilbrunn.

Greiten, S./Trumpa, S./Veber, M. (2023 i. D.): Durch unterrichtsbezogene Diagnostik Raum für Inklusion und Umgang mit Heterogenität schaffen – eine Projektskizze. In: Hofmann, M./Hoffmann, T. (Hrsg.): Raum. Macht. Inklusion. Inklusive Räume erforschen und entwickeln. Bad Heilbrunn.

Hascher, T. (2008): Diagnostische Kompetenzen im Lehrberuf. In: Kraler, C./Schratz, M. (Hrsg.): Wissen erwerben, Kompetenzen entwickeln. Modelle zur kompetenzorientieren Lehrerbildung. Münster, 71-86.

Heinrichs, K./Reinke, H. (Hrsg.) (2019): Heterogenität in der beruflichen Bildung. Bielefeld.

Holtmann, S. C./Kranert, H.‑W./Stein, R. (2020): Der Einsatz des Youth Self Report (YSR/11-18) bei Heranwachsenden. Eine faktorenanalytische Betrachtung im Kontext der Beruflichen Bildung. In: Empirische Sonderpädagogik, 12, H. 1, 3-26.

Ingenkamp, K.‑H./Lissmann, U. (2008): Lehrbuch der Pädagogischen Diagnostik. 6. Aufl. Weinheim.

Keimes, C./Rexing, V./Drescher, J. (2018): Schülervorstellungen als Ausgangspunkt inklusiven Fachunterrichts in bautechnischen Ausbildungsberufen. In: Wittmann, E./Frommberger, D./Ziegler, B. (Hrsg.): Jahrbuch der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung 2018. 1. Aufl. Opladen, 39-52.

Khan, K. S./Kunz, R./Kleijnen, J./Antes, G. (2003): Five steps to conducting a systematic review. Journal of the Royal Society of Medicine, 96, H. 3, 118-121.

Knappich, T. (2017): Messung des mathematischen Textverständnisses von Altenpflegeschülern zu Beginn der Pflegeausbildung. Eine empirische Untersuchung an privaten und öffentlichen Altenpflegeschulen. Vallendar. Online: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0295-opus4-10203 (28.10.2022).

Kornmann, R. (2018): Von der Auslesediagnostik zur Förderdiagnostik: Entwicklungen, Konzepte, Probleme. In: Müller, F. J. (Hrsg.): Blick zurück nach vorn – WegbereiterInnen der Inklusion. Gießen, 207-226.

Kultusministerkonferenz (KMK) (2007): Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe, Kultusministerkonferenz. Online: https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2007/2007_09_01-Handreich-Rlpl-Berufsschule.pdf (04.03.2022).

Kultusministerkonferenz (KMK) (2020): Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur individuellen Förderung in den beruflichen Schulen (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 14.05.2020), Kultusministerkonferenz. Online: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2020/2020_05_14-Individuelle-Foerderung-in-berufl-Schulen.pdf (04.03.2022).

Moher, D./Liberati, A./Tetzlaff, J./Altman, D. G. (2009): Reprint — preferred reporting items for systematic reviews and meta-analyses: The PRISMA statement. Physical therapy, 89, H. 9, 873-880.

Nickolaus, R./Walker, F. (2016): Kompetenzorientierung in der beruflichen Bildung. In: Dietzen, A./Nickolaus, R./Rammstedt, B./Weiß, R. (Hrsg.): Kompetenzorientierung. Berufliche Kompetenzen entwickeln, messen und anerkennen (Berichte zur beruflichen Bildung). Bielefeld, 7-28.

Ohlemann, S./Ittel, A. (2018): Normwerte der Berufswahlkompetenz: Eine diagnostische Chance zur individuellen Förderung? In: Wittmann, E./Ziegler, B./Frommberger, D. (Hrsg.): Jahrbuch der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung 2018. Leverkusen, 111-124.

Rauner, F./Heinemann, L./Piening, D./Haasler, B./Maurer, A./Erdwien, B./Martens, T./Katzenmeyer, R./Baltes, D./Becker, U./Gille, M./Hubacek, G./Kullmann, B./Landmesser, W. (2009): Messen beruflicher Kompetenzen. Bildung und Arbeitswelt, Bd. 22, 2. Aufl. Berlin, Münster.

Schiefele, C./Streit, C./Sturm, T. (2019): Pädagogische Diagnostik und Differenzierung in der Grundschule. Mathe und Deutsch inklusiv unterrichten : mit 38 Abbildungen und 7 Tabellen: mit Online-Material. Stuttgart.

Schlömer, B. (2017): Entwicklung und Validierung eines arbeits-prozessorientierten Modells und Verfahrens zur Kompetenzdiagnostik im berufsschulischen Unterricht am Beispiel des Ausbildungsberufs Technischer Produktdesigner/Technische Produktdesignerin. [1. Aufl.] (Berufsbildung, Arbeit und Innovation. […], Dissertationen, Habilitationen. 44). Bielefeld.

Spott, C./Burda-Zoyke, A. (2020): Lebensweltorientierung vom Standpunkt des Subjekts im Rahmen der Berufsausbildung: Eine subjektwissenschaftliche Deutung und didaktische Implikationen. Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online, 38, 1-34. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe38/spott_burda-zoyke_bwpat38.pdf (28.10.2022).

Statista (2020): Entwicklung der Gesamtzahl der anerkannten oder als anerkannt geltenden Ausbildungsberufe in Deutschland von 1971 bis 2019. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/156901/umfrage/ausbildungsberufe-in-deutschland/ (12.03.2022).

Stegmann, K./Schwarz, B. (2013): Messtheoretische Grundlagen. In: Frey, A./Lissmann, U./Schwarz, B. (Hrsg.): Handbuch berufspädagogische Diagnostik (Pädagogik). Weinheim.

Terhart, E. (2015): Umgang mit Heterogenität: Anforderungen an Professionalisierungsprozesse. In: Fischer, C. (Hrsg.): (Keine) Angst vor Inklusion. Herausforderungen und Chancen gemeinsamen Lernens in der Schule. Münstersche Gespräche zur Pädagogik, Band 31, 1. Aufl. Münster, 69-85.

Tschöpe, T. (2020): Kompetenzdiagnostik in der beruflichen Bildung. Modellierung und Entwicklung eines Diagnoseinstruments für Beratungskompetenzen im Ausbildungsberuf Bankkaufmann/-frau. 1. Aufl. (Berichte zur beruflichen Bildung). Bonn. Online: https://www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/publication/download/16682 (28.10.2022).

Vonken, M./Reißland, J./Schaar, P./Thonagel, T. (2020): Lebenswelt als Ausgangspunkt für gemeinsames Lernen – Zur Bedeutung der Lebenswelt in inklusiven Lehr-Lernsituationen der beruflichen Bildung. Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online, 38, 1-27. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe38/vonken_etal_bwpat38.pdf (28.10.2022).

Walgenbach, K. (2017): Heterogenität – Intersektionalität – Diversity in der Erziehungswissenschaft. Stuttgart.

Weinert, F. E. (Hrsg.) (2001): Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim.

Ziemen, K. (2016): Inklusion und diagnostisches Handeln. In: Amrhein, B. (Hrsg.): Diagnostik im Kontext inklusiver Bildung. Theorien, Ambivalenzen, Akteure, Konzepte. Bad Heilbrunn, 39-47.

 

[1] Förderkennzeichen: 01NV2111A_B_C

Zitieren des Beitrags

Schöner, M./Trumpa, S. (2023): Diagnostik in der beruflichen Bildung – Ergebnisse eines Literaturreviews. In: bwp@ Spezial PH-AT2: Diversität in der Berufsbildung in Österreich, Deutschland und der Schweiz – Perspektiven aus Forschung, Entwicklung und Bildungspraxis, hrsg. v. Albert, S./Heinrichs, K./Hotarek, I./Zenz, S., 1-20. Online: https://www.bwpat.de/spezial-ph-at2/schoener_trumpa_bwpat-ph-at2.pdf (19.04.2023).