bwp@ 40 - Juli 2021

Didaktisierung des Digitalen: Zur Entwicklung berufs- und wirtschaftspädagogischer Studiengänge

Hrsg.: H.-Hugo Kremer, Nicole Naeve-Stoß, Lars Windelband & Juliane Fuge

Reflexion über digital asynchrone Lehr-Lern-Formate im Studium zum Lehramt an berufsbildenden Schulen

Beitrag von Elisa Tessmer, Yannik Adam & Lisa Bertke
Schlüsselwörter: digital asynchrone Lehre, Hochschuldidaktik, Studierendenevaluation, Studium zum Lehramt an berufsbildenden Schulen

Die Digitalisierung nimmt in der Hochschuldidaktik seit dem letzten Jahrzehnt einen höheren Stellenwert ein. Durch die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erfolgte eine nahezu ausnahmslose Überführung in verschiedene digitale Formate. Die Umstellung stellte Dozierende und Studierende vor neue Herausforderungen oder verschärfte bestehende Probleme. Im vorliegenden Beitrag werden zunächst Untersuchungen zur Digitalisierung in der Hochschuldidaktik vor sowie während der Pandemie vorgestellt. Daran anschließend werden die Spezifitäten des Studienmodells, der Studierendenschaft sowie der Lehre in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik für die Studiengänge zum beruflichen Lehramt in Osnabrück dargestellt. Dies mündet in ein digitales Konzept einer asynchronen Grundlagenveranstaltung. Aus den Ergebnissen von Studierendenbefragungen, Evaluationen sowie Reflexionen der Dozierenden werden Überlegungen für eine möglichst langfristige Implementierung des Konzepts angestellt.

Reflection on digital asynchronous teaching-learning formats in the study of teaching at vocational schools/education

English Abstract

Digitisation has taken on a higher status in higher education didactics since the last decade. Due to the developments in connection with the Corona pandemic, a transfer to various digital formats took place almost without exception. The changeover presented lecturers and students with new challenges or exacerbated existing problems. This article first presents studies on digitalisation in higher education didactics before and during the pandemic. This is followed by a presentation of the specifics of the study model, the student body and teaching in the department for Vocational and Education and Training in Osnabrück. This leads to a digital concept of an asynchronous basic course. Based on the results of student surveys, evaluations and lecturers' reflections, considerations are made for a possible long-term implementation of the concept.

1 Einleitung

Die hochschuldidaktischen Entwicklungen und Diskussionen, insbesondere im Hinblick auf die Digitalisierung, können in eine Zeit vor und nach der Corona-Pandemie unterteilt werden, deren Grenze das Sommersemester 2020 bildet. Zuvor existierten deutschlandweit nur vereinzelt digitale Seminarkonzepte oder Blended-Learning-Formate (Robra-Bissantz et al. 2019; Dehne/Lucke/Schiefner-Rohs 2017; Pfeiffer-Bohnen 2017) und trotz vorhandener technischer Ausstattungen konnte sich das digitale Lernen in den Hochschulen nicht flächendeckend etablieren. Eine Befragung von Dozierenden in einem ‚Monitor zur digitalen Bildung an der Hochschule‘ hat ergeben, dass sich digitale Elemente vor allem auf den Einsatz von PowerPoint-Präsentation oder Lernplattformen zur Bereitstellung von Arbeitsmaterialien beschränkten, versiertere Konzepte wie der Inverted-Classroom-Ansatz hingegen relativ selten genutzt wurden (vgl. Bertelsmann Stiftung 2017, 15). Die traditionelle Vorlesung stellte bislang vielmehr das wesentliche Veranstaltungsformat dar. Kerres & Schmidt auf der Basis einer Analyse von insgesamt 125 Modulhandbüchern aus 39 Studiengängen einen durchschnittlichen Anteil an Vorlesungen von 48,4 % (vgl. Kerres/Schmidt 2011, 180).

Bedingt durch die Corona-Pandemie wurden die Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2020 bundesweit nahezu ausnahmslos in digitale Formate überführt. So hat eine Befragung einen Anstieg an digitalen Lehrangeboten um bis zu 79 % ergeben (vgl. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 2020, 2). Die Hochschuldozierenden sahen sich dabei mit der Herausforderung konfrontiert, dass keine etablierten, digitalen, didaktischen Konzepte existierten. Neben der Entwicklung neuer Veranstaltungskonzepte war außerdem ein Einarbeiten in die entsprechenden digitalen Tools notwendig. Des Weiteren galt es, die Diversität der Studierenden in Hinblick auf ihre digitalen Vorkenntnisse und Fähigkeiten in der didaktischen Planung zu berücksichtigen. Dies führte seitens der Dozierenden unter anderem zu einem zeitlichen Mehraufwand. Die Studierenden waren ebenfalls mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Sie mussten ihren Lernprozess verstärkt autonom organisieren und sich zwischen asynchronen und digitalen Präsenzformaten und der Abgabe verschiedener Arbeitsaufträge koordinieren.

Im Kontext dieser Entwicklungen sind Überlegungen für ein Grundlagenseminar der Berufs- und Wirtschaftspädagogik entstanden, das ursprünglich ein hohes Maß an diskursiven Elementen enthielt und in dem unterrichtsbezogene Aufgaben und Tätigkeiten von Lehrkräften an berufsbildenden Schulen durch authentische Materialien möglichst praxisnah erprobt und reflektiert werden sollen. Eine solche Überführung von Lehrformaten mit kleineren Gruppen und gleichzeitig hohem Übungsanteil und Praxisbezug wurde im Rahmen der oben bereits zitierten Untersuchung als besonders herausfordernd charakterisiert und deren bisherige Umsetzung in digitale Formate als eher negativ (vgl. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 2020, 4).

Vor dem Hintergrund der spezifischen Studierendenschaft im Studium zum beruflichen Lehramt, die in einem überdurchschnittlichen Maß parallel zum Studium in der beruflichen Praxis tätig sind, und den grundsätzlichen Voraussetzungen, welche die Umstellung der Lehrveranstaltungen mit sich brachte, erwies sich der Faktor Zeit als querliegende Dimension. Die Überlegungen waren daher begleitet von der zentralen Fragestellung, inwieweit digital asynchrone Lehr-Lern-Formate Auswirkungen auf die Dimension ‚Zeit‘ haben und somit einen nachhaltigen Mehrwert gegenüber tradierten Konzepten bieten.

Um diese Fragestellung zu beantworten, wird zunächst der Forschungsstand zur Digitalisierung in der Hochschullehre skizziert. Unter Berücksichtigung struktureller, studierendenspezifischer und coronabedingter Besonderheiten folgt in Kapitel 3 eine Vorstellung des Studiums zum Lehramt an berufsbildenden Schulen an der Universität Osnabrück. Darauf aufbauend wird in Kapitel 4 das neu entwickelte digital asynchrone Lehrveranstaltungskonzept erläutert. Anhand der Ergebnisse einer Studierendenbefragung zu Beginn sowie zum Ende des Seminars, den Lehrevaluationsergebnissen der Universität Osnabrück sowie einer reflexiven Auseinandersetzung durch die Dozierenden, wird die Lehrveranstaltung mit Blick auf die zentrale Fragestellung in Kapitel 5 ausgewertet. Diese Ergebnisse stellen die Basis für daran anschließende Überlegungen einer langfristigen Etablierung digitaler Lehrveranstaltungen bzw. Inverted-Classroom-Konzepte dar.

2 Untersuchungen zur Digitalisierung in der Hochschullehre

Obgleich das Forschungsfeld der coronabedingten Hochschullehre erst seit einem knappen Jahr existiert, bestehen bereits vielzählige Untersuchungen zu den Bedingungen und Herausforderungen im hochschulischen Kontext, die sowohl die Sicht der Dozierenden als auch die der Studierenden in den Blick nehmen.

Im Rahmen einer Befragung wurde die Perspektive von ca. 3500 Studierenden auf die digitale Lehre während der Corona-Pandemie eingeholt. Im Sample waren Hochschulstandorte aus der Schweiz, Österreich sowie Deutschland enthalten. Die Mehrheit der Studierenden fällt als grundsätzliche Einschätzung zur digitalen Lehre ein positives Urteil, indem 54,3 % die Online-Lehre ‚sehr gut‘ bzw. ‚eher gut‘ bewerten. Die Arbeitsbelastung wird von einem Großteil der Studierenden im Vergleich zur Präsenzlehre höher eingestuft (39,5 % ‚bedeutend größer‘ und 34,4 % ‚eher größer‘) und die Qualität der Lehre hat abgenommen (62 %). Außerdem zeigte sich im Rahmen der Befragung, dass eine Vielzahl der Studierenden nicht über die notwendigen technischen Ausstattungen verfügte (vgl. Kreidl/Dittler 2021, 18 ff.).

Diese Einschätzungen stimmen mit den Ergebnissen einer Befragung des Stifterverbandes überein, in der die Studierenden sowie Dozierenden die digitale Lehre zwar ebenfalls überwiegend positiv beurteilen, die Zufriedenheit seitens der Studierenden mit der Online-Lehre vom Wintersemester 2020/21 zum Sommersemester 2020 jedoch signifikant um etwa 34 % sank. Hierbei beklagen die Studierenden unter anderem eine höhere Arbeitsbelastung, reduzierte Kontakte zu Kommiliton*innen sowie Motivations- und Konzentrationsprobleme. Zugleich stellen das eigenständige Lernen sowie die Selbstorganisation verstärkt die Basis für das digitale Lernen im Studium dar. Damit verändern sich die erforderlichen Fähigkeiten der Studierenden im Rahmen der Gestaltung ihres individuellen Lernprozesses maßgeblich (vgl. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 2020, 4f.). Die Ergebnisse des Monitors Digitale Bildung wiederum zeigen, dass 61 % der Studierenden für eine Mischung aus Online- sowie Präsenzphasen plädieren und sogar 90 % der Studierenden den Einsatz von digitalen Videos oder Präsentationen als motivierend empfinden (vgl. Bertelsmann Stiftung 2017, 19). Der Unterschied der Ergebnisse dieser hier zitierten Studien mit Blick auf die Motivation der Studierenden ist damit zu erklären, dass die Befragung des Monitor Digitale Bildung vor der Corona-Pandemie durchgeführt wurde und der Einsatz digitaler Tools hier noch als besonders und innovativ galt. Die negativen Effekte, wie die erhöhte Arbeitsbelastung, fehlende Austauschmöglichkeiten sowie die Organisation des eigenen Lernprozesses, traten hier noch nicht zutage, da sich die Digitalisierung nur auf kleine Einheiten beschränkte und die Präsenzveranstaltungen nicht quasi vollständig ersetzte.

In einer weiteren Befragung von Klug & Meister (2020) schätzen 75 % der Studierenden die Arbeitsbelastung im Rahmen der digitalen Lehre im Vergleich zur Präsenzlehre als höher bzw. deutlich höher ein. Als Begründungen führten sie dabei unter anderem den gestiegenen Aufwand während des Selbststudiums sowie den Anstieg von Aufgaben und Projekten an (vgl. Klug/Meister 2020, 21). Zum Zeitmanagement speziell der Studierenden im Studium zum beruflichen Lehramt existieren bislang kaum Untersuchungen. Hinweise zu dieser Studierendengruppe sind allerdings in einer Zeitbudget-Analyse zu finden. Diese ergab unter anderem, dass diese Studierenden mehr Zeit mit dem Selbststudium verbrachten als vorgesehen (vgl. Metzger 2011, 335). Die zeitlichen Ressourcen der Studierenden unterliegen dabei jedoch ebenfalls standortspezifischen Bedingungen, die es zu berücksichtigen gilt und welche daher im Folgenden für den Hochschulstandort Osnabrück konkretisiert werden.

3 Das Studium zum Lehramt an berufsbildenden Schulen an der Universität Osnabrück

Im Folgenden wird die Struktur des Studiums zum beruflichen Lehramt im Allgemeinen skizziert und vertiefend das Studium zum Lehramt an berufsbildenden Schulen an der Universität Osnabrück erläutert (3.1). Anschließend erfolgt eine Charakterisierung der Gruppe der Studierenden zum Lehramt an berufsbildenden Schulen, unter besonderer Berücksichtigung der Osnabrücker Studierendengruppe (3.2). Zum Abschluss werden Ergebnisse aus Studierendenbefragungen zur individuellen Studiensituation während der Corona-Pandemie aufgezeigt (3.3). Im Folgenden werden die Strukturmerkmale des Studiums herausgearbeitet, die für die Gestaltung von Lehrveranstaltungen in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Universität Osnabrück maßgeblich sind.

3.1 Studienmodell und Studierbarkeit

Die berufliche Lehrkräftebildung ist deutschlandweit in drei Phasen unterteilt. In der ersten und zweiten Phase erfolgt die Ausbildung der zukünftigen Lehrkräfte. Die dritte Phase umfasst die Fort- und Weiterbildung (vgl. Frommberger/Lange 2018, 11f.).

Das Studium an einer Universität oder (pädagogischen) Hochschule, welches die erste Phase der Aus- und Fortbildung darstellt, setzt sich in der Regel aus einer beruflichen Fachrichtung, einem allgemeinbildenden Unterrichtsfach sowie einem bildungswissenschaftlichen Anteil zusammen (vgl. Frommberger/Lange 2018, 11f.). Diese Unterteilung wird als Dreigliedrigkeit bezeichnet. In das Studium der Fächer fällt zudem das Studium der Fachdidaktiken.

An der Universität Osnabrück werden drei Studiengänge zum Lehramt an berufsbildenden Schulen angeboten. Neben dem grundständigen Bachelorstudiengang ‚Berufliche Bildung (B. A./B. Sc.)‘ und dem konsekutiven Masterstudiengang ‚Lehramt an berufsbildenden Schulen (M. Ed.)‘ können Personen mit einer vorhandenen fachwissenschaftlichen Hochschulausbildung über den Masterstudiengang ‚Lehramt an berufsbildenden Schulen für Fachbachelor (M. Ed.)‘ einen Quereinstieg in das Studium für das berufliche Lehramt erreichen. Dieser ‚Quereinstiegsmaster‘ berechtigt zum gleichwertigen Übergang in den Vorbereitungsdienst, also in die zweite Phase der beruflichen Lehrkräftebildung.

Die Studierenden können in Osnabrück aus insgesamt zehn verschiedenen allgemeinbildenden Unterrichtsfächern wählen, wobei die Kombination mit den beruflichen Fachrichtungen in einigen Fällen aus Gründen der Nachfrage bzw. Kapazitäten eingeschränkt ist (vgl. Universität Osnabrück 2021, o. S.).

Eine Besonderheit am Osnabrücker Studienmodell zum beruflichen Lehramt ist die Kooperation zwischen der Universität und Hochschule. Durch diese Kooperation können insgesamt sieben berufliche Fachrichtungen in Osnabrück studiert werden. Die Ausbildung in vier Fachrichtungen erfolgt ausschließlich an der Universität (Gesundheitswissenschaften, Kosmetologie, Pflegewissenschaften und Sozialpädagogik). In den weiteren drei Fachrichtungen Elektro- und Metalltechnik sowie Ökotrophologie findet die fachwissenschaftliche und fachdidaktische Ausbildung an der Hochschule statt. Diese Studierendengruppe ist damit an zwei Hochschulen immatrikuliert und absolviert die Studienanteile im Unterrichtsfach und in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Universität (vgl. ebd.).

Durch das breite Angebot im beruflichen Lehramt werden insgesamt 66 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten aus beruflicher Fachrichtung und allgemeinbildendem Unterrichtsfach angeboten (vgl. ebd.). Besonders herausfordernd ist dies unter der Berücksichtigung der Gewährleistung von Studierbarkeit vor allem für die Lehrveranstaltungen in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik, weil diese von allen Studierenden belegt werden.

Die Studierbarkeit ist im Allgemeinen erfüllt, wenn das Angebot eines institutionellen Anbieters von Studiengängen so gestaltet ist, dass Studierende den Abschluss innerhalb der jeweils festgelegten Regelstudienzeit erwerben können (vgl. Kuhlee/van Buer/Klinke 2009, 21). Den hochschulorganisatorischen Diskurs um eine Konkretisierung dieses Prinzip fassen Kuhlee et al. mit der folgenden Definition zusammen:

„Innerhalb der von jedem/r Vollzeitstudierenden zu vollziehenden wöchentlichen Studienarbeitszeit von 40 Stunden (inklusive Präsenzzeiten, Vorbereitung und Nachbereitung, Leistungsarbeiten und Modulabschlussprüfungen) muss der/die Standardnachfrager/in in seinem/ihrem Studiengang die Studien- und Prüfungsangebote so wahrnehmen können, dass aufgrund von zeitlichen Überschneidungen/Überlastungen und (Prüfungs-)Verdichtungen keine Überschreitung der Regelstudienzeit erforderlich wird.“ (Kuhlee/van Buer/Klinke 2009, 23)

Um diese Kriterien an eine Studierbarkeit in den dreigliedrigen Lehramtsstudiengängen zu gewährleisten, existieren an vielen Universitäten und Hochschulen zwischen den Instituten bzw. Fakultäten Vereinbarungen, Prozesse oder EDV-gestützte Systeme zur Planung der Lehrveranstaltungen sowie der Studien- und Prüfungsleistungen. In diesem Fall stehen den an der Lehrerbildung beteiligten Dozierenden sogenannte ‚Zeitfenster‘ für die Lehrveranstaltungen in der Vorlesungszeit sowie zur Festlegung der Termine der Leistungserbringungen zur Verfügung. An der Universität Osnabrück und der Hochschule Osnabrück hat sich eine solche Koordination trotz der Größe des Standortes bislang nicht etabliert. Die zeitliche Lehrveranstaltungs- und Prüfungsplanung findet überwiegend individuell statt und wird in institutioneller Hinsicht nur wenig koordiniert. Dementsprechend ist es für die Osnabrücker Berufs- und Wirtschaftspädagogik eine ständige Herausforderung, einer Vielzahl von Studierenden ein in zeitlicher Hinsicht studierbares Lehrveranstaltungsangebot bereitzustellen.

Außerdem ist herauszustellen, dass das skizzierte Konzept von Studierbarkeit ausschließlich das von Hochschulen intendierte Studierverhalten in den Blick nimmt. Unberücksichtigt bleibt das tatsächliche Studierverhalten der Studierenden. Zur bedarfsgerechten Gestaltung des Lehrveranstaltungsangebotes ist es deshalb ebenso wichtig, die Perspektiven der Nachfragenden in den Blick zu nehmen. Der folgende Abschnitt widmet sich diesbezüglich den Studierenden zum Lehramt an berufsbildenden Schulen.

3.2 Spezielle Merkmale der LbS-Studierenden am Hochschulstandort Osnabrück

Bislang haben sich wenige empirische Untersuchungen explizit mit den Besonderheiten der Studierenden zum Lehramt an berufsbildenden Schulen bzw. der Berufs- und Wirtschaftspädagogik befasst. Erhebungen dieser Gruppe erfolgen meist nur standortspezifisch oder als Teil eines größeren Samples (vgl. Frommberger/Lange 2018, 46; Grunau/Jenert 2021, 1).

Für den Hochschulstandort Osnabrück existieren drei Befragungen, die sich zur Charakterisierung der Studierendengruppe eignen. Mit diesen wurden die Studierenden im Allgemeinen sowie die Studierenden zum Lehramt an berufsbildenden Schulen im Speziellen zu ihrer Lebenssituation befragt. Hieraus lassen sich Rückschlüsse auf die individuellen Rahmenbedingungen des Studiums ziehen.

Im Sommersemester 2019 wurde an der Universität Osnabrück erstmalig die QUEST-Studie durchgeführt, mit dem Ziel, valide Aussagen über unter anderem soziodemografische Daten zu erhalten. In den Ergebnissen unterscheiden sich die Studierenden in einigen Merkmalen vom deutschlandweiten Durchschnitt. Mit Blick auf die soziale Herkunft studieren 54 % als First Generation Students (deutschlandweit 48 %). Auch familiäre Verpflichtungen sind für einige Studierende von Bedeutung. So kümmern sich 6 % um Angehörige oder eigene Kinder (deutschlandweit 4 %) (vgl. Wehking/Lotze/Schwarze i. E., 13f.).

Ein weiteres wichtiges Thema für die Gestaltung des Studienalltags spielt die Studienfinanzierung. In der QUEST-Studie gaben 60 % der Osnabrücker Studierenden an, nicht BAföG-berechtigt zu sein (deutschlandweit 55 %). Von 20 % der Befragten wird die eigene finanzielle Situation als höchst problematisch eingeordnet. Dieser Wert ist bei den Studierenden mit Migrationshintergrund mit 31 % noch stärker ausgeprägt. Von allen Studierenden arbeiten 72 % während und außerhalb der Vorlesungszeit in einem Nebenjob (deutschlandweit 64 %). Dementsprechend wenig verwunderlich ist es daher, dass für viele Befragte die Belastung nicht unmittelbar aus dem Studium allein hervorgeht, sondern daraus, den unterschiedlichen Anforderungen aus Familie, Nebenjob und Vollzeitstudium gerecht zu werden (vgl. Wehking/Lotze/Schwarze i. E., 13f.). Dieser Eindruck bestätigt sich bei einer genaueren Betrachtung der Studierenden zum beruflichen Lehramt.

Burfeind/Lotze/Wehking (2021) stellen fest, dass sich die LbS-Studierenden von den restlichen Studierenden am Hochschulstandort Osnabrück hinsichtlich einiger soziodemographischer Merkmale weiterführend unterscheiden. 81 % der Osnabrücker LbS-Studierenden sind weiblich, was für Lehramtsstudiengänge nicht ungewöhnlich ist (Grundgesamtheit 59 %; vgl. Universität Osnabrück 2020b, 1). Im beruflichen Lehramt sind knapp die Hälfte der Studierenden First Generation Students. Ein größerer Unterschied zeigt sich hinsichtlich eines Migrationshintergrunds. Die LbS-Studierenden am Hochschulstandort Osnabrück sind häufiger Kinder bzw. Enkelkinder von Einwanderern als die übrigen Studierenden (19,1 % zu 15 %). Außerdem zeigt sich eine besonders große Differenz im Anteil der LbS-Studierenden, die neben dem Studium Angehörige oder Kinder betreuen müssen. Hier ist der Anteil mit 25 % weitaus größer als unter der Grundgesamtheit (6 %). Darüber hinaus sind viele LbS-Studierende auf einen Nebenjob angewiesen. 60 % üben eine Teilzeit- oder Minibeschäftigung aus (vgl. Burfeind/Lotze/Wehking 2021, 11).

Für die Studierenden der beruflichen Fachrichtungen der Humandienstleistungsberufe (Gesundheits- und Pflegewissenschaften sowie Kosmetologie) lassen sich die Daten zur Studienfinanzierung vertiefen. Diese Gruppe macht rund 70 % aller LbS-Studierenden aus (vgl. Universität Osnabrück 2020a, o. S.). Unter ihnen ist ein Nebenjob zur Studienfinanzierung mit einem Anteil von 80 % noch stärker verbreitet. Die Wochenarbeitszeit im Nebenjob wird mit durchschnittlich 7,5 Stunden angegeben (vgl. Fachschaft IGB 2020, 1).

3.3 Lehr-Lern-Erfahrungen während der Corona-Pandemie

Die Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2020 und im Wintersemester 2020/21 wurden an der Universität Osnabrück überwiegend digital durchgeführt. Um einen Eindruck über die Auswirkungen dieser drastischen Umstellung auf die Studierendensituation zu erhalten, wurden an der Universität Osnabrück zahlreiche Studierendenbefragungen durchgeführt. Einige dieser Befragungsergebnisse werden im Folgenden unter besonderer Berücksichtigung der Studierenden zum Lehramt an berufsbildenden Schulen dargelegt.

Zum Ende des Sommersemesters 2020 wurden alle Studierenden der Universität Osnabrück zu ihren Erfahrungen befragt. Hierbei gaben 48 % an, mit dem digitalen Semester nicht zufrieden zu sein. Für knapp 90 % kam es im Verglich zum vorherigen Semester zu einem gesteigerten Arbeitsaufwand. Besonders betroffen scheinen hiervon die Lehramtsstudierenden zu sein. Über 50 % von ihnen berichteten über einen ‚sehr hohen‘ Mehraufwand. Die methodische Gestaltung der Lehrveranstaltungen wurde von über 60 % der Studierenden als eher bzw. sehr frontal eingeordnet. Ein Vergleich mit den vorherigen ‚normalen‘ Semestern wurde nicht erfragt. Insgesamt zeigen sich jedoch nur 40 % mit dieser Methodenauswahl zufrieden (vgl. AStA Universität Osnabrück 2020, 6ff.). Aufgrund der fehlenden räumlichen Präsenz ist es kaum verwunderlich, dass sich im Digitalsemester über die Hälfte der Studierenden weniger mit anderen Mitstudierenden über ihr Studium austauschen konnte. Dies wird von den Befragten gerade in Hinblick auf den starken Arbeitsanstieg als kritisch gesehen (vgl. ebd.: 19). Da die Pandemie soziale und finanzielle Veränderungen mit sich bringt, wurden die Studierenden hierzu unter besonderer Berücksichtigung des Studienalltags befragt. 20 % der Studierenden haben ihren Nebenjob durch die Pandemie verloren. In der Folge hat sich die finanzielle und soziale Situation für mehr als ein Drittel verschlechtert. Ein Viertel der Studierenden gibt an, sich finanziell nicht gut aufgestellt zu fühlen. Dies hat Auswirkungen auf das psychische Befinden der Studierenden. Knapp 70 % fühlten sich psychisch nicht dazu in der Lage, das Digitalsemester erfolgreich zu absolvieren (vgl. ebd.: 21ff.).

Auch die Studierenden zum Lehramt an berufsbildenden Schulen wurden explizit nach den Digitalsemestern befragt. Allgemein bewerten sie den Arbeitsaufwand als ‚zu viel‘ und beklagten dabei ein allgemein hohes Maß an Überforderung. Viele LbS-Studierende aus Osnabrück üben aufgrund ihrer bisherigen Berufsbiografie einen Nebenjob im Gesundheits- und Pflegebereich beispielsweise in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern oder Arztpraxen aus. Bezüglich ihrer Arbeitssituation berichten diese Studierenden von einer erhöhten Arbeitsbelastung (27 %) und gesteigerten Arbeitszeiten (21 %) durch die Corona-Pandemie. Außerdem äußern rund 20 % eine private Mehrbelastung durch die Mitversorgung bzw. Pflege von direkten Angehörigen. Diese Einschränkungen scheinen sich auf die Vorstellungen der Studierenden hinsichtlich der Gestaltung der digitalen Lehrveranstaltungen auszuwirken. So wünschen sich 70 % der LbS-Studierenden weniger bzw. gar keine Präsenzveranstaltungen im digitalen Semester, um flexibler auf die individuelle Situation reagieren zu können. Allgemein schildern die LbS-Studierenden mit Blick auf die digitalen Lehrveranstaltungen im Vergleich zu den vorherigen Semestern eine Verschiebung der Arbeits- und Prüfungslast in die vorlesungsfreie Zeit. Außerdem wird von mehr als einem Drittel eine intransparente Gestaltung der Veranstaltungen bemängelt: So haben die Studierenden die Sorge, etwas Wichtiges zu verpassen. Außerdem herrscht Unklarheit, welche Leistungen bis wann zu erbringen sind oder wo Materialien bereitgestellt werden. Darüber hinaus wünschen sich die Studierenden einen stärkeren Austausch mit den Dozierenden. Die größtenteils methodisch frontal bzw. einseitig arrangierten Formate werden als eher hinderlich für Interaktionen und Rückmeldeprozesse gewertet. Gewünscht werden mehr Möglichkeiten für Feedback oder die Kontrolle von semesterbegleitenden Aufgaben (vgl. Fachschaft IGB 2020, 1f.).

Zusammenfassend können im Kontext der Spezifik des beruflichen Lehramtes und unter Berücksichtigung der Bedingungen am Hochschulstandort Osnabrück einige wesentliche Aspekte identifiziert werden, die sich auf den Faktor Zeit auswirken: So bringen die genannte Dreigliedrigkeit, die Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten zwischen beruflicher Fachrichtung und allgemeinbildendem Unterrichtsfach sowie die fehlenden Absprachen zwischen den beteiligten Institutionen Herausforderungen mit sich, was die zeitliche Organisation des Studiums unter besonderer Berücksichtigung der Wahlmöglichkeit einzelner Lehrveranstaltungen betrifft. Hinzu kommt die Problematik aufgrund der unterschiedlichen vorlesungsfreien Zeiten an den kooperierenden Hochschulen. Die dargestellten Merkmale der Studierendenschaft im beruflichen Lehramt wirken sich ebenfalls auf die zeitlichen Ressourcen aus. Der hohe Anteil an First Generation Students ist dabei insofern relevant, als dass diese Studierenden oftmals zusätzlich Zeit benötigen, sich in die Strukturen und Konventionen der unbekannten Institution einzufinden. Bei den Studierenden, die parallel zum Studium eine berufliche Teilzeittätigkeit ausüben, sind die zeitlichen Ressourcen zusätzlich begrenzt. Diese Bedingungen haben auch vor der Corona-Pandemie Einfluss auf die zeitliche Gestaltung und Arbeitsbelastung der Studierenden genommen. Die in Kapitel 3.3 skizzierten Ergebnisse der Studierendenbefragungen zeigen jedoch, dass im Rahmen der digitalen Lehrveranstaltungen ein erheblicher Mehraufwand für die Studierenden entstanden ist, der zu zusätzlichen Belastungen führt.

4 Beschreibung des Seminarkonzepts

Im Zuge dieser oben beschriebenen Herausforderungen ist ein Seminarkonzept entstanden, welches im Folgenden in den Grundzügen dargestellt wird. Für eine didaktische Grundlagenveranstaltung aus dem Bachelorstudiengang ‚Berufliche Bildung‘ wurde im Sommersemester 2020 ein digital asynchrones Seminarkonzept entworfen und erprobt. Das Seminar ist darauf ausgerichtet, Themen mit einer hohen Relevanz für die spätere berufliche Tätigkeit der Studierenden zunächst theoriegeleitet zu erarbeiten und diese anschließend entsprechend eines Theorie-Praxis-Transfers zur Anwendung zu bringen. Dieses Lehrkonzept wird im Folgenden vorgestellt, um darauf aufbauend die Ergebnisse der Seminarevaluation darzulegen.

Das Seminar gliedert sich inhaltlich in drei Themenblöcke. Vor Beginn der Vorlesungszeit wurden die Studierenden in Anbetracht der Corona-Situation zeitnah informiert. Außerdem wurden sie um ihre Teilnahme an einer Befragung gebeten, mit der wichtige Informationen für die Durchführung des Konzeptes erhoben wurden. Dabei wurden die inhaltlichen Erwartungen sowie die technischen Voraussetzungen erfragt.

Für die Koordination und inhaltliche Gestaltung diente den Studierenden in der Vorlesungszeit ‚Courseware’ als zentrales Medium. Courseware ist eine Erweiterung für die an der Universität Osnabrück eingesetzte Arbeitsumgebung ‚Stud.IP‘, das die technische Möglichkeit eröffnet, für einzelne Lehrveranstaltungen eigene multimediale Lerneinheiten zu erstellen. Hiermit erhielten die Studierenden im Rahmen der Lehrveranstaltung die Möglichkeit, die Seminarinhalte im eigenen Lerntempo und zeitlich flexibel – also asynchron – zu bearbeiten.

In der ersten Vorlesungswoche erhielten die Studierenden ein Informationsvideo zu den organisatorischen Rahmenbedingungen des Seminars. In diesem wurde unter anderem eine fachrichtungsbezogene Gruppeneinteilung mittels Stud.IP eingeleitet. Die Gruppenzuordnung erfolgte nicht per Zufall, aufgrund der nötigen Abstimmungsprozesse, die in digitaler Form erschwert sind. Darüber hinaus erhielten die Studierenden in der ersten Vorlesungswoche einen Screencast zur Annäherung in das Seminarthema. In diesem Video wurde das seminarübergreifende Thema ‚Didaktisches Handeln in der beruflichen Bildung‘ eingeleitet, woraus sich im weiterführenden Verlauf eine Begründung der didaktisch-methodischen Seminarkonzeption ergibt (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Seminarablauf Sommersemester 2020Abbildung 1: Seminarablauf Sommersemester 2020

Ab der zweiten Vorlesungswoche wurden die drei Themenblöcke des Seminares schrittweise erarbeitet. Hierzu setzten sich die Studierenden im ersten Themenblock mithilfe von Rechercheaufträgen zunächst mit den Ordnungsmitteln des berufsbezogenen Unterrichts der verschiedenen Fachrichtungen auseinander und entwickelten darauf aufbauend eine beispielhafte Handlungssituation. Im zweiten Themenblock erhielten die Studierenden unterschiedliche, praxiserprobte Klausuren inklusive der dazugehörigen Erwartungshorizonte. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Aufbau, den Merkmalen sowie Aufgabenstellungen etc. stellte die Basis für das Erstellen einer eigenen Klausuraufgabe dar. Diese wurde von Studierenden einer anderen Gruppe beantwortet, sodass eine Erprobung von Bewertungen anhand von Textbeispielen möglich war. Im dritten Themenblock wurde den Studierenden der Auszug eines Schülertextes zur Verfügung gestellt, der in einer beruflichen Ausbildung verfasst wurde. Hier sollten Schwächen und Stärken ermittelt und auf dieser Basis spezifische Methoden ausgewählt werden, die zur Unterstützung des Schülers hilfreich sein können.

Wie Abbildung 1 ebenfalls zu entnehmen ist, folgte der Ablauf in den jeweiligen Themenblöcken einem Grundrhythmus. Der Einstieg erfolgte jeweils mit einem Screencast zu den Grundlagen des Themenblocks, der von den Dozierenden aufgenommen wurde. Daran schloss eine Aufgabe in Einzelarbeit an, die dazu diente, den Studierenden einen Einblick in das Thema zu geben. Damit das neu erworbene Wissen zur Anwendung und Reflexion kommt, beinhaltete jeder Themenblock eine zentrale Gruppenarbeit. Diese wurde durch einen vertiefenden Screencast eingeleitet und durch einen konkreten Arbeitsauftrag initiiert. Im Anschluss an die inhaltliche Arbeit des ersten und dritten Themenblocks erhielten die Studierenden ein Feedback zu den Gruppenarbeiten. Dies erfolgte entweder mündlich über eine Onlinekonferenz oder schriftlich per E-Mail.

Die semesterbegleitenden Aufgaben erfordern einen Transfer der theoretischen Seminarinhalte auf einen berufsorientierten Kontext. Hiermit wird der vielfachen Forderung nach einem Theorie-Praxis-Transfer in der universitären Lehre nachgekommen. In den einzelnen Aufgaben wurde nach Möglichkeit mit authentischen Materialien aus dem Unterrichtsalltag von Lehrkräften an berufsbildenden Schulen gearbeitet. Die Aufgaben versetzen die Studierenden in die Rolle einer Lehrkraft und fordern dazu auf, die Seminarinhalte im praktischen Kontext zur Anwendung zu bringen.

Zur Erbringung der Studienleistung ist von den Studierenden ein Portfolio anzufertigen, das der Reflexion und Präsentation der Lernprozesse dient. Die Reflexion wurde ausgewählt, weil ausgebildete Lehrkräfte dazu in der Lage sein sollen, ihre eigenen Kompetenzen ständig weiterzuentwickeln und eine aktive gestalterische Rolle für Lehr-Lernprozesse einzunehmen (vgl. KMK 2014, 3). Viele Lehrkräfte besitzen allerdings nur ein geringes Niveau an Reflexionskompetenz (vgl. Brouër 2007, 235ff.; Jahncke 2019, 300ff.). Zentral für die Verknüpfung von Theorie und Praxis ist dabei die konkrete Ausgestaltung und Anleitung mithilfe von Reflexionsanlässen (vgl. Berding/Irmscher/Jahncke 2018, 89ff.). Aus diesem Grund wurden zu jedem Themenblock Reflexionsanlässe konzipiert, die zur Förderung einer (selbst-)reflexiven Bezugnahme von theoretischem Wissen und situativen, praktischen Erfahrungs- und Handlungskontexten beitragen sollen.

5 Ergebnisse der Seminarevaluation

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Online-Erhebungen zu Semesterbeginn und Semesterende sowie die Ergebnisse der universitätsinternen Lehrveranstaltungsevaluation dargestellt.

5.1 Online-Erhebung zu Semesterbeginn

Vor Beginn der Vorlesungszeit wurden die Teilnehmenden zu technischen Ausstattungen und Erfahrungen mit digitalen Lernformaten befragt. Außerdem sollten sie eine Selbsteinschätzung hinsichtlich ihrer Kompetenzen im Umgang mit digitalen Lernmedien vornehmen. Diese Bedingungsfeldanalyse war angesichts der veränderten allgemeinen Lehrsituation sowie dem geplanten Seminarkonzept notwendig, um vor Beginn flexibel auf die Besonderheiten der Teilnehmenden reagieren zu können.

Die Umfrage hat ergeben, dass die Studierenden technisch gut ausgestattet sind. Jede Person besitzt mindestens ein digitales Endgerät. Die ist auch darauf zurückzuführen, dass diese Geräte bereits vor der Pandemie zur Grundausstattung der Studierenden gehört haben. Somit war die Basis für die schriftliche Bearbeitung der Seminaraufgaben sichergestellt.

Tabelle 1: Erfahrungen mit digitalen Lehrformaten

   

N

%

 

Blended-Learning-Formate

8

6,25

Virtual-Classroom

8

6,25

Webinar

14

10,94

Web-Based-Training

4

3,13

Videobasierte Lerninhalte

77

60,16

Podcasts

24

18,75

sonstige

3

2,34

 

Gesamt

138

 

N = 128; Mehrfachnennungen erlaubt

Die Erfahrungen der Studierenden hinsichtlich der Nutzung von digitalen Lernformaten sind als gering zu bewerten. Am ehesten sind 60 % der Studierenden mit der Nutzung von auf Videoplattformen wie YouTube bereitgestellten Lerninhalten vertraut. 19 % geben an, bereits einmal Podcasts zum Lernen genutzt zu haben. Hinsichtlich der Anwendung der in der (digitalen) Hochschullehre diskutierten Formate zeigt sich, wie der Tabelle 1 zu entnehmen ist, ein ernüchterndes Bild. Wie in Kapitel 2 bereits gezeigt werden konnte, dominieren auch hier separierte, kleine, digitale Elemente. Integrative Ansätze – wie das Blended-Learning oder Virtual-Classroom – kommen hingegen selten zum Einsatz. In Übereinstimmung hiermit ist es daher nicht verwunderlich, dass die Studierenden ihre Kompetenzen hinsichtlich des Umgangs mit digitalen Lernmedien (1 = sehr gering, 6 = sehr hoch) auf einem eher mittleren Niveau (MW=3,95; SD=0,981) einschätzen. Für die Umsetzung des Seminarkonzepts wurden aus diesen Ergebnissen eine klare Kommunikation und Anleitung durch die Dozierenden vor allem zu Beginn des Semesters geschlussfolgert.

Um den Lernerfolg der Studierenden im digitalen Semester zu erheben, wurden die Studierenden außerdem dazu aufgefordert, ihre didaktischen Kompetenzen einzuschätzen. Um die Ergebnisse der Evaluation kontextualisieren zu können, wurde zusätzlich erhoben, welche Relevanz die Studierenden den Studieninhalten der BWP im Allgemeinen und den Seminarinhalten im Speziellen zuweisen. Vor dem Seminar bewerteten die Studierenden ihre didaktischen Kompetenzen (1 = sehr gering, 6 = sehr hoch) auf einem eher mittleren Niveau (MW=3,54; SD=0,806).

Mit Blick auf die Tabelle 2 ist in diesem Zusammenhang positiv zu bewerten, dass die Studierenden den Seminarinhalten eine hohe Relevanz für die spätere Berufsausübung zuweisen.

Tabelle 2: Relevanzbeimessungen ausgewählter Studieninhalte

   

N

MW

SD

 

Inhalte der Berufs- und Wirtschaftspädagogik

105

4,62

,984

 

Lernfeldkonzept

104

4,83

,743

 

Leistungsmessung und -bewertung

104

5,19

,825

 

Diagnostische Verfahren

100

4,70

,893

6=sehr hoch, 5=hoch, 4=eher hoch, 3=eher gering, 2=gering, 1=sehr gering

Aus diesen Ergebnissen kann eine intrinsische Motivation der Studierenden geschlussfolgert werden, sich mit den Seminarinhalten auseinanderzusetzen. Dies erweist sich mit Blick auf das asynchrone Lehrkonzept, das Elemente des selbstgesteuerten Lernens beinhaltet, als förderlich.

5.2 Online-Erhebung zum Semesterende

Zum Ende der Vorlesungszeit wurden die Studierenden um eine Bewertung des Seminarkonzepts gebeten. Diese wurde einerseits hinsichtlich der Rahmenbedingungen des Seminars sowie andererseits mit Blick auf die Inhalte und den erlebten Lernzuwachs vorgenommen.

Die Studierenden zeigten sich hinsichtlich der Rahmenbedingungen des Seminars durchweg zufrieden (siehe Tabelle 3). Lediglich die Organisation der Gruppenprozesse hebt sich von den anderen Ergebnissen durch einen geringfügig niedrigeren Wert ab.

Tabelle 3: Zufriedenheit mit Rahmenbedingungen

   

N

MW

SD

 

Aufbau des Seminars

48

3,40

1,026

 

Technische Umsetzung (Lernmodul, BigBlueButton, etc.)

48

3,37

1,084

 

Kommunikation mit den Dozierenden

48

3,37

1,084

 

Rückmeldung durch die Dozierenden

48

3,29

1,071

 

Organisation der Gruppenprozesse

48

3,00

1,092

4=sehr zufrieden, 3=eher zufrieden, 2=weniger zufrieden, 1=nicht zufrieden

Außerdem wurde eine inhaltliche Zufriedenheit mit dem Seminarkonzept dokumentiert. Die drei Themenblöcke des Seminars wurden diesbezüglich weitestgehend gleich bewertet.

Tabelle 4: Inhaltliche Zufriedenheit mit den Themenblöcken

   

N

MW

SD

 

Vom Lernfeld zur Handlungssituation

47

3,32

1,002

 

Leistungsmessung und -bewertung

47

3,26

1,052

 

Diagnostik

47

3,19

,992

4=sehr zufrieden, 3=eher zufrieden, 2=weniger zufrieden, 1=nicht zufrieden

Im Zusammenhang mit diesen Ergebnissen ist es ebenfalls erfreulich, dass die Studierenden ihren Lernzuwachs durchgehend als ‚hoch‘ bewerten. Wie Tabelle 5 darstellt, konzentrieren sich diese Lerneffekte nicht nur auf explizit im Seminar behandelte Themen, sondern zeigen sich auch in einer wahrgenommenen Steigerung der mediendidaktischen, methodischen und reflexiven Kompetenzen. Außerdem erweist sich das Seminarkonzept förderlich für die Stärkung der beruflichen Identität der Studierenden.

Tabelle 5: Lernzuwachs

   

N

MW

SD

 

Didaktik der beruflichen Bildung

45

2,96

,852

 

Handlungsorientierung

45

3,02

,892

 

Leistungsmessung und –bewertung

45

3,13

,944

 

Diagnostik

45

2,93

,837

 

Mediendidaktische Kompetenzen

45

2,70

,832

 

Methodische Kompetenzen

44

2,80

,823

 

Reflexive Kompetenzen

45

2,87

,944

 

Berufliche Identität

45

2,78

,823

4=sehr hoch, 3=hoch, 2=gering, 1=sehr gering

Neben dieser quantitativen Erhebung hatten die Studierenden auch die Möglichkeit das Seminarkonzept durch offene Rückmeldungen zu bewerten. Viele Studierende bewerteten positiv, dass sie sich durch den vorgegebenen und transparenten Ablauf des Seminares bereits zu Semesterbeginn eine eigene Studienstrukturierung erarbeiten konnten. Bezüglich der zeitlichen Ressourcen wurde der Aufwand von den Studierenden größtenteils als vertretbar und angebracht zurückgemeldet.

„Die Kombination aus Videos und Arbeitsaufträgen in Einzel- und Gruppenarbeit finde ich mit Abstand die beste Methode für digitale Seminare. Der zeitliche Aufwand war perfekt, nicht zu viel nicht zu wenig.“

Insbesondere die (digitalen) Feedbackgespräche wurden von den Studierenden positiv hervorgehoben. Diese bieten die Chance einer direkten Rückmeldung, der Reflexion des Gruppenprozesses sowie die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen.

5.3 Ergebnisse der Lehrveranstaltungsevaluation

Zur weiterführenden Evaluation wurde die zentrale Lehrveranstaltungsevaluation der Universität genutzt. In den kumulierten Werten sind Aussagen von 60 Studierenden enthalten, die die Einschätzungen zum Seminarkonzept weiter konkretisieren.

Einige Items beziehen sich auf Gebrauch und Anleitung der Nutzung von digitalen Tools. Die Studierenden sollten dem Seminar dabei eine grundsätzliche Schulnote für die digitale Umsetzung geben. Hier wurde ein Mittelwert von M=1,66 erreicht. Bei weiteren Items stand den Studierenden eine 5er-Likert-Skala zur Verfügung (1=‚stimme überhaupt nicht zu‘ bis 5=‚stimme voll zu‘). Hier wurde unter anderem erfragt, wie gut die Dozierenden die Studierenden auf den Einsatz der digitalen Tools vorbereiten. Die drei Seminare erreichten einen durchschnittlichen Wert von M=4,33. Die digitale Umsetzung der Dozierenden schätzen die Studierenden ebenfalls positiv ein (M=4,68).

Weitere Items konkretisierten die Austauschmöglichkeiten zwischen den Dozierenden und Studierenden, die aufgrund der Asynchronität als besonders herausfordernd charakterisiert werden können. Auch in diesem Bereich stand die 5er-Likert-Skala zur Verfügung und es wurden hohe Mittelwerte erreicht. Die Frage inwieweit die Dozierenden die Studierenden aktiv einbinden erreichte einen Mittelwert von M=4,46. Die Erreichbarkeit der Dozierenden für Fragen und Anmerkungen wurde mit einem Mittelwert von M=4,76 eingeschätzt und ebenso die Gelegenheiten zum fachlichen Austausch unter den Studierenden sind ausreichend vorhanden (M=4,57). Gleichzeitig bietet die Konzeption der Veranstaltung aus Sicht der Studierenden die Möglichkeit, die Inhalte selbstständig zu erarbeiten (M=4,44).

Im Rahmen der Evaluation wird außerdem der Arbeitsaufwand für das Seminar von den Studierenden eingeschätzt und erfasst, inklusive der durchschnittlich wöchentlichen Stundenanzahl für Vor- und Nachbereitung. Diese Fragen sind demnach für das Zeitmanagement der Studierenden besonders aussagekräftig. Hier schätzen die Studierenden, wie auch bereits in der vorhergegangenen Befragung ersichtlich, den zeitlichen Aufwand als akzeptabel ein. Auf einer 5er-Likert-Skala, bei der die Eins einen zu niedrigen Aufwand bedeutet und die Fünf für einen zu hohen Aufwand steht, liegt der Mittelwert mit M=3,24 nur leicht über einen optimal empfundenen zeitlichen Aufwand. Die meistens Studierenden (73,3 %) bringen für die Erarbeitung der Inhalte 2-3 Stunden pro Woche auf. Damit wird der von den Dozierenden eingeschätzte und beabsichtigte zeitliche Aufwand für das erfolgreiche Absolvieren des Seminars von den Studierenden erfüllt. Durch die offenen Fragen treten jedoch auch Herausforderungen im Zuge der Online-Lehre zum Vorschein, indem die Studierenden beispielsweise von Ablenkungen durch die Kinder oder Haustiere, Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger, einem erhöhten Aufwand im Rahmen des Nebenjobs, fehlender Ruhe im häuslichen Umfeld oder Internetverbindungsproblemen berichten.

Einige Aussagen weisen darauf hin, dass das Seminarkonzept im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen Lösungen bereithält, die bestehende Herausforderungen der Studierenden adressieren. So wurde unter anderem geäußert, dass die zeitlichen Vorgaben der einzelnen Themenblöcke ein ‚Hinterherhängen‘ im Semester verhindern würden. Außerdem bewerten die Studierenden die asynchrone Seminararbeit als positiven Gegenpol zu den weit verbreiteten synchronen digitalen Lehrformaten, weil unerwünschte Nebeneffekte des digitalen Semesters wie beispielsweise eine auftretende ‚Zoom-Fatigue‘ (vgl. Rump/Brandt 2020) in diesem Format nicht auftreten.

Insgesamt wurden die drei Parallelseminare von den Studierenden durchweg sehr positiv beurteilt. Innerhalb der freien Items wurde häufig die hohe Flexibilität angesprochen, die dadurch erreicht wurde, dass alle Bestandteile des Seminars in Courseware bereitgestellt wurden und die Studierenden ihren Arbeitsprozess so zeitlich selbst gestalten konnten.

5.4 Evaluation aus Dozierendensicht

Das entwickelte Seminarkonzept weist aus Sicht der Dozierenden einige Vor- und Nachteile auf, die im Folgenden beschrieben werden sollen.

Die drei voneinander abgrenzbaren Themenblöcke ermöglichten ein arbeitsteiliges Vorgehen. Diese Aufteilung führte zu einer Einsparung an Einarbeitungszeit und schaffte Kapazitäten für eine intensive Seminargestaltung, was positive Effekte auf die Qualität der Inhalte hatte. Der entstandene Mehraufwand durch die notwendige Einarbeitung in digitale Tools konnte hierdurch kompensiert werden. Durch die Nutzung der einzelnen Bausteine in den Folgesemestern ließe sich die zeitliche Effizienz langfristig noch erhöhen.

Das arbeitsteilige Vorgehen führt außerdem zu einem intensiveren Austausch zwischen den Dozierenden. Dies eröffnet neue Perspektiven und Ideen, die diskutiert werden können und trägt zu einer qualitativen Weiterentwicklung der hochschulischen Lehre bei. Jedoch schränkt diese Vorgehensweise die Integration neuer Lehrender in das Seminarkonzept ein.

Zudem wurde im Vorfeld darüber diskutiert, inwieweit die Aufteilung bei den Studierenden Irritationen hervorruft. Abgesehen von wenigen Rückfragen zum Adressaten der Studienleistung wurde das arbeitsteilige Vorgehen jedoch positiv bewertet:

„Die Aufteilung der Lerninhalte auf die drei Dozenten habe ich als positiv empfunden – so war jedes Themengebiet für sich noch einmal besonders interessant“.

Die Asynchronität wurde von den Studierenden insbesondere aufgrund der daraus resultierenden Flexibilität wertgeschätzt. Gleichzeitig bringt dieses Format aus Dozierendensicht einige Nachteile mit sich, die durch das beschriebene Seminarkonzept nicht aufgefangen werden konnten. Das Ausbleiben der Präsenztermine verhindert vor allem gemeinsame Reflexionsprozesse und tiefere Diskussionen. Hierbei könnte eine Abschlussveranstaltung hilfreich sein, um die wesentlichen Aspekte zusammenzuführen.

Außerdem ist der Kontakt sowohl zwischen den Studierenden als auch mit den Dozierenden erheblich eingeschränkt. Die fehlende Präsenz am Studienort hat Auswirkungen auf das Zusammengehörigkeitsgefühl sowie auf gruppendynamische Prozesse. Die Studierenden arbeiten individuell oder in Kleingruppen, lernen ihre Mitstudierenden aus den anderen Gruppen jedoch nicht kennen. In Präsenzveranstaltungen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Osnabrück werden üblicherweise Vergleiche zwischen den verschiedenen beruflichen Fachrichtungen gezogen, was in diesem Format nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass sich die Studierenden vor allem in den Bachelorveranstaltungen untereinander teilweise noch nicht kennen. Dies kann die Gruppenzuordnungen erschweren und den gruppendynamischen Arbeitsprozess beeinträchtigen. Die identifizierten Problematiken könnten dabei teilweise durch die Überführung in Inverted-Classroom bzw. Blended-Learning-Formate kompensiert werden, in denen neben asynchronen Elementen ebenso Präsenztermine vorgesehen sind. Hierauf wird im abschließenden Kapitel erneut Bezug genommen.

6 Fazit und Ausblick

Die eingangs formulierte Fragestellung greift zwei Aspekte auf – einerseits den Zusammenhang zwischen asynchron digitalen Veranstaltungsformaten und der Dimension Zeit und andererseits Möglichkeiten einer langfristigen Implementierung – die im Folgenden erörtert werden sollen.

Sowohl die Darstellung übergreifender Untersuchungsergebnisse als auch die Befragungen und Evaluation innerhalb des fokussierten Seminares haben begrenzte zeitliche Ressourcen der Studierenden aufgezeigt. Diese existierten bereits vor der Pandemie, haben sich jedoch durch Familienbetreuung, Pflege oder der Ausweitung paralleler beruflicher Tätigkeiten weiter verschärft. Durch die Spezifitäten des Studiums (dreigliedriges Studium, viele Kombinationsmöglichkeiten, unterschiedliche Vorlesungszeiten) ist die zeitliche Dimension von besonderer Relevanz und gleichzeitig mit bedeutenden Herausforderungen verbunden. Dabei tragen die fehlenden Absprachen der beteiligten Institute zu einer Erhöhung der Problematik bei. Die Durchführung asynchroner Formate verschafft den Studierenden Flexibilität in der zeitlichen Gestaltung ihres Studiums. Dieser Aspekt wurde sowohl in der Befragung als auch der Evaluation mehrfach hervorgehoben.

„Asynchrone Veranstaltungen ermöglichen den Studierenden enorme Flexibilität bei der Gestaltung und Durchführung der Aufgaben. Dies trägt nachhaltig zum Lernerfolg bei. Die digitalen Inhalte können zudem mehrfach aufgerufen werden, was die Vertiefung der Lehrinhalte wesentlich erleichtert“.

Gleichzeitig gehen asynchrone Formate mit einem ausbleibenden Kontakt und damit auch einer fehlenden Kontrolle über den Lernprozess der Studierenden einher. Dies führt zur Gefahr eines Aufschiebens, was von den Studierenden ebenfalls angesprochen wurde. So können sich die während des Semesters nicht erarbeiteten Inhalte ansammeln und zu einer Überforderung führen, die erst zum Semesterende eintritt. Um diesen Gefahren entgegenzuwirken und dennoch eine Flexibilität beizubehalten wurden im Wintersemester 2020/21 einige organisatorische Veränderungen am Seminarkonzept vorgenommen.

In der ersten Vorlesungswoche wurde eine digitale Präsenzsitzung eingeführt, mit der das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt, organisatorische Fragen geklärt und der Gruppenprozess besser eingeleitet werden sollte. Um das Feedback sowohl quantitativ als auch qualitativ zu optimieren, wurden im Zuge der Überarbeitung nach jedem Themenblock persönliche und längere Gruppenfeedbackgespräche eingeführt. Außerdem wurde ein Forum eingerichtet, um gemeinsam über inhaltliche oder organisatorische Themen zu diskutieren. Diese Änderungen wurden von den Studierenden begrüßt. Sie haben sich in Hinblick auf eine tiefere Auseinandersetzung mit den Seminarinhalten und Reflexion mit Blick auf die spätere Berufstätigkeit als gewinnbringend erwiesen. Insbesondere die Ausweitung der Feedbackgespräche und deren Funktion wurden von den Studierenden wertgeschätzt:

„Mir hat das Feedback der Dozentin zu jeder Aufgabe sehr gut gefallen, da man Verständnisfragen klären konnte und erfuhr, wie man die Aufgabe besser lösen könnte“.

Mit dieser Form der Modifikation ist gleichzeitig eine Möglichkeit der langfristigen Implementierung geschaffen, die sich auf den zweiten Teil der Fragestellung bezieht. Mit Blick in eine Zukunft nach Corona soll das grundlegende asynchrone Seminarkonzept beibehalten werden. Jedoch ist eine Ergänzung von vereinzelten Präsenzterminen, zum Beispiel zur Reflexion der jeweiligen Themenblöcke oder zum gemeinsamen Seminarabschluss vorgesehen. Diese Termine würden die Möglichkeit eines fachrichtungsübergreifenden Austausches eröffnen. Die Studierenden könnten ihre Gruppenergebnisse präsentieren und sich über ihre Erfahrungen aus den Arbeitsphasen austauschen. In einer weiterführenden Diskussions- und Reflexionsphase könnten die Gruppen überlegen, welche Konsequenzen sich aus den Seminarthemen für ihre spätere Berufstätigkeit als Lehrkraft ergeben. Gleichermaßen könnten die Inhalte aller Themenblöcke im Rahmen einer Abschlussveranstaltung zusammengeführt werden.

Ein solches zukünftiges Konzept würde die dargelegten Vorteile des asynchronen Arrangements mit denen des direkten persönlichen Austausches kombinieren und dem Ansatz des Inverted-Classroom entsprechen. Wie gezeigt wurde, eröffnet ein solches Konzept Vorteile für Studierende und Dozierende. Gerade mit Blick auf den Lernerfolg und die Studierbedingungen der heterogenen LbS-Studierenden wäre es lohnend, solche Lehrkonzepte vermehrt einzusetzen.

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Zitieren des Beitrags

Tessmer, E./Adam, Y./Bertke, L. (2021): Reflexion über digital asynchrone Lehr-Lern-Formate im Studium zum Lehramt an berufsbildenden Schulen. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 40, 1-21. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe40/tessmer_etal_bwpat40.pdf (09.07.2021).