bwp@ 40 - Juli 2021

Didaktisierung des Digitalen: Zur Entwicklung berufs- und wirtschaftspädagogischer Studiengänge

Hrsg.: H.-Hugo Kremer, Nicole Naeve-Stoß, Lars Windelband & Juliane Fuge

Lernfabriken an beruflichen Schulen als Gegenstand fachdidaktischer Professionalisierung – Entwicklung von standortübergreifenden Medienpaketen im beruflichen Lehramtsstudium

Beitrag von Uwe Faßhauer, Lars Windelband, Britta Mutzke & Stefan Harm
Schlüsselwörter: Lernfabrik, Didaktik 4.0, Lehrerbildung, integrierte Didaktik

Neben neuen Technologien verändern auch Geschäftsmodelle, Unternehmensstrategien sowie Organisationsstrukturen die Arbeits- und Geschäftsprozesse. Diese Entwicklungen der Industrie 4.0 oder auch Wirtschaft 4.0 erfordern einen deutlichen Perspektivwechsel zu einer Prozess- und Digitalisierungsorientierung für die Berufsbildung. Neben berufsfeldbezogener Fachkenntnisse benötigen die angehenden Berufsschullehrkräfte ebenso spezifisches technisches, fachdidaktisches und methodisches Professionswissen. Das führt zu der Frage, welche Lehr-Lern-Settings eine angemessene Didaktisierung des Digitalen in der Berufsbildung ergeben und wie diese in der Lehrerbildung wirksam aufgenommen werden können. In diesem Beitrag werden Einblicke in den Arbeitsstand der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd im Projekt „Technik- und Wirtschaftsdidaktik integriert (TWIND)“ der Qualitätsoffensive Lehrerbildung gegeben, die sich auf die Entwicklung standortübergreifend nutzbarer hochschuldidaktischer Medienpakete für die Lehrerausbildung beziehen. Schwerpunkt im Beitrag sind die Beschreibung und Begründung von inhalts-, anwendungs- und umsetzungsorientierten Medienpaketen zu berufsschulischen Lernfabriken. Lernfabriken an beruflichen Schulen sind dabei selbst als Konzept zur Didaktisierung des Digitalen zu sehen.

Learning factories in vocational schools as a subject of subject didactic professionalization – development of cross-location media packages in professional teacher training

English Abstract

In addition to new technologies, business models, corporate strategies and organizational structures are also changing work and business processes. These developments in Industry 4.0/Economy 4.0 require a clear change in perspective to a process and digitization orientation for vocational training. In addition to professional-related specialist knowledge, prospective vocational school teachers also need specific technical, didactic and methodological professional knowledge, which leads to the question of which teaching-learning settings result in an appropriate didacticization of digitality in vocational training and how these can be effectively incorporated into teacher training. This article provides insights into the status of work at the Schwäbisch Gmünd University of Education in the project "Integrated Technology and Business Didactics (TWIND)" of the Qualitätsoffensive Lehrerbildung, which relates to the development of university didactic media packages for teacher training and further education that can be used across locations. The focus of the article is the description and university didactic justification of content, application and implementation-oriented media packages for vocational school learning factories.

1 Ausgangslage

Die sich aktuell beschleunigte digitale Transformation der Arbeitswelt führt in allen beruflichen Fachrichtungen zu tiefgreifenden Veränderungen in den Berufsbildern und zu veränderten Kompetenzanforderungen. Neben neuen Technologien verändern auch Geschäftsmodelle, Unternehmensstrategien sowie Organisationsstrukturen die Arbeits- und Geschäftsprozesse in fast allen Unternehmen. Diese Entwicklungen, die aktuell unter den Schlagworten „Industrie 4.0 bzw. Wirtschaft 4.0 diskutiert werden, erfordern einen deutlichen Perspektivenwechsel zu einer Prozess- und Digitalisierungsorientierung für die Berufsbildung. Die Aspekte Vernetzung, Digitalisierung ganzer Wertschöpfungsprozesse und Gestaltung intelligenter Arbeitsplätze stehen dabei im Mittelpunkt.

Viele berufsbildende Schulen reagieren auf die technologische Entwicklung u. a. mit der Einführung und Umsetzung von „Lernfabriken“ (Faßhauer/Wilbers/Windelband 2021). Aufgrund ihrer Nähe zu realen beruflichen Arbeitsaufgaben haben gerade Lehr-Lern-Arrangements in Lernfabriken das Potenzial, die Lücke zwischen grundlegendem Theorie- und praxisgebundenem Fachwissen (teilweise sogar Erfahrungswissen) zumindest deutlich zu verkleinern. Ziel ist es, die Lernenden zum kompetenten Arbeitshandeln in komplexen Zusammenhängen zu befähigen sowie arbeitsprozessbezogene Aufgaben mit einem Denken und Agieren in einer vernetzten Produktion zu simulieren. Dadurch ergeben sich einige Vorteile wie der ausgeprägte Praxisbezug, eine hohe Problemorientierung mit einer Orientierung an realen Arbeitsaufgaben und die flexible, auch berufsübergreifende Durchführbarkeit von Lernaufgaben innerhalb von Lernfeldern. Die erforderliche Flexibilität gelingt durch variable Lernzeiten mit teilweise berufsübergreifenden Aufgabenstellungen in einer industrienahen Lernumgebung. Lernfabriken eignen sich besonders als Lernumgebung, da u. a. gewerblich- technische und kaufmännische Zusammenhänge und Prozesse praxisnah simuliert und interaktiv erlebbar gemacht werden können.

Daraus ergeben sich inhaltliche und didaktische Konsequenzen für die 1. Phase der Lehrerbildung. Denn um in diesem Kontext kompetent agieren zu können, müssen angehende Berufsschullehrkräfte die Gelegenheit bekommen, sich mit den daraus erwachsenen fachdidaktischen Herausforderungen im Sinne des doppelten Praxisbezuges auseinanderzusetzen. Neben berufsfeld­bezogener Fachkenntnisse benötigen sie ebenso spezifisches technisches, fachdidaktisches und methodisches Professionswissen bzw. entsprechende Kompetenzen.

Das bisher breit rezipierte und in empirischen Studien vielfach genutzte Modell des Professionswissens von Lehrkräften sieht pädagogisches Wissen, Inhaltswissen (des Fachs) und, im Überschneidungsbereich der beiden Komponenten, das fachdidaktische Wissen als konstituierend an (vgl. Kunter et al. 2011). In Anlehnung an Koehler und Mishra (2009) wird als zusätzliche Komponente in aktuellen Studien nunmehr auch technologisches Wissen als gleichbe­deutend zum Inhaltswissen und pädagogischen Wissen gesehen (Seufert et al. 2019; Schäfer/Walker 2018). In der Schnittmenge aller drei Bereiche wird das technologisch-pädagogische Inhaltswissen gesehen (TPACK): der systematische Einsatz von Technologie mit wirksamen Methoden zur Erarbeitung eines spezifischen Themas im Unterricht. Im Sinne dieses Modells sind berufsschulische Lernfabriken im Kontext eines technischen Lehramtsstudiums zugleich als fachlicher Lerngegenstand (Inhaltswissen, CK) und als Lernträger im Sinne einer didaktischen Strukturierung von Inhalten der beruflichen Fachrichtung zu sehen (fachdidaktisches Wissen, PCK). In den Bereich des technologischen Wissens (TK), der i.d.R. als Wissen über technologische Unterstützung von Lehr-Lernprozessen interpretiert wird, fällt der Einsatz der Medienpakete, insbesondere deren zentrales Element der Erklärvideos.

Die Didaktisierung des Digitalen wird somit im folgenden Beitrag zugleich in zwei Aspekten verdeutlicht. Zum einen sind Lernfabriken an beruflichen Schulen als solche bereits der Versuch, digitalisierte Arbeits- und Produktionsprozesse mit einer angemessen komplexen Lernumgebung didaktisch zu erschließen (Abschnitt 2). Zum anderen erhalten digital unterstützte hochschuldidaktische Konzepte eine besondere Bedeutung. Ein möglicher Lösungsansatz wird am Beispiel entsprechender „Medienpakete“ dargestellt, die im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung an der PH Schwäbisch Gmünd für einen standortübergreifenden Einsatz in der 1. Phase der Lehramtsausbildung entwickelt und erprobt werden (Abschnitt 3.1). Zentrales Element der Medienpakete sind selbsterstellte Erklärvideos, die nach spezifischen Kriterien gestaltet sind (Abschnitt 3.2). Da Lernfabriken im Rahmen der Lehramtsausbildung nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen, unmittelbar an den Hochschulen i.d.R. gar nicht, kommt dem entsprechenden Medienpaket zur Unterstützung des Selbststudiums und zur Planung und Vorbereitung realer Unterrichtssituationen an diesen Anlagen eine hohe Bedeutung zu (Abschnitt 3.3).

2 Lernfabriken an beruflichen Schulen als Gegenstand fachdidaktischer Professionalisierung

Seit 2016 sind unterschiedliche Initiativen zur Förderung von beruflichen Lernfabriken in Deutschland zu erkennen, und zwar auf Landesebene. Besonders hervorzuheben sind die Förderinitiativen in Baden-Württemberg, in Bayern sowie Niedersachsen. Erste Lernfabriken an beruflichen Schulen waren u. a. die Lernfabrik 4.0 der Gewerblichen Schule in Göppingen, die Smart Factory Anlage der Beruflichen Schulen Osnabrück Brinkstraße sowie die Industrie  4.0-Abfüllanlage der Beruflichen Schulen 2 in Wolfsburg. Statistische Daten zu den Einsatzgebieten von Lernfabriken in den beruflichen Schulen in Deutschland liegen nicht vor. Lernfabriken dürften jedoch schwerpunktmäßig in den Fachschulen und in der beruflichen Erstausbildung eingesetzt werden (Faßhauer/Wilbers/Windelband 2021).

Die Lernfabrik soll einen Betriebskontext vorstellbar machen, in dem für Lernende reale Arbeitsbedingungen simuliert werden. Es handelt sich dabei um eine komplexe, anspruchsvolle, räumliche und didaktisch-methodische Konzeptualisierung (vgl. Zinn 2014). Der Begriff Lernfabrik steht für eine fachdidaktisch-methodisch begründete Lehr-Lernumgebung, die idealerweise den gesamten Produktionsprozess und angrenzende Unternehmensbereiche abbildet (Steffen/Deus/Frye 2013).

Die mit Lernfabriken fokussierten Kompetenzerwartungen zielen grundsätzlich auf eine Handlungskompetenz bzw. Problemlösefähigkeit ab. Zu den übergeordneten Lernzielen in der Lernfabrik gehören selbständiges Planen sowie Durchführen und Kontrollieren von Arbeitstätigkeiten nach dem Modell der vollständigen Handlung. In beruflichen Schulen steht das Ziel im Vordergrund, Auszubildenden und Lernende der Fachschulen den Erwerb bzw. die Vertiefung beruflicher Handlungskompetenz zu ermöglichen. Deshalb sind alle Lernfabriken an beruflichen Schulen problem- und handlungsorientiert aufgebaut sowie inhaltlich an entsprechenden Lernfeldern der Rahmenlehrpläne ausgerichtet. Aktuell haben Lernfabriken einen Schwerpunkt in der gewerblich-technischen Berufsbildung, und zwar rund um die Themenbereiche und die Berufsfelder Automatisierungstechnik, Elektrotechnik, Metalltechnik, Mechatronik sowie Steuerungs- und Regelungstechnik.

Die hohe technische Komplexität in den Produktionsprozessen im Kontext der Industrie 4.0 geht einher mit den hohen Anforderungen an das technische Verständnis der Lernenden und Lehrenden. Um die Arbeits- und Geschäftsprozesse im Kontext der Industrie 4.0 nachvollziehen zu können, werden Facharbeiter:innen der gewerblich-technischen und immer mehr auch den kaufmännischen Berufsfeldern mit diesem Prozessverständnis konfrontiert. Ziel ist es, durch ein problemorientiertes Handeln möglichst nahe an den tatsächlichen Arbeits- und Geschäftsprozessen zu lernen. Aspekte der Vernetzung und ein Denken in vernetzten Systemen können damit eng verbunden werden. Besonders das weitere Zusammenwachsen von informationstechnischen mit den klassischen Produktionsprozessen kann hier an realen Aufgabenstellungen thematisiert werden. Darüber hinaus werden ein selbständiges und kontinuierliches Lernen, informelle Kompetenzen in abstraktestem Denken und Kommunikation sowie Problemlösefähigkeit als wichtige Fähigkeiten in einer Arbeitswelt 4.0 in der Lernfabrik gefördert (Faßhauer/Wilbers/Windelband 2021, S. 29).

Eine Vernetzung mit unterschiedlichen Berufsgruppen, insbesondere gewerblich-technischen Berufen und kaufmännischen Berufen, zeichnet sich zunehmend als künftige Aufgabe für die didaktischen Konzeptionen von Lernfabriken in der beruflichen Aus- und Weiterbildung ab. Gemeinsame Basis bildet hier der gesamte Wertschöpfungsprozess. Deshalb ist eine Lernumgebung notwendig, die selbige möglichst exakt wiedergibt um effektiv ausbilden zu können (Lütjens 2006, S. 3). Die derzeit eingeführten Lernfabriken bieten zusätzlich zu den zentralen Industrie 4.0 Inhalten (Sensorik, Aktorik, flexible Fertigung, Vernetzung etc.) die Möglichkeit, ein vertieftes Verständnis der Zusammenhänge innerhalb der Wertschöpfungs­kette zu erhalten. Da in einer Lernfabrik die gesamte Wertschöpfungskette und damit die gesamte Auftragsabwicklung von der Bestellung eines Produktes, der Planungsablauf, der Bestellung der notwendigen Materialien, der Materialzuführung, den Produktions- und Bearbeitungsschritten bis hin zur Qualitätskontrolle und der Auslieferung des Produktes (zum Kunden) abgebildet werden kann.

Die Lernsituationen umfassen somit wesentliche Elemente einer handlungsorientierten Qualifizierung wie Arbeits- und Geschäftsprozessorientierung, die Reflexion von Theorie und Praxis, Wissenschafts- und Erfahrungsorientierung (vgl. Wannöffel/Bianchi-Weinand 2018). Viele der Lernfabriken sind modular aufgebaut, sodass der Wertschöpfungsprozess (oftmals als Produktionsprozess) in mehreren Stufen gegliedert ist, z. B. in Form einer Bearbeitung von Produktionsschritten und einer Montageeinheit mit integrierten Funktionen der Logistik und der Qualitätssicherung.

Die große Unterschiedlichkeit der Lernfabriken erschwert die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte und deren Unterstützung – etwa in Form von Handreichungen – erheblich. Die Konzepte zur Weiterbildung von Lehrkräften unterscheiden sich sehr stark in den Bundesländern. In der Hochschulausbildung spielt dies noch so gut wie keine Rolle. Den Berufsschullehrer:innen fehlt oftmals das berufsfachspezifische Wissen, da sie immer weniger die aktuelle berufliche Praxis mit den Veränderungen einer digitalisierten Arbeitswelt aus eigener Erfahrung heraus kennen. Sie haben dadurch Schwierigkeiten, die Zusammenhänge in einer Lernfabrik darzustellen und die komplexen Sachverhalte der vernetzten Arbeitswelt in der smarten Fabrik abzubilden.

Da insbesondere in Baden-Württemberg zz. 37 berufliche Schulen mit Lernfabriken 4.0 ausgestattet sind (Digitalisierung BW 2019) bzw. in naher Zukunft weiter um Module zur Künstlichen Intelligenz und virtuellen Darstellungen (AR) ausgebaut werden, liegt es in der Verantwortung der ersten Phase der Lehramtsausbildung, die unterrichtlichen Praxisbezüge im Rahmen der fachdidaktische Professionalisierung daraufhin inhaltlich auszurichten. Hochschuldidaktisch wird dies in aktuelle Strategien zur deutlich erweiterten digitalen Unterstützung des Selbststudiums integriert. Im Rahmen eines Verbundprojektes der Qualitätsoffensive Lehrerbildung mit den Universitäten Mainz und Kassel sowie der Technischen Universität Darmstadt werden hierfür Medienpakete zu unterschiedlichen Facetten des Professionswissens erstellt. Informationen zum Verbundprojekt im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung unter http://www.twind.de, oder auch als Erklärvideo im YouTube-Kanal des TWIND-Verbundpartners Institut für Berufsbildung der Universität Kassel.

3 Medienpakete zur Qualitätsverbesserung der Lehrausbildung

3.1 Zielstellungen im Projekt TWIND

Ein zentraler Baustein des Verbundprojektes TWIND ist die Entwicklung von Medienpaketen zur Qualitätsverbesserung der Lehrerausbildung. Im Projekt werden digitale Lehr-Lern-Angebote zur effektiven Förderung der Handlungskompetenzen von angehenden Lehrer:innen an beruflichen Schulen für die Aus- und Fortbildung entwickelt und nachhaltig etabliert. Der Erwerb fachdidaktischer Kompetenz wird insgesamt durch die für TWIND festgelegte Strukturierung der digitalen Lehr-Lernmodule („Medienpakete“) mit Fokus auf Wissen bzw. mit Fokus auf Können unterstützt. Dabei geht der Projektverbund arbeitsteilig vor. Am Standort Schwäbisch Gmünd werden im Hinblick auf die in Abschnitt 2 beschriebene Implementierung von Lernfabriken an beruflichen Schulen und der dafür notwendigen fachdidaktischen Professionalisierung drei Medienpakete entwickelt, erprobt und über ein bundesweites Netzwerk möglichst breit eingesetzt. Im ersten von drei unabhängig voneinander einsetzbaren Medienpaketen wird zunächst das Wissen über Lernfabriken, ihre verschiedenen Formen und Einsatzfelder fokussiert. Es wird zz. erprobt und evaluiert. In einem zweiten Medienpaket werden Anwendungskontexte an beruflichen Schulen konkretisiert und mit best-practice Beispielen erschlossen. Mit einem dritten Medienpaket wird die Umsetzung in konkrete Lernsituationen im Rahmen von lernfeldorientierten Curricula durch Studierende unterstützt werden (vgl. Abbildung 1).

Die entwickelten Medienpakete zum Schwerpunkt Lernfabriken an beruflichen Schulen werden im Studium (und möglichst auch im Referendariat) integriert, um die entsprechenden fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Handlungskompetenzen gezielt zu fördern. Einsetzbar sind die Medienpakete in den gewerblichen-technischen Fachrichtungen sowie im kaufmännischen Bereich. Der Fokus liegt dabei auf Entwicklungen im Kontext von Industrie 4.0, deren technologische und organisatorische Veränderungen sowie auf der Entstehung neuer Lernräume in Form von „Lernfabriken“ an den beruflichen Schulen.

Abbildung 1: Medienpakete „Lernfabriken an beruflichen Schulen“Abbildung 1: Medienpakete „Lernfabriken an beruflichen Schulen“

Leitlinien sind über medien- und hochschuldidaktische Kriterien hinaus die fachwissenschaftlichen und -didaktischen Standards der KMK, um die Medienpakete in möglichst vielen Studiengängen adaptieren zu können. Entwickelt wurden sie jedoch zunächst im Kontext der beruflichen Fachrichtungen Fertigungstechnik (FERT) sowie Energie- und Automatisierungstechnik (ENAT) im Studiengang M.Sc. Ingenieurpädagogik, den die PH Schwäbisch Gmünd in Kooperation mit der HS Aalen seit 2007 durchführt. In den Modulen „Berufsbildung für die digitalisierte Arbeitswelt“ (10 LP) und „Didaktische Konzepte zur Digitalisierung“ (10 LP) ist die Didaktisierung digitalisierter Arbeits- und Geschäftsprozesse und ihre Umsetzung im Rahmen berufsschulischer Lernfabriken curricular verankert. Die Medienpakete werden hier zur Unterstützung des Selbststudiums und zur hochschuldidaktischen Gestaltung der Module eingesetzt. Ziel der Medienpakete ist es, die Umsetzung der folgenden Inhaltsbereiche aus den KMK- Fachprofilen (KMK 2019, 78 ff.) für die beiden beruflichen Fachrichtungen letztlich an allen Standorten entsprechender Lehramtsstudiengänge zu unterstützen:

  • Fokussierung beruflicher Facharbeit und bildungsgangbezogener Lerngegenstände (FERT) sowie der berufs- und fachwissenschaftlichen Bereiche und ihrer Entwicklungen (ENAT) im Kontext der wandelnden Arbeitswelt.
  • Gestaltung und Evaluation beruflicher Bildungs- und Qualifizierungsprozesse (FERT) bzw. didaktischer Analyse, Gestaltung und Evaluation beruflicher Bildungs- und Qualifizierungsprozesse (ENAT).

Im Hinblick auf die fachrichtungsspezifischen Kompetenzprofile lassen sich die Medienpakete unter „analysieren und reflektieren Geschäfts- sowie berufliche Arbeitsprozesse im Zusammenhang mit Technik und Bildung in ihrer Gestaltbarkeit“ (FERT) sowie „reflektiert neue Entwicklungen der Digitalisierung in den beruflichen Arbeitsbereichen und in der Berufsbildung in didaktischen Kontexten und entwickeln unterrichtliche sowie curriculare Konzepte angemessen weiter“ (ebd.) (FERT und ENAT) einordnen. Die hochschuldidaktische Intention der Medienpakete unterscheidet sich je nach Zielrichtung des Lernprozesses für die Studierenden. Eine Zielsetzung der Medienpakete liegt im Aufbau handlungsrelevanten Wissens (Prozess-, Sach- und Reflexionswissen). Jedoch sollen auch Konzepte zu möglichst problem- und anwendungsorientierten Auseinandersetzung der (angehenden) Lehrkräfte mit den Medienpaketen formuliert und umgesetzt werden. Ziel des dritten Medienpaketes ist es dann, die handlungsnahen Kompetenzen in den Situationen der Planung von Lernsituationen (Unterricht) sowie der konkreten Umsetzung von Lernsituationen zu erhöhen.

Das in Abbildung 2 dargestellte Format zeigt den Aufbau der Medienpakete aus den fünf Elementen: wissenschaftlicher Begleittext (nach geltenden wissenschaftlichen Standards), audio-visuelles Medium z. B. Erklärvideo, Aufgaben bzw. Arbeitsauftrag, zugehörigen Kompetenzbeschreibungen und Reflexions- und Kontrollelemente.

Abbildung 2: Aufbau der MedienpaketeAbbildung 2: Aufbau der Medienpakete

Die einzelnen Elemente eines Medienpaketes sind inhaltlich aufeinander abgestimmt und stehen in einem direkten Zusammenhang. Ein Medienpaket kann mit weiteren Medienpaketen zu einer Reihe zusammengestellt werden, um größere Themen und Problembereiche der beruflichen Lehrerbildung abzudecken.

Ein oder mehrere audio-visuelle Medien ergänzen den wissenschaftlichen Begleittext. Sie können je nach Konzeption des Medienpaketes unterschiedliche Ziele erfüllen. Dem Medienpaket vorangestellt, können z. B. Erklärvideos den Einstieg in die Problemstellung bzw. Thema erleichtern und zur Auseinandersetzung mit der Fragestellung motivieren. Weitere Ziele können sein, die zentralen Inhalte in zusammengefasster Form wiederzugeben, die praktisch-situative Bedeutung und Anwendungsbezüge des Fachinhalts zu verdeutlichen oder konkrete Lernsituationen aufbereitet darzustellen (vgl. Niegemann 2008, S. 266). Gleichzeitig kann sich die Lernzielrichtung der Studierenden verändern, ob die Studierenden vorwiegend ein Sach- und Reflexionswissen aufbauen oder die Förderung von Problemlösungsfähigkeit und Handlungskompetenzen im Mittelpunkt des Medienpaketes stehen. Die Verbindung zwischen den unterschiedlichen Medien eröffnet die Möglichkeit zur Gestaltung komplexer, hybrider Lernarrangements. Damit würden die Studierenden nach dem europäischen Kompetenzrahmen für Lehrende (DigCompEdu, European Union 2017) von der Stufe A – Entdecker:in - auf die mittlere Stufe B – Experte:in (Stratgeie, Reflexion) wandern, da hier eigene digitale Stategien zur Problemlösung entwickelt und angewandt werden müssen.

3.2 Kriterien zur Entwicklung von Erklärvideos

Die Erklärvideos nehmen in den Medienpaketen eine entscheidende Funktion bei den audio-visuellen Medien ein, da hier für die Lernenden unterschiedliche Lernräume eröffnet werden. Je nach didaktischer Zielrichtung unterstützt der Einsatz von Erklärvideos in Lernprozessen allgemein drei Ziele: zunächst ein Lernen am Modell und vertiefend das Lernen durch Reflexion sowie auf der Ebene der eigenen Videoproduktion das Lernen durch Lehren (vgl. Rummler 2017, S. 7).

Ein Lernen am Modell wird fokussiert, wenn das Erklärvideo als Prozess des Nachahmens verstanden wird. Wie gut das Nachahmen des Modells gelingt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, u. a. von der Komplexität und Sichtbarkeit der Handlung oder dem Vorwissen der Betrachtenden (ebd.). Eine weitere Zielrichtung ist das Lernen durch das Reflektieren und Analysieren von videobasierten Handlungssituationen. In Bezug auf die Rezeption von Unterrichtsvideos verdichten Krammer und Reusser (2005) die Reflexion auf folgende sechs Bereiche: Erfassen der Komplexität von Realität, Wissen erweitern, Wissen flexibler machen, Theorie und Praxis verbinden, Fachsprache aufbauen und Perspektivwechsel durchführen (Krammer/Reusser 2005, S. 36 f.). Die dritte Zielrichtung, Lernen durch Lehren, basiert darauf, dass Studierenden durch das Erklären im Video, welches sie selbst erstellen, selbst lernen (Martin 2007). Im Kontext des hier vorgestellten Projektes werden die beiden erstgenannten Funktionen von Erklärvideos zur Unterstützung des selbstgesteuerten Lernprozesses bei den Studierenden adressiert.

Weiterhin werden Erklärvideos allgemein verstanden als:

„…eigenproduzierte, kurze Filme, in denen Inhalte, Konzepte und Zusammenhänge erklärt werden (Erklärvideos im engeren Sinne) oder Tätigkeiten und Prozesse demonstriert und kommentiert werden (Tutorial), jeweils mit der Intention, beim Betrachter ein Verständnis zu erreichen bzw. einen Lernprozess auszulösen.“ (Findeisen/Horn/Seifried 2019, S. 18)

Die hier gewählte Begriffsauffassung verweist in Anlehnung an Wolf (2015) auf ein Mindestmaß an Didaktisierung. Erklärvideos unterscheiden sich somit auf der einen Seite von Dokumentarfilmen, welche teilweise einen geringen Grad an Didaktisierung aufweisen, vor allem dann, wenn sie vornehmlich informieren und Fakten ohne weiterführende Erklärung präsentieren. Auf der anderen Seite sind Erklärvideos von professionell produzierten Lehrfilmen zu unterscheiden, die einen hohen Grad an Didaktisierung aufweisen und den Anspruch auf Vollständigkeit und Fehlerfreiheit erheben. Tenberg (2021) differenziert Erklärvideos weiterhin nach ihren Einsatzfeldern aus. So dienen Erklärvideos als Selbstlernmedien zur Unterstützung des individuellen Lernprozesses. Schließlich können Erklärvideos auch als dynamische Dokumentation eingesetzt und wie Mitschriften zum Rekonstruieren von Lerninhalten genutzt werden (ebd., S. 15f.). Im Rahmen der Medienpakete im hier dargestellten Projekt steht das erste Einsatzfeld im Fokus.

Die Erklärvideos in den Medienpaketen werden mit 5-8 Min. definitionsgemäß eher kurz gestaltet und beziehen sich auf einzelne, gut abgrenzbare Inhalte. Diese sind insgesamt im Rahmentext dargestellt, dort über Wissens- und Erschließungsfragen strukturiert und mit den Inhalten der Videos verknüpft, sodass sie interaktiv erschlossen werden können. In Form eines Avatars („Twindi“) ist eine digitale Lernbegleitung durch alle Videos gegeben. Diese sichert eine minimalen narrative Rahmung und Identifikation der Lernenden. Zugleich ist dieses gestalterische und verbindende Element im Hinblick auf die intendierte Nutzung in den unterschiedlichsten Kontexten in anderen beruflichen Lehramtsstudiengängen nicht dominant angelegt.

Erklärvideos lassen sich nach diversen Ordnungskriterien kategorisieren. Dafür gibt es unterschiedliche Vorschläge. Ein Kriterium könnte beispielweise die technische Gestaltung und Umsetzung sein. Arnold und Zech (2019, S. 26 ff.) differenzieren zwischen sechs unterschiedlichen Stilarten und Formen von Erklärvideos: Screencasts (Bildschirm mittels Software abgefilmt – Tutorials), Legetechnik (analog und digitale Umsetzung – Karten sprechen lassen), Stop-Motion Videos (Aneinanderfügen von vielen einzelnen Bildern), Whiteboard-Stil (Vortrag vor der Kamera), Green-Screen Videos (Vortrag vor animiertem Hintergrund) und entpersonalisiertes Whiteboardvideo (mittels Software werden Bilder, Grafiken und Text animiert). Eine audio-visuelle Aufbereitung der unterschiedlichen Formen von Erklärvideos nach Arnold/Zech (2019) finden Sie im o. a. YouTube Kanal „Didaktik technischer Berufe“.

Technisch werden in den umgesetzt Medienpaketen im TWIND-Projekt hauptsächlich Screencasts bearbeitet und teilweise mit eigen erstellten Filmmaterial ergänzt. Screencasts (ebd., S. 26) sind eine Form von Erklärvideos, die aus einem Aneinanderreihen aus Screenshots zu Erklärzwecken entstanden sind. Mit der Bildschirmaufnahmefunktion können mittlerweile schnell und einfach Videos mit jeglichem digitalen Endgerät erstellt werden. Diese laufen zumeist in Echtzeit. Sobald Inhalte eingeblendet oder gezeigt werden, erklärt und kommentiert dieses gleichzeitig eine Sprecherstimme. Die Aufzeichnung läuft parallel.

Die Screencasts in den Medienpaketen werden in einer speziellen Software erstellt. Mit Hilfe dieser können erklärende Zeichnungen und Grafiken erstellt und mit einer Sprecherstimme ergänzt werden. Da es möglich ist Bild- und Tonspur separat zu bearbeiten, können solche Bildschirmaufzeichnungen auch nachträglich beschleunigt werden. Videos entwickeln so eine Dynamik und wirken nicht zu langatmig. Zudem lässt die Software es zu, vorhandenes Material (Text oder Bild- oder Videodateien) zu importieren und graphisch aufzubereiten. So konnte Filmmaterial in einen Kontext integriert und visuell und auditiv kommentiert werden. Realfotomaterial wurde als Grundlage für Detailerklärungen herangezogen. Intendiert wird bei all diesen Formen eine bessere Nachvollziehbarkeit und Veranschaulichung des entsprechenden Settings.

Zudem werden im Projekt auch interaktive Videos mit Originalfilmmaterial und digital gezeichneten Elementen (Screencasts) zu spezifischen fachdidaktischen Fragen für die Studierenden erstellt. Diese Form von veränderbaren Videos wird aktuell in den Ordnungskriterien für Formen und Stilarten für Erklärvideos noch nicht abgebildet, da Erklärvideos bisher als nicht veränderbar oder gestaltbar galten.

Folgende Zielstellungen sind mit den interaktiven Erklärvideos im Projekt verknüpft (vgl. Bieberstein 2019):

  • durch Overlay-Einblendungen oder Buttons wurden auf weiterführende Informationen oder interessante Quellen hingewiesen, denen Studierende bei Interesse nachgehen können (Definitionen von Begriffen oder ergänzende Informationen).
  • Ganze Lernpfade können abgebildet werden. Mithilfe einer im Video eingebetteten Navigation und z. B. anhand der Ergebnisse von eingebauten Verständnisfragen zu jeweiligen Schwerpunkten werden die Studierenden zu den Videoteilen gelotst, die sie jeweils benötigen bzw. selbst auswählen können. So ist ein individuelles Lernangebot möglich.

Gleichzeitig besteht die Möglichkeit die bestehenden Videos zu ergänzen und zu aktualisieren. Videos von anderen Hochschulstandorten, die thematisch für die eigene Lehre gut passen, können ebenso durch Einblendungen inhaltlich ergänzt oder durch Fragen angereichert und somit auch für andere Fachrichtungen wie den kaufmännischen Bereich verwendet werden, ohne selbst ein eigenes Video produzieren zu müssen. Aus diesem Grund werden alle Materialien im Projekt als Open Educational Resource (OER) unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Anhand eingeschobener Testfragen und kleiner Aufgaben können die Studierenden für sich selbst überprüfen, ob sie wirklich alles verstanden haben. Die aktive Verarbeitung des Gesehenen wird damit angeregt. Das Ziel ist in erster Linie die Motivation der Lernenden zu sichern und gleichzeitig den Lernerfolg zu überprüfen.

Die Messung der Wirksamkeit von Erklärvideos im Kontext beruflicher Lehramtsstudiengänge steht noch am Anfang, insbesondere die Möglichkeit zur Annotation durch die Studierenden sowie die gemeinsame Arbeit an und mit Videos auf einer Video-review Plattform, wie es im Projekt geplant ist. Mittels interaktiver Bearbeitungs- und Kontrollmöglichkeiten können allgemein die Lernenden in die Lage versetzt werden, die Lerninhalte aktiv und individuell zu verarbeiten. Erste Befunde zur Wirksamkeit spezifischer Gestaltungselemente schreiben insbesondere jenen Erklärvideos, die interaktiv ausgelegt sind, positive Lerneffekte zu (Findeisen/Horn/Seifried 2019). Zum einen haben Lernende die Wiedergabekontrolle über die Videos und können so die Reihenfolge, Geschwindigkeit, Pausen und Wiederholungen individuell bestimmen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, Videos in individuelle Abschnitte zu unterteilen. Zum anderen können Lernende für sie relevante Abschnitte direkt ansteuern. Eine Erweiterungsmöglichkeit für Interaktionen bietet dabei die Software H5P mit der Möglichkeit zusätzliche Informationen, Verständnisfragen oder eine Verlinkung zu weiteren Quellen zu ermöglichen.

3.3 Medienpaket „Lernfabriken an beruflichen Schulen“

Am Beispiel des Medienpaketes „Lernfabriken an beruflichen Schulen - Wissen“ wird der Aufbau sowie die entsprechenden fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Handlungskompetenzen beschrieben. Eingesetzt wird dieses Medienpaket zunächst in den gewerblichen-technischen Fachrichtungen, aber unter bestimmten Aufgabenstellungen (siehe 3.2 Ergänzungen in interaktiven Erklärvideos) ist dies auch im kaufmännischen Bereich möglich.

Beschreibung der Zustellungen und Inhalte des Medienpaketes „Wissen“:

Inhalte: Dieses Medienpaket betrachtet Lernfabriken von der Entstehung und den Einsatzfeldern im akademischen Bereich der Ingenieurausbildung bis zum heutigen Einsatz in der beruflichen Bildung, vorwiegend an den beruflichen Schulen. Es werden technologische und didaktische Kriterien in der Gestaltung bzw. Systematisierung von Lernfabriken vorgestellt und anhand von fünf Grundformen erläutert (Demonstrations-, Modell-und Prozessfabriken, Lernfabriken zur Gestaltung sozio-technischer Systeme sowie virtuelle Lernfabriken). Hinzu kommen Beschreibungen von Einsatzfeldern, Zielgruppen und didaktischen Konzepten insbesondere im Kontext von „Industrie 4.0“.

Lernziele: Im Fokus dieses ersten Medienpaketes stehen Lernziele zur Reproduktion (Wissen über Lernfabriken im Allgemeinen und in der beruflichen Bildung im Besonderen) sowie Reorganisation (Verstehen von Prinzipien, Einsatzfeldern, wesentlichen Merkmalen) im Vordergrund. Anwendungs- und Transferwissen wird grundlegend angebahnt und in den beiden folgenden Medienpaketen vertieft.

Medien: Es wurden insgesamt sieben Erklärvideos (vgl. Abbildung 4) mit unterschiedlicher Technik und Zielrichtung entwickelt. Die Erklärvideos als digital gezeichnete Screencasts werden genutzt, um die Gestaltung bzw. Systematisierung von Lernfabriken darzustellen und anhand von fünf Grundformen (Demonstrations-, Modell- und Prozessfabriken, Lernfabriken zur Gestaltung sozio-technischer Systeme sowie virtuelle Lernfabriken) zu erläutern. Der Avatar „Twindi“ führt als Erklärfigur durch Wortbilder, Zeichnungen und Piktogramme und erläutert diese (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Twindi erklärt, fragt und verlinktAbbildung 3: Twindi erklärt, fragt und verlinkt

Es folgen zwei weitere Screencasts zur Erläuterung der Prozesse einer beruflichen Lernfabrik. Diese wurden in einer Kombination von digital animierten Zeichnungen und originalem Foto- bzw. Videomaterial aus beruflichen Lernfabriken als interaktive Erklärvideos umgesetzt. Hinzu kommt ein Rahmentext, der über Wissens- und Leitfragen, Verweisen auf die Videos sowie externe Quellen das Selbststudium ermöglichen soll. Ergänzt wird das Medienpaket durch ausgewählte Volltexte relevanter Fachliteratur zum Thema Lernfabriken an Universitäten und Lernfabriken an beruflichen Schulen.

Im Umsetzungspaket zur Lernfabrik steht das Anwendungspotential von Lernfabriken im Rahmen der Ausbildungsberufe Industriemechaniker:in, Elektroniker:in für Automatisierungstechnik sowie Mechatroniker:in im Vordergrund. Gelingensbedingungen bzw. Erfolgskriterien für die Integration von Lernfabriken in den berufsschulischen Ausbildungen werden auf Basis einer eigenen Erhebung dargestellt. Zugleich werden anhand realer Beispiele (best practice) didaktische Konzeptionen dargestellt. Die Lernenden werden im Medienpaket Anwendung problembasiert vor die Aufgabe gestellt, eigene Konzepte für die Anwendung von Lernfabriken in diesen Kontexten zu erproben und zu evaluieren. Beide Medienpakete sind aktuell in der Erstellung.

Abbildung 4: Videoformate in den Medienpaketen zu den LernfabrikenAbbildung 4: Videoformate in den Medienpaketen zu den Lernfabriken

Im Projekt wird eine interne und externe Evaluation der entwickelten Medienpakete umgesetzt. Zur Evaluation werden Prüfungsinstrumente herangezogen, welche die Kriterien einer objektiven, zuverlässigen und validen Erfassung der beim Einsatz von digitalen Medienpaketen intendierten Handlungskompetenzen erfüllen. An den vier Hochschulen des Verbunds, den assoziierten Hochschulen sowie beteiligten Studienseminaren werden die digitalen Medienpakete in der Lehre eingesetzt. Eine Evaluation hinsichtlich ihrer Effekte erfolgt im experimentellen Design mit Interventions- und Kontrollgruppen (KG) sowie mittels Prä-Post-Messung an den Hochschulen und Studienseminaren. Die Prä-Post-Messung mit Interventions- und Kontrollgruppe erlaubt standortübergreifende Aussagen über die Nutzung und die potentielle Wirksamkeit der digitalen Medienpakete beim Einsatz in der Lehrausbildung hinsichtlich der Förderung der intendierten Handlungskompetenzen. Weiterhin kann identifiziert werden, durch welche personellen und kontextuellen Input- und Prozessmerkmale diese Handlungskompetenzen beeinflusst werden.

Einen ersten internen Evaluationsprozess durchläuft das Wissenspaket „Lernfabriken an beruflichen Schulen“ aktuell an der Universität Kassel. Hier wurde das Medienpaket in der Lehre eingesetzt und um Rückmeldungen zu den Punkten der Einbettung in den Lernmanagementkurs, zum Arbeitsaufwand sowie zu Nutzungsverhalten und Kooperation gebeten. Die Pilotierung erfolgt weiterhin in ausgewählten Fachprofilen und Inhaltsbereichen, die über die ländergemeinsamen Vorgaben der KMK für die genannten beruflichen Fachrichtungen relevant sind.

Auf Basis dieser Evaluation werden die entwickelten Medienpakete optimiert sowie erste Aussagen zu einer fachdidaktisch akzentuierten, kompetenz- und praxisorientierten, die Digitalisierung einschließenden Lehrerbildung für berufliche Schulen zu machen. Sie liefern standort- und phasenübergreifende Hinweise zu den strukturellen und individuellen Gelingensbedingungen für einen erfolgreichen Einsatz der digitalen Medienpakete und unterstützen so den breiten Transfer und die nachhaltige Nutzung dieses innovativen Verbund-Modells an weiteren assoziierten Standorten wie auch die Entwicklung methodisch-didaktischer Erweiterungen.

Die Medienpakte sollen durch ihre Gestaltung und den Aufbau (Wissens-/Anwendungs- und Umsetzungspaket) im Idealfall die drei technologischen, pädagogischen und fachlichen Wissensbereiche kombinieren, um die sogenannte Kernkompetenz „Technological Pedagogical Content Knowledge“ (TPACK) zu fördern (vgl. Koehler/Mishra 2009), damit die Potenziale der digitalen Medienpakte optimal entfaltet werden können. Dies gilt vor allem, wenn für die Bearbeitung des Medienpaktes Problemlösungsfähigkeiten und Handlungskompetenzen notwendig sind.

4 Fazit: Möglichkeiten einer Didaktisierung des Digitalen im beruflichen Lehramtsstudium

Der Einbezug der Medienpakete zu den Lernfabriken in das berufliche Lehramtsstudium eröffnet zusätzliche Möglichkeiten der Theorie-Praxisverbindung mit zwei unterschiedlichen Aspekten einer Didaktisierung:

  • eine fachwissenschaftliche und fachdidaktische Erschließung von digitalisierten und vernetzten Arbeits- und Produktionsprozessen mit einer komplexen Lernumgebung und
  • eine mediendidaktische Aufbereitung des Themas der Lernfabriken an beruflichen Schulen.

Bisher stehen Lernfabriken im Rahmen der Lehramtsausbildung nur sehr eingeschränkt zur Verfügung, deshalb kommen die Medienpakete zur Integration in die Studiengänge eine besondere Bedeutung zu. Für die Hochschulen bedeutet dies die Möglichkeit, enger mit den beruflichen Schulen in der Region zu kooperieren, die über solche Anlagen verfügen. In einigen wenigen Fällen sind eigene Lernfabriken der Ingenieur- und Arbeitswissenschaften an Universitäten etabliert, die jedoch erst für Aspekte der beruflichen Bildung adaptiert werden müssten, um auch dort berufliche Handlungssituationen abbilden zu können.

Offen ist noch die Frage, welchen Beitrag Lernfabriken generell zur Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz in den Ausbildungsberufen tatsächlich beitragen. Um effektive Lernfabriken zu erreichen, müssen die Lernerfolge sowohl in der Konzeptionsphase als auch in der Evaluationsphase berücksichtigt werden (vgl. Abele et al. 2015). Hierzu gibt es für die berufliche Bildung noch keine ausreichend fundierten wissenschaftlichen Erkenntnisse, um verallgemeinerbare Aussagen darüber treffen zu können, in welchem didaktischen Kontext und in welchem Ausstattungsgrad eine Lernfabrik die Kompetenzentwicklung von Auszubildenden wirksam unterstützt. Valide Informationen zur Wirksamkeit unterschiedlicher Ausrichtungen von Lernfabriken sowie den verschiedenen Preismodellen, deren Spanne von einigen Tausend bis hin zu ca. 1. Mio. EURO teuren Anlagen reicht, sind für die Weiterentwicklung der Lernfabriken in der beruflichen Bildung notwendig. Dazu fehlen bisher wissenschaftliche Begleitprogramme, die die beruflichen Lernfabriken in ihrer Entwicklung unterstützen können (Faßhauer/Wilbers/Windelband 2021, S. 42.). Ihr wirksamer Einsatz im Kontext von Studiengängen für angehende Lehrer:innen ist zumindest hoch plausibel, da anhand des Gegenstandes „Lernfabrik an beruflichen Schulen“ wesentliche Facetten des fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Professionswissens im Kontext neuester Technologien unter Industriestandards sowie der Einsatz „neuer“ Lernräume situiert erworben wird.

Literatur

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Zitieren des Beitrags

Faßhauer, U./Windelband, L./Mutzke, B./Harm, S. (2021): Lernfabriken an beruflichen Schulen als Gegenstand fachdidaktischer Professionalisierung – Entwicklung von standortübergreifenden Medienpaketen im beruflichen Lehramtsstudium. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 40, 1-17. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe40/fasshauer_etal_bwpat40.pdf (09.07.2021).