bwp@ 29 - Dezember 2015

Beruf

Hrsg.: Martin Fischer, Karin Büchter & Tim Unger

Forschungsarbeit über Arbeit, Beruf und Bildung – Gesellschaftliche Einflüsse, Organisation, Institutionen

So wie in allen gesellschaftlichen Subsystemen die Formen der jeweiligen beruflich organisierten Arbeit durch die spezifischen Arbeitsteilungen und Arbeitsvereinigungen (Berufsschneidungen) bestimmt werden, so sind auch Forschungsbereiche und wissenschaftliche Disziplinen Anlass und Folgen von Teilungen und Vereinigungen in der Forschungsarbeit. Forschungen über die gesellschaftlichen Praxen, für die die Worte Arbeit, Beruf, Bildung und Berufsbildung verwendet werden, unterliegen gesellschaftlichen Einflüssen, sie werden gesellschaftlich organisiert und in spezifischen Institutionen durchgeführt. Diese Umwelten beeinflussen die Generierung von Wissen über die vier gesellschaftlichen Praxen. Die Erörterungen über solche Forschungen sind hier fokussiert auf die Wechselbeziehungen zwischen vier interdisziplinär organisierten Forschungsbereichen –Arbeits-, Berufs-, Bildungs- und Berufsbildungsforschung – und vierwissenschaftlichen Disziplinen – Arbeits-, Berufs-, Bildungs- und Berufsbildungswissenschaft. Sie sind geleitet von einer Beobachterperspektive, die auf einer ökologisch orientierten Berufsbildungswissenschaft (BBW) basiert (siehe den Beitrag 1 von Kell in diesem Band).

Research into work, occupation and education: Social influences, organisation, institutions

English Abstract

Just like in all social subsystems forms of occupationally organised work are determined by specific divisions and distinctions of work, so are areas of research and scientific disciplines the source and result of divisions and distinctions in research.  Research into the social practices described using the words “work”, “occupation”, “education” and “occupational education” is subject to social influences, is socially organised and is performed in specific institutions. These environments influence the generation of knowledge about the four social practices. Discussions on such research are focussed on the interrelationships between four interdisciplinary research areas – work research, occupational research, educational research and occupational training research – as well as four scientific disciplines – work science, occupational science, educational science and occupational training science. They are guided by an observer’s perspective rooted in ecological occupational training science (see 1st contribution by Kell to this volume).

1 Vorbemerkungen

Aus der Komplexität der gesellschaftlichen Praxis, für die die Worte Arbeit, Beruf, Bildung und Berufsbildung verwendet werden, folgt die Notwendigkeit, die darauf bezogenen Forschungen interdisziplinär zu organisieren. Denn jede Disziplin im Wissenschaftssystem reduziert die Komplexität der Praxis durch spezielle Interessen, Kriterien, Methoden; alle Disziplinen verfolgen eine je eigene Beobachterperspektive. Die Verteilung von Forschungsarbeiten im Wissenschaftssystem auf verschiedene Institutionen und die berufliche Organisation dieser Arbeiten an Arbeitsplätzen für Wissenschaftler[1] erfordert, dass die Forschungs(teil)ergebnisse zum Gesamtergebnis eines Forschungsbereichs integriert werden. Um solche Integrationsleistung erbringen zu können, ist eine (Meta)Wissenschaft oder eine Entwicklungsmethodik[2] für jeden Forschungsbereich als Möglichkeit denkbar.[3] Aber von keiner der an der interdisziplinären Arbeits-, Berufs-, Bildungs- und Berufsbildungsforschung beteiligten Disziplinen ist bisher der Nachweis erbracht, eine solche Funktion für einen dieser Forschungsbereiche alleine erfüllen oder die anzustrebende Integration alleine leisten zu können. Deshalb sind Transparenz über die Forschungsarbeiten und ihre Ergebnisse, Disziplin übergreifende Diskurse und ständige Kooperationen für die notwendige Integration erforderlich. Und jede Disziplin sollte ihren Beitrag zur Integration als Perspektive für die eigene Forschungsarbeit wahrnehmen und durch curriculare Konstruktionen ihrer Berufsbildungsgänge ihren Nachwuchs dafür qualifizieren.

Zusammengefasst in der Terminologie der BBW ausgedrückt: Auch im Wissenschaftssystem ist die Arbeit beruflich organisiert. Die Berufe/Arbeitsplätze in Institutionen des Wissenschaftssystems sind entstanden durch die organisatorische Vereinigung von Forschungsteilarbeiten. Alle in den vier Forschungsbereichen arbeitenden Wissenschaftler müssen für die Berufe in den Institutionen des Wissenschaftssystems vorbereitet, aus- und weitergebildet werden – in der Umwelt spezifischer Berufsbildungsgänge, die von kulturellen Traditionen und Überzeugungen, z. B. über das Verhältnis von Wissenschaft und Bildung (vgl. Buchmann/Kell 1997) (auf der Makrosystemebene) beeinflusst werden. Bei der curricularen Konstruktion solcher Berufsbildungsgänge für die Berufsvorbereitung (z. B. in der gymnasialen Oberstufe des Sekundarbereichs II), für die Berufausbildung (z. B. Studiengänge im Tertiärbereich) und für die berufliche Weiterbildung (im Quartärbereich) sollte die Integrationsperspektive berücksichtigt werden. Dazu gehört die Vermittlung von Fähigkeiten wie Distanz zu und Kritik an der eigenen Wissenschaft und der eigenen Berufsausübung und die Offenheit für Disziplin übergreifende Kooperationen. Aus dem Selbstverständnis von Wissenschaftlern und den gesellschaftlichen Überzeugungen, (akademische) Berufe im Wissenschaftssystem als Profession zu bezeichnen und hoch zu bewerten, sollten auch Konsequenzen für die Vermittlung berufsethischer Einstellungen durch das Lernen und Arbeiten in den Berufsbildungsgängen des Tertiärbereich gezogen werden.

Die Qualität der Berufsbildung des wissenschaftlichen Personals in den vier Forschungsbereichen und vier Wissenschaften ist eine Voraussetzung für die Qualität des Wissens, das für Berufsbildungspolitik und -praxis benötigt wird. Welches Wissen bisher unter dieser Verwendungsperspektive erzeugt und wie es genutzt wurde, ist nur durch umfangreiche und aufwändige Forschungsprojekte zu ermitteln. Laufende Berichterstattungen über die Wissensproduktion wären wichtige Beiträge zur Beantwortung dieser Frage. Im Folgenden geht es nur um Anmerkungen zu einigen Teilen systemischer Umwelten, die die berufliche Arbeit im Wissenschaftssystem und damit die Qualität des generierten Wissens beeinflussen. Zur Berufsbildung und zur beruflichen Arbeit im Wissenschaftssystem, die von systemeigenen Traditionen, Logiken, Beliefs etc. beeinflusst werden, sollte auch eine permanente Reflexion der Forscher über diese Einflüsse gehören.

2 Anmerkungen zur Arbeits-, Berufs-, Bildungs- und Berufsbildungsforschung

2.1 Zum Ausgangspunkt der folgenden Anmerkungen

Der Abschlussbericht eines Forschungsprojektes zur „Berichterstattung über Berufsbildungsforschung“ (v. Buer/Kell 1999), das initiiert wurde von einer Organisation zur Forschungskooperation[4], enthält u. a. Aussagen über Perspektiven zur Kooperation zwischen den an der Berufsbildungsforschung beteiligten Wissenschaften sowie zu Abgrenzungen und Überschneidungen von benachbarten Forschungsbereichen wie Arbeits-, Berufs-, Bildungsforschung. Darauf sei hier verwiesen und Bezug genommen. Aus dem Forschungsprojekt kann eine Einsicht hervorgehoben werden: Klärungen der Beziehungen zwischen interdisziplinären Forschungsbereichen und den an ihnen beteiligten Disziplinen sind notwendig, um Forschungsergebnisse einzelner Disziplinen erfolgreich integrieren zu können. Eine aktive Beteiligung der Disziplinen an der Integration von Forschungsteilleistungen setzt aber die Klärung des eigenen Selbstverständnisses voraus. Denn nur auf der Basis eines begründeten eigenen Standpunktes bzw. einer spezifischen Beobachterperspektive kann eine erfolgreiche Forschungskooperation erwartet werden.

Da die folgenden Anmerkungen zu Entwicklungen in den vier Forschungsbereichen aus pragmatischen Gründen zeitlich erst bei Modernisierungsbestrebungen seit Ende der 1950er Jahre ansetzen, ist aus historischer Perspektive darauf hinzuweisen, dass die fundamentale Bedeutung von Arbeit, Beruf und Bildung für die Subjekt- und Gesellschaftsentwicklung schon früh zum Nachdenken in und über die Lebenspraxen veranlasst haben, für die heute die Worte Arbeit, Beruf und Bildung verwendet werden. Dieses Nachdenken kommt zum Ausdruck in kulturellen Ritualen, in individuellen und kollektiven Reflexionen, in enzyklopädisch geordnetem Wissen, in Wissen aus kriteriengeleiteten Beobachtungen etc. und in Wissen, das aus interdisziplinärer Forschung generiert wird. Letztgenanntes Nachdenken über Subjekt- und Gesellschaftsentwicklung wird also beeinflusst einerseits von Traditionen in Arbeit, Beruf und Bildung als Lebenspraxen und andererseits von Traditionen in den Wissenschaften, die sich in Wechselbeziehungen zur jeweiligen Praxis entwickelt haben.

Solche Traditionen beeinflussen das zeitlich aktuelle Handeln in den jeweiligen Umwelten, z. B. nach dem zweiten Weltkrieg in den unterschiedlichen Umwelten beim  Wiederaufbau in Ost- und Westdeutschland. Der marktwirtschaftlich orientierte Wiederaufbau in Westdeutschland, der eher von dezentralen Akteuren und pluralistischen Interessen dominiert war, hat nach dem „Wirtschaftswunder“ Ende der 1950er Jahre zum Nachdenken über die Folgen dieser Entwicklungsphase  und über neue Konzepte und Strategien zur Modernisierung der Gesellschaft genötigt. Für Entwicklungen im Wissenschaftssystem war insbesondere die Einsicht folgenreich, dass für rationale politische Planungen und Steuerungen gesellschaftlicher Reformprozesse Wissen erforderlich ist, dass von Wissenschaften und von interdisziplinär organisierter Forschung generiert wird. Eine generelle Aufwertung der Wissenschaften war eine Folge dieser Einsicht. Als besondere Einflüsse auf das Beschäftigungs-, Bildungs- und Wissenschaftssystem sind hervorzuheben:

Nach Erreichung der Vollbeschäftigung 1956/57 gefährdete der beginnende Mangel an Arbeitskräften, der durch den Mauerbau 1961 verschärft wurde, das weitere volkswirtschaftliche Wachstum. Die Folgen der technologischen Innovationen während des „Wirtschaftwunders“ für die Organisation der Arbeit, für Berufsschneidungen und für die Berufsbildung wurden sichtbar. Der Sputnik-Schock 1957 wurde als technologische Überlegenheit der Sowjetunion gegenüber den westlichen Demokratien interpretiert. Die von Picht 1964 ausgerufene „Bildungskatastrophe“ wurde bildungsökonomisch interpretiert als  Mangel an Bildungsinvestitionen. Solche Wahrnehmungen gesellschaftlicher Entwicklungen haben in der Bundesrepublik Deutschland bei Bürgern, Interessengruppen. Parteien etc. zur Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen und zu größerer Reformbereitschaft geführt. Diese Einsicht kam zum Ausdruck in Parteiprogrammen, in Stellungnahmen und Reformvorschlägen von Interessenverbänden, gesellschaftlichen Vereinigungen etc. und beeinflusste auch das Wahlverhalten der Bürger. Nachdem die CDU/CSU 1957 die absolute Mehrheit im Bundestag erreicht hatte und 1960 die Bundesregierung allein stellen konnte, ging die „Adenauer-Ära“ nach 13 Jahren 1962 zu Ende. Von 1966 bis 1969 verfügte eine „Große Koalition“ aus CDU/CSU und SPD im Bundestag über eine Mehrheit, die Verfassungsänderungen ermöglicht. Sie wurde abgelöst von einer „Sozial-liberalen Koalition“ aus SPD und FDP, die bis zum Beginn der „Ära Kohl“ 1982 regierte. Diese politischen Konstellationen beeinflussten das politische Handeln und die Entwicklungen in allen gesellschaftlichen Subsystemen.

In der „Großen Koalition“ hatte die Überzeugung zugenommen, dass wissenschaftliches Wissen für politisches Handeln erforderlich ist. Da die Sicherung des Wirtschaftswachstums als vorrangig zu lösendes Problem bewertet wurde, dominierte das wirtschaftspolitische Handeln, das durch wirtschaftswissenschaftliches Wissen basiert werden sollte. Mit dem „Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ (1963) und der Gründung und Förderung von Wirtschaftsforschungsinstitutionen[5] sollte dazu beigetragen werden. Seitdem beraten die „Fünf Weisen“ die Bundesregierung durch Jahresgutachten, Sondergutachten und Expertisen.

Für die wissenschaftliche Basierung der auf Wachstum orientierten Wirtschaftspolitik wurden vor allem volkswirtschaftliche Wachstumstheorien als nützlich angesehen, die die Quellen der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung (Bruttosozialprodukt) erklären. Global betrachtet war als Quelle neben Arbeit und (Real)Kapital ein dritter Restfaktor identifiziert worden, der als Technischer Fortschritt bezeichnet wurde. Bildung (Humankapital) wurde ein erheblicher Anteil am Wirtschaftswachstum zugeschrieben. Bildungsausgaben wurden neu interpretiert als Investitionen mit multiplikativen Wirkungen für das Wirtschaftswachstum. Bildungsökonomie entwickelte sich als wirtschaftswissenschaftliche (Teil)Disziplin, die eine rationale Bildungsplanung ermöglichen sollte. Der Arbeitskräftebedarf avancierte zu einem zentralen Bezugspunkt für die Bildungsplanung (Manpower Approach) und gewann große Bedeutung im muddling through der Bildungspolitik zwischen Expansion und Restriktion. Auch die für die Bildungspolitik notwendigen Analysen und Bewertungen von Arbeit, Beruf, Bildung und Berufsbildung wurden vorrangig an ökonomischen Zielen, Theorien, Kriterien etc. orientiert. Diese Orientierung beeinflusste auch die Arbeits-, Berufs-, Bildungs- und Berufsbildungsforschung. Allerdings gab es auch Gegenbewegungen, z. B. das von Ralf Dahrendorf proklamierte Bürgerrecht auf Bildung (1965), den Social Demand Approach der Bildungsplanung und durch Orientierungen an Zielen wie Humanisierung der Arbeit, Bildung und Berufsbildung. Tendenziell kam es zu einer Aufwertung der Wissenschaften und Forschungsbereiche, von denen erwartet wurde, dass sie (verwertbares) Wissen über diese Bereiche gesellschaftlicher Praxis generieren können und wollen – mit Folgen für die ambivalenten Beziehungen zwischen Politik und Wissenschaft (z. B. Verwertbarkeit von Wissen für aktuelles politisches Handeln vs. „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“ Artikel 5 Abs. 3 GG;  Kurzfristigkeit vs. Langfristigkeit).

Ein weiterer Einfluss auf die Bildungs- und Wissenschaftspolitik ging vom Sputnikstart aus. Analysen zur Erklärung dieser technischen Leistung kamen zum Ergebnis, dass im Vergleich der Bildungs- und Wissenschaftssysteme, z. B. zwischen der Sowjetunion und US-Amerika, die inhaltlichen Schwerpunkte einerseits im mathematisch-naturwissenschaftlich-technologischen Bereich und andererseits im gesellschafts-, sozial- und humanwissenschaftlichen Bereich lagen. Darauf reagierten die bildungs- und wissenschaftspolitischen Akteure in Westdeutschland mit Umgewichtungen durch Förderprogramme für den Unterricht und für die Wissenschaften in dem „vernachlässigten“ Bereich (z. B. Programme der 1961 gegründeten Stiftung Volkswagenwerk; Gründung des Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik 1966).

Da zur politischen Steuerung von Reformprozessen Handeln auf allen Systemebenen erforderlich ist, wurden verschiedene Steuerungsinstrumente und -verfahren erarbeitet und eingesetzt:

Rechtliche Rahmungen (Verfassungsänderungen/Interpretationen; Bundes- und Landesgesetze; Staatsverträge; Rechtsverordnungen; Verwaltungsvorschriften); Regierungs- und Verwaltungsorganisation (Ministerien; Beratungs- und Planungsgremien); Institutionen (staatliche Hochschulen und außerhochschulische Einrichtungen). Sie sollten zu effektiver Steuerung der gesellschaftlichen Subsysteme wie Wissenschafts-, Beschäftigungs- und Bildungssystem und der Wechselbeziehungen zwischen ihnen beitragen. Bei Überlegungen zur Steuerung der Wechselbeziehungen speziell zwischen Beschäftigungs- und Bildungssystem wurden die Bedeutung und die Reformbedürftigkeit des Berufsbildungssystems erkannt.

Als wichtige Veränderungen von Rahmenbedingungen für Wissenschaft und Forschung in der Reformphase sind folgende hervorzuheben: Rechtliche Rahmungen durch Gesetzesänderungen und neue Gesetze: Änderungen des Grundgesetzes vom 12.05.1969 zur Stärkung von Bundeskompetenzen, z. B. Artikel 74 Nr. 13 (Ausbildungsbeihilfen, Förderung wissenschaftlicher Forschung), 75 Nr. 1a (allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens), 91a (Ausbau und Neubau von Hochschulen als Gemeinschaftsaufgabe) und 91b (Zusammenwirken bei Bildungsplanung und wissenschaftlicher Forschung). Zu den verfassungsrechtlichen Rahmungen gehören auch einschlägige Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, z. B. zu Artikel 12 Abs. 1 über Berufsfreiheit (1958 sog. 3-Stufen-Theorie im Apothekenurteil, BVerfGE 7,377) und zur Beziehung von Beruf und Persönlichkeit im Urteil über das Mitbestimmungsgesetz von 1976 (1979 BerfGE 50, 290, 362). Neue bzw. geänderte Bundesgesetze wie Arbeitsförderungsgesetz (AFG) (1969 BGBL I S. 582 – rechtliche Regelungen für das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)); Berufsbildungsgesetz (BBiG) (1969 BGBl I, S. 931 – rechtliche Regelungen für das Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung (BBF), seit 1976 Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)); Tarifvertragsgesetz (TVG) (1969 BGBl I, S. 1323); Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) (1972 BGBl I, S. 13); Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) (1973 BGBl I, S. 1323). Neue bzw. geänderte Landesgesetze wie Kindergarten-, Schul-, Hochschul-, Erwachsenenbildungsgesetze (zum Teil mit Regelungen über Modellversuche und  Experimentierklauseln). Staatsverträge und Abkommen zur Kooperation zwischen den Ländern und zwischen Bund und Ländern, z. B. Stärkung der KMK durch ein „Abkommen über das Sekretariat der Kultusminister der Länder …“ (1959), neue Ausschüsse und Kommissionen; Errichtung eines Wissenschaftsrates (1957), Empfehlungen zum Ausbau des Wissenschafts- und Hochschulsystems; "Neufassung des Abkommens zwischen den Ländern der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens" („HamburgerAbkommen" vom 28.10.1964)); Verwaltungsabkommen über die Errichtung einer gemeinsamen Kommission für Bildungsplanung (BLK ) (vom 25.06.1970); Ablösung des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen (1953-1965) durch den Deutschen Bildungsrat (1966-1975).

Differenzierungen und Spezialisierung in den Regierungen: neue Ministerien in Bundes- und Landesregierungen, z. B. Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung (1962-1969), Forschung und Technologie, Post- und Fernmeldewesen (1969-1974), Forschung und Technologie (1974-1994), Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (1994-1998), Bildung und Forschung (BMBF seit 1998). Gründung bzw. Weiterentwicklung von Forschungs-, Entwicklungs- und Förderinstitutionen und -programmen, z. B. Ausbau der 1951 umgegründeten Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG); Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) (Die 1951 gegründete Hochschule für Internationale Pädagogische Forschung wurde mit Wirkung vom 1.1.1964 in den Kreis der durch das Königsteiner Staatsabkommen geförderten Wissenschaftseinrichtungen aufgenommen); Gründungen des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPI) (1963), des Deutschen Jugendinstituts (DJI) als gemeinnütziger Verein (1963), des Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) (1966); des Hochschul-Informations-Systems (HIS) durch die Stiftung Volkswagenwerk 1969; des Instituts für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund (IfADo) mit der Trägerschaft der Forschungsgesellschaft für Arbeitsphysiologie und Arbeitsschutz (1967); neue Forschungsschwerpunkte im RKW in den 1960er Jahren[6]; Förderung von Forschungsvorhaben von überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischem Interesse („Blaue Liste“ von 1977 mit 46 zu fördernden Einrichtungen – Vorläufer der Leibniz-Gemeinschaft); Landesinstitute für Schule, Unterricht, Lehrerfort- und -weiterbildung etc..

Diese angedeuteten gesellschaftlichen Entwicklungen seit Ende der 1950er Jahre und die verschiedenen politischen Aktivitäten zur Steuerung von Modernisierungsprozessen haben auch die Entwicklungen in den Wissenschaften und Forschungsbereichen beeinflusst, die Arbeit, Beruf, Bildung und Berufsbildung als gesellschaftliche Praxen analysieren und bewerten. Vor diesem allgemeinen  Hintergrund werden im Folgenden einige spezielle Entwicklungen in vier Forschungsbereichen und anschließend in vier Disziplinen erörtert.  

2.2 Arbeitsforschung

Aus berufsbildungswissenschaftlicher Sicht gibt es für die Arbeitsforschung zwei Perspektiven für Analysen und Bewertungen von gesellschaftlich organisierter Arbeit: Eine ökonomisch-technische, die Rationalisierung und Rentabilität von Wertschöpfungsprozessen verfolgt (z. B. Fordismus und Taylorismus), und eine, die auf Menschenwürde, Gesundheit und die Entwicklung von arbeitenden Menschen  gerichtet ist, und die darauf zielt, Arbeitende vor den Folgen inhumaner Arbeitsorganisation zu schützen (z. B. durch Arbeitsschutzgesetze als wichtiger Teil des Arbeitsrechts, das die privatrechtliche Gestaltungsfreiheit durch öffentliches Recht einschränkt). Diese Spannung ist auch in der interdisziplinär organisierten Arbeitsforschung zu erkennen, die im Wissenschaftssystem gut verankert ist, die allerdings vorwiegend mit Arbeitswissenschaft(en) bezeichnet wird.[7] Die Verwendung des Wortes Arbeitswissenschaft für die interdisziplinäre Arbeitsforschung ist ein exemplarisches Beispiel für die Wechselbeziehungen zwischen Forschungsbereichen und einzelnen Disziplinen, die inhaltlich geklärt und sprachlich präzise formuliert werden müssten.

Nach Gründung einer „Gesellschaft für arbeitswissenschaftliche Forschung“ 1953 in Nürnberg[8] wurde diese 1958 umbenannt in Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA). In ihr sind in der Arbeitsforschung arbeitende Wissenschaftler organisiert, die sich als Arbeitswissenschaftler definieren. Die GfA ist inzwischen ein wichtiger wissenschaftspolitischer Akteur im Bereich der Arbeitsforschung. Sie informiert ausführlich über ihre Ziele und ihr Selbstverständnis, hat im Jahr 2000 arbeitswissenschaftliche Leitlinien verabschiedet, ein Memorandum zum Strukturwandel der Arbeit vorgelegt und sie dokumentiert ihre Aktivitäten ausführlich (z. B. Frühjahrskongresse, Herbstkonferenzen, Publikationen).[9] Ihre Mitglieder wollen die Arbeitswissenschaft fördern und sie verstehen die  GfA in „besonderem Maße als Plattform für den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis sowie allen interessierten gesellschaftlichen Gruppen“. Vom Selbstverständnis der GfA-Mitglieder (auf der Makrosystemebene), das entwickelt wurde in der Spannung von einzelwissenschaftlicher Forschungs(teil)arbeit und der Absicht, diese zu einem Gesamtergebnis des Forschungsbereichs integrieren zu wollen, werden auch die disziplinären Forschungsarbeiten in der Arbeitsforschung beeinflusst.

Die Arbeitsforschung wurde und wird zudem beeinflusst von politischen Aktivitäten. Dazu gehören vor allem die Gestaltung des Arbeitsrechts im weitesten Sinne und die Aktivitäten zum Arbeitsschutz. Beide haben eine lange Tradition, die mit dem Verbot der Kinderarbeit in Preußen 1839 beginnt, 1883 zu einer ersten Ausstellung zum Arbeitsschutz führt, 1951 mit der Errichtung eines Bundesinstituts für Arbeitsschutz fortgeführt wird und 1972 mit der Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung für die Arbeitsforschung immer größere Bedeutung erlangte. Nach der Vereinigung ist 1990 diese Bundesanstalt mit dem 1954 in Dresden errichteten Zentralinstitut für Arbeitsschutz (ZIAS) zusammen geführt worden; 1996 folgte eine Fusion dieser Bundesanstalt mit der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin zur Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Sie gehört zu den wichtigen Akteuren in der Arbeitsforschung und kooperiert auch mit dem BIBB.

Als weitere politische Aktivitäten sind hervorzuheben: das staatliche Programm „Humanisierung des Arbeitslebens (HdA)“ (1974-1989), das Forschungs- und Entwicklungsprogramm „Arbeit und Technik“ (1989-1996), das Programm des BMBF „Innovative Arbeitsgestaltung - Zukunft der Arbeit“ seit (2001), die aktuelle Förderinitiative "Zukunftsfähige Arbeitsforschung“[10] und Aktivitäten gesellschaftlicher Akteure wie ein Projekt der IG Metall „Gute Arbeit“ (seit 2005).

Da das in der Arbeitsforschung generierte Wissen die Gestaltung von Arbeitsplätzen/Berufen beeinflusst, wirkt es auch auf Berufsschneidungen. Aus berufsbildungswissenschaftlicher Perspektive ist deshalb die Arbeitsforschung zugleich Berufsforschung.[11] Sie kann einerseits relevantes Wissen liefern über Arbeitsprozesse an Arbeitsplätzen (als Berufsausübung in Berufen) in den systemischen Umwelten von Betrieben in verschiedenen gesellschaftlichen Subsystemen, z. B. des Beschäftigungssystems, das verwendet werden kann für die Gestaltung beruflichen Lernens, z. B. für Konkretisierungen des Bezugspunktes Beruf und des Berufsprinzips bei der curriculare Konstruktion von Berufsbildungsgängen. Wenn und soweit von der Arbeitsforschung Ziele verfolgt werden, die als Humanisierung der Arbeit und des Lebens zusammengefasst werden können, sind sie grundsätzlich kompatibel mit den Zielen der Bildungs- und Berufsbildungsforschung. Deshalb kann das unter dieser Zielperspektive generierte Wissen funktional für die Konstruktion von Berufsbildungsgängen verwendet werden. Mit der Arbeitspädagogik existiert auch ein Schnittbereich zwischen Arbeits-/Berufs- und Berufsbildungsforschung. Denn Arbeitspädagogik kann als berufsbildungswissenschaftlich orientierte Arbeits-/Berufsforschung interpretiert werden (Kell 2013b). Sie kann u. a. Wissen generieren über Kompetenzen, Qualifikationen etc. (Humanvermögen), über das Berufsausübende zur Bewältigung der Anforderungen ihres Arbeitsplatzes verfügen – als ein Aspekt zur Konkretisierung des Bezugspunktes Beruf bei der Curriculumkonstruktion.

Ob das in der Arbeitsforschung mit der Zielperspektive „Humanisierung der Arbeit“ generierte Wissen (Entstehungszusammenhang) auch für eine zielbezogene Gestaltung von Arbeitsplätzen/Berufen verwendet wird, ist abhängig von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Da die Verwendung des Wissens vor allem von ökonomisch-technischen Kalkülen und Rationalitäten beeinflusst wird, ist keineswegs gesichert, dass nur „humane“ Arbeitsplätze/Berufe gestaltet werden. Immerhin arbeiten von den ca. 40 Millionen Berufsausübenden in Deutschland über 20% an „einfachen“ Arbeitsplätzen, für die auch das Wort Job verwendet wird. Solche (minderwertigen) Berufe sind Formen beruflich organisierter Arbeit, die mit der regulativen Idee Beruflichkeit unvereinbar sind. Als spezifische Umwelten von arbeitenden Subjekten sind sie nicht entwicklungsförderlich. Eine berufsbildungswissenschaftlich orientierte Arbeits-/Berufsforschung sollte also auch Wissen generieren, wie Berufe im Beschäftigungssystem gestaltet sein sollten, um sie mit Bezug auf die Zielkategorie Berufsbildung als entwicklungsförderlich bewerten zu können. Globale Merkmale entwicklungsförderlicher Arbeitsplätze sollten durch Merkmalkataloge und Kriterien für verschiedene Merkmalsausprägungen konkretisiert werden. In diesem thematischen Schnittbereich von Arbeits-/Berufsforschung und Berufsbildungsforschung ist eine enge Kooperation zu wünschen.

2.3 Berufsforschung

Aus berufsbildungswissenschaftlicher Sicht kann Berufsforschung als eine spezielle Beobachterperspektive in der Arbeitsforschung interpretiert werden, weil die gesellschaftliche Arbeit beruflich organisiert ist: Arbeitskräfte (Berufspersönlichkeiten) verwerten ihr Humanvermögen in Berufen (Berufsausübung). Für die Analyse und Bewertung von Arbeitsplätzen/Berufen sind Zielperspektiven und theoretisch begründete Merkmale und Merkmalausprägungen erforderlich. Aus berufsbildungswissenschaftlicher Sicht kommt als normative Orientierung die Zielkategorie Berufsbildung in Betracht. Dann handelt es sich um eine berufsbildungswissenschaftlich orientierte Berufsforschung. Als weitere Zielperspektive kommt eine normative Orientierung an der regulativen Idee Beruflichkeit in Betracht. Für eine darauf bezogene Berufsforschung müssten allerdings sowohl diese regulative Idee als auch die speziellen Merkmale und Merkmalsausprägungen theoretisch begründet werden. Ob das eine Berufswissenschaft außerhalb der Berufsbildungswissenschaft leisten könnte, ist offen und eher fraglich. 

Im Vergleich zur Arbeitsforschung/Arbeitswissenschaft ist eine Berufsforschung/Berufswissenschaft in Institutionen des Wissenschaftssystems kaum zu erkennen. In der universitären Berufsforschung hat sich deutlich gezeigt, dass sie „keine spezifische Position – weder in der Berufspädagogik noch in der Arbeitswissenschaft – finden konnte“ (Dostal 2005, 107). „Wegen der Dominanz disziplinärer Zuweisungen im Wissenschaftsbetrieb konnte die Berufsforschung (als interdisziplinärer Forschungsbereich A. K.) bisher keine eindeutige wissenschaftliche Heimat finden“ (Dostal 2013a, 95). Selbst vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB)  sind seit seiner Gründung 1967 als Forschungseinrichtung der damaligen Bundesanstalt für Arbeit  keine nachhaltig wirkenden Impulse zur Entwicklung einer interdisziplinär organisierten Berufsforschung ausgegangen – obwohl durch seine Gründung dazu beitragen werden sollte, den seinerzeit als unbefriedigend bewerteten Zustand der Berufsforschung zu verbessern (Dostal 2005, 105). Die Berufsforschung im IAB ist jedoch ein kleines Anhängsel an die Arbeitsmarktforschung geblieben. Sie ist nach einer Evaluation 2002 sogar von einem Forschungsschwerpunkt zu einer Arbeitsgruppe „degradiert“ worden (Dostal 2013b, 148). Auch derzeit ist sie nicht als ein Schwerpunkt organisiert wie die fünf Schwerpunkte, die entsprechend den gesetzlichen Vorgaben (Sozialgesetzbuch II und III) im Organigramm des IAB ausgewiesen sind, sondern sie gehört zu einer der 10 übergreifenden Arbeitsgruppen.[12] Die Forschungs- und Arbeitsprogramme der letzten Jahre enthalten allerdings keine Aussagen über die Aktivitäten dieser Arbeitsgruppen. Die Arbeitsgruppe Berufsforschung wurde 2010 als Diskussionsforum neu organisiert. Die 25 Mitarbeiter aus nahezu allen Forschungs- und Geschäftsbereichen des IAB sind disziplinär in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften qualifiziert. Die Beobachterperspektiven auf Beruf als gesellschaftliche Praxis sind also auf die wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Perspektiven begrenzt. Neben anderen Perspektiven fehlt auch eine berufsbildungswissenschaftliche.

Die Gründe für den weiterhin zu beklagenden Zustand der Berufsforschung sind bisher nicht systematisch analysiert worden. Deshalb im Folgenden nur einige theoretisch plausible Überlegungen zu möglichen Einflüssen auf den gegenwärtigen Entwicklungsstand der Berufsforschung.

(1) Fehlende Zielperspektive.

Im Vergleich zur Arbeitsforschung/Arbeitswissenschaft (Humanisierung der Arbeit), zur Bildungsforschung (Bildungsideal) und zur Berufsbildungsforschung (Zielkategorie Berufsbildung) ist für die Berufsforschung keine vergleichbare Zielperspektive expliziert worden und sie ist auch implizit nicht zu erkennen. Dadurch fehlt eine notwendige Voraussetzung für die Kooperation in der Berufsforschung und für die Integration der in der Berufsforschung disziplinär gewonnen Teilergebnisse. Anders als von Arbeitsforschern ist von Berufsforschern auch noch kein Disziplinen übergreifendes gemeinsames Selbstverständnis entwickelt worden.

(2) Unklare disziplinäre Differenzierungen.

An der Arbeitsforschung, Bildungsforschung und Berufsbildungsforschung sind etablierte wissenschaftliche Disziplinen beteiligt, auf deren Basis Spezialisierungen entwickelt wurden wie Arbeitspsychologie, -medizin, -soziologie etc.; Bildungswissenschaft, -soziologie, -psychologie, -geschichte, -ökonomie -philosophie etc. Weitere Differenzierungen, die auf Berufe bezogen sind, haben zu Spezialisierungen geführt wie Berufsbildungswissenschaft als Teildisziplin der Bildungs/Erziehungswissenschaft. In der Berufsforschung sind außer Berufspädagogik und Berufssoziologie keine weiteren Spezialisierungen etabliert. Das ist u. a. darauf zurück zu führen, dass Definitionen von Arbeit und Beruf und die Beziehungen zwischen beiden Begriffen von den an der Arbeits- bzw. Berufsforschung beteiligten Disziplinen ungeklärt sind. Was sind z. B. die Unterschiede zwischen Arbeits- und Berufsmedizin, Arbeits- und Berufspsychologie etc.?[13] Für alle an der Berufsforschung beteiligten Disziplinen wäre also zu klären, für welche Sachverhalte sie die Worte Arbeit und Beruf verwenden. Für die Berufsbildungswissenschaft gilt das speziell für die Worte Arbeits- und Berufspädagogik.[14] Solange für die Berufsforschung und für die daran beteiligten Disziplinen ungeklärt bleibt, was sie von der Arbeitsforschung unterscheidet und auf welche spezifischen Sachverhalte bezogen sie spezifisches Wissen generieren kann, wird sie im Vergleich zur etablierten Arbeitsforschung keine positiven Entwicklungen erwarten können. 

(3) Problematische Selbstdarstellungen.

Wird das umfangreiche Handbuch Berufsforschung (Pahl/Herkner 2013) als Versuch einer Zwischenbilanz in der Entwicklung der Berufsforschung gewertet, so fällt im Vergleich zu den anderen Forschungsbereichen eine größere Heterogenität auf. Diese wird u. a. verursacht durch die Verwendung des Wortes Beruf als Auswahlkriterium für das Sammeln von Beiträgen über Berufsforschung. Denn dadurch werden die Bedeutungsvielfalt und die Ungenauigkeiten bei der Verwendung des Wortes Beruf sowohl in der Alltags- als auch in der Wissenschaftssprache in den Beiträgen des Handbuches reproduziert und sie vergrößern die Heterogenität in dieser Bilanzierung. Zur Verringerung von Heterogenität in der Berufsforschung und für eine qualitativ bessere Selbstdarstellung der Berufsforschung wären wissenschaftlich begründete Auswahlkriterien erforderlich, die z. B. in Orientierung an den Wissenschaften gewonnen werden können, die an der interdisziplinären Berufsforschung beteiligt sind. Die Herausgeber machen zu ihren Auswahlkriterien im Vorwort keine Aussagen. Sie formulieren aber ihre Perspektive, die „auf eine spezifische Berufswissenschaft im engeren Sinne sowie die Berufsbildungsforschung mit dem dabei gesehenen berufspädagogischen und  berufsdidaktischen Verwertungszusammenhang“ gerichtet ist (14). Und da eine systematische Berufsforschung bislang nicht erkennbar sei, ergäbe sich der Anspruch, „einen Beitrag zu Berufswissenschaft und Berufsforschung zu leisten“ (13). Es geht  den Herausgebern also auch  (oder vor allem?) um die  Selbstdarstellung einer Berufswissenschaft.  Die häufige und vielfältige Verwendung des Wortes Berufswissenschaft führt aber zu Verständnisproblemen, die die Positionierung einer Berufswissenschaft im Wissenschaftssystem erschweren. Als Folge dieses Selbstdarstellungsversuchs wird die Heterogenität der Beiträge des Handbuchs noch erhöht.

Wenn eine Zwischenbilanz zur Berufsforschung systematisch an den Beiträgen aus den beteiligten Disziplinen orientiert wäre, könnte transparent gemacht werden, welche Beiträge zur Berufsforschung die einzelnen Disziplinen leisten. Dann könnte auch zu erkennen sein, ob mit Bezug auf die gesellschaftliche Praxis, für die das Wort Beruf von den Autoren verwendet wird, Forschungslücken bestehen. Eine „Berichterstattung über Berufsforschung“, die Forschungslücken aufdecken könnte, fehlt. Sie dürfte auch im Vergleich zu einer Berichterstattung über Berufsbildungsforschung (v. Buer/Kell 1999) und einer Bilanz zur Bildungsforschung (Beck/Kell 1996) schwieriger zu erarbeiten sein, u. a. weil eine Zielperspektive für eine interdisziplinär organisierte Berufsforschung bisher fehlt. Die Tatsachen, dass es in den Universitäten keine Lehrstühle, Seminare, Institute etc. für Berufsforschung oder für Berufswissenschaft gibt, und dass es keine oder nicht genügend Wissenschaftler gibt, die sich als Berufsforscher bezeichnen und verstehen und sich zu einer Wissenschaftsgesellschaft zusammen geschlossen haben, können als Indizien dafür gewertet werden, dass es keine gesellschaftlich artikulierten Forschungslücken gibt, die nur durch neue (Teil)Disziplinen wie Berufsmedizin, -psychologie etc. geschlossen werden könnten. Allerdings scheint ein gravierender Mangel in der Kooperation der Wissenschaftler zu bestehen, die sich in ihrer Disziplin auf Berufe spezialisiert haben und sich als Berufsforscher verstehen. Verbale Versuche, diesen Mangel durch den Anspruch kompensieren zu wollen, die Berufsforschung anderen Forschungsbereichen überzuordnen, z. B. die  Berufsbildungsforschung als Teilbereich der Berufsforschung zu definieren, sind unangemessen und sie werden vergeblich sein (siehe 2.5).

(4) Ambivalente Beziehungen zu benachbarten Forschungsbereichen.

Im einführenden Beitrag von Pahl (17-37) über „Perspektiven berufswissenschaftlicher Forschung“ (34f.) werden Interpretationsmöglichkeiten zu den Beziehungen zwischen Berufs- und Berufsbildungsforschung angeboten: (1) Berufsforschung wird der Berufsbildungsforschung zugeordnet; (2) Berufsbildungsforschung wird als Teil der Berufsforschung verstanden: (3) Berufsbildungs- und Berufsforschung wirken nebeneinander (34). Welcher Interpretationsmöglichkeit die Herausgeber aus welchen Gründen folgen, bleibt offen. Für die zukünftige „Gestaltung der Berufsforschung bzw. der berufswissenschaftlichen Forschung“ bieten sie als eines von vier Szenarien an: „Generierung einer übergeordneten berufswissenschaftlichen Forschungsdisziplin mit den Teildisziplinen Berufsforschung, Arbeitsforschung, beschäftigungs- und arbeitmarktorientierte Berufsforschung sowie Berufsbildungsforschung“ (34). Die Perspektive dieses Szenarios, für interdisziplinär organisierte Forschungsbereiche eine Berufswissenschaft als Super- oder Megadisziplin entwickeln zu können, wird  die weitere Entwicklung der Berufsforschung eher negativ beeinflussen.[15] Deshalb sind weitere Klärungen erforderlich und andere Interpretationen der Beziehungen zwischen Forschungsbereichen und Disziplinen zu erörtern.

Die Interpretation der Beziehungen zwischen Arbeits- und Berufsforschung sind davon abhängig, wie die an beiden Forschungsbereichen beteiligten Disziplinen Arbeit und Beruf definieren und wie sie die Beziehungen zwischen Arbeit und Beruf interpretieren. Zu klären wäre also, worin die Gemeinsamkeiten bzw. die Unterschiede von Arbeits- und Berufsmedizin, -psychologie, -soziologie, -pädagogik etc. bestehen. Wenn die berufsbildungswissenschaftliche Interpretation geteilt wird, dass die sprachliche Differenzierung zwischen Arbeiten an Arbeitsplätzen und Berufsausübung in Berufen sich auf die gleiche gesellschaftliche Realität bezieht, dann ist die Differenzierung zwischen Arbeits- und Berufsforschung unangemessen. Arbeits- und Berufsforschung können als ein Forschungsbereich, z. B. mit der Zielperspektive „Humanisierung der Arbeit/Berufe“, organisiert werden. Die weitere Entwicklung der Berufsforschung wird also auch davon abhängen, wie sie ihre Beziehungen zur Arbeitsforschung interpretiert und gestaltet.

(5) Berufswissenschaft als Strukturierungshindernis.

Die von den Herausgebern mit dem Handbuch verfolgte Perspektive „auf eine spezifische Berufswissenschaft“ (14) wird sprachlich sichtbar durch die häufige Verwendung des Wortes Berufswissenschaft – für unterschiedliche Sachverhalte. Sie trägt zusätzlich zur Heterogenität des Handbuches bei und behindert die systematische Bilanzierung einer interdisziplinären Berufsforschung.

2.4 Bildungsforschung

Bildungsforschung hat begonnen mit der Gründung selbständiger Professuren und Institutionen für Pädagogik an den Universitäten. Mit der Ausbreitung und Differenzierung der Pädagogik im Tertiärbereich war eine Expansion der Bildungsforschung verbunden. Durch die (akademische) Berufsausbildung für die Arbeit in pädagogischen Handlungsfeldern wurde die interdisziplinäre Kooperation innerhalb der Hochschulen erforderlich. Denn komplexe Anforderungen von Arbeitsplätzen/Berufen in pädagogischen Handlungsfeldern, z. B. im Bildungs-, Berufsbildungs-, Sozial- und Gesundheitssystem, erfordern für curriculare Konstruktionen akademischer Berufsbildungsgänge neben erziehungswissenschaftlichem Wissen auch psychologisches, soziologisches, politisches, philosophisches etc. Wissen. Die akademische Berufsausbildung war und ist ein Anlass zu interdisziplinärer Kooperation in den Hochschulen, die auch die Bildungsforschung beeinflusst hat. Weitere Einflüsse auf die Bildungsforschung gingen seit der Reformphase von 1960 bis 1975 von der Einsicht aus, dass zur Planung und Steuerung gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse verstärkt  wissenschaftliche Fundierungen erforderlich sind. Für bildungspolitische Steuerungen von Entwicklungsprozessen im Bildungssystem wurde über das in den Hochschulen generierte – vorwiegend erziehungswissenschaftliche – Wissen hinaus Wissen für erforderlich gehalten, dass durch interdisziplinär organisierte Bildungsforschung generiert wird. Aus Sicht politischer Akteure waren die Hochschulen allein dazu nicht in der Lage. Deshalb wurde u. a. 1963 das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPI) als Prototyp interdisziplinärer Bildungsforschung gegründet. 

Für die wissenschaftliche Beratung der Bildungspolitik war bereits 1953 der „Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen“ (DA) eingesetzt worden, in den „unabhängige Persönlichkeiten“ berufen wurden, zu denen auch Wissenschaftler verschiedener Disziplinen gehörten. Das von ihnen in die Gutachten und Empfehlungen eingebrachte Wissen und weitere hinzugezogene wissenschaftlich fundierte Expertise können als Beiträge zu einer interdisziplinären Bildungsforschung gewertet werden. Die Erfahrungen mit dem DA haben 1965 zu seiner Auflösung geführt. Er wurde ersetzt durch den Deutschen Bildungsrat (1965-1975), der durch seine Arbeit und die Empfehlung „Aspekte für die Planung der Bildungsforschung“ (1974) zur Weiterentwicklung der Bildungsforschung erheblich beigetragen hat. Hinzuweisen ist auf weitere Institutionen, die die Entwicklung der Bildungsforschung seit der Reformphase beeinflusst haben: Wissenschaftsrat (gegründet 1957); Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die durch Erweiterung ihre Förderstrategie, z. B. durch die Einrichtung von Forschergruppen (1962) und von Sonderforschungsbereichen (1969) Verantwortung für Entwicklungen in den Hochschulen übernommen hat. Dadurch hat die DFG auch die Bildungsforschung gefördert und weitere „Impulse für die Bildungsforschung“ initiiert (DFG 2005); Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) (1970-2007; seit 2008 Gemeinsame Wissenschaftskonferenz GWK). Für bildungspolitische Steuerungen – auch der Bildungsforschung – wurden in der Bundesregierung neue Ministerien institutionalisiert.[16] Die Ergebnisse der Bildungsforschung sind zwar weitgehend in Publikationen dokumentiert und öffentlich zugänglich, aber aus deren Umfang und Komplexität folgt eine erhebliche Unübersichtlichkeit. Sie nötigt zu systematischen Bilanzierungen der Prozesse und Produkte der einschlägigen wissenschaftlichen Arbeit. Diese Aufgabe wird bisher nur in Ansätzen erfüllt. Eine theoriegeleitete laufende Berichterstattung über Bildungsforschung fehlt. Immerhin liegen zahlreiche Publikationen vor, in denen über Stand und Entwicklungen der Bildungsforschung reflektiert wird. Auf dem 12. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) 1990 zum Thema „Bilanz für die Zukunft: Aufgaben, Konzepte und Forschung in der Erziehungswissenschaft“ wurde ein Symposium über „Bilanz der Bildungsforschung“ durchgeführt (Beck/Kell 1991). Der Aufschwung der Bildungsforschung seit der Reformphase zu einer sich selbst tragenden Entwicklung ist analysiert und dokumentiert in Weishaupt u. a. (1991). Weitere Entwicklungen sind in zwei Handbüchern über Bildungsforschung zusammengefasst (Tippelt 2002; Tippelt/Schmidt 2009). Von Hans Merkens liegen Reflexionen über „Die Zukunft der Bildungsforschung“ vor (2011).

Entwicklungen in der Bildungsforschung sind eng mit denen in der Berufsbildungsforschung verwoben. In beiden Forschungsbereichen haben die Bildungswissenschaft und die Berufsbildungswissenschaft erheblich zur Integration von Forschungs(teil)ergebnissen anderer Wissenschaften beigetragen.

Der Gründungsprozess der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (GEBF) ist ein weiteres Beispiel für die spannungsreichen Beziehungen zwischen Forschungsbereichen und Disziplinen (siehe Abschnitt 3.3).

2.5 Berufsbildungsforschung

Die Berufsbildungsforschung (BBF) hat zwei Wurzeln, von denen zwei Entwicklungslinien ausgehen, eine ökonomische und eine pädagogische (DFG 1990, 7ff.). Eine interdisziplinär organisierte BBF im modernen Sinn hat sich erst seit der bildungspolitischen Reformphase von etwa 1960 bis 1975 entwickelt. Dazu beigetragen hat einerseits die Expansion der Erziehungswissenschaft, in die die BBW einbezogen war. An den Universitäten wurden Lehrstühle, Seminare, Institute etc. für Berufs- und/oder Wirtschaftspädagogik eingerichtet, denen als zentrale Aufgabe die Berufsausbildung der Lehrkräfte für die beruflichen Schulen übertragen wurde (Buchmann/Kell 1999). Die Curriculumentwicklung für diese akademischen Berufsbildungsgänge und die Organisation der Lehre in den Studiengängen wurde beeinflusst von der organisatorischen Verortung der Lehrstühle etc. entweder zu den Fachwissenschaften oder zur Erziehungswissenschaft. Bei erstgenannter Zuordnung war die interdisziplinäre Zusammenarbeit i. d. R. auf die zwischen der Berufspädagogik und den Ingenieurwissenschaften bzw. zwischen der Wirtschaftspädagogik und den Wirtschaftswissenschaften begrenzt – mit unterschiedlichen Lösungen für die Fachdidaktiken. Aus zweitgenannter Zuordnung folgte meistens eine darüber hinausgehende Zusammenarbeit mit Philosophie, Politologie, Psychologie, Soziologie etc., aber kaum interdisziplinäre Forschung. In diesen Kontexten sind zwar einige thematische Schwerpunkte in der berufsbildungswissenschaftlichen BBF entstanden, aber die Rahmenbedingungen für die Entwicklung einer universitären BBF waren tendenziell ungünstig (DFG 1990, 15ff.).

Das von der BBF generierte Wissen über die Berufsbildung wurde von den politischen Akteuren genauso als unzureichend für die Steuerung des Berufsbildungssystems eingeschätzt wie das durch die Bildungsforschung verfügbare für die Steuerung des Bildungssystems. Parallel zum MPI zielten die Gründungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in der Bundesanstalt für Arbeit (Bundesagentur für Arbeit) und des Bundesinstituts für Berufsbildungsforschung  (Bundesinstituts für Berufsbildung – BIBB) mit Anbindung an das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (BMBW) auf eine Institutionalisierung außeruniversitärer BBF.

Obwohl die politischen Steuerungsmöglichkeiten der Arbeiten im BIBB durch dessen Konstruktion stark ausgeprägt waren, – z. B. im Vergleich zum IAB – entstand in der Politik – trotz oder wegen dieser Steuerungsmöglichkeiten – Unbehagen an der Arbeit des BIBB, das seine Existenz zu gefährden drohte und 1986 zur Einsetzung einer „Kommission zur Prüfung der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Effizienz des BIBB“ führte (Kell 1996). Sie kam aufgrund einer Defizitanalyse zu der zentralen Empfehlung, ein funktionsfähiges Netzwerk von Forschungseinrichtungen zu schaffen, in dem das BIBB eine wichtige, auch koordinierende Rolle übernehmen könnte. Diese Empfehlung hat weitgehende Zustimmung gefunden. Allerdings ist von Seiten des BMBW und des BIBB einschränkend betont worden, dass das BIBB darin keine koordinierende Rolle übernehmen könne, da das Prinzip der integrierten Aufgabenwahrnehmung einer institutionellen Trennung von Forschung und anderen Aufgabenbereichen des Bundesinstituts entgegenstehe. Deshalb komme für das BIBB z. B. eine Forschungskooperation mit der Perspektive langfristig angelegter Grundlagenforschung nicht in Betracht.

Das BIBB hat sich aber aktiv an der Entwicklung eines Forschungsnetzwerkes in der BBF beteiligt. Beratungen auf drei Kolloquien von 1988 bis 1990 führten 1991 zur Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz“ (AG BFN) durch BIBB, IAB und Kommission Berufs- und Wirtschaftspädagogik der DGfE. Weitere Mitglieder (insgesamt 33) sind Landesinstitute, Forschungsinstitute in privater und öffentlicher Trägerschaft und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die AG BFN und ihre Mitglieder sind gewichtige Akteure in der interdisziplinären BBF. Ziele der AG BFN sind: Die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu verbessern, den Austausch von Forschungsergebnissen, Meinungen und Erfahrungen zu unterstützen, relevante Forschungsfelder zu identifizieren und den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Dabei wird sie vom Kommunikations- und Informationssystem Berufliche Bildung (KIBB) unterstützt. Die AG BFN veranstaltet in unregelmäßigen Abständen Workshops, Fachtagungen und Foren zu aktuellen Themen der BBF und dokumentiert die In- und Outputs dieser Veranstaltungen.[17] Die AG BFN und ihre Mitglieder sind gewichtige Akteure in der interdisziplinären Berufsbildungsforschung. Sie hat auch die Vergabe eines Forschungsprojektes „Berichterstattung über Berufsbildungsforschung“ initiiert, die zu einer ersten Bilanzierung von Entwicklungen in der Berufsbildungsforschung bis in die 1990er Jahre geführt hat (v. Buer/Kell 1999).[18] Im Abschlussbericht über dieses Forschungsprojekt sind folgende Organisationen und Organisationseinheiten ausgewiesen:

346 Universitätsinstitute (Seminare, Lehrstühle, Arbeitseinheiten etc.) an 77 Universitäten (einschließlich Pädagogische Hochschulen u. a.), in denen BBF durchgeführt wird bzw. potentiell durchgeführt werden könnte (davon 49 an Universitäten mit Berufsschullehrerausbildung; 4 mit Berufs- und Wirtschaftspädagogen ohne Berufsschullehrerausbildung; 15 mit dem Schwerpunkt vorberufliche Bildung, 5 mit dem Schwerpunkt berufliche Weiterbildung; 130 außeruniversitäre Einrichtungen, die potentiell BBF durchführen können; 15 Großeinrichtungen mit BBF (BIBB, CEDEFOP, DIE, DIFF, DIPF, DJI, Fraunhofer Institut, HIS, IAB, IDW, IFS, IPN, MPI, SOFI, WZB); 16 Landesinstitute.

Zur BBF an den Universitäten hat die DFG mehrfach Initiativen ergriffen. Sie hat 1975 „eine Gruppe von Professoren der Berufs- und Wirtschaftspädagogik gebeten,… sich zur Lage ihrer Fächer zu äußern,…1985 ein weiteres Mal eine Beurteilung des Forschungsstandes angefordert“ und nach der Evaluation des BIBB eine Senatskommission für Berufsbildungsforschung eingesetzt, die 1987 ihre Arbeit aufgenommen und ihre Ergebnisse in einer Denkschrift vorgelegt hat (DFG 1990, 1). Die Empfehlungen in der Denkschrift haben u. a. dazu beigetragen, dass ein DFG-Schwerpunktpro­gramm „Lehr-Lern-Prozesse in der kaufmännische Erstausbildung“ von 1994 bis 2000 durchgeführt wurde (Abschlussbericht Beck2000).

Für Entwicklungen der berufsbildungswissenschaftlichen BBF an den Hochschulen (siehe Abschnitt 3.4) ist die Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der DGfE ein wichtiger Akteur.  Ihre Mitglieder (ca. 300) tragen zu einem großen Teil des Wissens über die Berufsbildung bei, das aus berufsbildungswissenschaftlicher Sicht generiert wird. Darüber hinaus erfüllt die BBW integrative Aufgaben in der interdisziplinären BBF. Insbesondere bei der curricularen Konstruktion von Berufsbildungsgängen kann und sollte sie nicht nur das selbst generierte Wissen dominant verwenden, sondern weiteres Wissen hinzu ziehen und auf seine Verwendung prüfen und auswählen, das von anderen an der BBF beteiligte Disziplinen generiert wurde. Wenn dabei Wissenslücken festgestellt werden. z. B. über Berufe, Arbeitsmärkte etc., sollten zunächst Hinweise an andere Disziplinen und an Akteure der Forschungs- und Wissenschaftspolitik gegeben und Ansprüche geltend gemacht werden, bevor eigene Ersatzaktivitäten ergriffen werden – auch zur Vermeidung von Zweckentfremdung eigener Forschungsmittel. Die Wahrnehmung der Integrationsaufgabe sollte jedoch keinesfalls zu einem grenzüberschreitenden Anspruch verleiten, für die interdisziplinäre BBF insgesamt die Integration allen Wissens – als Superwissenschaft – leisten zu können. Sie sollte aber von ihrem Selbstverständnis ausgehend über die  Wechselbeziehungen zwischen den vier Forschungsbereichen und der BBW als Disziplin reflektieren. 

Zur Relevanz solcher Reflexionen ein Beispiel. Das BIBB ist mit dem Ziel gegründet worden, multidisziplinär gewonnenes Wissen für die Gestaltung der Berufsbildung verwenden zu können. Insofern hat das BIBB eine Sonderstellung in der BBF und das von ihm vertretene Selbstverständnis hat besondere Bedeutung. Auf einer Tagung des BIBB über „Weiterentwicklung von Berufen“ (BIBB 2014) [19] hat der Forschungsdirektor des BIBB die BBF als „Ausformung der Berufsforschung“ bezeichnet. Das Wort Ausformung ist interpretationsbedürftig. Aus dem Kontext des Beitrags liegt die Interpretation nahe, dass die BBF als ein Teilbereich der Berufsforschung positioniert wird, der dem Ganzen der Berufsforschung untergeordnet ist. Zu dieser Interpretation ist aus berufsbildungswissenschaftlicher Sicht Folgendes anzumerken: Das Bundesinstitut für Berufsbildung ist der Zieldimension Bildung (Berufspersönlichkeit) in der Spannung zur Zieldimension Beruf verpflichtet. Für ihren Beitrag zur Förderung der Subjektentwicklung verfügt das BIBB über ein zentrales Steuerungsinstrument: die Gestaltung von Aus- und Fortbildungsberufen als Teil curricular konstruierter Berufsbildungsgänge. Zur Gewichtung und Konkretisierung des Bezugspunktes Beruf im „Magischen Sechseck“ sollte alles von der Berufsforschung generierte Wissen über Berufe auf seine Verwertbarkeit für die Entwicklung von Berufsbildungsgängen geprüft und genutzt werden. Das sollte die zentrale Bedeutung der Berufsforschung für die BBF sein – was  tendenziell eine Unterordnung der Berufsforschung unter die BBF bedeutet. Wenn für diesen Verwertungszusammenhang von Wissen aus der Berufsforschung für das BIBB deutlich wird, dass Wissenslücken bestehen, sollte es Ansprüche an die Berufsforschung geltend machen (insbesondere an die des IAB), um sie in sinnvoller Arbeitsteilung schließen zu können. Eigene Berufsforschung im BIBB sollte erst als Ersatzleistung durchgeführt werden. Eine Schnittstelle zwischen BBF und Berufsforschung, die einer speziellen Kooperation bedarf, ist die Prüfung der Passung zwischen den Kompetenzen (Berufspersönlichkeiten; Humanvermögen), die durch die Aus- und Fortbildungsberufe als spezifische Umwelten entwickelt werden, mit den von der Berufsforschung zu erforschenden Verwertungen dieser Kompetenzen in den Berufen des Beschäftigungssystems. Die Forschungsergebnisse aus diesem Überschneidungsbereich sind auch relevant für die Arbeitsmarktforschung, da sie zur Lösung von Passungsproblemen zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem beitragen können.

Wenn vor diesem Hintergrund die BBF als Teil der Berufsforschung verortet wird, bedeutet dies eine vorrangige Gewichtung der Zieldimension Beruf in der Spannung zur Zieldimension Bildung. Die Entwicklung von Aus- und Fortbildungsberufen folgt damit tendenziell dem Manpower Approach – und sie beeinflusst durch das Abstimmungsverfahren die Entwicklung des jeweiligen schulischen Teils des entsprechenden Berufsbildungsganges in die gleiche Richtung. Deshalb sollte im BIBB die Berufsbildungsforschung Vorrang haben und eigene Berufsforschung nur subsidiär durchgeführt werden. Und bei der Entwicklung von Aus- und Fortbildungsberufen sollte die Zieldimension Bildung stärker gewichtet werden.

Zudem ist an den Tagungsbeiträgen zu erkennen, wie wichtig die sprachliche Genauigkeit und begriffliche Unterscheidung ist zwischen Beruf als subjektivem Entwicklungsstand der Berufspersönlichkeit, Beruf als spezifische Umwelt in der Berufsbildung (Aus- und Fortbildungsberufe) und Beruf als Umwelt zur Verwertung des Humanvermögens. 

Einschlägige Beiträge zur BBF sind enthalten im „Handbuch Berufsbildungsforschung“ (Rauner 2005), das 2016 als aktualisierte dritte Auflage erscheinen wird, im „Handbuch der Berufsbildung“ (Arnold/Lipsmeier 2006) und im „Handbuch Berufs- und Wirtschaftspädagogik“ (Nickolaus et al. 2010). Weitere Informationen über Ergebnisse der BBF sind zu gewinnen aus der Bibliothek und Literaturdatenbank Berufliche Bildung des BIBB (BIBB 2015) aus dem Kommunikations- und Informationssystem Berufliche Bildung (AG BFN 2015) des Forschungsnetzes AG BFN und aus der Literaturdatenbank FIS Bildung (DIPF 2015).

3 Anmerkungen zur Arbeits-, Berufs-, Bildungs- und Berufsbildungswissenschaft

3.1 Arbeitswissenschaft

In der 1953 gegründeten Deutschen Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA)[20] sind    Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen organisiert, die die mit Arbeit bezeichnete gesellschaftliche Praxis zum Gegenstandsbereich (Erfahrungsobjekt) ihrer Forschungen gewählt haben.[21] Zu den „verschiedenen wissenschaftlichen und praxisorientierten Einzeldisziplinen ... zählen u. a. Arbeits- und Organisationspsychologie, Arbeitsmedizin, Arbeitsphysiologie, Arbeitssoziologie, Arbeitspolitik, Arbeitspädagogik sowie Ingenieur-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften“ (Leitbild). Die GfA will das Wissen dieser Einzeldisziplinen zusammenführen. „Das heißt, ihre Besonderheit bezieht die Arbeitswissenschaft – und damit auch die GfA – aus der Zusammenführung der Einzeldisziplinen (Arbeitswissenschaften) zu einer ganzheitlichen Sicht. Ganzheitlich bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur die Integration von Einzeldisziplinen, sondern auch die Vereinbarkeit unterschiedlicher Zielsetzungen, wobei humane und wirtschaftliche Ziele eine besondere Rolle spielen.“ (Leitbild). Das gemeinsame globale Ziel ist die Humanisierung der Arbeit, formuliert als „Förderung der Qualität der Arbeits- und Lebensbedingungen“ mit den Zieldimensionen „Individueller Arbeits- und Gesundheitsschutz“, „Soziale Angemessenheit der Arbeit“ und „Technisch-wirtschaftliche Rationalität“.

An den Zielformulierungen und dem im Leitbild ausgedrückten Selbstverständnis ist die Problematik zu erkennen, dass arbeitsteilig von den Einzeldisziplinen erbrachte Forschungsergebnisse zu einem Forschungsgesamtergebnis integriert werden müssen. Die innerverbandlichen Diskurse darüber und über das Selbstverständnis gibt es seit der Gründung der GfA. Zunächst „diskutierten Fachvertreter von Teildisziplinen (der Arbeitswissenschaft) leidenschaftlich die Problematik ‚Arbeitswissenschaft versus Arbeitswissenschaften’ (Rohmert in Luczak/Volpert 1987, 1). In der Verwendung des Plurals kommt zum Ausdruck, dass die Komplexität der Arbeit als Praxis nur durch die Organisation eines interdisziplinären Forschungsbereichs angemessen erforscht werden kann. Arbeitsforschung wäre die für diesen Sachverhalt angemessene Bezeichnung der Gesellschaft. Mit der Entscheidung, für die Bezeichnung der Gesellschaft den Singular zu verwenden, wird allerdings ein Anspruch sprachlich ausgedrückt, der inhaltlich erst eingelöst wäre, wenn der Nachweis gelänge, dass die Arbeitswissenschaft als (Meta)Wissenschaft zu begründen und in der Lage ist, die Integration von Erkenntnisinteressen und Forschungsergebnissen der einzelnen Disziplinen zu leisten. Solange das nicht der Fall ist, wird das Gelingen der Integration abhängig sein von den Selbstverständnissen der Disziplinen, die in der GfA vertreten sind, von ihrer Offenheit für disziplinübergreifende Probleme und von der Bereitschaft zur Kooperation im interdisziplinären Forschungsbereich. Eine Reflexion darüber sollte auch inhaltlich in der Konstruktion von  Berufsbildungsgängen für Arbeitswissenschaftler verankert werden. Denn die einschlägigen Studiengänge, die die GfA auflistet, sind sowohl hinsichtlich der Studienschwerpunkte als auch der Studienfächer sprachlich sehr vielfältig bezeichnet (http://www.gesellschaft-fuer-arbeitswissenschaft.de/arbeitswissenschaftlicher-ausbildungsgang.htm). Der Status der Arbeitswissenschaft als eine Disziplin kann auch an der Entwicklung von entsprechenden Studienangeboten als Hauptfach erkannt werden.

3.2 Berufswissenschaft

Im Handbuch für Berufsbildungsforschung (Rauner 2005) und für Berufsforschung (Pahl/Herkner 2013) wird das Wort Berufswissenschaft in vielen Varianten und für verschiedene Sachverhalte verwendet. Um die verschiedenen Wortverwendungen zu klären, soll auf Anlässe für die Wortverwendung zurück geblickt und auf Entwicklungen im Diskurs vor allem über Curriculumforschung und über die Didaktik der Berufsbildung hingewiesen werden.

Um den zentralen Anlass und den Verwendungskontext des Wortes Berufswissenschaft verstehen zu können, ist auf die Geschichte der Berufsschullehrerbildung hinzuweisen, insbesondere auf ihre Entwicklungen nach der Institutionalisierung an den Universitäten der Bundesrepublik Deutschland in den 1960er Jahren (Buchmann/Kell 2001; Kell 2011). 

Seit den Ursprüngen der Lehrerbildung für berufliche Schulen war die Frage kontrovers diskutiert worden, ob Lehrer vorrangig Fachleute (Fachwissenschaftler oder Berufspraktiker, z. B. Meister/Techniker) oder Pädagogen (z. B. Volksschullehrer) sein sollten. Diese Frage ist seit langem als unzutreffend abgewiesen und ersetzt durch die Frage, wie fachwissenschaftliche, fach- bzw. berufsdidaktische, erziehungs (und gesellschafts)wissenschaftliche und (schul/betriebs)praktische Studienanteile so gewichtet und kombiniert werden können, dass die Lehrkräfte für berufliche Schulen durch eine  akademische Berufsausbildung befähigt werden, die Berufsanforderungen bewältigen zu können. Es geht also um den Sachverhalt der curricularen Konstruktion von Berufsbildungsgängen für die Ausbildung von Berufsschullehrkräften in der Spannung des „Magischen Sechsecks“. Im Diskurs über die Interpretation der vier Studienanteile, ihrer Gewichtungen und ihrer Wechselbeziehungen gibt es in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik viele Gemeinsamkeiten und einige Unterschiede, die auch von Interpretationen der Bezugspunkte (Fach)Wissenschaft und Berufs(anforderungen)  beeinflusst werden. Hinsichtlich der Verwendung des Wortes Berufswissenschaft im Diskurs über die Didaktik der Berufsbildung sind zwei unterschiedliche Diskurslinien zu erkennen: Im Diskurs der Wirtschaftspädagogik wird das Wort Berufswissenschaft mit Bezug auf einen spezifischen Sachverhalt nicht verwendet; im Diskurs der Berufspädagogik gibt es Vertreter einer Position (z. B. Rauner, Pahl/Herkner), die das Wort in mehreren Varianten extensiv verwenden. Dadurch entstehen Interpretationsprobleme, die zu Diskussionen veranlassen. 

Wenn z. B. das Wort Berufswissenschaft(en) verwendet wird für Fachwissenschaft(en), für Fachdidaktiken, für die Kombination von Fachwissenschaft(en) und Fachdidaktik(en), für Berufsfeldwissenschaft(en) und für die erziehungs- und gesellschaftswissenschaftlichen Studienanteile (einschließlich oder ohne Fachdidaktiken), dann wirkt die Wortverwendung nivellierend, denn die verschiedenen Sachverhalte werden sprachlich nicht hinreichend differenziert ausgedrückt. Berufswissenschaft sollte als Bezeichnung für Teile von Studiengängen also nicht verwendet werden. Denn alle Wissenschaften, die curricular in einem Studiengang kombiniert sind, müssten als Berufswissenschaft bezeichnet werden, weil sie für eine je spezifische Berufsausbildung relevant sind.

Für Vermittlungen zwischen (Fach)Wissenschaft und Beruf(sanforderungen) des Lehrerberufs sind die (Fach)Didaktiken, für die das Wort Berufswissenschaft ebenfalls verwendet wird, von besonderer Bedeutung. Für die Entwicklung von Fachdidaktiken an den Universitäten mit Berufsschullehrerausbildung nach 1960 waren KMK-Rahmenvereinbarungen für die Berufsschullehrerausbildung maßgebend, insbesondere die in den Anlagen aufgeführten Beruflichen Fachrichtungen.[22] Die Entwicklungen darauf bezogener Fachdidaktiken sind aber unterschiedlich verlaufen.

Für die heutige Berufliche Fachrichtung Wirtschaft und Verwaltung beginnt eine fachdidaktische Entwicklungslinie bereits mit der Entstehung der Wirtschaftspädagogik an den Handelshochschulen. Zunächst dominierten abbilddidaktische Konzepte: Die Wissensstrukturen der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen, insbesondere der Betriebswirtschaftslehre, waren der vorrangige Bezugspunkt für unterrichtmethodische Bemühungen, betriebswirtschaftliches Wissen für Schüler kaufmännischer Schulen fassbar und verwertbar zu machen. Dann gab es eine Rückbesinnung auf erfahrungsbasiertes Lernen und auf frühe Versuche, die Arbeit kaufmännischer Fachkräfte in beruflichen Schulen zu simulieren (Fallstudien, Planspiele, Lernbüros etc.). Der Bezugspunkt Beruf im „Magischen Sechseck“ wurde neu gewichtet. Für Modellversuche zur Integration von allgemeinem und beruflichem Lernen durch die Konstruktion doppelt qualifizierender Bildungsgänge, insbesondere im nordrhein-westfälischen Kollegschulversuch, und durch Diskurse über wissenschaftsorientiertes und wissenschaftspropädeutisches Lernen rückte die Vermittlungsproblematik zwischen wissenschaftlichen Wissen und den Anforderungen von Berufen in den Vordergrund.[23] Im fachdidaktischen Diskurs wurden Konzepte der didaktischen Reduktion durch solche der didaktischen Transformation verändert, in denen die Berufsanforderungen stärker gewichtet wurden.[24] Viele curriculare Konstruktionen und Gestaltungen von Lernumgebungen im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Lehr-Lern-Prozesse in der kaufmännischen Berufsausbildung“ (vgl. Beck 2000; 2002; Beck/Dubs 1998), die Orientierung an Kompetenzen (Output und Outcome) und am Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) haben zu einer weiteren stärkeren Gewichtung des Bezugspunktes Beruf im fachdidaktischen Diskurs von Wirtschaftspädagogen geführt.[25]

Für die gewerblich-technischen Beruflichen Faschrichtungen (Metall-, Elektro-, Bau-, Holz-, Textil-, Verfahrens-, Druck-, Farb- und Gestaltungstechnik) hat die Überleitung der Gewerbelehrerausbildung von den Berufspädagogischen Instituten in die Universitäten in den 1960er Jahren zu einigen Veränderungen geführt. Neue Fachdidaktik-Professuren wurden eingerichtet und meistens organisatorisch den ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen, Fakultäten etc. zugeordnet; sie wurden dann zum Teil umgewidmet oder mit Ingenieurwissenschaftlern besetzt. Das führte zur Vernachlässigung der fachdidaktischen Ausbildung von Gewerbelehrern und zur Dominanz ingenieurwissenschaftlichen Wissens und abbilddidaktischer Konzeptionen. Gegen solche einseitige Gewichtung des Bezugspunktes (Ingenieur)Wissenschaft wurde die Notwendigkeit betont, bei der curricularen Konstruktion von Berufsbildungsgängen von Berufsanforderungen auszugehen. Auch die im Kontext der von Robinsohn angestoßenen Diskussion über „Bildungsreform als Revision des Curriculum“ (1967) und der von ihm vorgeschlagene Dreischritt (Situationen-Qualifikationen-Lehrinhalte) legte nahe, von Arbeitssituationen auszugehen und damit den Bezugspunkt Beruf für curriculare Konstruktionen von Berufsbildungsgängen  angemessen zu berücksichtigen – in Spannung zum Bezugspunkt (Fach)Wissenschaften. Positionen in der Didaktik der Berufsbildung können u. a. danach unterschieden werden, wie sie diese beiden Bezugspunkte im “Magischen Sechseck“ gewichten und vermitteln.

Positionen, die von Arbeits-Situationen ausgehen, gewichten den Bezugspunkt Beruf stark. Das trifft auf eine von Felix Rauner initiierte und von anderen Berufspädagogen übernommene und weiterentwickelte Position zu, von deren Vertretern das Wort Berufswissenschaft am häufigsten verwendet wird. Rauner wurde 1978 an die Universität Bremen auf eine Professur für Berufspädagogik berufen und war für die Berufsschullehrerausbildung in der Beruflichen Fachrichtung Elektrotechnik zuständig. Für die curriculare Konstruktion des von ihm zu verantwortenden Studiengangs lehnte er eine fachdidaktische Orientierung an der tradierten Elektrotechnik ab und begründete die Notwendigkeit von gewerblich-technischen Fachrichtungen als universitäre Fächer (Rauner 1993). Zum Diskurs über diese Entwicklungsperspektive und im Interesse an Eigenständigkeit wurde 1990 eine „Arbeitsgemeinschaft der Hochschulinstitute für gewerblich-technische Bildung (HGTB)“ gegründet.[26] „Im Kern ging es dabei um die Ausgestaltung des ‚Facharbeiterberufs- und Arbeitsbezuges’ im Studium der Beruflichen Fachrichtungen (Bannwitz/Rauner 1993)“,  und dieser Diskurs war „eng mit einem Diskurs zur ‚Berufswissenschaft’ verbunden“ (Storz 2013, 579).

Die Gründung der HGTB kann also als Versuch interpretiert werden, für die Berufsausbildung von Lehrkräften in den acht gewerblich-technischen Beruflichen Fachrichtungen an Stelle von Ingenieurwissenschaften als Bezugspunkte für Fachdidaktiken (neue) Gewerblich-Technische Wissenschaften und ihre Didaktiken zu entwickeln.[27] Damit ist ein Anspruch auf Eigenständigkeit sowohl gegenüber den Ingenieurwissenschaften als auch gegenüber der Erziehungswissenschaft/Berufspädagogik verbunden – möglicherweise ein Platz zwischen zwei Stühlen. [28]

Nach der Selbstorganisation von Berufswissenschaftlern in der HGTB wurde diese 2001 umgewandelt in „Arbeitsgemeinschaft Gewerblich-Technische Wissenschaften und ihre Didaktiken (gtw)“ in der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA) (ca. 20 Mitglieder). Die GfA hat zwar keine mit anderen Wissenschaftsgesellschaften vergleichbaren Untergliederungen wie Sektionen, Kommissionen etc. (Kell 2015, Fußnote 12), aber Mitglieder können sich zu Arbeitsgruppen wie die gtw zusammenschließen. Die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft von Berufspädagogen sind erfüllt, weil die GfA die Arbeitspädagogik zu ihren „wissenschaftlichen Einzeldisziplinen“ zählt. Berufs(feld)wissenschaft(en) ist/sind bei den Einzeldisziplin(en) der GfA nicht ausgewiesen. Die gtw hat etwa 50 Mitglieder.

Ein Anspruch auf Eigenständigkeit wird nicht nur mit der Verwendung des Wortes Berufswissenschaft erhoben, sondern er ist auch mit anderen Worten verbunden. „Die Begriffskonstellationen ‚Berufswissenschaft’, Berufswissenschaftliche Forschung’, ‚Berufs(feld)wissenschaft’, ‚Berufsfeldforschung’, ‚Gewerblich-technische Wissenschaften’ werden auch von den Vertretern dieser Disziplinen nicht stringent, sondern eher schwimmend genutzt“ (Becker/Spöttl 2008, 16). Von diesem Befund ausgehend versuchen die Autoren, zur Klärung von Begriffen beizutragen und die Position der Berufswissenschaft zu erläutern. Ihre Aussagen über die Notwendigkeit von Forschungen über Berufe und deren Bewertung als einen „Schwerpunkt der Berufsbildungsforschung“ (15) drücken einen breiten Konsens in der Berufspädagogik aus. Umstritten ist dagegen, ob dafür eine eigenständige Berufswissenschaft erforderlich ist und theoretisch begründet werden kann. Die Autoren berufen sich wie viele Berufswissenschaftler auf einige Wurzeln ihrer Wissenschaft wie auf Riedel (1957), Laube (1965), Grüner (1970), Müllges (1975) und Stratmann (1975) – alle mit einem berufspädagogischen Selbstverständnis. Riedel wird zitiert als Vertreter von „berufspädagogisch ausgerichteten Arbeitsanalysen“ (17). Laube plädierte für „umfassende Berufsanalysen unter berufspädagogischem Aspekt“ (zitiert 15). Stratmann hat mehrfach auf die Notwendigkeit „berufswissenschaftlicher Untersuchungen/Befunde“ hingewiesen (337, 339, 341). Er plädierte im Kontext der Curriculumentwicklung für den nordrhein-westfälischen Kollegschulversuch für eine berufspädagogische Qualifikationsforschung. Berufswissenschaftler, die sich in dieser Tradition sehen, sind also Berufspädagogen. Legitimatorische Argumente für eine eigenständige Berufswissenschaft sind aus diesen Wurzeln nicht zu gewinnen.

Zur Frage, wie sich die Berufswissenschaft zu den Gewerblich-Technischen Wissenschaften verhält, wird ausgeführt: „Der Terminus ‚Gewerblich-Technische Wissenschaften’ (GTW), so wie er von Berufswissenschaftlern heute benutzt wird, stellt eine Präzisierung der Forschungsdisziplin innerhalb der Berufswissenschaften dar. Es wird auf eine Disziplin innerhalb der Berufswissenschaften verwiesen, speziell auf die gewerblich-technischen Schwerpunkte, die sich vor allem auf die Berufsfelder …beziehen“ (17f.). Im Abschnitt über „Ziele berufswissenschaftlicher Forschung“ wird als erstes das „Herstellen des Zusammenhangs zwischen Qualifikationsforschung und Curriculumentwicklung“ benannt (31f.) – das könnte ein erfolgreiches Mittel zur Erreichung von Zielen sein. Die folgenden Erörterungen über „Gesellschaftliche Herausforderungen der Arbeitswelt und Bildungsziele“ (33-36) enthalten knappe Aussagen über Werte und Ziele. Sie ermöglichen zumindest, auf Differenzen in normativen Orientierungen hinzuweisen.

Mit Bezug auf die Siegener Position einer bildungswissenschaftlichen Qualifikationsforschung, deren Ergebnisse für die curriculare Konstruktion von Berufsbildungsgängen verwendet werden sollen, wird zunächst postuliert, dass beide Positionen die gleichen Ziele verfolgen. „In der curricularen Gestaltung hingegen verweisen die Vertreter der Bildungswissenschaften auf die Leitidee der Subjektbildung (vgl. Buchmann 2006, 250), während die Vertreter der Berufswissenschaften die Beruflichkeitsorientierung verfolgen (vgl. Rauner/Spöttl 2002) und dabei zugleich die Humanorientierung im Sinne haben. Hinter dieser Auffassung steht die Leitvorstellung der Gleichwertigkeit (nicht der Gleichartigkeit) von allgemeiner und beruflicher Bildung.“ (35f.).Auf die Zielkategorie Berufsbildung bezogen wird mit einem Bekenntnis zu dieser Leitvorstellung die Berufswissenschaft als Position innerhalb der Berufspädagogik als eine Gemeinsamkeit ausgewiesen. Deutliche Unterschiede bestehen in der Gewichtung der Zieldimensionen Beruf und Bildung bei der Curriculumkonstruktion. Bei der bildungswissenschaftlichen Position steht die Entwicklung von Subjekten in Richtung auf die Zieldimension Bildung im Vordergrund. Entwicklungen in Richtung auf die Zieldimension Beruf sind Mittel zur Erreichung dieser Zieldimension. Die Beruflichkeitsorientierung in der berufswissenschaftlichen Position führt zum Vorrang der Zieldimension Beruf  vor der Zieldimension Bildung. Die Subjektentwicklung von Facharbeitern wird vorrangig an ihrer Funktionstüchtigkeit für (Erwerbs)Berufe im Beschäftigungssystem orientiert – tendenziell ein Ziel-Mittel-Tausch, allerdings mit dem Ziel, Facharbeiter zur Mitgestaltung von Berufen zu befähigen. Während aus der bildungswissenschaftlichen Position starke Gewichtungen der Bezugspunkte (1) Zielkategorie Berufsbildung, (2) Lernvoraussetzungen und Lernbedürfnisse der Subjekte und (4) Erkenntnisse der Wissenschaften (Wissenschaftsorientierung) im „Magischen Sechseck“ folgen, führt die berufswissenschaftliche Position zu einer besonders starken Gewichtung des Bezugspunktes (3) Qualifikationsanforderungen. Im Diskurs über die Wechselbeziehungen zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem und über Passungsprobleme folgt die berufswissenschaftliche Position folgt eher der Spur des Manpower Approach. Die bildungswissenschaftliche Position ist durch ihr dominantes Interesse an Subjektentwicklung in größerer Nähe zum Social Demand Approach zu positionieren, vermittelt diesen jedoch mit dem Manpower Approach, insbesondere durch die Interpretation der Wechselbeziehungen zwischen Beruf und Bildung als polare Spannung, durch das Konzept des Berufsprinzips und durch eine angemessene Gewichtung des Bezugspunktes Beruf im „Magischen Sechseck“ bei der curricularen Konstruktion von Berufsbildungsgängen.

3.3 Erziehungswissenschaft/Bildungswissenschaft[29]

Entwicklungen der Erziehung, der pädagogischen Berufe und der Erziehungswissenschaft sind umfangreich erforscht und bildungswissenschaftlich generiertes Wissen ist gut dokumentiert. Deshalb werden im Folgenden nur einige Entwicklungen in der Selbstorganisation von Erziehungswissenschaftlern und der Aktivitäten der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) als Fachgesellschaft zwischen Wissenschaft und Politik erörtert.

Die 1964 gegründete DGfE „fördert die erziehungswissenschaftliche Forschung und Theorieentwicklung, berät über Strukturfragen der erziehungswissenschaftlichen Forschung und Theorieentwicklung, berät über Strukturfragen der erziehungswissenschaftlichen Studiengänge, pflegt Kontakte zu internationalen erziehungswissenschaftlichen Gesellschaften und benachbarten Disziplinen, tritt für die Förderung des erziehungswissenschaftlichen Nachwuchses ein, fördert den wissenschaftlichen Informationsaustausch durch Kongresse, Kommissionstagungen sowie durch Schriftenreihen und durch die Mitgliederzeitschrift "Erziehungswissenschaft“ (http://www.dgfe.de/wir-ueber-uns.html). Mit ca. 3000 Mitgliedern gehört sie zu den großen wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Über Fragen ihrer Binnendifferenzierung ist in der DGfE seit der ersten Vorstandssitzung permanent beraten und entschieden worden (Berg/Herrlitz/Horn 2004, 37 ff.). Erste Überlegungen über die Einrichtung von 6 Kommissionen entwickelten sich zu einer gegenwärtigen Binnendifferenzierung in 13 Sektionen, 19 Kommissionen und weiteren Arbeitsgruppen.[30] Sie können interpretiert werden als Reaktionen auf  institutionelle Spezialisierungen der Bildungswissenschaft in den Hochschulen und letztlich auf die Komplexität einer sich verändernden gesellschaftlichen Praxis, für die das Wort Bildung verwendet wird.

Auf den DGfE-Kongressen zu aktuellen Rahmenthemen und auf den Tagungen der Sektionen, Kommissionen und Arbeitsgruppen haben die Mitglieder die Möglichkeit, sich über ihre wissenschaftliche Arbeit auszutauschen, den innerfachlichen Diskurs zu pflegen, mit benachbarten Sektionen und Kommissionen zu kooperieren, mit Gästen aus anderen Wissenschaften zu diskutieren und auf den Mitgliederversammlungen Stellungnahmen und Positionen zu beschließen. Die DGfE ist an den Begutachtungs- und Auswahlprozessen der DFG beteiligt und in internationalen Vereinigungen vertreten. In der Außendarstellung und als politischer Akteur (Stakeholder) wendet sie sich mit Stellungnahmen, Memoranden, Positionen etc. an die Öffentlichkeit und an spezielle Adressaten (http://www.dgfe.de/stellungnahmen-positionen.html). Zur Vorbereitung von Entscheidungen über solche Aktivitäten durch den Vorstand oder die Mitgliederversammlung und zur Entlastung des ehrenamtlichen Vorstands werden zusätzlich Kommissionen oder Arbeitsgruppen eingesetzt, z. B. Strukturkommission, Ethik-Rat, Arbeitsgruppe Modernisierung, Archiv-Beirat.[31] Im Mitteilungsblatt „Erziehungswissenschaft“ wird über die Aktivitäten des Vorstandes, der Sektionen etc. informiert und es werden speziell Beiträge aufgenommen, die sich thematisch auf wissenschaftsorganisatorische, -systematische und -theoretische Aspekte des ganzen Faches beziehen (Editorial, Heft 1).[32]

Die Fragen nach Einheit und Vielfalt der Bildungswissenschaft tangieren auch die Beziehungen zwischen Bildungswissenschaft und Bildungsforschung. Einheit stiftend wirken kann die Orientierung aller in den Sektionen und Kommissionen kooperierenden Mitglieder an einer Zielkategorie, z. B. Bildung. Ein einigendes Selbstverständnis hat jedenfalls Bedeutung sowohl für eine bildungswissenschaftliche Bildungsforschung als auch füreine erfolgreiche Kooperation in der interdisziplinären Bildungsforschung. Die Spannungen zwischen einer Disziplin und einem Forschungsbereich, die bereits am Beispiel Arbeitswissenschaft/Arbeitsforschung erörtert wurden, sind auch an einem Beispiel im Bereich Bildungswissenschaft/Bildungsforschung sichtbar geworden.

Wissenschaftler verschiedener Disziplinen hatten1965 einen Arbeitskreis für Empirische Pädagogische Forschung (AEPF) gegründet. Die Aufnahme des Arbeitskreises in die DGfE geht auf einen Vorstandsbeschluss von 1968 zurück, diesen mit dem Status einer Kommission gleichzusetzen mit der Maßgabe, dass nicht alle ihre Mitglieder auch Mitglieder der DGfE sein müssten. „Das bedeutete, dass diejenigen Teilnehmer an den Tagungen der AEPF, die Mitglieder der DGfE sind, zugleich als ‚Kommission für empirische pädagogische Forschung’ galten. … In der Reihenfolge der Kommissionsgründungen liegt die AEPF auf Platz 3“ (Berg/Herrlitz/Horn 2004, 41). Seitdem hat sie sich zu einer mitgliederstarken Kommission entwickelt. Bereits 1974 wies sie 150 Mitglieder aus, von denen 50 auch Mitglieder der DGfE waren (43). Gegenwärtig ist sie eine von 19 Kommissionen und der Sektion Empirische Bildungsforschung zugeordnet. Die zweite Kommission dieser Sektion ist die für Bildungsorganisation, Bildungsplanung, Bildungsrecht.

Die Mitglieder der AEPF aus benachbarten Disziplinen verstehen sich zwar als Bildungsforscher, aber nicht als Bildungswissenschaftler. Die Nähe zur DGfE und die Federführung der Kommission AEPF bei den Tagungen führte wahrscheinlich bei einigen Mitgliedern zu Identitätsproblemen und Unbehagen aus weiteren Gründen. Die Gründung einer Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (GEBF) 2012, an der Mitglieder der AEPF federführend beteiligt waren, kann als Reaktion auf solche Probleme und als Versuch interpretiert werden, die Spannungen zwischen einzelnen Disziplinen und einem interdisziplinär organisierten Forschungsbereich zu bewältigen. Die GEBF „will insbesondere die Zusammenarbeit der Disziplinen stärken, die mit empirischen Methoden zu Bildungsfragen forschen“ (www.gebf-ev.de). Durch die Einengung auf empirische Bildungsforschung droht jedoch die Gefahr, dass die Zielperspektive Bildung, die für die DGfE konstitutiv ist, im Forschungsbereich der GEBF nur geschwächt vertreten wird.

Die Gründung der GEBF ist ein weiteres Beispiel, an dem die Grenzen der Möglichkeiten zu erkennen sind, als Disziplin die Integration von Wissen zu leisten, das von benachbarten Disziplinen generiert wird.

3.4 Berufsbildungswissenschaft

Entwicklungen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik/Berufsbildungswissenschaft sind eng verwoben mit denen in der Bildungs- und Berufsbildungsforschung und in der Erziehungswissenschaft/Bildungswissenschaft, die in den Abschnitten 2.4, 2.5 und 3.3 skizziert wurden. Außerdem ist die Geschichte der Berufs- und Wirtschaftspädagogik und das von ihr generierte Wissen gut dokumentiert. Deshalb wird hier nur noch auf einige Entwicklungen in der Selbstorganisation von Berufs- und Wirtschaftspädagogen hingewiesen.

Vier Inhaber von Professuren an Handelshochschulen trafen 1941 in Wien zusammen und bezeichneten sich als „Vereinigung Deutscher Hochschullehrer für Wirtschaftspädagogik“. Im Sinne der Entwicklung von Wissenschaften in fünf Stufen kann dieses Treffen als Übergang von Amateurwissenschaftlern zur entstehenden akademischen Wissenschaft interpretiert werden (Reinisch 2009, 4). „Konferenzergebnis waren Beschlüsse zur Gestaltung des Handelslehrerstudiums, die im gleichen Jahr die weitgehende Zustimmung der Handels- und Wirtschaftshochschulkonferenz fanden“ (Zabeck 2013, 650).

„Zu Beginn der 1960er Jahre wurde bei einem Treffen des ‚Wirtschaftspädagogischen Studienkreise’ – unter diesem Namen war die ‚Vereinigung…’ nach dem Krieg wieder aufgelebt“ – über eine einheitliche Terminologie der Disziplin beraten (Zabeck 2013, 691f.). Die heutige „Vereinigung der Universitätsprofessoren der Wirtschafts- und Berufspädagogik“ hat über 50 Mitglieder und trifft sich jährlich zu einer Tagung. Sie ist zu interpretieren als eine gesellige Vereinigung von Kolleginnen und Kollegen, die aktuell auch Mitglieder der heutigen Sektion BWP sind. Im Verhältnis zur Sektion BWP überlässt sie dieser den Status eines berufsbildungspolitischen Akteurs (Stakeholder) und beschränkt sich auf informelle Anregungen und unterstützende Aktivitäten.

Bei den Überlegungen und Entwicklungen zur Binnendifferenzierung der DGfE wurden bereits 1964 sechs mögliche Kommissionen und an achter Stelle ein Themenkreis „Berufsausbildung“ genannt (Berg/Herrlitz/Horn 2004, 37). In einem nächsten Strukturierungsversuch wurde „Berufs- und Wirtschaftspädagogik“ als eine von neun Teildisziplinen vorgeschlagen. Für den Vorstand zeichneten sich nach den Kriterien bestimmter Anlass oder bestimmtes Projekt nur vier Kommissionen ab, darunter eine Kommission „Ausbildungsformen der Jugendstufe“ (38). Die weitere Entwicklung dieser Kommission ist nicht dokumentiert. Aber zehn Jahre nach der Gründung war in einer Zwischenbilanz die Kommission Berufs- und Wirtschaftspädagogik aufgelistet. Die Ergebnisse einer Befragung ergaben für die Kommission BWP 69 Mitglieder und einen dreiköpfigen Vorstand (43). Da nach der Satzung auch promovierte wissenschaftliche Mitarbeiter aufgenommen werden können, ist die Mitgliederzahl der Sektion BWP kontinuierlich auf ca. 300 Mitglieder gestiegen.

„Die Sektion BWP führt regelmäßig wissenschaftliche Tagungen durch. Dort berichten Mitglieder aus der Forschungsarbeit und geben damit Einblick in Ergebnisse und Tendenzen der Berufsbildungsforschung in Hochschulen“. Die Beiträge werden in Tagungsbänden dokumentiert. Der Gegenstand dieser Forschungen ist kurz umrissen (www.bwp-dgfe.de).

Stellungnahmen und Positionierungen der Sektion betreffen fast ausschließlich das Berufsschullehrerstudium (Modelle für die Berufsschullehrerbildung; Basiscurriculum). Thematische Ausnahme ist ein „Memorandum zur Professionalisierung des pädagogischen Personals in der Integrationsförderung aus berufsbildungswissenschaftlicher Sicht“ (2009). Die Sektion BWP trägt durch ihre Aktivitäten auch zur Selbstreflexion, zur Reflexion über die Berufsbildungsforschung und über deren Beziehungen bei, die in Publikationen über Sektionstagungen dokumentiert sind. Allerdings mangelt es an einem aktuellen Diskurs über das Selbstverständnis der Berufsbildungswissenschaft (Kell 2014).

Bisher ist es der Sektion (wie auch der DGfE) nicht gelungen, als politischer Akteur in der Spannung von Wissenschaft und Politik von anderen bildungspolitisch relevanten Akteuren als erster Adressat angesprochen zu werden. Berufungen in Beratungsgremien, Beiräten etc. (z. B. in den Wissenschaftlichen Beirat des BIBB) erfolgen nicht auf Vorschläge der Fachgesellschaft und ihrer Sektionen, sondern werden auf anderen Wegen von Parteien, Interessenverbänden, Lobbyisten und „Seilschaften“ beeinflusst. 

4 Schlussbemerkungen

Für die Konstruktion von Berufsbildungsgängen ist zum einen fundiertes Wissen über alle Bezugspunkte im „Magischen Sechseck“ erforderlich. Das benötigte Wissen sollte vorrangig von der Berufsbildungsforschung und zusätzlich von der Arbeits-/Berufs- und Bildungsforschung generiert werden. Die Fragen, welches einschlägige Wissen für diesen Verwendungszusammenhang vorliegt und welche Wissenslücken durch Forschungen zu schließen wären, können bisher nur teilweise beantwortet werden. Einige Rahmenbedingungen für dahin gehende Forschungen und Forschungskooperationen sind in den Vorbemerkungen erörtert.

Für die Konstruktion von Berufsbildungsgängen und für Entwicklung eines Systems von berufsbezogenen Bildungsgängen, das die Berufsorientierung und Berufsvorbereitung (im Primarbereich und in den Sekundarbereichen I und II), die  Berufsausbildung (im Sekundarbereich II und im Tertiärbereich) und die Berufsfort- und -weiterbildung (im Tertiär- und Quartärbereich) umfasst, ist zum anderen die Integration allen verfügbaren Wissens erforderlich. Zur notwendigen Integration verfügbaren Wissens könnte eine berufsbildungstheoretisch fundierte BBW beitragen. Sie ist aber praktisch dazu nur begrenzt in der Lage, u. a. wegen ungünstiger Rahmenbedingungen. Gleichwohl sollte sie die Integrationsaufgabe aber Ernst nehmen und weiter verfolgen – auch mit der Perspektive innerwissenschaftlicher Verständigung und Kooperation. Von ihrem innerwissenschaftlichen Selbstverständnis ausgehend wäre ein erster Schritt zur Multidisziplinarität die Wahrnehmung von Wissen, dass von benachbarten Disziplinen generiert wird. Nach einer Analyse, mit Bezug auf welche Ziele und mit welchen Erkenntnisinteressen das Wissen von Anderen generiert wurde, kann die Kompatibilität mit der eigenen Position bewertet und über die Verwendung für die eigene Forschungsarbeit entschieden werden. Ein zweiter Schritt zur multidisziplinären Kooperation wären Anregungen an Nachbardisziplinen, aus eigener Sicht festgestellte Wissenslücken zu schließen. Gemeinsame Forschungen von Wissenschaftlern mehrere Disziplinen wäre ein weiterer Schritt. Die koordinierte Forschungsplanung in der BBF und die Organisation der Forschungszusammenarbeit wäre die anspruchsvollste Form von Interdisziplinarität. Sie ist zu wünschen, bleibt einstweilen aber Utopie.

Die Erörterungen sind ein Versuch, Aussagen zu vier Forschungsbereichen und vier Disziplinen und zu Wechselbeziehungen zwischen ihnen darzulegen und auf Entwicklungen in der Praxis wissenschaftlicher Arbeit und Berufe zu beziehen. Diese auf Systematisierung zielenden idealtypischen Erörterungen sollten nicht missverstanden werden als Vorgabe für dahin gehende wissenschaftspolitische Top-down-Steuerungsversuche, die ohnehin nur begrenzt wirksam wären. Vielmehr sollten sie Wissenschaftler anregen zum Nachdenken: über den eigenen Beruf  (über Motive, Interessen, beliefs etc. einerseits und Einflüsse aus der Berufsumwelt auf ihre Forschungsarbeit anderseits) und über das individuelle Selbstverständnis, das in dieser Spannung entwickelt werden kann.[33] Daraus könnten sich (Bottom up) ein gemeinsames Selbstverständnis in der Disziplin BBW und Perspektiven zu Kooperationen mit anderen Disziplinen in der BBF sowie zu eigenen Beiträgen in der Arbeits-/Berufs- und Bildungsforschung entwickeln, die in Richtung auf die idealtypischen Überlegungen verlaufen könnten.

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[1] Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung wird i. d. R. nur die männliche Bezeichnung aufgeführt Vertreterinnen der jeweiligen Personengruppe sind selbstverständlich mit gemeint.

[2] Auch eine „entwicklungsorientierte interdisziplinäre Berufsbildungsforschung“ verfügt zwar über umfangreiche Praxiserfahrungen. „Eine breitere methodologische Reflexion dieser Praxis mit dem Ziel, eine wissenschaftliche begründete Entwicklungsmethodik zu begründen, ist eine der Herausforderungen für die Berufsbildungsforschung.“ (Rauner 2005, 677).

[3] Oder „es wird zukünftig vermehrt der Suche nach Brückentheorien bedürfen“ (Merkens 2011, 510).

[4] Von der Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz (AG BFN): http://kibb.de/cps/rde/xchg/kibb/hs.xsl/376.htm

[5] Z. B. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), 1925 gegründet, wurde ab 1959 zum größten Forschungsinstitut ausgebaut. Das DIW konstatierte 1966 die erste Rezession der Nachkriegszeit. Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) an der Universität München. Institut für Weltwirtschaft (IfW) an der Universität Kiel. Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), gegründet 1969 mit erweitertem Forschungsspektrum. Solche Entwicklungen wurden auch von internationalen Aktivitäten beeinflusst, z. B.von der Gründung der OECD und die von ihr einberufene Washington Conference im Jahr 1961.

[6] Rationalisierungs-  und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e. v. (RKW), neue Schwerpunkte „Mensch und Arbeit“ und „Humanisierung der Arbeit“; vgl. Pohl, M.: Die Geschichte der Rationalisierung: Das RKW 1921-1996, S. 13 ff. http://www.rkw-kompetenzzentrum.de/fileadmin/media/Kompetenzzentrum/Dokumente/Meta-Navigation/1996_RKW_Geschichte.pdf.

[7] Z. B. Lehrstühle, Institute, Arbeitseinheiten für Arbeitswissenschaft in den Hochschulen und außerhochschulische Institute wie Leibnitz-Institut für Arbeitsforschung an der Universität Dortmund und Frauenhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation.

[8] Erster Präsident ORR Dr. H. Kellner vom Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung.

[9]www.gesellschaft-fuer-arbeitswissenschaft.de Weitere Informationen über die GfA unter 7.3.1.

[10]http://www.zukunftsfaehige-arbeitsforschung.de/foerderinitiative.html; siehe auch www.sabine-pfeiffer.de/files/downloads/2005-ZAF-Broschuere.pdf

[11] Zur Begründung siehe den Beitrag von Kell in diesem Band, Kapitel 5 und 6 Ziffer 1.2 und 2.2 sowie  Abschnitt 2.3.

[12]http://www.iab.de/de/ueberblick/organigramm.aspx

[13] Zum Verhältnis von Arbeit und Beruf aus berufsbildungswissenschaftlicher Sicht siehe den Beitrag von Kell in diesem Band, Kapitel 5.

[14] Zur theoretischen Positionierung von Arbeits- und Betriebspädagogik in der Spannung von Ökonomie und Pädagogik Kell 2013b.

[15]Diesem Szenario entsprechen auch Überlegungen der Herausgeber zu einer Allgemeinen Theorie der Berufe, siehe dazu die kritische Stellungnahme in Kell 2015.

[16] Siehe Abschnitt 2.1.5

[17]http://kibb.de/cps/rde/xchg/kibb/hs.xsl/376.htm

[18] Für das Forschungsprojekt sind zusätzlich Berichte eingeholt worden zur Berufsbildungsforschung in der Psychologie, Soziologie, in den Wirtschaftswissenschaften, in der Jugend-, Erwachsenenbildungs- und Frauenforschung (v. Buer/Kell/Wittmann 1999).

[19] In den Beiträgen zu dieser BIBB-Tagung wurde das Wort Beruf zu häufig unspezifiziert verwendet. Da das nach dem Prospekt für die Tagung zu erwarten war, ist im Siegener Beitrag, der thematisch auf die Wechselbeziehungen zwischen den Bezugspunkten Beruf und Wissenschaft im „Magischen Sechseck“ fokussiert war, mit einem Fragenkatalog zur Diskussion hingewiesen worden (Buchmann 2014, 210f.).

[20]www.gesellschaft-fuer-arbeitswissenschaft.de

[21] Ordentliche Mitglieder der GfA können Personen werden, „die sich in der Arbeitswissenschaft qualifiziert haben“ (Satzung 4.1). Eine berufliche Tätigkeit in Forschung und Entwicklung im Wissenschaftssystem wird nicht vorausgesetzt. „Die GfA ist also offen für verschiedene Berufsgruppen“. Es gibt also „Wissenschaftler“ und „Praktiker“ in der GfA; In der Zeitschrift für Arbeitswissenschaft wird zwischen „wissenschaftlichen Beiträgen“ und „Praxisbeiträgen“ differenziert. Außerdem gibt es fördernde und korporative Mitglieder.

[22] Die KMK-Rahmenvereinbarungen von 1949 und 1973 legten übereinstimmend 13 Fachrichtungen des beruflichen Schulwesens fest. Die „Rahmenvereinbarung über die Ausbildung und Prüfung für ein Lehramt der Sekundarstufe II berufliche Fächer) oder für die beruflichen Schulen“ vom 12.05.1995 weist in einer Anlage 16 „Berufliche Fachrichtungen in der Lehrerausbildung“ aus; das Wort Wissenschaft wird nicht mehr verwendet.

[23] Zur curricularen Konstruktion von Bildungsgängen im Kollegschulversuch im Kontext eines Systems von 17 Schwerpunkten unter Verwendung von Strukturgittern vgl. Wissenschaftliche Begleitung Kollegstufe NW.1974; Kell 1986;  für den Schwerpunkt Wirtschaft und Verwaltung insbesondere Kutscha 1976.

[24] Z. B. Hauptmeier/Kell/Lipsmeier 1975.

[25] Die stärkere Gewichtung des Bezugspunktes Beruf birgt allerdings die Gefahr, dass technisch-ökonomische Interessen und Rationalitäten zu Lasten pädagogischer Ziele und Rationalität bei der curricularen Konstruktion von Berufsbildungsgängen dominant werden.

[26]Mitglieder 1998: Institut für Technik & Bildung (Universität Bremen); Institut für Berufliche Fachrichtungen (Technische Universität Dresden); Dekanat für gewerblich-technische Wissenschaften (Technische Universität Hamburg-Harburg); Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik (biat) (Europa-Universität Flensburg); Assoziierte Mitglieder: Institut für berufliche Bildung und Weiterbildungsforschung (Technische Universität Berlin); Institut für Technische Allgemein- und Berufsbildung (i. G.) (Universität Rostock); Lehrstuhl Didaktik Elektrotechnik/Automatisierungstechnik/Informatik (Technische Universität Chemnitz).

[27] Allerdings zunächst nur für die von den Mitgliedern angebotenen Beruflichen Fachrichtungen.

[28] An keiner Hochschule mit Studiengängen für Lehrkräfte an beruflichen Schulen in den gewerblich-technischen Beruflichen Fachrichtungen gibt es Professuren mit der Bezeichnung Berufswissenschaft(en). Nur an der TU Hamburg-Harburg sind Professuren für Gewerblich-Technische Wissenshaften (GTW) institutionalisiert.

[29] Welches der Worte Erziehung oder Bildung als Bezeichnungen für die damit gemeinte Wissenschaft und für die Fachgesellschaft besser geeignet ist, hängt in der Innensicht von Definitionen und bildungstheoretischen Begründungen der Begriffe Erziehung und Bildung und ihrer Wechselbeziehungen ab. Für die Kommunikation nach Außen und für Interaktionen mit Akteuren in der Bildungspraxis kann aus pragmatischen Gründen die Berücksichtigung der Alltagssprache (Bildungspolitik, -planung, -bericht, -ministerium etc.) zweckmäßig sein. Mein Plädoyer für die Bezeichnung Berufsbildungswissenschaft ist zugleich ein Plädoyer für die Bezeichnung Bildungswissenschaft (beide im Singular!).

[30] Die Gefahr der Zersplitterung hat zum Teil zur Zurückhaltung gegenüber Anträgen auf neue Kommissionen und wissenschaftlichen „Grenzgängern“ geführt, auch gegenüber den Fachdidaktiken. Obwohl für die Didaktik als zentraler Themenkreis der Bildungswissenschaft bereits in der Gründerphase eine Kommission Allgemeine Didaktik vorgesehen war, ist eine Untergliederung in Fachdidaktiken nicht entwickelt worden. Das hat zur Gründung fachdidaktischer Vereinigungen außerhalb der DGfE beigetragen (siehe Gesellschaft für Fachdidaktiken e. V. (GFD e. V.) als Dachverband von 25 fachdidaktischen Vereinigungen – http://www.fachdidaktik.org/).

[31] Nach Recherchen in den Aktenbeständen für eine „Kleine Geschichte der DGfE“ zum vierzigjährigen Bestehen (Berg/Herrlitz/Horn 2004) wird in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung seit 2010 die Archivierung der DGfE-Aktenbestände in der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin vorbereitet.

[32] Als typisches Beispiel sei auf die Beiträge zum Thema „Wie politisch ist die Erziehungswissenschaft?“ in Heft 50, (2015) verwiesen.

[33] Analysen und Bewertungen von Berufen und von Entwicklungsmöglichkeiten zu Berufspersönlichkeiten in diesen Umwelten an Hand von Merkmalskatalogen und Merkmalsausprägungen könnten auch über Berufe und Personen in der BBW aufklären.

Zitieren des Beitrags

Kell, A. (2015): Arbeit und Beruf aus Sicht ökologischer Berufsbildungswissenschaft. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 29, 1-32. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe29/kell_beitrag2_bwpat29.pdf (15-12-2015).